3J 538 ( ^oo*/ \' J Sonderabdruck aus der Monatsschrift «Die Erdbebenwarte» Kr. 5 bis 9, IV. Jahrg., 1904/05. Historisches iiber Beben in Friaul. Aus dem literarischen Nachlasse des Herrn Universitatsprofessors Dr. Wladimir Levec. Dr. Wladimir Levec, der sofort nach Zuriicklegung der fachmannisch so ttichtig betriebenen Studien an der Grazer und Wiener Universitat und an dieser im Institute fiir osterreichische Geschichtsforschung in so friiher Jugend als Pro- fessor an die Universitat zu Freiburg in der Schvreiz berufen war, ist bekanntlich rnitten in seinem riistigsten Schaffen dem Kreise seiner tiefstbetriibten Angehorigen, seiner zahlreichen Freunde und engeren Landsleute, der Heimat Krain und nament- lich der strengen Wissenschaft, deren besten Jiinger einer der besten er gewesen, leider allzufriih durch den Tod entrissen worden. Der allseits aufrichtig und tief betrauerte Dahingegangene hat seinerzeit dem Herausgeber dieses Blattes aus den in friaulischen Archiven getvonnenen Exzerpten sehr bemerkenswertes Materiale iiber historische Beben in dankenswerter VVeise mitgeteilt, das derselbe selbst noch fiir die « Erdbeben warte» hatte bearbeiten wollen. Nun aber mtissen wir uns darauf beschranken, die von Levec gesammelten so wertvollen Daten iiber Erdbeben in Friaul aus den Jahren 1279, 1301, 1348 und 1511 nach seinen Aufzeichnungen fiir unser Blatt in der Art zu ver- tverten, daC wir, an der von dem geiviegten Forscher festgestellten Textierung festhaltend, deren Inhalt mit anderwartigen Quellen in Vergleich ziehen, be- ziehungsweise erweitern oder erganzen wollen. * * * 1279. Aus dem Manuskripte «Annali di Cividale* des M. A. Nicoletti verzeichnete P. Gaetano Sturolo, 1 da !3 im Jahre 1279 am 7. April gegen Mitter nacht und in der Morgendammerung (in Friaul) ein solches Erdbeben stattfand,- daC etliche befestigte Statten und Hauser zu Boden geworfen wurden und viele darin befindlicbe (eingeschlossene) Leute ihren Tod fanden. Der «chronologische Katalog* der Friauler Beben von 1116 bis 1887 in den »Annali del Ufficio Centrale Meteorologico e Geodinamico Italiano* 2 versetzt dieses Friauler Beben, das als auCerst stark (fortissimo) bezeichnet tvird, in das Jahr 1278, doch mit dem gleichen Tagesdatum des 7. April; in der Rubrik: « Fenomeni, precedenti, concomitanti sussequenti» heiCt es von diesem Beben: «Es machte wanken nicht ivenige Burgen in Friaul*. 1301. Aus den oben zitierten Aufzeichnungen Sturolos hebt Levec zu diesem Jahre die nachstehende Notiz heraus: Um den ii.Juni (1301) herrschte ein erschreckendes Erdbeben, das aus drei StoCen bestand, bis zur nachsten Nacht \vahrte und viele befestigte Statten und Hauser ruinierte, dieser Ungliicksfall war iiberdies von einem heftigen Hagelwetter begleitet, die SchloCen waren von der GrdCe von Hiihnereiern, der Hagel erstreckte sich liber den ganzen Landstrich der Heimat und insbesondere iiber Cividale und dessen nachste Umgebung, das Land bot durch einige Jahre ein Bild \vahren Elendes. 1 Band II, p. 274 , Kap. XX. ■ Roma 1888 , Seria Seconda, Vol. VIII, Parte IV, p. 193 . 2 Der oben zum Vergleiche angezogene »Katalog der Friauler Beben* 1 prazisiert das Stattfinden dieses Bebens um die Morgenrote gegen die fiinfte kanonische Stunde, dann wieder gegen den Abend und gegen Mitternacht der folgenden Nacht. 1348 am 15. Janner •— notiert Levec nach seiner Quelle — warf das Erdbeben die Festen von Fagagna, San Daniele, einen Teil des Kastells von Patcale und viele Gebaude in Udine, Venzone, Gemona, Tolmezzo. Dieses Beben von 1348, das \vir in betreff seiner Wirkungen in der Stadt Villach in dem vorigen Bande der «Warte» ausftihrlich behandelt haben, setzt der «chronologische Katalog* auf den 25. Janner fest und bemerkt, da !3 es zur Abend- zeit stattfand, aus drei StoBen bestand, der erste schwach, der zweite mehr stark, der dritte zerstorend, und daB dasselbe Friaul, Venedig, Treviso, Dalmatien und andere Teile Italiens, Karaten und einen groBen Teil Deutschlands betraf. Unter den in Friaul betroffenen Statten werden in dieser Quelle genannt: Udine, Flagogno, S. Daniele, Aquileja, Pordenone, Ragogna, Gemona, Venzone, Sacile, Tolmezzo. 2 1511. Uber dieses in der Chronik unserer Heimat Ivrain als «das grau- same Erdpidem» bezeichnete Beben, das wir in den vorausgehenden Banden der «Warte» \viederholt zu besprechen Gelegenheit hatten, boten sich Herrn Pro- fessor Levec in Cividale mehrere Quellen. Die ausfiihrlichsten darauf beziiglichen Daten bewahrt eine lateinische Hand- schrift des Albertus de Orsetti, ein oblonges Heft in Pergamenteinband, auf Papier geschrieben, bei den Herren Erben des Orsetti. 3 Dieselben lauten: 1511. Am 26. Marž um die 20. Stunde (8 Uhr) bei abnehmendem Monde (luna vigesima octava) rvar das starkste Erdbeben iiberall, am heftigsten in Gemona, und es ver- tvandelte unzahlige Gebaude in Ruinen, (z. B.) das KI o s ter der h ei lig e n Agnes, beziehungsvveise das «Dormitorium» (der Schlafraum), ward ganz zer- rissen, desgleichen der groBte Teil des Klosters der heiligen Klara. Die Kreuze von drei Glockenttirmen fielen herab, die Kirchen der heiligen «M ari a la bel la* und des heiligen Blasius wurden zerstort und es blieb bei diesen gleichsam kein Stein auf dem andern; dabei fanden mehrere Menschen ihren Tod, unter andern der Priester Leonardus Filippi, der Kaplan der St. Johannsbruderschaft, welcher beigesetzt wurde zwischen den Altaren St. Bar- tholomaus und St. Antonius; acht Tage nach dessen Beisetzung kamen der Prior vom hi. Geist (Kloster) und der (Bruder) Johannes, zogen die Leiche aus der Gruft und der Prior schlug den Toten mit einem Spaten auf den Kopf und sprach: «Dies ist fiir eine der schlechtesten H . . . n.» Vom Eselstor (porta asinorum) bis zum Schlachttor fielen fast alle Mauerbefestigungen nieder, sotvie zwei Tore der alten Stadtbefestigung, ferner der Glockenturm. Der Brunnen in Gemona blieb durch zwei Monate trtibe. Die Berge Ge¬ mona und Frateti iviesen Zerkliiftungen. Sehr groB war auch die Zerstorung in Cividale in Tricesimo und in vielen anderen Orten des Vaterkndes, iiber- haupt war dieses Beben ein allgemeines in der ganzen Welt (sic!) [«et fuit terre- motus universalis in toto mundo*]. 1 1 . c. p. 193 nach Valvatone in Manzano, De Rubeis und Palladio. 2 1 . c. p. 193 nach De Rubeis, Manzano, Palladio, Odorico da Pordenone, Villani Valerio —; Dc Rubeis versichert, dafi die Stbfie einander bei Tag und Nacht folgten durch einen Zeitraum von 40 Tagen. s Guerra 496 ff. 3 Desgleichen erzahlt eine andere, Herrn Professor Levec vorgelegene Quelle in Cividale von diesem Beben des 26. Marž 1511 erganzende Details. Er notiert aus dem Necrologium der minderen Briider der Konventualen des heiligen Fran- ziskus in Cividale 1 : 1511 am 26. Marž um XXI (9) Uhr war in Cividale in Friaul ein sehr grofies Erdbeben, welches den Glockenturm von S. Francesco und die Kapelle des Hochaltars mit dem Chor zerstorte, ferner den Glockenturm von S. Domenico und den des Klosters «Maggiore in Valle* unter groBer zerstorender Erschiitterung der (genannten) Kirchen und Kloster; dasselbe geschah der Kirche S Maria de Monte. Es wurden im ganzen 50 und mehr Hauser zerstort, und es gab kein Haus in Cividale, das nicht durch dieses schauderhafte und bei uns ungewohnte (sic!) Unheil getroffen und mitgenommen worden ware. Beilaufig 15 Per- sonen wurden durch die Unfalle, die sich ereigneten, erdriickt und auf dem Lande umher wurden viele Glockentiirme zerstort. Auch das Kastell und der Hof in Tolmein, ein Teil des Kastells von Udine, ein groBer Teil von Gemona und viele Kastelle der Heirnat gingen in Triimmer. Das Beben erstreckte sich durch ganz Deutschland, durch einen grofi en Teil von Italien bis zur be- riihmten Stadt Venedig, war aber da nicht so heftig wie bei uns. Die Dauer des Bebens war eine auf viele Wochen ausgedehnte, alle Leute standen Tag und Nacht weinend, betend und schworend unter freiem Himmel und in den Garten umher. — Dieses Erdbeben wahrte durch drei Monate und darauf folgte eine arge Pest. Aus den Schreckenstagen nach dem 26. Marž weiB die vorzitierte Quelle Orsetti zu berichten, dafi am 1. April ein noch starkerer Stofi erfolgte als der erste und daB infolgedessen mehrere Kirchen und Hauser zu Boden gevvorfen wurden, und fast taglich, heifit es wortlich, fanden Beben statt. Im selben Jahre, schaltet dieser Berichterstatter ein, war auch in Antignana (Antognani) eine Nieder- lage des deutschen Kriegsvolkes erfolgt, sowie auch im gleichen Jahre die Pest Cividale, Udine und noch mehrere Orte Friauls heimsuchte. Aus dem Necrologium von Cividale 2 3 entnimmt Levec die weitere Notiz: »1511 am 8. August starb Petrus de Puppis, der Gemahl der Andreana und Vater des (Kanonikus) Hieronymus de Puppis, an der Pest und am selben Tage waren 40 und mehrere Bewohner, die an der Pest gestorben, in Cividale begraben worden; die Stadt, friiher so bevolkert, war jetzt infolge der Pest \vie ausgestorben, denn nach unserem (der Monche des heiligen Franziskus) Urteile sind durch Erd¬ beben und Pest an 3000 Seelen, teils durch die niederstiirzenden Gebaude — ein groBer Teil der Stadt war zerstort, — teils durch die Pest zugrunde gegangen. Der Palast des Patriarchen, gleichsam die Krone unseres Herzens, fiel; dem Weisen ein paar Worte: Wegen der Siinden kam ali das Unheil!» Der mehrzitierte »chronologische Katalog* fiihrt zum Jahre 1511 fol- gende Monats- und Tagesdaten fiir Friauler Beben an: s Marž 26, 27, 28; April 1; Juni 24, 25, 26; August 8 und 16. P.v.Radics. 1 Guerra 22 . 529 , die ausgehobene Stelle wechselt in der Abfassung die Iateinische und italienische Diktion. 3 Guerra 22 , p. 47 . 3 1 . c. p. 194 ff. Klolnmayr & Bamberg, Laibach.