167 Matej Cigale (1819–1889) als Übersetzer von Schulbüchern 1 Tanja Žigon Abstract Der Jurist und Sprachforscher Matej Cigale (1819–1889) ging in die slowenische Kul- turgeschichte vor allem als Redakteur der slowenischen Ausgabe des Reichsgesetzblattes und als Vater der slowenischen Rechtsterminologie ein. Doch hat sich Cigale auch auf an- deren Gebieten einen Namen gemacht: Wegen seiner ausgezeichneten Sprachkenntnisse wurde ihm die Herausgabe des deutsch-slowenischen Wörterbuches (1860) anvertraut, er legte eine gesammelte slowenisch-deutsche Wissenschaftsterminologie (1880) vor, wirkte als Aushilfskorrektor im k.k. Schulbücherverlag und gab selbst einige Schulbüch - er heraus. Im vorliegenden Beitrag wird vor allem seine Übersetzung des Heufler’schen Schulbuches für den Erdkundeunterricht (1861) untersucht: Es wird den Fragen nach- gegangen, wie Cigales Übersetzung beim Zielpublikum aufgenommen wurde, auf welche Probleme Cigale beim Übersetzen gestoßen ist, welcher Strategien er sich bediente und wie sich die von ihm eingeführte Terminologie durchgesetzt hat. Schlüsselwörter: Matej Cigale, Übersetzen, Schulbücher, Erdkunde, Terminologie, 19. Jahrhundert 1 Der Beitrag ist im Rahmen des Forschungsprogramms Interkulturelle literaturwissenschaftliche Studien (Nr. P6-0265) entstanden, das von der Slowenischen Forschungsagentur aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. ACTA NEOPHILOLOGICA UDK: 929Cigale M.:81'25 DOI: 10.4312/an.53.1-2.167-182 Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 167 Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 167 23. 11. 2020 07:19:54 23. 11. 2020 07:19:54 168 tanja Žigon EINLEITUNG Die frühen Anfänge des staatlichen Schulwesens in der Habsburger Monarchie liegen im 18. Jahrhundert und fallen in die Zeit Maria Theresias und Josephs II. Eine bedeutende Wende stellen aber erst die Schulreformen nach der Revo- lution 1848 dar: Erstens war man sich zu dieser Zeit allmählich der wichtigen Rolle der Bildung bewusst, zweitens differenzierte sich das Schulwesen aus 2 und drittens kann man nach 1848 von einer staatlich reglementierten Schulbuchpro- duktion und damit von einem raschen qualitativen und quantitativen Fortschritt der slowenischen Schulbuchproduktion sprechen (vgl. Mikoletzky 1972: 33–54; Žigon, Almasy und Lovšin 2017: 43–50). Da sich Gymnasien zum Ziel setzten, auf ein Universitätsstudium vorzubereiten, wurde das Ideal der Allgemeinbildung postuliert: Es wurden sprachlich-historische (Religion, Latein, Griechisch, Mut- tersprache, Geographie und Geschichte) und mathematisch-naturwissenschaft- liche Fächer (Mathematik, Naturgeschichte und Naturwissenschaften) wie auch diverse freie Gegenstände unterrichtet (Almasy 2018: 75–76). Während die ers- ten slowenischen Schulbücher im 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts Kate - chismen und ABC-Fibeln waren, denen nach 1848 die Schullesebücher folgten (ibid.: 124–126), wurden ab den 1860er-Jahren die ersten fachspezifischen Lehr- bücher herausgegeben (Žigon, Almasy und Lovšin 2017: 78–81). Eines der ersten gymnasialen Lehrbücher, die aus dem Deutschen ins Slowenische übersetzt wur- den, war das 1859 von Ludwig von Hohenbühel-Heufler (1817–1885) verfasste Schulbuch Kurze Reichs- und Länderkunde des Kaiserthums Österreich. Die slowe- nische Ausgabe erschien 1861 im k.k. Schulbuchverlag; 3 das bedeutet, dass das Lehrwerk für den Gebrauch in Gymnasien staatlich approbiert wurde. Das Heuf- ler’sche Heimatkundewerk wurde von Matej Cigale unter dem Titel Kratek popis Cesarstva Avstrijanskega sploh in njegovih dežel posebej ins Slowenische übersetzt. Gemäß der Aufforderung von Anthony Pym, nämlich „Study translators, then texts“ (Pym 2009: 30) werden im Beitrag zuerst Matej Cigale und dessen biogra- phischer Hintergrund sowie seine übersetzerische Tätigkeit mit besonderem Hin- blick auf seine Übertragungen von Schulbüchern beschrieben. Des Weiteren wer- den, wie Pym (1998, 2009), und Wolf (2003, 2012) vorschlagen, die historischen Umstände untersucht, in denen das Schulbuch entstanden ist: Es werden anhand der Archivdokumente kulturpolitische Machtkonstellationen dargestellt, welche die Entstehung und die Herausgabe der slowenischen Übersetzung des Heufler’schen 2 Es entstanden neue Schultypen: Diese waren die Volks-, Bürger- und die Realschule, diverse For- men von Berufsschulen, welche man Fortbildungsschulen nannte, und die Gymnasien (mehr dazu vgl. Žigon, Almasy und Lovšin 2017: 24–51; vgl. auch Schmidt 1966: 8 –16). 3 Bereits im Jahr 1772 wurde der Verlag der deutschen Schulanstalt gegründet, der als Vorgänger des seit 1855 bestehenden Schulbücherverlags gilt (N.N. 1872: 8). Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 168 Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 168 23. 11. 2020 07:19:55 23. 11. 2020 07:19:55 169 Matej Cigale (1819–1889) als Übersetzer von Schulbüchern Schulbuches begleitet und ungünstig geprägt haben, und schließlich die terminolo- gischen Schwierigkeiten, Hindernisse und Herausforderungen besprochen, mit de- nen Cigale und andere zeitgenössische Übersetzer konfrontiert waren. Es wird von der These ausgegangen, dass sich viele der von Cigale eingeführten Benennungen und Termini durchgesetzt haben, dass es aber auch etliche, oftmals Neubildungen, gab, bei denen Cigale selbst nach besseren Lösungen suchte und das entsprechende slowenische Wort erst allmählich in den allgemeinen Sprachgebrauch aufgenom- men wurde. In diesem Sinne übernahmen Übersetzer im 19. Jahrhundert nicht nur eine vermittelnde Rolle, sondern setzten auch Weichen für die Entwicklung einer einheitlichen, standardisierten und kodifizierten Nationalsprache mit ausgebauter Terminologie für alle Fachbereiche. BIOGRAPHISCHES UND CIGALE ALS ÜBERSETZER Um den weiteren Ausführungen einen Rahmen zu verleihen, soll nun zunächst auf den Lebens- und Schaffensweg Cigales eingegangen werden. 4 Er wurde 1819 in einer bäuerlichen Familie im abgelegenen kleinen Dorf Črni Vrh (dt. Schwar- zenberg) in der Nähe von Idrija (Idria) in Innerkrain geboren. Erst mit elf Jahren kam der wissbegierige Junge in die dortige Dorfschule und besuchte anschließend das Gymnasium in Görz. Anfang der 1840er-Jahre entschloss er sich, in Ljublja- na (Laibach) Theologie zu studieren, doch verließ er bereits nach einem Jahr das Priesterseminar und zog nach Graz, um das Studium der Rechtswissenschaften aufzunehmen. Das in Graz angefangene Jurastudium beendete er 1846 in Wien. In den Studentenjahren vertiefte er auch sein linguistisches Wissen im Serbischen, Kroatischen, Tschechischen und Russischen und versuchte sich als Übersetzer. Er übertrug einige Lieder und übersetzte in Zusammenarbeit mit dem Juristen An- ton Mažgon (1812–1849) die Triester Gemeindeordnung – eine Aufgabe, die den beiden von dem damaligen kaiserlichen Statthalter des Österreichischen Küsten- landes in Triest, Franz Seraph von Stadion (1806–1853), anvertraut wurde. Nach dem absolvierten Studium bestand Cigale erfolgreich die Richterprüfung, konnte jedoch wegen mangelnder finanzieller Mittel die richterliche Laufbahn nicht ver- folgen; im Herbst des Revolutionsjahres 1848 nahm er die Einladung des unter- nehmerischen und belesenen Laibacher Druckers Joseph Blaznik (1880–1872) an und übernahm in Ljubljana die Redaktion des ersten (leider kurzlebigen) sloweni- schen politischen Blattes Slovenija. Im Oktober 1849 wurde Cigale wegen seiner ausgezeichneten Sprachkenntnisse nach Wien gerufen, um bei der Vorbereitung 4 Die im Weiteren angeführten Daten sind folgenden Quellen entnommen: Urbanc 2005: 10–11, Atelšek 2013, Kacin 2013, Kolarič 2013, Nuč 2017: 145–150. Hier findet man alle detaillierten Angaben zu den jeweiligen bio- und bibliographischen Daten. Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 169 Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 169 23. 11. 2020 07:19:55 23. 11. 2020 07:19:55 170 tanja Žigon der juridisch-politischen Terminologie mitzuwirken. Seitdem war er in der Termi- nologiekommission tätig, wo er mit Franc Miklošič (1813–1891), einem der Be- gründer der wissenschaftlichen Slawistik, zusammenarbeitete. Nachdem Miklošič das ›Redaktionsbureau‹ verlassen hatte, wurde Cigale Ende des Jahres 1849 zum provisorischen Redakteur und ab 1850 bis zu seinem Tod 1889 zum Redakteur der slowenischen Ausgabe des Reichsgesetzblattes. Bereits 1853 gab Cigale mit den Juristen und Fachübersetzern Matija Dolenc (1810–1876) und Janez Navratil (1825–1896) die Juridisch-politische Terminologie für die slavischen Sprachen heraus (vgl. Hebenstreit in Wolf 2001: 171–173), wobei er den Hauptteil der redaktionel- len Arbeit erledigte und auch das Vorwort verfasste (vgl. zu Cigales Übersetzun- gen von Rechtstexten Jemec Tomazin 2010: 91–97, 111–115; Nuč 2017, 2020). Bei der terminologischen Arbeit war Cigale mehr oder weniger sich selbst überlas- sen; er konnte weder auf eine ausgereifte slowenische Sprache zurückgreifen noch Wörterbücher heranziehen. Darüber hinaus gab es zu dieser Zeit fast keine slowe- nischen Rechtstexte, die er als Paralleltexte hätte verwenden können. Aus diesem Grund wurde Cigale bereits zu Lebzeiten als Vater der slowenischen Rechtster- minologie apostrophiert (mehr dazu Nuč 2017: 41–42), wobei die Zeitspanne von 1849 bis 1889 in der Entwicklung der slowenischen Rechtsterminologie sogar als Cigales Periode bezeichnet wird (Goršič 1920: 155). Cigale tat sich allerdings nicht nur auf dem Gebiet der juristischen Terminolo- gie hervor. Wegen seiner ausgezeichneten Sprachkenntnisse wurde er 1854 mit der Aufgabe betraut, das deutsch-slowenische Wörterbuch zusammenzustellen. Unter Berücksichtigung der Vorarbeiten seiner Vorgänger gab er 1860 das vom Laibacher Fürstbischof Anton Alois Wolf (1782–1859) finanzierte Wörterbuch mit mehr als 2000 Seiten heraus (Cigale 1860; mehr dazu Nuč 2017: 147–148). Als 1895 auch noch das slowenisch-deutsche Wörterbuch, redigiert vom Linguisten Maks Pleterš- nik (1840–1923), erschien, wurde das erste große wissenschaftlich bearbeitete lexi- kographische Werk für die slowenische Sprache abgeschlossen (Lukan 1978: 202). Des Weiteren veröffentlichte Cigale auch linguistische Diskussionsbeiträge in slowe- nischen Fachzeitschriften (z. B. Slovenski pravnik), praxisorientierte Texte zur Ver- wendung der slowenischen Sprache in den damaligen Zeitungen (Novice, Slovenski glasnik, Kres) und gab 1880 eine gesammelte slowenisch-deutsche Wissenschaftster- minologie (Znanstvena terminologija z ozirom na srednja učilišča) heraus, in der alle Termini, die im Slowenischen zu seiner Zeit kursierten, deskriptiv erfasst wurden. Letztlich spielte Cigale aber auch im Bereich der Herausgabe der ersten slo- wenischen Schulbücher und damit bei der Entstehung der jeweiligen Fachter- minologie eine wichtige Rolle, denn es waren gerade die Schulbücher, die ganze Generationen angehender slowenischer Intellektueller in der Hand hielten. Somit übte Cigale einen großen Einfluss auf die sprachliche Entwicklung und auf die Standardisierung der slowenischen Schrift- und vor allem Wissenschaftssprache Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 170 Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 170 23. 11. 2020 07:19:55 23. 11. 2020 07:19:55 171 Matej Cigale (1819–1889) als Übersetzer von Schulbüchern aus. Dies war ihm möglich, weil er als Aushilfskorrektor im k.k. Schulbücherver - lag 5 wirkte (N.N. 1872: 24) und die slowenischen Ausgaben der Lehrwerke vor dem Druck prüfte. Cigale hat in dieser Funktion aber sicherlich mehr geleistet als lediglich typographische Fehler auszubessern; man kann davon ausgehen, dass er auch als Begutachter von Schulbüchern wirkte, so manches komplett überarbeitete (z. B. die beiden Katechismen, den V eliki katekizem und den Mali katekizem in 1889), selbst neue Lehrwerke schrieb, z. B. die Grammatiken für slowenische Volksschulen (Prva, druga in tretja slovnica za slovenske ljudske šole), und Schulbücher bzw. einzel- ne Schulbuchtexte aus dem Deutschen und aus anderen Sprachen übersetzte (vgl. Almasy 2018: 104–105). Im vorliegenden Beitrag richtet sich das Augenmerk auf Cigales Schulbuch für das Fach Erdkunde. Anhand der Archivquellen werden zunächst seine Über- setzung des Heufler‘schen Schulbuches für den Erdkundeunterricht aus dem Jahr 1860 und seine nie gedruckte Übersetzung des Lehrbuches Grundzüge der allge- meinen Erdkunde besprochen. Anschließend wird anhand der 1860 erschienenen Übersetzung des Heufler’schen Schulbuches den Fragen nachgegangen, auf welche Probleme Cigale beim Übersetzen gestoßen ist, welcher Übersetzungsstrategien er sich bediente und wie sich seine neu eingeführte Terminologie durchgesetzt hat. ARCHIVQUELLEN ZU DEN ÜBERSETZUNGEN DER GEOGRAPHIESCHULBÜCHER Matej Cigale hat sich in den 1860er-Jahren zweimal mit dem Übertragen von Schulbüchern für den Erdkundeunterricht beschäftigt. Beide Male hatte er auf der formalen Ebene (Herausgabe, Approbation und der tatsächliche Gebrauch in den Schulen) mit unvorhergesehenen Schwierigkeiten zu kämpfen, was mit Hilfe von Archivdokumenten rekonstruiert werden kann. Cigales slowenische Übersetzung der Kurze[n] Reichs- und Länderkunde des Kaiserthums Österreich wurde Ende des Sommers 1861 mit der hohen Staatsmi- nisterial-Verordnung für die »Verwendung beim Unterrichte an Mittelschulen« approbiert (AS33 Landesregierung in Laibach, Fasz. 31/14, Aktenr. 1717 v. 5. März 1869), doch konnten die politischen Zustände, die zur Zeit des Erscheinens herrschten, für das neu übersetzte Lehrwerk ungünstiger gar nicht sein. Anfang der 1860er-Jahre entsprach das Heufler’sche Schulbuch nämlich nicht mehr der politischen Realität der damaligen Zeit, da es im Zuge der italienischen Unabhän- gigkeitskriege zu österreichischen Territorialverlusten kam; so wurde im Juni 1859 zuerst die österreichische Herrschaft in der Lombardei beendet, im Wiener Frieden 5 Von den hauseigenen Korrektoren wurde die typographische Korrektur der Lehrwerke besorgt, für alle Sprachen der Monarchie gab es außerdem einen Aushilfskorrektor. Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 171 Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 171 23. 11. 2020 07:19:55 23. 11. 2020 07:19:55 172 tanja Žigon vom Oktober 1866 wurde Venetien als italienischer Besitz bestätigt (vgl. Teil II, Ka- pitel II, Punkt VII im Schulbuch: Heufler 1859: 152–186; Heufler 1861: 146–165) und 1867 kam es durch den Umbau des Kaisertums Österreich zu einem Staa- tenverband auf der Grundlage des österreichisch-ungarischen Ausgleiches. Cigale hatte in seiner Übersetzung den Verlust der Lombardei zwar berücksichtigt und die entsprechenden Passagen ausgelassen, doch konnte er die weitere politisch-his- torische Entwicklung nicht voraussehen. Somit wurde das neu herausgegebene slowenische Lehrwerk bald zu einem Relikt der vergangenen Zeiten und war für den schulischen Gebrauch nicht mehr aktuell. Aus den Akten, die acht Jahre nach der Approbation entstanden sind, geht eindeutig hervor, dass es mit dem Werk starke Absatzprobleme gab, denn, wie es in der Akte heißt: »Es ist hiervon noch eine nahmhafte Anzahl von Exemplaren am Lager vorräthig, deren Nutzbarma- chung für Schulzwecke wünschenswerth erscheint« (ibid.). 6 Das Ministerium für Cultus und Unterricht ersuchte 1869 umgehend »um die Äusserung, ob Aussicht vorhanden ist, dass der im k.k. Schulbücherverlage erschienenen slowenischen Aus - gabe der österreichischen Reichs- und Landeskunde ein größerer Absatz gesichert würde, wenn dessen Preis herabgesetzt und das Werk selbst theilweise umgeändert würde« (AS33 Landesregierung in Laibach, Fasz. 31/14, Aktenr. 1717 v. 5. März 1869). Zu einer Neuausgabe des Schulbuches kam es nie: Die Landesregierung in Laibach riet nach der Beratung mit einzelnen Bezirkshauptmannschaften in einem Schreiben vom 20. November 1869 von einer zeitgemäß umgeänderten Neuaufla- ge zu herabgesetztem Preis ab, denn von dem Lehrwerk wurden in all den Jahren lediglich 100 Exemplare verkauft (AS33 Landesregierung in Laibach, Fasz. 31/14, Aktenr. 8584). Doch soll hier erwähnt werden, dass die niedrigen Absatzzahlen auch damit zusammenhingen, dass Cigales Übersetzung für die Verwendung an Gymnasien mit slowenischer Unterrichtssprache, 7 welche es in den 1860er-Jahren noch gar nicht gab (Hojan 1972: 33), 8 approbiert wurde. Wie man den Archivquellen entnehmen kann (AS31 Statthalterei in Laibach, Fasz. 31/13,14, Aktenr. 5262 v. 27. April 1863) hatte Cigale 1863 seine zweite Über - setzung eines geographischen Schulbuches fertiggestellt. Es handelte sich um das 6 In diesem und weiteren Zitaten werden sowohl die damalige Schreibweise als auch die eventuellen Schreibfehler beibehalten. 7 Das Unterrichtsfach Slowenisch wurde in den 1850ern als Freigegenstand an den Mittelschulen zugelassen. Allmählich wurde Slowenisch auch bei anderen Gegenständen als Unterrichtssprache eingeführt, zunächst beim Religionsunterricht (dagegen hatte es nie Widerstände gegeben), später auch bei den ›leichten‹ Fächern wie Geographie und Geschichte (von 1806 bis 1910 ein gemein- sames Schulfach (Almasy 2018: 88). 8 In Görz, Triest und Koper wurde an den Gymnasien auf Italienisch und Deutsch unterrichtet, in Kranj, Maribor, Celje und Ljubljana gab es gemischtsprachige Gymnasien, die restlichen Gym- nasien (z. B. in Graz, Klagenfurt sowie noch eines in Celje und Ljubljana) wurden deutsch geführt (Schmidt 1966:137; Rumpler und Seger 2010: 225). Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 172 Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 172 23. 11. 2020 07:19:55 23. 11. 2020 07:19:55 173 Matej Cigale (1819–1889) als Übersetzer von Schulbüchern von Anton Schubert verfasste Lehrwerk Grundzüge der allgemeinen Erdkunde (slow. Početni nauk o zemljepisu). In diesem Fall hat sich das k.k. Stattsministerium an die k.k. Landesbehörde gewandt, ihr das Manuskript Cigales übermittelt und dar - um gebeten, sich im Einvernehmen mit der k.k. Staathalterei in Graz »gutachtlich zu äußern, ob das Bedürfnis einer solchen Übersetzung in dem Grade vorhanden sei, um die Herausgabe derselben auf Kosten eines Studiums- oder Schulfonds zu rechtfertigen« (ibid.). Um Hilfe wurde die Direktion des Laibacher Gymnasiums gebeten, die am 4. Juli 1863 (ibid., Aktenr. 8475) feststellte, dass Schuberts Geogra - phiebuch »derzeit weder an den hierländigen noch an den steiermärkischen Gym- nasien benutzt« wird, denn man verwendet das Schulbuch aus der Feder von Vin- cenz F. Klun (ibid.). 9 Über die bereits vorhandene Übersetzung von Cigale schrieb man: »Was den sprachlichen und stilistischen Werth der fraglichen slowenischen Übersetzung betrifft, so lautet das mitfolgende Gutachten des Lehrers Josef Marn, so wie auch der k.k. steiermärkischen Statthalterei hierüber günstig. Die Sprache ist leicht verständlich und korrekt, die Terminologie gut gewählt und die Übersetzung im Allgemeinen gelungen zu nennen« (ibid.). Doch liest man im Weiteren, dass man auf einen bedeutenden Absatz kaum rechnen dürfte, »da beschränkte Vermö- gensverhältnisse der weit überwiegenden Mehrzahl der Schüler kaum die Beschaf- fung der unentbehrlichen Lehrbücher gestatten« und auch, dass die Unterrichts- sprache am Gymnasium Deutsch sei, weswegen die slowenische Übersetzung nicht »unumgänglich nothwendig« sei; man fügte aber noch hinzu: »Höchstens könnte es den Schülern der ersten Gymnasial- oder Realklasse Dienste leisten und man- chem, der im deutschen Sprachausdrucke noch minder geläufig ist, als slowenisches Hilfsbuch für das geographische Studium willkommen sein« (ibid.). Tatsache ist, dass die Übersetzung in der Schublade liegen blieb, 10 doch spricht dieses Beispiel auch davon, dass die Interessenlagen der damaligen Zeit sehr komplex waren und dass nicht immer in Wien über die ›slowenische Schulrealität‹ entschieden wurde, manchmal hatten die Behörden in Krain selbst alle Fäden in ihren Händen. ÜBERSETZUNG DES HEUFLER’SCHEN SCHULBUCHES Das von Hohenbühel-Heufler verfasste und von Cigale ins Slowenische übertra- gene Schulbuch für den Erdkundeunterricht war zum Gebrauch in den Unter- gymnasien oder -realschulen bestimmt, doch wurde es, wie oben skizziert, in den 9 Vincenz F. Klun (1823–1975) verfasste mehrere geographische Schulbücher (vgl. Pirjevec 2013); um welches Schulbuch konkret es sich in diesem Fall handelte, ist aus der Akte nicht ersichtlich. 10 Mitte der 1860er-Jahre wurde beim Verlag Slovenska Matica noch darüber diskutiert, ob man das Schulbuch herausgeben sollte, doch hat man die endgültige Entscheidung nie getroffen (Urbanc 2005: 11). Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 173 Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 173 23. 11. 2020 07:19:55 23. 11. 2020 07:19:55 174 tanja Žigon Schulen kaum verwendet. Trotzdem kann nicht geleugnet werden, dass Cigale, der im Zeitraum von 1869 bis 1877 als Redakteur und Bearbeiter von geographi- schen Namen auch beim ersten der im Verlag Slovenska matica erschienenen slo- wenischen Weltatlas Atlant mitgearbeitet hatte, auf diesem Gebiet Pionierarbeit leistete. Seine Nachfolger, die ab den 1865er-Jahren weitere Geographieschul- bücher übersetzten (z. B. Ivan Lapajne, der die Erdkunde für Volksschulen von Blasius Kozenn (slow. Blaž Kocen; 1876) 11 übertrug) oder selbst verfassten (z. B. Janez Jesenko (1865, 1883) und Ivan Vrhovec (1897) 12 ), griffen immer wieder auf Cigales Werk zurück. Die slowenische Übersetzung des heimatkundlichen Schulbuches, das das Grundwissen über das Kaisertum Österreich und seine Länder vermittelte, wurde auf 381 Seiten gedruckt und folgte der Makrostruktur des Heufler’schen Ori- ginals, ließ aber die Lombardei-Kapitel (Heufler 1859: 169–178) aus, da diese nach den österreichischen Territorialverlusten Ende der 1850er-Jahre nicht mehr aktuell waren. Auch auf inhaltlicher Ebene sind bei der Übersetzung keine Ab- weichungen vom Ausgangstext festzustellen. Als Jurist und erfahrener Übersetzer von Rechtstexten hielt Cigale an dem Äquivalenzprinzip fest: In der Übersetzung wurden sowohl alle Informationen aus dem Ausgangstext beibehalten als auch jegliche Ergänzungen vermieden. Als Terminologe hatte er jedoch das Bedürfnis, seine terminologischen Lösungen in den Fußnoten zu erläutern (Tabelle 1). Tabelle 1: Cigales terminologische Erklärungen in den Fußnoten. Kratek popis Cesarstva Avstrijanskega (Heufler 1861) 1 Beseda pogorje (Gebirgszug, Gebirgskette) se rabi v ti knjigi za rajdo gor ali za gore, ki se stegujejo na dolgost; beseda gorovje (Gebirgsgruppe) pa za gore, ki se razraščajo bolj na širokost (S. 10). 2 Razvodje (Wasserscheide) pomeni vodno mejo ali mejo med vodami, ki se odtekajo v različne veče reke ali pa tudi v različne morja (S. 13). 3 Porečje (Flussgebiet) v širšem pomenu, v kterem se sploh rabi v teh bukvah, pomeni ves svet, ki visi proti kaki reki, da se vse vode z njega odtekajo vanjo; ravno tako pomeni pomorje (Meeresgebiet) v širšem pomenu vse tiste dežele, ki so nagnjene k temu ali unemu morju, da vse njih vode vanj teko (S. 20). Wenn ein im Slowenischen weniger geläufiger Fachausdruck im Text zum ers- ten Mal vorkam, wurde in Klammern der deutsche Begriff hinzugefügt, dem eine 11 Während die tschechische Übersetzung seines Schulbuches 1880 approbiert wurde, erschien die slowenische Übersetzung von Lapanje im Verlag von Eduard Hölzel in Wien und ist auf den ap- probierten Listen des Ministeriums für Cultus und Unterricht nicht zu finden (Alex 1876–1918). 12 Alle genannten Werke wurden für den Schulgebrauch approbiert (vgl. ibid.) Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 174 Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 174 23. 11. 2020 07:19:55 23. 11. 2020 07:19:55 175 Matej Cigale (1819–1889) als Übersetzer von Schulbüchern detaillierte slowenische Erklärung folgte. Der Zieltext war somit für den Zielleser verständlicher und sicherte auch Kenntnisse der deutschen Terminologie, die für das weitere universitäre Studium nicht nur wichtig, sondern unumgänglich wa- ren; eine solche Praxis beim Übersetzen kennt man auch aus den Übersetzungen mathematischer und botanischer Lehrbücher der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun- derts (Žigon und Almasy 2020: 38 –49). Die oben angeführten Fachbegriffe sind auch bei Jesenko (1865: 34–35) oder Vrhovec (1897: 12) zu finden und gehören heute zum festen Fachwortschatz im Slowenischen. Viele geographische Begriffe benutze Cigale ohne diese zusätzlich zu erklären, da sie im allgemeinen Sprachgebrauch relativ oft benutzt wurden. Diese Termi- ni sind später auch in seiner Wissenschaftlichen Terminologie (Cigale 1880) wie auch im Slowenisch-deutschen Wörterbuch von Pleteršnik (2014) zu finden. Ein Beispiel dafür ist der Begriff »Anhöhe«, der 1861 von Cigale als berdo und 1880 in der Wissenschaftlichen Terminologie als brdo mit dem Vermerk »ggr.« übersetzt wurde, was darauf hinweist, dass es sich um einen geographischen Begriff han- delt. In der Terminologie von 1880 wurde ferner auf die aus dem Kroatischen übernommene Übersetzung povišica hingewiesen (Vermerk: kroatische Termino- logie), die sich später nicht durchgesetzt hat. Ähnlich wird bei dem Wort Küste vorgegangen, wobei sich bis heute im Slowenischen der Begriff obala etabliert hat. Auch Cigale kannte die Bezeichnung obala, und zwar aus dem 1818 von dem Philologen Vuk Stefanović Karadžić (1787–1864) herausgegebenen serbischen Wörterbuch Srbski riječnik. 13 Tabelle 2: Geografische Begriffe, die ohne weitere Erklärung gebraucht wurden. Kurze Reichs- und […] (Heufler 1859) Kratek popis Cesarstva […] (Heufler 1861) Wissenschaftliche Terminologie (Cigale 1880) Slowenisch-deutsches Wörterbuch (Pleteršnik 2014 [1895]) 4 Anhöhe (S. 282) berdo (S. 258) ggr. brdo, povišica (kroat. T .) bŕdo . 5 Küste (S. 18) morski breg (S. 19) ggr. morski breg ali kraj, morsko obrežje obre . ˆ žje Obwohl Cigale über ein außergewöhnliches Gespür für eine ausgewogene Verwendung, Schaffung und Einführung slowenischer Exonyme für die Namen aus allen Teilen der Welt verfügte und damit mit einem Prozess begann, der heute 13 Der Eintrag in der Wissenschaftlichen Terminologie lautet: » Ufer, ggr. breg (bei Vuk auch obala, nicht obal); Uferland, obrežje, pribrežje« (Cigale 1880: 128). Es wäre interessant, sich in diesem Kontext auch anderssprachige Texte anzuschauen, die sich mit den slowenischen Gebieten beschäftigen (vgl. Maver 2018: 17–23). Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 175 Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 175 23. 11. 2020 07:19:55 23. 11. 2020 07:19:55 176 tanja Žigon in der Standardisierung im Bereich der geographischen Namenkunde mündet (vgl. dazu Kladnik 2005, 14–15), ist es bei seiner Übersetzung des Schulbuches aus dem Jahr 1861 relativ schwer, eine einheitliche Übersetzungstrategie zu defi- nieren (Tabelle 3). Die Cigale-Übersetzung weist nämlich erhebliche Inkonsis- tenz auf, da er in einigen Fällen nur den deutschen (Beispiel 6: Wasserfall Lauffen) oder nur den slowenischen Namen (Beispiel 7: jezero sv. Volfganga, jezero Celsko) anführt, in den anderen wird wiederum der slowenische (oder der deutsche) Name kursiv in Klammern angegeben (Beispiele 6 und 7). Im Fall der ungarischen Stadt Pécs (Beispiel 8) steht die alte slowenische Benennung der uralten Bischofsstadt an der ersten Stelle, gefolgt von den Ortsnamen in slowakischer, ungarischer und deutscher Sprache. Im Beispiel 9 sind die geografischen Eigennamen nur auf Slo- wenisch angeführt, so dass der Leser nicht unbedingt weiß, um welches Komitat (županija) bzw. welche Wälder es sich handelt. Dem Zielleser war in diesem Kon - text wahrscheinlich nur das Exonym Blatno jezero (dt. Plattensee, ungar. Balaton) bekannt, bei allen anderen Namen bestand die Gefahr, dass man die Toponyme nicht mal auf der Landkarte finden konnte, worüber sich der slowenische Erzäh- ler Fran Erjavec (1834–1887) in einem Brief an seinen Kollegen Fran Levstik (1831–1887) beklagte (Žigon 1931: 494). Tabelle 3: Geographische Namen in Cigales Übersetzung. Kratek popis Cesarstva Avstrijanskega (Heufler 1861) 6 […] dva slapa, divji Lauffen in pa Traunfall (Trunski slap), katerih se ladije ogibljejo po izkopanih kanalih (S. 40). 7 jezero Labinsko (Almsee), jezero sv. Volfganga, jezero Celsko, Mesečno (Mondsee) in Atsko (Attersee) (S. 98). 8 […] starodavno škofje mesto Pečuh ali Pečuj (slovaški: Petikostely, magj. Pecs, nem. Fünfkirchen) (S. 302). 9 Vesprimska županija […] obsega severovzhodno okolico Blatnega jezera, velike hrastove, lipove in bukove gozde loga Bakonjskega in pa Šomljavske vinske gorice (S. 303). 14 Ferner weist die Cigale-Übersetzung auch noch weitere Charakteristika auf: Erstens orientierte sich der sehr wortgetreue – manchmal zulasten der Idioma- tik zu wortgetreue Cigale – stark am Ausgangstext und blieb dem Original treu, was sich vor allem in der Beibehaltung der Wortreihenfolge des Originaltextes widerspiegelt (Tabelle 4). Zweitens benutzte er des Öfteren unpersönliche Verb- formen, insbesondere Strukturen mit dem Pronomen »se« und Lösungen mit 14 Der Text auf Deutsch lautet: »Das Veszprimer Komitat […] umfasst die nordöstliche Umgebung des Plattensees, die großen Eichen., Linden- und Buchenforste des Bakonyer-Waldes, die Reben- hügel von Schomlau (Somlyo)« (Heufler 1861: 330). Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 176 Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 176 23. 11. 2020 07:19:55 23. 11. 2020 07:19:55 177 Matej Cigale (1819–1889) als Übersetzer von Schulbüchern der Verbform in der dritten Person, was bei den juristischen Texten erwünscht ist, jedoch im Slowenischen unnatürlich klingt, wenn es sich um geographische Schultexte handelt. Tabelle 4: Beibehaltung der deutschen Wortfolge in slowenischen Sätzen. Kurze Reichs- und […] (Heufler 1859) Kratek popis Cesarstva […] (Heufler 1861) 10 Es gibt im Kaiserthume eine einzige Gegend, wo die Vorposten der Nordslaven und Südslaven westwärts das deutsche, ostwärts das magyarische Hauptgebiet scheiden, und in welcher eine große Stadt liegt, deren Bevölkerung zwar deutsch ist, jedoch auch aus allen anderen Hauptstämmen, insbesondere auch aus dem Stamme der Italiener, zusammengesetzt ist (S. 37). V našem cesarstvu je en edini kraj, kjer bi djal sprednje straže severnih in južnih Slovanov pregrajajo glavno okolijo na zahod nemškega, na vzhod pa magjarskega naroda, in v kterem stoji mesto veliko, ljudstva res da po največem številu nemškega, pa vendar zloženega tudi iz vseh druzih glavnih plemen, zlasti tudi iz laškega (S. 37). Abschließend seien hier noch einige ungewöhnliche Lösungen erwähnt, die als Folge der noch nicht vorhandenen slowenischen Termini zu verstehen sind. So übersetze Cigale Säugetier als dojivka (Heufler 1861: 213), während Insekten zu preščenjenci (Heufler 1861: 32) wurden; allerdings führte Cigale bei den letzter- wähnten in Klammern auch die Übersetzung insekti (ibid.) an. Cigale versuchte auf der Grundlage des deutschen Begriffs (säugen; slow. sesati) einen neuen slowe- nischen Begriff zu bilden, der sich jedoch später nicht etablierte. Die Neubildung dojivka wurde nämlich nicht aus dem Verb sesati, sondern aus dem Verb dojiti (dt. stillen) abgeleitet. Der Unzulänglichkeit dieser Lösung musste sich Cigale bewusst gewesen sein, denn bereits in seiner Wissenschaftlichen Terminologie wurde die Neu- bildung dojivka durch den Begriff sesavci ersetzt, der sich daraufhin im Slowenischen auch etablierte. Ähnlich wird in der Cigale-Terminologie 1880 auch die Bezeich- nung preščenjenci für Insekten nicht mehr angeführt, sondern das slowenische Wort žuželka (auch »žužovka«) angegeben, das vom Naturwissenschaftler Fran Erjavec in seinen botanischen Arbeiten benutzt wurde, wie im Pleteršnik-Wörterbuch (Ple- teršnik 2014) angegeben. Cigale versuchte oft auch anhand der deutschen Wortbil- dungsverfahren neue slowenische Wörter zu kreieren. So suchte er nach möglichen slowenischen Zusammensetzungen, wie z. B. pustopoljina (pusto+polje = karg+Feld) für das Steppengebiet. Beim Begriff pustopoljina führte Cigale in Klammern aller- dings auch das Synonym stepa (dt. Steppe) (Heufler 1861: 33) an, das sich später allmählich auch durchsetzte. Es kann also konstatiert werden, dass manchmal der Wunsch nach neuen slowenischen Begriffen so groß war, dass man um jeden Preis versuchte, ein neues Wort zu erfinden, das aber im allgemeinen Gebrauch keine Verwendung fand, so dass es später durch ein neues ersetzt werden musste. Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 177 Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 177 23. 11. 2020 07:19:55 23. 11. 2020 07:19:55 178 tanja Žigon FAZIT Die Rolle der Übersetzer und die Bedeutung der Schulbuchübersetzungen im 19. Jahrhundert sollten nicht unterschätzt werden, sie trugen nämlich wesentlich zur Standardisierung und Entwicklung der slowenischen Fachsprache bei. Eine der wichtigen Persönlichkeiten, die im Terminologie-Bereich immense Arbeit geleistet haben, war Matej Cigale. Wie gezeigt, ist es bei einer translationswis- senschaftlichen Analyse von großer Bedeutung auch die historisch-politischen und biographischen Aspekte zu beachten, denn sie entscheiden oftmals über den Erfolg oder Misserfolg eines Lehrwerkes. Das hat sich auch bei der Überset- zung des Heufler’schen Schulbuches gezeigt: Erstens war im vorliegenden Bei- spiel das Schulbuch für den Erdkundeunterricht bereits bei seinem Erscheinen schon teilweise veraltet, da die italienischen Unabhängigkeitskriege allmählich die politische Landkarte verändert haben, und zweitens versteht sich von selbst, dass Cigales Übersetzung dem in der Ausgangssprache geltenden Normensys- tem unterworfen war: Cigale war, wie man aus seiner Bio- und Bibliographie weiß, ein etablierter Übersetzer präskriptiver juristischer Texte, weswegen auch seine Übersetzung des Schulbuches sehr ausgangstextorientiert ist. Es gibt keine Ergänzungen, Erläuterungen oder Auslassungen, die dem Zielleser an manchen Stellen das Verstehen erleichtern würden. Doch sollte der Geographieunterricht zum Ziel haben, den Gymnasiasten Kenntnisse über ihre nahe und ferne Umge- bung zu vermitteln. Cigale versuchte, seinem Zielpublikum wenigstens im Be- reich der geographischen Namen entgegenzukommen: Es werden häufig Endo- nyme verwendet, obwohl es einem schwerfällt, hinter diesem Versuch eine ein- heitliche Strategie zu erkennen. Es werden einerseits oftmals die ursprünglichen geographischen Namen erhalten, ohne in Klammern einen slowenischen Namen zu nennen, andererseits werden aber oft alle geographischen Namen ins Slowe- nische übertragen, ohne den eigentlichen Namen zu nennen, was oftmals die geographische Raumorientierung erschwert. Aus den terminologischen Lösun- gen, die im Schulbuch und später in der Wissenschaftlichen Terminologie (1880) aus der Feder von Matej Cigale vorkommen, ist ersichtlich, dass verschiedene Begriffe um die endgültige Etablierung im allgemeinen Sprachgebrauch mit- einander konkurrierten, wie zum Beispiel die aus dem Kroatischen, Serbischen, aber auch Tschechischen und Russischen abgeleiteten Wörter, die nach diversen deutschen Wortbildungsverfahren zusammengesetzten Neubildungen oder ein- fach ›exotische‹ Neologismen, die man sich ausdenken musste und die entwe- der bald wieder in Vergessenheit gerieten oder sich etablieren konnten. Tatsache ist, dass Cigale dank seiner jahrzehntelangen Bemühungen um die Schaffung einer slowenischen Fachsprache in verschiedenen Disziplinen (Rechtssprache, geographische Namenkunde, Naturwissenschaften) zu Recht als Begründer der Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 178 Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 178 23. 11. 2020 07:19:55 23. 11. 2020 07:19:55 179 Matej Cigale (1819–1889) als Übersetzer von Schulbüchern slowenischen Wissenschaftssprache gilt, auch wenn sich viele der von ihm er- dachten Neologismen nicht durchsetzen konnten. LITERATURVERZEICHNIS Archivquellen Alex, Historische Rechts- und Gesetzestexte: Verordnungsblatt für das Minis- terium für Cultus und Unterricht. Wien: Österreichische Nationalbibiothek 1876–1918. AS – Archiv der Republik Slowenien, AS 31, Namestništvo v Ljubljani [Statthal- terei in Laibach] 1850–1860, Fasz. 31/13, 14. AS – Archiv der Republik Slowenien, AS 33, Deželna vlada v Ljubljani [Landes- regierung in Laibach], 1865–1905, Fasz. 31/14. 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Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 180 Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 180 23. 11. 2020 07:19:55 23. 11. 2020 07:19:55 181 Matej Cigale (1819–1889) als Übersetzer von Schulbüchern Nuč, Aleksandra: Die slowenischen Übersetzungen des Reichsgesetzblattes der Habsburgermonarchie: Dimensionen der Translationskultur zwischen 1849 und 1918. In: Kujamäki, Pekka, Susanne Mandl und Michaela Wolf (Hg.): Historische Translationskulturen. Streifzüge durch Raum und Zeit. Tübingen: Narr 2020. 17–32. Pirjevec, Avgust: Klun, Vinko Fereri (1823–1875). Slovenska biografija. SAZU, ZRC SAZU, 2013: http://www.slovenska-biografija.si/oseba/sbi277396/#s - lovenski-biografski-leksikon [04.07.2020]. Pym, Anthony: Method in Translation History. Manchester: St. Jerome 1998. Pym, Anthony: Humanizing Translation History. Hermes – Journal of Language and Communication Studies 42, 2009, 23–48. Rumpler, Helmut und Marin Seger: Die Habsburgermonarchie 1848–1918: Soziale Strukturen. Bd. IX/2. 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Vendar se je Cigale izkazal tudi na drugih področjih: zaradi odlič- nega jezikovnega znanja so mu zaupali izdajo nemško-slovenskega slovarja (1860), zbral in izdal je slovensko-nemško znanstveno terminologijo (1880), bil je pomožni korektor pri c.-kr. založbi šolskih knjig, prav tako pa je tudi sam izdal nekaj šolskih knjig. V član - ku je predstavljen predvsem njegov prevod Heuflerjevega učbenika za pouk zemljepisa (1861), pri čemer je v ospredju vprašanje, kako je Cigaletov prevod sprejelo ciljno ob- činstvo, obravnavane so težave, s katerimi se je soočal med prevajanjem, predstavljene so strategije, ki jih je pri prevajanju uporabil, zanima pa nas tudi, kako se je uveljavila termi- nologija, ki jo je uvedel. Ključne besede: Matej Cigale, prevajanje, učbeniki, zemljepis, terminologija, 19. stoletje Matej Cigale (1819–1889) as schoolbook translator The jurist and linguist Matej Cigale (1819–1889) made his mark on Slovenian cultur - al history primarily as the editor of the Slovenian edition of the Official Law Gazette (Reichsgesetzblatt) and as the father of Slovenian legal terminology. However, Cigale also proved himself in other fields. Due to his excellent language knowledge, he was entrusted with the publication of the German-Slovenian dictionary (1860), he collected and published the Slovenian-German scientific terminology (1880), he was an assistant proofreader at the imperial-royal schoolbook publisher (k.k. Schulbücherverlag) and also published several schoolbooks himself. The article mainly deals with his translation of Heufler’s geography textbook (1861) by focusing on how Cigale’s translation was received by the target audience, on the problems he encountered during translation and on his translation strategies, as well as on how established the terminology he introduced has become. Key words: Matej Cigale, translation, textbooks, geography, terminology, 19th century Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 182 Acta_Neophilologica_2020_FINAL.indd 182 23. 11. 2020 07:19:55 23. 11. 2020 07:19:55