11^00 Die antik-heidnische Sklaverei und das Christentum. Geschichtliche Skizze. von Anton Serovsek, Onetor It. in iure cnnonieo, Fürstbischoflicher vofkaplan, Vrdi>,ariats-Sekretär und k. k. suppliercnder Religionslehrcr an der k. k. Staatsoberrealschule. ! l-II Abdruck ans dem Jahresberichte der k k. Staatsoberrealschule zu Marburg für das Jahr sHOch'o. . .. .1 1—II Marburg Mö. Jui Selbstverläge des Verfassers. Die antik-heidnische Sklaverei und das (Christentum. Geschichtliche Skizze. Von Anton Ierovsek, Doetor t>. in iure aunonieo, Lürstbischöflicher bsofkaplau, Ordinariats-Sekretär und k. k. supplierender Neligionslehrer an der k. k. Staatsoberrealschule. . 1 !-II Abdruck cius dem Jahresberichte der k. k. Staatsoberrealschule zu Marburg für das Jahr sH02/s. Marburg bstlö. Im Selbstverläge des Verfassers. Z. 2050. 114109 den hoch würdig en Priester Herrn Anton Ierovsek, Doetor N. in iure ennonieo, ,5. LI Hofkaplan, Ordinariats-Sekretär und k. k. suppl. Neligionslehrer an der k. k. Staatsrealschule in Marburg Das F. N. Ordinariat erteilt im Sinne der apostolischen Konstitution „Oklmiorum ue mnnerum" ckclo. Vlil. Xulonü. I?ebr. 1897, "lit. II, eap. III. die erbetene kirchliche Druckbewilligung für Ihren Aufsatz: „Die antik-heidnische Sklaverei und das Christentum". Diese Broschüre erscheint ganz im Sinne des herrlichen Rundschreibens Seiner Heiligkeit des glorreich regierenden Iubelpapstes Leo XIII. vom 20. November 1890 „Lutüolioue Üoel68iu6" abgefaßt, darum nröge sie recht viele Herzen zum werktätigen Mitleid mit den arme» Sklaven Afrikas anregen. L. N. Lavanter Ordinariat in Marburg, am 26. Juni 1903. AL ich a el, Fürstbischof. Die antik-heidnische Sklaverei nnd das Christentum. (Geschichtliche Skizze vom Religionslehror A. IerovKek). I. begriff der Sklaverei, ihre Arisdebnung nnd Ursachen. Zahl der Sklaven. 1. Zu den schönsten Vorzügen des Menschen gehört unstreitig sein freier Mille, d. i. das Ledigsein von innerer Nötigung zu einer bestimmten Handlungsweise und die damit gegebene Fähigkeit, selbst von innen heraus sein Handeln zu bestimmen. Ls gibt keine Tatsache, die nns durch unser Bewußtsein so unzweideutig bezeugt wird, als die, daß wir iu den meisten unserer Handlungen nicht innerer Nöti¬ gung folgen, sondern es ganz in unserer Gewalt haben, zu handelu oder uicht zu handeln, so oder anders zu handelu. Soll aber der Mensch seine Pflichten frei erfüllen und seinen Millen frei betätigen, so muß er in seiner Person selbst unver¬ letzlich sein und auch einen gewissen Spielraum zur freien Betätigung seiner Fähig¬ keiten haben. Selbstverständlich kann diese Freiheit keine unbeschränkte sein, da die Menschen von Natnr zum Zusammenleben bestimmt sind, ein geordnetes Zusammen¬ leben aber ohne gegenseitige Linschränknng undenkbar ist. Doch darf die Einschränkung der Freiheitsrechte, die von Natur aus deu Privatpersonen in ihrem gegenseitigen Verkehr zustehen, nicht nach Millkür geschehen, sondern es hat ein jeder an sich selbst das Necht der vollen und freien Selbstbestimmung, so daß niemand ihn in seinem Tun und lassen zu hindern berechtigt ist, der nicht eine von Gott verliehene Gewalt hiezu vorzuweisen vermag. Soweit dem Menschen nicht solche mit göttlicher Gewalt ausgerüstete Vorgesetzte nut ihren recht¬ mäßigen Geboten entgegentreten, hat jeder das Necht, sich vollständig frei zu be¬ wegen, es sei denn, daß dadurch ein fremdes Necht verletzt werde. Lr kann sich also frei seinen Aufenthaltsort wählen, frei einen entsprechenden Beruf ergreifen, sich frei verehelichen, für sich und die Seinigen den Lebensunterhalt erwerben, sich aus¬ bilden u. s. w. H Der Mensch also ist von Natur aus frei. Lr verspürt in seiner Brust den un¬ widerstehlichen Trieb nach Freiheit und Unabhängigkeit. Um die etwa verlorene Freiheit >) Lathrein, llloralphil. l, H s und II, 8 2. 2 wieder zu erlangen, ist der Mensch zn den größten Opfern bereit, ja er scheut sich nicht, sein Gut und Blut anfs Spiel zu setzen, um nur zu seinen Freiheitsrechten wieder zu gelangen. Die dem Menschen von Natur znkommenden Freiheitsrechts wurden durch nichts dauernd so schnöde und grausam verletzt, als durch de» Bestand der antik-heidnischen Sklaverei. 2. was ist denn der Sklave nach antik-heidnischer Auffassung? Nach der allge¬ mein verbreiteten Ansicht des Altertums ist der Sklave ein völlig rechtloser Mensch, der seiner persönlichen Freiheit beraubt ist, als Sache behandelt wird und nur für den Nutzen eines anderen lebt und über den der Herr ganz nach schrankenloser Willkür verfügen kann. Der Sklave war somit nichts anderes als ein belebtes Werkzeug. Fürwahr peinlich berührt cs uns, wenn wir bedenken, daß es Menschen waren, die soviele Jahrhunderte hindurch als willenlose Werkzeuge zu jedem Gebrauch und Mißbrauch anderer Menschen dienen mußten! Die Sklaverei gehört jedenfalls nicht zu jenen Schöpfungen des Altertums, zu denen die Nachwelt bis heute bewundernd, lernend und nachahmend hinaufsieht H, sondern mit Widerwillen muß sich ein jedes fühlende Menschenherz von dieser grausamen Einrichtung abwendeu. Und doch hat es heidnische Philosophen gegeben, die, wie Aristoteles, sonst vielfach für Menschenfreundlichkeit eintraten, die angegebene Art der Sklaverei aber theoretisch zu begründen suchten, indem sie behaupteten, viele Menschen seien durch die Natur selbst zur Knechtschaft bestimmt, denn gerade zum Zwecke der Knechtschaft habe sie die Natur stark am Leibe und schwach am Geiste gebildet. 3. Der soeben beschriebene Zustand der vollständigen Rechtlosigkeit kommt in der Geschichte des Altertums nicht vereinzelt vor, sondern war bei den heidnischen Völkern allgemein vorhanden. Soweit wir überhaupt an der Hand der Geschichte ins graue Altertum hinaufgeführt werden können, allenthalben finden wir die Sklaverei in der einen oder anderen Form vor. So hatte nach dem Berichte der hl. Schrift Abraham seine Sklaven, die teils in seinem Hause geboren, teils angekanft wurden. Die Sklaven bildeten mit den Herden das Erbteil, das auf Abrahams Sohn Isaak überging. Rebekka, die Frau Isaaks, erhielt von ihrem Vater junge Sklavinnen als Mitgift. Jakobs Sohn wird von seinen Brüdern um 20 Silberlinge an ismaelitischc Kaufleute als Sklave verkauft. was wir hier bei den Stammvätern des israelitischen Volkes vorfinden, das bestand auch in Mesopotamien, woher diese in Palästina eingewandert sind. Und was wir bei den Patriarchen treffen, das war auch der Fall bei allen anderen Völkern, die in jenen alten Zeiten mit den Patriarchen die gleiche wandernde Lebens¬ weise führten. So hatten ihre Sklaven die alten Szythen, die ihnen, wie He¬ rodot berichtet, die Augen ansstachen, um sie desto leichter in der Knechtschaft zu er¬ halten. Die Grausamkeit der Szythen gegen ihre Sklaven war im Altertnme sprich¬ wörtlich?) Die Einrichtung der Sklaverei bestand nach dem Berichte Herodots auch bei den Mongolen und bei anderen Nomadenvölkern. Dr. Zahn, Sklcw. und Lhrist. S. IFsH. 2) Gen. j7, 23; 2H, 6s. °) Herod. IV, H6. Z — Aber auch ackerbautreibenden Völkern war die Sklaverei bekannt, und zwar war bei ihnen die Zahl der Geknechteten in der Regel größer als bei den wander- völkern, weil beim Ackerbau und Feldbau die Wenschenkräfte eben mehr benötigt wurden als im Wanderleben, was die arbeitende Bevölkerung unserer Tage ist, war in den wesentlichsten Beziehungen das Sklaventum des Altertums. Die Sklaverei war demnach eine alte und durch die Gewohnheit schon längst anerkannte Einrichtung, als sich die Völker zu geordneten Staaten zusammenschlosscn und ihre Beziehungen zu einander durch Gesetze regelten. Die Gesetzgeber haben dann überall den Zustand der Sklaverei anerkannt. Auch Woses tat dasselbe beim israelitischen Volke. Ganz besonders ausgeprägt war die Sklaverei bei den feingebildeten Griechen und den kriegerischen Römern. Zn Griechenland können wir ihren Bestand bis in die Zeiten der pelasger hinaus verfolgen; verschiedene Völkerschaften schlugen nämlich nach¬ einander auf der griechischen Halbinsel ihre Wohnsitze auf, und ein Volk knechtete das andere. Zn Nom waren in der ältesten Zeit die Sklaven nicht gar zahlreich; denn das römische Volk war arm und einfach und lebte meist vom Ackerbau. Es schämte sich der Arbeit nicht, weshalb in der ältesten Zeit kein rechtes Bedürfnis nach Sklaven¬ arbeit bestand. Doch unbekannt war die Knechtschaft nicht. Dionys von Halikarnas bemerkt z. B. beim Berichte über den Tod des Königs Tullns Hostilius, daß eine Wenge Sklaven mit ihm in den Flammen zugrunde ging. Wit der Zeit änderte sich in Nom die Sachlage erheblich zu Ungunsten der Sklaven. Der Nömerstaat war nämlich auf militärischer Grundlage aufgebaut; die Bürger wollten: sich nicht viel nut Ackerbau und anderen Arbeiten beschäftigen, sondern überließen diese Arbeiten den Sklaven. Deswegen war bei den Nömern in der späteren Zeit die Sklaverei besonders ausgedehnt und mehr ausgestaltet als bei anderen Völ¬ kerschaften. Nicht anders als bei den Griechen und Nömern stand es mit den Sklaven der germanischen und slavischen Völker — überall unbarmherzige Knechtung des Neben¬ menschen, überall die Härte der Sklaverei, hinaufreichend bis in die ältesten Zeiten. Die Geschichte kann uns kein Volk nennen, das die Sklaverei nicht gekannt hätte. Und mochte ein Volk eine noch so hohe Bildungsstufe erreicht haben, so hinderte dies nicht, den Nebenmenschen grausam zu knechten; ja inan beobachtet sogar die Er¬ scheinung, daß die Knechtung des Nebenmcnschen umso grausamer und unmensch¬ licher war, je gebildeter ein Volk war. 4. wenn man bedenkt, daß die Sklaverei überall bei den Völkern des Alter¬ tums bestand, so könnte inan leicht zum Schlüsse verleitet werden, daß das Sklaventum auf der Einrichtung Gottes selbst beruhe. Dein ist jedoch nicht so. Wan muß wohl zugeben, daß die Sklaverei eine Folge der Erbsünde ist, aber auf göttlicher Anordnung beruht sie keineswegs. Gott hat alle wenschen frei erschaffen! Der Grund jedoch, daß die Sklaverei sich so furchtbar verbreitete und zur grausamen Härte steigerte, war die Arbeitsscheu des Wenschen. Gott hat allen wenschen die Verpflichtung zur Arbeit auferlegt. „Zm Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot essen", dieses Urteil galt allen Nachkommen Adams. Wit der Zeit suchte sich jedoch der wensch von dieser Pflicht zu befreien und die Arbeit auf andere, die unter seiner Gewalt standen, zu wälzen. l* 4 — Zn der ältesten Zeit schämten sich die Freien der Arbeit noch nicht. Der Herr arbeitete mit den Sklaven gemeinsam zuhause und auf deni Felde. Dis griechischen Dichter Hesiod und Homer, die uns die Denkweise und das Leben, die Sitten und Gebräuche ihrer Zeitgenossen besonders treu schildern, schätzten und ehrten die Arbeit sehr. Der erstere handelt in seinem wichtigsten Werke Werke und Tage, eigens über die Arbeit, die er als die einzige (Quelle des Wohlstandes bezeichnet. Der Dichter sagt es rund heraus, daß die Arbeit des Menschen Pflicht sei: „Die Götter und Menschen verabscheuen auf gleiche Weise den Müßiggänger, der mit den Drohnen zu vergleichen ist, die, ohne etwas zu arbeiten, verzehren, was die Dienen sammelten. Durch die Arbeit wirst du den Göttern und Menschen teurer werden, denn sie verachten den Müßiggänger. Die Arbeit ist keine Schmach, wohl aber die Nachlässigkeit.") Die Griechen richteten sich anfangs auch nach diesen Grundsätzen und achteten die Arbeit, besonders den Ackerbau und die Viehzucht. Auch das Hirtentum war angesehen. Bei den Troern war Paris ein Hirte?); Anchyses bewachte die Herde seines Vaters und die 7 Brüder der Andromache fielen unter den Hieben des Achilles auf deu Weideplätzen bei ihren Schafherden.?) Homer läßt die Fürsteu- tochter Nausikaa Rühe einspannen und mit ihren Mägden zum Flusse fahren, um daselbst die Wäsche zu reinigen, und als Nausikaa zurückkehrte, schämten sich ihre Brüder nicht, die Rühe auszuspanneu. Besonders aber waren es die Frauen, selbst aus den vornehmsten Geschlechtern, die im Bunde mit ihren Mägden im Hause den verschiedensten Arbeiten oblagen. Und so ist es erklärlich, daß Telemach seiner guten Mutter Penelope die etwas harten Worte zurufen konnte: „Aber gehe nur heim, besorge deine Geschäfte, Spindel und Webestuhl, und treib an beschiedener Arbeit Deine Mägde zum Fleiß! Die Rede gebühret den Männern, Und vor allem mir; denn mein ist die Herrschaft im Hause/") Und der Dichter fügt noch bei, daß die Mutter über diese kluge Rede des Jünglings sehr erstaunt war. Zn der heroischen Zeit vereinigte also die Beschäftigung des Landlebens den Herrn und Sklaven. Die Arbeit entehrte nicht den freien Mann. Edle und Rönige führten die Aufsicht über den Ackerbau und schützten die Herden. Mit Pferden und Wagen nmzugehen, das Fleisch sich selbst zuzubereiten galt nicht für unadelig. Auch in der nachheroischen Periode wurde die Arbeit von den Freien noch nicht verachtet, besonders in Attika nicht. Die älteste, dem Theseus zugeschriebene Verfassung von Athen unterschied drei Rlassen von Bürgern: Die Lupatriden, die Gcomoren und die Demiurgen. Die ersten waren der Geburtsadel und in: Besitze der Macht, die Geomoren Fcldbautreibende, die Demiurgen Gewerbetreibende. Wohl hat diese Verfassung die Lupatriden über die beiden arbeitenden Rlassen gestellt, aber wem: sie auch die Arbeit um eiue Stufe niedriger setzte, so versagte sie den arbeitenden Rlassen doch wenigstens nicht das Bürgerrecht. -) Hesiod, 2H7 -ZOH. 2) Lurip. Heknbe H26. -) Ilias V, Zsä, VI, ^20. H Gd^ss. I, 556—360. 5 Solon hat dann die Achtung vor der Arbeit noch mehr gehoben, indem nach seiner Verfassung das Vermögen die Hechte und Pflichten der Bürger regelte und sonnt die Arbeitsamkeit ein Mittel war, durch das man zu Macht und Bedeutsamkeit gelangen konnte. Die Perserkriege jedoch, besonders aber der peleponnesische Krieg, hatten die Sachlage gänzlich geändert. Unter den griechischen Stämmen hatten sich immer mehr der kriegerische Geist und aristokratische Sinn bemerkbar gemacht. Die Bürger, die nach dein Berichte der ThukydidesH früher sehnlichst verlangten von den Massen auf ihre Landgüter zurückzukehren, um den Ackerbau betreiben zu können, hatten nach dem peloponnesischen Kriege das Landleben aufgegeben und sich in die Städte zurück¬ gezogen. Als nun so die freien Bürger aufhörten sich mit Ackerbau zu beschäftigen, mußte dieser mit Sklaven betrieben werden. Das gleiche geschah auch mit den Ge¬ werben und dem Handel. Diese beiden Beschästigungszweige standen schon früher wenig in Ehren, nach den Perserkriegen jedoch schwand die Achtung vor ihnen noch mehr. Es entwickelte sich nämlich in den Städten der Großhandel und die Gro߬ industrie, die sehr einträglich waren, weil sie meistenteils mit Sklavenhänden betrieben wurden, die dafür keine andere Vergütung erhielten, als was sie zum Leben unbe¬ dingt nötig hatten. Inhaber der industriellen und gewerblichen Unternehmungen waren meist Fremdlinge, die s. g. Metöken. Da somit die Arbeit fast gänzlich von Sklaven und Fremdlingen besorgt wurde, begann sie von den Freien verabscheut und mißachtet zu werden. Auf diese Meise bürgerte sich inner den Griechen allmählich die Arbeitsscheu und der Müßiggang ein, zu dem nach der Ansicht Herodots die Völker des Altertums besonders hinneigten. Der genannte Schriftsteller bemerkt auch, er wisse nicht, ob die Griechen die Verachtung, mit der sie die Arbeit betrachteten, von den Ägyptern hätten oder von einem anderen Volke, da er dieselbe Neigung zum Nichtstun bei den Thraziern, Szythen, Persern und Lydiern fand. Der Grund, daß die Arbeit, besonders die Gewerbe so geringgeschätzt wurden, bestand hauptsächlich in dem mit der Handarbeit verbundenen Lohnerwerb, der den Arbeiter von den Käufern oder Arbeitgebern gleichsam abhängig macht, was nach griechischer Ansicht für den Freien nicht geziemend war. Deswegen waren in einigen Staaten, vor allem in Sparta, die Handwerker von'Ämtern und staatsbürgerlichen Rechten ausgeschlossen. In der idealen Republik Platons besaß derjenige, der irgend¬ welche Handarbeit ausübte, keine politischen Rechte und die Ausübung des Klein¬ handels galt als verbrechen, falls sie vom Bürger geschah. In Theben mußte inan, um der Teilnahme an der Staatsverwaltung fähig zu sein, mindestens seit 10 Jahren dem Gewerbe entsagt haben. Man meinte eben, daß nur Sklaven und Nichtbürger die Gewerbe betreiben können; der freie Handwerker war schon dadurch, daß er Sklaven zu Mitbewerbern hatte, in den Augen der übrigen herabgewürdigt. Man ließ die Handwerker, weil sie ihr Leben nicht im Freien, sondern sitzend und in ver¬ schlossenen Räumen zubrachten, nicht einmal als rechte Männer gelten. Ein sehr vernichtendes Urteil über den Handwerkerstand fällt z. B. Sokrates nach der Dar¬ stellung Tenophons in der Oekonomia, wo er zu Kritobulus sagt: „Recht so, Kritobulus. si wallen, 1. e. S. M. — 6 Die handwerksmäßigen Beschäftigungen sind verschrieen und werden mit Recht van staatswegen verachtet, denn sie schwächen den Körper des Arbeiters, indem sie ihn zwingen, eine sitzende Lebensweise zu führen und hinter dem Ofen zu hocke» oder gar am Feuer deu Tag zuzubringem wenn aber der Körper schwach wird, läßt auch der Geist an Spannkraft nach. Auch gewähren diese Beschäftigungen niemanden Zeit, sich um seine Freunde und die öffentlichen Angelegenheiten zu kümmern. Darum scheinen solche Leute nicht geeignet für den freundschaftlichen Verkehr und für die Verteidigung des Vaterlandes"?) So kam es also, daß, wie in Athen, Handel und Gewerbe nnr von deu Fremden betrieben wurden oder von reichen Bürgern durch ganze Scharen gekaufter Sklaven, deren Arbeitskraft man anf das Äußerste ausbeutete. Der athenische Bürger wollte, weun er auch vou Not und Armut gedrückt wurde, doch vor allem frei, d. i. müßig sein; er kümmerte sich nur um Staatsangelegenheiten, wollte aber auch vom Staate genährt werden. wie Demosthenes bemerkt, trieben sich zu seiner Zeit die athenischen Bürger auf der Agora (Platze) herum, teils mit öffentlichen, teils mit eigenen Angelegenheiten beschäftigt. Das Haus war dem freien Manne nur ein Obdach für den Abend und die Nacht und wurde erst spät nach dem Sonnenunter¬ gänge aufgesucht?) Ähnlich wie in Griechenland gestalteten sich die Verhältnisse in Nom. Auch da kam in der ältesten Zeit nebst freier Arbeit auch Sklavenarbeit vor. Die freie Arbeit war jedoch ausgedehnter als die Arbeit der Sklaven und genügte anfangs vollends den Bedürfnissen der Bürger. Vornehme Römer schämten sich nicht, dem Feldbau obzuliegen und hatten deswegen ständigen Wohnsitz auf dem Laude. Liuciuatus be¬ arbeitete sein Feld, als die Abgesandten des Senates kamen und ihn als Diktator begrüßten, und nach dem Kriege vertauschte er wieder seiue siegreicheu waffeu mit der Pflugschar. Ähnlich taten es andere. Auch Frauen verabscheuten die Arbeit nicht und besorgten emsig die häuslichen Angelegenheiten. „Die (Huiriten buken Brot; es war dies wie noch bei den meisten Völkern die Aufgabe der Fraueu", schreibt Plinius?) Solange der freie Bürger selbst die Arbeit nicht verachtete, war für die Sklaverei kein eigentlicher Platz im Staate. Bald jedoch sollte es anders kommen. Mit der Zeit ward die Verteilung von Grundbesitz und Reichtum eiue un¬ gleiche. Freie Grundbesitzer gerieten in Schulden und waren gezwungen, ihre Güter den Neichen abzutreten, in deren Händen sich nun der Reichtum und der Besitz an¬ häufte. Die Eigentümer der ausgedehnten Latifundien gebrauchten nun zum Laudban und zur Viehzucht Sklaven, weil ihnen die freien Leute von der Arbeit gar zu oft zum Kriegsdienste genommen worden wären. Außerdem war die Sklavenarbeit auch sehr billig. Die freien Arbeiter schwaudeu jetzt immer mehr aus deu Laudbezirken, denn die nuu von der ererbten Scholle vertriebenen Bürger strömten nach Nom zusammen und vermehrten hier den hauptstädtischen Pöbel, der auf Kosten der Neichen lebte und als stimmberechtigtes Volk sich jenen zur Verfügung stellte, die am meisten für seine Nahrung und Unterhaltung sorgten. >) Gekon, ch 2. Döllinger, Heid. n. Jud. S. 672. ») Plin. Hist. XVIII, 28, s. 7 Die Achtung vor der Arbeit sank jetzt bei den Freien von Tag zu Tag. Der freie Bürger verabscheute die Arbeit, er fand es unter seiner würde, sich mit Dingen zu beschäftigen, die den Sklaven oblagen. Diese Auffassung der Arbeit verbreitete sich immer mehr und gicug auch in die Werke römischer Schriftsteller über. So spricht Ticero mit großer Geringschätzung von der Lohnarbeit. „Der Erwerb der Lohn¬ arbeiter ist eines freien Mannes unwürdig, denn der Lohn ist nichts anderes als der Preis für ihre Knechtschaft. Der Kleinhandel ist schimpflich. Die Berufsarbeit der Handwerker ist schmutzig. Kein freier Mann kann sich eine Werkstätte halten"?) Zwar bezeichnete Ticero die Beschäftigung nut der Landwirtschaft noch als edel und ehrenvoll, gibt jedoch deutlich zu erkennen, daß der freie Arbeiter in Rom. fast so verachtet war wie der Sklave, indem er die Arbeiter und Krämer die Hefe des Volkes nennt.2) wenn der Pontifex Maximus auf einem öffentlichen Platze ein Gpfer dar¬ brachte, mußten die freien Arbeiter ebenso wie die Sklaven den Platz räumen, so mißachtet waren sie?) Die gleiche Arbeitsscheu treffen wir auch bei anderen Völkerschaften. „Die Ger¬ manen", sagt Tacitus, „hassen die Buhe, lieben aber die Untätigkeit; sie halten es für feig und unwürdig, sich im Schweiße ihres Angesichtes das zu erwerben, was sie nut den: Schwerte sich erkämpfen können. Die Sorge um Haus und Äcker überlassen sie den Weibern, Greisen und Schwächlingen; sie selbst bringen die Zeit lieber mit Schlafen und Essen zu."H Auch die Gallier betrachteten jede Gattung der Arbeit, selbst den Ackerbau als schimpflich. Die Tartessier in Spanien beriefen sich auf eiu Gesetz ihres ersteu Gesetz¬ gebers Hatis, das allen Bürgern Handarbeiten jeder Art, die den Sklaven überlassen werden sollten, untersagte. Die Lusitanier und Tantabrer ließen die notwendigen Arbeiten von ihren Weibern und Sklaven besorgen; sie selbst lebten lieber vom Raube.b) Diese Geringschätzung, ja Verachtung der Arbeit war die Hauptursache, daß die Sklaverei im Altertum sich immer mehr ansbreitete und an Härte zunabm. Denn die Arbeit, die für den Bestand der menschlichen Gesellschaft unumgänglich notwendig ist, mußte gerichtet werden, und wenn sich die Freien derselben entzogen, so war man gezwungen zu den Sklaven zu greifen. Diese Verachtung der Arbeit war auch ein unüberwindbares Hindernis für die Abschaffung des Sklaventums, iudem Freiheit und Arbeit als zwei unvereinbarliche und unverträgliche Dinge angesehen wurden. 5. Da die gesamte Arbeit im Hause und auf den Feldern, bei Industrie- und Handelsunternehmungen und in den Bergwerken von Sklaven verrichtet werden mußte, so unterliegt es keinem Zweifel, daß die Zahl der Sklaven im Altertum sehr groß war. Doch läßt sich., die Anzahl derselben nicht einmal mit annähernder Ge¬ nauigkeit bestimmen. Rur soviel ist sicher, daß es in Ron: in der späteren Zeit viel mehr geknechtete Menschen gab als in Griechenland. Unter den griechischen Staaten besaß Sparta die meisten Sklaven, da daselbst zur Zeit Herodots die Heloten das siebenfache der Spartiaten ansmachten; selbst wenn *) Lic. Os okt'. I. -) Ibül. o) Kent. Tland. 22. <) Tac. Genu, f?, °) Döllinger, l c. K. 67h — 8 — wir die periöken in Sparta zu den Freien rechnen wollten, so kämen noch immer auf jeden Freien zwei Sklaven. In den anderen Staaten kamen durchschnittlich drei Sklaven auf einen Freien. Athenäus behauptete, daß die im Jahre 309 v. LH. von Demetrius phalereus vorgenommene Zählung in Athen 21.000 Bürger, 10.000 Metöken und 400.000 Sklaven, in Korinth 490.000 und in Ägina 470.000 Sklaven ergab. Doch scheinen diese Zahlen bezüglich der Sklaven übertrieben zu sein. Wahr¬ scheinlicher ist die Schätzung wallonsI, die auf sorgfältigen Studien beruht und nach der es in Attika gegen 200.000 Sklaven gegeben hat. Es wären somit drei viertel der Gesamtbevölkerung Sklaven gewesen. Die nächstmeisten Sklaven hatte Megara, Lhios und Nhodus; sehr viele gab es auch in Miletus und phokäa. Im allgemeinen kann inan wohl sagen, daß die Sklaven die freie Bevölkerung sicher weit übertrafen. In Bom war die geknechtete Bevölkerung zu Beginn der Republik noch wenig zahlreich; sie dürfte im ganzen ein Achtel, ja nach anderen Angaben gar nur ein Sechzehntel der Bevölkerung betragen haben. Die Ländereien waren noch wenig aus¬ gedehnt nnd der freie Mann bearbeitete noch selbst sein Gnt. In dem Maße jedoch, als das Reich infolge der mit Glück geführten Kriege sich ausbreitete, wuchs auch dieAnzahl der Sklaven. Über die Gesamtzahl der Geknechteten finden wir in der römischen Literatur im allgemeinen keine bestimmten Angaben, wohl aber haben wir Mitteilungen über einzelne Römer, die ganze Legionen von Sklaven besaßen. So erzählt Seneca von Demetrius Pompeianus, einem Freigelassenen des Pompeins, der seinen ehemaligen Gebieter an Reichtum sogar übertraf, daß er täglich die große Schar seiner Sklaven an sich vorbeimarschiercn ließ und sie musterte, wie der Feldherr seine Soldaten?) Läcilius zur Zeit des Augustus hinterließ letztwillig 4116 Sklaven auf seinen Lati¬ fundien?) Der stark verschuldete römische Ritter vettius bewaffnete 400 seiner Sklaven, ehe er sich auf die Empörung einließ, die dem zweiten Sklavenkriege voranging. Eine gewisse Lepida wurde in der ersten Kaiserzeit verurteilt unter anderen, auch deswegen, weil ihre wenig disziplinierten Sklavenscharen in Lalabrien hsrumstreiften nnd den Frieden Italiens gefährdeten?) Ivie zahlreich die Sklaven gewesen sein mußten, ergibt sich auch daraus, daß im ersten Sklavenkriege im Jahre 135 v. Lhr. das Sklavenheer ans 200.000 Mann anwuchs und daß im Gladiatorenkriege unter der Anführnng des Spartakus über 120.000 Sklaven unter Waffen standen. Die Römer hatten vor den Sklaven ob deren ungeheuren Menge auch gerechte Furcht. Ls wurde einmal im Senate der Antrag gestellt, man solle verfügen, daß die Sklaven eine andere Kleidung tragen sollen, als die Freien, damit sie sich so von den letzteren schon äußerlich unterscheiden möchten. Der Antrag drang jedoch nicht durch, da es zu gefährlich schien, den Sklaven eine eigene Kleidung zu geben, weil sie dadurch sehr leicht in den Stand gesetzt worden wären, sich von ihrer großen Überzahl zu überzeugen nnd sich dadurch zur Abschüttelung ihres schweren Joches verleiten zu lassen?) wir können ohne zu übertreiben mit Recht annehmen, daß in der Zeit zwischen 0 Mallen, I. e. S. 23s 283. -) Seneka, Oe Uanx. anim. 8, ch °) Mallon, I. e. II. S. 4) Tac. Ann. s2, 65. z) Seneca, Vs (Asm. I. 2ch 9 der Eroberung Griechenlands (146 v. (LH.) und der Herrschaft des Markus Aurelius (161 — 180) weit über aller Bewohner des großen Römerreiches unter dem schweren Joch der Sklaverei seufzte und schmachtete. II. Die ltznellen der Sklaverei. Ls gab im Altertum verschiedene (lZuellen für die Sklaverei, die nut wenigen Ausnahmen bei allen Völkern sich vorfanden. Das römische Recht teilte die Sklaven in zwei Gruppen nach dem Grundsätze: sorvi vol nnseuulur vol liuut, d. h. die einen sind Sklaven von Geburt, andere werden zu Sklaven gemacht. 1. Die Geburt und die damit verknüpfte Erblichkeit war eine (lZuelle, aus der sich die Sklaverei aus den eigenen Reihen fortwährend ergänzen konnte. Nach dem altheidnischen Grundsätze lebte der Sklave nur für seinen Herrn, er arbeitete für ihn und erwarb für ihn, er war ganz das Eigentum des Herrn; demnach waren die Rinder einer Sklavin eben wieder Sklaven. Diese Quelle war für die Sklaverei nicht besonders ergiebig, da die Herren nur sehr selten zur Belohnung für treu geleistete Dienste den Sklaven eine Art Ehe gestatteten. Es kam eben billiger, sich einen erwachsenen, kräftigen, arbeitsfähigen Sklaven zu kaufen, als ein Sklaven¬ kind von der Geburt bis zum Eintritt der Arbeitsfähigkeit zu erhalten und auf¬ zuziehen. 2. Line andere (Quelle der Sklaverei war der Verkauf und die Aussetzung der Rinder. Die grausame Unsitte, die eigenen Rinder zu verkaufen, bestand fast überall bei den Heidenvölkern. Attika bildete eine Ausnahme. Daselbst nämlich ward nach Solons Gesetzen der Vater mit dem Tode bestraft, wenn er feine Rinder als Sklaven verkaufte?) Allgemein üblich war auch die Aussetzung der Rinder, wodurch dieselben dem Tode geweiht oder der Sklaverei überliefert wurden, falls jemand sie ausgenommen hatte. Die Knechtschaft war oft schlimmer als der Tod. Terenz schildert uns einen Vater, der es tief bedauerte, daß die Tochter seinem Befehle gemäß nicht getödtet, sondern ausgesetzt worden war und dadurch vielleicht der Sklaverei und Schande überliefert wurde. In Nom hatte der Vater sozusagen die Allgewalt über das Rind und zwar die ganze Lebenszeit hindurch, so daß im römischen Recht mit einem gewissen Stelz gesagt wird: ouim uulli nlü sunt domiuos, cfui tnleiu in tilios suos lmböunt potöstutvin, (Mulsin nos tmdornus, d. i. fast bei keinem anderen Volke haben die Väter eine solche Gewalt über die Rinder, als bei uns." Bei den Römern konnte der Vater mit dem Rinde ganz nach Belieben ver¬ fahren, er konnte es aussetzen, tödten oder auch verkaufen und zwar auch dann, wenn der Sohn schon ein Staatsamt bekleidete und sich um das gemeine Wohl schon Verdienste erworben hat. So geschah es zuweilen, daß angesehene Männer von ihren Vätern von der Nednerbühne herabgerissen und fortgeschleppt wurden, oder daß erwachsene Söhne, die in ihrer Begeisterung ein edles Merk wider den Befehl ihrer Väter zu unternehmen sich hinreißen ließen, von diesen dem Tode preisgegeben wurden, wie z. B. Manilius Torguatus, der wider den Befehl seines gleichnamigen i) weiß, lveltgesch. It. B., S. (((3. 10 — Vaters mit einem Latiner sich in einen Linzelkampf einließ, aus dem er auch als Sieger hervorging. In Rom hatte der Vater größere Rechte über das Rind, als der Herr über den Sklaven; denn ein nach dem ersten Verkaufs freigelassener Sklave war für die Zukunft sein eigener Herr. Lin Sohn aber, den der Vater verkauft hatte, kam wieder uuter die Gewalt des Vaters, wenn er etwa die Freiheit erlangt hatte. Zum zweitenmale verkauft und dann freigelassen, ward er wieder wie das erstemal Sklave des Vaters. Lrst nach dem dritten verkaufe hörte die Gewalt des Vaters über das Rind auf. Diese altrömischen Restimmungen bezüglich der väterlichen Ge¬ walt in der Familie wurden auch durch das Zwölftafelgesetz bestätigt. 3. Zu den (Quellen der Knechtschaft sind bei den einzelnen Völkern auch ver¬ schiedene Gesetzesbestimmungen zu rechnen, nach denen man in die Sklaverei geraten konnte. In Athen gelangten die Metöken von Staatswegen zum Verkaufe, wenn sie die ihnen vom Staat auferlcgten Verpflichtungen nicht erfüllten; desgleichen auch, wenn sie sich in gesetzwidriger weise die Rechte von Bürgern angemaßt oder hinter¬ listigerweise durch Heirat in eine Bürgerfamilie eingeschlichen hatten. Am häufigsten war die Sklaverei eine Folge der harten Schuldgesetze, die fast überall bestanden. vor Solon konnte in Athen der zahlungsunfähige Schuldner ohneweiters zum Sklaveu des Gläubigers gemacht werden; Solon jedoch verbot, auf den Leib zu borgen und bestimmte auf den verkauf eines athenischen Bürgers in die Sklaverei die Todesstrafe. Überaus hart waren die Schuldgesctze in Rom. Konnte der Schuldner seine Schuld uicht abzahlen und war diese vor Gericht festgestellt, so hatte der Gläubiger nach dem Zwölftafelgesetz das Recht, ihm eine Gnadenfrist von 30 Tagen: zu be¬ willigen. während dieser Zeit besaß der Schuldner zwar noch seine bürgerlichen Rechte, hieß jedoch schon irexus, d. i. Gebundener des Gläubigers. Erfolgte in 30 Tagen die Zahlung nicht, so war der Schuldner dein Gläubiger preisgegeben, der ihn in Fesseln schlagen und zu verschiedenen Arbeiten verhalten konnte, wurde die Zahlung jetzt binnen 60 Tagen nicht geleistet, so stand dem Gläubiger das Recht zu, deu Schuldner als Sklaven ins Ausland zu verkaufen, wenn vorher die Schuld an drei Markttagen vor dem Prätor öffentlich ausgerufen wurde. Kam der verkaufte später einmal in die Lage, die Schuld begleichen zu können, so mußte er in Freiheit gesetzt werden. Das petilische Gesetz von: Jahre 326 v. Lhr. milderte zwar die Härte der Schuld¬ gesetze insoweit, als es das Deekuugsrecht des Gläubigers nur auf das vermögen des Schuldners beschränkte und dessen verkauf ausdrücklich verbot; trotzdem kam es nach Livius noch zur Zeit der punischen Kriege vor, daß die Gerichte die Person des Schuldners dem Gläubiger zusprachen.H Ähnliche Bestimmungen hatten auch andere Völkerschaften. Besonders bekannt ist es von den Germanen, daß sie nut solcher Leidenschaft dem Spiele ergeben waren, daß sie nach dem Verlust ihres vermögens um ihre eigene Freiheit spielten und gar oft ob Spielschulden in Sklaverei gerieten.^) 4. Die bisher behandelten Titel der Knechtschaft hatten viele Menschen der 0 Mallon I. e. II. S. jt) sip 2) Tac. Germ. 2^ u. 25. 11 Freiheit beraubt, waren jedoch nicht imstande, den Sklaoenbedarf zu decken. Er¬ giebiger als die genannten (Quellen waren Kriege und Menschenjagdeu. Der Krieg war sicher die allererste (Quelle der Sklaverei. In der ältesten Zeit hat man die bezwungenen Feinde niedergemacht, später aber wurden sie geknechtet. Diese Sitte bestand schon zur Zeit des trojanischen Krieges. Die Hryseis und die schöne Bryseis, die die Ursache waren, daß Achilles sich grollend vom Kriege zurück¬ gezogen hatte, sind im Kriege in die Hände der Sieger gefallen?) Agamemnon, Achilles und die meisten Griechenführer hatten ihre Zelte vor Troja überfüllt mit Gefangenen, die sie auf ihren Streifzügcn erbeuteten. So konnte der verkrüppelte Thersites mit vollem Nechte dem Agamemnon den Vorwurf machen: „Atreus Sohn, was klagst du den nun und wessen bedarfst du? voll sind dir vom Erz die Gezelt', und viele der Weiber Sind in deinen Gezeiten, erlesene, die wir Achaier Immer zuerst dir schenken vom Nanbe eroberter Städte."'^) Die Verbrennung der Häuser, die Niedermetzelung der Männer, die Gefangen¬ nahme der Frauen und Kinder war in der Negel das Los eingenommener Städte. Auch Hektor ahnt, daß seine Gattin die Sklaverei erwarte, und dieser Gedanke quält ihn überaus heftig uud gestaltet ihm den Abschied von seiner innig geliebten und treuen Andromache gar so schwer, wie aus folgender Anrede zu ersehe» ist: „Einst wird kommen der Tag, da die heilige Ilios hinsinkt, priamos selbst, und das Volk des lauzenkundigen Königs, Doch nicht kümmert mich so der Trojer künftiges Elend, Nicht der Hekabe selbst, noch priamos auch des Beherrschers, Noch der Brüder umher, die dann, so viel und so tapfer All' in den Staub hinsinken, von feindlichen Händen getödtet, Als wie dein's, wenn ein Mann der erzumschirmten Achaier Weg die Weinende führt, der Freiheit Tag dir entreißend."?) Niemand war somit vor der Sklaverei sicher; die Sklaverei streckte ihre Arme aus nach Untertanen wie nach gekrönten Häuptern — selbst die vornehmsten konnten ihr zum Mpfer fallen. Andromache, Kassandra, Hekuba, die ergraute Königin von Troja, blieben von ihr nicht verschont. So manche konnten im Altertums mit der unglücklichen polyxena rufen: „Als Sklave sterb ich, wenngleich frei mein Vater war"H und mit ebenderselben über das Schicksal klagen: „ —- — — — Einst war Vater mir Der phryger König. Das war meines Laufs Beginn. Dann wuchs ich auf, und mir zu lächeln schien das Glück Als Braut von Königen. Neideswert schien der zu sein, Der mich als Gattin brächte heim zu seinem Herd. >) Ilias I, s25 und 366. 2) II». II, 266 sq. nach Vos;. ) a) n,, VI, ^50—^55. h Lurip. Hek. Hs?, nach Überseh, von Tiro. 12 Jetzt bin ich Sklavin. Und schon dieses Namens Schmach, Des ungewohnten, macht erwünscht mir meinen Tod.H In der späteren Zeit besserten sich diesbezüglich die Verhältnisse nicht, auch da war das Los der Kriegsgefangenen die Knechtschaft. So mußten die Heloten den Spartanern dienen und die Spartaner dienten wieder den Tegeaten. Im peloponue- sischen Kriege wurden die Männer von plateae, die sich den Spartanern ergeben hatten, niedergemacht und ihre Frauen geknechtet. Das gleiche Schicksal ereilte die Bewohner von Melos vonseiten der Athener. Zwar hatte Kallikratides die Be¬ stimmung getroffen, es dürften Griechen nicht in die Sklaverei verkauft werde«, allein er selbst war der erste, der sich daran nicht hielt. Nur vom edlen Thebanerführer Tpaminondas wissen wir, daß er in dieser Hinsicht vom üblichen Kriegsrechte keinen Gebrauch machte. Daß es den Kriegsgefangenen bei den Römern nicht besser ergieng, folgt schon aus der bekannten Strenge des römischen Kriegsrechtes. Die Gefangenen, welche nicht ausgetauscht oder losgekauft wurden, verloren ihre Freiheit, oft sogar ihr Leben. Nicht selten geschah es nämlich, daß sie nach dem Triumphzuge denn Tode überliefert wurden. Manchmal wurden sie aufgefordert, solange miteinander zu kämpfen, bis sie sich aufgerieben hatten. Die übriggebliebenen waren Sklaven, die meist zu Gunsten des Staates verkauft wurde». So verloren während der xunischen Kriege in Sicilien, Sardinien und anderen Ländern unzählige Menschen die Freiheit. Das gleiche geschah in den nachfolgenden Kriegen. Von den einschlägigen Zahlen geben folgende Angaben aus der letzten Zeit der Republik und dem ersten Jahrhunderte des Kaisertums einen kleinen Begriff. Mie Livius berichtet, wurden in Tpirus nach den Siegen des Aenülius Paulus 150.000 Gefangene verkauft. Zu Aguae Sextiae und Verzellä hat mau 00.000 Teutonen nebst 60.000 Zimbern gefangen genommen. Taesar verkaufte in Gallien auf einmal 63.000 Kriegsgefangene. Nach dem Berichte des Strabo hat Augustus im Lande der Salassen 44.000 Gefangene gemacht, und durch Flavius Iosephus erfahren wir, daß im jüdischen Kriege 97.000 Sklaven den Römern zu fielen, obgleich schon unzählige Klengen durch Hungersnot und Strapazen zugrunde gegangen waren. Der Krieg war demnach eine ziemlich ergiebige (Quelle für die Sklaverei. Der Sklavenbedarf, dem der Krieg noch nicht abgeholfen hat, wurde durch Piraterei und regelrechte Menscheujagden gedeckt, wozu herzlose Menschen besonders durch den reichen Gewinn, den sie aus dem Sklavenhandel bezogen, angeeifert wurden. Die piraterei war den Griechen schon zu Homers Zeiten bekannt. Die Belagerer von Troja unternahmen zuweilen einfach Raubzüge in die Umgebung Trojas, um Schätze zu erwerben und Sklaven zu erbeuten. Besonders eifrig aber wurde das Seeräubergeschäft und der Sklavenhandel von den Phöniziern betrieben. Jedoch auch griechische Piraten waren nicht selten, die die Küsten Kleinasiens, Griechenlands und selbst Italiens gefährdeten. Unter der Herrschaft der Römer hat die Seeräuberei nicht aufgehört, sondern noch zugenommen, da die Romer ihr kein Hindernis in den Meg setzten. Geschah es doch sehr oft, daß selbst verschuldete römische Ritter ganze Flotten ausrüsteten, um die Korsarengeschäfte zu betreiben. Trst als die See¬ räuber allzu mächtig zu werden aufiengen und selbst Noms Herrschaft zur See im 0 Idicl ZZH. 13 — Mittelmeere gefährdeten, da rafften sich die Römer auf, nm sie zu demütigen, ohne jedoch ihrem menschenwidrigen Treiben ein Ende zu machen. Außer der piraterei wurden auch ganze Menschenjagden veranstaltet, um Menschen zu fangen und sie in die Sklaverei zu verkaufen. Derlei Jagden fanden statt in Äthiopien, von wo inan schwarze Sklaven bezog, ganz besonders in den Län¬ dereien Kleinasiens und Syriens und an der Donau, gleichviel ob diese Länder unter römischer Herrschaft standen oder nicht. Überhaupt bot Noms Herrschaft den unter¬ worfenen Völkern keine Garantie für die Sicherheit der Person, indem römische Statthalter selbst Menschenjagden unternahmen, um sich zu bereichern. Unter ver¬ schiedenen Vorwänden überfielen dis Konsularen manchmal friedliche Dörfer und führten die Bevölkerung mit sich, um sie an Sklavenhändler zu veräußern. So ge¬ schah es, daß oft ganze Gegenden infolge der Kriege und der unmenschlichen Menschenjagden entvölkert wurden. Als Marius auf Befehl des Senates vom bythi- nischen Könige Nikomedes Hilfstruppen verlangte, antwortete dieser, daß er keine kainpffähigen Männer mehr besitze, da sie fast sämtlich von Steuerpächtern als Sklaven in andere Provinzen weggeführt worden seiend) Um die Sklaven, die man im Kriege gefangen oder bei den Menschenjagden erbeutet hatte, verkaufen zu können, wurden regelrechte Sklavenmärkte abgehalten, auf denen sich die Käufer einfanden. Der bekannteste Handelsplatz für Menschenfleisch war die Insel Deins, wo an einem Tage 10.000 Sklaven verkauft worden sein sollen. Große Sklavenmärkte hatten Lypern, Ephesus und Thios. Die letztgenannte Insel soll damit überhaupt den Anfang gemacht haben. Auch in Athen fanden derlei Märkte statt. Die Athener begünstigten den Sklavenhandel und verboten unter schweren Strafen jegliche Mißhandlung eines Sklavenhändlers. Diese Protektion des schändlichen Handels hat ihren Grund in dein Vorteil, den der Staat vom Sklavenhandel bezog, indem er von der Einfuhr von Sklaven einen bedeutenden Zoll einheben ließ. Daß Nom und die anderen italischen Städte auch ihre Menschenmärkte hatten, braucht nicht besonders erwähnt zu werden, indem Italien, namentlich aber die Haupt¬ stadt selbst das größte Absatzgebiet für Sklaven bildete. Die Sklavenmärkte verliefen ähnlich wie heutzutage die Viehmärkte. Die Händler, die sich in Kriegslagern oder bei Seeräubern und Sklavenjägern hinreichend mit Menschenware versehen hatten, trieben die Sklaven auf den Markt und boten sie daselbst feil. Die armen Opfer befanden sich auf hölzernen Gerüsten. Ihre Füße waren meist weiß bestrichen, was ein Zeichen der Knechtschaft war. Um den Hals trugen sie ein Täfelchen mit verschiedenen Angaben betreffend ihre Herkunft, Eigen¬ schaften und Fähigkeiten. Die Verkäufer verstanden es auch, die Sklaven schön zu schmücken und so herzurichten,-daß sie sich mitten auf den: Marktplatze gut ausnahmen, und priesen ihre Vorzüge und Geschicklichkeit an, um dadurch leichter Käufer zu finden und einen höheren Preis zu erzielen. Die Käufer durchmusterten die armen Sklaven aufs genaueste bezüglich ihrer Gesundheit und Leistungsfähigkeit, ließen Iie entkleiden, drehen, springen, laufen oder marschieren, ähnlich wie es heutzutage auf deu Märkten mit Tieren geschieht. Osters mußten dis Sklaven auf dem Markte vor deu Käufern gymnastische oder ') lvallon, I. e. II, S. H2. 14 — literarische Proben ablegen, die ihnen von einigen Händlern je nach den Fähigkeiten besonders eingeübt wurden, um so einen höheren Preis herauszuschlagen. Die Sklavenhändler waren meist übelbeleumundete Leute, denen man keinen Glauben schenken konnte; sie waren hartherzig, gewinnsüchtig, betrügerisch und sittenlos, so daß im Interesse des Staates und zum Schutze der einzelnen Bürger im römischen Reiche gegen sie besondere gesetzliche Vorkehrungen getroffen werden mußten. So waren die Händler nach den Gesetzen verhalten, gewisse Gebrechen und Fehler der Sklaven anzugeben, ansonst konnte der Kauf rückgängig gemacht werden. Bekannt- zngeben waren verschiedene Krankheiten und Leidenschaften der Sklaven, wie Spiel¬ sucht, Trunksucht, Arglist, Verlogenheit, Klagsucht, Stehlsucht, sowie etwaige Neigung zu Fluchtversuchen. Auch die Heimat des Sklaven war anzngeben, weil inan daraus einigermaßen auf die Brauchbarkeit und den Lharaktcr derselben schließen konnte und sich auch der Preis vielfach darnach richtete. So galten z. B. die Phrygier für furcht¬ sam, die Neger für eitel, die Kreter für lügnerisch, die Sarden für rebellisch, die Dalmatcr für ungestüm und wild und waren deswegen nicht besonders gesucht. Auch nordische und szythifche Sklaven waren nicht sehr beliebt, da sie leidenschaftlich für die Freiheit eingenommen waren, so daß es nicht selten vorkam, daß Mütter ihre Kinder in die Mellen warfen, um sie so vor der schimpflichen Knechtung zu bewahren. Besonders geschätzt aber waren die Ionier wegen ihrer Schönheit, die Syrer wegen ihrer Stärke und Nüchternheit und überhaupt die Asiaten, die ob der Despotie ihrer Herrscher schon an Gehorsam gewohnt waren und die Künste einer üppigen Verfeinerung am besten kannten. Der Verkäufer durfte es auch nicht ver¬ schweigen, ob der feilgebotene Sklave schon früher in Knechtschaft stand, oder ob er darin noch ein Neuling war. Die Neulinge hatten einen besseren Preis, weil sie viel gelehriger, brauchbarer, lenksamer und gefügiger waren als alte Sklaven, deren schlechte Eigenschaften und Gewohnheiten sich nicht mehr leicht bessern ließen. Unbeschadet dieser gesetzlichen Vorkehrungen verstanden es jedoch die abgefeimten Sklavenhändler noch immer, die Käufer zu prellen und zu betrügen. III. Die Beschäftigung der Sklaven. Es gab im Altertum mit Ausnahme des Militärdienstes und der höheren Staatsbeamtenstellen wohl wenig Diensteszweige, die namentlich in der letzten Zeit nicht von Sklaven versehen worden wären. Im Zeitalter Homers fanden die Sklaven ihre Verwendung im Hause und auf dem Felde. Für die Feldarbeiten bestimmte man gesunde und starke Männer. Die kräftigsten und flinksten Sklaven erforderte der Hirtendienst, da die Hirten nicht selten die Angriffe der Räuber und wilden Tiere abzuwehren hatten. Der treue Eumäus, dein die «Oberaufsicht über die Sauhirten des klugen Odysseus zukam, bewaffnete sich des Nachts, wenn alles in seinem Hause ruhte und hielt Mache bei seiner Herde.H Alte Sklaven, besonders aber die Sklavinnen besorgten nut der Hausfrau die verschiedenartigsten Geschäfte im Hause. Ihnen oblag die Bedienung des Herrn und der Gäste, sowie die Sorge für die Reinigung der Mäsche und Reinhaltung der Mahnung. Außerdem waren sie mit der Hausfrau, die sie bei ihren Ausgängen -) Gdyss. XIV. 522-532. 15 — zu begleiten pflegten, rege beschäftigt mit spinnen und Weben, sowie mit der Anfertigung verschiedener Gegenstände der Hausindustrie. Aut der Leitung des manch¬ mal sehr zahlreichen Sklavengesindes wurde schon in der ältesten Zeit eine verläßliche Sklavin, die Schaffnerin, betraut. Zu der nachhomerischen Zeit, besonders seit dem pelopounesischen Kriege er¬ weiterte sich i» Griechenland das Arbeitsfeld der Sklaven. Die orientalische Prachtliebe hatte in griechischen Kreisen allmählich Gingang gefunden und eine Reihe neuer Ämter notwendig gemacht, deren Versehung Sache der Sklaven war. Um vornehm zu er¬ scheinen, ließ sich der athenische Bürger von einer ganzen Schar Sklaven bedienen und überallhin von Sklaven begleiten. Lin Sklave, der s. g. Pädagoge, brachte in Athen die Knaben des Hauses zur Schule und zum Gymnasium und begleitete sie auch auf den Übungsplatz und beim Spaziergangs. Daß bei dieser Sachlage sämtliche Feldarbeiten und dis Geschäfte des Handels und der Industrie auf den Schultern der Sklaven lasteten, ist selbstverständlich. Der üppige Bürger hat eben alle Arbeit anfgegeben und ließ sie durch seine Sklaven verrichten. Im Handel und Gewerbe fanden die Sklaven als Vermittler von Handels¬ geschäften und als Handwerker ihre Verwendung. Auch die Fabriks- und Bergarbeiter waren zumeist Sklaven. Selbst zu Ärzten wurden Sklaven ausgebildet, die dann die Heilkunde im Namen ihres Herrn ausübten. Außer den genannten Privatknechten gab es auch öffentliche Sklaven. Rlanche von diesen waren den Tempeln zugeteilt, denen Gläubige sie zum Geschenke gemacht hatten. Andere wurden bei den Gerichten, den Finanzbehörden oder bei den öffent¬ lichen Arbeiten beschäftigt. Der Athener Polizei standen 1200 s. g. Skythier (Nogen¬ schützen) zur Verfügung, welche Staatsknechte waren, während andere Sklaven bei der Flotte und beim Heere als Arbeiter, zuweilen auch als Soldaten in Verwendung standen. Zn Nom gab es in den letzten Zähren der Republik uud in der Kaiserzeit für die Sklaven noch weit mehr Dienstesstellen als bei den Griechen. Zn der ältesten Zeit hatten die Römer nur wenige Sklaven, die unter der Leitung des Herrn das Feld bebauten und mit der Viehzucht sich beschäftigten. Später jedoch verdrängte die Sklavenarbeit fast gänzlich die Arbeit des Freien. Die römischen Sklaven zerfielen in zwei große Gruppen: ssrvl publicü und servi piflvuti. Die ersteren waren öffentliche Sklaven, die im Dienste des Staates standen, die letzteren gehörten einzelnen Personen. Die öffentlichen Sklaven hatten viele Stellen zu versehen, vormals waren die niederen und höheren Staatsbeamten meist Freie. Als jedoch Roms Besitz sich vergrößerte und die Bürger sich gänzlich dein Kriegsdienste weihen mußten, da geschah es, daß die untergeordneten Stellen mit Sklaven besetzt wurden. So finden wir Sklaven als Boten, als Gerichts- und Versammlungsdiener, als Gefangenwärter und Scharfrichter, ja selbst als Tempeldiener beschäftigt, die in ge¬ wissen Fällen sogar gottesdienstliche Handlungen vollziehen konnten.H Sklaven waren zuweilen nebst den Freien auch Begleiter höherer Staatsbeamten. Die Verwalter der großen römischen Wasserleitungen mußten z. B. laut Senatsbeschluß von: Zahre 13 v. Lhr. außerhalb des Weichbildes der Stadt von 2 Liktoren und drei Staatssklaven ') (Lato, Os re rüst. 53. — 16 — begleitet werden. Außerdem arbeiteten die öffentlichen Staatssklaven auch an den öffentlichen Bauten. Sie verrichtete» die schwersten Arbeiten in den Steinbrüchen und Bergwerken; die großartigen staatlichen Gebäude, die prachtvoll ausgestatteten Bade¬ anstalten und Zirkusse, die Theater und die berühmten Wasserwerke, sowie das aus¬ gedehnte römische Straßennetz waren Werke geknechteter Menschen. Agrippa besaß eine ganze Truppe von Sklaven, denen die Sorge für die Wasserleitung auvertraut war, und alle diese Sklaven vermachte er letztwillig dein Staate zur Besorgung staat¬ licher Arbeiten. Die Privatsklaven teilten sich wieder in zwei Gruppen: in die städtische und ländliche Familie (lumiliu urbunu und kumiliu rustiou). Zur kumiliu urdunu gehörten alle, die zur Bedienung der Herrschaft und zur Besorgung der verschiedenartigsten Dienststellen im Hause bestimmt waren. Die Zahl der städtischen Familie ward infolge des überhaudnehmendcn Wohllebens immer größer, da das ausschweifende Leben die eigenartigsten Dienste ausfindig machte, so daß man nur für die Sklaven der Stadt mehr als 120 verschiedene Ämter und Beschäftigungen zählte. Bei den weniger bemittelten Römern kam es wohl vor, daß ein Sklave mehrere Stellen iuuehatte, die reichen und üppigen Herren jedoch besaßen für jeden Dienst einen eigenen Sklaven. Vst gab es sogar mehrere Unechte für ein und das¬ selbe Geschäft. Im Nachfolgenden wollen wir nur einige Sklaveuämter besonders anführeu. Das Amt des Türhüters besorgte in der ältesten Zeit ein gewöhnlicher Türklopfer, der den Herrn auf den Besucher aufmerksam machte; später stellte man an den Eingang einen angeketteteu Hund, in der Zeit der Verschwendung aber ersetzte man den Hund durch einen Sklaven, der nach Art des Hundes beim Eingang angekettet war. Als Diener im Innern des Hauses hatte inan unter anderen Atrienses für das Atrium des Hauses, Kubikularier für den Dienst des Schlafgemaches, Sekretäre zum Schreiben von Briefen, Lektoren zum Vorlesen, Introduktoren, die die Besuche dem Herrn an- meldeten und Nomenklatoren, die dem Herrn, wenn er ausgieug, die Namen der Begegnenden zuriefeu oder ihm gelegentlich auch die Namen seiner zahlreichen Knechte zu neunen hatten. Eigene Sklaven versahen den Dienst beim Ankleiden und im Bade, eine große Schar war in der Küche beschäftigt mit der Zubereitung von Speisen, andere trugen die Speisen auf und bedienten bei Tische. So wurde Horaz, wenn er bei seinem frugalen Tische saß, von nicht weniger als 3 Sklaven bedient, auf seinem Landguts in der Sabina hatte er deren sogar neun. Um die Tischgesellschaft zu ergötzen, hielt man sich eigene Spaßmacher und Tänzerinnen, Sängerinnen und Musikantinnen, dis zu Füßen der Gäste ihre Plätze hatten. Manche Sklaven wurden wegen ihrer Anmut und Schönheit als Ehrenwache, andere wegen ihrer Stärke als Sänfteträger benützt. In größeren Häusern fehlte es auch nicht an Sklaven, welche die Dienste von Ärzten, Abschreibern, Buchhaltern u. s. w. versahen, oder denen die Erziehung und Ausbildung der Kinder anvertraut war. wenn der Herr ausgieug, so mußte ihn eine ganze Gruppe von Sklaven be¬ gleiten, deren einige vorangiengen, andere nachfolgten. Auch die Herrin des Hauses hatte eigene Sklaven und Sklavinnen zu ihrer Bedienung, deren viels nur mit dem Putzeu der eitlen Römerin zu tun hatten. Manche üppig lebende und ehrgeizige Römer erfanden für ihre Sklaven dis eigenartigsten Ämter. Seneca erzählt von einein gewissen Llavisius Sabinus, der sehr 17 reich war, aber ein so schwaches Gedächtnis besaß, daß ihm alles, was er gehört oder gelesen hat, sogleich entschwunden ist. Selbst die Namen des Odysseus, Achilles, priamus und der übrigen Helden des trojanischen Krieges, die fast täglich genannt wurden, konnte er nicht behalten und warf zuweilen alles durcheinander. Sabinus wollte jedoch bei all' seiner großen Beschränktheit noch für einen Gelehrten gelten. Da sich aber sein Kopf mit der Wissenschaft gar nicht vertragen wollte, so half er sich auf eine eigenartige weise. Km hohen Preis erwarb er 11 Sklaven, von denen einer den Homer, ein anderer den Hesiod und die übrigen 9 verschiedene lyrische Dichter auswendig wußten. Sabinus war jetzt seiner Ansicht nach ein Gelehrter, denn er philosophierte folgendermaßen: „Der Sklave ist mein Eigentum und auch das wissen des Sklaven gehört mir. was irgend jemand in meinem Hause weiß, Las weiß nur ich und niemand anderer". Die gelehrten Sklaven mußten bei Gastgelagen dein Sabinus zu Füßen liegen und ihm auf verlangen verschiedene Verse einflüstern, die er seinen Gästen zum besten gab, wodurch er allgemeine Heiterkeit erregte, da er sich infolge seines schwachen Gedächtnisses die Verse nicht merken konnte, deswegen oft ganze Teile ausließ und die schönen Verse gänzlich verkrüppeltes) Die städtische Sklavenfamilie wurde an der Zahl weit übertroffen von der kumiliu rusliea, zu der sämtliche Sklaven gehörten, denen die Feldarbeiten und was damit im Zusammenhänge stand, oblagen. An der Spitze dieser Knechte stand der Meier (villieus), der selbst ein Sklave war. Den Meier ließ man heiraten, damit sein Weib ihm beistehe und ihn zugleich an seine Pflichten fessele. Der villieus hatte als seinen Stellvertreter den Aufseher zweiter Ordnung (subvillieris) und es unter¬ stützten ihn auch die Forst- und Feldaufseher (suIMurii, eireitores), sowie die Leiter der verschiedenartigsten Arbeiten. Die Feldsklaven, zu denen die größten und stärksten Leute genommen wurden, verrichteten alle Arbeiten, die der Ackerbau mit sich bringt. Es gab Ackersleute, Winzer, Viehzüchter, Hirten, Stallknechte u. dergl. mehr. Außerdem hatte man zur Anfertigung der notwendigen Werkzeuge, sowie zur Errichtung und Ausbesserung der Gebäude in der ländlichen Sklavenfamilie auch verschiedene Handwerker als: Archi¬ tekten, Maurer, Maler, Schmiede, Wagner, Tischler, Zimmerleute u. s. w. Zudem besaßen die Meiereien auf den ausgedehnten Latifundien eigene Ärzte und Kranken¬ wärter, sowie ein zahlreiches Sklavenpersonel, das die Zubereitung der Nahrung und die Anfertigung der notwendigsten Kleidungsstücke für die Mitsklaven zu besorgen hatte. Zu diesem Zwecke hielt man eigene Köche und Müller, Bäcker und Woll¬ kämmer, Spinnerinnen und Weberinnen, Walker, Schneider, Schuster u. s. f. Ls gab somit auch für die Sklaven der ländlichen Familie zahlreiche Dienstesstellen. wenn wir jedoch von der Beschäftigung der Sklaven sprechen, so dürfen wir die Gladiatoren nicht übergehen. Seit den panischen Kriegen waren in Nom die Gladiatorenspiele aufgekommen und wurden nach und nach eine der beliebtesten Ver¬ gnügungen des hartherzigen römischen Volkes. Kämpfen von Menschen mit Menschen oder von Menschen nut Tieren zuzusehen, war für den Römer eine Zerstreuung. Man gieng sogar so weit, daß vornehme Römer selbst bei Gastinählern Gladiatoren miteinander auf Leben und Tod kämpfen ließen, um sich daran zu ergötzen, und daß das Blut der Gladiatorensklaven nicht selten in den wein der unbarmherzigen Gäste -) Seneca, ep. 2d, 4. 2 18 — spritzte. Männer, die sich beim Volke beliebt machen wollten, mußten ihm Gladiatoren¬ spiele geben. Selbst Frauen und Jungfrauen ekelte es nicht an, diesen gräßlichen Schauspielen des Mordens beizuwohnen. Als Gladiatoren wurden zumeist Sklaven verwendet, die den kriegerischesten Völkern angehörten, z. B. Samniter, Gallier, Thrakier, zuweilen auch Germanen. Je reicher ein Mann war, umso größere Scharen von Gladiatorensklaven besaß er. Manche Unternehmer — und unter ihnen befanden sich hochstehende Personen — machten sich einen besonderen Erwerb daraus, starke Gladiatorensklaven zusammen¬ zukaufen, sie im Fechten zu unterrichten und zu üben und sie dann zu verpachten, wobei für jede Munde und für jeden Getödteten schon vorher die Summe vertrags¬ mäßig festgesetzt worden war. Solche Gladiatorenbesitzer und Fechterschulen gab es in allen größeren Orten. IV. Behandlung der Sklaven und ihre Folgen?) Der Sklave war eine Sache, die durch Rauf oder auf andere weise in das Eigentum des Gebieters überging und mit der dieser ganz nach seiner Willkür ver¬ fahren konnte. Diese unverantwortliche Gewalt bewirkte im Herrn eine despotische Gesinnungsweise und machte ihn zum Tyrannen im Kleinen. Zm homerischen Zeitalter war die Behandlung der Sklaven bei den Griechen nicht zu streng. Es hatte wohl der Herr unbeschränkte Gewalt über die Sklaven; er konnte sie nach Belieben züchtigen, ja sogar töten, doch scheint es, daß man von dieser Gewalt nur selten Gebrauch gemacht hat. Das Verhältnis zwischen dem Herrn und dein Knechte war meist ein patriarchalisches und sehr vertrauliches; die Gebieter kannten die Verachtung der Arbeit noch nicht und deswegen hatten sie Mitleid mit den geknechteten Dienern, die anderseits große Liebe und Anhänglichkeit an die Fa¬ milie des Gebieters an den Tag legten, wie lieblich z. B. berührt uns die Treue und Ergebenheit des schlichten, aber biederen Eumäus, der Sie Oberaufsicht über die Sauhirten des Odysseus führte und trotz der großen Prüfungen seinem Herrn treu blieb! Oft genossen einzelne Sklaven das vertrauen des Herrn, der ihnen häufig wichtige Verrichtungen übertrug. Diese Bevorzugten wurden nach längerer Zeit in der Kegel durch Schenkung von Häusern und Grundstücken entlohnt, wenn Homer trotz dieser noch liebenswürdigen Behandlung das Los der Sklaven doch meist als ein bitteres schildert, so geschieht dies wohl vorzugsweise deswegen, weil er ge¬ wöhnlich den Sturz ans glücklichen Verhältnissen in den Zustand der Knechtschaft vor Augen hat. Da inan die Erziehung der Sklaven gänzlich vernachlässigte, die Freien aber in der Kultur fortschritten, so vergrößerte sich mit der Zeit immer mehr der Abstand zwischen dem Herrn und dem Sklaven, und das Los des letzteren war in dem Maße auch härter geworden. Nichtsdestoweniger kann man die Lage der griechischen Sklaven im allgemeinen keine schlimme nennen. Besonders die athenischen Sklaven wurden mit großer Milde behandelt, so daß Demosthenes den Ausspruch tun komite, daß in Athen die Sklaven freier sprechen dürften als in manchen anderen Staaten die Bürger. Lin gekaufter Sklave wurde in Griechenland meist mit gewissen feststehenden ') wallen, I. e. I. S. 28Y. II. S. s76. — ifi — Feierlichkeiten in seine häusliche Stellung ciugeführt. Man ließ ihn am Herde nieder- sitzeu, die Hausfrau schüttete über das Haupt desselben allerlei gedörrtes Obst und mannigfache Leckereien, indem sie damit den Wunsch verband, es möge der Rauf den: Hause zum Glücke gereichen. Sodann gab inan dem Knechte einen Namen und wies ihm die Arbeit an. Für die Arbeit erhielten die Sklaven keine andere Entlohnung als den notwen¬ digen Lebensunterhalt. Als Kleidung gab man ihnen in der Regel ein Stück Leinwand für den Gürtel oder einen sehr kurzen Mantel, eine kurze wollene Tunika und eine Mütze aus Hundefell; befand sich der Herr in besseren Verhältnissen, so gab er seinen Knechten wohl auch irgend ein grobes Pelzwerk zum Schutze gegen die Kälte. Nach dem Gesetze konnte der Sklave kein Eigentum erwerben, in Wirklichkeit aber war es anders. Freilich gehörte das erworbene vermögen rechtlich eigentlich dem Gebieter, der es dem Knechte jederzeit wegnehmeu und nach Belieben darüber verfügen konnte, was er jedoch bei kluger Berechnung nicht tat, um nicht die An¬ hänglichkeit und Liebe seiner Diener zu verscherzen und sich dieselben zu stillen Feinden zu machen. Verbindungen zwischen männlichen und weiblichen Sklaven waren nicht ver¬ boten, wurden aber vom Gesetze nicht als Ehen anerkannt und hatten eigentlich auch nicht den Charakter einer Ehe, da der Herr ganz nach Willkür seinen Sklaven veräußern und so die Verbindung zerreißen konnte. Teuophon ist im allgemeinen überhaupt gegen solche Sklavenehen, er meint, daß schlechte Sklaven dadurch noch schlechter werden. Nach seiner Ansicht seien solche Verbindungen nur guten und braven Sklaven als eine Gunstbezeigung zu gestatten, um sie dadurch in ihrer Treue zu befestigen. So gab es also kein geordnetes Familienleben der Sklaven, welches die Grundlage des Glückes und der Sittlichkeit bildet. Daß die Sklaven in Griechenland keine politischen Rechte hatten, ist wohl selbst¬ verständlich. Auch von den öffentlichen Gottesdiensten und religiösen Festen waren sie meist ausgeschlossen; nur als Tempeldiener konnten sie au denselben teilnehmeu. Mauchen Feierlichkeiten durften sie jedoch auch als Tempeldiener nicht anwohneu, da durch ihre Anwesenheit nach der damaligen Ansicht das Fest entweiht worden wäre. So mußten sie z. B. am Feste der Eumeuiden oder bei den Mysterien der Leres das Heiligtum verlassen, wenn man die Opfer darbrachte. An den häuslichen Festlichkeiten und an nicht öffentlichen Religionsversammlungen durften sie sich jedoch beteiligen, ebenso auch an einzelnen Volksfesten. Zudem hatten die Sklaven ihre eigenen Feste, z. B. in Athen den ersten Tag der bacchischen Anthossterien oder die Lleutherien in Smyrna, wo Sklavinnen die Kleidung und den Schmuck der freien Frauen trugen. Zu Epi- daurus besaßen die Sklaven sogar einen eigenen Priester. Diese würde bekleidete immer ein entflohener Sklave, der im Einzelkampfe schon Sieger geblieben war. Sehr eigentümlich berührt cs auch, daß die verachteten Sklaven in Familiengräbern ihrer Herrn beigesetzt zu werden pflegten, die ihnen bisweilen aus Dankbarkeit für gute Dienste sogar Denksteine mit sinnvollen Inschriften errichteten. Trotz dieser allgemeinen Milde in der Behandlung der Sklaven wurde jedoch nicht selten zur Nute gegriffen, welche unter den Sklaven eine große Nolle spielte - und häufig der oberste Nechtsgrund des Herrn war. Selbst die Haussklaven mußten die Nute öfters fühlen. Schlimmer als den Haussklaven ergieng es den in den Werk¬ stätten, Bergwerken und auf dem Lande beschäftigten Knechten. Diese kamen zwar 2 * 20 — mit dem Herrn nicht viel in Berührung, hatten aber dafür Aufseher, die selbst Sklaven waren und mit ihren Leidensgenossen nur selten Mitleid hatten, sie vielmehr gar oft ihre Macht in barbarischer Weise fühlen ließen. Grausam behandelte Sklaven schützte in Athen das Gesetz und das Gewohn¬ heitsrecht. Sie konnten in Göttertempeln und heiligen Hainen, bei den Altären und bei anderen heiligen Sachen Zuflucht suchen und verlangen, an einen anderen Herrn verkauft zu werden. Der Sklave konnte den Herrn wegen persönlicher Mißhandlung ebenso anklagen wie ein Freier, und seine Tötung durch einen Fremden wurde ge¬ radeso geahndet, wie die Ermordung eines Bürgers. Der Herr durfte seinen Sklaven nicht willkürlich töten. Selbst wenn der Sklave ob eines großen Verbrechens den Tod verdient hätte, konnte ihn der Gebieter nicht selbst mit dem Tode bestrafen, sondern mußte ihm vor dem Gerichte den Prozeß machen. So war also das Los der griechischen Sklaven trotz seiner Härte im großen und ganzen doch noch einigermaßen erträglich. Viel schlimmer war die Lage der Sklaven in Nom. Im römischen Rechte der republikanischen und früheren Kaiserzeit sucht mau vergebens irgendwelche Bestimmung zu Gunsten der Sklaven. Der Sklave war eben keine Person, er wurde als Ware behaudelt, mit der der Gebieter ganz nach eigenem Willen verfügte, er konnte verschenkt, vertauscht, verkauft oder letztwillig vermacht werden. Der Sklave hatte keine Rechte, sondern nur Pflichten; der Besitzer konnte ihn zu allen möglichen Dingen gebrauchen und mißbrauchen. Eigentum durfte der Knecht nicht erwerben; was er besaß, gehörte dein Herrn. Es hatten wohl die Sklaven zuweilen ein Sondervermögen, das s. g. peculium, das jedoch ganz in der Gewalt des Herrn war und nach Willkür dem Sklaven ge¬ nommen werden konnte. Die Sklaven konnten vor Gericht als Zeugen auftreten, ihre Aussagen hatten jedoch keine Geltung, wem: sie nicht auf der Folter gemacht wurden. Der Besitzer konnte seine Sklaven als Zeugen jederzeit anbieten und auch die Sklaven eines an¬ deren vorladen lassen. Wurde daun der Sklave durch die furchtbare Folterung ver¬ stümmelt oder gar getödtet, so erhielt sein Eigentümer vom betreffenden Zeugenführer eine angemessene Entschädigung, während sich nur den verkrüppelten Knecht niemand weiter kümmerte. Die Behandlung der Sklaven vonseiten ihrer Herren war fürwahr eine un¬ menschliche. Tolumella empfiehl zwar ein gewisses Maß von Freundlichkeit, be¬ sonders im Umgänge mit den landwirtschaftlichen Sklaven, sein Rat wurde jedoch von den wenigsten befolgt. Die armen Knechte waren mit den schwersten Arbeiten überladen und wurden hiebei schlecht genährt und noch schlechter gekleidet. Ein wenig Brot und einige Feigen bildeten gewöhnlich ihre tägliche Nahrung; dazu erhielten sie zuweilen einen eigen¬ artigen Wein, dessen Zusammensetzung Tato folgendermaßen beschreibt: „Gieße in ein Faß 10 Krüge Weines, 2 Krüge Weinessig und zwei Krüge Spiritus; dazu gib .50 Krüge Wasser und mische das 5 Tage nacheinander, dreimal täglich mit einem Stabe Das war das Getränk der geknechteten Massen. Zur Kleidung em¬ pfiehlt der sittenstrenge Tato den Herren, ihren Sklaven alle 2 Jahre eine Tunika ohne Ärmel und einige andere Kleider samt starken, mit Eisen beschlagenen Holz- 21 schuhen zu geben. Die Folge dieser mangelhaften Bekleidung war, daß sich die Sklaven oft durch Beraubung von Reisenden die nötigen Gewänder zu verschaffen suchten. Die Wohnung der landwirtschaftlichen Sklaven war derart elend, daß man sie mit einein Viehstalle gar nicht vergleichen konnte. Es war dies nämlich ein unterirdischer, nasser, stollenartiger Raum, genannt, mit kleinen Fensterchen versehen, der nie ordentlich gelüftet werden konnte. Da lagen die müden Sklaven in ihren Zellen, dazu in der Regel die ganze Nacht an den Füßen gefesselt, eure Unsitte, die Plinius als eine Schmach der Sandwirtschaft bezeichnet und verurteilt. Auch bei Tage ließ man die Sklaven, wo es nur möglich war, mit gefestelten Füßen arbeiten, um ihre Flucht zu verhindern. Satte sich ein Sklave etwas zuschulden kommen lassen, so mußte er die Grau¬ samkeiten des Weiers und seiner Helfershelfer fühlen, die ihn oft bis anfs Blut mit Nuten oder peitschen mißhandelten; ja es kam vor, daß er unter den Hieben zusammenbrach und seinen Geist anfgab. Die Leute kannten eben keine Wilde, sie hatten kein Herz! Die städtische Sklavenfamilie erfreute sich in der Regel einer besseren Behand¬ lung, besonders die schmeichelnden Lieblinge des Herrn, die auf den Gebieter oft einen nicht unbedeutenden Einfluß ausübten. Doch erzählen uns römische Schriftsteller auch hier haarsträubende Fälle von römischer Grausamkeit und vom heidnischen wnt- willen. Der Türhüter lag noch zur Zeit Gvids wie ein Hund angekettet am Eingänge ' des Hauses. Die zahlreichen Sklavinnen, die zur Körperpflege und Aufwartung ihrer Gebieterinnen bestimmt waren, mußten häufig mit entblößten Schultern ihren Dienst versehen, um auf bloßem Leibe die Stöße, Stiche und Schläge der Herrin desto stärker zu empfinden. Eine gräßliche und nicht selten angewandte Strafe war das Anschließen an einen Bloch auf dein sie saßen und den sie zugleich Tag und Nacht mit sich schleppen mußten. Diese Strafe traf besonders jene, die die Eifersucht der Gebieterin erregt hatten?) Sklaven, die den Herrn erzürnt hatten, wurden oft für die geringfügigsten Vergehen in aller Strenge bestraft. Leichtere Strafen bestanden in der persönlichen Züchtigung durch Ruten, Stöcke und peitschen oder in der Versetzung aufs Land, die schweren in der Verwendung bei den Stampfmühlen oder in der Verbannung nach den Steinbrüchen und Bergwerken, wo sie unter dein walten der Nute und der Aufsicht herzloser Soldaten halbnackt und gefesselt die schwersten Arbeiten ver¬ richten mußten. Zn der Zeit der Republik und zu Beginn des Kaiserreiches durften die Herren ihre Sklaven ungestraft gänzlich verstümmeln, ja sogar töten; und es geschah nicht selten, daß man ihnen die Hände abhieb oder sie auf die grausamste weise dem Tode überlieferte. Die Sklaven zur Strafe in den Amphitheatern mit wilden Tieren kämpfen zu lasten,"schien etwas Gewöhnliches zu sein. Von anderen mut¬ willigen Verstümmelungen und Ermordungen der Knechte erzählen uns häufig rö¬ mische Schriftsteller. Lioero berichtet von einem Herrn, der dem Sklaven zuerst die Zunge ausschnitt und ihn dann kreuzigen ließ, damit er vor Gericht nicht gegen ihn zeuge, vedius Pollio, ein Freund des Augustus, war noch grausamer, da er bei der kleinsten Aufregung die Sklaven umbringen und sie den wuränen seines Teiches zum Fräße vorwerfen ließ?) Der Kaiser Augustus selbst hat einen Sklaven kreuzigen lassen, ') Döllinger, l. o. S. 703. ._ 22 weil er ihm eine Machte! verzehrt hat. So willkürlich also verfuhr man gegen die Sklaven. Sie hatten eben keine Rächer. Nach dem alten römischen Rechte war auf die Tötung eines fremden Gchsen die Todesstrafe gesetzt, bezüglich der Sklaven¬ mörder aber hatte das römische Gesetz vor der Kaiserzcit keine Bestimmung. Manche Römer hatten sich zuweilen soweit vergessen, daß sie die Sklaven zum Vergnügen quälen oder tödten ließen. Tin gewisser Flaminius befahl einen Sklaven zu köpfen, um seiner Buhlerin zu zeigen, wie man einen Menschen umbringt. Iuvenap) erzählt von einer Gebieterin, die vom Herrn die Kreuzigung eines Sklaven verlangte. Der Gemahl fragte sie nach dem Grund und bemerkte, der Sklave sei ein Mensch, weshalb man ihn nicht grundlos töten soll. Da aber schrie ihn das Meid an: „G, du Narr! Der Sklave soll ein Mensch sein! Daß er nichts begangen hat, mag sein; aber ich will seine Tötung, ich befehle sie, mein Wille ist doch Grund genug!" Die Sklaven waren also vielfach den willkürlichen Mißhandlungen und dem Mutwillen der übermütigen Herren ausgesetzt, solange sie in seinen Diensten standen. Ist der Sklave alt geworden oder wurde er von einer Krankheit befallen, so überließ man ihn ganz seinem Schicksal. Niemand hat sich seiner angenommen. Selbst ein Tato gab den unmenschlichen Rat: „Sei ein guter Landwirt, verkaufe deine Sklaven oder dein Pferd, wenn sie alt werden." Aber wer hätte einen alten Sklaven gekauft? Tin altes Pferd hatte noch immer seinen wert, ein altersschwacher oder kranker Sklave war zu nichts mehr zu brauchen. Um sich also solcher elenden Menschen zu entledigen, hat man sie auf der Tiberinsel, die dein Aeskulap heilig war, unter dem Vorwande ausgesetzt, daß sich vielleicht der Gott der Heilkunde seiner noch erbarme und ihn gesund mache. Genas er daselbst, so mußte er in die Knechtschaft znrückkehren, bis Claudius derlei ausge¬ setzte Sklaven nach ihrer Genesung für frei erklärte. Hart war demnach das Los der Sklaven im gewaltigen Nömerreiche, so daß es wohl schwer fällt, den Jammer der Millionen und abermal Millionen dieser Armen getreu zu schildern, die ihrem Vaterlands, ihrer Familie entrissen, ihr Leben in Glend und Schande hinbrachten, ohne einen Schimmer der Hoffnung auf Trlösung, ohne Glauben an einen gütigen, liebenden Gott, nur Verzweiflung im Herzen! Denn wo konnte der Sklave Hilfe suchen? Vor dem Gesetze? Dieses kannte ihn nicht! In einem Tempel? Asyle wie in Athen gab es in Nom nicht. In der Flucht? Das war das größte verbrechen, das er begehen konnte und er wurde unbarmherzig als Flüchtling ge- brandmarkt, seine Arbeit verdoppelt, seine Nahrung aber verringert, wenn er auf¬ gespürt und zurückgebracht wurde. So war die Lage des Sklaven, dieses beseelten Werkzeuges, in der Tat eine verzweiflungsvolle. Kein Wunder deshalb, wein» er sich erhob, um an seinen Bedrückern Rache zu nehmen, seine Fesseln gewaltsam zu sprengen und sich durch Waffengewalt eine menschenwürdige Behandlung zu ver¬ schaffen. Die Geschichte berichtet uns von vielen Aufständen der Sklaven, die in Nom zahlreicher waren als in Griechenland, ein Zeichen, daß unter dem Joch der Römer die Bedrückung unmenschlicher war. Athen selbst hatte keine Sklavenerhebungen zu verzeichnen, wohl aber fanden solche in Lauriums Bergwerken statt, wo die Arbeit >) Seneca, Os ira, III., HO. -) Jur. VI., 2^-223. 23 schwieriger und die Behandlung härter war. So machten die geknechteten Arbeiter eines Tages sämtliche Aufseher nieder und dnrchzogcn längere Zeit verwüstend die Gegend. Bedeutend waren die Aufstände der Sklaven auf der Insel Lhivs. Unter der Führung des Drimakus, dessen Feldherrntalent alle Gegenanstrengungen der Bürger vergeblich machte, unterwarfen sich die Sklaven die Insel und herrschten über die¬ selbe, bis Drimakus auf feige weise durch einen Meuchelmörder fiel, dein er große Wohltaten erwiesen. Da jedoch der Freiheitssinn der Sklaven einmal geweckt war, hörten die Aufstände nicht auf, bis die Insel, die zuerst Sklavenmärkte aufgebracht haben soll, durch Sklaven zugrunde gieng, indem die Bewohner, durch König Mi¬ thridates unter Mithilfe der Sklaven überwältigt, als Gefangene nach Kolchis abge¬ führt wurden.*) Die römische Geschichte kennt viele und gefährliche Sklavenverschwörungen und mehrere furchtbare Sklavcnaufstände. So wissen wir von einer Verschwörung un¬ mittelbar vor dem Seegefechte bei Mylä, von einer anderen vor der Schlacht bei Lanae. Im Jahre 198 v. Lhr. kam beinahe ein Sklavenkrieg zum Ausbruche, zwei Jahre später gab es in Etrurien und nach weiteren 11 Jahren in Apulien Er¬ hebungen. Die ernstlichen Sklavenaufstände kamen aber in Sizilien zum Ausbruche, wo die Sklaverei die schlimmsten Formen annahm und wohin ihre besonders harten Auswüchse mutmaßlich von den Karthagern verpflanzt wurden?) Am gefährlichsten war die Lage daselbst, als sich die Sklaven im Jahre 135 v. Lhr. erhoben, fest ent¬ schlossen, ihre Fesseln zu brechen oder zu sterben. Den Aufstand leitete ein syrischer Sklave, Eunus mit Namen, der sich König Antiochus nannte. Dieser rief alle Sklaven zur Freiheit auf und ernannte zu seinem obersten Feldherrn seinen Mitsklaven Achäus. Das Sklavenheer wuchs in knrzer Zeit auf 200.000 Mann an und be¬ mächtigte sich nach und nach der ganzen Insel, überall an den grausamen Bedrückern furchtbare Nache nehmend. Mehrere Prätoren und der Konsul Fulvius Flacons wurden geschlagen. Erst der Konsul p. Pupilius beendete den Krieg im Jahre 132 v. LH. durch die Einnahme von Tauramenium und Enna, welches nach heldenmütiger Ver¬ teidigung durch Hunger fiel. Eunus starb im Gefängnis und gegen 20.000 Sklaven wurden ans Kreuz geschlagen. In welch großer Gefahr der Staat damals schwebte, bezeugen die gleichzeitigen Verschwörungen der Sklaven in Nom, Minturnä, Attika und Delus, sowie der Krieg in Kleinasien gegen Aristonikus, auf dessen Seite auch Sklaven kämpften. von 103 — 100 v. Lhr. währte in Sizilien unter der Führung des Syrers Salvius und des kriegstüchtigen Kilikiers Athenion eine neue Sklavenerhebung, die erst nach vielen Anstrengungen niedergeworfen wurde. Im Jahre 73 v. Lhr. gab es schließlich eine Sklavenrevolte in Italien selbst unter der Leitung des thrakischen Gladiatoren Spar¬ takus, der mit seinen Sklaven mehrere Konsularheere gänzlich aufgerieben hat. Den Römern gelang es erst nach 2 Jahren des Ausstandes Herr- zu werden?) Nach solchen Erfahrungen ist es nicht zu verwundern, daß in Nom in der Spätrepublik und der ersten Kaiserzeit die große Anzahl der Sklaven einen Gegen¬ stand steter Besorgnisse bildete. Linen kräftigen Beleg zu dieser Angst finden wir in >) Mallon, I. o. II. S. 320. 2) Mommsen, Röm. Gesch., II. B., 2 Kap. -) weiß, weltgesch. II. B., S. 80-h — 24 — der Behandlung der Sklaven des Stadtpräfekten pedanius Secundus, der im eigenen Hause vou einem seiner Sklaven ermordet wurde. Den Täter konnte man durchaus nicht ausfindig machen, und als nach alten Brauch sämtliche Sklaven des Ermordeten, die im Augenblicke der Tat unter demselben Dach mit ihrem Herrn geweilt hatten, — es waren 400, — hingerichtet werden sollten, nahm der großstädtische Pöbel für die jedenfalls größtenteils Unschuldigen Partei und rottete sich zusammen. Der Senat schwankte und einer der Senatoren sagte unter anderem: „Schon unsere Vorfahren hatten kein Zutrauen zum Lharakter ihrer Sklaven, als diese noch mit ihnen auf demselben Landgut oder in demselben städtischen Hause geboren wurden und vou der Kindheit an Liebe zu ihren Herren in sich aufnahmen. Seitdem wir aber mannig¬ faltige Nationen in unserer Dienerschaft haben, welche abweichende Gebräuche, fremde oder gar keine Religion haben, kann man dieses Gesindel nur noch durch Furcht im Zaume halten." Diese Ansicht siegte; aber erst, nachdem das Volk durch ein scharfes kaiserliches Edikt bedroht und alle Straßen, durch die der Zug zum Nichtplatz gieug, militärisch abgesperrt waren, konnte das grausame Urteil ausgeführt werdend) Die unmeuschliche Einrichtung der Sklaverei bildete jedoch nicht nur eine Gefahr für die staatliche Ordnung, sondern war auch für die allgemeine Sittlichkeit der Freien und Sklaven verhängnisvoll, ja geradezu verderblich. Den Gebieter machte das Recht des unumschränkten Herrschens über die Sklaven zum Despoten und Tyrannen im kleinen, bei dem man meistens vergebens Nkilde und Barmherzigkeit suchte. Denn bei Personen, die von Kindheit auf gewohnt sind, über andere eine Gewalt auszuüben und deren Gefühle mit Füßen zu treten, ist in der Regel eine menschenfreundliche Gesinnung nicht zu finden. Aber auch dein Sklaven schadete die Knechtschaft erheblich, indem sie die guten Folgen seines großen Fleißes dadurch nicht wenig verdarb, daß sie die Entfaltung des der Sittenlehre zugrunde liegenden Bewußtseins der Menschenwürde verhinderte, die pflege seines Geistes- und Gefühlslebens zumeist gänzlich vernachlässigte und ihn der Erziehung vollständig beraubte?) Außerdem entwickelte die grausame und ganz willkürliche Behandlung im Sklaven eine gemeine Gesinnungswsise. Der Sklave kannte nur zwei Triebfedern feines Tuns — Furcht und Sinnlicheit. Er war einerseits feige, kriechend, heimtückisch und lügnerisch, um sich den Mißhandlungen auf diese Weise zu entziehen, anderseits trunkliebend und überaus wollüstig. Da er als willen¬ loses Werkzeug immer einem fremden Willen, selbst im Falle der ärgsten Zumutungen, blindlings dienen mußte, so besaß er keine Willenskraft und wurde durchaus charakterlos. Tugendhaftigkeit war dem Sklaven meist unbekannt, so daß Aristoteles bei der Be¬ trachtung der Sittenlosigkeit unter den Sklaven zu dem Schlüsse kommt, daß es ge¬ borene Sklaven gebe, die der Tugend und Weisheit nicht fähig seien, und daß in der Armut und bei der Arbeit die Tugend überhaupt nicht gedeihen könne. Sittenlose Sklaven hinwiederum waren die wirksamsten Werkzeuge, die Freien sittlich zu verschlechtern. Sklaven waren gewöhnlich Lehrer und Erzieher, wodurch sie in vielfachem Verkehr mit der Gebieterin und den Kindern des Hauses standen und diese mit allen Untugenden und Lastern, denen sie selbst ergeben waren, bekannt Zahn, I. e. S. 2) J. R. Ingram, Gesch. d. Sklaverei, S. 6. 25 machte». So kam es, daß die Sittlichkeit der Söhne schon frühzeitig gänzlich unter¬ graben wurde; dadurch aber verpestete die Sittenverderbnis immer weitere Kreise der freien Bevölkerung. Die Sklaven waren demnach von den nachteiligsten Folgen für die allgemeine Sittlichkeit. V. Das Heidentum und Christentum bei der Befreiung der Sklaven. Das einzige, was das Heidentum bis zur Entstehung des römischen Kaiserreiches für die Erleichterung der trostlosen Lage der Sklaven geleistet hat, war die Möglichkeit, daß die Sklaven sich loskaufen oder von ihren Herren besonderer Verdienste wegen freigclassen werden konnten. Das erstere kam verhältnismäßig nicht oft vor, da der Sklave selten über ein vermögen verfügte. Häufiger waren die Freilassungen. Man kannte zwei Arten derselben. Die regelrechte und minder regelrechte Befreiung (muriu- missio iusta und minus iusta). Die erstere erfolgte durch Annahme an Kindesstatt (was selten vorkam), durch die lctztwillige Verfügung oder durch den „Zensus", indem der zu Befreiende dem Zensor vorgestellt und in die Bürgerliste eingetragen wurde, oder aber durch den Freiheitsstab (vin6iets). Die letzte Art war die allerüblichste und be¬ stand darin, daß der Gebieter den Sklaven vor einer befugten behördlichen Person mit den Worten „du bist frei" umdrehte, wobei der behördliche Vertreter oder dessen Butenbündelträger dem Freigelassenen mit dem Stabe einen Schlag versetzte. Die minder regelrechte Befreiung geschah durch eine deutliche Willenskundgebung des Herrn, z. B. durch dessen briefliche oder mündliche Äußerung im Freundeskreis, oder dadurch, daß er dem zu Befreienden die s. g. Freiheitskappe (pileus) aufsetzte u. s. w. Diese letztere Art der Freilassung war unvollständig, weil sie ini Gesetze nicht ent¬ halten war, weshalb die minder regelrecht befreiten Knechte unter dem Namen „jüngere Lateiner" vor dem Gesetze bis zu ihrem Tode Sklaven blieben.^) Außer dem Loskaufe und der Freilassung bot das Heidentum den geknechteten Massen keine Gelegenheit zur Befreiuung aus ihrer schwierigen Lage. Die heidnischen Philosophen hatten wohl zuweilen zur menschenfreundlichen Be¬ handlung der Sklaven gemahnt, hatten dabei doch mehr den Nutzen des Herrn als das Wohl der Sklaven im Auge. Aristoteles empfahl den Gebietern den Grundsatz „weder Mißhandlung noch Vertraulichkeit" und meinte, man müsse den Sklaven die Freilassung als Belohnung für ihre guten Dienste versprechen. Der gleichen Ansicht waren auch Plato und Zrenophon. Doch hielten diese großen Denker Griechen¬ lands die Sklaverei für notwendig und naturgemäß, weshalb sie ihr keinen Einhalt tun konnten. Die späteren Sittenlehrer Griechenlands aber kümmerten sich überhaupt blutwenig um die Einrichtung der Sklaverei und erwähnten sie kaum mehr. Auch viele griechische Dichter predigten die Menschlichkeit und betonten die Gleichheit der Rechte des Sklaven nut denen des Bürgers; vor allen erhob sich der in allen Dingen menschlich gesinnte Euripides hinsichtlich der Sklaverei über den all¬ gemeinen Zeitgeist und liebte es, ihre Treue und Ergebenheit, ihre Dankbarkeit für freundliche Behandlung und ihren Stolz auf ihren guten Nuf zu betonen. Doch der ') Ingram, I. e. 2. 28. 26 — Ruf der Dichter nach Freiheit wurde wenig beachtet, da die Sklaverei gar so tief in den Zuständen und Ideen jener Zeit wurzelte?) In Rom haben sich bis zur Kaiserzeit nur wenige Stimmen vernehmen lassen für die Erleichterung des bitteren Sklavenloses. So befürwortet z. B. Tolumella ein gewisses Maß von Freundlichkeit gegenüber den Sklaven. Cicero hatte seine Sklaven zwar menschenfreundlich behandelt und sie im Falle der Erkrankung sorgfältigst pflegen lassen, ja er hatte tiefes Mitleid mit ihnen, aber in der Theorie spricht er sich für eine strenge Behandlung aus. Erst mit der Entstehung des Kaiserreiches beginnt sich langsam eine Änderung der rechtlichen tage der Sklaven zu vollziehen. Der ersten Negierungszeit des Augustus gehört eine Verordnung an, welche die Gewalt des Gebieters über die Sklaven be¬ bedeutend beschränkte, indem sie den Sklaven Gelegenheit bot, den Herrn wegen roher Behandlung vor Gericht zu klagen?) Außerdem wurde um dieselbe Zeit durch das petronische Gesetz dein Herrn verboten, Sklaven zum Kampfe mit wilden Tieren zu verurteilen. Kaiser Hadrian nahm den Herren weiters die Gewalt über Leben und Tod der Sklaven; hatte der Sklave ein verbrechen begangen, so sollte er vor dein öffentlichen Richter angeklagt und nach erwiesener Schuld verurteilt werden. Antoninus Pius bestimmte, daß der Gebieter, der seinen eigenen Sklaven ermordet, ebenso zu bestrafe» sei, wie der Mörder eines fremden Sklaven. Derartige An¬ ordnungen und Gesetze, die den Sklaven vor der Roheit des Herrn in Schutz nahmen, sind im Laufe der ersten drei Jahrhunderte n. Ehr. viele erflossen. Die großen Ju¬ risten Ulpianus, Florentinus u. a. berufen sich, wo sie die Verhältnisse der Sklaven berühren, auf das Naturrecht uud zeigen in der Deutung der darauf bezüglichen Gesetze die Neigung, überall zu Gunsten der Freiheit und im Interesse der Huma¬ nität zu entscheiden. viel früher aber zeigte sich schon in der philosophischen Literatur ein bedeu¬ tender Umschwung der Ideen, der den Sklaven zugute kommen mußte. Im lateinischen Schrifttum wenigstens hat mau bis dorthin noch nicht Morte gelesen, wie sie Seneca, der Erzieher des Kaisers Nero, zu Gunsten der Sklaven schrieb. Der edle Sinn könne, das war seine Ansicht, ebensowohl einem römischen Ritter, als einein Freigelassenen oder Sklaven zuteil werden: „Denn was heißt Ritter oder Freigelassener oder Sklave? Namen sind es, aus Ehrgeiz oder Unrecht entstanden!"?) Seneca lobt auch seineu Freund, der mit den Sklaven in freundlicher und vertraulicher weise verkehrte: „Mit Freude habe ich vernommen, daß du mit deinen Sklaven in Freundschaft lebst; das ist auch geziemend für deine Klugheit und Bildung. Sind sie Sklaven? Nein, Menschen sind sie! Sind sie Sklaven? Nein, Hausgenossen! Sind sie Sklaven? Nein, niedrig stehende Freunde, unsere Mitknechte, wenn man bedenkt, daß das Schicksal über beide gleichviel vermag. Darum lache ich die Menschen aus, die es für eiue Schande halten, mit ihren Sklaven zu speisen. Uud warum schämen sie sich? Nur weil die hoffärtige Sitte den Herrn an der Tafel mit einem Haufen stehender Sklaven um¬ geben hat"?) ') Ingram, I. e. S. 22. 2) Seneca, Os Neues. III., 22. -h Seneca, Ich. 5H l,0 h Seneca, ich. 5H jO. — 27 Sodann erinnert Seneca an die Zeiten, wo das Verhältnis zwischen Sklaven und Herrn bei den Römern noch ein patriarchalisches war, wo der Herr noch mit Recht den Namen „Vater der Familie" d. i. der Dienerschaft führte, wo die Sklaven mit ihren Herren reden durften und dafür in aufopfernder Treue für die Herren schwiegen, wenn die Folter irgend ein Geständnis ihnen ablocken sollte, das den Herren gefährlich werden konnte. Er gedenkt auch des zu seiner Zeit üblichen Sprichwortes: „Soviel Sklaven, soviel Feinde" und bemerkt: „Mir haben sie nicht zu Feinden, wir machen sie dazu"?) Freilich wird man nicht jedem Sklaven gleich viel Vertrauen erweisen und ihn an seinen Tisch ziehen, ebensowenig wie jeden Freien; dabei soll aber nicht die höhere oder mindere Beschäftigung eines Sklaven maßgebend sein, sondern sein moralisches Verhalten. Die einen soll man an seinem Tische speisen lassen, weil sie es wert sind, die anderen, damit sie es werden. „Die Sklaven sollen dich vielmehr verehren als fürchten"?) Menn aber jemandem das nicht genügt, oder wenn jemand meint, das hieße die Sklaven zur Freiheit aufrufen und die Herren von ihrer Höhe stürzen, so möge er bedenken, daß cs für menschliche Herzen doch wohl genug sein muß, womit Gott sich genügen läßt, verehrt und ge¬ liebt zu werden. „Die Liebe aber verträgt sich nicht mit, der Furcht."^) Dazu verurteilt Seneca ganz entschicdenst die Gladiatorenspiele, in denen soviele Menschen das Leben lassen mußten: „Der Mensch, eine heilige Sache, wird zum Spiel und Spaß getödtet"?) Derlei Stellen zur Verteidigung der Sklaven sind in Senecas Werken zahlreich. Fürwahr, man meint einen christlichen Prediger zu hören, der den Standeshochmut der Herren geißelt und sie an ihre Pflichten gegen die Untergebenen mahnt! Man meinte lange, daß Seneca ein Freund des heil. Paulus gewesen und von ihm in die christ¬ lichen Wahrheiten eingeweiht worden sei, welche Ansicht jedoch der Grundlage entbehrt. Seit Errichtung des römischen Kaiserreiches begegnen wir somit sowohl in der Gedankenwelt als auch in der Gesetzgebung einschneidenden Wandlungen hinsichtlich oer Sklaverei, wie menschenfreundlich jedoch die gesetzlichen Bestimmungen auch ge¬ wesen sein mochten, so waren sie doch nicht darnach angetan, auf die Abschaffung dieser grausamen Einrichtung hinzuarbeiten. Za die Kaiser waren sogar gegen ein Übermaß von Freilassungen der Sklaven eingenommen. Das Gesetz ^.olin Leukin ordnete ungefähr im Zahre 3 n. Ehr. an, daß kein unter 20 Zahrc alter Herr einen Knecht freilassen, und kein zu befreiender Sklave unter dreißig Zahrc alt sein dürfe. Das Gesetz flKrin Onniuin um 7 n. Lhr. regelte genau die Anzahl von Sklaven, denen inan im Verhältnis zur Gesamtzahl des eigenen Besitzes letziwillig die Freiheit schenken könne und setzte als höchste Ziffer hundert fest?) Man hat sich sonach gar nicht mit dem Gedanken getragen, die Knechtschaft allmählich zu beseitigen, und die das harte Los der Sklaven einigermaßen mildernden Gesetzesbestimmungen hatten hauptsächlich wohl darin ihrep Grund, um den Anlaß zu Aufständen der bedrückten Sklaven zu beseitigen. Bevor man an eine Abschaffung der Sklaverei denken konnte, war es not¬ wendig, die Sitten des Volkes gänzlich umzuschaffen und dadurch die wurzeln der Sklaverei allmählich aus der menschlichen Gesellschaft zu entfernen. Dazu aber war 0 Seneca, Lp. HD 2) -) a) ib. z) Derselbe, Lp. 28 — nur das Christentum berufen, dessen Grundsätze sich auf die Dauer mit der antik- heidnischen Sklaverei durchaus nicht vereinbaren ließen, war einmal die Gesellschaft von den echt christlichen Grundsätzen durchdrungen, so mußte das Institut der Sklaverei in sich selbst zusammenbrechen und von der Welt gänzlich verschwinden. Um die Kluft zwischen den Gebietern und Sklaven zu überbrücken und den eigentlichen Grund der Sklaverei zu beseitigen, mußte vor allem die Verachtung der Arbeit behoben werden. Dies geschah auch tatsächlich durch das Christentum, welches offen auf sein Schild geschrieben hat, daß die Arbeit den Menschen keineswegs ent¬ ehre. Denn nicht eine»! einzelnen Menschen, sondern dem Stammvater des Menschen¬ geschlechtes und damit allen, die auf den Menschennamen Anspruch erheben, ist gesagt worden: „Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brod essen"?) Die Arbeit selbst ist ein Segen: „von der Arbeit deiner Hände wirst du essen. Heil dir, es wird dir gut gehen."?) weil also die Arbeit ehrenhaft und eine Pflicht des Menschen ist, deswegen soll sich der Meusch derselben nicht schämen, sondern sie mit Freude verrichten: „Hasse nicht die beschwerliche Arbeit, noch den Landbau, den der Höchste geschaffen."?) Christus selbst hat sich der Arbeit im Hause seines Nährvaters, der selbst ein Hand¬ werker war, nicht entzogen, weshalb er der Zimmermannssohn und selbst ein Zimmer¬ mann genannt wurde?) Und die Apostel, die Verbreiter der Lehre der Erlösung, was waren sie anders als gewöhnliche Arbeiter, die sich durch ihrer Hände Arbeit ihren Lebensunterhalt erwarben. Der heil. Paulus, der als römischer Bürger geboren war und eine gelehrte rabbinische Bildung genossen hatte, hatte ein Handwerk erlernt und es auch ausgeübt. Neben seiner anstrengenden Missionswirksamkeit hat er nämlich auch in seinem Handwerke gearbeitet, um sich die volle Unabhängigkeit zu wahren. Und wenn er in Korinth und in Ephesus in: Hause und im Geschäfte des Zelttuch¬ machers Aquila arbeitete, so ist er sicherlich ein Mitarbeiter von Sklaven gewesen; er glaubte jedoch gerade dadurch seine Freiheit zu beweisen, daß er wie ein Sklave neben Sklaven tätig war. Darum konnte er auch mit gerechten: Stolz auf seine Hände Hinweisen, die ihn: und seiner Begleitung jahrelang das nötige Brot verdient hatten, und den bekehrten Christen mit Nachdruck predigen: „wer (vor der Bekehrung) gestohlci: hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite vielmehr?) — Bestrebt euch ein stilles Leben zu führen, euer eigen Geschäft zu treiben, mit eueren eigenen Händen zu arbeiten, wie wir es euch befohlen haben?) Wir Habei: es euch aus¬ getragen, daß wer nicht arbeiten will, auch nicht essen soll, wir haben nämlich gehört, daß einige unter euch unruhig leben, nicht arbeiten, sondern unnütze Dinge treiben. Solchen entbieten wir und beschwören sie in: Herri: Jesu Christo, daß sie in der Stille arbeite«: und ihr eigenes Brot es sei:"?) Diese Regeln und erhabenen Beispiele mußten in: Laufe der Zeit eine durchgreifende Beseitigung eines der Grundirr¬ tümer bewirken, welche dem Sklaventum seine ungeheuerliche Entwicklung und dem Verhältnis der genießenden Herren und der arbeitenden Sklavei: seinen gehässigen Anstrich gegeben hatten?) Außerdem lehrte die Kirche die Gleichberechtigung aller auf den: religiösen Gebiete. Alle Menschei: stammen von demselben Llternpaare ab, alle haben das gleiche übernatürliche Ziel und alle sind von Jesus Christus erlöst und von Gott -) Gen. 3, f7. -) Pf. f2H 2. -) Sir. 7, f6. ') Marc. 6, 3. °) Lph. q, 28. °) I. Thess. ff. ') II. Thess. 3, fO, sq. «) Zahn, I. e. S. f60. 29 als Rinder angenommen worden: Liner ist somit aller Menschen Vater/) der im Himmel ist, die Menschen aber sind Brüder untereinander. Deswegen ist im Lhristen- tnme weder Jude noch Grieche, weder Sklave noch Freier . . denn alle sind eins in Christo Jesu.2) Als Brüder aber sollen die Menschen einander lieben. Auch die Gebieter schulden den Sklaven eine liebenswürdige Behandlung, wie anderseits die Sklaven zu Ge¬ horsam und Treue gegenüber dem Herrn verpflichtet sind: „Unechte, gehorchet den leib¬ lichen Herren — — — in der Lmfalt eueres Herzens, gleichwie Lhristo, . . . Und ihr Herren-— lasset ab von den Drohungen, denn ihr wisset, daß ihr (der Unechte) Herr auch der eurige ist im Himmel, und daß bei ihm kein Ansehen der Person ist?) Ihr Herren erweiset den Unechten, was recht und billig ist, da ihr wisset, daß auch ihr einen Herrn im Himmel habet."^) Bach der Lehre der Uirche soll somit den Sklaven und Herrn das Band der christlichen Liebe umschlingen, welche keinen Zorn, keine Grausamkeit kennt. Ivie schön spricht der heil. Paulus darüber in seinem Briefe an Philemon, der ein wohlhabender Thrift und ein guter Freund des Apostels war. Dem Philemon war sein Sklave, der noch Heide war, entlaufen und auf seiner Flucht nach Nom gekommen. In Nom kam er mit dem heil. Paulus in Berührung, und diesem gelang es, aus dem ent¬ laufenen heidnischen Sklaven einen Lhristen zu machen, der die Pflicht anerkannte, sein Unrecht wieder gutzumachen und zu seinem Herrn zurückzukchren. Lr sollte jedoch nicht zurückkehren ohne den Schutz eines apostolischen Geleitschreibens, in welchem Panlus Philemon mit den herzlichsten Worten ersucht, er möge den flüchtigen Sklaven als einen solchen aufnehmen, der mehr als ein Sklave, nämlich ein christlicher Bruder geworden ist, daß er ihm mit Liebe begegne, anstatt ihn für sein bereutes Unrecht zu strafen: „Ich bitte dich für meinen Sohn, den ich in meinen Banden gezeugt habe, für Bnesimus . . . den ich dir zurückgesendet habe; du aber nimm ihn auf, als wären es meine Eingeweide. — — Vielleicht ist er deswegen auf kurze Zeit von dir entwichen, damit du ihn auf ewig wieder bekämest, und zwar nicht mehr als Unecht, sondern statt des Unechtes einen vielgeliebten Bruder . . . wenn du mich also für deinen Mitgenossen hältst, so nimm ihn auf wie mich. Hat er dir aber Schaden zugefügt, oder ist er dir etwas schuldig, so rechne dies mir an."5) Das ist die Lehre des Thristentums. Die Uirche hat sich auch immer treu nach den berührten Grundsätzen gerichtet und sich der Bedrückten stets mit Liebe ange¬ nommen. Der Sklave hatte zunächst so gut wie der Freie Anrecht auf die hl. Taufe. Beim Gottesdienste wurde der Unterschied der Stände nicht berücksichtigt; wohl aber konnte es sich zutragen, daß der Sklave, weil bereits getauft, vor seinen noch im Uatechumenate stehenden Herrn den Vorzug genoß, der Feier der heil. Messe bis zu Ende beiwohnen zu dürfen. Der Umstand, daß in den ersten Zeiten des Thristentums alle ohne Unterschied des Standes oder der Geburt an der hl. Uommunion und an den Liebesmahlen teilnahmen, sowie die bezeichnende Sitte des Friedenskusses, von dem die Sklaven nicht ausgeschlossen waren, hat die Zerstörung der hergebrachten heid¬ nischen Standesvorurteile nicht wenig gefördert. Auch zu den hl. weihen stand den Sklaven der Zutritt offen, nur wurde ge¬ fordert, daß der Sklave zuerst seine Freilassung erwirke, damit er den priesterlichen ') Matth. 23, y. ft Gal. 3, 28. ft Lph. 6, 3—(0. ft Loloss. ft, h ft philem. (0—(8. 30 — Pflichten unbehindert Nachkommen könne. Er konnte dann alle Stufen der kirchlichen Hierarchie ersteigen, wie dieses das Beispiel des einstigen Sklaven Mnesimus, der Bischof geworden, sowie das des 'Kallistus, der sogar die päpstliche würde erlangt hatte, zur Genüge beweist. Sodann hob die Kirche auch das Ansehen der Sklaven nicht unbedeutend da¬ durch, daß sie ihre Ehe als sakramentale anerkannte, im Widerspruche zu den dieselbe nur als eontubornium betrachtenden Staatsgesetzen; ja die Kirche machte es den Herren unter Androhung der Ausschließung aus der kirchlichen Genieinschaft zur strengen Pflicht, die Sklaven zur Ehe zu verhalten, falls sie sonst der Unzucht fröhnten. Daß endlich der Tod die im Leben anerkannte Gleichberechtigung nicht anfhob, daß man Sklaven und Freie ohne Unterschied in den Begräbnisstätten beisetzte und ihnen, wenn sie als Bekenner oder Märtyrer dahingeschieden waren, die gleiche Verehrung erwies, versteht sich nach dem Vorhergehenden von selbst. Es ist fürwahr bezeichnend für die altchristliche Gesinnung, daß unter den Tausenden von Grabschriften der Ka¬ takomben keine einzige auf den Stand der daselbst ruhenden Sklaven hinweist. Das Wort „Sklave" war den Christen verpönt, da sie Brüder untereinander waren.H So hat das Anwachsen des Christentums in der römischen Welt zur Besserung der Lage des Sklaven erheblich beigetragen. Die menschenfreundliche Gesinnung, die das Christentum erzeugte, förderte die Freundlichkeit der Behandlung so sehr, daß in ihr die Keime der späteren gänzlichen Befreiung lagen. Der Abstand zwischen dein Herrn und dem Sklaven wurde immer geringer, bis er langsam gänzlich verschwand. wenn die Kirche die Sklaverei nicht sofort als Verbrechen brandmarkte und nicht auf ihrer unverzüglichen Abschaffung bestand, so darf das nicht verwundern; denn die Einrichtung der Sklaverei gehörte, wie wir gesehen haben, zu den gesell¬ schaftlichen, gesetzlichen und militärischen Grundlagen des römischen Staates und konnte nicht plötzlich aus der Welt geschafft werden. Sie wurzelte zu tief und war zu sehr mit der ganzen Gesellschaftsordnung verwachsen, als daß sie ohne ernste Stö¬ rungen der Ordnung und ohne verhängnisvolle Folgen für die Sklavenklasse selbst hätte gründlich beseitigt werden könnend) Der Beseitigung mußte erst die Entstehung neuer gesellschaftlichen Verhältnisse vorausgehen; die Gesellschaft mußte umgestaltet und durch deu Geist der Liebe erneuert werden, weshalb die Abschaffung der schmählichen Einrichtung der Sklaverei nur durch allmählige Fortentwicklung zu erzielen war. ff Dr. Krauß, Real-Lucykl. zum Morte Sklaverei ff iZugram I. e. S. H6. Inhalt. Seite I. Begriff der Sklaverei, ihre Ausdehnung und Ursachen. Zahl der Sklaven.1 II. Vie Quellen der Sklaverei. 9 III. Die Beschäftigung der Sklaven .. . 14 IV. Behandlung der Sklaven und ihre Folgen. 18 V. Das Heidentum und Christentum bei der Befreiung der Sklaven. . 25