Matter «Main. Beilage Mr Laibacher Seitung. ^>. 49. Erster Jahrgang. 5. December R857. Versöhnung. K'ctritt dein Fuß dic Statte wieder, ^ Wo cinst dein Herz die Liebe fand, Da weht's dich au wie Frühlingslieder Aus einem schöne» Fccnland. Da ist dir heilig jede Stelle Und heilig ist dir jeder Raum, Wo mit der rosenfarbnen Welle Verrann des Lebens schönster Traum. Doch nahst du wieder jener Stätte, Wo sich dein Herz in Kummer wand, Wo cö vor Schmerz verzweifelt hätte, Wenn's Trost nicht iu sich sclbcr fand, Da sci auch heilig dir dic Grde, Die du mit mildem Fuß bcschrittst, Sie hals dir tragen die Beschwerde Und alle Qualen, dic du littst. Sich' hin, da ist kein Ort der Runde, Der nicht zu dir mit Nchmuth sprach, Dcr nicht iu deines Herzens Grunde Dic Vlüthc dcr Erinn'rung brach. Und was dir schrecklich cinst geschienen. Das naht sich dir nun sanft und mild Mit ernsten, abcr schönen Mienen: Als der Versöhnung Friedcnsbild. ^. I. Der Ahnen saal. Erzählung von Drärlcr-Manfred. (Fortsetzung.) ^^lc gmgeu nun über cincn langen Gang, dann durch mehrere Zimmer, endlich in cincn großen Saal, wo jedcr Schritt dumpf wiedcrhallte. „Das ist der Ahnensaal," lispelte der Führer leise. Matt leuchtete seine Kerze; Sigmar konnte nichts uon den Gemälden erkennen; da blitzte es fürchterlich hell durch die hohen Fenster und wie im Gcistcrglanzc stand das nächste Vild — eine hohe, ! bleiche Nittcrgestalt — mit durchdringenden Blicken vor ihm. Dcr Donner hallte hinterdrein, daß dic Fenster dröhnten. Der Alte bekreuzte sich und hielt sorgsam die Hand vor das Flämmchcn, damit es ja nicht verlösche. Nun führte er ihn noch durch zwei Gemächer, wo er dann stehen blieb und schweigend deutete, daß in dcr nächsten Thür dcr Graf und Idnna sei. Sigmar hörte sie sprechen; — bange und doch so freudig klopfte sein Herz; — „ich soll den verehrten Greis wiedersehen, nnd — seine Pflegetochter, die schöne, herrliche Idnna!" — Nasch trat er nun in die Thür. — Mit wahrer Ucbcrraschung rief ihm der Graf entgegen: „Lieber Sigmar, schon hier!" und drückte ihn fest in die Arme. Iduna sprang freundlich vom Sitze auf, reichte ihm herzlich das liebe Händchen und grüßte mit einem traulichen: Willkommen! — Heitere Gespräche gingen nun von Mund zn Mund — der Graf erzählte uon seiner Jugend, Iduna schien froh und heiter, und Sigmar hatte aller Müdigkeit vergessen. — „Mau besucht uns hier sehr selten," sprach dcr Graf; „ich meine die Bekannten ans dcr Residenz. Sie wollen auch hier dic lauten Freuden, das lärmende Gepränge ihrer glänzenden Manern finden, und kommen sich hier einsam vor in der stillen, frcnndlichen Natur. Auf ihren Schlössern müssen Bälle, Konzerte, Schauspiele gegeben werden, nm die schönen Frühlingsstnnden zn todten, um die Freuden dcr Stadt doch ja nicht zu entbehren. Das finden sie bei mir freilich nicht. — Aber ein stilles Gemüth, wie das Ihrige, lieber Frcnnd! das an der heiligen Natur und ihrer treueu Schwester, dcr Kunst, mit unendlicher Liebe hängt, wird hier genußreiche Nahrung und dic süßeste Freude finden. — Sie sollen alle die Herrlichkeiten, die hier dcr Frühling so reich entfaltete, kennen lernen; wir wollen Sie ans die heitern Punkte führen, wo sich die Welt, ein unerreichbar schönes Panorama, vor den hochentzückten Blicken ausbreitet. Iduna soll Sie in die Vildcrgallerie geleiten, dic rcich an Originalen und trefflichen Kopien ist, und in den Ahnensaal, wo mir die Vergangenheit manchen tranlichen Gruß scndct und die mannigfaltigen Schicksale der längst Vermoderten sich warnend an mein Leben knüpfen. Auch die Musik trägt leicht und süß hier Manche in eine schöne Heimat; denn Idnna's Harfenklängc scheinen wahrlich nicht von dieser Welt zn sein.— So hoffe ich, lieber Freund! werden unsere Tage heiter werden, ob der Sturm da dranßen auch tobc und dcr Ncgen an die Fenster schlage, wie eben jetzt." Sigmar fühlte sich tief gerührt durch dicsc herzliche ! Sprache, den freundlichen und doch zuweilen wehmüthigen Blick, der diese Worte begleitete. Er erzählte nun auch ^ von seiner Ncisc und der Bangigkeit, die ihn anwandelte, als er bei dem Einbrüche der Dunkelheit das Schloß nicht zu erreichen fürchtete; wie hoch erfreut er gewesen, als er ^ davor stand, und welch ein un erklärbares Grauen ihn bei z dem Anblicke des hohen, bleichen Ritters im Ahnensaale — in der Glutbclcuchtung des Blitzes — ergriffen. Bei den ! letzten Worten wurde der Graf und Iduna sichtbar ernster, und wie aus ciuem Munde fragten sie: „Die Jünglings-gestalt am Erker, links nahe an der Thür?" — „Ganz ! recht; in ein dunkles Gewand gehüllt, eine weiße Schärpe ! darüber." — «Weiße Federn am Barett, cincu glänzenden ^ Dolch in der Rechten?" — „So schien es mir im Leuchten ^ des Plitzcs." erwiederte Sigmar, indem er auf Idnua binblickte, uud die glühcude Nöthe, die bei der schuellcn ! Frage ihre Wangen überzogen, immer uud mehr erbleichen sah und die Blicke düster wcrdcu, als ob sie verlöschen wollten. — Der Sturm heulte furchtbar durch das Schloß ^ — es schlug zwölf. — „Laßt uns znr Nuhc gehen," sprach ^ der Graf mit einem wehmüthigen Blicke auf Iduna — „wir bedürfen ihrer!" — , Der alte Diener war eingetreten; gedankenlos, fast 'mechanisch umarmte Sigmar den Grafen, begrüßte Iduna uud folgte dem Führer. — Sie mußten wieder durch den ^ Ahnensaal gehen; unwillkürlich blickte der Gast seitwärts ! uach jenem Schrcckcusbildc uud zog daun mit schnellern ! Schritten den Alten fort. Nicht ferne davon fand Sigmar ein mit allen Bequemlichkeiten versehenes Gemach; die Fenster waren mit hohen Läden verschlossen, uud ein weiches Lager, mit hellseidencn Gardinen umhaugeu, lächelte den Ermüdeten au. Doch ! stand das letzte Gespräch uud jcuc Gestalt zu lebhaft vor ^ seiner Seele, als daß er Ruhe hätte finden sollen. Der ! Eindruck, welchen die Erwähnnng des Bildes gemacht hatte, ! sprach sich auf dem Gesichte des Grafen und des Fräuleins ^ zu deutlich aus; der Zusammenhang der Dinge war ihm ! zu uuerklärbar, um rnhig darüber einzuschlummern. Schlaf- ! los lag er auf dem Bette und quälte sich mit allen Mög- ! lichkcitcu, die ihm das erklären sollten, was er gehört ! und gesehen. Da klangen Töne au sein Ohr — er richtete sich auf — < und deutlich zogen Harfcnkläugc, öfter durch das Geheul des Windes unterbrochen, au ihm vorüber. Sie schienen ! den Sturm, so wie die Vaugigkeit sciu-cs Herzens zu beschwichtigen, denn jener wnrdc still, wie dicsc. Des Grafen Worte: „Iduua's Harfcuklänge scheinen wahrlich nicht von dieser Welt zu seiu!" wiederholte er sich leise, uud Schmerz und Freude, Webmuth nnd Trost drangen auf melodischen Wogen an sein Herz. „Wer sollte sonst die Himmclstönc aus der schlummernden Harfe wecken, als sie, das süße, rührende Wcseu!" rief er mit heißer Sehnsucht aus; ,,o wie ist sie doch so schön! Ein zartes Noth, wie das der Monatrose, blüht auf ihrem Lilieuangcsicht; der Ernst, der um ihre Lippen schwebt, wird durch das freundliche, klare Mondenlicht ihres lieben Auges gemildert, uud ihre Worte wiedcrhallcu wie liebliche Accordc in der Brust; o wie ist sie doch so schön!" — Er fühlte es mächtig, daß er sie liebe; ihre Liebenswürdigkeit stand in vollem Glänze vor seiner heiß bewegten Seele; tanscuo herrliche Bilder der Freude und Hoffnuug gaukelten au ihm hin, und so hell war es in seinem Herzen, als ob der schönste Früh-lingsmorgeu darin aufgedämmert wäre! Die Klänge waren verhallt uud der Sturm hatte zu toben aufgehört. Sigmar öffnete die Läden und die schönste Nacht mit ihren Millionen Sterncnaugeu blickte ihu freundlich au. Semen süßeu Träumeu hingegeben lag er lauge im Fenster, dachte sehnsüchtig dem folgenden Morgen entgegen, wo er Iduua wieder scheu würde, bis die Kühle, welche durch die Nacht wehte, ihn vom Fenster in das Bette trieb. Hell beschien die Sonne schon das Lager, als Sigmar am andern Morgen erwachte. Iduna war sein erster Gedanke; rasch warf er sich in die Kleider und öffnete die Thür. Iduua's Kammerfrau begegnete ihm. „Schläft das Fräulciu uoch?" fragte er sie etwas verlegen. — „Ei, nicht doch!" erwiederte Jene. „sie begrüßte schon längst den heitern Morgen, wie es ihre Gewohnheit von Kindheit an ist; das Fräulein ist die Erste wach im Schlosse." — „Und ging doch gestern so spät zu Vcttc, uach Mitternacht hörte ich uoch die schönen Klänge ihrcr Harfe." — »Sie vergeben, ich verließ das Fräulein schlafend; uud wenn sie anch wirklich die Harfe geschlagen hätte, so wäre der Ton von dem Zimmer am Ende des Ganges doch kaum bis hierher gedrungen, zumal bei dem wüthenden Geheul des Sturmes um Mitternacht.« — „Wer wohnt sonst hier in der Nähe des Saales?" — „Keine Seele, die Gastzimmer sind alle leer." — „Ist der Graf schon wach?" fragte er nun ablenkend die beredte Zofe weiter. — „Er wartet bereits mit dem Frühstück: mir ist befohlen, das Fräulein zu rufcu, das wohl im Park auf ihrem Liebliugs-plätzcheu seiu wird." Souderbar bewegt von der Erinnerung an die milden Fricdenskläugc der Nacht, die cr noch lebhaft in seinem Innersten wiederhallcn fühlte, schritt Sigmar durch den Saal. „Von hierher schienen doch die Töne zu kommen," sprach cr lauter zu sich selber und hob die gesenkten Blicke, die starr an dem Bilde hängen blieben, vor dem cr eben stand. Sonderbar ergriff ihu der Anblick; der bleiche Jüngling mit der weißen Schärpe uud dem blinkenden Stahl ^ in der Hand, dcsseu Blicke cr am vorigen Abend so düster l funkeln sah, blickte fast mit freundlichen Augen auf ihn ^ uiedcr und deutete auf eine Harfe hm, die cr eben bei Seite gelegt zu haben schien. z Iduua's freundlicher Gruß erweckte dcu Liebender, aus ! der dumpfen Betäubung. „Gefällt Ihnen dieser Jüngling?" > fragte sie ihn freundlich. — „O doch," sprach er schuell. wie aus einem Traume erwachend. — „Ihr Blick scheint so unmnthig auf der schönen Gestalt zu weilen?" — „Nicht doch," erwiederte Sigmar, sich allmälig erholend und zugleich so angenehm durch Iduna's Nahe überrascht; ^ „ich dachte nur an die Bedeutung dieses Gemäldes und bcwnndcttc die herrliche Kunst des Malers, der so uiel in die Züge zu legen wußte, daß sie uus mit rührender Vcr» traulichkcit das ticsc Leideu des krauken Gemüthes berichten." — „O wohl des kranken Gemüthes!" sprach Iduna bewegt; ' „der bleiche Jüngling hatte nichts als seine Harfe, den ruhelosen Sturm seines Herzens, der alle seine Jugend« ! blüthcn so grausam vernichtet hatte, zu beschwören. Hin» i wcggeschlendcrt uon Allem, was ihm lieb und theuer war ! hieuicoen, verhallten seine Klagen wie die Klänge jener Saiten durch die flüstere Nacht seines Lebens; er haßte Alles, was ihn umgab — mir seine Harfe nicht. O sehen ! Sie hin, wie sein wehmüthiger Blick zu sagen scheint: Das ist Alles, was mir geblieben!" , Iduua verhüllte ihr Angesicht, die Thränen zu verberge,,, die ihren Augen entquollen. Auch Sigmar war durch des lieben Mädchens schönes Mitleid gerührt, und bat, die Geschichte des Unglücklichen vollständiger zu erzählen. Schon wollte sie beginnen, als die beistchcnde Zofe ehrfurchtsvoll erinnerte, daß der Graf schon seit einer halben ,' Stunde warte. (Fortschimg folgt.) ^ Eine Därelljagd von anno 1779. (Fortsetzung.) Nachdem unser Gewährsmann dem Treiben der Jäger > auf dem Marktplätze von Mötnik eine Weile zugesehen hatte, gewahrte er auf ein Mal, daß die Leute aus seiner Gegend — sein Elternhaus stand jenseits des .laselnik an der Heerstraße — den Markt schon verlassen hatten; sofort eilte ! er ihnen nach, denn er wäre um keinen Preis an der verru- ! fcncn Einsattelung uon kup^, wo man ihm in der Frühe z beim Kirchgänge im Schnee die Värcnfährten und die Spuren des verunglückten Mehlsackes gezeigt hatte, ganz allein vorübergegangen. Denn zu Hause angekommen, er« ! wartete ihn das tägliche Geschäft, die Wartung der Ziegen. ! Als er die Thiere auf die Weide trieb, gab ihm sein Vater ! die Weisung, sich mit den Ziegen in der Nähe der Heer- ! straßc zu halten, wohin der Bär wegen der Frequenz, die in jener Zcit, im Vergleiche zu den spätern Jahren, freilich . noch sehr dünn war, sich nicht so leicht wagen dürfte. Die Ziegen trabten munter auf der Wien - Triester Straße gegen die Grenze uon Stcicrmark — dermalen liegt diese Strecke schon in Steiermark — der Knabe klapperte i in seinen Holzschnhen über die gefrorenen Schollen des ^ Straßcnkothcs. Ncchts von ihm plätschert hart an der^ Straße der Vul^-Vach. ' ! Ungefähr 300 Klafter vor der, dazumal noch ganz ! gut erhaltenen Grenz-Pyramide ans schwarzen Quadern ! weitet sich die Vol.^-Schlucht zu einer kleinen Thalbucht ' aus, die in jener Zcit noch mit allerlei Vorholz, als: Eschen, Haselsträuchern, Weißbuchen, Salweiden u. dgl., bewachsen war, worüber die am ^aselnik überall wuchernde Waldrebe ihr in dieser Jahreszeit stockiges Zelt ausgesvauut hatte. Wo sich die Bucht an die Fclsenwand des ^aslckuk anlehnt, sickert zwischen bemoosten Felsen eine Quelle hervor, die auch im grimmigsten Winter mit einem grünen Teppich uon Vrnnncnkresse umsäumt ist. Dieses einst unheimliche Revier hat später der Mcnschenflciß in fruchtbares Ackerland umwandelt, aber es führt noch heutiges Tags den Namen »M,?ta loka — öde Au,« wenn anch unverdient. Während die nördliche, mit Hochwald bewachsene Abdachung des ^elnik über dem Markte Mötnik noch mit Schnee bedeckt war, erfreuten sich die sonnigen Böschungen anf der Südseite über der Straßc bereits der Segnungen des beginnenden Frühlings. Hier wechselten lichte Weideplätze mit dichtem Holzwnchs und eingezäunten Gercnth-äckcrn ab. Ein solcher Gereuthackcr reichte längs des Dickichts von »pust» Inka« bis znr Straße herab. So wie die Ziegen an diese Stelle kamen, sprangen sie links uon der Straßc ab und begannen mit der ihnen angeborncn Virtnosität ihre heillose Forstknltnr. Einige naschten hastig die Blüthcnkähchcn der Salweide und des Hasclsttanchcs, so weit sie erreichbar waren; andere pflückten die stacheligen Blätter der Brombeeren, welche anch über den Winter ihren grünen Schmuck nicht ablegen. Sonst kletterte der kleine Hirte zum Zeitvertreibe auch auf eine Salweide und dog den Ziegen die sonst unerreichbaren, mit Vlnthcnkätzchcn beladcncn Aestc zum Abweiden; heute jedoch schien er sich um seine Pflegebefohlenen weniger zu kümmern. Er stieg einige Schritte bergan und setzte sich auf einen Felshöckcr in die Sonne. Der Frühling hatte über die Gegend seinen Vlnthenschmuck ausgestreut. Die von Ziegen und Schafen treppenartig ausgetretenen Zick» zackwcge waren mit den Pnrpnrblüthcn des Frühling« Heidekrautes raseuartig umsäumt, inzwischen erschloß die schwarze Nicscwurz ihre großen, weißen, in Roscnäther getauchten Blüthen. Der Vnchfink wiederholt? seine bekannte Melodie und unten im. Bette der Volska schmetterte der kleine Zannkönig seine gellenden Triller. Alles dieses schien der Knabe nicht zn beachten, so sehr beschäftigte seine jugend« liehe Phantasie die heute Morgen in Mötnik vorbereitete Bärenhctze. Noch war keine Stunde verstrichen, da kam querüber den Berg uon der steierischen Seite ein Jäger ziemlich hastigen Schrittes. Es war der Marktrichtcr von Mötnik selbst. — „Bursche — sprach er — hättest wohl hcutc deine Zicgcu im Stalle halten können; weiß denn dein Vater nicht, daß im.Ig^InIK wieder Bären hausen?" — „Geh, treibe deine Ziegen in die Gereuth-Giuzäunung und bleib hübsch bei ihnen. Der Bär ist im Triebe und dürfte gerade hier nach ?i'05ivni!i und in die l'Ilmin» wechseln." — Mit diesen Worten ging der Marktrichter an dem Knaben vorbei hinab zur Straße. Er war ein stattlicher Mann von über der Mittelgröße, in den Jahren etwas vorgerückt. In der Jugend hatte er als Ledcrergesclle mehrere Länder gesehen nnd anch dcntsch gelernt. Dieser, damals noch seltene Vorzug, seine Redlichkeit nnd Wohlhabenheit verschafften ihm großes Ansehen nicht mir unter seinen Mitbürgern, sondern auch in der ganzen Umgebung. Er war ebenso tüchtig in seiner Werkstättc als leutselig in seiner stark besuchten Weinschenke; dabei stand er im Nnfc eines gewandten Jägers und hatte schon mehrere Bären erlegt. ! Auch sein Anzug ist insofern interessant, als er nns ein i Vild gibt von der damaligen Tracht der Bürger in den Märkten und Landstädten. Ueber seinem wcttcrgebräunten Gesichte saß kühn ciue Pclzhanbc; der in der einen Hälfte i des Kreises handbreite, in der andern Hälfte spannhohe > Fischottcrbram ließ den Gupf uon grünem Sammet kaum ! bemerken. Der bis an die Husten reichende Wamms uon braunem Tuch war mit Schafpelz aufgeschlagen und zeigte an der Vrnst die scharlachrothc Plüschwcstc mit großen, ^ stachen Mctallknöpfcn. Das kurze Beinkleid von braun- ! schwarzem Vockledcr war nntcr den Knien an die bis über die Waden reichenden und rückwärts etwas ausgeschnittenen Stiefelröhrcn mit breiten Ledcrschnüren befestiget. Um die Hüfte trug er die ockergelbe Schürze, als Zeichen des Handwerkes, nachlässig gewunden; vom Nacken herab hingen! ein Paar Pclzhandschuhc mit Fuchspelz verbrämt. In oer Hand hielt der Marktrichtcr einen schweren Stntzcn mit rauhgcschwärztcm Schaft. Knapp an der Straße lag damals ein gewaltiger Fels» block, der sich einst vom Gerippe des Vcrges losgerissen hatte und bergab kollernd am Uferrandc des Vachcs haften blieb; später wurde er bei der Erweiterung der Straße zersprengt und zerschlegelt. Zn diesem Felsen postirte sich der Markt» richter. Der Knabe trieb seine Ziegen in das Gerenth, wobei er auf einer Stelle den Speltcnzann aufriß und dann wieder vermachte. Auch er blieb innerhalb der Verzännnng und lugte über die Vrüstung derselben. Nach einer kleinen Weile wnrdcn die hoblen Stimmen der Treiber dörbar, aber noch tönten sie ans weiter Entfernung. Bald darauf fiel ein Schnß; nach dem Gehör zu urtheilen, nnter der senkrechten Felsenmancr über dem Gehöfte 6,-0" 01^0 vic. Es währte nicht lange, so ertönte das „Halloh" der Treiber auch auf der Ostplatte des .la,^1-nik. Jetzt untersucht der Marktrichtcr nochmals seine Zündpfanne und wischt am Feuersteine. Die Ziegen, welche sich bisher an den Vrombeerstaudcn längs des Zaunes gütlich thaten, wurden plötzlich unrnhig. Sie richteten, in der Luft witterud, ihre Nasen empor, hoben bald den einen, bald den andern Vor.dcrfuß in die Höhe, schnoberten nnd niesctcn nacheinander ganz laut. Der Ruf der Treiber kam immer näher. Plötzlich hörte man das Gckrachc der Acstc im Wäldchen uon v pu5w Inka; die ganze, mit Waldreben übcr-sponncne Gcsn'üppdeckc erzitterte. Der Jäger wendete sich aufwärts der Heerstraße entlang, ließ sich auf ein Knie nieder und legte an, den Lauf des Stutzens an den Fcls-block lehnend. Dem Knaben hinter dem Zaune wurde auf ein Mal unaussprechlich bange. Alles dieses dancrtc kaum einige Sekunden, da sprang ein ungeheurer Vär ans dem Dickicht, 13 Schritte vor dem Jäger, anf die Straße nnd der Stntzen knallt. In dem Momente bäumte sich der Vär hoch auf, stieß ein furchtbares Gebrüll aus, das sich noch >in das Echo des Stutzcuknalls mengte, fuhr sich mit der einen Vordertatze über da^ Gesicht und cinen Augenblick auf den Hinterfüßen balanzirend, drehte er sich plötzlich um und verschwand wieder im Dickicht, wo er herausgebrochen war. Der Marktrichter schrie ans Leibeskräften: »1.6 na kupoe, I« na Nupce; js /o x»M!« — („Auf nach Nupoe, er ist getroffen!") Anfangs mochte er entweder wirklich geglaubt haben, daß er den Värcn grtroffen, oder war es der gekränkte Iägcrstolz, der ihm gegen seine Ucbcrzengnng diese Worte ausgepreßt hatte. Dem Knaben, der jetzt vom Schrecken bleich zu ihm geschlichen kam, erzählte er, er habe den Värcn, der ihm in Profil angesprungen, eine Handbreite vor der Stirn in's Visir genommen, in der Meinung, die Bestie werde gerade mit dem Kopfc in dic Schnßlinie rennen. Er habe dieß darum gethan, weil das Wetter ein wenig feucht, sein Pulver aber etwas langsam sei; nun aber sei der Schuß gegen dic Erwartung schnell losgegangcn. Die Kugel mußte dem Bären hart vor dem Kopfc vorbei gepfiffen haben, nnd der Luftdruck hat ihn im Laufe beirrt und zur Wendung vermocht. Dabei war es sehr wahrscheinlich, daß er, über Nupce ziehend, das Revier verlassen werde. (Schluß folgt.) Literariscyez. Von W. O. Horn, dem Verfasser der „Spiimstube," erscheint jetzt ein Volksolatt, von welchem nns das erste Heft bereits vorliegt. Der Titel des Blattes ist „Maje." Der Herausgeber gibt darüber, so wie über den Inhalt, folgende Erklärung: „Ihr wisset, was Maje heißt, nämliche Freude, Nonne, gesellige, reine Freude, und dci, wo meine Wiege stand, wo der Nhein seine grünlichen Wogen zum Meere hinabwälzt, wo Mosel, Nahe, Main und Neckar sich in seine Fluthen mischen, ist der Name für gesellige Zusammenkünfte zu traulicher Unterhaltung wohlbekannt. Majengehen ist eine Freude und Erholung für uns. Weiter im lieben deutscheu Lande ist das Wort wohl fremder, aber ich denke, sie werden's auch verstehen, und unsere „Maje" wird sich bei Ihnen auch heimisch machen. Was die „Maje" will? ! Nun, im Worte, im Namen liegt's schon. In die „Majen," in die traulichen Freundeskreise am warmZn Ofen, üuter der Linde, im kühlen Schatten des Birnbaumes oder des Wcin-stocks im Garten, an Sonntag-Nachmittagen und Winterabenden will sie Liebes, Schönes und Gutes bringen. Was i dann aber insbesondere? fraget Ihr. Ich antworte: Unterhaltung in frischer, frommer, gemüthlicher Weise für Alt und Jung — also Geschichten aus dem Leben und für das Leben in ernster und heiterer Weise; aber das nicht allein; sie wird auch manches und vieles Belehrende bringen aus Gottes herrlicher Schöpfung, aus der Pflanzen- und Thicr- ! weit, aus Luft und Meer, am Himmel und auf der Erde; , auch aus der Meuschenwelt in vergangenen Tagen nnd von jetzt, und zwar uon fremden Völkern, ihren Sitten nnd Gewohnheiten, nnd da schauen wir wohl in die andern Welttheile und suchen da das auf, was Euch anmuthig belehrt und Euern Gesichtskreis im Erkennen erweitert." ! Der Eisgang de^s Rheins 1730 heißt die erste Novelle ! der Maje; sie ist v.on Horn selbst und in seiner anspre- ! chenden, herzlichen Manier gehalten. Außerdem bringt das Heft eine Schweizer Volksgeschichte, Naturgeschichtliches, Histo- > risches, GemeinnützlicheZ. Die Monats-Nummcr dieses Volks- ^ blattes kostet 43 kr. Druck und Verlag von Ign. v. Kleimnayr t5 F. Vamberg in Laibach. — Verantwortlicher Redacteur: F. Bamberg.