bei der i'istr» Wlatmn der evangelischen Gemeinde in Laibach am 2 Oktober 1-^38. 1. Visitationspredigt über Matth. 9, 2 von Pfarrer Th. Elze. 2. VisitationSrede über 2. Petr, l, — 7 von Consist.-Rath und Zum Besten des evanqel^Krrchen - und Schul Fondcs in Laibach. Laibach, 1853. Druck von Jgn. v. Kleinmayr und Fedor Bamberg. I Ver Trost der Sündenvergebung. Predigt über Matthäus 9, 2 gehalten von Th. Elze, evangelischem Pfarrer in Laibach. Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserm Water und dem Herrn Jesus Christus! Amen. S^as Evangelium des heutigen, als des 19. Sonntags nach Tri¬ nitatis, steht ausgeschrieben Matthäus 9, l—8 und lautet also: „Da trat Jesus in das Schiff und fuhr wieder her¬ über und kam i» seine Stadt, und siehe, da brachte» sie zu ihm einen Gichtbrüchigen, der tag ans einem Bette. Da nun Jesus ihren Glauben sähe, sprach er zu dem Gichtbrüchigen: sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben Und siehe, etliche unter den Schriftgelchrte» sprachen bei sich selbst: dieser lästert Gott. Da aber Jesus ihre Gedanken sah, sprach er: Warum denkt ihr so Arges in euren Herzen ? Welches ist leichter zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben; oder zn sagen: Stehe auf und wandle? Auf dass ihr aber wisset, das des Menschen Sohn Macht habe auf Erden die Sünden zn vergeben, sprach er zu dem Gicht¬ brüchigen: Stehe ans, hebe dein Bette auf, und gehe heim. Und er stand auf und ging heim Da das Volk das sah, verwunderte es sich, und preisete Gott, der solche Macht den Menschen gegeben hat « * 4 Die eben verlesene Erzählung, Geliebte in dem Herrn, bietet zwar dem denkenden und gläubigen Christen vielen und vielerlei Stoff zur Erbauung dar, sei es, daß er dabei den hülflosen Kranken, den heilenden Arzt oder das preisende Volk näher ins Auge faßt; immerhin wird jedoch die doppelte Heilsthätigkeit unseres Heilandes in leiblicher und geistiger Hin¬ sicht ganz besonders unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Darum sind es denn auch diejenigen Worte unseres heutigen Evangeliums, welche uns auf diesen Gegenstand Hinweisen, die wir unserer heutigen Erbauung zu Grunde legen, nämlich die Worte, die wir ausgezeichnet finden Matthäus v, S »Da nun Jesus ihren Glauben sähe, sprach er zn -em Gichtbrüchigcn: sei getrost, mein Sohn, deine Sunden sind dir vergeben.« Wenn uns leibliche Leiden und Krankheiten befallen, sind wir da nicht Alle ängstlich und besorgt, uns die Hülfe eines tüchtigen Arztes, zu dessen Kenntnissen und Erfahrungen wil- gerade besonderes Zutrauen haben, zu verschaffen? Und doch sind diese Leiden, Gott sei Dank! meist nur vorübergehend und selten. Wenn wir nun aber erkennen, daß wir Alle ohne Aus¬ nahme und fortdauernd in unserem geistigen Leben krank sind, muß es uns da nicht viel wichtiger sein, den Arzt zu kennen, der uns geistig helfen kann und mag, und uns seiner Hülfe zu getrosten? Es bedarf aber für uns keines langen Nachden¬ kens mehr, um zu finden, daß und woran wir geistig leiden. Wir haben es ja schon längst erkannt, daß wir und mit uns alle Menschen in der Lostrennung von dem heiligen Willen unseres himmlischen Vaters gleich den leiblich Kranken unheil¬ bar dahinsiechen wenn wir uns nicht an den rechten Arzt wenden. Ja wir wissen, daß es die Sünde ist, an der wir leiden; wir wissen, daß wir allzumal Sünder sind und man¬ geln des Ruhmes, den wir von Gott haben sollen. Aber wohl uns, wir wissen und kennen auch den Arzt, der uns helfen kann, Jesum, den Heiland der Welt. Wohl uns, denn wir 5 getrosten uns seiner Hülfe wider das Nebel der Sünde, weil wir wissen, daß wir in ihm haben die Vergebung unserer Sünde durch sein Blut. Je mehr wir nun im Vertrauen und Glauben an ihn uns wenden, desto mehr dürfen wir uns auch seiner Hülfe getrosten, und das ist es, der selige Trost der Sündenvergebung, dieses unschätzbare und unvergleich¬ liche Kleinod unserer christlichen Religion, was uns aus der Erzählung unseres heutigen Evangeliums, insbesondere aus den Worten unseres Textes entgegenleuchtet. Denn auch in diesem Evangelium werden wir ganz ausdrücklich auf die Thatigkeit geistiger Hülfserweisung, die durch Christus den Menschen kommt, hingewiesen, wie sie ja den eigentlichen Gegenstand dieses Berichtes bildet, nach welchem Christus der geistigen Hülfe die leibliche nur als einen Beweis seiner höher» Macht im Reiche des geistigen Lebens hinzufügt. »Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!» Diese Worte, lieben Brüder in dem Herrn, diese Worte unseres Erlösers erklingen, schöner als alle Lrostesworte eines irdischen Arztes dem körperlich Kranken, in den bitter» Stunden unseres Sündenlcidens in unser Ohr, sie erfüllen unser Herz mit seligem Trost und wunderbarer Friedensruhe, sie lassen uns muthig aufwärts schauen zum Throne des ewigen Richters, von dem wir Alle einst unser Urtheil zu gewärtigen haben. Der Trost der Sündenvergebung, dieser köstliche Theil unseres christlichen Glaubens, sei daher der Gegenstand unserer nähern Betrachtung und senke sich mit seinem Frieden und seiner Seligkeit in unsere Herzen! Denn wir fühlen es nur zu gut, wir und alle unsere Brüder empfinde» diesen Trost noch lange nickt in seiner ganzen Größe, wie er ja auch nur erst jenseit des Grabes ein voll¬ kommener sein kann. Je nach der Entwickelung unsers geistigen Lebens erscheint uns dieser Trost als ein dreifacher, indem wir ihn aufnehmen als Versicherung der Sündenvergebung, als « Gewißheit derselben, als ewigen Richterspruch aus dem Munde des Weltenrichters. k. Die Versicherung der Sündenvergebung, Geliebte in dem Herrn, ist die erste, wenn auch noch geringste Stuft des herrlichen Trostes derselben. Jesus sprach: »sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben," und wie er sprach, so verkünden es auch noch fort und fort die Boten seines Evangeliums. Sein Evangelium ist ja nichts Anders als die frohe Botschaft von der Erlösung der Welt aus den Banden des Sündenverderbens, als die trostvolle Verkündigung, daß uns unsere Sünden um Christi, um seines unschuldigen, bittern Leidens und Sterbens willen vergeben werden solle». Die Prediger des Evangeliums sind die Boten, die den Frieden verkündigen, und so weit die lautere Wahrheit des Evange¬ liums gepredigt wird, so weit erklingt die freundliche Bitte: »lasset Euch versöhnen mit Gott," so weit schallt durch die Welt die Predigt von der Versöhnung mit dem himmlischen Vater und ein wunderbarer, seliger Klang.tönt in die Ohren der Menschen: das Wort von der Vergebung der Sünden. In jedem Orgelton erschallt es; jedes Glockengeläute ist nichts Anderes als eine Verkündigung der Sündenvergebung; möge diese einst gleich einem himmlischen Glockengeläute am Abend unseres Erdenlebens uns hinüberrufen in die Wohnungen des ewigen Friedens! Auf tausenderlei Weise wird dieser Trost den Menschen dargeboten, und so erklingt er auch zu uns. Noch erst vor wenigen Tagen haben wir lauter und eindring¬ licher dieses Trostwort gehört. Als wir uns zum gesegneten Genüsse des Abendmahls unseres Herrn vorbereiteten, verkün¬ digte ich, als verordneter Diener der Kirche, in feierlicherer Weise das Wort unseres Herrn: Eure Sünden sind Euch vergeben; verkündigte ich Euch die Vergebung aller Eurer Sünden im Namen des Herrn, und wir getrösteten uns der durch ihn vermittelten Erlösung von der Sünde, getrösteten uns der Versöhnung mit dem heiligen Gott. Aber erinnert Ihr Euch r wol noch? — o gewiß Ihr habt es noch nicht vergessen; die Bedingung, unter der ich Euch diesen Trost verkündete, war die reuige Erkenntniß, das reuige Bekenntniß Eurer Sünden, war Eure Buße. Nun sehet, Geliebte, so erschallt die Ver¬ sicherung der Sündenvergebung als herrlicher Trost an alle bußfertigen Seelen. Freilich ergeht dieses Wort wol an alle Menschen, die aber nicht bußfertigen Herzens sind, die haben Ohren und hören nicht, die lassen es sich predigen, aber nehmen es nicht auf, die vernehmen es, aber es ist ihnen kein Trost. In den Klängen der Welt und ihrer Lust, was gilt ihnen dieses einfache Wort? Sie fühlen ihr Uebel, die Sünde, noch nicht, sie verlangen noch nicht nach dem Arzt, wie könnte das Trost¬ wort der Sündenvergebung für sie einen Werth haben. Ja, die äußere Versicherung der Sündenvergebung ergeht zwar an alle Menschen, aber ein Trost ist sie nur dem, der das schwere, selbstverschuldete Leiden der Sünde innig fühlt und in Reue über seine Schuld aufseufzt nach dem Helfer, der die schwere Last ihm abnehme. Wo ein Menschenherz in solchen bangen Stunden sich abmüht und quält, da erklingt ihm fernher von draußen wie sanfter Himmelston das Wort von der verzeihen¬ den Vaterliebe: „sei getrost, mein Kind, deine Sünden sind dir vergeben.« Und das Ohr lauscht freudenvoll dem Ver¬ kündiger dieses Trostwortes, und das Herz wallt auf bei seiner Verkündigung und freut sich derselben, freut sich, freut sich Gottes seines Heilandes. H. Aber noch höher hinauf zur Seligkeit, noch tiefer hinein in das Meer der Seligkeit erhebt und versenkt sich des Menschen Herz, wenn dann mehr und mehr, weiter und weiter die Versicherung der Sündenvergebung sich verwandelt in die Gewißheit der Sündenvergebung. Halten wir einen Augenblick inne, meine Freunde, damit der Gedanke einer solchen Seligkeit, damit das Gefühl solcher überschwänglichen Freude uns nicht überwältige. 8 Hast Du, lieber Freund, schon einmal irgend Etwas in Deinem Leben recht sehnlich erwünscht? Hast Du gezagt und gebangt, hast Du gehofft, sicher gehofft und dann wieder in schwerer Besorgniß gefürchtet? Vielleicht war irgend Eines Deiner Lieben, Dein Kind, Dein Gatte, Dein Vater, Deine Mutter einmal recht schwer und lebensgefährlich erkrankt? Bange Stunden der Sorge und der "Angst kamen über Dich, der Arzt tröstete Dich und suchte Dich zu beruhigen, aber Du fürchtetest, Du wolltest gern hoffen und konntest nicht, denn bange Furcht vertrieb alsbald wieder den Trost. Und dann endlich, nach langem Fürchten und Sorgen, nach langem Seufzen und Bangen, eines Tages sähest Du die Genesung, aller Zweifel war geschwunden, Du wußtest nun und wärest gewiß: Dein Geliebtes war gerettet und Dir noch einmal wiedergegeben vom Vater droben. Da warfest Du Dich vielleicht in Deinem Kämmer¬ lein vor Gott auf Deine Knie nieder, und Dich überwältigte inniger Dank und selige Freude. Hast Du das schon erlebt, mein Freund? Nun, vielleicht hast Du auch schon erlebt, wovon ich jetzt reden will, und dann wirst Du in meinen schwachen Mcnschenworten einen fernen Wiederklang der seligsten Erfah¬ rung Deines Lebens wiedersindcn. Ich meine und will Euch sagen von der inner n Gewißheit der Sündenvergebung. Es konnte ja nicht anders sein: das reuige und bußfertige Herz, das die Verkündigung der Sündenvergebung gehört, es wandte sich mehr und mehr in Vertrauem hin zu dem Arzt, der ihm Hülfe bringen wollte, es öffnete sich mehr und mehr seinem Heilande, es schloß sich ihm auf und nahm ihn in sich auf, es schloß sich an ihn immer inniger an und ließ sich immer mehr von ihm leiten, es folgte seinem Willen und machte den¬ selben immer mehr zu seinem eigenen, cs glaubte an ihn, und da ward dann endlich der Ausspruch des Herrn: »sei getrost, mein Sohn, Deine Sünden sind Dir vergeben," ihm zur innern Gewißheit, die kein Zweifel und kein Sorgen mehr umstoßen kann, zu einer unwandelbaren, beseligenden Gewißheit. Sehet, 9 meine Lieben, das ist es, was unser Text lehrt, wenn es da heißt: als Jesus ihren Glauben sähe, sprach er zu dem Kranken: Deine Sünden sind Dir vergeben. Wo ein Menschenherz in solchem Glauben zur seligen Lebensgemeinschaft mit dem Herrn gelangt ist, da wird das Wort, das er äußerlich spricht, mehr als blos ein schöner, tröstlicher Klang, da wird cs alsbald zur freudigsten, trostvollsten Gewißheit. So wird dem gläubigen Herzen auch die Verkündigung der Sündenvergebung zu einer Wahrheit, zu einer That, so kommt aus dem Glauben die Vergebung der Sünden, aus dem Glauben und aus ihm allein, wie unsere evangelische Kirche lehrt. Denn nur wann der Mensch in solche innige, geistige Gemeinschaft mit dem Heiland getreten ist, daß sein ganzes Wesen und Leben davon durch¬ drungen wird, dann nur hat er Theil an den himmlischen Gütern, die unser Herr uns erworben, an der Erlösung und Versöhnung mit Gott, an der Vergebung der Sünden und dem ewigen, seligen Leben. Der Trost der Sündenvergebung ist ihm nun ein unentreißbares Gut geworden, und demüthig zwar, aber- freudig und getrost blickt er hinauf zum Himmel, wo seine Heimath ist, demüthig, aber getrost geht er durch das enge Thor des Todes zum Leben, durch das dunkle Grab zur Klar¬ heit droben bei dem versöhnten, verzeihenden Vater. I>I. Dahin wenden wir denn unsere Gedanken zuletzt, aus der Vergänglichkeit empor zur Unvergänglichkeil. Wir denken daran, daß wir dort werden Rechenschaft geben müssen von jeder That, die wir vollbracht, von jedem Wort, das wir geredet, von jeder Gesinnung und jedem Gedanken, der uns beseelt hat. Im Gefühle unserer Mangelhaftigkeit und Sünd¬ haftigkeit schlagen wir bei diesem Gedanken die Augen nieder, aber wir zagen nicht, denn in unserem Herzen lebt ja die Gewißheit der Sündenvergebung, diese ist ja schon unser Theil geworden. Und wenn das ist, was sollten wir noch fürchten? Der da sprach: „sei getrost, mein Sohn, Deine Sünden sind Dir vergeben," 10 das ist ja Jesus, unser Heiland, dem gegeben ist alle Gewalt im Himmel und auf Erden, dem der Vater auch das Gericht übergeben hat über alle Menschen, über die Lebendigen und die Tobten. Er, der uns die Sündenvergebung verkündigt hat, dessen Eigenthum wir geworden sind im Glauben, er wird uns kein harter und strenger Richter sein. Und so erfüllt denn unsere Herzen eben im Hinblick auf das Gericht der höchste Trost der Sündenvergebung, — wir getrosten uns ihrer als Richterspruches des ewigen W el te n ri ch t e r s. Nun jauchzt unser Herz empor; wonach wir so sehnlicb verlangt haben, was als freudige Botschaft in unsere Ohren geklungen ist, was mit siegender Gewißheit unsere Herzen beseligt hat, das steht vor uns als höchster, unaussprechlich seliger Trost im Leben und im Sterben; das Wort aus des Weltenrichters Munde: sei getrost, Deine Sünden sind Dir vergeben! erklingt aus der Ewigkeit herüber in unser Erdendasein und verklärt dieses unvollkommene, vergängliche Leben mit dem Glanze ewiger Seligkeit. Himmlische Wonne hebt uns schon jetzt zum Loose der Seligen empor, und erfüllt von ihr gehen wir freudig hin¬ über, erfüllt von ihr, wenn auch mit dem demüthigen Bewußt¬ sein unserer Sünde, treten wir vor den Thron des Richters, aus dessen Munde wir in seines und unseres Vaters Namen das trostvolle, für alle Ewigkeit geltende Wort erwarten: sei getrost, Deine Sünden sind Dir vergeben! Und wenn dies Wort erschallt ist, dann ist der Tod verschlungen in den Sieg; dann ist die Vergänglichkeit der Erde abgestreift und unver¬ gängliche Herrlichkeit ist unser Theil; dann sind wir den Engeln gleich und von dem versöhnten Vater als seine lieben Kinder in den Frieden des Vaterhauses wieder ausgenommen; dann hat alles Unvollkommene aufgehört und das Vollkommene ist erschienen, jenseit des Grabes und des Gerichtes ist der Trost der Sündenvergebung verwandelt in Seligkeit und ewigen Frieden. Was zuerst nur einfache und doch wunderbar uns ergrei¬ fende Verkündigung der Sündenvergebung war, was dann durch u den Glauben unseres Herzens innigste und froheste Gewißheit ward, worauf wir zweifellos und fest vertrauend, sehnsüchtig und verlangend warteten, der herrliche, reiche Trost, der uns durch die Leiden und Sünden des Lebens, durch die dunkle Stunde des Todes begleitet hat, — der Trost der Sünden¬ vergebung hat sich nun erfüllt; nun ist er nicht mehr blos Trost, sondern Wahrheit, denn Alles, dessen wir uns getrösteten, und viel mehr ist uns zu Thcil geworden; unsere Sünden sind uns vergeben und wir danken dem Herrn, unserem Heiland, der uns gnädig und freundlich zum Erbe seines Reiches und seiner Herrlichkeit geführt hat. — Sehet, Geliebte, so sagte ich mit Recht, daß der Trost der Sündenvergebung das kostbarste und herrlichste Kleinod unseres christlichen Glaubens sei, weil es durch Buße und Glauben uns zu einer Seligkeit führt, welche ganz aus- zudrückcn Menschcnworte zu schwach sind. Mag uns begegnen, was da will, dieser Trost steht uns zur Seite und verläßt uns nicht; durch Grab und Gericht begleitet er uns und wird zur seligen Wirklichkeit, zur wirklichen Seligkeit. So seid denn getrost, lieben Brüder und Schwestern! So ihr bußfertigen und gläubigen Herzens seid, so spricht unser Herr auch zu Euch: Eure Sünden sind Euch vergeben! Und Gott der Allmächtige segne diese Verkündigung der Sünden¬ vergebung auch an Euren Herzen und lasse sie Euch werden zur trostvollen Gewißheit und zur Seligkeit des ewigen Lebens. Ame n. II Vrsitationsrede über 2. Petrus 1, Z— 7 gehalten von G. Franz, k. k. Consist.-Rathe und Superint. aus Wien. Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes, des Vaters, und die Gemeinschaft des heil. Geistes sei mit Euch Men! Amen. Geliebte in dem Herrn! ^§ch danke meinem Gotte, daß er mich gewürdigt hat, nach jenem großen, festlichen Tage — dem Lage der Weihe dieser Eurer Christuskirche — wieder in Eurer Mitte erscheinen und Eure schonen Gottesdienste sehen zu können. Diesmal bin ich ja zu Euch gekommen, verläßliche Kunde zu erhalten, wie das Heil in Christo — dies Eine, was Noth ist — unter Euch verkündet und von Euch ausgenommen; — wie die Männer Eures Ver¬ trauens Eurem Vertrauen entsprochen; — welche Früchte jener Weihetag begründet und Euer evangelisches Gemeindeleben her¬ vorgerufen hat. O sagt mir nicht, um Früchte zu bringen, wie sie im Reiche Gottes Werth und Geltung haben, war unsere Zeit noch eine viel zu kurze; wir haben ja nur nach Arbeiten uns umsehen und den Boden bereiten können; es war nur die Aussaat möglich, und das Keimen — höchstens Blätter und 13 Blüthen. O nein, Geliebte! Gerade das Anfangsleben einer Gemeinde ist eine heilige, entscheidende Zeit, eine Zeit, wo der Herr kommt mit seinem heiligen Geiste, gewaltig, wo das Leben neu und frisch und kräftig dem Allerheiligsten sich zuwendet, wo das Kalte erwärmt, das Schwache gestärkt, das Schwankende befestigt, wo das gute Land unter Gottes besondern Segen ge¬ stellt, 30-, 60-, lOOfältige Früchte bringt. Und ich danke meinem Gotte, an dieser heiligen Stätte es aussprechen zu können, meine Hoffnung von Euch ist nicht zu Schanden, sie ist zu einer schönen Wahrheit geworden. Euer Glaube — er ist Euch je mehr und mehr Geistes-, Herzens-, Lebenssache geworden — und die Ge¬ meinschaft Eures Glaubens, wie hat sie sich so brüderlich zu einer Gemeinschaft des Lebens gebildet! Die Freude meines Herzens ist groß, unter Euch wahrzunehmen, wie Ihr erbauet seid auf dem Einigen Grunde, der da gelegt ist, Jesu Christo; wie es Euer einiger Trost ist im Leben und im Sterben, Eueres getreuen Heilandes eigen zu sein; wie Ihr darum getröstet werden könnet mit dem Tröste der Vergebung Eurer Sünden. Das heilige Band, das Seelsorger und Gemeinde umschlingt, wie ist es unter Euch so innig und warm, so vertraulich und liebevoll, so treu und fest! Das ist ein Bund, im Namen des Herrn geschloffen, Euch zum Heile für und für: so gebe denn der Herr durch seine Gnade Euch fort und fort, daß Ihr allezeit fleißig seid, zu halten die Einig¬ keit im Geiste durch das Band des Friedens. Euer gesammter Vorstand — mit welcher Einsicht und Umsicht, mit welcher Liebe und Treue widmet er sich Eurer Wohlfahrt; zu welchen Opfern ist er bereit, wo es sich um die Wahrung Euerer heiligsten In¬ teressen handelt! Ihr erkennet es, die Ehrenämter, die Ihr zu verleihen berechtigt seid, werden Euch zur Ehre und zum Heile verwaltet — so seid denn reichlich dankbar; ein heiliger Gemein¬ geist wirke unter Euch je länger je mehr! Meine Brüder und Schwestern! wendet fort und fort allen Euren Fleiß daran, dar zureichen in Eurem Glau¬ ben Tugend, in Eurer Lugend Bescheidenheit, in Eurer 14 Bescheidenheit Mäßigkeit, in Eurer MäßigkeitGeduld, in Eurer Geduld Gottseligkeit, in Eurer Gottselig¬ keit brüderliche Liebe und in Eurer brüderlichen Liebe allgemeine Liebe. (2. Petr. I, 5—7.) Ihr steht im G l a ub e n, der seine Ewigkeit trägt in sich selber, fest und treu. Lebendig soll er sich aber auch bewähren für und für in Wort und That, im Glück und Unglück. So reichet in ihm Lugend dar, das was in dem Leben und für das Leben wahrhaft taugt, was Werth hat in und durch sich selber — jenes warme Rechtsgefühl, das unter allen Verhältnissen jedem gibt, was ihm gebührt, und wo es doch Unrecht gethan, aus Herzensgründe zu vergüten strebt; — jener rege Pflichteifer, der, wo er zu wirken berufen ist, auf der Höhe oder in der Tiefe, im Staate oder im Hause, in der Kirche oder der Schule — von dem all- waltenden Gotte sich berufen weiß und seine Werke wirket, so lange es nur Tag ist, ehe die Nacht kommt, wo Niemand mehr wirken kann -7- freudig, ausdauernd — treu, nicht vor den Augen, als den Menschen, sondern vor dem allwissenden Gotte; — ja innige Liebe zu allem Wahren, Guten und Göttlichen, die da verläugnet alles ungöttliche Wesen und alle weltliche Lüste, mit ihrem warmen Herzen Werke vollbringt, in Gott gethan; jene entschiedene Liebe — die nicht durch Menschenfurcht, nicht durch Menschengefälligkeit, sondern nur durch den Willen Gottes sich leiten läßt; die nicht rechts fragt und nicht links, sondern an dem Allheiligen unwandelbar fest hält. Darüber wachet; darum betet! Daß Ihr aber nicht in Tugendstolz verfallet, so reichet in Eurer Lugend Bescheidenheit dar, die nicht mehr von sich hält, als sich gebührt, die gläubig weiß, es kommt Alles von Gott, auch jene begeisterte Liebe und Kraft, alle väterliche Er¬ ziehung und Leitung, beides das Wollen und das Vollbringen, die in aufrichtiger Kindcsdemuth spricht: von Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Zm Bewußtsein dessen aber, daß sie das Ziel noch lange nicht erreicht, die himmlische Berufung in Christo Jesu — ringt sie um so sehnsuchtsvoller darnach, der göttlichen 15 Natur theilhaftig zu werden; sie richtet nicht, sie verdammet nicht — in der Bescheidenheit liegt ja Mäßigung, jene Selbstherr¬ schaft über alle Neigungen, Begierden und Leidenschaften, jene Milde, die wohlthut in Wort und Lhat. So habt denn Ächt auf Euch selbst, daß ihr nicht aus einem kleinen Funken ein ver¬ zehrendes Feuer entstehen seht. Ach wie Mancher hat einen unbe¬ wachten Augenblick zu beweinen, ist in unbewachter Stunde um seine Unschuld, seinen Frieden, seine Ruhe, seine Seligkeit ge¬ kommen, sieht durch seine Leidenschaft sein ganzes Lebensglück in Trümmer zerfallen. Ringet darnach, daß Ihr Herren bleibt Eurer selbst in der Freude, wie in dem Schmerz; in gesunden wie in kranken Lagen, im Gedränge des Lebens wie in der Stille der Einsamkeit. Bleibt eingedenk, zu was Ihr in Christo Jesu be¬ rufen — nur Euer Glaube wird die Welt überwinden, so Ihr anders ausharret in Geduld, mit Gott in Gott lebt. Ihr bleibt dann auf Gottes Wegen, wenn sie auch noch so steil und dornen¬ voll; immer von Neuem wird Eure Kraft gestärkt, Euer Muth belebt, und Eure Aussicht, wenn sie auch schon ganz verschlossen schien, wird wieder hell und freundlich. Mit jedem Gelingen wächst Euer Vertrauen. Eure Sache ist ja Gottes Sache; Euer Werk ist sein Werk, wirket Ihr in seinem Namen, an seiner Statt, in seinem Geist, in seiner Kraft, in seinem Segen. So verzagt denn nicht, wenn des Schicksals Schläge schmerzlich Euch verwunden, wenn des Lebens Lasten schwer auf Euch liegen und Gottes Hülfe lange verzieht; wenn der Armuth drückende Sorge Euch erfüllt, wenn schwere Krankheit an das Schmerzenslager Euch fesselt. Ob du auch wanderst im finstern Lhale, fürchte kein Unglück. Der Herr ist deine Hülfe, dein Erretter, dein Erlöser. Laß deine Seele nicht unruhig werden in dir, harre auf den Herrn du wirst ihm bald danken müssen. In Gott leben — welch ein Heil bereitest du dir dadurch schon hienieden! Du bist dadurch in Gott selig. Denk an die geweihete Stunde, die du hattest in deinem stillen Kämmerlein, als dein ganzes Herz im Gebete sich Gott aufgeschlossen hatte; die dir wurde, als du 16 am Altäre des Herrn die Stimme hörtest: »sei getrost, mein Sohn — meine Tochter! deine Sünden sind dir vergeben!« Die Welt mit ihrer Lust und ihrem Leid war vergessen. Du fühltest die Nähe deines Gottes, deines Erlösers. — Selig in Gott: je öfter dir die Gnade dieses Bewußtseins geworden — sag' selbst, fühlst du nicht um so stärker in heiliger Bruderliebe dich hin¬ gezogen zu ihnen allen in der Nähe, in der Ferne, die mit dir auf gleichem Glaubensgrunde stehen, mit dir zu Einem Ober¬ haupte aufsehen, mit dir ihre Rechtfertigung im Glauben ge¬ funden? In der Bruderliebe gründe sich aber auch die allgemei ne Liebe, die unser Heiland in ihrer Wichtigkeit uns geoffenbart hat. Ja, meine Lieben! ist Ermahnung in Christo, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und Barmherzig¬ keit bei Euch, so erfüllet meine Freude, daß Ihr Eines Sinnes bleibet, gleiche Liebe unter einander behaltet, cinmüthig, einhellig in Allem Euch kund gebet. Lhut Nichts durch Zank und eitle Ehre, sondern achtet in Demuth Einer den Andern höher, denn sich selbst. Ein Jeglicher sehe nicht auf das Seine, sondern auf das, das des Andern ist. Ein Jeglicher sei gesinnt, wie Jesus Christus gesinnt war. Wandelt würdiglich dem Evangelio Christi, auf daß, ob ich komme und Euch sehe, oder abwesend von Euch höre — ich allezeit vernehme, daß Ihr stehet in Einem Geiste, in Einer Seele. Amen. Der Herr segne und behüte Euch! Der Herr erhebe sein Antlitz über Euch und sei Euch gnädig! Der Herr erleuchte sein Antlitz über Euch und gebe Euch Friede in Christo Jesu! Amen.