140158 Anastasius Grün's gesammelte Werke. Zweiter Band. Anastasius G rün' s gesammelte Merke öerausgegeben Luöwig August Frau kl. Zweiter Band. Berlin, G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung. 1877. 140158 Druck von B. G. Teubner in Leipzig. In der Veranda. Ille e§o gui guouäam — — 9er ich einst spazieren ging, Raste nun in grünen Lauben; In dem wechselvollen Ring Blieb mir Eines doch: mein Glauben! Glauben an die Sonnenkraft, Die im Atenschengeiste lodert; Glauben an den Lenz in Haft, Der sein Recht des Freien fodert; Glauben an das Oaterland, An das große, deutsche, Eine, Gb ans ein gerißnes Band Heute noch manch Auge weine. Dor mir liegt, wie sonst, das Feld, Doch kein Halm ist mehr der alte; Andre Saat ist ihm bestellt, Daß es andre Ernten halte. Anast. Grün's Werke II. I * Lier noch rauscht im Thal der Fluß, Noch derselb' und doch ein andrer, Der stets fliehn, stets bleiben muß, Jede lVell' ein fliicht'ger Wandrer! von Granit der Alpen Wand Dort am Thalsaum, wie seit Jahren; Doch wie oft ihr Laubgewand Tauschten die Unwandelbaren! Ueber mir in festem Fug Die gewölbte Himmelshalle; Sternenzug und Wolkenflug, wechseln all' und wandern alle! Ihr Gesetz übt die Natur Unerbittlich und gewaltsam; Durch mein Herz auch zieht die Spur Lw'gen Wandels unaufhaltsam. An dem Ast im Laubgewind' Ließ ich meine Harfe hängen; Dämm'rung wirds; der Abendwind Streift und weckt sie noch zu Klängen. Klang von Bechern, längst geleert, Fernen Donners harmlos Rollen, Klang der Zeit, die nimmer kehrt, Altes Lieben, altes Grollen. Wenn ihr Ton als Pfeil sich schwingt, Trifft er nimmer Ziel und Feinde; Wenn er mild wie Glocken klingt, Fehlt dem Rufe die Gemeinde. Dort und da vielleicht von fern Aommt ein Graukopf halbverdrossen; Einst, wie lauschten mir so gern Meines Morgenlieds Genossen! Nimmer hören sie den Ton, Das Gebraus der Lebenswogen; Haben Schlummerdecken schon Ueber Haupt und Brust gezogen. An den Dom zur Leidenszeit Mahnt in Wehmut mich dieß Wandern Wenn sie Aerzen lichtgereiht Eine löschen nach der andern. Flackernd tropft die letzte ab, Wie von Thränenfall befeuchtet; Ach, so löschte mir das Grab Die mein Leben einst umleuchtet.-- Doch sieh da, ein Lockenhaupt Naht zu lauschen meinen Saiten; Freundlich, wie ich kaum geglaubt, Nickt cs Beifall gar zu Zeiten. 4 Fühlt das Rind der neuen Zeit Heute noch, wie wir gesungen? Klingt der Alten Lust und Leid Tönend fort durch's Herz der Jungen? Jetzt entlockt des Frühlings Sohn Selbst den Saiten neue Lieder; Fremd nicht klingt's; bekannter Ton weckt den eignen Lenz mir wieder. Neue Fluth im alten Strom, Neue Saat auf altem Grunde, Neu Gestirn am Himmelsdom, Neues Grün dem Alpenrunde! Unauslöschbar quillt das Licht, Gb die Kerzen auch zerbrochen; Wort der Wahrheit modert nicht Gleich den Lippen, die's gesprochen. Der durchs Weltall bebt, der Hauch, Kluß die Aeolsharfen finden; In den siieh'nden Klängen auch Tönt unsterbliches Empfinden. wechsle was da ist und war, Lins blieb ewig ohne Wanken; Aufrecht steht noch mein Altar, Nur umblüht von andern Ranken. 5 Schon im Alten blüht das Neu, Und im Neu'n fortlcbt das Alte: Jung verbleibt ein löerz, das treu Jener Glut, die nie erkalte. Mas da strebt, blüht und gedeiht, Spiegle klar und treu mein Auge, Das die junge, neue Zeit Noll und freudig in sich sauge. " Dieses Bild, noch halt' ich's fest Mit den frischen Farben allen, Wenn die müde Wimper läßt Drüber ihren Vorhang fallen. Lied und Leben.. Läuterung. war, wo ist, wo wird sie sein, Die Stunde, wahrem Glück erlesen? Sie ist nicht und sie wird nicht sein, Denn sie ist immer nur gewesen! Wir mäkeln viel, bis sie entrinnt, Sie däucht uns schön, wenn wir sie missen, Und daß wir glücklich waren, wissen Wir erst, wenn wir es nimmer sind. Wo ist der Mann, wann wird er kommen, Den alle Tugendzierden adeln? Steht er dir nah, noch so vollkommen, Doch weißt du dieß und das zu tadeln; Erst wenn er schied und nimmer kehrt, Erglänzeri hell dir seine Gaben, Und eines Menschen ganzen Werth Zu kennen, müßt ihr ihn begraben. 10 Was lieb dir, wird dir lieber sein, Noch schmerzlich lieber durch die Ferne; Blick auf! wie schlingt sie glänzend rein Den goldnen Zauber um die Sterne! Sic webt die blaue Schleierluft Um des Gebirges schroffe Zinnen, Daß eingehüllt in weichen Duft Die Härten des Gesteins zerrinnen. Blick nieder, wo von ihrem Gruß Die Friedhofhügel wogend schwellen, Des dunkeln Stromes grüne Wellen, Der so viel Liebes scheiden muß! Sie spülen Makel weg und Fehle, — Und wie ein Schwan beim Wellenschcin, Jin Drüberflug ahnt deine Seele: Hier bad' ich einst den Fittig rein. Jin Schlitten. I. Äurch das Schneefeld schießt mein Schlitten Im Geschmeid des Tigerfells, Raschen Flugs vorüber glitten Burg und Weiler, Busch und Fels. Lenz in Blumen, kscrbst in Reben, Sommer du im Garbenkranz, Was ist eure Schönheit neben Einem Wintertag in Glanz! Wie versinkt die bunte Kleinheit vor so schlicht erhabner Pracht! Er vermählt das Weiß der Reinheit Rut deni vermclin der Wacht. Seine Lagerzelte glänzen, Die Gebirge, weit im Kreis; Bis an seines Reiches Grenzen Schimmert nur dieß stolze Weiß. 12 Wald und Strauch in Silberslocken, Welch ein Hofstaat reich und steif! Weiße Schleier auf den Locken Und im Haar des Puders Reif; Zarte Flöre, krause Spitzen Schmücken zierlich das Gewand, Spangen flimmern, Nadeln blitzen, Funkelnd sprüht der Diamant. wintersonn' in eis'ger Klarheit Streut aufs All ihr kaltes Licht, Rein wie eine goldne Wahrheit, Glänzend zwar, doch wärmend nicht. Sorglich hält die Feuerbolzen Noch im Köcher sie bewacht, Daß nicht allzuschnell geschmolzen Winters Herrlichkeit und Macht. Sein Gesetz ist Ruhn und Schweigen, Das er eisern strenge hält, Und kein Nogel pfeift in Zweigen Und kein Pflüger singt im Feld. In das Mühlrad, das noch rollte, Greift er mit kristallner Hand, Und den Bach, der murmeln wollte, Halt im Fall er festgebannt. — IZ — Durch die feierliche Runde Geht ein Hauch von Majestät, Der das Lied verbannt vom Mundo Und ihn weiht zum Festgebet. Nur der Grund im Schlittengleise Tönt von lieblich leisem Klang, Gleich als tönte unterin Eise Der verbannten Blumen Sang. Auch mein Rößlein läßt nicht schweigen Die Musik im Schelleukranz, Stolzer trägt'- sein Haupt zum Reigen, Zierlich wirft's den Fuß im Tanz. Und berauscht vom eignen Klingen Saiist's in Trunkenheit dahin, U)ie am Kastagnettenschwingen Sich entflammt die Tänzerin. Hier und dort wird von den Tönen Lin entschlummert Lcho wach; Schläfrig, mit gutmüth'gem Höhnen Murmelt's das Geläute nach. — Jage, muntres Rößlein, jage! Holst doch nicht mein Sinnen ein, Das enteilt in ferne Tage, Das entstehn in Südens Hain; 14 Ivo die Lüfte lauer wallen, Ivo die Sonne goldner glänzt, Ivo die göttcrreichcn fallen Frühling schon mit Blumen kränzt. II. ^a, es ist ein Jahr gerade! Eben um die Winterzeit Schritt ich an Sorrents Gestade, Ganz von Bliithen überschncit. Bliithen vom Grangengarten, Mo man eben Ernte hält, Wo die weiten Körbe warten, Daß die süße Last sie schwellt. Jedes Auge grüßt dich sehnlich, Schöner Baum, der, zwiefach reich, Einer jungen Mutter ähnlich, Trägt im Blühen Frucht zugleich! Muntre Nachbarkinder schnellen Duft'ge Früchte aus dem Laub, Und gleich jungen Sonnenbällen Fliegt und stürzt der goldne Raub. — IÜ — Wenn nach dir solch wildes Bonglein Neckend mit dem Goldball zielt, Diinkt's dich schier ein nacktes Englcin, Das mit den Gestirnen spielt. Untcrm dunkeln Schirm der Aeste Lagern, blumenhaft geschaart, kjolde jungfräuliche Gäste, wie Madonnen schön und zart. Sterngeformte Blütchen fallen von dem Baum in leisem Tanz, Daß die ULuptcr zu umwallen Scheint ein lichter Sternenkranz. Gder wehn die e'rsten Blüthen In den nahen Myrtenreif? Mög' ein Gott ihn mild behüten! Schnell nur blüht, was schnell auch reif. Rosen sind bei Lorberbüschen Aufgeglüht so früh im Jahr, Ungeduldig, sich zu mischen In ein dunkles Lockeuhaar. Alles blüht hier um die wette Lustberauscht im Sonnenschein; Selbst am Meeresbord die Städte Blühn, ein Blüthenkranz von Stein. 17 Ja, das Wölkchen weißen Rauches, Das am Feuerberg sich zeigt, Scheint nur Duft des Frühlingshaucher, Der dem Flammenkelch entsteigt. Segel schaukeln sich gleich Hellen Wasserlilien auf der See, Und die Fluth gießt im Zerschellen Aufs Gcstad nur Bliithenschnee. Wie verwehte Blumen fliegen Silbcrwolken durch die Luft, Und die Welt scheint sich zu wiegen Ganz in Licht und Glanz und Duft! Doch mein Sehnen und mein Sinnen Ist gar fern im Heimatland, Drüber jetzt sein weißes Linnen Rauher Winter hält gespannt; Wo im Lis die Schlitten gleiten Und die Schelle lustig klingt, Und der Stahlschuh in die Weiten Sich auf ehrnem Fittig schwingt; Wo im Schnee das Haus der Lieben Hegt ein Stübchen traulich still, wie ein Herz, das warm geblieben, Wenn es ringsum wintern will.- Anast, Grün's Werke II. 2 — i8 — Doch wo bin ich? Diese Flaume Lind kein Blütheuschnee von dort! Flocken vom Vraiigenbaume Schmelzen auf der Haiid nicht fort. Schüttle von der müden Schwinge Gisgestöber, Blütheuschnee! Sehnsucht geht im ew'gen Ringe, Im Genuß auch lauscht ihr Weh. Herbst. Du gehörst zu.meinem Leide Du gehörst zu meinem Glück. Dranmor. I. ^n meinen späten Tagen was treibst du, altes Herz? was will dein tolles Schlagen, Dein wonnevoller Schmerz? Der Maienthau, die Thränen, Die du ins Äug' mir drängst? was will dieß Frühlingssehnen, Da Herbst cs worden längst? verstummt sind alle Lieder, Die Wälder stehn entlaubt, Schneeflocken rieseln nieder Aufs Feld und auf mein Haupt. Gewölks schwer und bleiern Im kalten Luftrevier, Das Thal in Nebelschleiern, — Mein Herz, wie steht's in dir? 2» 2c> Die Sommerfäden wiegen Zerrissen sich im Raum; Mir ist als säh' ich fliegen von einst den eignen Traum. Die Schwalben mußten wandern Und all mein Hoffen auch, verblaßt ist mit dem andern Mein Grün im Windeshauch. II. !^atur in ihrer Trauer, Im welken und vergehn, Ließ mich mit heil'gem Schauer Ein holdes Räthse! sehn. vereinsamt noch am Strauche Nur eine Rose hing, Lin Spätling, dessen Hauche Lin duft'ger Zanberring. Sie trotzt dem rauhen Wetter Und hütet, lenzgeweiht, Im Rahmen weicher Blätter Die ganze Rosenzeit. 2 I vergessen cin der Hecke Noch eine Traube hing, Die in dem Blattverstecke Dem Keltertod entging. Im Frost noch birgt die Schale Voll Würz' und Süßigkeit Die Gluth vom Sommerstrahls, Das Gold der Sonnenzeit. Was ich da außen sehe, Wie ist's dem innen gleich! Mir wird davon so wehe, So wonnevoll zugleich. Mein Herz, du theilst die Loose Hast Nebel, Frost und Dorn, Hast deine letzte Rose Und deinen Feuerborn. Daß auch dein Lenz nicht fehle Erwacht mein Iugendlied, Auf dem die ganze Seele Zu ihr, zu ihr nur zieht. Begegnung. ^^erschlossen willst du's tragen, Du willst es nie ihr sagen, IVovon dein Herz so wund; Sie wird ja nie dein eigen, Drum hüte männlich Schweig«: Den Hort im Seelengrund. Doch da vernimmt dein Lauschen Leis ihres Kleides Rauschen, Den Schritt, dir wohlbekannt, Dieß leichtbeschwingte Schreiten, Wie Fee'n im Mondlicht gleiten, Bis selbst sie vor dir stand. Die Brust wird dir so enge, Der Athein stockt, es dränge Heraus kein Wörtchen klein; Mt Schauern, die beglücken, Mt Gluthen, die erquicken, Durchfiebert's dein Gebein. Es will das Anie sich beugen, von ihrem Werth zu zeugen, Au huldigen ihrer Macht; Die Arme möchten fliegen, Den Liebreiz zu umschmiegen, Doch hältst du streuge Macht. Mio deine Augen leuchten, Dainr wieder mild sich feuchten, Wie dir die Wange glüht! Das bserz muß hörbar schlagen; Wie sich die Pulse jagen, wie's durch die Adern sprüht! Lin Aufschrei aller Sinne verrcith die stille Minne, Gibt dein Geheimniß kund; Und reden solche Aeugen, Dann spricht mit seinem Schweigen viel lauter noch dein Mund. sl^opf und ^erz.' ^)hr Liner Mutter Sprossen, Gefährten Lines Seins, Desselben kseims Genossen, Li, werdet ihr nie Lins? Du Kopf, der von den Zinnen Die wacht und Umschau hält, Du lserz, dem traulich innen Lin Stiiblein warm bestellt? Ls spinnt im obern Raume Der Grübler und Prophet, Und unten singt im Traume Der Schwärmer und Poet. Dem unten wird's zu enge, Gern sprengt' er Deck' und wand, Lin Stern im Lichtgedränge 6ält seinen Blick gebannt. Er kann das Ang' nicht wenden von diesem Linen Stern, Er langte mit den Händen Zu sich den Hellen gern. Der oben sieht die Zeichen Und mahnt mit strengen: Sinn: „Was nie du kannst erreichen, Du Thor, laß fahren hin!" Der Spruch sei hoch zu loben, Das Biirschlein unten schwor, Sein Blick doch blieb erhoben Zum Sternlein nach wie vor. Das nimmt der pred'ger übel Und gießt herab im Groll Auf jenen einen Aübel Der derbsten Weisheit voll. Der unten scheut die Lauge Und duckt den Lockenschopf, Den Stern doch fest im Auge; Das Herz hat seinen Kopf. Der oben muß verzagen; Er theilt wohl gar den Schinerz? Utir ist, ich hör' ihn sagen: Der Kopf hat auch ein Herz. Magie. (e^s Hat cin Stern geleuchtet In kalte dunkle Nacht; Da sprühten Funken und Flammen, Die schlugen zur Lohe zusammen, Zum feurigsten Brand entfacht. Es ist ein bfauch geflogen Warm über verödetes Feld; Aufs Neu begann es zu lenzen, Aufblühte in Blumen und Uränzen, In Duft und Wonne die Welt. Es ist ein Ton erklungen, So innig, so rasch und bang; In Liedern begann es zu schwellen Von Nachtigallen und Quellen, Nie hört' ich so lieblichen Alang! Ein Rosenblatt ist gefallen In einen Alxensee; Sein Spiegel begann zu mallen, Die kochenden Wellen zu ballen Im Sturms so wild und jäh. 27 Dieß Alles hab' ich erfahren In meiner seligsten Stund', Als sich zwei rothe Lippen, Ach, nur zu flüchtigem Nippen, Gelegt an meinen Mund. Dahin! ^eit du dich von mir gewendet, Weiß ich erst, was du mir warst; All der holde Zauber endet, Und der Wunderring zerbarst. Als° des Hauses gute Stunde Aamst und gingst du ein und aus, Fröhlich Wort auf heitrem Munde Führtest du das Glück ins Haus. Wie der Lichtstrahl kamst du, Holde, Der nur leuchten, wärmen mag, Daß von seinem klaren Golde Heller noch der hellste Tag; Wie das Mondlicht kamst du, Süße, Das nur zu verklären strebt Und die lichten Silbergrüße Still in dunkle Stunden webt; — 29 — wie ein Lenzhauch, mit Entzücken Füllend Fluren und Gemiith, Der nicht prahlt: ich will beglücken! Der nur kommt — und Alles blüht! — kvas der Gotter Gunst verschwendet, Kenn' ich jetzt, des Glückes bar; Seit sie sich von mir gewendet, weiß ich erst, was sie mir war! Verloren! ^Ihres Herzens heil'ge Zelle, Ihres Blickes lichter Stern, Ihres Wortes muntre Welle, wir verloren, fremd und fern! wißt ihr, wie jetzt dem zu Muthe, Der vom Nordxoleis umfaßt, Linst doch unter Halmen ruhte Als des Tropenhimmels Gast? Aönnt ihr dessen Leid ermessen, Der jetzt lechzt im Wüstensand, Linst an «Duellen doch gesessen In dem grünsten Alpenland? Aonnt. ihr fühlen wie der Blinde, Den einst Gottes Welt entzückt, Wenn die mitternächt'ge Binde Jetzt sein lichtlos Aüge drückt? Mdcr wie der Töne Meister, Den einst Wohllaut nur umfloß, Als der tückisch'ste der Geister Ihm der Tonwclt Pforten schloß? Dann zu ahnen mögt ihr wähnen Des verwaisten Herzens Leid, Sein Erinnern, trostlos Sehnen, Seine Todeseinsamkeit. Schließt in Line eh'rne Klammer Allen Schmerz zusammen ein, Ls erreicht nicht seinen Jammer, Ls umfaßt nicht seine Pein. Weiße Rose. ^)u herrlichste aller, o weiße Ross, Du zarte und reine, du makellose, Die thaugeschmückt, im Schneegewand, Am Morgenstrahl zum Blühn erstand, Du bebst, weil ein kfauch dich schon entstellt, Dir im Berühren die Arone zerfällt; Es blüht ja so schön, so hold, so rein Nur eine, die heiligste Stunde im Sein. In solcher Stunde, die rasch entfloh, Mich däucht, sah ich dich schon irgendwo; Doch damals umfloß dein lieblich lhauxt, von grünen Myrthenreisern umlaubt, Ein Schleier von Spitzen aus Brabant; Das blendend weiße Atlasgewand Umschlang des Leibes magdlichen Bau, Auch sah ich etwas blinken wie Thau; Du knietest vor einem schmucken Altar, Den Segen sprach ein Mann im Talar, Es flammte von Aerzen und goldenen Ringen And über dir fächelten Seraxhschwingen. Die Stunde war's, die fo heilig und hehr Nur einmal kommt und dann nicht mehr, Ans Andern, wie dir, du makellose, Drum herrlichste aller, o weiße Rose. Knospen. -^onnenglanz und Rosenduft, Nachtigallgeschmetter! Doch verirrt in Frühlingsluft Flattern dürre Blätter. Haben an den Zweigen lieb Noch vom Herbst gehalten, Doch der jungen Unosxen Trieb Drängt vom Platz die alten. Junges Volk bei Tanz und Spiel Jauchzt in grünen Hagen, Doch ich seh' auch ihrer viel Trauerflore tragen. Denn wie hier in Frühlingsluft Melke Blätter stieben, Sah ihr eigner Lenz zur Gruft Melken theure Lieben. Anas!, Griin's Werke II. s -- Z4 — Knospen sind sie selber auch! Vhn' es selbst zu ahnen Drängen sie nach Knospenbrauch Welkes aus den Bahnen. Daß ihr eigner Lebensmai Vben sich entfalte, Daß er blüh' und klinge frei, Muß hinab das Alte! Und wie dürren Laubes dringt Mir durchs Mark ein Knistern, Zu der Seele Tiefen ringt Sein unheimlich Flüstern; Rings von Knospen weich und sacht Fühl' ich leises Drängen; „Lebewohl!" und „Raum gemacht!" Tönt's aus Lenzgesängen. Sonnenglanz und Rosenduft! Nachtigallgeschmetter! Und in solcher Frühlingsluft Irre dürre Blätter! Ja, mein Loos ist ihrem gleich, Da wir erdwärts sinken Während ringsum freudenreich Neue Lenze winken. — Z5 — Sei ihr Trost der meine auch: Daß im Niederwallen wir gewiegt vom Frühlingshauch Nur in Blüthen fallen! AeiLklänge. Ein Räthsel vom Ezarcn. 1842. Ein seltsam unerschöpflich Schahkästlein Besitzt der Lzar; man nennt es sonst Ural; Er saßt mit sichrer Hand und kluger Wahl Was Jeden lockt, aus dem granitnen Schrein: Platin' und Silber, Edelstein und Gold, Denn guten Diensten srommt auch guter Sold. Die Kette kann ein Kranz sein erzgegossen, Der Kranz ein Kettenring aus Blüthensprosscn; Der Ezar, indem er kränzt, weiß auch zu ketten, Und Kreuze, Münzen, Tuladosen retten Des Zaubrers Ehren und vor allen mächtig Der magische Vasenbau aus Malachit! Wie des Versuchers Worte gleißend tritt Des Nordens Kunstwerk kalt und glatt und prächtig Zum vielversuchten Kanzlergreis in Wien, In Ludwigs Schloß, zum. Schwager in Berlin, Zur anmuthreichen Brittenmajestät. — 40 — Wer wüßte mit so guter Wahl zu schenken? Dort xrunkt das malachitne Angedenken Lin Spiegel blank, drin euer Bild ihr seht; So mildes Grün so zähem Stoff vereint, Daß die Lrinn'rung selbst verkörpert scheint; Des Erzes Wucht zu schlanker Form beschwingt, Wie schweres Leid zu leichtem Hauch sie dringt; Der grüne Schmelz voll Adern, wie in Hellen Lrinn'rungsbildern dunkle Schattenstellen. — Daß von Bewunderung ihr ganz entstammt, Werft eure Blicke nach den Arbeitstätten, In Urals Schachte, draus das Kunstwerk stammt: Seht, Künstlerhänds schufen's, die in Ketten! Des Kaukasus, der Stepp' und Polens Söhne Begeistert Meister Lzar dort für das Schöne. Ls hat der Wind, der Lüfte freier Sohn, Der ungehemmt in Wäldern und Gehegen Sich Laub und Blumen pflückt zu Kranz und Kron' Und kindisch dann verstreut auf seinen Wegen, Ls hat der Wind in noch nicht fernen Tagen Lin Zeitungsblatt nach dein Ural verschlagen, Und der Gefangnen Liner hat's gefunden Und liest's den Brüdern vor in Mußestunden: „Vernehmt ein Beispiel von des Lzaren Güte! Ls lenkt ins Schloßxortal am Newastrand Lin Reisewagen mit dem Sechsgesxann; Heimführt der Lzarewitsch — den Gott behüte! — Die Braut, ein Fiirstenkind aus deutschem Land. Nun sie die Marmortreppen steigt hinan, Beschleicht ihr Herz Weh der Verlassenheit, Fremd Alles hier, die Heimat weit, so weit! 4i Erinn'rung hat das deutsche Blut beflogen Der Lieben in der Heimat rückgelassen Als durchs Spalier sie goldbetreßter Massen, Feinschlitz'ger Augen, stumpfer Nasen zogen. Beugt alle Rücken krumm die Last der Tressen? Treuherz'ger Mienen denkt sie ihrer Hessen, Ioli's des Hiindleins selbst! Hier rvär's zur Stunde Der treuste, doch nicht hüudischste der Hunde. Da naht der Lzar. Er führt, galayt wie immer, Die Schwiegertochter in ihr Wohngemach. wie ward ihr da! Das ist dasselbe Zimmer, Das sie im Elternhaus verlassen kaum! Da fehlt kein Möbelstück, kein Bild, kein Fach! Dieselbe Prachttapete schmückt den Raum, Dieselben Bilder zieren rings die Wände, Im Rahmen dort das Bildwerk ihrer Hände Halb fertig erst, gestört vom Hochzeittraum; Hier kunstgeschnitzt die Mahagonistelle, . Modernstem Götzendienst ein Hausaltar, Noch stehn die Götzlein in altgoth'scher Zelle, Die Rococofigürchen blank und niedlich, In Eintracht noch von Porzellan das Paar Lhines' und Gattin, nickend unermüdlich; Der Heimat Blumen dort in bunter Frische Entgegenduftend ihr vom Blumentischs, Des Lieblingsdichters Liederbuch daneben, Dort seine Büste in der grünen Nische von rankendem Robä'n und Epheureben, Ja Alles rings wie in der Heimat eben, Das Silberglöcklein auf dem Tisch sogar! „Gb hell sein Ulang geblieben?" frug der Ezar, Und prüfend schellt jetzt der Prinzessin Hand, Aufspringt die Thür, es stürzt herein die Schaar Der alten Diener aus dem Hessenland, 42 Dom Marschall, der ihr dient' an Vaters Hofe, Bis zu dem Musterbild der deutschen Zofe Joli bellt wedelnd durch die Menge dringend, vor Lust empor an seiner Herrin springend. Da hat ein süßes Weh ihr Herz bezwungen Und Thränen sprechen, wo gelähmt die Zungen." — Der Leser schwieg. Da sprach ein Gramgefährte: „Wie fand solch Zartgefühl und jene Härte, Die uns verdarb, in Einem Herzen Stätte? Mit Milde hat Lzar Nikolaj, ich wette, Auch in die Schellen unsres Arms gelegt Die Wunderkraft, die jenes Glöcklein trägt; Laßt einmal proben uns den Klang der Kette!" Sie rasseln mit den Ketten, — seltsam Läuten! Doch, traun, es wirkt! Aus dunkler Dämm'rung schreiten Hervor der Heimat Bilder wahr und licht, Bekannte Städte, Thaler, Ströme, Straßen, Manch süßer Blick, manch theur?s Angesicht, Dio Lieben all, die sie dort rllckgelassen! — — Trost der Gefangnen, milde Lzarensxende! Ihr Antlitz senken All' in ihre Hände, Es hat ein herbes Weh ihr Herz bezwungen Und Thränen sprechen, wo gelähmt die Zungen. Sine Jahresfeier. Am 29. November 1844. Man hat einmal, besonders in Deutschland, sür Polen geschwärmt.... Man sah das Unglück eines Volkes und vergab die Ursachen, die cS hcrbeigesührt. Neue freie Presse. durchbohrt von Nussensxeercn, Prcußenblci, Fiel einst Aosciuszko mit dem Schmerzensschrei Auf bleichem Mund: Huis Uolouiue! Sein hoffend Volk doch rief im herbsten Weh: Nein! Noch kann Polen nicht verloren sein! Nein! rief der hcur'ge Tag vor langen Jahren, Nein! jauchzten Polens junge Heldenschaaren, Aus tausend Feuerrohren sang es: Nein! Aufs Neu in Warschau rie.f's der Zwietracht Hyder Kanonen und Ukase hallten's wider Im Donnerchor: Viuis Uolouiae! 44 Nein! knirschten die versprengten Polenschaarcn, Nein! zürnten wir, vertraut mit ihrem Meh, Als unser Land sie sah ins Elend fahren. Paris, du Märchenwelt im Alltagsschimmer, Du nahmst sie auf, du wardst der Tempelhort, Dor flücht'ge Schätze birgt aus Süd und Nord, Aerrißne volksxaniere, Kronentrümmer; Du wardst'die Retterin aus Sturmessluthen, Die Arche, deren sichern Raum betreten Gestürzte Zwingherrn, neuer Zeit Propheten, Mie dort einst Lamm und Leu beisammen ruhten; G laß' bei dieses Tages Morgengrauen Das Pilgervolk im Festgewand mich schauen! Horch, von Saint Roch bekannte Glockentöne! Lin Todtenamt! In Trauerkleidern prangen Der Priester und verbannte Polensöhnc, Altar und Mand mit schwarzem Tuch umhangcn. G schöne Feier! Geisterhände legen Auf der Lebend'gen Häupter ihren Segen; Lin Brudergruß, ein Bundeskuß, entboten von den Gefallenen in Polens Schlachten Und von den Geistern der Lebendigtodten, Dio am Ural und in Sibirien schmachten! Doch nicht vollzählig dünkt mich die Gemeine, Der ragenden Gestalten fehlt manch eine. „Mer nicht mit uns, deß können wir cntrathen; Wir sind des Volkes Herz: die Moderaten!" — Und horch, den Seinestrom herüber gleitet Noch Glockenklang! Dem Ruf gehorsam schreitet Lin Polenzug, den Flor um Hut und Herzen; Bei Saint Germain glühn seine Trauerkerzen. 45 Will Glaubenszwist euch in zwei Kirchen spalten. Daß ihr nicht mögt zu euren Brüdern halten? „Was jene sa'n, das sind nicht unsre Saaten; Wir sind des Volkes Arm, die Demokraten!" — Und wieder horch! es ruft die Kathedrale Ihr Glockenwort! Karossen mit Lakaien Und Waxpenxrunk am gothischen Portale, Drin seine Herrn und Damen schön wie Feyen. Auch Polen hier in dieses Münsters Halle! Fand bei den Brüdern sich nicht Raum für Alle? „Wir wandeln nicht den Pfad, den jene traten, Wir sind des Volkes Haupt, Aristokraten!" — Weh, daß ihr dieses Zucken, dieses Beben Zerhau'ner Schlangenglieder nennt ein Leben! Daß nimmermehr die Gluth von Schmerz und Nöthen Solch herrliches Metall in Eins kann löthen! Drei Glocken eurer Andacht selbst, drei Hallen: L> Bild des Heimatlands dreifach zerfallen! Drei Fürsten theilten dieß, — ihr thut noch schlimmer: Ihr theilt und schlagt den Herrgott schier in Trümmer! Am Dom vorbei schwebt, nngeschn vom Trosse, Ein Reitersmann auf schwarzem Geisterrosse; Sah' ihn ein Polenaug', er wär' erkannt! Die Züge streng, altfränkisch sein Gewand, Der Blick voll Trauer, grau sein Lockenhaar; Die Falten eines Bauernmantels fließen Um blanke Waffen, die noch Blitze schießen. Auf seiner Faust sitzt Polens weißer Aar, Wie Königsfalken auf dem Iägcrarme, Gesenkten Hauptes doch, in tiefem Harme. 46 Kosciuszko ist's! — Jetzt bricht der Held das Schweigen Und schwingt die Hand und läßt den Vogel steigen: „G diese Freien werden dich nicht retten! Flieg' auf! und suche Retter, dis in Retten! Zieh' über Warschaus Thurms deinen Reigen, Frag' in der Krone Polen alten Ländern Die Fesselträger hinter Kerkorpforten Und die Gefangnen auch in seidnen Bändern, In goldnen Ketten und in Schmeichelworten! Ins Schreckenland von Lis dein Flügel wehe, Und in die Gruben, in die wüsten spahe! Und schmiedet dort in Lins dasselbe Lrz Uur Polenhände, nicht das Polenherz, Dann fahre wohl! Erfüllt ist alles Weh Des Schmerzenrufs: viuis Dolouiae!" Drei Walhalla-Nichtgsnossen. 1846. - Tann wird der Bahcrfürst seinen Wappenschild daran aushängen und Niemand wissen, was es zu bedeuten hat. Grimm, deutsche Sagen. E) deutscher Ruhm, wärst du die Glocke rein, Am Thurm der Eintracht hängend hoch im Frei'n, Glücksel'ge Hand, die diese Glocke rührt! G deutsche Kunst, wärst du die Muse frei, Dein schöner Leib entstellt nicht von Livrei, Von Banden deine Flügel nicht umschnürt! Die deutsche Kunst hat jüngst am deutschen Strom Dem deutschen Ruhm gebaut den griech'schen Dom, Walhalla! Große Todte hat gesellig Ein deutscher Fürst ins Haus am Stauf geladen, Deß Marmorsäulen jetzt im Uloudlicht baden Und sich im Strome spiegeln selbstgefällig; Kein Schmeichler ist der Strom, im Spiegel schimmert Der stolze Bau zerschwaukend und zertrümmert. — Wer deutsche Größen richtend wägt und mißt, Deß Herz sei groß und stark wie Deutschland ist, 48 Den Strahlenkranz des Ruhmes zu ertragen Auch jener. Größen, die ihm Wunden schlagen! ksa, Mitternacht! Fernher verhallen träge Vom Thurm der alten Stadt zwölf Glockenschläge. In langem Zug gespenstig, feierlich Empor die breiten Temxelstufen schreiten Des Fürsten Gäste, Trachten aller Zeiten; Die Einen strecken, Andre bücken sich, Daß Kleinheit dreist zur Größe sich bequeme, Daß höhrer Wuchs die Niedern nicht beschäme. Der Zug ist eingetreten in die fallen Und rasselnd sind die Pforten zugefallcn. vorm Thor drei Männer blieben, ausgeschlossen: Wer rief sie her, wenn sie nicht Ruhmgenossen? Der Erste ist ein Mönch, aufrecht von Gang, Breitschultrig, kerngesund, von ehrnen Knochen, Ein Recks, der zum Mummenschanz gekrochen Ins Klostcrkleid; er trägt es wohl nicht lang. Erstarkt zum Waffenspiel schwingt seine ksand Die Bibel wie ein Schwert, hält sie umfahn Wie ein Panier, auf dessen Fahnenband Sein Spruch: „Das Wort sie sollen lassen stahn!" Mit seinem Buche schlägt er an die Pforten Und läßt vernehmen sich in solchen Worten: „Die schlimmsten Ketten, die mein Volk getragen, Wahnglaubens Ketten hab ich stolz zerschlagen, Dreiköpf'gen lhöllendrachen kühn zertreten., Der sich in dreifach Kronenband vermummt, ' Dem deutschen Wort, dem Seraph gramverstummt, Löst' ich die Zung' und lehrt' ihn singen, beten Und reden treu die Sprache der Propheten. 49 Nur halbes Ernten gab der reiche Lame, Zerspalten hat mein Volk der Streit um Garben, Der Riß ging durch mein Herz, noch trägt's die Narben! Thut auf! Martinu? Luther ist mein Name!" Der Zweite ist ein Fürst im Kroncnglanz, Durch seine Adern rollt gemischtes Blut, Die Zähheit Habsburgs und französ'sche Gluth, Das große Herz jedoch blieb deutsch und ganz. Mit seinem Zepter klopft er an die Pforten Und läßt vernehmen sich in solchen Worten: „Was jener Mönch begann, wollt' ich vollenden Und selbst beginnen, was er noch nicht ahnte; Manch Wundmal noch an alte Ketten mahnte, Ich wollt' es heilen mit barmherz'gen Händen. Wie Christ hab' ich vom Kreuze meiner Throne Gepredigt Duldung, daß die Spaltung weiche; Geweckt die Todten, des Gedankens Leiche, Und ihn bestellt zum Hüter meiner Krone Und ihn zum Herold deutschen Ruhms berufen: Den Pflug, den ält'sten Siegeswagen, lenkte Befreit, bekränzt, ich durch des Landmanns Hufen, Drauf gern ein volles Segensmeer ich senkte. G klein und schwach Gefäß, durch das ich's leite, B kurzes Leben, ich erfuhr's mit Schmerzen! Thut auf! Ich bin genannt Joseph der Zweite, Der Erste doch in meines Volkes Herzen!" Ein Bauer ist der Dritte, derb und feist, Gutmüth'gen Mund von schwarzem Bart umkreist, Die Büchse auf sein Lodenwamms geladen; Säh man ihn so vor sich, man glaubte dreist Sein Werth und größt' Verdienst lieg' in den Waden. Anast. Grün's Werke II. 4 Zv Doch trägt ein Banner er, ich kenn' es wohl, Das ist der Felsenadler von Tyrol. Mit seinem Aolben klopft er an die Pforten Und läßt vernehmen sich in solchen Worten: „Sah ich nicht dort die Rütlimänner gehn? Ich that wie sie, bei ihnen will ich stehn! Ich bin kein bessrer Mann als alle Andern, Doch Liner muß für alle Brüder wandern; So wird ein schlichter Stein Schlußstein der Halle, Lin einfach Blatt zum Wipfel über alle. Kein Linzler komm' ich, nein, ein Heldentausend Lin Heer von Männern, angeschwollen brausend, Das rettend in sein Felsenschloß getragen Den deutschen Ruhm in schmachvoll düstern Tagen, Und leuchtend ihn bewahrt in Ungewittern, Als Deutschlands Vdem nur ein knechtisch Zittern. Hat unser Rohr manch' Deutschen hingebrannt, Was trug der Schelm französisch Anechtgewand! wie hier ich steh', stand ich auf Mantuas walle Und bot dem Blei die Brust, Liner sür Alle. Thut auf! Es pocht Tyrol, das Heldenland, Statt Aller Liner nur, der Wirth vom Sand!" Unfern ragt ein Gerüst von seltnem Bau, Lin Richtmaß scheint's, Rekrutenwuchs zu proben; Der Pfahl trägt Landesfarbcn weiß und blau Und Aufschrift gothisch auf der Tafel oben: „Allhier Walhallagrößen seiend Messung, Doch bojuvar'schen Maßstabs Nichtvergessung!" Ls winkt ein Mann, gutdeutsch genannt Gensdarm, Den Drei'n, zu treten an des Maßstabs Arm. Der Grdensmann will, ein bescheidner Weiser, Den Vortritt gönnen gern dem großen Kaiser; 5i „Rcclesia prueceäit!" spricht galant Der Fürst, ihm freundlich winkend an den Stand. Ans Maß tritt Luther; ha, es wankt dem Schritt, Doch eine Stimme ruft: „Au groß, zu groß!" Die Pforte fest in Riege! ruht und Schloß. Da kehrt der Mönch gen Nord mit festem Schritt: „Lebt wohl! Gen Mittenberg zur Grabeszellc, Für die ich klein genug, will heim ich kehren, Und meditiren in Gedankenhelle, Und beten heiß für meines Volkes Ehren." Ans Maß Iosexhus jetzt, der Kaiser, tritt, Doch eine Stimme ruft: „Au fein, zu klein!" Da lenkt der Kaiser ostwärts seinen Schritt: „Für Völkergröße, traun, macht' ich mich klein. Lebt wohl! Au Wien, in meines Volkes Mitten Die Klostergruft will ich mit Heimweh grüßen, Und wieder ruhn zu meiner Mutter Füßen, Lauschend, wie sie mir jetzt im Bild abbittcn." Dem Maß beugt Hofer nun sein starr Genick, Doch eine Stimme ruft: „Au dick, zu dick!" Da kehrt der Sandwirth um auf Südens Wegen: „Schier etwas dick war's, doch nicht dick genug, Die Feind' und Gleißner alle wegzufegen! Dick aufgetragne Farben: Felsenflug Und Pulvernebel, Hiebe, Kugelregen! Ado! Aufs Neu bezieh' ich heimatfroh Klein alt lpuartier: „Derzeit unwissend wo." 4 Dis Vorigen, — weniger Linen. -849. „Hic stehe ich, ich kann nicht anders. Gott Helse mir, Amen." M. Luther in WormS. Es war im krausen Jahr vierzig und acht Das jenes Riesenfcuer angefacht, Draus sich der Phönix Deutschland schwingen sollte; Doch wie die Lohe stieg, die Windsbraut grollte, Dio Läuterung, sie wollte noch nicht kommen, Drob manches Herz, auch meines, tief beklommen. Lin Riesensturm, — der Straßenstaub nur hasche? Lin Weltenbrand, — und all sein Rest nur Asche? — So vor mich sinnend mar ich eingetretcn Jin Dom der Helden, Weisen und Poeten. Der Marmorboden glänzte blank und Helle, Lin glattes Spiegelmeer, das zu befahren Lin stattlich Schiffsgeschwader an der Schwelle vor Anker lag für die profanen Scharen; Pantoffel, Filzschuh, Wollgalloschcn schienen Fregati' und Slup hier, Brigg und Brigantinen; Der deutschen Flotte mocht' ich hoffend denken, — Jetzt müßt' in Wehmut ich das Auge senken. — 5Z Mein Boot bestieg auch ich, wie's anbefohlcn, Behutsam steuert ich dahin und grüßte Bekannte Häupter rings auf den Konsolen; vertraut schien mir zu nicken manche Büste, Befeuernd, tröstend floß aus Marmormunde Noch manch unsterblich Wort, manch heil'ge Runde. Da plötzlich hielt das Auge mir gefangen Lin Bildniß, nicht erhofft in dieser Runde, Lin Antlitz, drauf der Mönch und Rrieger rangen, Proxhetenstirne bei des Schalkes Wangen. Ich rief in Lust: „willkommen, Gottwillkommcn! Ei, Doktor Martin, Fröhlichster der Frommen, Als ich hierher vor Jahren kam im Wandern Da irrtet Ihr noch vor dem Thor mit Andern, Doch wann? und wie? und welche der Walküren Hat cs gewagt, Luch in dieß Haus zu führen?" Da strich's um die olymp'sche Lutherstirne wie heitres Lächeln und wie milde Trauer, Gleichwie im Wechselspiel am Alpenstrne Bald Sonnenblicke ziehn, bald Regenschauer; Und also ließ vernehmen sich die Stimme: „Ls war zur Zeit, als schon in schwächerm Grimme Der Winter rang mit ersten Frühlingrlüften, Da hört' ich donnernd über unfern Grüften Durch Deutschland bin ein Hochgewitter rollen, Gesang und Schwertgeklirr, Gejauchz' und Grollen: Des Rothbarts Stunde, dacht' ich, sei gekommen; von Heimatdrang fühlt' ich mein Herz entglommen. Da schritt ich zu walhalla's Hciligthume, Am Bild von deutscher Größe, deutschem Ruhme Dis bange Seele wieder aufzurichten. Mein stolzes Hoffen ließ sich schwer vernichten, 54 Denn ich ersah im Heimatland der Lichen Schon hier und dort erblühn manch tröstlich Zeichen; Auch wo ich schritt, im schönen Bayerlande, Gesprengt der Dunkelmänner heil'ge Bande, Die herrschend hier nur ultra Montes spähte, Bis sie ein Montezhauch vom Sessel wehte. Lin tanzend Weiblein hat mit seinen Sohlen vom Aönigsdach gefegt die Airchthurmsdohten; — Nicht immer war ein blanker Seraphdegen Dio Bahn des Herrn zu säubern auserlesen, Bisweilen muß, Unsaubres wegzufegen, Ihm dienen auch ein minder edler Besen. — — So stand ich jede Nacht vor der Walhalle Erwartend, daß der Held hernieder walle. Umsonst, umsonst! — Lieh, dort von dem Gestells Hohnlächelt noch der bärt'ge Altgeselle, — Lr kam nicht! — Doch indes ich stand zu lauschen. Urplötzlich mir zur Seite ging ein Rauschen, Lin stotternd Anistern weicher Seidenbändcr, Die süße Zugluft bausch'ger Frau'ngewänder, In Rhythmus regten sich beschwingte Socken, An meine Wange streiften üpp'ge Locken, Mr war's, als ob mich Moschusduft umwehe von Bdalisken- oder Schlangennähe, Ich war berauscht und doch zu Tod erschrocken! Zwei Feueraugen, schwarz und glüh wie Aohlen, Fühlt' ich ins Äug' mir brennen und zugleich Die Hand erfaßt von einer Hand so weich, So rund, daß ich sie drücken mußt' verstohlen! In Andalusiens Lauten hört' ich'- girren So süß und traut, selbst Marmelstein zu kirren; Das zog so lind, doch kräftig wie Magnet, Lin Säulenheil'ger, wer da widersteht! Mir war so wohl und doch nicht recht geheuer. 55 Mich lockt' und schreckt' das holde Abenteuer, Noch zagt' ich, denken mußt' ich an Frau Käthe; Doch einer Reitergerte drohend Pfeifen, Lin Ruck, der fast mein Armgelenk verdrehte, Ließ mich die fremden Klänge schnell begreifen: Der Tanzwalkiire folgend summt' ich heiter Mein Lied: „wer nicht liebt wein, Weib" und so weiter. An ihrer Kand schritt ich die finstern Stege, Auf ihrem Fittig bin ich mitgeflogen, Bei Nacht und Nebel bin ich eingezogen Gedenkend: Dunkel sind des Herren Wege! Hie steh ich! Aber kommen einst die Andern, Dann spart mit Kränzen nicht und Fahnenschwingen; Bei Mörserdonner und bei Glockenkiingen Laßt sie herein im Licht des Tages wandern!" Eine Hcxengeschichte. 1847. , wanne swaz geoffinbaret sal werden in der scle, daz ossinbaret sich in bilden. Hermann von Fritzlar. )ch lieb's, im Bücherstaub aus alten Tagen Den Räthseln jüngster Tage nachzufragcn. Bunt ziehn durchs Aeitgewebe Thatcnfäden, Doch wer elitwirrt Beginn und End' für jeden? Das Bäumlein, das der Ahn mit Sorgfalt zog Streut in den Schooß erst Enkeln Blüth' und Frucht; Im Staube lag der Kiesel, dessen Wucht Ans Riesenhaupt aus kjirtenschlender flog; Schon hängt der Stern am kjimmel unbeachtet, Der Andern einst erhellt, was uns umnachtet; Und schwarz vermummt durch unsre Fastnacht schreitet Ein alt verhängniß, dem die Larv' entgleitet. Au Düren war's. vorm kfexenvogte stand Ein Mägdlein, einst des Gottcsgartens Preis; Doch knickt die Kette schnell solch junges Reis Und Blüthen ranken schlecht an Kerkerwand. 57 „Bekenne!" mahnt aufs Neu des Vogts Geheiß, „Es kam durch Satansbund, durch Zaubertrug, Daß, wann Eisblumen rings an allen Scheiben, Lebcnd'ge Rosen dir am Fenster treiben; Daß kfagelsturm des Nachbars Kohl zerschlug, Indeß dein Gärtlein süße Früchte trug." Antwortet drauf die Maid in tiefem Weh: „Wenn Unschuld Schuld bekennt, dann wird sie Schuld! Der Bann, der frühe Blumen lockt aus Schnee, Liebvolle Pfleg' ist's, kferzensungeduld Und Sehnsucht nach des Lenzes süßer kfuld. Doch ist's der Nußgunst Brauch, der Ghninacht Miihn, Die eigne Fäulniß sehn in fremdem Blühn; Das blankste Thun, das reinste Saatenkorn Sic mcint's gedüngt nur von unreinem Born; Das Reine mag ihr Auge schmerzend stören, Drum wird's verhängt mit eignen trüben Floren. Du aber, ineinst den Kerrn so schwach und träge, Daß er die Zügel mächt'ger Wolkcnrosse, Den Donnerkeil, des kfagelstnrms Geschosse In eines Mägdleins schwache Kunde lege? Selbst lästert, der mich will des Lästerns zeihn!" Da winkt der Vogt. Die Schergen treten ein; Von rohen Fäusten wird das zarte Weib Gepackt und hingeschleppt zur blut'gen Kammer, Denn ums Geständniß wirbt beim sllnd'gen Leib Mit neuer Tual sinnreich der „kfexenhammer", Wie Buben wild zerpflücken Blumensterne Zu spähen tiefer nach dem innen; Kerne. Gin Rasseln, dann ein Schrei, der Todte weckt! Aufschwebt ihr Leib, bis er in Lüften hängt, Den Arm in Ketten himmelwärts gezwängt, Den Fuß von mächt'gem Steingewicht gestreckt. 58 Den Vogt selbst graut; er flieht und eilt zum Wein: „Wenn sie bekennt, ruft wieder mich herein!" Stumm in der Schenke unter lauten Gästen Nippt er den süßen Born vom Allerbesten. Er schenkt den Becher voll; des Weines Welle Fließt nieder schöngeringelt, goldighelle, Als ob die Goldfluth blonder Locken walle, Und mahnt ihn an die Maid in blut'ger Halle; Dann als er nach des Weines Blume spürt, Zur Nase kennerhaft den Römer sührt, Das süße Duften weckt ein Fcühlingsahnen, Der Maid und ihrer Blumen will's ihn mahnen. Und milder wird sein Herz. In raschen Sätzen Zur Folterkammer springt er, sie zu retten, von fern schon rufend: „Löst Gewicht und Ketten!" — Au spät! Der Tod war milder. G Entsetzen: Den heil'gen Thon hat Menschenfaust zerschlagen Den Gott geformt in liebsten Künstlsrtagen! Den Vogt packt Wahnsinn. Toben ist sein Trauern, Zum Greis ergraut er hinter Gittsrmauern. Nun wäre schier zu Ende die Geschichte, Sah ich nicht zentnerschwer die Steingewichtc An dir, du edle Maid, Germania, hängen Und Kettenlast auch deine Arme zwängen; Bein: Weine sitzen deins vögt' indessen Wohl ihres Amts und deines Leids vergessen, Jedoch begannen sie, wie jener endet, von Aberwitz und irrem Sinn geblendet. - -59 - Mit jener Maid theilst du vergehn und Schuld: Nach früherm Lenzbeginn die Ungeduld, Die Furcht um alten sdatriarchenkohl! Lin andrer Ausgang wird dir Starken wohl, Dein Arm ist Stahl und du wirst nicht erliegen, Wirst schleudern Steingewicht' und Aetten weit; Ihr Vögte, löst die Bande, da es Zeit, Doch eilt, o eilt, bevor die Steine fliegen! Vorboten. März 1848. Sinne denn selbst, 0 König, auf Rath und hör' ihn von andern, Nicht wird dir verwerflich das Wort sein, welches ich rede. Ilias I. kühler Grotte sitzt Merlin und lebt ein selig Lauschen, Gr horcht dem Buell, den Wäldern ab ihr siißgeheimstes Rauschen; Jetzt bebt er ans: ein grauses Wort vertraut die Erd' ihm leise, Die Vöglein zwitschern's ängstlich sort, aufflatternd irr im Ureise. Der Blumen Wange färbt es bleich, die tief ins Herz erschrocken, Der Wolf schleicht zitternd aus der Lchluft, die Duellen wimmernd stocken; Da stürzt Merlin zum Aönigssaal verstört, ein finstres Bildniß, hoffähig machte die Gefahr sein rauhes Aleid der wildniß. — 6i — Er schleudert in den Wonnebann der Flöten und der Geigen Das rasche Wort: „Entflieh' wer kann!" — Das löst und sprengt den Reigen; Die Gäste flohn, jetzt bebt der Grund, mit Krachen stürzt die Kalle; Gft redet auch der treuste Mund mit rauh unsiißem Schalle. So fliegt, aus grüner Siedelei zur Kaiscrburg zu klimmen, Das waldesfrohe Lied herbei, gewarnt von leisen Stimmen, Und spricht! „Die Zeichen trügen nicht, vor Abend wird's gewittern, Bewahre, Kerr, dein Kans und dich, wenn Säul'und Balken zittern!" Dom Söller überblickt der Fürst sein kfeer in grünen Reisern, Der Kampflegionen Donnergang, die Männer schön und eisern, Der Glieder festgeschlossnen Keil zu ehrnem Guß gequollen, Wie die Ideen der neuen Zeit, die sie besiegen sollen. Ein schönes kseer, ein starkes Keer, Geschwader an Geschwadern! Es beben dem Karthaunenzug verweichlicht rings die Vuadern; Stahlblank und schillernd ringelt sich die erzgeschuppte Schlange Dom Dniester bis zum fernen Po ruckwcis' in festem Gange. Gleich schwarzen Schwänen zieht im Strom der Schiffe dunkle Kette, Wie sträubendes Gefieder starrt der Bord voll Bajonette, Der LhorderSchlacht schwebt auf der Fluth in vollem Stimmcnklangc; Die Schwäne singen! Manches Bhr lauscht eignem Grabge^angc. Dort braust im Eisengleis' heran der Wall von Waffenschaaren, Jetzt tobt's dahin, jetzt dröhnt's vorbei, ist meilenweit entfahren; Das war ein guter Stoß des Aars, ein prächtig Flügelrühren, Des Adlers Kralle scheint gesund und weiß das Schwert zu führen. — k>2 — Doch ist auch so gesund das bserz, der Lenker seiner Flüge? Noch trägt es treu dein Wappenschild und deine Namenszüge, Doch frage, bserr, uns Wann für Wann der großen volksgemeinde: Aiehn alle kserzen mit dem Heer? Steht manches nicht beim Feinde? G frag' dein kseer! Der Fahne folgt manch zweifelnd bserz mit Leide, Treu blieb die Eisenhand allein, die dir geschworen Lide; verkrüppeln muß des Ruhmes Baum, besprengt von Biirgerblute, Den schwertgewohnten wannesarm entnervt die Schergenruthe. bserr, du bist schwach in deiner Kraft, wehrlos in deinen Waffen! — Dort steht ein Greis, den will sein Geist in ferne Zeit entraffen, Lr sah ein kseer einst, das gesprengt, feldflllchtig und geschlagen Doch stärker blieb als dieses ist in seines Glanzes Tagen. Im Jahr des Unglücks wars und Ruhms! Dein Vater stand am Fenster vorüber zog es bleich und stumm, zähnknirschende Gespenster, Gedämpften Trommelschlags, das ksanxt gebeugt, in dllstern Rotten Barfuß, in Fetzen des Gewands, der Krone Sansciilotten. Ach, ohne Fahnen kehrten sie, zu denen sie geschworen, Die fern zum Invalidendom sich irren Flugs verloren; Tieftraurig Volk und Kriegerschaar und wer cs nur sah wallen, In seiner Burg der Kaiser war der traurigste von allen. Doch groß und stark war Volk und lseer, wie Lines ehrnen Gußes, Lins durch das Elend, Lines auch im Lodern des Lntschlußes! Das Volksherz schlug in Kaiscrsbrust, des Kaisers bscrz im Volke, Elektrisch an den Schwertern brach gelöst die Donnerwolke. - 6z - 5o sprich auch du das rechte Wort, das alle Stämme biiudet, Das längst auf allen Lippen bebt, dir alle Herzen zündet; Gedörn umrankt Josephs Panier, das deinem großen Ahne Im Tod entsank, doch Gesterreichs Schutzgeist bewacht die Fahne. Erfaß', o Herr, umschling' den Schaft mit neuen frischen Bändern, Schreib auf das Banner: „Geist ist Kraft!" Schwing's über allen Ländern! In Eins zum Volke schmilzt dein Heer im Schmuck der grünen Reiser, Dann bist, wie nie und nimmermehr, du unser starker Kaiser! II. (D Ferdinand, dem's fast gelang durch Milde zu versöhnen Mit deines Namens düstrem Klang, vererbt den Habsbnrgsöbnen Wie einer grausen Ahnenthat noch ungesühnte Kunde, Wie des zerrißnen Vaterlands sortblutend offne Wunde. §o übergroß ist deine Huld, so fremd dem heut'gen Tage, Als kläng' aus alter Marchcnzeit die rührend zarte Sage; Im Aauberstrahl der Dichterwelt begegn' ich deinem Bilde, In einem Land, in einer Zeit, die wie dein Herz so milde. Dort thronst du im Proveneerthal, genannt Rens der Gute, Dem lieblich wie ein Rebenkranz sein Reich zu Füßen ruhte, Da schmiegt sich auch so rebengleich dein Volk zu deinem Throne Dnd gießt sein goldnes Traubenblnt zum Goldc deiner Krone. 64 Gesetze blüh» als Blumenschrift und klingen als Gesänge, von Milch und König fließt die Trift, von wein und Gel die Känge, Das Meer spült perlen an den Strand, der Berg treibt Silberblüthe, Als ob dein kferz nur rings im Land fortklänge, sproßte, glühte! Dein Zepter ist ein grüner Zweig, dran weiße Lilien wallen, Dein Königsmantel blüthcnweiß wie Schnee, der frisch gefallen; Der Römer warb im weißen Kleid um Stimmensieg beim Wählen, Du Kandidat auf goldnem Thron wirbst um die Kuld der Seelen. Wohl sinnen Andre auf dem Thron, die Völker zu erdrücken, Dein Kaupt doch sinnt erfindungsreich, die bferzeu zu beglücken; So wird die Muße dir zum Ruhm, Festspiele deine Kriege, And deine Güte kfeldenthum, Wohlthaten deine Siege. Weil alle Wirklichkeit zu arm für deinen Drang zu helfen, verliehen deinem Königsarm Keilkräfte milde Elfen; Ein offner Kelch ward deine bfand, drein güt'ge Feen gießen Die Wellen Golds, die dann vom Rand verschwendrisch überfließen. Es taumelt der Geschichte Strom berauscht durch deine Grenze Und lallt nur deine Lieder nach und trägt nur deine Kränze; Wallfahrer schickt dir Nord und Süd, die Leidenden und Kranken, Bis dir, vom Geben, Segnen inüd', erschöpft die Arme sanken. Einst schreiben sie auf deinen Stein und schreiben schön eintönig Die Grabschrift auch den tferzen ein: „kfier ruht der gute König." — So hat dich fromm ein Dichterherz entrückt in Vorwelträume, Daß es dich Besten deines Stammes den Glücklichsten auch träume. — 6Z — Umsonst! umsonst! Lin Wehschrei tönt empor aus deinem Volke, Rasch auf den Grund der Gegenwart senkt dich die goldne Wolke; Da spritzt ein Tropfen Bluts auf dich vom fernen Wcichselstrande, Der zu gemeinem Königsroth dir färbt die Schneegewandc. Und deinen Thron nicht mehr umstehn lichtfrohc Feen und Elfen, Lin leidend Volk nur blieb zu stehn: an dir ist's, Herr, zu Helsen! Zufriedner ist's als andre nicht, geduld'ger nur und treuer, Doch in den Herzen knirscht sein Zorn und tobt sein strafend Feuer. Leg' auf sein Haupt die Königshand, heilkräftig noch zur Stunde, Senk' an sein Herz dein lauschend Bhr, da pocht dir solche Kunde: //Ich knirsch' im Zorn ob deines Reichs unrühmlichem verfallen, Das ragen könnte hoch und stark, der Stolz und Preis von allen! Ich knirsche, weil der Väter Blut, die Wetter der Geschichte Ich jetzt an deinen Räthen seh' verloren und zunichte; Für Größres wahrlich galt der Kampf als für die eine Sippe, Als für ein alternd Kaiserhaupt und für Limburga's Lippe. Hut ab, und sei's ein Königshut! vor diesem Volk, dem edeln, Das nie das Lieben, doch verlernt das Schmeicheln hat und Wedeln, And das sein kostbar Blut nur schätzt nach wahrem Preis und Werthe, Wenn's vom vergcßnen Zahler jetzt voraus den Sold begehrte. Ich knirsche, weil den Frieden selbst sie zum vamppr erzogen, Der, wie ein Alp auf unsrer Brust, ihr Alark und Blut entsagen; D^eil statt des eignen Panzergolds Maid Austria zum Reigen Die Urim-Thumim umgeschnallt, geborgt Hebräereigen; Anast. Grän's Merke II. 5 66 Weil allzugern den Landesaar zum Rapphahn sie verschnitten, weil sie das böse Mausern sind, dran seine Schwing' entglitten; G des Popanzes, der ein Spott den Vögeln ward und Schnittern, Und nur herbei die Raben lockt, die werdend Aas schon wittern! Ich knirsche, weil sie — oder Schmach! — den Laurer vordenThiiren, Den Moskowiter, nun ins Haus als Gast und Helfer führen; Die Hand, die Lebensurnen wahrt, schlägt sie auch leicht zu Scherbett, Litt Volk schafft sein Geschick sich selbst, sonst ist's nur reifzum Sterben! Ich knirsche, weil sie hinter Schloß und Wand des Richtens pflegen, Wie Münzer, die im Nachtverlisß mit falschen Stempeln prägen; Mit Retten droht ihr Strafgericht des Waiscnguts Vergeudern, In goldnen Retten prunken stolz, die völkergnt verschleudern. Ich knirsche, weil den Weg zu dir sie deinem Volk vertraten, Daß Wort allein — o lausch' ihm nur! — dir helfen mag und rathen! Denn Rettung bringt's, die jene nie ergriibelt und erschriebcn, Weil's längst schon weiser ward als sie und ehrlicher geblieben. Sie lassen eines Todten Hand das Schwert und Zepter führen, Drum ist nur Moderstaub im Land, Verwesungshauch zu spüren; So thaten sie in kurzer Frist was Rrieg und Pest und Sterben Und Türk' und Rorse nicht vermocht: dein Destreich zu verderben." — D könnt' an Fürstcnmilde noch ein Völkerherz gesunden, Genesen wäre schon dein Volk und längst vernarbt die Wunden, Seit du den Ahnenthron bestiegst in lieblichem Geleite: Die Gnade rechts, verzeihen links an schöner Herzensseits. — 67 Doch Gnad' ist wilden Ehbunds Kind; um seiner Mutter wegen, Diewillkür heißt und häßlich blind, bringtauch dasKindnichtSegen. Ein freigeboren stolz Geschlecht besieg' der Zeit Gebreste: Dos offne Wort, das gleiche Recht, die That, die rasche, feste! Drum schaare, Herr, um deinen Thron, in deiner Fürstenhalle In schöner Gliedrung deines Volks Vertreter alle, alle; Dann weht im Baldachin ob dir ein Säuseln und ein Mahnen, Als steh' die heil'ge Linds hier, wo einst getagt die Ahnen. III. §urMövs ward mein Lied und kommt mit schrillem Ruf geflogen, Ihr Fittig streift unstäten Flugs die noch empörten Wogen, Durchs Zucken ihres Flatterns geht ein tiefer Zug von Treue, Dem sturmbedrohten Schiffe folgt sie nimmermüd' aufs Neue. Es war ein schönes starkes Schiff; jetzt wankt es durch die Klippen, Unheimlich ächzt und bänglich stöhnt's durch Takelwerk und Rippen, Der stolze Namen „Austria" steht golden am Altane, Die Wimpel prasseln windgepeitscht, wirr flaggt die Kaiscrfahne. Doch prunkt's mit welken Kränzen noch, die Bord und Maste krönen; I5Y Auf eine weiche weiße bfand, wie viele Dagegen zählst du mit der harten Schwiele! Wohlleben zehrt, Wahlreden ehrt, Wohlwollen währt, Wohlthun nährt. Des Daseins Kelch kredenzt bald süß, bald herb den Trank, Der herbe heilt oft Den, der von dem süßen trank. Sturmwinds Wirbel fegt die Straßen, Staub und Kehricht mag er fassen, Vuadern muß er liegen lassen. Auf stillem Teich wird leicht dich tragen Den einzlen Mann, der schmale Kahn; Doch durch den stürm'schen Gzean Mußt du nach mächt'germ Fahrzeug fragen Und mit Genossen dich vertragen. Kein Füllhorn, das von allen Schätzen regnet, Ist reicher als die Mutterhand, die segnet. — i6o — Die Blume, ob vergänglich selbst, erzähle Vom Unvergänglichen im Herzensgründe; Sie bring', ob sprachlos selbst, die treuste Runde vom Unaussprechlichen in einer Seele. Sei im Wünschen nicht zu karg, Wünsche sind der Weg zum Siege; Des Genügens üxp'ge Wiege Ist der Thatkraft früher Sarg. Zog Liner je durchs Alxenland, Der dort nicht seine Rose fand? Runst üben kann nur der Lrkor'ne, Kunst lieben jeder Lrdgebor'ne. In jeder kNenschenbrust klingt heimlich ein Gedicht, Doch wo's am schönsten klingt, erfährt die Welt wohl nicht. Poesie, wo ist sie? und wo nicht? Wenn sich Perl' und Demant sonnt im Licht, Denke, wie viel ihresgleichen ruht Ungehoben noch in Schacht und Fluth. Götterruhm ist das Gelingen, Ukenschenwerth das treue Ringen. — ibi — Vb Alltags- oder Festgewand Die Liebe sich erwähle, Tie bleibe niemals unerkannt Dem Auge deiner Seele. Dem Kelch dein Leben gleichen soll, Nie inhaltsleer, nie übervoll; Kredenz' und trink' nur reiuen Wein, Nie fall' ein herber Tropfen drein. „Das Staatsschiff" — wie bezeichnend trifft Das Bild hier den Gedanken! Daß wir seit Langem cingeschifft, Man fiihlt's am steten Schwanken. Ein Pfennig, in den Vpferstock gerückt, Wird lauten Klangs dein Loblied singen; Ein Goldstück, in die Bettlerhand gedrückt, Wird nur beglücken, doch nicht klingen. Maienwonne, Maienblüthe, Auf den Fluren, im Gemiithe, Ach, so bald, so schnell vorbei! Doch auch das ist Maiengabe, Ging der eigne Lenz zu Grabe, Freudig segnen fremden Mai. n Anast. Grün'r Werke II. I 62 Wer den Göttern dankt für reichste Gabe, Laß' im Schoß doch nimmer ruhn die Hände, Daß er einst an seines Tagwerks Ende Auch sich selbst etwas zu danken habe. Was du dankst der milden Göttergunst, Drückt dein Haupt zu Boden nieder; Mas du dankst der eignen Müh' und Kunst Hebt es zu den Göttern wieder. In der Welt fährst du am besten, Sprichst du stolz mit stolzen Gästen, Mit bescheidenen bescheiden, Aber wahr und klar mit beiden. Jung gefallen wollen, wer wird's schelten? Alt gefallen können, mehr wird's gelten; Daß dir Beifall jetzt und einst nicht fehle, Das Arcanum such' in deiner Seele. Glücklich heißt wer sorgenfrei, Glücklicher doch, mein ich, sei Wer voll Sorgen, wenn's die rechten: Sorgen, Andrer Leid zu mindern, Sorgen, Unrecht zu verhindern, Fremdem Werth den Kranz zu flechten; Sorgen, in den schwersten Tagen Fremde Sorgen selbst zu tragen. — i6z — In Einklang Kopf und Kerz und Mund, Klar, warm und wahr ein cin'ger Kranz, Das ist der rechte Tugendbund, Das ist die heiligste Allianz. Seelen gibt es, die an Sterne mahnen, Unbemerkt auf sonn'gen Alltagsbahnen; Dämmerung und Finsterniß erst sagen Euch, wie viel des Lichts sie in sich tragen- Sei inild im Tadel, karg im Lobe, Das Schauen lerne nicht von Blinden; Auch in des Meisen Garderobe Wirst du ein Schellenkäpxchen finden, Und im versteck der Narrentaschen Ein Goldstück echter Weisheit Haschen. Durch den Irrweg führt sein gutes Glück Manchen auf die wahre Bahn zurück; Doch den Irrweg drum zum Führer wählen, kseißt erst recht den rechten Weg verfehlen. Wer groß sich dünkt, sucht kleine Geister, Aus niedrem Areis sich selbst zu heben; Wer klein sich fühlt, wählt große Meister, An sie geschmiegt empor zu streben. ii * 164 viel tausend Euellen zählt die Rrankheit und noch mehr, Genesung sucht und trifft die eine, rechte schwer. wer Andern geben will, muß selbst empfangen haben; Von Gotteshuld empfing wohlthätigkeit die Gaben, Gott gibt den (Juel!, der Mensch den Becher nur zum Laben. Mldthätigkeit, du bist ganz wie des Sämanns Hand: wie oft aus wenig Rorn dis vollste Saat erstand! Dein Haus gleicht einem Buch, der Linband ist die wand; Gb schlicht von Pappe blos, ob Sammt und Goldschnittrand, Nur dichte du hinein den Inhalt voll Verstand. Rönne wollen, Wolle können! Götter zollen, Menschen gönnen Dann dem wollen Auch das Rönnen. ' Zieht in die Welt ein weiser Mann hinaus, Allüberall seine Schätze streut er aus, And kehrt doch reicher, als er ging, nach Haus. — i6z — „Was ist für Keller, Haus und Herd Dein Kranz, was Kunst und Ruhm mir werth, Die ick nicht messen kann und wägen!" Frau Agnes keift; doch Dürer spricht: ,,Den Lorbeer, Freundin, sollst du nicht Auf deine KUchenwage legen, Nicht mit der Myrthe Stuben fegen." Am Demant brichst du Feil' und Messer, Nimm etwas Staub, das hilft dir besser, Doch Staub des Demants muß es sein! Des Geistes Ecken wegzustreifen, Des Geistes Lichter blank zu schleifen, Durch Seinesgleichen glllckt's allein. Ein unklug Wort entschlüpft, wie aufs jdapier ein Kleck, Du wischest dran und reibst, nur breiter wird der Fleck; Daun schabst du und radirst, nur schlimmer wird cs noch, Du hast den alten Kleck, dazu das neue Loch. Weh dir, wenn Menschen zu verachten Du nur gelernt im Selbstbetrachten! willst du Treue, so vertrau'! Dem verrath kein Riegel wehrt; Die du hüten mußt, die Frau, Ist des Hütens nicht mehr werth. i66 Bei der Arbeit magst du singen, Das verleiht der Arbeit Schwingen; Singen doch nie Arbeit sei, Sohlen trägt sie dann von Blei. versöhnen, Streit und bsader schlichten, Wie schön! Doch gleiche du mit Nichten Dem Weizenkorn; das sah mit Leide Zwei Mnhlensteino, die sich rieben; Da sprang's als Mittler zwischen beide: Sie treiben fort, wie stets sie trieben, Das Korn doch ist zu Staub zerrieben. Man schreibt auf manchen Stein: „Er Hatto keinen Feind!" Als Lobspruch ist's gemeint, Doch schließt's viel Schlimmes ein: Es klänge just so gut: Ihm fehlte kserz und Blut, Er ließ wie Kies sich treten, Er ließ wie Thon sich kneten, Sein Äug' war blind dem Lichte, Sein Mund war stumm für Wichte. G raubt mir nicht am Grabe Noch meine beste ksabe: Die Feinde, deren Aorn Mein Schmuck, mein Stolz, mein Sporn; von jenem Worte rein Laßt meinen Stein. Aus Kram Nachruf an Dreschern. 1849. Läo vö Wer kann Erhellen die Nacht, die den Beist umspann? Wer jag' Den Geier vom Herzen, datz er'S nicht nag' Bom Morgen zum Abend, vom Abend zum Tag! würz'ger Luft, auf blumenbuntem Grunde Ragt eine Linde neben einer Eiche, Die Zweige sanft verschränkt zum grünen Bunde, Als ob ein Freund dem Freund die ksände reiche; Bb hier das Blatt gezackt sei, dort sich's runde, Des Laubs und Schattens Farbe bleibt die gleiche! Uns Nachbarkinder, spielend auf den Matten, Umwölbt des grünen Doms vereinter Schatten, 170 Da ward kredenzt Gluthwein vom letzten Jahre, Der Keltersegen schwüler Sonnenbrände, Und als ob Feuer in die Adern fahre In Kampflust flogen an das Schwert die Hände; Den Reigen lost das Volk, auf daß sich's schaare Zur Lindo hier, sich dort zur Eiche wende; „Hie Slave!" — „hie Germane!" scholl es grimmig Und Zornesworte brausten tausendstimmig. Noch schwoll der Zwist; da strich ein flüsternd Klagen Dahin durchs Säuseln der Slovenenlinde, Ein Zittern ging, als macht' ein Herz ihr schlagen, vom Stamm zum Mixfel ihr, vom Mark zur Rinde; Von Männern ward ein Leichnam hergetragen, Sie lehnten an den Stamm sein Haupt gelinde, Ein Dichterhaupt! Dem Volke starb sein Seher; Erschüttert trat ich von der Eiche näher. Er war mein Lehrer einst! Ans dumpfen Hallen Entführt' er mich zu Tiburs Musenfeste, Zum Munderstrand, wo Maro's Helden wallen, Zur Laube, wo der Tejer Trauben preßte, Zum Rax Sigeums, dran die Mögen prallen Wie Waffenlosen, bis zu Priam's Veste; Sein Geisterschiff trug keine Flagg' am Ständer, Nicht blau-roth-weiß', nicht schwarz-roth^goldne Bänder. Mir sahn der Griechenfreiheit Todesbette, wir sahn im Blachfeld Rom und Hellas ringen, Den Sieger dann, .sich schmückend mit der Kette, Um des Besiegten Haupt den Lorbeer schlingen, Den Kriegspfeil sinken vor des Marmors Glätte, Vom Lauch der mildern Sitte morsch die Klingen! Im Glast zerbrochner Römerschwerter gleiten Mir Spiegelbilder spätrer Kämxferzeiten, Auf dieses Todten Nerz, — das nie gewittert, Geleuchtet nur, — leg' ich die lhände gerne; Die Weltenseele quillt, vom Markt zersplittert, Ins Dichterherz zu ruhigem klaren Korne; Das Licht, das rings verirrt in Funken zittert, Im Dichterherzen sammelt sich's zum Sterne; Wenn lsaß zum Streit hinaus das Volk getrieben, Vergräbt's, wie Gold, ins Dichterherz sein Lieben. Was dieses Leichenmundes heitrer Friede Sein Volk gemahnt, der Tod kann's nimmer schwächen: „Die Zunge löst' ich dir mit meinem Liede^ Wie Christ den Stummgeboruen lehrte sprechen; Ich war der Schmied, der dir die Pflugschar schmiede, Der Sprache langverödet Feld zu brechen; Und willst du froh ans Erntefest schon denken, Noch manches Korn mußt du zur Furche senken. Der goldne Eimer geht im völkerriuge von löand zu Land, aus deutscher dir zu thauen; Du zückst das Schwert, daß deinen Dank es bringe, Die kiand, doch nicht die Wohlthat, kann's zerhauen! Der ksauch der Zeiten fährt in Faust und Klinge, Wenn Lanpt und lserz den Eingang ihm verbauen; (I) thöricht eitles Miihn, des Geistes Blitze Ablenkeu wollen in die Degenspitze! 172 Das Weltgestirn entsteigt atlant'scher Melle Glanzvoll, unhemmbar deinem Widerstreben: Der Mest ward Gft! Liebst du die Morgenhelle, Gen Mest, zum Aufgang, mußt dein Haupt du heben; Willst du den reinen Born, schöpf an der (Duelle, Der Rheingott keltert nicht blos ird'sche Reben; Behagt dir nicht die kunstreich goldne Schale! So trink' aus holzgeschnitztem Feldxokale! — Ls geht vom Hunnenkampf ein altes Sagen; So rast der Grimm, daß, die im Feld gefallen, Als Schatten noch fortkämpsen, lustgetragen, Die Geisterfaust noch in den Wolken ballen! Lin milder' Aamxfrecht gilt in mildern Tagen: Das Licht vereint die Streiter und es mallen versöhnte Geister durch die Feuerwolke, Im Stern des Ruhms vorleuchtend allem Volke." In Veldes. i. Ausblick. Au grünendes Thal, du kristallener See, Du liebliches Eiland mit blinkendem Kirchlein, Ihr trotzigen Felsen, ihr lauschigen Forste, Die ihr mir Äug' und Sinne umstrickt, ü) löst mir das Räthsel und nennt mir das Wunder, Womit ihr das kserz auch in Wonnen berauscht, Den Geist auch in fesselnden Zauber mir bannt? Dort ragt er empor hoch über den Seinen Triglav, der uralte, das heilige Dreihauxt, Nit weithin leuchtender Zackenkrone, Der Erste, der Morgens den Purpur trägt, Der Letzte, der Abends ihn fallen läßt. Der Urahn eines Geschlechts von Giganten, vom Silberbart die athletische Brust, von eisigen Locken die Schultern umwallt, Die Stirne getaucht in sonnige Glorie, Doch auch umslort von ziehenden Wolken, Wie von den Schatten tiefernster Gedanken. 174 Und wie zum festlichen Raths versammelt, Umstehn den Altvater die Hünengestalten von Söhnen und Enkeln und Enkelkindern, Die Bergs und Hügel, in faltigen Mänteln Der Wälder mit blumengesticktem Saum; Darunter schon Greise mit Schnee auf den Häuptern, Doch Knochen von Marmor und Mark von Erz. Am Seestrand wacht ein Illng'rer der Sippe, Der Fels mit der Burg, ein Krieger in Waffen, Zum Hüter bestellt dem geheiligten Becken; In glattem Panzer, in steinerner Rüstung, Das Haiipt mit dem Ritterschloß behelmt, So ragt er steil und starr und senkrecht; Und um die Brust ihm flüstern und schauern Die Todeslüfte des schwindelnden Abgrunds. Das Eiland doch mit dem schimmernden Kirchlein Inmitten des blinkenden, flimmernden See's, Das jüngste wohl ist's der Enkelkinder. Es breiten die Wellen sich ihm zum Texxich Wie blinkendes Linnen, wie flimmernde Seide, Drauf kniet das Kindlein, die Hände gefaltet Zu stillem Gebete in gläubiger Andacht; Dann wieder erhebt es ein Singen und Klingen Mit reiner silberner Glockenstimme. Am Ufer liegen die Stätten der Menschen Zerstreut wie sein fallen gelassenes Spielzeug, Wie farbiger Tand nürnbergischen Schnitzwcrks von Häusern und Hütten und zierlichen Villen. -75 V Thal der Zauber, voll Größe, voll Anmut, Erhaben, wie in den Wolken der Donn'rcr, Liebreizend, wie dis erblühende Jungfrau; Das Nenschenherz hat wiedergefunden In dir sich selbst, sein Streben, sein Lieben; Denn weil es zu Aleinerm sich nicdergebeugt, Und weil es zu Höherm empor sich schwingt, Belebt es das All mit dem eigenen Sein. Hier unter des Landmanns ärmlichem Strohdach, Aus dem ich hinaus in die Landschaft blicke, Hier lebt cs und webt es, den Herzen näher, Das heilige Band, mit welchem umschlungen Mein Geist die gigantische, steinerne Sippe. Hier sitzen in traulicher Tafelrunde Der Ahn, die Söhne und Enkel versammelt, Da fehlt auch nimmer der jüngere Urieger; Hier kniet auch das betende Enkelkind, Andächtig die kleinen Hände gefaltet, Und spielt und klingelt und singt dazwischen Und nennt mir das Wunder und löst mir das Räthscl. 176 2. Liebfrauenkirche. Tönend fließt ün Lee die Welle, Kähne schaukeln in den Rieden, Auf der Insel die Kapelle Blinkt aus grünem Waldesfrieden. Ihre Glockenrufe gleiten Zitternd über Wellenkreise, Ringen tönend in die weiten, Sterben dann verhallend leis§, Daß die Schwalben, die da fliegen, In Musik die Schwingen baden, In Musik sich lieblich wiegen Schifflein auf den Wellenpfaden. Bald wie Sehnsucht, bald wie Klagen Kommt der Glockenton gezogen, Jetzt ein schüchtern stockend Fragen, Jetzt der Hoffnung voll'res wogen. Wundersames, eignes Klingen, Als ob Fühlen im Metalle! Um zu Herzen so zu dringen, Pocht ein Herz wohl in dem Schalle. 177 Nicht des Glöckners Hände führen Taktgerecht die Glockenstränge; Gläubig an das Seil zu rühren, Drängt sich hier die Pilgermenge. Denn die Sage kündet's Allen: Wem vergönnt, dieß Seil zu schwingen, Was er bei der Glocke Hallen wünschen mag, es soll gelingen! Ruhlos tönt das Glöcklein immer, Tönt zu allen Tageszeiten; Denn die wünsche schlummern nimmer, Pilgern ruhlos in die Weiten. Gb die Klänge voller schwellen, Gb im wind sie leis vergehen, Immer über diesen Wellen Schwebt des Geistes mächtig Wehen. Und du fühlst, vom Hauch getroffen, Durch die eigne Brust die Fluthcn All der Andern Leid und Hoffen, Fremde Schauer, fremde Gluthcn; Fühlst, was Herzen kann bedrängen, Was sie sporne, was sie quäle; Denn es tönt in jenen Klängen Durch das All die Nkenschenseele. Anast. Grün's Werke II. I 2 — 178 — z. Glockenruf. Es keimt ein Saatkorn künft'ger Thaten In jedem Wunsch; — drum wünsche nur! Doch streu' auf deine Lebensflur Nur gutes Korn und reine Saaten. So will auch ich die Glocke wiegen, Daß weit ihr Aufschrei widcrhallt, Und daß, so lang ihr Ton mir schallt, Zum Himmel meine Wünsche fliegen: „Aus der Betäubung dumpfer Traume, Mein Heimatland, mein Volk, wach' auf! Sieh deiner Nachbarn Siegeslauf! G Schmach, wer da im Wettkampf säume! Den wüsten Schlaf reib' aus den Augen, Die noch umflort, obschon es Tag; Blick' in den Glanz! — Lichtscheue mag Dem Glm in deinen Grotten taugen. Bist scharfen Blicks, geweckten Geistes, Bist klug, wie schon dein Dichter sang; Der Schlaftrunk doch wirkt stark und lang Den man im Aelch kredenzt, du weißt es! 179 von Berg zu Berg das Feuerzeichen Rief einst zur Wacht in Tiirkennoth, Der Sklaverei, die dir gedroht, Zu wehren mit des Schwertes Streichen. Doch Greise jetzt und Nengebor'ne Umschnürt ein andres Sklavenband: Kaftan und Kutte sind verwandt, Sowie Beschnitt'ne und Geschor'ne. Von Haupt zu Haupt des Lichtes Zeichen, Das auch die neuen Türken bannt, Laß flammen jetzt durchs weite Land Und diese Flaminen nie erbleichen! Das Licht, entquollen einst in Strahlen Dem Lämpchen jenes Bergmannssohns, Es flog vom Schacht zu Höhn des Throns Und leuchtet' einst auch diesen Thalen. Gesalbte Schergen doch zertraten Mit xluinxem Fuß den Funkenrest; Die Finsterniß begann ihr Fest Und Geistesnacht reift ihre Saaten. Sie heimsen ein; welch lustig Treiben! Hei, wie der Peterspfennig springt! Doch wo des Tetzels Büchse klingt Wird auch nicht fern der Luther bleiben. 12* — i8o — vom öden Karst, von eis'gen Tauern Umschlossen ist dein Wunderland; Die Berge sind nicht Kerkerwand, In Einsamkeit dich einzumauern. Doch Zinnen sind's und die erklimme! Halt Umschau! Sieh, wie dir die Welt Den Lisenarm entgegenhält, Dir zuruft mit des Blitzes Stimme. Tritt in des Weltmarkts offne Hallen, Du siehst, was Ukenschenkunst ersann, Was dir das Sein verschönern kann, Hörst aller Völker Sprachen schallen. Aus allen tönt wie Lines Ulundcs Die Losung, die auch dich erfaßt; Du bist nicht mehr ein fremder Gast, Lin treuer doch des Völkerbundes. Wach' auf, wach' auf! vom Leibe raffe Die Lappen finstrer Dienstbarkeit! Für hohe Ziele kämpft die Zeit, Umgürt' auch dich mit ihrer Waffe! Sei wie dein Strom, der in die Klüfte Des Höhlendunkels jäh verschwand, Den Weg zum Licht doch wieder fand, Und funkelnd grüßt die sonn'gen Lüfte." i8i Das war mein Wünschen, während dessen Der Glocke Klang die Luft durchschnitt, Bis miid' mein Arm vom Seile glitt,- — Nein eigen Selbst halt' ich vergessen. Doch ohne Klage will ich tragen Das Leid, das meine Brust verschließt, Wenn Glück und Ruhm dieß Land umfließt Und drüber hell're Sterne tagen. 4. Seebild. -9urch die Wellen steuert ein Schwan so einsam, Kell und blank, wie die schimmernde Wasserlilie, Wie im Azur die ziehende Silberwolke, Blume der Erde zugleich und Bote des Himmels. Don Balkonen herab und Blüthenterassen Streuen ihm weiße Hände nährende Brodsaat. Feierlich schwebt er heran, fast ohne Regung, State Bewegung doch in seliger Ruhe, Gleich dem rückenden Zeiger auf dem Uhrblatt, Gleich dem reisenden Ulondesnachen im Aether. Wie du feierlich stolz, 0 Schwan, dahinzishst, In dem flimmernden See ein einsamer Segler, Unter dir die glänzenden Spiegelbilder Blühender Ufer, goldener Himmelswölbung, Mächtiger Berge, die Natur rings thürmte, l82 Freundlicher Statten, die der Mensch hier geschaffen, wird des See's kristallener blanker Spiegel Mir zum Spiegel der Zeiten und Geschicke, Wirst du selbst mir ein hehr und mahnend Sinnbild. Wenn dir Sturm den schneeigen Flaum emporsträubt, weithin flattert sein schwarzer Wolkenmantel Und die Wellen wie drohende Fäuste sich ballen Sieh, dann liegt der Spiegel zerschlagen, in Splittern, All die glänzenden Bilder sind zerstoben Und versunken in die chaotische Brandung. Doch auch wenn in sonniger Ruhe lautlos Ueber dir tiefblau der Aether sich breitet, Seines Lebens wollusthauchender Athem Leise, leise, wie Blumenduft, den See streift, Der so glatt und blank, wie metallgegossen, Daß er sich sanft zu regen beginnt und zu kräuseln; Da auch über den Spiegel wallt ein Zittern, Wellengeriesel und glitzernde Flimmerlichter Reißen tanzende Furchen in seine Flächen, Und die Risse durchzieh» der Bilder Aonturen, Daß ihr Band sich löst in Stücke zerfallend, Daß der Berge Säulen querüber gespalten, Wie geborsten die Gletscher, durchjagt die Wälder, Wie geknickt und zerpflückt die Blumen des Ufers. Auf den Höhen die Burg, im Thal die Hütte, Neben dem Römerstein der schimmernde Airchthurm, Altes und Neues, sowie die Menschlein dazwischen, Alles zerschwankend, zerbröckelnd und zerfließend! Aber feierlich über den Bildertriimmern, Ueber dem Schwankenden ziehst du, einsamer Lootse, Deine Bahnen dahin, in beseligter Ruhe, Blank und rein, wie die schimmernde Wasserlilie. Leuchtend, wie im Azur die Silberwolke, Blume der Erde zugleich und Bote des Himmels. Also nagen und rütteln an allem Dasein Selbst die sonnigsten Stunden, wie spielende Wellen; Durch den lauschenden Weltraum knistert und rieselt Still und stät ein Verwittern und verfallen, Körnlein Sandes im Stundenglase verrinnend. Aber das Dulden und Wünschen, Ringer: und Hoffen Hingesunkner Jahrhundert' und Menschengeschlechter Lebt noch fort und fort in geläuterter Klarheit. Ueber dem Wellenspiel der fliehenden Stunde, Ueber den Völkertrümmern und Aeitenschutte, Ueber den Urnen aschegewordener Herzen Zieht der Wahrheit ewiger Lichtgedanke Unaufhaltsam die Bahn in beseligter Ruhe, An der Weltenuhr der weisende Zeiger, In der Lrdennacht die strahlende Leuchte, Hell und rein, wie du, sein liebliches Sinnbild. Unheimliche Gäste. ch)as war der Dechant van Haselbach, Der gastfrei' und ehrenfeste, Er segnet beim Vpfer Brod und Wein, Doch trinkt und ißt er nicht gern allein, Und denkt schon der kommenden Gaste. Da steht mit dem Aännlein der Ministrant Und flüstert ins Ghr ihm leise: „Sie kommen nicht! Denn der Line jagt, Der Andr' erwartet die neue Magd, Der Dritte rüstet zur Reise." Dem Alten entglitt der Meßkelch fast, Des heiligen Vrts vergessen: „Der Dachs im Bau nur schmaust allein, Da lad' ich mir lieber drei Teufel ein!" Im Schmerze schwört er's vermessen. Doch kaum gesprochen bereut er's schon; Im Pfarrhaus sitzt er jetzt betend, Da klappert im Hofe Pferdegetrab, Drei seltsame Junker springen ab, Flink in die Hausflur tretend. i8z Er seufzt: „Aha, da sind sie schon!" Doch artiglich grüßen die andern: „Wir hörten vom gastlichen geistlichen Herrn Und lüden auch uns zu Tische gern Ulit Hunger und Durst vom Wanderin" Er nickt sein Ja, schlägt still sein Kreuz Und weiß sich schnell zu fassen; Doch reicht er den Gästen nicht die Hand, In ihrem Handschuh glimmt ja ein Brand, Drum wagt er nicht ihn zu fassen. Er mustert die Drei vom Scheitel zur Zeh, Ein Büschlein am Hut trägt jeder, Das Schuhwerk scheint nicht von zierlichstem Bau, Den Pferdfuß drunter erkennt er genau, Wie oben die Hahnenfeder. Er denkt: die Mahlzeit verleid' ich euch, Ihr sollt's nicht zweimal wagen! Dann winkt er den Meßnerjungen herbei: „Zieh deinen Lhorrock an als Livrei Und rothen Talar und Äragen. Ins Salzfaß streu' Sankt Stefanssalz, Ein Kruzifix begleit' es, Gieß' Weihbrunn in die Rannen ein, Die Krüge füll' mit Äirchenwein, Zum Imbiß bring' nur Geweihtes." i86 Meßglöcklein rufen die Junker zum Mal, Doch tafeln sie unerschrocken; Weihwasser lassen sie Wasser sein, Sie tauchen den Gaum in den Vpferwein, Ins heilige Salz die Brocken. Und Abend wird's; vom Altäre holt Der Knabe geweihte Aerzen; Sie zünden am Licht die pfeifen an, Verschwinden in Nebeln und Wolken dann, Man hört nur ihr Singen und Scherzen. Wie er so tapfer sie zechen sieht, Dem Dechant beginnt zu bangen: „Die Zeiten werden gar schlimm und schwer, Selbst Teufel glauben an gar nichts mehr! Mein Mittel will nicht verfangen." Da wünschen die Junker ihm: „Wohl bekomm's!" Und danken sür Trank und Speisen: „Wenn wir dereinst im eigenen Haus, vergelten wir gern den heutigen Schmaus, Dann wollt uns die Ehr' erweisen." „verzeiht, ihr Herrn; mir thun nicht gut Die überheizten Gemächer; Auch schmeckt verbrannter Braten nicht fein, Hab' lieber den eigenen säuern Wein, Als Pech und Schwefel im Becher." — 187 Längst ward zu Gast von größerem Herrn Der gute Alte geladen; Jetzt blickt er von seinem Stern ins Land, Hat längst in den Gästen von damals erkannt Studenten auf wanderxfaden. Und der Luch gesungen diesen Reih'n, war selber bei der Geschichte, war Liner von den fahrenden Drei'»; Er hat getrunken des Dechants Wein, Geküßt des Dechants Nichte. Prinz (Lugemus. Herr Abbä. sprach der alte Prinz zum Sohn: „Aind, ich dien' um Frankreichs Lohn, Bin an Kindern reich, Nicht an Gütern gleich; Taugst zu andern, nicht auf Erden, Magst mir ein Prälate werden." Hübsch in Notredame stehn, Psalmen singen soll Lugen; Seltsamer Abbe, Flieht des Münsters Näh', Trägt Gesxorn statt seidner Socken, Schwingt Nappiere statt der Glocken! Hält nicht sehr aus Rlciderpracht, Ist der Dose mehr bedacht, Ein AbbL zum Glück Nur in diesem Stück; Aber klopft er drauf, fo schallt es wie ein Schuß, von Pulver wallt cs! 192 Mädchen läßt er ungeneckt, Tag und Nacht im Buch er steckt; Grad in diesem Stück Nein Abbe zum Glück! Sein Brevier ist's, mögt ihr rathen, Nein, doch Alexanders Thaten! Glühend steigt es ihm zu Haupt; Unfrisirt, tabakbestaubt Fliegt er in das Schloß: „Herrscher, kühn und groß, Gib mir Rang in Frankreichs Heere Daß ich's führ' in Sieg und Ehre." König Louis ihn scharf beschaut: „Seid niit Pulver zwar vertraut, Doch, mein Herr Abbe, Bleibt nur beim Raps, Das Rapier doch mögt Ihr lassen, Einst den Bischofsstab zu fassen." Schönes Frankreich, nun Ade! Gegen Wien trabt dein Abbe; Kaiser Leopold, Jedem Schwarzrock hold, Heißt in Bestreich ihn willkommen: „Gffen steht mein Reich den Frommen." „Ist im lieben Portugal! Sauet Antonius Feldmarschall, — IYZ — Taugt wohl ein Abbe Mir in Türkennäh'; Beten hilft so gut wie Raufen, Und ein Sieg auch ist das Taufen." Die Dragoner, schlachtgereiht, Lehn das kuttenbraune Kleid, Lachen durch die Reih»: „Kapuzinerlein, Lies uns Messe, weih' die Fahne, pred'ge, neuer Kaxistrane!" Und das Pfäfflein früh und spät Predigt gut in Feld und Rath; Lxringt einst rasch vom Pferd, Hält im Mund sein Schwert, Klimmt empor zum Türkenwalle; Diese Predigt lobten Alle. Und vor Belgrad auf der Schanz' Betet er den Rosenkranz. Riß vielleicht die Schnur? Daß auf Stadt und Flur Schwarz und dicht die Betkorallen Aus dem Paternoster fallen! Dann in Wälschland und am Rhein Räuchert er den Franzmann ein; Dieser Weihrauch doch Nicht nach Amber roch, Rauchfaß auch und heil'ge Kerze war von etwas grobem Erze. Anast. Grün's Werke II. IZ — IY4 — In Cremona holt vom Bett Lr den Feind zur frühen Mett'; Marschall villeroi Stand im Schlafrock da, Frierend auf des Lagers Miese, Lugens beste Morgenxrise! Daß solch frommes Thun geehrt, Weiht der Pabst ihm Hut und Schwert, Deutschlands Kaiser gab Ihm den Marschallstab, Hängt ihm selbst des Vließes Grden Uebers Kleid mit goldnen Borden. Brittenschiffe schmückt sein Nam', Auch ein Bot' aus Frankreich kam: „König Louis Luch beut, Eures Ruhms erfreut, Gruß und Rang in Frankreichs Heere, Daß Ihr's führt zu Sieg und Ehre." Prinz Lugenius sinnt nicht lang: „Eurem König schönen Dank! Folgsam seiner Lehr' Ward ich Missionär, Hab' in Gcstreich eine Sendung, Führte gern sie zur Vollendung! Auch den Bischofsstab ich fand Freilich nicht in seinem Land; — iy5 - Doch von Zeit zu Zeit, Da die Grenz' unweit, Komm' ich, will der Herr mich schirmen, Gern auch in sein Kirchspiel firmen." Also ehrten Land und See Gestreichs kleinen Herrn Abbe. Seiner Priesterhand Segen strömt aufs Land; Einig schwören's Pfaff und Laien: „Ja, das sind die heil'gen weihen!" Zenta. -<1us dem Röhricht flieht der Reiher Und der Storch mit schrillem Laut, Wo, ein träger Riesenweiher, Sich die Theiß im Flachland staut; Aus dem Schlummerlied der Unken Fährt der Flußgott jach empor, Streicht vom Äug', noch schlafestrunken, Sein Gelock' von Schilf und Rohr. Welch ein ungewohntes Tönen Stört der Vedniß tiefe Ruh? Lorch, mit Rasseln, Rollen, Dröhnen Wälzt ein Strom dem Strom sich zu; Lauter brausen, näher schwellen Sein Fluthen wogend an Und vom Glanz metall'ner Wellen Blitzt es über'm Haideplan. Fluth der Türken und Tartaren Ueberschwemmt das Ungarland! Hurtig pflanzten Janitscharen Halbmond, Roßschweif dort am Strand, 197 Wo Wessiren jetzt und Bassen Rriegsbefehl der Sultan gab, Der nicht fremder Hand will lassen Zornesruth' und Gnadenstab. Leise, wie der schlaue Jäger Den viel stärker« Ur beschleicht, Folgt' ihm Destreichs Bannerträger, Hat sein äsend Wild erreicht. Hoch zu Roß beschaut die Horde Prinz Lugen im Augenflug, Sieht, wie sie an Zenta's Borde Schon die mächt'ge Brücke schlug. Scheint ihn just nicht zu betrüben, Wie ihr Heer in Theile fällt, Halb noch hüben, halb schon drüben, Hier in Schanzen, dort im Zelt; Auf der Brücke ziehn noch Reiter Und Geschütze, lange Reihn! Zu den Seinen rüst er heiter: „Jetzt ift's Zeit, jetzt sind sie mein!" Halt! Lin Bot' in Schweiß und Schaums! Lugen nimmt aus Wien den Brief, Rennt das Vöglein schon am Flaume, Steckt es in die Tasche tief. „vom Hofkriegsrath, Herr, vom Kaiser!" Ungestüm der Bote rief, Aber sprach' er sich auch heiser, Ungelesen bleibt der Brief. — iy8 — Lugen winkt, die Trommeln rasseln; Tod, du sollst ans Lrnten gehn! Salven knattern, Säbel prasseln, Bei Musik nur willst du mahn! Lugens Fußvolk hat erklettert Schanz' und Wall auf blut'gem Weg, Rechts und links sein Stückknecht wettert In den langen Brückensteg. Um des Lagers fette Rinder Bangt der Wesfir mit Verdruß: „Die Gefahr ist drüben minder, Schwemmt die Heerden durch den Fluß!" Scheu vom Lärm doch drängen, stoßen Sie zur Brücke, daß sie wich, Unverhoffte Bundgenossen, Wurden schnell gut kaiserlich! Trotz'ger Flußgott, halfst zerschlagen Deine Schmach, ihr Brückenjoch, Mußt von Leichenknäueln tragen Jetzt die zweite Brücke noch! Bist ein Schlemmer, bist ein Prasser, Hast der Schwimmer nie genug, Ziehst noch in dein fischreich Wasser Roß und Mann und Wagenzug! Hei, im Tiirkenlager springen Bestreichs Arieger mit Gesang! Rasten Schwert und Speer, so schwingen planu' und Bratspieß sie mit Ulang. IYY - „Fangt die Heerden, die verirrten! Groß der Sieg, das Mahl nicht karg! Doch zu braten die Alliirten, Solcher Undank ist zu arg!" In des Sultans Purxurzelte Auf dem Teppich ruht Eugen, Fand nun Zeit, die früher fehlte, In den Menerbrief zu sehn: „Nur nicht schlagen, nur nichts wagen.' Keinen Sturm und keine Schlacht! Denn wird dieses Heer geschlagen, Ist zu End' all unsre Macht." Lugen liest's und winkt dem Boten: „Seine Antwort will ein Brief; In Depeschen doch und Noten Läuft mein Griffel manchmal schief; Drum vermerke mir's unhuldig Nicht des Kaisers Majestät, Menn die Antwort, die ich schuldig, Etwas lang und breit geräth: „Tiirk'sche Beute, Rosse tragen Sieben Tausende sie kaum, Auf des Sultans tausend Magen Hat die ganze noch nicht Raum; Sechszigtausend von Kamehlen Sollen mühsam schleppen dran, was die Todten nicht erzählen Dreißigtausend auf dem j)lan. 200 Aus zehn Tonnen von Dukaten Spricht es laut mit goldnem Mund, Was vielhundertfach ihm thaten Fahnen schon und Roßschweif kund. — Als Postscrixt den Herrn Jesuiten Bring' zehn Haremsdamen froh, Hübsche Nönnlein, fromm von Sitten, Taufen gibt's, so oder so. Und besiegelt sei das Ganze Mit dem Sultanssiegel hier, Das vom Hals ich in der Schanze Nahm dem sterbenden Wesfir; Doch der langgerathnen Worte Aurzgefaßter Sinn ist der: Hingeschmettert liegt die Pforte, Schlafe ruhig, hoher Herr!" In Wien. ^on der Theiß zum fernen Rheine Wölbt ein Frcudenmünster sich, Drin die ganze Lhristgemeine Jauchzt: „Herr Gott, wir loben Dich!" Ungarns Volk küßt den Befreiern Kleid und Hand auf ihrer Fahrt, Unberedte Lippen feiern Dieß Te-Deum frömmster Art. In den Thronsaal vor den Kaiser Tritt der Prinz zum Kriegsbericht; Ist die Majestät wohl heiser, Daß sie kein Willkommen spricht? Lugens Worte ziehn geschlossen Wie Kolonnen in die Schlacht, Festgegliedert, stahlgegossen, Siegsbewußt in ihrer Macht. Doch wie Schaum an dürrer Klippe Schier der Rede Fluth versank, Denn die größte Kaiserlipxe Fand kein, kleinstes Wort von Dank. 202 Nun die höchste der Perrllcken Steif dir nickt den Abschiedsgruß, Siegesheld, magst du dich bücken, Denn die Zwiesxrach ist am Schluß. Unten an der Trexpenpforte Der Trabanten Hauptmann stand, Der beredter» Fluß der Worte In des Kaisers Namen sand: „Euren Degen, stolzer Sieger! Euer Haus dien' Luch zur Haft; Denn Gehorsam schmückt den Krieger Höher noch, als Glück und Kraft." Lugen reicht den Degen artig: „Nehmt ihn, der nicht rosten darf! Ward im Dienst des Kaisers schartig; Nehmt und schleift ihn wieder scharf!" — Groß mag dieser Degen scheinen, Als er Heer und Schlacht gelenkt, Größer war's, als vor so Kleinen Lr in Treue sich gesenkt. Als das Volk mit Scham und Staunen Sah den Feldherrn schwertberaubt, Rief der Zorn wie mit Posaunen All zum Schutz so theurem Haupt; Doch auch dieses Heer der Siebe Schlägt die degenlose Hand, Auch sein Blick führt Heldenhiebe, Auch sein Wort streckt in den Sand. — 20Z - Au den ew'gen Sternengleisen Blickt der Held aus seiner Haft; KUnft'ge Liegessterne kreisen Um das Haupt ihm geisterhaft. (Oesterreich, dieß Gotteserbe, Füllt die Seele ihm mit Glanz; Daß kein Feind den Thron verderbe, Der ihn beugt, sei einst sein Kranz! Vb den wucht'gen Heldendegen Leopoldns prüfend wog? (Ob den Andern, die ihn wägen, Das Gewicht die Arme bog? Gb dem Fürsten auf sein Kissen Sanftern Traum gestreut die Nacht? Schlief ein kaiserlich Gewissen, Ist's doch herrlich, wenn's erwacht! Morgens früh an Lugens Pforte Schon der Gardehauxtmann stand, Der den Strom der Gnadenworte In des Kaisers Namen fand: „Nehmt dieß Schwert glorreich wie keines, Durch Gehorsam schartenrein; Doch daß Haupt und Arm nur Lines, Seid Hofkriegsrath Ihr allein!" Großen Herzen steigt der Tröster Leuchtend aus dem eignen Gram; Seiner großen Siege größter war's, als er dieß Schwert jetzt nahm, 204 Das er weiht' in Morgenröthen, Dran er Glück und Ehre band. — Misse nie, mein Land, in Nöthen Solchen Degen, solche ksand! Malplaquet. ^)m Blachfelde ringen Die ehernen Geschwader Zu rächen, zu sühnen Der Könige Hader. Und wieder verkünden In Waffen zwei Heere Die blutige Mahnung, Die bittere Lehre: Daß seit jenen Tagen, Da Kain im Grolle Den Bruder erschlagen, Kein Retter erstand, Kein Weiser sich fand, Der Meinungen Streit, Des Zwiespalts Brand Zu lösen, zu löschen Mit heilender Hand, Daß der Blutthat Erbe Nicht die Enkel verderbe. Ls wußten der milden Gesittung Apostel Nur umzubilden 20b In grimmere Waffen, In Eisen und Flammen, Die Keule des Wilden, Daß, die einst zu Tode Den Linen nur traf, Jetzt Tausende schleudert In ewigen Schlaf. Des Himmels Blitze, Des Donners Grollen Aefft ihrer Geschütze Aufleuchten und Rollen. Die Gottes Gebote Nur machen zu nichts, Ihr Würgen und Schlachten Sind Gottes Gerichte! G herrlicher Richter, Die tobenden Horden, Die rauben und sengen, verstümmeln und morden, Bis unter der Last Der Greu'l und verbrechen Gelähmt und erschöpft Sie zusammenbrechen! Dann rufen sie jammernd, Den sie thöricht verbannt, Den Frieden, ins Land. Doch kehrt er nicht wieder Als der himmlische Bote von den Göttern entsandt Mit des Füllhorns Brode. Auf Flügeln von Blei, Mit schwarzem Gefieder Und heiserem Schrei Schwebt er hernieder, 207 Ein Leichenrabe, Der Todtes begrabe. Die Faust bleibt König Dem späten Geschlecht, Dem größer» Verderber Das bessere Recht. Hüben am Waldessaum von Sart Steht Eugen an Malb'roughs Seite, Drüben, auch ein Held im Streite, Macht Villars, ihr Gegenxart; Wie auf der Parketten Glätte Ghne Straucheln, ohne Gleiten, weiß er auch gewandt zu schreiten Auf der schlüpfrig blutigen Stätte. Ueber den kämpfende» Schaaren, Leitend der Schlachten Geschicke, Gleich blitzschleudernden Aaren Schweben der Feldherrn Blicke, Ruhn aus dem eigenen Volke, Sxähn nach des Feindes Fahnen, Bohren durch Risse der Wolke, Staubs und Rauches die Bahnen, Mühn sich, bis in die Seele Selbst des Gegners zu dringen, Daß auch, was er verhehle, Sichre ihr eignes vollbringen. Trefflich hat in Busch und Feld Vorhut und Massen der Feind gestellt, Reitervolk und Geschütze klug Dem entscheidenden Punkt gesellt, 208 Wald und Lichtung gut benützt, Daß sich der Aolonnen Zug Frei bewege und doch geschützt; Und wie wohlberechnet schlau Schanzen errichtet und verhau, Selbst des Stroms treulose Wogen Dienstbar in seinen Bund gezogen! Doch was klar der Meister erdacht, Groß und ganz sein Geist erschaut, wird, der Menge anvertraut, Leicht zerbröckeln unvollbracht; Ist ein Faden nur gerissen, Schwer wird das Geweb' ihn missen; Und versagt nur eine ksand, Locker wird das ganze Band. — Jetzt im Feindesheere Lücken Sieht und nützt der Feldherr hüben: „Auf! Jetzt muß das Wagniß glücken! Rasch den Stoß in Feindesrücken!" Rasch doch ist auch jener drüben, Führt mit Wucht den Gegenzug, Füllt die Lücken wie im Flug; Durch den trüben Nebeltag Dringt sein Falkenaug' und mißt Jedem Schlag den Gegenschlag, Jeder List die Gegenlist. Aber Lugen kann's nur loben, Was mit Leid er soll erproben, Und den Geist, mit dem er ringt, Fühlt er eignem Geist verwandt, Reichte, die das Schwert jetzt schwingt, Jenem gern als Freundeshand, Neigt die Stirne kranzumlaubt vor dem edlen Feindeshauxt. 20Y Mer den Schwächern niederzwang, Ward darum nicht selber stark, Leichter Sieg wird Untergang, Lähmt den Arm und frißt am Mark; Doch wer mit dem Stärkern ringt, Selbst ein Starker, fühlt die Kraft Frisch am Widerstand beschwingt, Wachsen an der Gegenkraft. — Stund um Stunde währt das Ringen, Unermüdlich mäh'n die Klingen Und die Menschengarben fallen, Doch ersteht ihr Rächer allen. Horch, ein Prall in dem eisernen Knäule? Sieh, welch mächtige Staubessäuls! Ha dort sprengt mit wettcrstreichen Lugens Panzerschaar die Flanken Und der Franzmann kommt ins Wanken, Die gelösten Rotten weichen. Mitten doch im Kugelregen, Im Gewog' und Kampfgedränge Leuchtet Villars' Heldendegen, Lenkt sein Wort die flüchtige Menge, Rückzugswege macht er frei, Springt verwundeten hilfreich bei, Bleibt in Siegen und Niederlagen Eingedenk, daß er im Sohne Auch ein Mutterleben schone. Plötzlich rings nm ihn welch Klagen, Welch ein markerschütternder Schrei! Weh, den Feldherrn traf das Blei. Noch, auf der Sänfte fortgetragcn, Wacht er über jedem Leben, Das in seine Hut gegeben; Denn das Ligen ist's so vieler, Anast. Grün's Werke II. 14 2 10 Das auf diesem Zahltisch gilt, Das Gexräg' mit Gottes Bild viel zu gut für wüste Spieler! — Und es sieht der Feldherr hüben Ihn die milden Thaten üben; Auch der Gegner muß es preisen, Daß der tapfre Mann von Eisen In der Brust ein Herz auch trägt, Wie's ihm selbst im Busen schlägt, Das im rauhen Werk der Schlacht Menschlich suhlt und liebvoll wacht; An solch Herz wohl möcht' er fliegen Und in jenen Armen liegen. Wo sich große Seelen messen, Ist der Kleinen Zwist vergessen; Während sich die Massen morden, Sind die Feldherrn Freunde worden; Und das ganze Schlachtenwettcr, Trommelgewirbel und Horngeschmetter, All dieß Rasseln, Knattern, Rollen, All dieß Jauchzen, all dieß Grollen Schmilzt im großen Weltaccord In ein einzig glorreich Wort, In den Vollklang aller Ehren, In den Seelengruß zusammen, Den sich über kämpfenden Heeren Gottverwandte Herzen senden. Und die Zungen lodernder Flammen Und die Blitze von leuchtenden Bränden, All die glühenden, sprühenden Schrecken Werden feurige Freundcsarme, Die sich über dem tobenden Schwarme Geister des Lichts entgegenstrccken. Belvedere. siegreich wehn des Kaisers Fahnen von Neapels Schloßaltanen, Wie von Belgrads trotz'gem Stein, Fächeln in Messinas Gluthen, Spiegeln sich in Nordseefluthen, Wie im Po und grünen Rhein. Sorglos lebt am Wienerhofe Kanzler, Kämmerling und Zofe, Auffahrt gibt's, Empfang und Fest; Goldkarossen, welche Kette! Nur die sxan'sche Etikette, Herrn und Damen, nicht vergeßt! Leichter haben sie vergessen Dem sie Alles danken, dessen Tapfrer Degen es gewann: Lugen, Gesterreichs Lrwccker, Türken- und Franzosenschrecker, Ihn, den großen kleinen Mann. 14* 2 12 Ihre Sterne funkeln munter, Doch ist Zentas Stern nicht drunter Und nicht der bei Blenheim schien; Prunkhaft flimmern goldne Schlüssel Doch es sind nicht die von Ryssel, Die von Belgrad und Turin. Gern entbehrt er ihre Feste, Hat ja selbst viel höh'rs Gäste: Göttervolk im Gartenhain; Und die Bilder ew'ger Meister Und die Bücher großer Geister Laden ihn zur Zwiesxrach ein. Hallen und Paläste sprechen, Daß der Held im Wallzerbrechen Auch im Bau'n ein Zaubrer ganz, Blumen pflanzt er, Bäume, Reben, Und so ruht sein Heldenleben wie ein Schwert im Blumenkranz. Dreien Kaisern ein Erretter wußt' er zu bestehn die Wetter, Doch den Hofwind scheut der Held; will er Majestäten ehren, Geht mit Läsar er verkehren Und in Alexanders Zelt. Alt geworden ist er eben, Schlachten, Wunden, Lagerleben 2IZ Spinnen kein Verjüngungskleid; Selbst die Friedensjahre zehren, Denn die Lorbeer» seiner Ehren Sind die liebste Trift dem Neid. „Undank ist nur schlecht Gedächtnis;, Manchem Haus ein Erbvermächtniß," Denkt der Held mit gleichem Muth; Füttert dann Gethier im Zwinger, Löwen lecken ihm die Finger, „Löwen sind ein dankbar Blut." Auf des Belveders Terrassen wallt der Held und sieht gelassen, wie der Springbrunn stieg und fiel; Marmorsxhpnxe ruhn im Grunde Und er liest von ihrem Munde Ungelöster Räthsel viel. Rechts und links die Baumsxaliere Stehn wie seine Grenadiere Um den kriegsgewalt'gen Herrn; von den Höhn des Belvedere Blickt er nach dem Häusermeere wie des Landes guter Stern. Und es mag ihn selbst gemuthen , wie den Stern, aus dessen Gluthen Licht und Glanz die Erde trank; Die da unten lang im Dunkeln Hüllt in Licht und Glanz sein Funkeln, Unbekümmert um den Dank. 214 Einsam stehn ist Loos der Sterne! Bangt nicht in so öder Ferne Selbst ein Sonnenherz vielleicht? So in stiller Nacht nicht minder Ihn, der ohne Weib und Rinder, Gft ein heimlich Weh beschleicht. was der Sonne eine Wolke Ist die Rrankheit ird'schem Volke, Hellstem Sein ein dunkler Flor; Eugens Haupt umschnürt er bleiern, plötzlich doch aus Fieberschleiern Fährt der Held erwacht empor. Horch, sind's Stimmen, die ihn riefen? Lieder schallen aus den Tiefen, Schenkhaus singt und Nachtquartier; Becherklang, Soldatcnknaster, Weinduft wirbelt auf, — doch faßt er Wort und Weise dort und hier; Hört durch Fiedelschall und Aither: „Prinz Eugen, der edle Ritter — Stadt und Festung Belgarad" — Wie auf einer Pulverwolks Fährt sein Geist zum Sternenvolke, Hu den Seinen, schnurgerad. Lin Aöler. 1809. An dem Mal des Helden schleichen Siebzig Jahre trag vorbei; Wecken könnt' ihn von den Leichen Solch ein Wonnemond von Mai, Dessen goldne Norgenröthen Stadtebrand und Waffenblitz, Lingesungen, statt von Flöten, von Trompeten und Geschütz! Zu Schönbrunn in laub'gen Hallen Geht des Korsencilands Sohn; Lauscht sein Ghr den Nachtigallen, Dröhnt es doch von Schlachtenton; In das Knopfloch eine Rose pflückt die schicksalschwere Hand, Leise schwebt sein Fuß im Moose, Wenn er stampft, erbebt das Land. — 216 — Zu den Zwingern fremder Thiere Lenkt der Kaiser jetzt den Tritt, Plötzlich vor dein Steinquartiere Eines Adlers stockt sein Schritt; Auf dein Block im Lisenringe Zittert ein uralter Aar, Blöden Aug's, gebrochner Schwinge, Der einst Fürst der Lüfte war! Bild des Jammers ohne Gleichen Solch geknickter Wolkensohn! Sicher, selbst als Bild und Zeichen, Sei die Majestät vor Hohn! Und der Kaiser ruft den Wärter: „Alter, laß den Vogel frei!" Seine Züge wurden härter: „Gder send' ihm ein Stück Blei!" „Möge Gott Sen Sinn Luch lenken!" Sprach der Alte warm und weich; „Schont dieß theure Angedenken, Heilig Sinnbild ist's zugleich; Dieses Thier iin Liscnrahmen Hielt ein Held gar lieb und gut, Prinz Lugen, — Ihr kennt den Kamen? Frankreichs Kaiser rückt den Hut. „Aber seit sein Herr gestorben, Ist ein schön'rer Wappenaar, Diesem Vogel gleich, verdorben Zum Geripx, der Schwungkraft baar, 217 Dem der edle Schmuck des Flaumes Stück für Stück abfällt vom Leib, Ivie das welke Blatt des Baumes, Rauher Winde Zeitvertreib. Habsburgs Fahnen sah man wandern, Federn gleich, am Po, am Rhein, In Sicilien und in Flandern, Flattern fort von Belgrads Stein, Bis in Schlesiens reichem Garten Jene schönste Schwinge sank; Traun, auch «Oesterreichs Standarten Sind an bösen INausern krank. Als mein Aar im Belvedere Speise nahm aus Lugens Hand, Ragte, wie bewußt der Ehre, Sonnenwärts sein Haupt gewandt; Schatten warf sein FittiA mächtig, Ivie ein Königsbaldachin, Und das Auge slammenprächtig Glomm, ein rollender Rubin. Wie ihr krankes Kind die Mutter Pfleg' ich ihn, doch ohne Trost; Den gestärkt einst Lugens Futter, Lähmt setzt meines Kaisers Kotz!" — — „Alter, wahrlich, an dem Brocken Liegt es nicht, doch an der Hand!" Nickend sprach's der Korse trocken, Schritt ins Dickicht und verschwand. - 218 Lines Tags der Aar im Gitter Schlägt mit Macht sein Flügelpaar; Grüßt am Himmel das Gewitter Jungen Muths der greise Aar? Asperns Donner sind's! sie klingen Bis in seinen Aerkerraum; Lines andern Adlers Schwingen Jetzt entsank der erste Flaum. Der Tambour von Ulm. Der Tambour von Ulm. I. Novara. 1849. Aer einst die Trommel fröhlich schlug In Aämpfen und Gefahren, Jetzt sitzt tiefsinnig er beim Arug, Ein Greis in Silberhaaren. Dort rauscht die Enns. Ein Apfelhain Umblüht den diistern Alten; Nur Heit'res rings, doch trüb allein Auf seiner Stirn' die Falten. Am Heerd des Sohnes ruht er aus, von Enkeln hold umgeben, Schön ist das Land, fast reich das Haus, Für Andre welch ein Leben! 222 verschlossen bleibt sein strenger Mund; Doch wer ihn bringt zum Sprechen, Der hört aus tiefstem Felsengrund Die dunkle Vuclle brechen; Der ahnt: dieß kfaupt gebeugt von Schau; Wird nie in Lust sich heben, Und diese Brust bewohnt ein Gram, Der flieht nur mit dem Leben. — Nun lauscht der Greis: mit freud'gem Klang Durchs thaus viel Stimmen schallten, Ein Krieger plötzlich ihn umschlang Und lag im Arm des Alten. Sein ält'ster Enkel ist's, bestaubt vom Marsch aus fernen Reichen, Geschmückt, — drum trägt er stolz das kfaupt, — Mit goldnem Ehrenzeichen. Der junge Korporal doch spricht Im Ton des Feldmarschalles: „Großvater, hängt den Kopf mir nicht, Das Schwert gewann uns Alles! Ich komme von Novaras Feld, Das uns bekränzt als Sieger; Das Eisen bleibt der 8err der Welt, Als Zepter fiihrt's der Krieger." 22Z Des Alten Blick mißt die Gestalt Des waffcnstolzcn Anabcn; Lein flüchtig Lächeln ist gar bald Im Fnrchengrund begraben: „Ließ't ihr vom Eisen etwas noch Für Pflug und Gartenmesser? lind trüg't das Haupt ihr minder hoch, Traun, mir gefiel' es besser. Bb echt und recht ein Ariegerherz, Befrag' erst Unglücksloose! Aus dunklem Schacht steigt Helles Erz, Aus schwarzem Grund die Rose. Was hier dein goldner Pfennig spricht, Ich lob's: du standst in Ehren! Wer siegte mit Radetzky nicht Genüber Sardenheeren?! Doch komm, ich will ein Gegenstück Im wirren Schlachtenreigen, Will andern Feind dir, andres Glück Und andre Führer zeigen." Des Alten Stübchen wohnlich traut Bewahrt in goldnem Rahmen Ein Feldherrnbild; doch Bestreich graut Noch heut vor diesem Namen. — — „Lin Blinder," so erklärt der Greis, „Der lahm vom Hauch der Schlange, Zermalmt von ehrnem Schuppenkreis! Uns riß zum Untergange! Lin Feldherr, der dem eignen Heer Linsloßte Todesschrecken; Der Männern einst in blanker Wehr Gebot: die Waffen strecken! B Ulm, du hast die Schmach gesehn, Den Tag, verhüllt von Schande! Des dunklen Schleiers Schatten stehn Noch schwarz ob unserm Lande. vom Michelsberg sahn stolz herab — Noch heut sand' ich dis Stelle, — Der Frankenkaiser und sein Stab, Dis Garden und Marschälle. vom Frauenthor schon rückten an Dort Gesterreichs Kolonnen, Doch zähneknirschend Mann sür Mann Dis Brust von Scham umsponnen. „Kopf hoch!" gebot ein General, „Brust vor!" hört' ich ihn sagen, Der senken sollt' sein Haupt zumal, Die Brust in Reue schlagen. 22Z Die Trommeln klangen hohl und dumpf, Gern wollt' ich meine missen; G hätt' die Äugel mir vom Rumpf Zuvor die kfand gerissen, Bevor auf jenes Männleins Wort Ich ließ das Zeichen schallen, Daß zwanzigtausend Taxfern dort Dom Arm die Waffen fallen! Im Feld jetzt mußten sie zu kfauf Gewehr und Säbel legen, Trompeten dann und Trommeln drauf, Den Aüraß auch und Degen. Als so die Wehr von Gesterreich Sank vor des Aorsen Tritten, Mir war's, als ob sie mir zugleich vom Leib die Arme schnitten. Und als ich zu der Trommeln Wust Die meine warf mit Grimme, Mir war's, als sei aus meiner Brust verbannt die eigne Stimme. Als ab das Reitervolk dann saß Und Fremden ließ die Zügel, Der Siegesgöttin Austrias Gebrochen war der Flügel. Anast. Grün's Werke kl. 15 226 Die Fahnen senkten staubwärts sich; Mir war's: als ob dein Heere Die eigne starke Seel' entwich', Des Herzens Herz: die Ehre. Da ging durchs waffenlose Heer Die große Meihestunde, Lin heil'ger Eid lag racheschwer Auf graunhaft stummem Munde. Und leuchten schon am Tag der Schmach Sah ich ein fern Gewitter, Als Mancher sein Gewehr zerbrach, Den Degen schlug in Splitter; Als Grimm und Haß und Scham und Groll Den Funken glimmend fachte, Der dann zur Gluth in Asxern schwoll, In Leipzigs Donnern krachte. Drum ehr' ich jenen Mann im Bild In eigner Art als Retter, Dieß dunkle Blatt Geschichte gilt Mir hundert licht're Blätter." Solserino. i8Zd. Äort sitzt noch an derselben Statt Der alte Trommler wieder; Der Hand entfiel dar Zeitungsblatt Und glitt zu Boden nieder. „Magenta! — Solferino!" stöhnt Im Selbstgespräch er heute, Und seiner Stimme Nachhall tönt Wie traurig Grabgeläute. „Und drum zehn Jahre Tag und Nacht Getrommelt und geblasen! Im Drillschritt uns mit Heeresmacht Zertreten Saat und Rasen! Und wer nicht bunten Kragen trug Lin Knecht betreßter Massen! verwaist die Werkstatt und der Pflug Und leer gestürzt die Kassen! 15* 228 Doch jetzt! auch nicht ein kleinster Sieg Die Herzen aufzufrischen! Lin Krieg, der schreit nach neuem Krieg, Das Brandmal zu verwischen! Der einstudirte Schwertertanz So grauenvoll mißraichen! Linst rissen aus des Korsen Kranz Manch Blatt doch unsre Thaten!" Sein Finger trommelt auf den Tisch Den Kriegsmarsch längst verklungen; Den Alten macht er träumerisch, Doch fremd klingt er den Jungen. Jetzt horcht er auf: was soll das sein? Lin Freudenruf und Klagen! Da tritt sein jüngster Lnkel ein In buntem Rock und Kragen; Das Haupt gesenkt, das Herz so schwer, Den Arm in schwarzer Binde: „von Solferino komm' ich her, Kein dunkler Wort ich finde!" Da spielt ums Greisenhaupt ein Licht, Das ebnet manchs Falte, Und milden Blicks zum Lnkel spricht Und sanften Tons der Alte: 22Y „Aus dunklem Schacht steigt Helles Erz, Aus schwarzem Grund die Rose; Gb echt und recht ein Rriegerherz Befrag' ich Unglücksloose. Das war das alte Schlachtroß noch, Doch nicht Radetzky's Zügel! voll Mark und Kampflust war's, — jedoch Lin Andrer saß im Bügel. Die Götter, die für Lorbeerglanz Ein Feldherrnhaupt nicht finden, Sie wollen Euch mit vollem Kranz Die tapfre Faust umwinden. Wie jener Römer sprang zum Schlund, Dem Götterzorn sich weihend, So sankt Ihr auf der Wahlstatt Grund, Das Volk daheim befreiend. Mein Gesterreich, gar manchen Sohn Als Sühne sahst du bluten, In Schmerz und Schmach doch fühlst du's schon: Das Elend führt zum Guten. Denn nur aus Unglück kommt dir Heil, So will's dein alt verhängniß; Dem Volk erblüht das Scgenstheil Aus seiner Herrn Bedrängniß; 2Z0 Der ihr sanier in Staub gelegt, Der Sturm, schwellt unsre Fahnen; Des lhochgewitters Brausen fegt Der Freiheit rein die Bahnen."-- Als wieder Kirchweih' und im Ureis Die Buden stehn und Schilder, Zu jenem alten kauft der Greis Die neuen Feldherrnbilder. In Glas und Rahmen an der Wand Bewahrt er treu die Blätter: „Der ksimmel schickt, o Vaterland, Dir wundersame Retter!" ckartn!" Februar 1861. Geschmückt zum Festmal prangt der Tisch In farb'gem Blumenflore, In Linnen blendend wie der frisch Gefall'ne Schnee vorm Thore. Der bsauswirth sitzt, wie's ziemt dem Mann, In seiner Kinder Kreise, Der Ehrenplatz doch obenan verblieb dem Tambourgreise. Die Schüssel dampft, der Becher klirrt, Gelöste Propfe knallten; Jetzt hebt vom Lehnstuhl sich der Wirth, Des Festmals Spruch zu halten: „Mein Vater, wie's geahnt dein kserz, In Licht zerfloß die Wolke, Und es ersteht aus Schmach und Schmerz Ein besser Loos dem Volke. 2Z2 Doch wie die Blumensträuße hier, Die meine Töchter wanden, Nur sind ein Frühling von Papier, Und Winter noch in Landen; wie sie nur Bilder, Boten sind von jenen duft'gen, echten, Die wir, wenn wahrhaft Lenz beginnt, Zu Freudenkränzen siechten; So dieß Patent, dieß Blatt Papier, Das ich in bsänden halte, Ist Bot' und Bild des Frühlings mir, Den erst die Zeit entfalte; wenn selbstbewußt das volksherz schlägt, Die besten Bürger rathen, Und gold'ner Rede Strom auch trägt Die Ladung gold'ner Thaten. Lin Fest des Geists begehn wir heut, Dem ich mein Glas erhebe, Darein die Ldelblume streut Der Geist der bseimatrebe. Der Schaumwein, der in Perlen rinnt, Im Fremdland nicht gegohren, Der Destreichs Aind, wie wir es sind, Sei heut' uns auserkoren! — 2ZZ — Nun bebt das Spitzglas hoch und voll! Schon perlt er rascher, freier; Er brause unsres Dankes Zoll Dem fürstlichen Verleiher!" Und wie er jetzt das Glas erhebt, Im Weine sprudclt's reicher; Des Kaisers Name, scheint's, belebt Auch diesen Gesterreicher. „Nun laßt uns froh gedenken auch Der Lenker unsres Staates; Aufschäume, Wein, nach deinem Brauch Den Männern kühnen Rathes!" Schon matter streicht der Schaum hinan, Die Bläschen sind zerronnen; Da Hub der Söhne einer an: „Dir Helf' ich, träger Bronnen! Ein Schlag des Unglücks half dem Land Aus schweren bösen Träumen; Ein Schlag der bsand stach auf den Rand Und neu im Kelch wird's schäumen!" k>a, munter geht cs Schlag auf Schlag! Wie kocht's in jeden; Lecher! In; Schmucke neuer Perlen lag Der Landsmann Sorgenbrecher. 2Z4 Der Greis nur blickt nachdenklich drein; Da frägt der Sohn den Alten: „Verachtest du den Heimatwein, Daß deine Stirn' in Falten?" Der Trommler hebt sein sinnend Haupt: „Will nicht den Mein verklagen Und auch den Boden nicht, das glaubt, Der ihn und uns getragen. Doch mahnen will mich an ein Reich Des Reichs erzwungnes Schäumen, Das erst des Unglücks Wetterstreich Erweckt aus schweren Träumen! Und weil ihr grad in Bildern sprecht, Will ich's im Bild auch sagen: NUch dünkt der Geist nicht echt und recht, Der schäumt, nur wenn geschlagen! Denn schlugt ihr nicht, lag matt und schal Der träge wie im Sterben; Doch schlagt ihr sort, so geht einmal Der Becher selbst in Scherben." Der Alte trommelt auf den Tisch Von Ulm den Rriegsmarsch leise; Im Becherklang und Stimmgemisch Verhallt die ernste Weise. II. „ Aus erst e h n!" Allerseelen 1866. Grau umflort schleicht die Novemberwolke, Nebeldunst umqualmt die welke Flur; Wäre nicht schon Trauer g'nug im Volks, Trauern lehrt' es heute die Natur. Wimmernd läuten jetzt die Glockenklänge Aus dem Dorf den Tag der Todten ein, Nach dem Friedhofgarten zieht die Menge, Blumen trägt jetzt nur der Leichenstcin. In der Gräberzeil' am letzten Raine Ist ein frisch Soldatengrab zu schaun, Ein zerbrochnes Schwert ist roh dem Steine Neben einer Trommel eingehaun. 2Z6 Ja, der Tambour ist, die Inschrift sagt es, Wieder hier in Reih' und Glied gerückt, Seine Wirbel schweigen, — wer beklagt es, Den ein Leid, wie unsres, niederdrückt! Denn ein Trauerfest der Allerseelen Soll dieß Jahr im ganzen Lande sein, Wo an jedem Herd viel Liebe fehlen Und nur Kränze trägt das Grab allein. Sohn und Sohneskinder stehn am Hügel, Weihn ein „Vater unser" still dem Greis, Ihre Seelen rührt's wie Todesslügel, Und der Vater spricht im Kinderkreis: „Jene Kugeln fern im Böhmerlande Schlugen hier zugleich ins treuste Herz; Brüder gegen Brüder! Schmach und Schande! Ueberleben könnt' er nicht den Schmerz. Und mir war's, als sollten wir begraben Dich, Altösterreich, zur selben Stund! Doch zu früh umkrächzten dich die Raben, Als gesunken du auf blut'gen Grund. Denn das blieb dein Loos, daß stets im Fallen Dir zu neuem Schwung der Fittig sprießt; Daß wenn sich des Unheils Wetter ballen, Deiner Saat nur milder Regen stießt. 2Z7 Willst du danken stets nur der Bedrängniß, Zittern stets vor lächelndem Geschick? Li so schmiede selber dein verhängniß, Lei dir selbst die Kraft, dir selbst das Glück! Hast ein Helles Aug, ins All zu wandern, Hast zu Werk und Kampf gar rüst'gcn Arm; Trägst iin Haupt ein Licht auch, wie die Andern, Hegst ein Herz, wie Wen'ge, frisch und warm. Lieh dein Land von Aauberhauch umquollen, Lieh dein Volk von jugendfreud'gem Flug; Lasse tief durch Seelen und durch Schollen Furchen ziehn des Geistes Flügelxslug! Rastlos gährt und drängt im Lrdenboden Keim und Blüth' und Frucht aus stiller Haft; So im Volk auch lebt, nie auszuroden, was zur Freiheit strebt und wirkt und schafft. Mag der Baum in seinen Wipfeln kranken, Wenn nur Mark und Wurzeln noch gesund! Mag im Sturm die Krone zitternd wanken, Wenn nur unten fester, sichrer Grund! Nein, dir will das Sterbehemd nicht taugen, Denn du lebst in uns, mein Vaterland! Dir nur gilt der Thau in Frauenangen, Dir zum Schwur streckt sich die Manneshand! 2Z8 Auf den Arm dich stütze deiner Söhne, Da du gramgebeugt und todeswund, In dich quillt dann neue Kraft und Schöne Aus dem alten deutschen lseimatgrund!" Auf das Grab den Kranz von Immortellen Läßt er jetzt dem Greise niederwehn, Schwarze Lettern sprechen in dem Hellen Blumengold das Mahnwort: „Auferstehnl" Schwarz und gelb, die Farben seiner Fahnen, Schmücken noch im Kranz des Alten Gruft; Doch das Wort soll die Lebend'gen mahnen, Bis dereinst es auch die Todten ruft. Bilder und Gestalten. Ein Feenmärchen. schritt ein Dichter durch die Schattenhage, An das Waldesherz legt' er die Frage: „Wie du rauschest, Wald, gewitterbange, Zittert mir die Seel' im Liedcrdrange! Rauschest du nur deines Pskanzers Ehre, Gder auch van seiner Aexte Schwere? Sei mein Lied die Lerche thaubesoldet, Flaum und Sang von Sonnenschmelz vergoldet, Dder sei's der Aar im Waxxenbild, Führend seines Landes Schwert und Schild? Sei mein Lied die weiche Philomele, Der die Liebe sänftigt kserz und Kehle, Vder sei's der Falk' im raschen Stoß, Den der Zorn verwandelt zum Geschoß? Führ' ich nicht das eigne Lied zum Tode, Wenn ich's nährte mit des Marktes Brade? Stirbt des Ew'gen Kind nicht schon an Tönen, Die verständlich nur der Stunde Söhnen? Sing' ein Dichter, wie dis Biene sticht, Deren Leben init dem Stachel bricht?" Anast. Grün's Werke II. 242 Doch der Waldesmund steht ihn: nicht Rede, Läßt ihm ungelöst die inn're Fehde, Wenn's nicht Antwort ist, daß er ihm eben Lin alt Märchen ließ im Sinne schweben; vor dem diamantnen Feenschloß Scharrt gezäumt das weiße Elfenroß. Feenkön'gin spricht zum holden Anaben: „Zieh' dahin, die Erde zu durchtraben, Süßer Liebling, habe deinen Willen, Magst dein unerklärbar Sehnen stillen! Todeswiege, freudenlose Erde, Bittre Trift der kranken Menschenheerde, Ach, sie hätte längst dich schon begraben, Feiten dich nicht ew'ger Jugend Gaben! Mein Umarmen soll dein Todenschrein Und mein Mund sein schließend Siegel sein, Meine Locken sind dein Sterbelinnen Und dein Modern heißt unsterblich Minnen. Warst ein Aöniglein den Staubgebor'nsn, Bist ein Aönig nun uns Lichterkornen; Nur der Erdenstaub droht dir Gefährde, Nimmer drum betritt die schnöde Erde! Auf gefeitem Pferd durchsxreng' die Lande, Unverletzt kehrst du zum Feenstrande; Denk', es sei dieß Roß das Musenxferd, Drauf ein Seher durch die Räume fährt: Steigt er nieder zu gemeinem Staube, Weh, gemeinem Loos fällt er zum Raube! Nimmer drum betritt den Grund der Erde, Erdenstaub allein bringt dir Gefährde." — 243 Rasch durchfliegt der Uönigsknab' die Weiten, Hinter ihm die losen Molken gleiten; Ein paar Sterne pflückt er unterwegen, Seinem Zaum zu schimmernden Beschlägen, Hängt der Monde einen, den ec saßte, Dann als Flitter an des Spruugricms Vuasts. Sieh die Erde da mit kühlen Mäldern, Blauem Bergesduft und goldnen Feldern! In der grünendsten Vase Halmen Grast der Ronner jetzt bei weh'nden Palmen, Daß er nicht zu andrer Meide lenke, Fesseln Blüthenranken die Gelenke. Guellen süß ins Ghr des Reiters singen, Meiches Moos will sanft ihn niederzwingen; Schöne Frauen lagern in den Gründen, Flammenblicko schier sein Herz entzünden; Doch ein fernes weinen soll ihn mahnen, Aiigelwendend folgt er andern Bahnen. Sieh, da ist das Land, dem er ein Sohn, wo sein Enkel herrscht vom Ahnenthron; Aühnen Sprunges über Landesschranken Setzt das Roß, daß bleich die Zöllner wanken. Traurig Bild! Gefällt die heil'ge Eiche, wo er selbst einst Recht sprach seinem Reiche, Und die Straßen, die als Fürst er baute, Uebergriint von Gras und Wucherkraute; Seine Flotte fault im schlamm'gen Becken Und kein Segel pflügt die Neeresstrecken; In die Furchen, die der Landmann bricht, Streut er dünn die Saat, die Flüche dicht. Schweigen rings! Doch nein, auch Iubelschallc: Horch, sie jauchzen aus der Aöuigshalle! 16* 244 Laut ist das Gelag', ein wüstes Singen, wildes Lachen, tolles Becherklingen; Possenreißer sind hier Fürstenräche, Trunkne Dirnen lallen Tischgebete. Jetzt ercheilt des Königs Mund Befehle, Ties verwunden sie des Hörers Seele; In die Väterburg ruft streng der Reiter: „Trauernd ist das Land, der Fürst ist heiter! Weh dir, Bube! weh euch Helfern allen!" Lachen tönt zurück und Becherschallen. Zorngewitternd seine Seele gährt, Strafend zuckt die Rechte an das Schwert, Flink vom Rosse springt der Knabe heiß: Doch zu Boden knickt ein welker Greis; Nur die Faust, schon zum Gerixp verzehrt, Hält noch droh'nd das alte Königsschwert. Angst und Grausen packt die üpp'gen Zecher Und der Königshand entsinkt der Becher. Zitternd brach ein hundertjährig Leben, Durch die Lüste Klagelaute beben: „Staub der Erde brachte dir Gefährde, Weh, daß du betratst die schnöde Erde!" Reuvoll thürmen sie sein Mal. Bald klettern Blüthenbiische dran, geformt wie Lettern. Will ein Menschenkind die Schrift entziffern, Mischt der Windhauch wirr die blüh'nden Lhisfern; Kinder der Unsterblichen nur weiden Nächtens dran ihr Aug mit stillem Neiden: „In den Flammen edlen Zorns Verladern Und verglühn zu Asche, statt zu modern, Selig, wem solch Sterben wird gegeben, Herrlicher, als ewig Iugendleben!" Die Rebe. ^m Marmorsaal auf Purpurkissen ruht Trajan, der Herrscher Roms und einer Welt; Ein Kreis erles'ner Freunde rings um ihn, Die Römerlippen att'schen Scherzes voll, was Land und Meer des Köstlichen erzeugt vereinigt trägt's der Tisch von Elfenbein; Hier perlt im bauch'gen Kelch der Rebe Blut, Pomonas Reichthum winkt dort in Kristall, Darüber schwebt aus pästums Rosenflur Der Kranz, verschwiegnen Lauschens Duftsymbol. Jetzt quillt zum Vhre süßer Saitenklang, Des Mimen schalkhaft Lied erquickt das Herz; Da faßt Trajan den Becher Feucrweins Und schüttet opfernd ihn zur Erd' und spricht: „vor Allem hoch, was Land und Meer erzeugt, Gepriesen sei der Rebe gold'ner Vuell!" von Hymens Altar in das Brautgemach Zieht ein glückselig paar: der Herrscher Roms Mit Plotina, der hohen Herzensbraut. 2chÜ Als sie den feuerfarb'gen Schleier hob, Wie strahlte jetzt ihr bräutlich Angesicht In Pracht und Anmut, gleich dem Sonnengott Aus der Umhüllung purpurnen Gewölks! Das schwarze Haar umspielt ihr Hals und Brust, In dunklen Locken fällt's auf blendend Weiß, Wie Rabenstüge auf ein Schneegefild! Dann nimmt vom Haupte sie den vollen Kranz Und reicht ihn lächelnd dem Geliebten dar: „Wie hier die Blumen glühn vom Frllhlingskuß, So glühe, treuer nur, für dich mein Herz; Wie hier im Kranz zu Schmuck und Schutz zugleich Der Rebe Laub die Blüthen all' umschlingt, So halte du an mir, wie ich an dir!" Er nimmt den Kranz, drückt ihn ans Herz und ruft: „Sei mir gegrüßt, du schmucker Blumenbund, Sei mir gepriesen, grünend Rebenlaub!" Im hohen Rathe sitzt der Herrscher Roms, Des Staates Väter all' um ihn vereint, Ein tiefer Ernst beseelt den würd'gen Kreis. „Es droht des Parthers wilde Uiacht aufs Neu', Beschlossen ist's: ihn bänd'ge blut'ger Kampf! Doch erst zum Gott gen Heliopolis Ulit Gruß und Gaben mag ein Bote ziehn Und fragen: ob und wie aus Sturm und Streit Zur ew'gen Stadt zu kehren mir vergönnt?" So sprach Trajan. Ein stinker Bote zieht UHt Gruß und Vxfern fort zur Sonnenstadt. — Manch langer Tag verstrich und wieder saß Der Herrscher Roms im heiligen Senat. 247 Da trat herein der Bote; seine Hand Trug einen Stab aus knot'gem Rebenstamm. Er neigt sich vor dem Fürstensitz und spricht: „Dieß sendet, Herr, der Gott als Antwort dir." Da jubeln Romas weise Seher auf: „Heil dir, Gebieter! Reben gleich im Lenz Blüht deine Macht und wächst in Füll' empor." Der Fürst allein blickt still und ernst vor sich Und spricht dann leise in sich selbst hinein: „Ich kenn' dich, dürrer Stamm, du heißest Tod, Du knot'ger Stab, man nennt dich Todenbein, Willkommen, deutungsvoller Rebensxroß!" Geschlagen ist die Schlacht, erkämpft der Sieg. Doch gegen Romas Thore zieht ein Zug, Nicht wie nach Siegen trunk'nen Jubels voll, Beschwingten Schritts, zu fliegen zum Triumph; Nein, zagen Fußes und gesenkten Haupts, In düstrem Schweigen naht die Rriegerschaar. Dem Vst und West gehorcht und gern gehorcht, Der weise war, gerecht und mild zugleich, Den Sieger, ach, umschließt der Aschenkrug! Wo in der goldnen Urne sein Gebein Sie in den Grund gesenkt zu stiller Rast, Dort steigt jetzt eine Säule himmelan, Jahrhunderten zu künden seinen Ruhm. Dem Boden doch entsprießt, des Frühlings Rind, Ein Rebenreis, umschlingt den Säulenschaft Und glimmt, ein grün Symbol, zur Sonn' empor. Iagello. ^.^achtigallenmacht Füllt den Eichenwald, weithin widerhallt Jauchzen der Liederschlacht. Polens lseeresmacht Lagert am Waldessaum, Fürst Jagello, im Traum, Ruht, vom Zelt umdacht. Plötzlich ihn erweckt Langentbehrter Klang, — Isa, der Sprosser Sang lsat ihn aufgeschreckt. Durch verhau und wacht Dringt's ins Königszelt, Und ihn überfällt Nachtigallenmacht. 249 Von dem Schilde dort Als ein Echo xrallt's, In dem Helmrund wallt's Tönend fort und fort; Süßer Klang umspinnt Ihm das Schwert zugleich, Wie mit Watte weich, wie mit Seide lind. „Klang der Seligkeit, Längstvergess'ner Laut, Wie erweckst du traut Längstvergess'ne Zeit! Meine Kinderzeit, Als ich dir gelauscht, Nachtigallberauscht, Tief in Einsamkeit; Mich im Forst verlor, Bis mich Mütterlein Fand in Todesxein Unter Busch und Rohr. Dort ein muntrer Knab', Hier ein müder Greis; Dort das frische Reis, Hier der morsche Stab! 2Z0 was dazwischen liegt, Traurig sieht's mich an: Dornenvolle Bahn, Die der Fürst durchfliegt! Kronen zwei vereint, Länder doch entzweit, Im Senate Streit, Frieden nur vom Feind! Blutumgrenzter Kreis, Kampf um Reich und Thron, Mühen ohne Lohn, Kränze ohne Preis! Hohes halb erreicht, Schlimmes halb besiegt! Staat und Macht erliegt, Und der Purpur bleicht. Gib mir dein Geleit, Wonniger Waldchoral, Tauche mich noch einmal In die ferne Zeit!" Und er stürzt zum Wald, Nachtigallberauscht, Horcht und wallt und lauscht, Wo's am schönsten schallt. 251 Doch die Klänge scheu vor dem Lauscher fliehn, Locken ihn und ziehn Mit sich sort aufs Neu; Hier der rollende Fall, Dort das flötende Flehn; Holdes Irregehn! Wohlklang überall!- Weißer Nebelsior Hängt am Binsenstrauch, Und mit qualmendem Hauch Athmet schwer das Moor. Kalt und scharf der Thau Von den Blättern fällt, Und der Irrwisch hält Dort die Leuchte blau. Durch das knisternde Rohr Schleicht das Fieber sacht, Auf den Lüften der Nacht Schnellt's den Pfeil hervor; Trifft ins Königsherz! Greises Heldengebein Ist nicht Stahl und Stein, Nieder wirft ihn Schmerz. 252 An der Eiche Zaum Sinkt er todesmatt, Letzte Liegerstatt Beut der alte Baum. So im Kriegeszug Polens König starb, Den kein Feind verdarb, Den kein Schwert erschlug; Starb nicht auf dem Thron, Starb im Wald und Rohr, Noch in seinem Ghr Nachtigallenton. In Gesang gewiegt, Eiugesargt in Sang! So verschönt der Klang, Was dazwischen liegt. Gute Lehren. Aer tapfre kluge Held Rolaitd Kam wandernd an der Loire Strand, Das Wasser ist nicht sein Element, Hei, wer da schwimmen und fliegen könnt', Als Fischlein darinnen zöge, Als Vöglein darüber flöge! „Ho, Fährmann, rudre flink heran Und hol' mich hinüber auf gutem Kahn; Doch wisse zuvor, ich bin ein Held Nicht ohne Ruhm, doch ohne Geld, Der Degen klingt in der Scheide, Der Säckel verstummt im Leide." „Li, Ritter, ihr zahlt wohl bessern Sold, Weisheit geht über Silber und Gold; Gebt mir drei Lehren klug und fein, Das soll mein liebster Fährlohn sein! Das Geld versinkt im Weine, Klugheit hilft auf die Beine." Und als er stieß vom Ufer ab, Roland die erste Lehr' ihm gab: 254 „Lin Anfang ist kein Meisterstück, Doch guter Anfang halbes Glück." Der Ferge meint: „Erträglich! Mir sang's die Amme schon täglich." Und als inmitten des Stroms der Rahn, Da Hub Roland zum zweiten an: „Nichts Halbes thu' ein ganzer Mann, Der ganz vollende, was er begann!" Der Ferge seufzt: „verständlich! Doch wann kommt Neues endlich?" Und als der Kahn nun drüben am Strand, Da sprach zum dritten Held Roland: „Sei leicht der Anfang oder schwer, Das Lnde nur bringt Lob und Ehr." Der Ferge murmelt leise: „Fast bin ich selbst so weise!" „Nun, Freund, des Paktes sind wir quitt, Doch nimm noch Lins als Aufgeld mit: Wenn stets dein Handel diesem gleicht, Dann trägst du deinen Reichthum leicht, Ersparst du Streit den Erben, Wirst nicht als Lrösus sterben." Ans Ufer Held Roland sich schwang Und schritt des Wegs fürbaß mit Sang; Der Schiffer ruderte heim gemach Und dachte den guten Lehren nach; Die Wellen flüstern und kreisen Und singen die alten Weisen. Eine Begegnung. W»»D «.»IM,.» »M »M »M M >M M „ M »« » „ » M I, ^uersack. eht, sie haben an das Rathhaus aufgeklebt ein neu Edikt, Drauf aus den geschlungenen Lettern noch manch andre Schlinge blickt; Ein possirlich kleines Männlein liest's und hält sich still und stumm, Unterfängt sich nicht zu murren, leise fragt es nur: Warum? Auf der Kanzel stöhnt, wie Eulen, wimmernd gegen Sonnenlicht, Hier ein Mönch, an dem die Kutte wohl das einz'ge Dunkle nicht, DorteinAbt, andem derKrummstab wohl nicht Alles ist, was krumm; Stets gelassen hört's der Kleine, lispelnd leise nur: Warum? Wenn mit Hellebard' und Spießen sie auf Spatzen rücken aus, Wenn sie lichtscheu ohne Fenster aufgebaut ihr neues Haus, Wenn das Schwert, das sie befreite, sie zu Fesseln schmieden um, Sieht er's ruhig und gelassen, fragt nur still vor sich: warum? Wenn sie mit Kanonen schießen auf die Lerche, leichtbeschwingt, Die, wie ein Gebet der Freiheit, singend durch die Wolken dringt, wenn den Dichtergaul am Markte sie beim Schwänze zäumen um, will er drob sogar nicht lachen, sondern seufzet nur: warum? Z49 Auf der Sprache garbenreichem unermeßnem Erntefeld Hat ein einz'ges goldnes Aörnlein er sich liebend auserwählt; Und aus ihrem reichen Meere, rauschend laut um ihn herum, Fischt' er eine oinz'ge jderle, nur das Ulännerwort: Warum? Doch der weise Rath bescheidet streng vor sich den Mann und spricht: „Eurer frevelhaften Frage ziemt, fürwahr, die Antwort nicht! Unser Thun, es sei dem Volke ein verschloßnes Heiligthum!" Ruhig hört den Spruch das Männlein, nur bescheiden fragt's: Warum? Wüthend springen All' vom Sessel, daß der Rathstisch taumelt drein! In Arrest bei Brod und Masser zieh'» sie den Rebellen ein, Lassen in den Bock ihn spannen, und in Eisen schließen krumm: Doch er duldet's still gelassen, spricht kein Wörtlein, als: Warum? Morgens muß er geh'n zur Beichte, dann aufs Feld im Narren fort! Schützen steh'n in Reih' und Gliede, laden stumm die Flinten dort; Feuer! ruft's, die Röhre krachen! Blutig sinkt der Frevler um, Doch von bleichen Lippen schaurig stöhnt es röchelnd noch: Warum? Ueber seine Leichengrube wälzen sie noch einen Stein, Dann zum feierlichen Hochamt eilen sie zum Dom hinein, Brünstig danken sie dem Himmel, daß der Schreier endlich stumm, Doch bei Nacht auf seinen Grabstein schrieb ein Schalk das Mort: warum? Sieg der Freiheit. Freiheit ist die große Losung, deren Klang durchjauchzt die Welt; Traun, es wird euch wenig frommen, daß fortan ihr taub euch stellt! Mild und bittend sprach sie einstens; eure Taubheit zwang sie jetzt, Daß sie in Kanonendonner nun ihr Wort euch übersetzt. Freiheit, die erkorne Jungfrau, schwingt das Banner unsrer Zeit; Daß fortan ihr blind euch stellet, o fürwahr, es hilft nicht weit! Da ihr nicht gesehn das Banner, als es weiß und rein und hell, Li was Wunder, wenn mit Blute sie's gefärbt nun roth und grell! Ihr nur habt die schöne Jungfrau mit dem Kriegesgott gepaart; Waffenspiel und Blutgewänder sind wohl sonst nicht ihre Art; Aber siegen muß sie immer! dieß bleibt ihre Art und Macht, Ueber Herzen in dem Hause, über Speere in der Schlacht! wenn mit Rocken nicht und Spindel, und mit Wort' und Blicken süß, So als erzgeschuxpte Pallas mit dem Schwert und Schild gewiß; Und bei uns auch wird sie siegen, ja ich künd' es laut und frei; Wunsch und Hoffnung meines Herzens riefen gern den Sieg Herbeti — ZZI — Dort auf dem vulkan'schen Boden muß wohl ein Vesuv es sein, Der die Luft mit Flainmenruthen wieder fege hell und rein! Dort auf stürmereichem Meere tobt sich erst das Wetter aus, LH' erhellt, gereint, geläutert prangt des Aethers blaues Haus! Doch in unsrem Rebenlande, hier in milder Blüthenau, Gnügt ein lauer Frühlingsregen, frische Luft und Morgenthau! Fürchtet nicht die edle Gährung; gährt ja doch auch unser wein, Daß er zwiefach dann erquicke, doppelt golden, süß und rein! Nicht das Schwert sei unsre Waffe, nein, das Wort, Licht und Gesetz! Denn der fröhlich heitre Sieger ist der schönste Sieger stets! Seht den Lenz, den Freiheitshclden, lernt von ihm es, wie man siegt, Wenn mit dem Tyrannen Winter er im harten Kampfe liegt! Winter ist ein Lrzdesxote, ein gar arger Vbscurant, Denn in seine langen Nächte hüllt' er ewig gern das Land; Winter ist ein arger Zwingherr; in den eisigen Fesseln fest Hält des Lebens freiheitlust'ge frische (Quellen er gepreßt. Sieh, im Lager überrumpelt hat den trägen Alten schnell Jetzt mit seinem ganzen Heere Lenz, der fröhliche Rebell! Sonnenstrahlen seine Schwerter, grüne Halme seine Speer'! D wie ragen und wie blitzen Speer und Schwerter ringsumher! Seine Trommler und Trompeter das sind Fink' und Nachtigall, Seine Marseillaise pfeifen Lerchen hoch mit lautem Schall, Bomben sind die Blumenknospen, Kugel ist der Morgenthau! Wie die Bomben und die Kugeln fliegen über Feld und Au! ZZ2 Und den Farbelosen, denen die drei Farben schon zu viel. Zeigt er keck des Regenbogens ganzes buntes Farbcnsxiel! Als Tocarden junger Freiheit hat er Blüthen ausgesät, Ha, wie rings das Land voll bunter, farbiger Locarden steht! Rundum har die Städt' und Dörfer der Rebell in Brand gesetzt: Ja, im goldnen Sonnenbrände glänzen hell und blank sie jetzt! Drüber flatternd hoch sein Banner ätherblau und leuchtend weht, Drin als Schild ein Rosenwölkchen mit der Inschrift: Freiheit! steht. Hei, der Winter ist geschlagen! und mit seinem Fesselband, Seinem Froste, seinen Nächten, flieht er sort nun aus dem Land! Frei und fröhlich zieht statt seiner rasch der junge Sieger ein Mit Gesang und grünen Kränzen, Blüthenscherz und Sonnenschein! Und in grüne Farbe kleidet er Gebirge, Thal und Hain: Freiheit geb' ich euch, und Gleichheit! Gleich beglückt sollt all' ihr sein! — Solch ein heitrer Sieg des Lichtes kröne dich, mein Desterreich, Und dem schönsten Frühlingstage werde deine Freiheit gleich! Antworten. „dichter, bleib' bei deinen Blumen! Nicht an Thronen frech gemeistert! — wenn dich mehr als Blumenkronen eines Fürsten Kron' begeistert, Feire, wie's so manch' bescheidner, vaterländ'scher Sänger thut, Hohe Fest- und Namenstage, huldigend mit Sangesgluth!" Hohn bedünkt es mich, den Fürsten sonst zum Ruhme nichts zu singen, Als daß sie geboren wurden, und auch Namen gar empfingen! Buben mögen solches rühmen! Aber schweigen laßt mein Lied, Bis es große Thaten ragen, Licht und Freiheit strahlen sieht! „wie du doch so unerträglich! Freiheit stets, und Freiheit wieder! Stets dasselbe Liedlein leiernd! Kennst du sonst denn keine Lieder? willst du winseln nur und klagen, nimm dir doch ein andres Ziel! Suche andre Stoss' und Weisen, in der Welt ist Jammers viel!" Soll ichunserLand wohl schmähen? G kein schön'res find' ich wieder! Soll ich unser Volk verlästern? Das ist treu und gut und bieder! Linen Fehl nur haben beide: daß die Freiheit ihnen fehlt, Drob das Herz nur eine Klage, nur ein Lied den Mund beseelt! Anast. Grün's Werke II. 2Z Z54 , Li, dein Schmerz sei dir gelassen! Doch was störest du die Andern, Die zu euren schönen Bergen, duft'gen Wäldern fröhlich wandern, An der reifen Saat sich freuend, labend sich am goldnen wein? was in ihren Jubel rasselst du mit unsern Ketten drein?" Eben weil in solchem Jubel, zwischen solchem Bliithenleben, Zwischen goldner Saaten Säuseln, zwischen Kränzen duft'ger Reben, Unter Bäumen grün und laubig, unter Lerchen leichtbeschwingt, Das Gerassel arger Ketten gar so wunderschaurig klingt! H^mne an Oesterreich. Oviesin Austria, wie herrlich glänzest du vor meinen Blicken! Eine blanke Mauerkrone seh' ich stolz das Haupt dir schmücken, weicher Locken Lxx'ge Fülle reich aus deine Schultern fallen Blonden Golds, wie deine Saaten, die im winde fröhlich wallen. Festlich prangt dein Leib, der wonn'ge, in dem grünen Sammtgcwande, Dran als Silbergurt die Donau, und die Rebe als Guirlande; Leuchtend stammt dein Schild, der blanke, welchem Lerch' und Aar entsteigen, Aller Welt von deinem Bündniß mit dem Tag und Licht zu zeigen! Farbig ist ein Blumenestrich dir zu Füßen aufgegangen, Eine Garde stolzer Lichen seh' ich im Gefolg dir prangen, Aön'gcn gleich in Pnrpurmänteln deine hohen Berge ragen, Die als Aronen schmucke Burgen hell im Morgenrothe tragen. Hier bist du die Braut, die heitre, unter Blüthen an der «Duelle, Kränzend sich mit Perl' und Rose, spiegelnd sich in klarer Welle! Dort gleich muth'ger Amazone nach crsicgtcr Schlacht zu schauen, Erzumxanzert und gewaltig, doch voll Schönheit selbst das Grauen! 2Z* — ZZü — Mie im hohen Göttertempel glorreich einst Pallas-Athene, Stehst du da in stiller Weisheit, heil'ger Kraft und milder Schöne! Aus den lieben süßen Augen muß ein hoher Geist auch sprühen, Anterm Lxp'gen schönen Busen dir ein edles Herz auch glühen. In der Hand des wissens Bücher hältst du siegreich aufgeschlagen. Wissend, daß, wie deine Saaten, sie manch goldnes Körnlein tragen. Daß, wer hat gesunde Augen, Tageslicht vertragen lerne, Und noch keine Hütt' in Flammen ward gesteckt durchs Licht der Sterne. Erz berührt und Stein und Leinwand deine Zauberhand nur sachte, Sieh, da als ein Gott lebendig springt der Marmor aus dem Schachte, Sieh, da lebt und spricht die Leinwand, fröhlich klinge,: die Metalle, Und der Kunst geweihte Dome ragen hoch zur Sternenhalle! Freiheit prangt als heil'ge Losung über deinen Friedenshütten, Freiheit glänzt auf allen Bannern, drunter je dein Volk gestritten; Besser als die Händ' in Fesseln taugen dir die fessellosen, Sei's das Schwert der Schlacht zu schwingen, sei's zu pflücken Friedensrosen. Doch: vertrauen! heißt die Fessel, die dir gilt, dein Volk zu binden. And um Brüder sie und Brüder und um Fürst und Volk zu winden; Wenn der heil'ge Regenbogen stolz sich wölbt durch Wettergrauen, Strahlt aus ihm herab das große, schöne, cw'ge wort: vertrauen! Drum wohl darfst du stolz und freudig, Austria, dein Haupt erheben, Durch der fernsten Zeiten Nebel wird dein Schild noch glänzend schweben! viel hat dich der Herr gesegnet, doch du darfst auch rühmend sagen, Daß bei dir die edlen Keime reich und herrlich Frucht getragen! — 5Z7 Also klang jüngst meine Hymne, Sonst, wenn Dichter Hymnen singen, Glänzt ihrAug' wie Sonncnjubel, jauchzt ihr Herz wie Harfenklingen; Doch wie mocht' es denn geschehen, daß ich mußte bei der meinen So aus tiefstem, vollstem Herzen viel der bittren Thränen weinen? Sanct Stephans Eid. Ü)ie die Glocken hell des Morgens heut zu Weissenburg getönt! Jetzt ist's wieder still geworden, und der König ist gekrönt! — Sieh, nun tritt er aus dem Dome, xurxurstrahlend, glanzverklärt, Auf dem Haupt die neue Krone, in der Hand das blanke Schwert. Lnglein schmiedeten die Krone, wie die fromme Sage spricht, Aus Demanten sonnenhelle, aus Rubinen morgenlicht! Doch ein derber Schmied zu Dobschan ließ erglüh'n am Flammenherd, Schlug mit Hämmern auf dem Amboß das gewalt'ge scharfe Schwert. vor dem Stadtthor ragt ein Hügel, dessen Pfade Teppich schmückt, Drein des Landes Helle Farben, roth und weiß und grün, gestickt; Unten harrt der greise Kanzler, hält empor mit stolzem Muth Hoch das sammtne Purxurkisscn, drauf des Landes Satzung ruht. Rings geschaart in weitem Kreise Ungarns edle Völkerkraft! Hohe bärtige Magnaten mit dem Kern der Ritterschaft, Aebt' und Bischof' in den Infuln mit dem Krummstab und Brevier, Und des Reiches Bannerträger mit dem stotternden Panier! Z59 Auf den Hügel sprengt der König, jung und blühend, hoch zu Pferd, Nord- und südwärts, west- und ostwärts, schwingt er flink sein blankes Schwert; Dann gleichwie ein goldnes Standbild, steht er ruhig festgebannt, Und empor zum blauen Himmel hebt er feierlich die Hand: „Sei gegrüßt, mein Volk, und höre! Nimm aus meines Kanzlers Hand Die Geschenke deines Königs, meiner Liebe erstes Pfand! Freien Willens, freien Herzens geb' ich Freiheit dir und Recht, Dem ich mich der erste beuge huldigend als treuer Knecht! Ich beschwör's beim ew'gen Himmel, der im Sturm selbst Segen sprüht, Ich beschwör's beim eignen Herzen, das im Zorn selbst Liebe glüht, Nicht zu herrschen blind nach Willkür, nein, nach Recht und Satzung stets! Fürsten sind nicht immer weise, nie ein Thor ist das Gesetz. Und, beim Himmel, aufrecht halten will ich's heilig, fest und treu, Nie nach eignem Hirn es deuteln, nach Gelüst es modeln neu! will auch nicht in seiner Klammer halten mehr ein einzler Stein, Falle drob doch nicht das ganze wohlgefugte Bauwerk ein! Wend' es Gott, daß je ich führe in den Kampf fürs Unrecht euch, Daß dem Schild des Brudermörders meines Volks Geschichte gleich. Drauf, so prunkvoll auch dasWapxen, grausenhaft einBlutfleck spricht! Keine Thräne, keine Duelle wäscht ihn wieder rein und licht! Ich beschwör' es, zu bewahren glänzend meines Landes Ruhm, Blank wie Krieger ihren Panzer, sorgsam, wie ein Heiligthum! Einem garbenreichen Saatfeld ist des Volkes Glück wohl gleich, Doch sein Ruhm dem Aetherdome, glanzerfüllt und sternenreich! — z6o — Ich beschwör's, zu treuem Rathe gern mein Ghr und Herz zu lsih'n, Nie des Freien Wort zu fesseln, sei er noch so schwach und klein l Nicht in reichen Fürstengärten, wo ihr sie zu finden hofft, Auf verlaßner, stiller Haide blüht die schönste Rose oft. Ich beschwör's, mit eurem Gute hauszuhalten karg und weis', Dran derwittwe Thränen kleben,und des armen LandmannsSchweiß! wie doch konnte jenem munden noch sein süßer goldner wein, Der die schönste seiner Perlen in den Becher warf hinein? Ich beschwör's. zu sein ein Vater meinem Volke immerdar! Haltet nicht dieß Herz zu enge für die große Kinderschaar! Vaterherz ist doch an Liebe doppelt groß und reich und warm, Zu umschlingen und zu schirmen reicht um all' ein vaterarm!" Längst verweht sind schon die Lüfte, die der Königseid durchhallt, Ueber jene grünen Fluren sind Jahrhunderte gewallt, Ienes Bollwerk von Vasallen, rings als Riesenwand erhöht, Ist in Asch' und Staub zerfallen und in alle wind' gesät! Doch es wahrt die Burg zu Vfen Stephans Mantel, Aron' und Schwert, Wächter, blank in Waffen, schirmen jener Schätze theuren Werth; wenn sie einen König krönen, wird er damit angethan. Ach, daß man doch Stephans Geiste keine Wächter stellen kann! Sieht das Volk dann Stephans Mantel, wünscht es auch sein Herz hinein! Sieht sein Schwert es wieder schwingen, — möcht' es doch sein Arm auch sein! Sieht es seine Krone blinken, — weckte seinen Geist sie neu! Hört es Stephans Lidschwur tönen, — hielt ihn Jeder auch so treu! Kaiser Rudolph der Zweite. „B^ohl gestorben ist der Kaiser; denn wie ließ er's sonst gescheh'n, Daß im Rathsaal Willkür sitze, führerlos die Völker gsh'n, Daß sein Auge blind geworden, taub sein Ghr für unsre Noth? G der Kaiser ist gestorben! Warum hehlt ihr uns den Tod?" Also vor der Burg des Herrschers rief des Volkes Schaar empor. Sieh, da tritt ein Mann im Purpur nickend zum Balkon hervor; Herr Rudolxhus ist es selber! Schnell doch zieht er sich zurück! — Daß der Kaiser noch am Leben, ach, bezweifeln kann's kein Blick! Voll Quadranten, Himmelsgloben prangt im Schloß ein Kämmerlein, Mit dem weisen Sternendeuter schloß sich dort der Kaiser ein, Daß der Supplikanten Menge ihre Forschung störe nicht, Und der Kanzler nicht zur Unzeit bringe lästigen Bericht. viel und wicht'ges gibts zu schlichten, nach den Uhren muß er seh'n, Horoskope muß er stellen, in den Zauberspiegel späh'n, Gllldne Kettlein muß er schmieden, — wo bleibt da fürs Volk noch Zeit? — Und, fürwahr, in allen Künsten bracht' es Herr Rudolxhus weit! — zöe — Lr entdeckt ein neues Sternbild, — jenen Hellen Stern zwar nicht, Der von Thronen über Völker segnend ausstrahlt mildes Licht! — Nein, ein Stern am Abendhimmel war es, den sein Auge fand, Der in seines Astrologen Himmelskarte noch nicht stand. Lr durchsann ein künstlich Uhrwerk, — zwar nicht jene Räderwelt, Deren regelrecht Getriebe Staat und Volk im Gang erhält, — Nein, ein seltnes Werk von Rädern, von der Kaiserhand gebaut, Und mit süßem Glockenklange Tag' und Stunden grüßend laut. Lr erzog sich eine Taube, — zwar die Friedenstaube nicht, Zwischen Volk und Herrscher schwebend, mit dem Gelzweig, grün und licht, — Nein, ein weißes Turteltäubchen, das im Lenz er sendet ans, Daß es frische Zweig' und Blumen bringe in sein finstres Haus. Ja, er zähmte einen Löwen, — nicht der Völker Zwietracht Leun, Der, die blut'ge Mähne schüttelnd, seinem Lande mochte dräun! — Nein, den König heißer Wüste zog geschmeidig er und zahm, Daß nur aus der Hand des Kaisers er sein täglich Futter nahm.- Linst des Abends, noch sein Antlitz zugekehrt dem Sternenreich, Lag entschlummert in dem Armstuhl Herr Rudolphus, kalt und bleich, In den Händen, an des Zepters und des goldnen Apfels Stell', Dis kristallne Zauberkugel und ein Fernrohr blank und hell. Den Verlust empfinden Alle, die er vatergleich gepflegt, Sein Begängniß feiern Alle, die er liebereich gehegt: Aus den Fenstern fliegt die Taube zu dem stillen Kirchhof hin, Und zurück dann bringt zur Leiche sie ein Zweiglein Rosmarin. — Z6z — Fremdem Blick entschwand das Sternlein, seit verloscht des Auges Brand, Das allein den kleinen, Hellen unter Millionen fand; Trank und Kost verschmähend streckte auf sein Todtenlager bald Sich der Löwe, seit die Hände, die ihn nährten, starr und kalt. Gleich dem Herzen seines Meisters will das Uhrwerk nimmer geh'n, Und auf seiner Todesstunde blieb der goldne Zeiger steh'n. Dieses Alles ist geschehen, als Rudolphens Geist entschwebt.-- Nur das Volk alleinig glaubte, daß sein Kaiser fort noch lebt. Die ledernen Hosen. L^och auf seiner Burg in Vestreich haust ein lust'ger Rittersmann, Hold des frommen Manns Lutheri neuen Lehren zugethan, Die aus dumpfen Klostermauern frei und leuchtend einst entstiegen, Wie aus schwarzen Felsgeklüften Schaaren weißer Tauben fliegen. Und sie flogen bald auch siegreich über Gestreichs Fluren hin, Die verwegnen sah mit Zürnen Kaiser Ferdinandus ziehn, Und Edikte ließ zermalmend über sie vom Thron er fallen, Wie von hohen Felsenhorsten Geier mit den scharfen Krallen. Sonntags früh, als die Gemeinde Glockenklang zur Kirche ruft, Wallt im grünen Forst der Ritter, freuend sich an Laub und Duft: „Wer den Herrn nicht kann im Walde, kann ihn auch im Dom nicht ehren, Und wen nicht die frommen Blumen, wird kein Pfäfflein auch bekehren." Sieh, da rauscht' aus Busch und Dickicht stolz ein Edelhirsch empor, Doch es streckte schnell zu Boden ihn des Ritters Feuerrroh: „Wer da zu Mittag des Sonntags seinen Braten will genießen, Li, der wird dazu das wildxret doch wohl auch sich dürfen schießen." - Züz - Als der Ritter kehrt zum Schlosse, steht der Pfarrer vor dem Thor, Stolz, wie im Triumphe, haltend hoch ein Pergament empor: „Wer des Sonntags, statt derMesse, Feld- und Waidwerks sich beflissen, Soll's mit hundert Golddukaten in den Schatz des Kaisers büßen! Während ihr in Wäldern pirsche, oder Böcke schießt vielmehr, Ward verkündet von der Kanzel dieß Edikt so inhaltschwer. Mögt verzeihen, edler Ritter, wenn ich's euch bedauernd sage, Daß das Meß- und Predigtschwänzen selten goldne Früchte trage!" „Dießmal," sprach der Ritter lächelnd, „trug's doch Gold, wenn auch nicht mir! Doch mir bleibt diepaut despirsches: im Edikt steht nichts von ihr! peil dem übergnäd'gen Kaiser, der uns doch die paut will lassen! Seht, vielleicht zu einemWamseoder sonstwas kann sie passen!"— — Einst nach Jahren, als der Kaiser heim von ernster Fahrt gekehrt, Lud er vor den Thron zu pofe seine Edlen, treu und wcrth: Jeder mög' in seinem Kleide dann des Landes Farben führen, Gder sonst mit seinem schönsten, köstlichsten Gewand sich zieren! In dem Kaisersaale wimmelt's von Gewändern, roth und weiß, Samnit und Perlen, Gold und Demant glllhn und strahlen rings im Kreis, Drüberhin mit Wohlbehagen scheint des Kaisers Äug' zu wallen, Aber plötzlich ernst und zürnend läßt auf Linen er es fallen. Und er ruft dann halb mit Lächeln, halb mit droh'ndem Ungestüm: „Seht, ihr perrn, doch dort den Bauer und sein posenungethüm! Traun, die gelben Lcderhosen reichen fast ihm bis zum Kragen! Freund, warum willst du des Landes oder meineFarb' nicht tragen?" z66 „Herr, weil ihr zu oft sie wechselt!" spricht der Ritter drauf mit Muth, „Doch des Landes Farben passen für uns Bauernvolk nicht gut! Dor dem rothen grellen Alcide würden scheu uns alle Stiere, And das zarte Weiß stets fürchtet, daß es Gras und Laub beschmiere. In den theuersten Gewändern, Herr, beschied man uns heran, Drum die köstlichste und schönste meiner Hosen zog ich an, Denn mit hundert goldnen Füchsen mußt' ich sie euch selbst bezahlen. Wernoch kann mit solcher Hose und mit solchem Schneider prahlen? "— Wackrer Ritter, aus dem Himmel blickst du nun auf ird'schen Aram, Wo so gänzlich aus der Mode deine Lederhose kam, Wo in Seid' und Sammt wir prunken! — Lächelnd doch siehst du die Gecken Unbewußt, bis an den Aragen, tief in Lederhosen stecken. Maria Theresia. T^>eiße Rosse, ungeduldig, stampfen vor dem Kaiserschloß, Unten harrt die Staatskarosse und der Diener goldner Troß; Gben in der Burg Gemächern weilt die junge Kaiserin, Festlich zu dem Kirchenzuge schmückend sich mit bangem Sinn. „Mädchen, gib mir an den Busen jenes Kreuz rubinenroth, Daß mein Auge sich gewöhne oft zu schauen Kreuz und Noth! Flecht' ins Haar mir jene Perlen, daß sie meinen Blicken fern, Denn an meines Volkes Thränen mahnen sie mich allzugern! Lege mir an Brust und Nacken Diamant und Edelstein, Daß doch etwas an dem Busen sei, nach Fürstenart, von Stein! Reiche mir den Ring der Liebe, daß sein goldnes festes Band vor des schweren Zepters Schwielen schütze meine zarte Hand! Drücke meiner Ahnen Krons gut mir in das weiche Haar! Ach, nicht fest auf jenem Haupte ruht ihr goldner Reif, fürwahr, Wo die weiche scidne Locke um den Rang mit ihr noch kriegt, Und vielleicht in solchem Kampfe wunderbar der Kron' obsiegt! Hefte fest den Purpurmantel! Wie erträgt das schwache Weib Seine kast, die Heldenmännern niederbog den kräft'gen Leib? Pagen, faßt die goldne Schleppe! Wohl bedarf ich ja der Hand, Die mir liebreich tragen helfe meines Purpurs schwer Gewand. Reicht mir einen blanken Spiegel! — Doch im Glase aufgeglüht Winkt ein Frühling, der voll Lilien, voll von süßen Rosen blüht! Ach, der Lenz, der waffenlose, mild und lächelnd ist zu sehn, Wo ein Fels im Morgenrothe majestätisch sollte stehn! Denn ihr finstres ernstes Antlitz schüttelt meine Zeit voll Schmerz! Ihren Unmuth zu besiegen frommte eine Hand von Erz! Doch ich kann die finstren Locken und des Grames Faltensxur Ihr mit weicher Hand gelinde streicheln aus dem Antlitz nur!" Und es sank ihr aus den Busen eine Thräne hell und licht, Aber unter den Demanten da bemerkte man sie nicht! Sie doch sah den feuchten Demant aus dem dürftigen Gewand Jenes armen Manns, der bettelnd an der Uirchenxforte stand. Ties bewußt der eignen Ghnmacht wallt das schwache schöne Weib, Aber sieh, die Urast der Männer beugt vor ihr den stolzen Leib! D wie hoch für solche Schwäche der Begeist'rung Banner braust. Doppelt scharf die Schwerter blitzen, doppelt kräftig jede Faust! 5ein Bild. Sein Lob ist nicht ein Loblein! Walther v. d. Bogelweide. ^)icht umwogt von volkcsmenge ragt ein luftig farbig Zelt; Li, was doch die bunte Hülle wohl für einen Schatz enthält? Birgtsienichtdieschönsteperle, Muschelngleich, in schlichtem Schrein? Hüllt sie nicht das schönste Antlitz, wie ein neid'scher Schleier, ein? Glockenklang, Kanonendonner! — Sieh, des Zeltes Hülle sank, Und enthüllt' ein riesig Standbild, erzgegossen, hell und blank! Wie zur Huld'gung, trat die Sonne jetzt auch aus dem Rebelflor! Jauchzend, daß die Sterne bebten, schlug des Volkes Ruf empor! Ruhig auf granitnem Sockel schwebt das Kaiscrbild voll Glanz, Um die Schläfen keine Krone, nur den selbsterrungnen Kranz! Hoch zu Roß, das Antlitz lächelnd, und empor die rechte Hand Sanft erhoben, wie zum Segen über sein geliebtes Land. Ja, du bist es, weiserJoseph!— voll von Kraft und Mark und Klang, So im Bilde von Metalle, wie dein Leben all' entlang! Dem getreu und kühn beharrlich, was als edel du erkannt, Und an deinem großen Werke bauend fest mit ehrner Hand! Anast. Grün's Werke II. 24 — Z/O — Lin Despot bist du gewesen! Doch ein solcher, wie der Tag, Dessen Sonne Nacht und Nebel neben sich nicht dulden mag, Der zu dunklen Diebesschlüften die verhaßte Leuchte trägt, Und mit goldner Hand ans Fenster langer Schläfer rastlos schlägt. Ein Despot bist du gewesen! Doch, fürwahr, ein solcher blos, Wie der Lenz, der Schnee und Kälte treibt zur Flucht erbarmungslos; Der den ärgsten Griesgram lustig mit dem hellsten Thau besprengt, Und mit seinen Festeskränzen selbst den ärmsten Strauch behängt. Drum mit Recht gab dir der Bildner Brust und Stirn' und Hand von Erz! Aber küssen, brünstig küssen möcht' ich diese Hand von Erz! — Doch ich weiß nicht, ist es Laune, ist es kind'scher Unverstand, Aber eine Rose gerne säh' ich in der ehrnen Hand! All dein Ringen nach dem Lichte, all dein Thun in ernster Zeit, Glich's nicht einer Hand von Eisen, die uns eine Rose beut? Ein beharrlich ernstes Kämpfen um ein morgcnrothes Land! Drum, o legt ihm weich die Rose in die harte chrne Hand! was er seinem Volk geboten, war's des Frühlings Bote nicht? Drum im Kampf er ausgedauert, stammt' es nicht aus Morgenlicht? Drauf einst unverrückt sein Auge, war's nicht ros'gerFreiheit Pfand? Drum die Rose allzugerne säh' ich in der ehrnen Hand! Ach, es will der Freiheit Rose uns im Garten nicht gedeihn! Ghne Rose doch kannst nimmer, Erzkoloß, sein Bild du sein! Nur ein Bildniß unsrer Zeiten dünkst du mir zu dieser Frist, Dem die ehrne Hand geblieben, doch die Ros' entfallen ist. Gastrecht. Alexander Ypsilanti stürzt vom Schlachtfeld kampferhitzt, Wo die Freiheit ihres Blutes letzten Tropfen hat verspritzt, Wo er einen hohen Grden sich gewonnen, unbewußt, Eine schöne Heldenwunde, klaffend vorn an seiner Brust. So mit stolzer Purpurrose seinen Busen ausgeschmückt, In derHand den Stumpsdes Schwertes, kampfzerbrochen und zerstllckt. Tritt der Held auf Gestreichs Boden, — o betrat' er ihn doch nicht! Beut vertrauend uns die Hände, tritt an unfern Herd und spricht: » „wenig ist's, darum ich flehe! Gebt mir Linnen zum verband, Laßt an eurer Luft mich laben, und erfreu'n an eurem Land!" Mächt'gerals der Mund des Gastes spricht sein rinnend Heldenblnt! Und sie heißen ihn willkommen, und zu bleiben wohlgemuth: „Nunkats ist ein hübsches Schlößlein, Luft und Aussicht schön und rein! Nur beschränkt euch noch einstweilen auf ein einz'ges Fensterlein; An verband soll's auch nicht fehlen, der wohl fest und gut euch xaßt, Scheint er auch zu sein von Eisen, gleicht er auch den Ketten fast." — 24* — Z/2 — Durch sein Gitterfenster nieder blickt der Griechenheld aufs Land, Das in schwelgerischer Fülle zaubervollen Lenzes stand: „V wie können Rosen duften, Saat und Frucht noch schwellen dicht, Saft'ge Reben lockend winken, wo des Gastes Recht man bricht?" — Sieben lange Jahr' in Retten dort der Leu aus Hellas lag. Sieh, nun löst man sie, daß wieder frei mit uns er wandeln mag ' Aber kaum nach sieben Tagen brach der Tod sein Herz entzwei! Traun, mich dünkt, daß er gestorben wohl an unsrer Freiheit sei! Alte Geschichten! ^)n dem Bürgerzeughans blinkt es von Gewehren mannigfalt, Waffen aller Zeiten glänzen, wie Annalen der Gewalt; Stahl an Stahl rings an den Wänden: seltener Taxetenschmuck! Erz auf Erz an Säul' und Decke: wohl ein sondrer ehrner Stuck! Manch ein blanker Heldenpanzer, manch ein fürstliches Gewand: Gede Häuser, deren Eigner ausgewandert aus dem Land! Manch ein rostend Schwert derTapfern, manch ein schlankgercckter Speer: Ruder ohne Steuermänner in des Krieges blut'gem Meer! Bünde von Musketenläufcn sind zu Säulen blank gedreht: Wehe, wenn des Staats Gebäude nur auf solchen Säulen steht! Bajonnet und Säbel formen schwebend dort den Kaiseraar: Sei nur hier allein von Eisen, hoher Adler, immerdar! Wenn im Streit der Fllrstenrechte Waffen sind der letzte Grund Und ihr Codex Kriegestrommcln, Rechtsfreund der Kanonenschlund, Schwerter ihre Syllogismen, ihr Beweis das Bajonnet, G dann wohnt in diesen Sälen eine ganze Fakultät! — Z74 Horch, vom glatten Marmorxflaster hallt schaulust'ger Fremder Tritt! Sieh das zungenfert'ge Männlein, schreitend stolz als Herold mit, Jedem Panzer sein Geschichtchen, jedem hohen Haupt ein Aleid, Schlachten jedem Helm und Banner, Helden jedem Schwert bereit! Dort die Nische zeigt ein Kästlein, abenteuerlich geschmückt, Draus, von seinem Rumpf geschieden, hohlen Augs ein Schädel blickt, Eine rothe Schnur daneben, kündend blutiges Gericht! Jetzt erfaßt den Aopf das Männlein, hebt ihn hoch empor und spricht: „Wien, erkennst du diesen Schädel, dem du schaudernd einst gebebt, Als er Wohnung noch des Geistes, der vernichtet und begräbt? Aara Mustaxha, der Wessir, sank er in Vergessenheit? Wohl sind's an zweihundert Jahre, wahrlich schon geraume Zeit! Denkst du's nicht, wie er zerrieben deines Bollwerks treu Gestein, Wie er's schwur, zu weichen nimmer, bis er zog' in dich hinein? Und sein Eid, erfand Erfüllung! Doch des Schicksals Spott ist schwer: Seht, wie er hereingekommen! — Es ist deß schon lange her. Türken rings im Feld gelagert: arge Schnitter unsrer Saat, Türken rings in Rebenhügeln: karge Winzer, in der That! Gottlob, daß wir jenes Aornes, jenes Weins nicht warten mehr! Schmal ging s da um Trank und Speise! — Ei, das ist schon lange her! Wien, o Wien, du bist verloren! weh' dir, tapfre Heldenschaar! Stark wohl war im Wald der Eichbaum, doch der Sturm noch stärker war! Fest stand der gewalt'ge Felsen, doch gewalt'ger war das Meer! Wien, o Wien, du bist verloren! — Doch das ist schon lange her. 375 Lieh, da steigt ein Stern zur Höhe: — die Signal-Rakete kracht! — lvird zum lohen Flammcnschwerte, fegend rings der Heiden Macht, Wird zum Regenbogen, kündend heitren Himmels Wiederkehr! Wien, o Wien, du bist gerettet! — Dessen ist's wohl lange her. von den Bergen rauscht und blinkt es, (Duellen gleich im Sonnenstrahl, Traun, ein Katarakt von Helden, stürzend auf den Feind im Thal, Wie ein Samum Gottes, jagend ihn als Spreu im wind umher! Wien, o Wien, du bist gerettet! — Ja, das ist schon lange her! Und wie hießen sie, die Sieger, so voll hohem Geist und Muth? Polen, glaub' ich, sind's gewesen, die für uns verspritzt ihr Blut, Und ein sichrer Sobicski Steuermann im Kamxfesmeer! Namen sind gar leicht vergessen, — es ist ja schon lange her! Als er siegreich eingeritten, ward des Volks zu eng der Raum, Jubel rufend und ihm küssend Hände und des Kleides Saum: Unsrer Kinder Blut, o Polen, sei euch unsres Danks Gewähr! Also Wien ihm dankbar jauchzte, — dessen ist schon lange her! Drauf der Fürst: Empfangt ein Denkmal dieses Tags aus meiner Hand: Dieses Schwert, das für euch känipfte, dieß Panier, das für euch stand! Polens Adler, Deutschlands Adler, seid geschieden nimmermehr!- Seht, dort hängt noch Schwert und Banner, es ist deß schon lange her. Kaiser Seopoldus tafelnd, warm die Hand dem Polen bot: Krone, Reich und Volk gerettet hast du mir aus Kampf und Noth, Daß gedeih'» einst, wachsen, blühen fröhlich mag mein Oesterreich, Stark, den eignen Herd zu schirmen und manch lieben Freund zugleich! — 376 Dir nur dankt es einst mein Enkel, daß sein Arm von Ketten frei, Daß er kein beschorner Sklave, kein beschnittner kleide sei, Daß des alten Gottes Dome noch des Kreuzes Glorie krönt, Daß sein Wappenaar noch steiget, daß noch seine Sprache tönt; Daß, statt schalen Wassers, würzen solch ein Wein noch darf sein Wahl, Dessen Goldborns voll ich weihend jetzt dir bringe den Pokal: Polen hoch für jetzt und immer! hoch an Freiheit, Macht und Ehr'! — Also sprach der deutsche Kaiser, — dessen ist's schon lange her." Cicero trat von der Bühne, Licerone aus dem Saal. Vb dasMännchen niegetafelt, horchend, an des Kanzlers Mahl?- Sieh, da schüttelt, gleich als wollte etwas ihm nicht recht zu kjirn, Jener gelbe Türkenschädel, voll des Unmuths, seine Stirn; Gleich als wollt' es wieder fechten, rasselt Sobieski's Schwert, Rauschend aus dem rothen Banner fast der weiße Adler sährt, Gleich als wollt' er glorreich schwingen sich ins Morgenroth hinein, wie sein kjeldenvolk im Kampfe, kraftvoll, muthig und — allein! Zur Lholerazeit. (einer Hoffnung fromme Blume, die ich heimlich nährt' und tränkt', Hielt in stiller Todesahnung schon ihr rosig Haupt gesenkt; Lenz und Licht umsonst erharrend, siechte sie schon lebensmatt, Ach und seine grüne Flagge strich besiegt ihr welkes Blatt. Dieß geschah zur Zeit, als oben sprach der Herr vom lvolkenthron: „Hast du meines Zornes Boten, Erde, so vergessen schon, Den verkündet Bluttrabanten, dem gefolgt Brand und Entsetzen, Daß, nachzittcrnd noch, du wieder opferst schon den alten Götzen? Steige, zweiter Engel, nieder ohne Schwert und Blut und Brand! Schwing' als richtend Schwert ein Füllhorn duft'gcr Frücht' in deiner Hand, Nimm zu Flügeln weiße Blüthen, Frühlings Sonnengold zu Locken; So, moderne j?cst, nun walle säuselnd hin auf Zefirs Socken!" Und der Engel flog vom (Osten, wo der Tag wohnt und der Aaar, Stumm uns näher, immer näher, ird'schen Augen unsichtbar, Seine luft'gen Bahnen zeigte doch auf Erden, Uleil' auf Meile, Der gefallnen Leichen stumme, unabsehbar lange Zeile. Z/8 Sommer war's, zum Herbst sich neigend, schöne, klare, sonn'ge Tage; Sieh, das Volk, hinaus lustwandelt's'nach dem Felde, nach dem Hage; Weh, es zielt mit Sonnenstrahlen jetzt auf euer Herz der Tod! Weh, es kühlt in Baumesschatten euch des Lebens Schweiß der Tod ! Diesen dürstet, — o wie lieblich dort die frische CZuelle singt! Seht anührem Born ihn liegen: Tod ist's, was sie rauscht und klingt! Jener Knabe lechzt nach Labung, — Trauben winken wangenroth ; Heuer gibt's ein reiches Lesen, doch der Weinstock trägt nur Tod! Schwärmerische Seele, wandle nur im süßen Mondenschein: Aus des Lebens Iammcrthalen wird dir bald Erlösung sein! — Greiser Vater, euren Segen, eh' verglüht das Abendroth! Weh dir, guter Sohn, als Segen quillt aus Vaters Hand dir Tod! Weiche Rissen, Tafftgardinen! Süßen Ruß auf rothen Mund! — weh', der Ruß des Liebchens siegelt Tod auf deiner Lippen Rund! — Reu'ger Sünder, nimm die Hostie am Altar im Rerzenstrahl! Das versöhnungsmal der Reue ist dein letztes Abendmahl! — Zeit der Reu' ist's und Bekehrung; wie das Volk der Priester rennt! Todesfeindschaft sucht Versöhnung, Ehebruch und Mord bekennt, Alle Sünder thun jetzt Buße; — Lenker meines Volks, nun spürt Ihr doch auch des Todes Schrecken, der euch bessert, läutert, rührt? Siehe, meiner Hoffnung Blume fand ich wieder aufgelebt, Ihres Blattes grüne Flagge frisch und froh emporgestrebt! Dieß geschah zur Zeit, als mitten unter uns der Engel stand, Und ich hart an mir das Wehen seines Flügelschlags empfand. Z7Y Und es kommt ein furchtbar Sterben. Mit dem Tod wirst du vertraut, Daß vorm eignen Spicgelbilde, ist's noch wangenroth, dir graut, Daß du Abends bebst zu Bette, gleich als ob dein Sarg es sei, Daß sie Graun erfaßt, begegnen sich lebend'ger Wesen zwei. Tag, was warfst du des Erwerbes Werkzeug aus der Rand so früh? „Ach, weil Sarg und weißes Linnen sich erwirbt mit kleiner Müh!" Nacht, hast du vergessen Lieder, Anall der Flaschen und Frohlocken? „Meine Liebling', all entartet, lauschen nur den Sterbeglocken!" — Raben meines Dolkes Lenker nicht des Engels Rauch gespürt, Daß am alten Thun sie haften, ungebesscrt, ungerührt? Nein, sie steh'n wie Marmorbilder, kalt und starr, an einem Grab; Ihrer Schilder alte Losung wäscht kein Sturm, kein Regen ab. Aber als ich nach der Blume meiner Hoffnung wieder sah, Lag zertreten sie am Boden, todeswelk und farblos da. Dreß geschah zur Zeit, als von uns sich des Engels Flug gewandt: Wer erharrt es, bis der dritte, fllrckterlichste Bot' entsandt? Einem auswandernden Freunde. Lebewohl, du lieber Pilger, grüße mir den fernen Strand, Wo einst Franklin Weisheit säte, Washington einst fechtend stand; Deine Seele, rein und edel, bleibe drüben so wie hier, Nur der Blick, der trübe, werde heitrer über'm Meere dir! Lebewohl! — Dein schönes Auge, ach, nie sah ich's freudenhell, Nur, gleich schwarzer Wolke, schüttelnd einzle Blitze lustiggrell; Doch gesenkt sonst immer neigte wehmutvoll und feierlich, Eine schwarze Trauerfahne, übers Vaterland es sich. Lebewohl! — bfa, weiße Segel seh' ich schon im Wind sich blah'n, Seh', umglänzt vom Meeresspiegel, dich an Bord des Schiffes steh'n, Das, statt Perlen fremder Meere uns zu zollen, jetzt verkehrt Wohl der schönsten, hellsten eine raubend uns, von dannen fährt. Lebewohl! — Gleich Licbesboten tragen flink noch durch das Meer Zwischen Schiff und Land die Wellen Abschiedsküsse hin und her, Doch es schifft vom kseimatboden nichts mit dir durch Meeresfluth Als Erinnerung im kserzen und ein grüner Strauß am ksut. - M - Und cs ist, so will's mich mahnen, dieser Strauß gleich mir und dir: Frische Zweige, sestgewundcu in den Aranz der F-rühlingszier, Und entkeimt dem Heimatboden, der ihm Trieb und Blüthen bot, Und aus dem auch wir gesogen Zugcndmuth und Wangenroth. Lebewohl! — Die Mörser donnern! Stolz entschwebt das Schiff gen West, Wimpel all' und Flaggen deuten, Fingern gleich, die Bahn gen West: Mit verschränkten Armen seh' ich an den Mast gelehnt dich steh n, Aber gegen Dst dein Auge nach der Heimat Austen späh'n. Mich bedünkt, es mag das Auge wohl des Herzens. Flagge sein, UnddeinHerz, dicßcdleSchifflcin, darf desAugsverrathnichtscheu'n, Schwer wohl riß es los die Anker, eingebohrt ans Vaterland, Und vielleicht noch blieb manch einer hängen fest am heim'schen Strand. Drum, o sprich, was lockt dich drüben, das die Heimat dir versagt? Ist's des Rechts erhabner Leuchtthurm, der dir hell herübertagt? Ist's der Gnadcnort der Freiheit, der Madonna unsrer Zeit? Hast auch du der großen Wallfahrt gläub'gen Volks dich angereiht? Wie der Arenzespilger Schaaren einst gen Zions Trümmerrest, Wälzt sich jetzt der Völker Heerzug ins gelobte Land gen West; Ach, wohl wird's auch euch ergehen, wie sich's jenen einst begab: Euer Heiland ist erstanden und ihr trefft ein leeres Grab! Freund, ich weiß, daß allzu üppig uns derFreihcitBaumnicht sprießt Und nur wen'ge der Lrkornen mit dem breiten Schirm umschließt. Daß bei uns des Rechtes Wage eben andern Wagen gleicht Und, nebst Recht und Unrecht, manches Andre wägt, was schwer und leicht. Z8- Aber soll dein Leid dir sänft'gen heulender Huronensang, Wenn's dcmFeuerlied der Freunde nicht bciin deutschen Wein gelang? Soll den Schmerz dir übertäuben Niagaras Donnerhall, Wenn s bei sanftem Donaurauschen nicht vermocht die Nachtigall? Traun, ich fürcht', an keinem Baume in des Urwalds Nachtverließ, Unmuthvoller Argonaute, hängt dir dort dein goldnes Vließ! Undwenn, wasdusuchst, du fändest,— kannst du schwelgen im Genuß, Eingedenk der Schaar der Freunde, die daheim noch darben muß? Eins doch weiß ich, und dieß Line gibt mir Kraft und Zuversicht: Keine Nacht war noch so dunkel, der nicht obgesiegt das Licht, Keines Winters Eis so feste, daß der Lenz es nicht durchhieb, Keines Kerkers "Wand so ewig, daß die Zeit sie nicht zerrieb! Ja, ich weiß es, — denn uns Allen quillt im Herzen manch ein (Duell Jenes urgewalt'gen Stromes unversiegbar, bronnenhell, — Segelreich und breit und mächtig durch die Gau'n des Vaterlands Wird der Strom der Freiheit rauschen einst voll Majestät und Glanz! Ja, ich weiß es, — denn uns Allen, tief und stillverborgen, sprüht Manch ein lichter Funke jenes Morgenrothes im Gemüth, — Ja, des Rechtes klaren Morgen werden wir noch tagend sehn Liederreich in ewgem Frühroth über unfern Häuptern stehn! Dann wallst drüben du am Meere; deiner Sehnsucht schwanker Kahn Gleitet auf und ab die Wellen, sucht und flieht der Heimat Bahn; Horch, da klingt's wie Glockenläuten übers Meer von Gsten sern: Das sind unsrer Dome Glocken, grüßend laut den Morgenstern! - ZSz - Sieh, da wogt zu deinen Füßen roth und röther stets das Meer, Und im Rosenglanze glühen Flur und Himmel rings umher, Urwald selbst und Steppe wollen jetzt ein Rosengarten sein: Das ist unsrer Morgenröthe überseeischer Widerschein! Und was will dieß weiße Segel, schwebend auf der glüh'nden Fluth, Wie ein Fllrstenbrief der Gnade, der auf rothem Rissen ruht? Ja es ist ein Brief der Liebe, freud'gcr Runde voll, fürwahr, Auf des Meeres Purxurkissen reicht der Vst dem West ihn dar! Und du wirst die Runde lesen. Mit entwölktem Hellem Blick Nach dem Vaterland, dem freien, steuerst wieder du zurück; Aber statt des schwarzgclockten Iünglingshauptes spiegelt dann Im Rristalle sich des Meeres ein gebeugter greiser Mann. Doch was ist dir dann die Heimat, deren Leiden du nicht littst, Deren Losung du vergessen, deren Rümpfe du nicht strittst, Deren Banner du nicht schirmtest, deren Reihn du miedest längst Und zu deren Siegesmahlen du, ein fremder Gast, dich drängst? Und woran soll dann die Heimat dich erkennen noch als Sohn, Fremder Mann, der ihre Sprache spricht entwöhnt, in fremdem Ton, Welch ein Zeichen deiner Abkunft bringst du über Meeresstuth? Jst's vielleicht der fahle dürre Strauß auf deinem Pilgerhut? DieserStrauß, so will mir's ahnen, wird dann sein gleich mir und dir: Altes Reisig, nimmer taugend in des neuen Lenzes Zier, Längst verdorrt in jener Sonne, die im Gst und West sich gleicht, Mir und dir gefurcht das Antlitz, mir und dir dasHaupt gebleicht! — 584 Drum, ein schöner Fruchtbaum, wurzle du im heim'schen Boden fest, Bringt erdirauchFrostundStürme, bringt er doch auch Lenz und West! Kreis' ein Schwan der Hoffnung ruhig auf bewegtem heim'schen Strom, Trage mit als schmucker Pfeiler an des Vaterlandes Dom! Weiche nicht von uns, 0 Jüngling! Laß uns All' in festen Reihn, HandinHandundHerzamHerzen, stehn ein wall von Marmelstein! — Ach, wohl längst schon sieht ernimmer meines Tuches Abschiedsweh'n, Mählich dunkelt's, und dem Auge ist das Schiff nicht mehr zu seh'n. Renegatenspiegel. Ü^elcher wind weht, daß mir Alles heute kommt so türkisch vor. Daß nun als Moschee und Harem ragt Palast und Rirch' empor, Daß gemeine weiden, Pappeln, in Lipreß' und Palm' verhext, Und zum wcichselrohrkolosse mein Ligarrenstümpfchen wächst? Glücklich ist des Marktes Springquell, der fast starb an wassernoth, Doch jetzt, orientalisch prasselnd, diamantne Sündsluth droht; Glücklichster doch bist du, Esel, dem Kameel gleich angesehn, wähle frei, ob Höcker besser oder lange Ghren stehn? In der Marmorwanne streckt sich dort der stolze Renegat, Roscnwasser sprengt ein Diener, andre rings umstehn das Bad, Weiße Linnen, duft'ge Salben haltend, stehn sie tiefverneigt, Harrend stumm, bis ihre Sonne aus des Meeres Becken steigt. Den Gebieter hält Behagen bei der Nymphe laug zurück, Eins nur müht ihn: seinen Rücken wegzudrehn dem Dienerblick; Denn ein Mann, der ein gestempelt Eisen trug von ungefähr, Stieß das gliih'nde in der Heimat ihm einst drauf von ungefähr. Anast. Grün's Werke II. 25 z86 „Dank" —s o läßt er sich vernehmen — „sei dir, heil'ger Gott, gesandt,— Doch nein, Allah dir! — denn also schreibst du dich ja hier zu Land; Beiden Mundendes —halt inne! Hier heißt's ja: bei Mahoms Bart! Spröde Lhristenzunge, Alles ist ja doch nur Redensart! Heilige Redensart, dir dank' ich Ehren, Nacht und Goldgewinn, Daß des großen Wessirs Liebling, Herz und rechte Hand ich bin, Daß ich darf, statt heim'schen Sandes, Paradiesesau'n durchtraben, Daß mich, statt Teltower Rübchen, Lorfu's Ananasse laben! Daß ich, Iman meinem Schützer, Recht und Unrecht darf bescheiden, So daß wir vom selben Strauche Ruthen oder Kränze schneiden; Wie dem Ungar treu seinSchafxelz, ist das Recht uns einBewährtes, Rauhes auswärts: Kühlung gibt es, Rauhes einwärts: Wärme nährt es! Dank dir, daß du mir die Feder und das Nesser schliffst gleich scharf, Daß ich mit dem Herrn arbeiten an der Volksbeglückung darf, Norgens, eh' wir sie beginnen, den durchlaucht'gen Bart rasire, Abends, wenn wir sie vollendet, Hühneraugen operire! Daß ich im Poetenhaine jeden Steg ihm zeigen kann, Wie gesprochen und gesungen unser junges Türkistan, Schöne Stellen mit dem Schwarzstift, Schnödes mit dem Röthel streichend, Frevelndem Gedankenvolke schnell die rothe Schnur darreichend. Ach, wie ist die volksbeglückung der Gesundheit auch gedeihlich! wie seithero Wang' und Waden mir sich runden so erfreulich, Und ein Bäuchlein schon Besitz nimmt von demplatz, der leer sich fand, Gleich dem led'gen Stuhl Sankt Peters, harrend, daß sein Pabst ernannt!" — Z87 — Plätschernd steigt er aus dem Bade. Lin Rechtgläubiger, der da harrt, Ihn zu salben und zu kleiden, streicht sich stolz den grauen Bart: „Preis dir, Allah, daß geboren diesen Unhold fremdes Land, Und kein Mann zu seinem Amte in ganz Türkistan sich fand!" Unsere Zeit. -<^iuf dem grünen Tische prangen Kruzifix und Kerzenlicht, Schaff' und Räthe, schwarzgekleidet, sitzen ernst, dort zu Gericht; Denn sie luden vor die Schranken unsre Zeit, die Frevlerin, Weil sie trüb' und unheildrohend und von sturmbewegtem Sinn! Doch es kommt nicht die Gerufne, denn die Zeit, sie hat nicht Zeit, Kann nicht stille stehn im Saale weltlicher Gerechtigkeit, Während sie zwei Stunden harren, ist sie schon zwei Stunden sern! Doch sie sendet ihren Anwalt, also sprechend, zu den Herrn: „Lästert nicht die Zeit, die reine! Schmäht ihr sie, so schmäht ihr euch! Denn es ist die Zeit dem weißen, unbeschriebnen Blatte gleich; Das Papier ist ohne Makel, doch die Schrift darauf seid ihr! Wenn die Schrift nicht just erbaulich, nun, was kann das Blatt dafür? Gin Pokal dnrchsicht'gen Glases ist die Zeit: so hell, so rein! Wollt des süßen Weins ihr schlürfen, gießt nicht eure Hefen drein! Und es ist die Zeit ein Wohnhaus, nahm ganz stattlich sonst sich aus, Freilich seit ihr eingezogen, scheint es oft ein Narrenhaus. — z8y — Seht, es ist die Zeit ein Saatfeld; — da ihr Distelri ansgesät, Li, wie könnt ihr drob euch wundern, daß es nicht voll Rosen steht? Läsar ficht auf solchem Felde Schlachten der Unsterblichkeit, Doch auch Memme», zum Entlaufen, ist es sattsam groß und weit. Zeit ist eine stumme Harfe; — prüft ein Stümper ihre Kraft, Heulen jammernd Hund und Kater in der ganzen Nachbarschaft! — Nun wohlan, so greift begeistert, wie Amphion fest darein, Daß auch Strom und Wald euch lausche, Leben fahre in den Stein!" Die Ruinen. ,,!Dien,thu' Buß'! es naht die Stunde, wo dein Bau in Trümmer fällt, Deine Zinnen gleich der Erde und kein Stein am andern hält!" Also rief ein Mann am Marktplatz, und wir lachten laut ihn aus, Aber den Propheten sperrte eilend man ins Narrenhaus. Doch bei stiller Nacht umwogte mir das Äug' ein seltner Traum: Ich bewohnt' auf einem Berge einer Hütte dürft'gen Raum, Mir zu Füßen weithin dehnte sich die Aaiserstadt umher, Doch in Schutt und Staub zerfallen, ein gewalt'ges Trümmermeer! Horch, an meine stille Pforte xocht des Fremdlings Schaulust an, Daß ich ihr, für dürft'ge Gabe, Führer durch die Trümmerbahn, Deuter sei zerfallner Größe, wo ein jeder Stein und Staub Mahnend spricht von schönen Tagen, wie vom Lenz das dürre Laub. — Herr, gebt Acht, daß eine Schlange plötzlich aus dem Schutt nicht blitzt! Seht euch vor, daß ihr die Glieder nicht am Dorngestrüxp' dort ritzt! Reicht mir jetzt die Hand! Beschwerlich steigt durchs Schuttgeröll sich's hier! Auf dem Trümmerhügel finden doch ein Bischen Aussicht wir! — ZYI — Seht euch um, ob's einem Buche hoher Psalmen hier nicht gleicht, Dran die Zeit das Blatt zermorschte und die ganze Schrift gebleicht, Hier und dort nur blieben wände, wie manch einzeln lesbar Wort, Und gleichwie ein einzler Buchstab' eine Säule hier und dort. Rathet doch, wo jetzt wir stehen ? — Li nun, auf dem Stexhansthurm! von der hohen Himmelspapxel, die gefällt der grimme Sturm, Jst's zwar nur der niedre Strunk noch, der im Boden wurzelnd steht; Denn der Stamm, dieZweig' und Blätter'Iiegen rings alsSchuttgesät! Schlank und stolz einst, wie die Pappel, stieg in Wolken er hinein, Leichtes Ast- und Laubwerk formte Menschengeist aus sprödem Stein! V wie zwischen Zweig' und Blättern, hoch mit lautem Hellem Schall Vben die gewalt'ge Glocke schlug als Riesennachtigall! Seht den Stein, bemoost am Boden! Wer wohl nahm' an ihm es wahr, Daß er Bruderschaft und Awiesprach hielt in Lüften mit dem Aar! Doch im Raum noch, wo der Acther tausend Jahr' fast nicht gekreist, Ragt als leise licht're Säule, sichtbar kaum, des Thurmes Geist! — Hebt empor euch auf den Zehen! Könnt ihr jene Lichen sehn, Die wie Reihn von Grenadieren jenseits an der Donau stehn? Herr, das hießen sie den Prater! Gegen jeden Schmerz und Tort Wuchs dem guten heitren völklein als Arznei ein Kräutlein dort. Gegen bittrer Sorgen Wermut: dort des süßen Weines Trost! Gegen Kapuzinerpredigt: des Hanswursts gesnndre Kost! Gegen Finsterniß von oben: dort von oben Sonnenschein! Gegen düstre Gaunereien: fröhlich heitre Gaukelei'n! — — ZY2 — Laßt uns fort nun, aber sachte durch die wilden Rosen gehn, Daß wir nimmer sie zertreten! Rosen stehn selbst Trümmern schön! Schutt auf Schutt! — So mag's geschehen, daß wir ließen ungegrüßt Manch ein Grab, das unsrer Liebe, unsrer Thränen würdig ist! Schnell vorbei an den zerfallnen Wohnungen der Gleißnerei! An gewaltiger Paläste stolzem Wracke schnell vorbei! Dessen Ueberrest zu stürzen, so wie seine Herren droht, Deren ganzes langes Leben nur ein Warten auf den Tod! Dort aus hohem Fenster nieder blickt des Epheus dicht Gesträuch, wie einst draus der Kanzler blickte, dessen Thun dem Lxheu gleich : Schlingkraut nur, das morsche wände mühsam wohl zusammenhält, Aber nie voll edler Blüthen, eigner sreier Früchte schwellt! Dort die Trümmer eines Klosters! — Aber laßt uns schnell vorbei! Denn wer weiß, ob in die Steine nicht der Geist gefahren sei Jener Männer, die im Weltall dulden ihre Art allein, Und wir so in Stein urplötzlich könnten nicht verwandelt sein! Seht das Grabgewölb' der Kaiser, wo, von Mönchen treu bewacht, Sie im Bett metallner Särge schlafen durch die ew'ge Nacht! Seht dort in der Kutte sitzen das Geripp' mit weißem Bart! In der letzten Wächterstunde schliess wohl ein nach Wächterart! Friede diesen dunklen Hallen! Traun kein schmähend, lieblos Wort Trüb' als böser Hauch der Särge blanke Kuxferspiegel dort! Rosen blüh'n ins Fürstenleben ja so selten nur hinein, Höchstens ihre Särge schmückend, und selbst da — aus Erz und Stein! — ZYZ - Jene mächt'gen Fundamente, deren (guadern rings zerstiickt, Als Palast der Landesväter ragten einst sie reich geschmückt; Ach, es mag so Mancher meinen gut sein Vateramt bestellt, Wenn er nur ein Volk von Männern, Kindern gleich, in Windeln hält! Wie gekrümmt Gewürm und Eidechs durch den Schutt jetzt kriecht und steigt, Kroch einst zwischen diesen Steinen Schranzenbrut, schmiegsam verneigt! Krumme Rücken rings und Kratzfuß! Li, was Wunder, wenn am Lnd' Selbst die alten Mauern machten tief ihr furchtbar Kompliment! Sehtden Steinblock! Josephs Namen trägt noch der geborst'ne Schild; Längst von den granitnen Stufen fiel das ehrne Reiterbild, Das gekrönt mit cw'gem Kranze glänzend einst und glorreich stand, Ein geliebter heil'ger Lare dieser Stadt und diesem Land! Die gebaut dieß Mal der Ehren, dünken mir dem Sünder gleich, Der am Kirchenaltar opfert ein Votivbild, schmuck und reich, Wähnend, daß nun desto freier lustig sünd'gen in den Tag Und, was stets sein lseil'ger haßte, ungestraft er treiben mag! Ach, sie haben arg gesündigt, diesen kseil'gen schwer verletzt, Aus den Trümmern seines Domes ihm solch ärmlich Mal gesetzt! — kserr, verzeiht, wenn ich nur Trübes rings erblickte immerdar! Wer das Auge hat voll Thränen, ach, der sieht nicht immer klar! - Da erwacht' ich aus dem Traume, und von Trümmern sah ich nichts, Golden schien durch meine Fenster heitrer Gruß des Morgenlichts, Kirchen und Paläste ragten hoch und fest im jungen Tag! — Ei, warum nur noch die Thräne mir nicht aus dem Auge mag? HWMMWLWUWWMWMMMWiM An den Kaiser. <^or den Thron des Hochgewalt'gen tritt nun frei und kühn mein Lied, Vor den Herrscher, dem ein dreifach Kronenband die Stirn umzieht: Jene alte goldne Krone, deren Glanz, bevor fie sein, Durchgewallt von Haupt zu Haupte seiner Ahnen lange Reihn; Jene schöne Silberkrone, deren schützend Zauberband Um des Greises Haupt das Alter weiß und rein und heilig wand; Und die dritte, schönste Krone, die ihm milde Güte flicht. Segensreich wieFriihlingshimmel, hehr wie leuchtend Mondenlicht! Scheu und fern den KönigssLlen keimt' und wuchs und blüht mein Lied, weil das Kind des freien Aethers bang des Zwanges Wohnung flieht; Aber Kronen, so wie diese, bannen, schrecken es wohl nicht, Nein, sie winken mild und freundlich, und so tritt's vor ihn und spricht: „Herr, du warst einst bang und traurig, und gebrochen war deinHerz, Da erschlossen unsre Herzen reich und warm sich deinem Schmerz! Lasse jenes Hochgewitters gern dich mahnen immerdar, Da es hell den Regenbogen unsrer Liebe dir gebar! ZYZ Herr, du standst beraubt des Schildes, waffenlos und unbewehrr, Da erstand die Kraft des Volkes, Mann an Mann, und Schwert an Schwert! Rings um dich sahst du's im Kreise, wie ein Feld voll Garben steh'n, Das der nächste Lenz erneute, wenn im Herbst du's ließest mäh'n! Herr, du warst einst arm und dürftig! Sieh, da boten freudig dir Väter ihrer Kinder Erbe, Iungfraun ihre goldne Zier; Alles gab das Volk dir gerne, und behielt nur jenes Gold, Drin sich seine Berge sonnen, das in seinen Herzen rollt. Jetzt sind wir verarmt und dürftig, wehrlos und gebeugt von Schmerz! B erschließe warm und freudig du dem Volke jetzt dein Herz! Gib ihm Waffen, Helle, scharfe: Vffnes Wort in Schrift und Mund! Gib ihm Gold, gediegnes, reines: Freiheit und Gesetz im Bund! Deine Lande stehn voll Segen, reich und schon wohl ringsumher, Frei und reich in goldnen Wogen rollt der Saaten weites Meer, Sieh, wie stolz die Wälder rauschen, wie die Reben saftig glüh'n, voll Metall die Berge ragen, segelreich die Ströme zieh'n! Und dein Volk, wie ganz dem Boden, nur an Freiheit, ach, nicht gleich! Sieh die edlen Keim' und Blüthen, so gesund, so schön und reich! Herr, sei du der Frühlingsodem, welcher frei sie wachsen heißt, Sei die Sonne, die sie reifet, und darüber segnend kreist! V dann wird das Volk auch blühen, wie die Fluren ringsumher, Und sein Geist wird Aehren tragen, innren Marks und Kernes schwer, wie die Rebe wird er sprießen, die sich frei und fröhlich schlingt, Und wohl auch als Hochwald grünen, der manch Blatt zum Kranz dir bringt! — Zy6 — Herr, gib frei uns die Gefangnen: den Gedanken und das Wort! — Sieh, es gleicht der Mensch dem Baume, schlicht und schmucklos grünt er fort,' Doch wie schön, wenn der Gedanke dran als bunte Blüthe hängt, Und hervor das Wort, das freie, reif als goldne Frucht sich drängt! Und es gleicht der Mensch dem Strome, unbelebt und öde nur Eine todte Wasserhaide dehnt er flach sich durch die Flur; Doch wie herrlich, wenn darüber frei und fröhlich, her und hin, Die Gedanken gleichwie Schifflein und wie Silberschwäne zieh'«! — Herr, es strahlt vor deinen Augen eines Doms gewalt'ger Bau, DessenThurm, ein frommer Riese, hoch durchragt des Himmels Blau! Und deinvolk war's, das ihn baute! welches mag dieDeutung sein? Ei, wir finden in den Himmel selber wohl den Weg hinein! Deiner Uaiserstadt nicht ferne liegt ein Schlachtfeld, weit und groß, wo für dich, für Land und Freiheit deines Volkes Blut einst floß; G beim Himmel, wessen Herzen für dich bluten du geseh'n, Dessen Geist wird wahrlich nimmer gegen dich in Waffen steh'n! Freies Blut düngt jene Fluren; Herr, wie mochv es denn gescheh'n, Daß sie nicht schon längst voll Rosen heil'ger Freiheit üppig steh'n? Einem Meer gleicht jene Ebene; welch ein seltner Sternenlauf, Daß das Morgenroth der Freiheit draus nicht längst schon stieg herauf? D gib frei uns den Gedanken und auch seinen Freund: das Wort! Denn es sind gar wackre Gärtner für die Rosenkeime dort; Zu den Lorbeer» und den Palmen, die dein greises Haupt umweh'«, Müßten gut und schön die Rosen jugendlicher Freiheit steh'n! Frei das Wort, frei der Gedanke! Wackre Schiffer sind es schier; Will nicht aus dem Meer die Sonne, segeln sie entgegen ihr! Bald dann flammt die Morgenröthe, und es klingt in ihrem Schein Mehr als ein eMemnonssäulehell durchs Land, und voll und rein! Also spricht das Lied, das freie. Vater Franz, du zürnest nicht, Daß dir's nahte ungemeldet, ungefragt es zu dir spricht; Sieh, es ist die Frühlingsschwalbe, die an deine Fenster pickt, Und auch ungefragt dich mahnet, wie die Freiheit hoch beglückt! (März i8z5.) Arühlingsluft Weht allbelebend! Friihlingsschwalb' ist heimgereist, Hat, ob Wiens Palästen schwebend, Schon die Kaiscrburg umkreist; Pickt die Spiegelscheibe leise, Da sie einmal schon gepickt, Draus der Kaiser sonst, der greise, Auf sein Volk und sie geblickt. Doch sie sieht dieß Antlitz nimmer Mit des Munds schalkhaftem Scherz, Mit des Augs gutmnth'gem Schimmer, — Gft doch hart und kalt wie Erz. Stumm des Jubels Hochgewitter, Dieses Mannes stät Geleit! Stumm doch hinter manchem Gitter Auch das Murren böser Zeit! Anast. Grün's Werke II. 26 402 Frllhlingsschwalbe sei kein Richter, Urthel nicht ihr Frühlingsgruß; Doch sie ist Prophet und Dichter, Der versöhnen, warnen muß. Zu des Grabgewölbes Hallen, Das des Greises Asche barg, Läßt sie ihre Schwingen wallen, Zu dem ehrncn Kaisersarg. Friihlingsgruß will sie ihm bringen; Doch, gestreift vom Flügelschlag, Tönt von einem Lenz sein Klingen, Den sie selbst nur ahnen mag. Nicht der Schlaf des Kaiscrsprosscn, Höh'res heiligt diesen Raum: In dem Katafalk verschlossen Ruht der deutschen Einheit Traum. Denn in dieses Greises Haaren Lag zuletzt der Reif von Gold, Der die deutschen Fiirstenschaaren In Lin Volk verbrüdern sollt'. Und in diesem ehrnen Bette Schläft der Ukann, deß Herz allein Deutschlands Herz war, oder hätte Deutschlands Herz doch sollen sein. — 4OZ —