X, 7T*jH ti A \l \ V- SfcidfpFarrkirche zum h. Georg in Peffau. dej rT)artyrertode5 dej HL Viktor in us, gijcljofej uor) petoDio, in der Prcpstei- und Stadtpfarrkirche zum Nr. 4850. Imprimatur, F.-B. Liavanter-Ordinariat zu ffiarbur; am 15. Dezember 1904. rT)icl7d C^3dler>3 dem Kochwurdi4>sten Fšochgeborenen Rerrn Rerrn nICNAEL NAPOTNIK, Furst-Bischof von kavant, ^eiper Fjeiligl^eit dej papjtej Fjaujpralater) upd (jbropajjijteptep, 5 eir ) er F <-i. F (flpojtolijcbzo PF^ajejtat uuirl^liclperr) Gebeiroep F^ate, Grojjl^reu^ dej t^aijerlicb ojterreicbiscb^O |7rap^ ^ojeplp- Ordepj, "Doktor der Zjlpeologie etc, etc; etc. in CbrftircM, ^aokbar^eit ur^d L>iebe gewidmet. 3 l)oru)ort. 2. November 1903 feierte die Stadt Pettau l Steiermark das 1600malige Wiedersehen jenesTages,an demihrverdienstvoller Bischof Viktorinus eines glorreichen Martyrertodes gestorben ist. Solche Tage sind denkvvtirdig und mussen durch Mark- steiiie den folgenden Geschlecbtern kenntlich gemacht \verden. Und dies geschah in Pettau, indem vom 2. November 1903 bis 3. November 1904 das 1600jahrige Viktorinusjubilaum filr die Stadt und Umgebung festlich begangen wurde Es ist wahr, Viktorinus von Petovio hat nicht durch neue Erfindungen die Welt erleuchtet und in Staunen versetzt. Er kann nicht. als ein lorbeergekronter Feldherr, der in unzahligen Schlachten siegte, gefeiert vverden. Auch der Ruhm eines groBen Regenten, der durch umsichtige Vervvaltung und weise Gesetzgebung seine Volker begliickt, muB ihm versagt werden. Man wtirde aber sehr irren, wenn man glaubte, fiir ali dieses hatten ihm die Anlagen und Fahigkeiten gefehlt. Aber Viktorinus war zu groB, als daB er alles dieses wurdig erachtet hatte, danach zu streben. Ihn zog nur das an, was in den Augen Gottes grofi erscheint, was daher wie Gott selbst in Ewigkeit groB sein wird. Ihm war die Erkenntnis Gottes und seines heiligsten Willens die Wissenschaft aller Wissenschaften, ihm galt der Sieg iiber sich selbst als der schonste Sieg, ihm war der Dienst Gottes allein Herrschaft, wahre Herrschaft. Von diesen Gedanken getragen erwahlte der edle Sohn Pannoniens mitten in einer von Christenverfolgungen uberschvvellenden Zeit das Werk seiner Selbstheiligung, das Werk eines Priesters und Bischofes Jesu Christi, das Werk eines christlichen Schriftstellers und glorreichen Martyrers. S§P- Es durfte sich also wohl schicken, daB an der Wende seines 1600jahrigen Jubilaums ihm zu Ebren ein Denkmal errichtet werde. Es ist allerdings kein Denkmal von Stein und Erz, sondern ein Denkmal in Form einer Festschrift, in welcher mit Zubilfenahme des im Jahre 1888 von Dr. Michael Napotnik, k. u. k. Hof- kaplan und Studiendirektor im Augustinaum in Wien, herausgegebenen Buches : „Sveti Viktorin, škof Ptujski, cerkveni pisatelj in mučenec 11 , sovvie Dr. Bardenhewers „Geschichte der altkirchlichen Literatur, II. Band“, die Herkunft, das Leben und Wirken Viktorins und Pettaus 1600jahrige Viktorinusjubilaums-Feier dargestellt wird. St. Lorenzen ob Marburg, am Feste des hi. Vik- torinus, am 3. November 1904. Der Verfasser. €rster eil: VIKT0RIN5 l^er^tinft; bebeo, lOlrk^n, 5 ter ^ er ?; Derebruog, ^ein)eitlar)el, ^i$ebof$teidt, 0acl-)i^e!t. _ 9 _ 4 gr 1. L)iktorir}$ l^erkcioft, beber), \A)\rkg. Im ganzen 4. und im groGten Teile des 5. Jahr- hundertes wurde unserem Viktorin eine groGe Verehrung erwiesen. Gegen Ende des 5. Jahrhunderts begann sie abzunehmen, weil man ihn beim hi. apostolischen Stuhle anklagte, daG er in seinen Schriften den von der Kirche verurteilten Origenes nachahmte und dem Chiliasmus, d. i. der Lehre vom lOOOjahrigen Reiche Christi auf Erden huldigte. Doch mit Unrecht. Wie er den Origenes nachahmte, ist bereits envahnt worden. Er nahm aus dessen Schriften nur das mit der Lehre der Kirche Uber- einstimmende, weshalh er selbst vom hi. Hieronymus im Briefe an Pomachion und Oceanus „fidelis Victorinus“, d. h. der getreue, gewissenhafte Viktorin genannt wird. Was den Chiliasmus anbelangt, so redete er ihm wirk- lich das Wort. Aber was ftir einem Chiliasmus? Der Chiliasmus ist zweifach, der grobe oder sinnliche und der milde oder geistige. Der grobe oder sinnliche des Juden Cerinthus lehrte: Jesus Christus wird zuerst die Gerechten aufer- wecken und mit ihnen 1000 Jahre auf der Erde herrschen und ihnen alle irdischen Freuden, Luste und Lustbar- 14 — keiten zu genieBen erlauben. Darauf folgt erst die all- gemeine Auferstehung und das letzte Gericht. Das ist eine Irrlehre und wurde auch als solche von der katho- lischen Kirche sogleich verurteilt und verworfen. Diesem Chiliasmus hat Viktorin nie gehuldigt, wohl aber das gerade Gegenteil gelehrt. Am Schlusse seiner Scholien zur Apokalypse heiBt es: „ergo audiendi non sunt, qui mille annorum regnum terrenum esse confirment**, d. h. „a1so darf man jene nicht horen, welche eine lOOOjahrige irdische Herrschaft lehren, welche mit dem Haretiker Cerinthus ubereinstimmen**. Mag dieser Satz von Vik¬ torin herrtihren oder eine spatere Zutat sein, Tatsache ist es, dafB Viktorin den groben oder sinnlichen Chili¬ asmus nie und nirgends gelehrt noch verteidigt hat. Der zweite, der milde oder geistige Chiliasmus lehrte: Christus wird zuerst die Gerechten auferwecken, j mit ihnen lOOOJahre auf der Erde herrschen und ihnen alle seelischen Freuden zu genieBen geben. I In diesem Sinne hat Viktorin nebst anderen be- riihmten und heiligen Mannern, wie Justinus und Irenaus, das 20. Kapitel der Apokalypse des hi. Johannes ver- standen. Diesen Chiliasmus hat die katholische Kirche nicht als haretisch verdammt. Johann Zobl, Professor der Kirchengeschichte in Brixen, bemerkt in seiner „Dogmen- geschichte der katholischen Kirche 1 * vom Jalne 1865 pag. 90, § 24: „Das kirchliche Lehramt selbst hat sich gegen diesen Chiliasmus nicht feierlich ausgesprochen, weil er nie als eine formliche Haresie aufgetreten war und die antichristlichen Vorstellungen der judaisierenden Sekten und des Cerinthus auch von jenen Vatern, die ihm huldigten, stets zuruckgewiesen worden waren.“ — Viktorin war also kein Irrlehrer, wie es einige Kritiker im blinden Eifer zu behaupten wagten. Das ihm zuge- filgte Unrecht wurde deshalb sogleich wieder gut gemacht und darum nahrn auch seine Verehrung zu. Im Bistum Lavant ist der 3. November ihm gevveiht. An diesem Tage betet der Priester ihm zur Ehre das Brevier mit eigenen Lektionen im II. Nokturn und liest ihm zur Ehre die hi. Messe nach dem vom apostolischen Stuhle bestimmten MeBformular „Sacerdotes Dei.“ Hierorts wird den neugebornen Knablein bei der Taufe nicht selten der Name Viktorin gegeben. In einigen Kirchen des Pettauer Feldes findet man Fahnen mit dem 15 — Bildnisse des hi. Viktorin, z. B. in St. Margarethen unter Pettau. In Marburg heifit ein Teil des fiirstbischoflichen Knabenseminars „Viktorinum.“ Die Aloisikirche zu Mar¬ burg besitzt ober einem Seiten-Altare ein groBes, kunst- voll ausgefiihrtes Bild des hi. Viktorin. In der Stadtpfarr- kirche zum hi. Georg in Pettau befindet sich auf der Epistelseite ein alter, im Jahre 1903 gotisch restaurierter Altar des hi. Viktorin, bei dem alljahrlich am 3. No¬ vember ein hi. Segenamt abgehalten wird. 3. LJi!*terir)5 ^<2irT)atlap>d Pannonien hieB das fruchtbare Land zwischen der Donau, der Save und der TheiB. Schon vor Christi Geburt, etwa in den Jahren 31 bis 33 kam es unter die BotmaBigkeit der Romei' und bildete eine der schonsten Provinzen ihres ausgedehnten Reiches. In den zahlreichen Stadten des Landes lieB sich der Romer nieder und mit ihm die romische Kultur. Auch das Christentum fand frtihzeitig Eingang auf der groBen ReichsstraBe, die aus Italien durch Celeia (Cilli) nach Pannonien ftihrte. Haupt- sachlich waren es romische Soldaten und Kaufleute, welche hier den Samen des Christentums wahrscheinlich schon im ersten Jahrhunderte ausstreuten. Wie betracht- lich die Zahl der christlichen Gemeinden in Pannonien gegen Ende des zvveiten und im Anfange des dritten Jahrhundertes gewesen sein muBte, laBt sich am besten aus der bedeutenden Zahl von Bischofstuhlen erkennen, die schon um diese Zeit daselbst bestanden, z. B. zu Petovio und Siscia (jetzt Sissek in Kroatien). Andere pannonische Bistumer waren Sirmium und Mursa (jetzt Essek). Sirmium, die Hauptstadt Pannoniens, wo das Christentum wohl am frtihesten feste VVurzeln faBte und von wo aus es sich nord- und westwarts verbreitete, wurde die Metropole von Pannonien. Wahrscheinlich gab es auch noch in mehreren anderen Stadten Panno= niens bischofliche Stilhle, zu Sabaria (Steinamanger), der Geburtsstadt des hi. Martin von Tours, zu Vindobona (VVien) und Carnuntum. Durch den eingerissenen Aria- — 16 — nismus, besonders aber durch die Herrschaft der heid- nischen Hunnen erlitt das pannonische Christentum einen groGen Abbruch. Sirmium wurde um das Jahr 442 n. Chr. von den Hunnen unter Attila vollig zerstOrt. Ein ahnliches Schicksal erlitten auch die anderen Stadte teils ebenfails unter Attila, teils in den nach seinem Tode ent- standenen Kamplen der ihm unterworfenen Volker. 4. L)ihtorir55 ^etoL>io. Zu den altesten und beriihmtesten Stadten Steier- marks gehort neben Cilli auch Pettau an der Drau mit etwas uber 4000 Einwohnern. Der ursprtingliche Name dieser Stadt ist in den alten Schriften und auf den romischen Denkmalern verschieden geschrieben. Sie heiGt Petovio, Petovium, Poetovio, Petavio, Patavio, Patavion, Petaviona, Potabion ; dann gibt es noch entstellte Formen : Pictabio, Pictavio, Pictevio. Ihre An- fiinge sind der Geschichte unbekannt. Welcher Nation ihre ursprtinglichen Einwohner angehorten, ist noch strittig unter den Gelehrten. Um das Jahr 31, 32 oder 33 v. Chr. kam die Stadt unter die BotmaGigkeit der Romer und wurde Residenz- stadt des romischen Statthalters. Dorthin kam die 13. romische Legion in Garnison und bald darauf noch zwei andere, so daG sie liber 15.G00 Soldaten beherbergte und einen Umfang von einer guten Stunde hatte. Zur Zeit der Volkerwanderung wurde sie von verschiedenen Volkern belagert, erobert und von den Hunnen groGten- teils zerstort. Seitdem konnte sie sich nicht mehr zur friiheren GrčGe und Bedeutung erheben. Das alte Petovio war auch der Sitz eines Bischofs. Es fehlt nicht an Historikern, welche meinen, daG da- selbst schon in der zvveiten Halfte des 2. Jahrhunderts eine christliche Gemeinde bestand und einen eigenen Bischof besaG, dessen Name jedoch unbekannt ist. Der erste bekannte Bischof tritt um das Jahr 270 unter dem Namen Viktorin auf. Ob das durch Viktorins Tod (f 303) erledigte Bistum sogleich wieder besetzt wurde 17 2 oder nicht, laBt sich mit Sicherheit nicht bestimmen. Erst um das Jahr 347 wird Aprian und 377 Markuš als Bischof von Petovio genannt. Wer auf Markuš folgte, sagt die Geschichte wieder nicht. Es heiBt aber, daB um diese Zeit Bischof Cest von Emona (Laibach) zugleich das Bistum von Petovio providierte. Als letzter Bischof wird um das Jahr 557 Vigilius genannt, seit dem 7. Jahrhunderte wei8 die Geschichte keinen Namen mehr auf dem Bischofsstuhle von Petovio zu nennen. Zur dau- ernden Erinnerung daran, daB innerhalb der Mauern des altenPetoviowohl 300Jahre iang Bischofe residierten, hat im vorigen Jahrhundert der apostolische Stuhl gestattet, daB der jeweilige Stadtpfarrer von Pettau zugleich infulierter Propst sei und in seiner Pfarre beim feierlichen Gottes- dienste bischofliche Insignien tragen diirfe. 5. L)il^torin5 „La6t uns feiern groBe Manner und unsere Vor- fahren in ihren Geschlechtern!“ Diese Mahnung des weisen Siraziden im Alten Bunde, das Andenken groBer Manner zu ehren und heilig zu halten, befolgten in unseren Tagen die dankbaren katholischen Bewohner von Pettau durch Abhaltung einer groBen Feierlichkeit, ge¬ nannt „Das 1600jahrige Jubilaum des Martyrertodes des hi. Viktorinus, Bischofes von Petovio. 11 — 18 Zweiter Seil Das i6oojahrige Jubilaum des ffiart,yrertodes des HL Viktorinus, gijcbofej oor) petouio, ab|ehalten zu Pettau vorn Hbende des 2. Hovember 1903 bis zum Hbende des 5. Hovember 1904. — 19 — 2 * 1 1. ^tibilaaros -L)orbereittji?g<2r). wilrdigen Feier dieses so seltenen Jubilaums wurde die Stadtpfarrkirche zum hi. Georg durch die Munifizenz ihres bestverdienten Stadtpfarrers und Propstes Josef Fleck um den Betrag von tiber 5000 Kronen vom Stadtbaumeister J. Wresnig von auGen vollstandig renoviert und mit einer neuen gotischen Fassade geschmiickt, im Innern aber wurden die zwei dem Besucher zuerst in die Augen fallenden Altare, der des hi. Viktorinus und der des hi. Joseph, vom Bildhauer J. Cernenšek um den Preis von 1100 Kronen gotisiert und so dem prachtvollen gotischen Presbyterium angepaGt. Auch wurde bei Josef Brandl, Orgelbauer in Marburg v eine neue Orgel mit 24 Registern bestellt, die bereits am 1. Mai 1903 aufgestellt und durch freivvillige Beitrage der Stadtbevolkerung, des hochloblichen steier- markischen Landesausschusses und des k. u. k. Kriegs- ministeriums vor dem Tage der festgesetzten Zahlungsfrist mit 11000 Kronen bar bezahlt wurde. Nun offenbarte der Propst und Stadtpfarrer in einer Eingabe vom 19. September 1903 Z. 404 dem F.-B. Lavanter Ordinariate in Marburg seinen EntschluG, das 1600jahrige Andenken an den Martyrertod des hi. Viktorinus, Bischofes von Pettau, in feierlichster Weise begehen zu wollen, und schloG daran die untertanigste Bitte, das Hochw. F.-B. Lavanter Ordinariat geruhe die Viktorinusfeier zu genehmigen und filr alle Teilnehmer — 21 — an derselben beim hi. Apostolischen Stuhle vollkommene Ablasse zu erwirken. In der schon am 26. September erfolgten Erledigung wurde alles mit groBter Freude genehmigt, die Ablasse versprochen und zugleich angeordnet, alle Vorkehrungen zu treffen, daB mit dem 3. November 1903 die Gnaden- zeit des St. Viktorinusjubilaums beginne und im Jahre 1904 ihren feierlichen AbschluB finde. Den Beginn konnte ein durch heimische Krafte zu bewerkstelligendes Triduum bilden, in welchem in den Vormittagsstunden die Landbevolkerung, in den Abendstunden aber die Stadtbewohner heranzuziehen und fiir den hi. Glauben, ftir welchen sich der hi. Viktorinus so viel abgemiiht und zuletzt sein Blut vergossen hat, machtig zu ent- flammen und zu begeistern waren. Nicht lange darauf traf ein vom 12. Oktober 1903 Z. 3409 datierter Bericht des F.-B. Lavanter Konsistoriums iiber die erlangten Ablasse ein. Der Bericht lautet: ,,In der Anlage erhalt das bochw. F.-B. Propstei-Stadtpfarramt das vidimierte Breve, womit Se. Heiligkeit P. PiusX. unter 5. Oktober 1903 zur wtirdigen Feier des vollendeten 16. Jahrhunderts seit dem Tode des hi. Viktorinus, des dortigen Bischofs und glonviirdigen Martyrers, fiir die Zeit vom Nachmittage des 2. November 1. J. als dem Vorabende vor dem besagten Feste bis zum Abende des darauffolgenden Sonntags (des 8. November 1903) allen Christglaubigen, die in dieser Zeit die hi. Sakramente der BuBe und des Altars wtirdig empfangen, den Altar des hi. Viktorinus in der dortigen Propstei-Hauptpfarrkirche andachtig besucht und dortselbst auf die Meinung des heiligen Vaters fromm gebetet haben werden, allerhuld- vollst einen vollkommenen AblaB zu bewilligen gefunden hat, den sie fiirbittweise auch den armen Seelen im Fegefeuer werden zuwenden konnen.“ Das papstliche Breve hat folgenden lateinischen Wortlaut: Pius PP. X. Universis Christifidelibus praesentes Litteras inspec- turis salutem et Apostolicam Benedictionem. Cum, sicut accepinus, in Ecclesia principe urbis Petoviensis Dioecesis Lavantin. ad ventante saeculo decimo sexto ab obitu — 22 S. Victorini Ep. M. a vesperis diei secundae futuri mensis Novembris ad octavum inclusive eiusdem mensis piae supplicationes in eius honorem de Ordinarij consensu habendae sint; Nos, ut huiusmodi solemnitas in maiorem animarum cedat utilitatem, omnibus et singulis utriusque sexus christifidelibus vere poenitentibus et confessis ac S. Communione refectis, qui memoratam Ecclesiam et in ea exsistens Altare Deo sacrum in honorem S. Victorini uno e supradictis diebus ad cuiusque arbitrium šibi eligendo devote visitaverint, ibique pro Christianorum Principum concordia, haeresum extirpatione, peccatorum conversione, ac S. Matris Ecclesiae exaltatione pias ad Deum preces effuderint, Plenariam omnium peccatorum suorum Indulgentiam et remissionem, quam etiam animabus christifidelium, quae Deo in charitate coniunctae ab hac luce migraverint, per modum suffragii applicare possint, misericorditer in Domino concedimus. Praesentibus hoc anno tantum valituris. Datum Romae apud S. Petrum sub annulo Piscatorio die V. Octobris MCMII1. Ponti- ficatus Nostri Anno Primo. Pro Dno Gard. Mačehi Sigillum. N. Marini, subst. Die frohe Kunde von der genehmigten Viktorinus- feier und von den erlangten Ablassen wurdc sogleich dem Dekanatsklerus bekannt gegeben, und wurde der- selbe zu der am 26. Oktober stattzufindenden Dekanatš- konferenz eingeladen, um ein in allen Dekanatspfarren zu verlautbarendes Programm festzustellen und dem F.-B. Ordinariate zur GutheiCung zu unterbreiten. Alle Dekanatspfarrer leisteten der Einladung Folge und einigten sich auf nachstehendes Programm fiir Stadt und Land: Das 1600jahrige Viktorinusjubilaum fur Pettau und Umgebung wird in der Propstei- und Stadtpfarrkirche zum lil. Georg am Abende des 2. Novembers eroffnet, am 3., 4. und 5. November 1903 durch ein Triduum festlich gefeiert und am 3. November 1904 durch eine Abendandacht geschlossen. Am 2. November 1903 wird von 1 / 2 6 bis 6 Uhr abends mit allen Glocken gelautet, um 6 Uhr ist die Einleitungspredigt in deutscher Sprache, dann wird beim Viktorinusaltare die Allerheiligen-Litanei gebetet und der — 23 — hi. Segen gegeben. Prediger: Stadtpfarrkaplan Ferdinand Pschunder. Am 3., 4. und 5. November vverden hi. Messen um 6, 7 und 10 1 / 4 Uhr beim Viktorinusaltar gelesen. Am 3. November zwischen 9 und l l 2 \0 Uhr Ein- zug der Wallfahrts-Prozessionen aus der Umgebung, um 1 / 2 10 Uhr slovenische Predigt (Alois Kramaršič, Kaplan in St. Marxen), 10V 4 Uhr ein feierliches Pontifikalamt; abends um 6 Uhr deutsche Predigt (Franz Štuhec, Bene-fiziat in Pettau), darauf die Litanei vom siiBesten Namen Jesu und der hi. Segen beim Viktorinusaltar. Am 4. November zwischen 9 und 1 / 2 10 Uhr Ein- zug der Prozessionen aus der Umgebung, l / 2 10 Uhr slovenische Predigt (Johann Rožmann, Kaplan in Haidin), 10'/ 4 Uhr ein assistiertes Hochamt; abends um 6 Uhr deutsche Predigt (Stadtpfarr-Vikar Friedrich Horvat), darauf die Marien-Litanei und der hi. Segen beim Viktorinusaltare. Am 5. November zvvischen 9 und 1 / 2 10 Uhr Einzug der Prozessionen aus der Umgebung, 1 / 2 10Uhr slovenische Predigt (Josef Sinko, Pfarrer in St. Lorenzen in W. B.), IOV4 Uhr ein assistiertes Hochamt, abends um 6 Uhr deutsche Predigt (Propst und Stadtpfarrer Josef Fleck), darauf die Herz-Jesu Litanei und Te Deum als SchluR des Triduums. Nach dieser Abendfeier wird durch 1 / 2 Stunde mit allen Glocken gelautet vverden. Ablasse konnen gevvonnen vverden bis 8. November. Dieses Programm vvurde vom Hochvvtirdigsten Herrn Ordinarius šelbst unterm 30. Oktober 1903 Z. 3628 mit folgenden Worten genehmigt: „Das mit der dortamtlichen Eingabe vom 29. Oktober 1903 No. 457 anher angezeigte Programm fur die St. Vik- torinus -Jubilaumsfeier in den Tagen vom 2. bis 8., beziehungsvveise 3. bis 5. November I. J. vvird als ganz zutreffend hiermit oberhirtlich genehmigt. Fur die an- gefuhrten hochvvurdigen Herren Festredner folgt anbei der besondere oberhirtliche Segen, auf da(3 sie den Glaubens- mut, den Seeleneifer, die Standhaftigkeit und die ubrigen Haupttugenden des hi. Viktorinus mit einer solchen Begeisterung preisen konnten, daG sie nicht nur viele Bevvunderer, sondern auch so viele glaubenstreue Nach- — 24 — ahmer diesem unseren groGen Heiligen erwecken mochten, als sie aufmerksame Zuhorer haben werden. Michael, Furstbischof.“ Nun konnte die Feier in festlicher Weise vor sich gehen! 2. ^tibildcjrr)$-'p r ei(2r. a) Am Vorabende. Die 1600jahrige Jubilaums-Feier begann am Abende des 2. November als am Sterbetage des hi. Viktorinus. Um V 2 6 Uhr ertonte ein halbstiindiges feierliches Glocken- gelaute, um den Bervolmern der Stadt und Umgebung zu verkiinden, daG jetzt die Gnadenzeit gekommen sei, in der Gott sein Volk durch besondere Gnaden heim- suchen wolle. Unterdessen erstrahlte die altehrwiirdige Stadtpfarrkirche im Glanze zahlreicher Gas- und Kerzen- lichter, und eine groGe Schar von Glaubigen beiderlei Geschlechtes und jeglichen Standes sammelte sich, um die Lobpreisungen des ehemaligen Bischofes und Martyrers von Pettau zu horen. Um 6 Uhr bestieg der Stadtpfarr- kaplan Ferdinand Pschunder die festlich geschmiickte Kanzel und hielt in begeisterter Sprache die Einleitungs- Predigt liber das Thema: Bedeutung unseres Triduums fur Pettau und seine Umgebung. Motto: Steh’ auf, Jerusalem, du Volk des Herrn, denn es kommt dein Licht und die Herrlichkeit des Herrn geht auf iiber dir. (Isaias 60, 1). Im Herrn Versammelte! Festliche Tage fiir Pettau waren es, als vor ungefahr 60 Jahren, in der Zeit vom 16.—23. Juni 1844 das 1000 jahrige Jubilaum des Bestandes der Pfarikirche zum hi. Georg daselbst gefeiert wurde. Erbauer dieser Kirche war der slavische Fiirst Privina, der, von seinem Bruder Mojmir aus Mahren vertrieben, fliehen muGte und dann in Pannonien ein neues Kulturreich grundete. Konig Ludwig schenkte ihm namlich einen Teil dieser altromischen Provinz und hier grundete nun Privina eine slavische Niederlassung und erbaute zugleich liber den Trummern der alten, zerstorten Kirche Petoviums ein neues Gotteshaus zu Ehren des hi. Martyrers Georgius; eingeweiht wurde dasselbe von Luipram, dem Erzbischofe von Salzburg. Aber auch diese Kirche wurde unter den verheerenden Einfallen der benachbarten Magyaren bald wieder zerstort; erst als im Jahre 1135 Erzbischof Konrad mit den Magyaren Frieden geschlossen hatte, konnte mit dem Baue einer neuen, grofieren Pfarrkirche begonnen werden, vvelche gewiC den Grund zum jetzigen, geraumigen Gotteshause bildete. So waren also im Jahre 1840 gerade 1000 Jahre verflossen seit demAnfange einer Pfarrkirche zum hi. Georg, und dieses seltene Jubilaum vvurde deshalb unter dem hochverdienten Hauptpfarrer und Dechant Cvetko in moglichst feierlicher Weise begangen. Die Kirche war aus diesem Anlasse festlich geschmuckt mit Kranzen und kostbaren Stoffen; am Eingange ins Presbyterium hingen von der Dečke, aus Blumcn kunstvoll gearbeitet, die Symbole des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, zu beiden Seiten aber kostbare, mit Blumen durchwirkte, schleierartige Vorhange, so da(3 der Hochaltar in ein geheimnisvolles Dunkel gehtillt war, um so recht als Wohristatte des Allerhochsten zu erscheinen. Die Feier leitete Fiirstbischof Roman Sebastjan von Seckau selbst ein, der zu diesem Zivecke eigens nach Pettau gekommen war. Umgeben von 45 Priestern und einer unzahlbaren Mensdhenmenge zog der hochwurdigste Oberhirte in die festlich erleuchtete Jubilaumskirche ein und eroffncte die Feier mit einer herzerhebenden, begeisternden Ansprache. In den folgenden Tagen kamen nach Pettau Wallfahrer aus allen Gegenden des steirischen Unterlandes, zumeist begleitet von ihren Seelenhirten. Die Chronik stellt den damaligen Bewohnern von Pettau das schone Zeugnis aus, da!3 sie die fremden Pilger gastfreundiich auf- genommen, sich aber auch selbst an der Feier rege beteiligt haben. Im ganzen waren 34 Prozessionen er- schienen, deren Teilnehmer oft nach Tausenden zahlten. Fur diese Wallfahrer fanden denn auch eigene Predigten in slovenischer Muttersprache statt, und zwar an den beiden Sonntagen vor- und nachmittags, an den Werk- - 26 — tagen nur vormittags. Wie zahlreich die Beteiligung war, zeigt uns recht deutlich die Zalil der heiligen Kommunionen; sie betrug 34000, die Zahl aller Teil- nehmer aber bei 50000. Den SchluB dieser groBen Feier bildete eine imposante Prozession, die von der Klosterkirche in die Jubilaumskirche zog, wo die Festlich- keit mit einem feierlichen Te Deum geschlossen wurde. Erhebendes Glockengelaute in allen Kirchen des weiten Dekanates Pettau verkiindete den SchluB des groBen Jubilaums.*) Teuerste im Herrn! Eine ahnliche Feier, freilich in weit kleinerem Stile, soli auch in den kommenden Tagen in diesem altehrwiirdigen Dome abgehalten werden, eine GedSchtnisfeier zu Ehren eines Mannes, dessen Name wohl verdient, in den Blattern der Geschichte des christlichen Pettau mit goldenen Lettern verzeichnet zu werden, eine Erinnerungsfeier an den glorreichen Tod eines Martyrers, mit dessem Blute der Boden getrankt ist, auf dem wir stehen — das 1600jahrige Jubilaum des ruhmvollen Todes des hi. Viktorinus, Bischofs und Martyrers von Pettau, der da gestorben ist am 2. November des Jahres 303 n. Chr. G. Dieses Ereignis, das fur die christliche Geschichte von Pettau von tiefgehender Bedeutung ist, soli nun durch ein feierliches Triduum, durch eine dreitagige Andacht festlich begangen werden. Dieses Jubilaum soli uns im Geiste zuriickversetzen in die ersten Zeiten des Christentums und uns vorfuhren die Heldengestalt des Mannes, den Gottes weise Vor- sehung auserwahlt hat, um den Bewohnern Petoviums die Lehre des Heiles zu bringen; es soli uns zugleich an die vielen Beweise der liebevollen und vaterlichen Fiirsorge Gottes erinnern, die uns und unseren Vorfahren sind zuteil gevvorden und somit unsere Herzen zur Dankbarkeit stimmen; es soli uns endlich im hi. Glauben bestarken, fur dessen Wahrheit St. Viktorinus sein Blut vergossen hat, und uns machtig anregen, nach den Grundsatzen dieses Glaubens auch zu leben, zu handeln und zu wandeln. Dieses Triduum soli also, um es kurz zu sagen, fur uns sein: *) Vgl. Škofija in nadduhovnija v Ptuju. Zgodovinska črtica. Spisal Matej Slekovec, župnik pri sv. Marku niže Ptuja. V Mari¬ boru 1889. — 27 — 1. eine Zeit reiner, heiliger Freude, 2. eine Zeit innigen, aufrichtigen Dankes gegen Gott, 3. eine Zeit guter Entschltisse und Vorsatze filr die Zukunft. Uber diese dreifache Bedeutung unserer Jubilaums- feierlichkeit lasset uns nun des naheren sprechen! Gott aber, der Urheber und Spender alles Guten, moge auf die Filrbitte des hi. Viktorinus unsere Andacht reichlichst segnen zu seiner grčBeren Ehre und zu unserem ewigen und zeitlichen Woble! I. Die dreitagige Andacht zu Ehren des hi. Viktorinus, die wir heiite beginnen, soli fiir Pettau und seine Uin- gebung zunachst eine Zeit reiner, heiliger Freude sein. Sie soli uns namlich recht klar und ergreifend die groBen Wohltaten ins Gedachtnis zuruckrufen, die uns Gott in seiner allerbarmenden Liebe durch unsere Berufung zum Christentum erwiesen hat. Es soli gleichsam ein geistiges Wiedersehen gefeiert werden, ein Wiedersehen mit jenen heiligen Mannern der Vorzeit, die Gottes Vor- sehung in unsere Gegenden geschickt, um auf den Triimmern der heidnischen Gotzentempel das Kreuz Christi, das Siegeszeichen unserer Erlosung, aufzupflanzen. Zu diesen heldenmiitigen Aposteln und Bekennern der Lehre Christi gehort in erster Linie der hi. Viktorinus. Wer war Viktorinus? Was sagt die Geschichte iiber sein Leben, sein Wirken, seinen Tod? In Pettau, dem alten romischen Petovium, welches seit den Zeiten des Kaisers Traian eine romische Kolonie war, hatte sich schon friihzeitig, schon gegen das Ende des 1. Jahrhunderts, das Christentum ausgebreitet. Es ist dies auch leicht erldarlich. Petovium lag namlich an der groBen romischen ReichsstraBe, welche aus Italien iiber Aquileia, Celeia, Petovium nach Pannonien fuhrte. Es stand also mit Aquileia, einer der altesten christlichen Niederlassungen, vvelche nach der Aussage gewichtiger Zeugen schon der hi. Evangelist Markuš gegriindet haben — 28 — soli, in inniger Verbindung; also konnte die christliche Lehre leicht durch romische Kolonisten in diese Gegenden gebracht werden. Nicht ausgeschlossen ist auch, daB fruhzeitig Glaubensboten nach Petovium aus dem alten Sirmium, einer romischen Niederiassung im heutigen Slavonien, gekommen sind. Denn auch hier war schon fruhzeitig eine bliihende Christengemeinde; es wird sogar erzahlt, daB schon der hi. Petrus auf seinen Reisen Sirmium besucht und hier einen gewissen Epenetes als Kirchenvorsteher eingesetzt habe. GewiB aber ist, daB schon in der zweiten Halfte des 2. Jahrhunderts in Petovium eine Christengemeinde bestand, welche bald auch einen eigenen Bischof erhielt. Die Namen der ersten Bischofe sind uns leider nicht bekannt; erst aus der 2. Halfte des 3. Jahrhunderts nennt uns die Geschichte einen Bischof von Petovium mit Namen; es ist dies der Mann, dessen Andenken diese Feier gewidmet ist, der hi. Viktorinus. Der heilige Viktorinus*) war geboren in Petovium. Zwar behaupten viele, er sei ein Grieche von Geburt gewesen, eben mit Riicksicht darauf, daB der hi. Hieronymus iiber ihn berichtet, er sei in der griechischen Sprache besser bewandert gevvesen als in der lateinischen. Allein dies laBt sich leicht erklaren aus der Erziehungsweise der damaligen Zeit. Uberdies haben die Jesuiten in dem beriihmten Werke „Acta Sanctorum 11 deutlich nach- gevviesen, daB der hi. Viktorinus ein geborener Pettauer war. Aus den vielen Inschrifteu auf den verschiedenen Denkmalern, die in Pettau und Umgebung aufgefonden wurden, geht namlich hervor, daB die gens Victorinorum, das Geschlecht der Viktoriner, hier ansdssig war; und diesem hervorragenden romischen Geschlechte war auch unser Viktorinus entsprossen. Denn es ist sicher anzu- nehmen, daB die Christengemeinde Petoviums nicht einen Fremden, sondern vielmehr einen Einheimischen zum Bischofe und Oberhaupt sich erwahlt hat. Demnach stand die Wiege dieses heiligen Martyrers im romischen Petovium. Viktorinus erhielt von seinen Eltern eine sorgfaltige Erziehung, und zwar wurde er nach damaliger Gewohn- heit mehr nach griechischer als romischer Sitte erzogen. *) Dr. M. Napotnik, Sveti Viktorin škof Ptujski, cerkveni pisatelj in mučenec. Na Dunaji, 1888 . - 29 — Erwachsen, wahlte er den Priesterstand. Durch seinen tugendhaften Wandel und seme Gelehrsamkeit brachte er es bis zur Bischofswtirde. Als Bischof war er unermiidlich tatig, seine Lands- leute, die teihveise noch dem Heidentume ergeben waren, im wahren Glauben zu unterrichten und zu befestigen. VVas er durcli seine Predigten, durch das mundliche Wort nicht erreichen konnte, das suchte er durch dasgeschriebene Wort, durch seine vom wahren Geiste Christi belebten und von echter, tiefer Religiositat durchwehten Schriften zu erzielen. Nach dem Berichte des hi. Hieronymus schrieb er neben anderen gelehrten Abhandlungen Exegesen oder Erklarungen zu verschiedenen Buchern der hi. Schrift, so zu den drei ersten Buchern Mosis, zu den Propheten Isaias, Ezechiel, Habakuk, zum Buche Ecldesiastes, zum Hohenliede, zurGeheimenOffenbarungdeshl.Johannesu. a.; auch verfaBte er eine bedeutende Schrift gegen alle Irr- lehren seiner Zeit. Durch diese seine Schriften entflammte Viktorinus die Herzen der Glaubigen zu groBerer, opfer- freudiger Liebe Gottes und begeisterte sie, festzuhalten an der beseligenden Lehre Jesu, des verachteten Nazareners, trotz der bosen Verleumdungen und schlimmen Ver- folgungen von seiten der Nichtchristen. Durch dieselben bekehrte er auch so manche Irrlehrer oder brachte sie vvenigstens zum Schweigen. So wirkte denn der heilige Bischof Viktorinus unter seinen Landsleuten als ein wahrhaft apostolischer Mann durch volle 30 —40Jahre, bis er endlich in der diocletianischen Verfolgung am 2. November 303 sein taten- und rnhrni reiches heiliges Leben mit dem Martyrertode beschloB, den er um des heiligen Glaubens willen mutig und bereitwillig erlitt. Er starb jedenfalls in Petovium, wo er gelebt und gewirkt. Denn undenkbar ist es, daB er, ein fursorglicher Seelenhirte, in den bitteren Zeiten der Verfolgung seine Herde verlassen hatte — nein, als treuer Nachfolger Jesu des Gekreuzigten, des guten Hirten unserer Seelen, gab er auch sein Leben ftir seine Schaflein hin, ausharrend auf dem schweren Posten, auf den Gott ihn berufen hat. Uber die Art seines Todes lafit sich wohl nichts Bestimmtes sagen. Aber die meisten Abbildungen zeigen ihn uns als Bischof im bischoflichen Ornate, mit einem Buche im SchoBe, einer Palme in der Linken und einem — 30 — Schwerte in der Rechten, woraus zu schliefien ist, dafi er gleich dem Weltapostel Paulus mit dem Schwerte ent- hauptet worden ist. Das also ist, in groBen Umrissen gezeichnet, das Leben des Mannes, dessen gesegnetem Andenken dieses Triduum geweiht ist. Grofi steht Viktorinus vor unseren Augen da, grofi als Bischof, als Schriftsteller, als mutiger Bekenner des hi. Glaubens und hi. Martyrer. Er \var so recht ein Mann nach dem Herzen Gottes, der nach dem Beispiele des Weltapostels bemiiht war, „allen alles zu werden“; mit vollem Rechte nennt ihn deshalb der hi. Hieronymus „columna ecclesiae“, „eine Saule der Kirche 1- , die unentwegt feststand in allen Kampfen und Sttirmen der Zeit. Teuerste im Herrn! Freuen wir uns deshalb heute aus innerstem Herzen, das 1600jahrige Gedachtnis eines solchen Mannes feiern zu diirfen, und preisen wir dank- bar den gtitigen Schopfer, der einen so grofien Heiligen und machtigen Ftirsprecher in unserer Mitte erstehen liefi. Ja, freuen wir uns dessen aufrichtig und geben wir unserer inneren Freude auch aufierlich Ausdruck durch rege Teilnahme an den kirchlichen Andachten, durch erhohte Begeisterung; trachten wir, dieses Feuer der Begeisterung fiir unseren hi. Glauben auch in den Herzen anderer zu erwecken, damit dieses Jubilaum ein Freuden- fest aller und jedes einzelnen werde! „Laetamini in Domino et exsultate insti“, „Freuet euch also in dem Herrn und frohlocket, ihr Gerechten, jubelt alle, die ihr aufrichtigen Herzens seid“ (Ps. 31, 11). II Diese dreitagige Andacht soli aber nicht blofi eine Zeit der Freude, sondern auch eine Zeit des innigsten Dankes gegen Gott sein, des Dankes namlich fiir die unschatzbare Gnade des wahren, heiligen Glaubens, fiir dessen Verbreitung und Befestigung gerade Viktorinus so viel getan. Der Glaube ist eine ganz unverdiente Gabe Gottes; darum sagt auch der hi. Paulus: „Aus Gnade seid ihr erlost worden, und das nicht aus euch; denn es ist Gottes Gabe“ (Eph. 2, 8). VVoher solite auch das Ver- dienst kommen? Solange der Mensch ohne den Glauben ist, karm er Gott nicht gefallen; er ist ein Kind des Zornes, geknechtet unter das Joch der Siinde, ein Sklave Satans, von dessen grausamer Herrschaft er sich durch eigene Kraft niemals befreien kann. Es ist daher bloB Gnadc des allgiitigen Gottes, wenn der Mensch durch den wahren Glauben davon befreit wird. Und nun siehe, christliche Seele, dir ist diese unverdiente Gabe des Himmels zuteil geworden; von christlichen Eltern geboren, bist du durch die hi. Taufe in den SchoB der wahren Kirche aufgenommen worden, du bist auf diese Weise ein Kind Gottes, ein Liebling des Allerbochsten. Sprich, ist dies alles nicht Gnade, unverdiente Gnade des Himmels ? Hast du aber auch der tlbergroBen Liebe und Erbarmung Gottes dafiir schon gebiihrend gedankt? Wenn nicht, so tue es wenigstens in diesen Tagen, die ja Tage des Dankes fur Gottes VVohltaten sein sollen! Wollt ihr den hohen Wert dieses himmlischen Gnadengeschenkes noch besser erkennen, dann blicket zurilck in die finstere Nacht des Heidentums! Man treibt da den schandlichsten Gotzendienst, betet Gotzenbilder aus Stein, Holz, Erz, ja selbst Tiere als Gotter an; man erweist sogar dem Laster gottliche Ehre. Der Mensch schmachtet in den Fesseln der Leidenschaften. Mit dem Nebenmenschen geht man um wie mit einem unver- nunftigen Tiere. Die Kinder sind dem Eigenwillen der Eltern iiberlassen, die sie entweder auferziehen oder verwerfen konnen. Das Weib ist zur Sklavin und zum Spielball des Mannes herabgesunken, er kann mit ihr verfahren nach eigener Laune. Die Frau ist nur eine Magd im Hause des Mannes, ein Werkzeug seiner Liiste, das er nach Belieben verstoBen, verkaufen, vertauschen kann — fiirwahr ein trauriges Los! Doch da erscheint Christus, das wahre Licht der Welt. Welch’ eine Ver- anderung, welch’ ein Umschwung tritt ein! An die Stelle des widersinnigen Gotzendienstes tritt die Verehrung des einen wahren, lebendigen Gottes! Der Mensch gelangt zur Erkenntnis, daB er zu etwas Hoherem geboren sei als nur, um diese Welt zu genieBen. Er sieht jetzt im Mitmenschen nicht mehr ein Werkzeug, sondern seinen Freund und Mitbruder in Christo dem Herrn. An die Stelle des Lasters treten die schonsten, herrlichsten Tugenden, Tugenden, wie sie die Welt bisher noch nie gesehen, noch nie gekannt hat. Neue Verhaltnisse treten 32 — ein, neue Anschauungen greifen Platz, Wahrheit und Recht gelangen zur Herrschaft. — Christen! gibt es eine groBere Gnade hier auf Erden, als es die Gnade des wahren, beseligenden Glaubens ist ? Mit Recht sagt daher der gelehrte Bischof von Hippo, der hi. Augustinus: „Es gibt keinen grofieren Reichtum, keinen grofieren Schatz, keine groBere Ehre und kein grofieres Vermogen in dieser Welt als der katholische Glaube es ist, der da die Stinder errettet, die Blinden erleuchtet, die Schwachen heilt, die Glaubigen rechtfertigt . . . und uns mit den Engeln in den Besitz der ewigen Erbschaft setzt.“ — ; Geliebte im Herrn! saget nun selbst, seid ihr deshalb Gott gegeniiber nicht zum innigsten Danke fiir dieses himmlische Geschenk verpflichtet, das euch seine Huld und Liebe und eure ewige Auserwahlung bekundet? O, danket Gott aus innerster Seele dafiir, daB ihr Kinder der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche, Bekenner des wahren Glaubens Christi seid; danket ihm besonders in diesen Tagen der Viktorinus-Feier! Denn gerade fur diesen Glauben hat der hi. Viktorinus gelebt und gelitten; diesen Glauben in die Herzen eurer Vor- fahren einzupflanzen, bemuhte er sich durch Wort und Schrift; diesen Glauben unter ihnen zu befestigen, die Wahrheit desselben zu bestatigen, vergoB er auch sein Herzblut. Zeiget aber eure Dankbarkeit auch nach auBen durch wiirdige Feier der Jubilaumsandacht, durch erhohten Gebetseifer, durch regen und erbaulichen Empfang der hi. Sakramente! Gebet also Ehre, wem Ehre und Dank gebtihrt, Gott, dem Spender alles Guten; denn „nur durch die Gnade Gottes seid ihr das, was ihr seid“ (1. Kor. 15, 10). „Regi autem saeculorum immortali, invisibili, soli Deo honor et gloria in saecula saeculorum 11 „Dem Konig der Ewigkeit aber, dem unsterblichen, unsichtbaren, alleinigen Gott, ihm sei Ehre und Preis in alle Ewigkeit" (1. Tim. 1, 17). III. Der Glaube ist, wie wir eben gesehen, ein unver- dientes Geschenk Gottes, er ist aber auch eine verlier- bare Gabe. Sowie diese Gabe zwar allen angeboten, aber nicht von allen angenommen wird, so kann sie auch von jenen, die sie bereits besitzen, wieder verloren werden; 33 3 man kann, wie Paulus an Timotheus schreibt, „im Glauben auch Schiffbruch leiden“ (1. Tim. 1, 19). Die Wahrheit dieser Behauptung wird durch die traurige Er- fahrung seit dem Beginne des Christentums bis auf unsere Tage hinlanglich erwiesen. Wer kann alle jene zahlen, die jenes unschatzbare Gnadengeschenk des Himmels bereits verloren haben und in Irrtumer verfallen sind? Schuld daran sind: grofie Ausgelassenheit der Sitten, irreligiGse Erziehung, Uberschwemmung der Welt mit schlechter Lekture, das bose Beispiel anderer, ferner der Stolz des menschlichen Geistes, der sich vor keiner Autoritat mehr beugen will, mangelhafte Kenntnis der religiosen Lehren, Verachtung der Kirche und ihrer Diener. Ist es da noch zu wundern, wenn so vielen der Glaube abbanden kommt? — Noch groBer ist aber die Zahl jener, die aus Mangel an wahrem, lebendigem Glauben die Erfiillung ihrer Christenpflichten vernach- lassigen. Sie haben wohl im Herzen noch einen Glauben, aber es ist ein toter Glaube, der keine Frtichte bringt, ein Glaube, von dem der hi. Jakobus sagt: „Ein Glaube, der keine Werke hat, ist in sich selbst tot“ (Jak. 2, 17). „Was niitzt es nun“, frage ich euch mit demselben Apostel, „wenn jemand sagt, daB er den Glauben habe, die Werke aber nicht hat? Kann etwa der Glaube allein selig machen?“ (Jak. 2, 14). Nein, denn „in Christo Jesu“, so sagt der hi. Paulus, „gilt nur der Glaube, der durch die Liebe wirksam ist“ (Gal. 5, 6), d. h. der Glaube, der sich durch Werke der Liebe offenbart. Und nun, meine Teuren, werfet einen Blick in euer Inneres, haltet auch ein wenig Umschau in eurer Um- gebung! Wie steht es mit diesem Glaubensleben unter euch? — Wohl euch, wenn ihr mit dem Apostel sprechen konnet: „Die Gnade Gottes ist in mir nicht mrvvirksam geblieben 11 (1. Kor. 15, 10), sie hat in mir eine Ftllle guter Wet'ke gezeitigt! Aber, ich ftirchte es, nicht alle werden sich dieses schone Zeugnis ausstellen konnen. Denn mit Betriibnis muB man es bekennen, daB das Leben nach dem Glauben in unseren Tagen, besonders in Stadten, vielfach auch unter dem Landvolke, ziemlich tief gesunken ist. Betritt einmal die Kirchen an Werk- tagen oder auch an Sonntagen; du wirst wohl eine kleine Zahl frommer Beter finden, aber wo sind denn die Scharen der anderen, die vielleicht weit mehr Gelegenheit 34 — und Bedtirfnis haben ? Besucbe die Predigten an Sonn- und P eiertagen; gahnende Leere starrt dir meist entgegen. Beobachte den Empfang der hi. Sakramente; auch da bleibt die freundliche Einladung des Heilandes bei so manchen fruchtlos, Betrachte die Bittprozessionen, die da aus den Kirchen ausziehen; welche Lauheit! welch’ schwache Beteiligung! Wahrhaft, wtirde man menschliche Riicksichten allein walten lassen, man miifite sich oft wirklich schamen, eine solche Prozession durch die StraBen der Stadt za fiihren! Doch warum dečke ich diese Schattenseiten des stadtischen Glaubenslebens so offenkundig auf? Will ich damit vielleicht jemand beschamen, jemand beleidigen? Das sei fern von mir! Nein, nur der bitterste Schmerz des Herzens uber die Lauheit so vider erpreBt diese traurige Klage meinen Lippen! Oder solite es vielleicht kein Schmerz fiir ein Priesterherz sem, zu sehen, wie so viele unsterbliche Seelen, die mit dem kostbaren Blute Jesu Christi erlost sind, in soleh’ augenscheinlicher Gefahr stehen, ihr ewiges Heil zu verlieren ? Solite es kein Schmerz fur einen Seelsorger sein, sehen zu mtissen, wie aus dem guten Samen, den er gesaet, nur Unkraut aufwachst, wahrend die gute Saat unter den Dornen der Lauheit und Gleichgiltigkeit erstickt wird ? Solite es kein Schmerz fur einen Seelenhirten sein, gleichsam dazustehen, die Hande voli Gnaden und Segen, die Gott der Barmherzige in dieselben gelegt, wahrend niemand kommt, niemand sich einfindet, dieselben zu verlangen oder anzunehmen? Christen, das tut wehe, wehe bis ins innerste Herz hinein 1 Geliebteste! wohin soli dies nun fiihren? •— Ich will hier niemand richten, auch niemand verdammen, da doch Christus der Herr selbst spricht: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet, verdammet nicht, damit ihr nicht verdammet werdet!“ (Luc. 6, 37). Nur warnen will ich, nur auf die Gefahr euch aufmerksam machen; denn das ist Pflicht des Seelsorgers, damit nicht einst der evvige Richter aus seinen Handen die Seelen der Verlorenen zuriickfordert. Darum frage ich nochmals: Wohin soli dies fiihren? Ich weifi es selbst nicht; aber eines weiB ich, und das wei6 ich bestimmt, daB es ein Gericht gibt und daB wir bei diesem Gerichte nicht nur tiber das Bose werden gerichtet werden, das wir getan, sondern auch tiber das Gute, das wir unterlassen haben, — 35 — 3 * nicht nur iiber die begangenen Stinden, sondern auch iiber die Gnaden, die ~wir nicht beniitzt oder gar mil3- braucht haben. Und wie viele Gnaden werden doch oft milBbraucht! wie viele gtinstige Gelegenheiten und Augen- blicke des Heiles unbeniitzt gelassen! „Weh dir, Korozain, weh dir, Betsaida!“ rief deshalb der Heiland den beiden unbuBfertigen Stadten zu; „denn waren in Tyrus und Sidon die Wunder geschehen, die bei euch geschehen sind, so hatten sie einst in Staub und Asche Bulže getan“ (Luc. 10, 13). „Jerusalem, Jerusalem“, rief einst der Heiland schmerzbewegt aus, und Tranen quollen aus seinen liebenden Augen, „wenn doch auch du es erkanntest und zwar an diesem deinen Tage, was dir zum Frieden dient; nun aber ist es verborgen vor deinen Augen“ (Luc. 19, 42). „Wie oft wollte ich deine Kinder ver- sammeln, wie eine Henne ihre Kiichlein unter ihre Fliigel sammelt, du aber hast es nicht gewollt“ (Matth. 23, 37). Warum klagt also der gottliche Heiland so bitter liber diese Stadt? Warum vergieBt sein Auge Tranen? Weil sie den Tag ihrer gnadenreichen Heimsuchung nicht er- kannt und die Gnaden, die ihr Gott angeboten, nicht beniitzt hat! O, welch schreckliches Gericht erwartet des¬ halb den lauen Ghristen wegen des MiBbrauches so vieler dargebotenen Gnaden! Und welches ist dieses Gericht? Uber die Lauheit hat Gott selbst bereits das Urteil gesprochen, es lautet: „0, dad du' kalt warest oder warm! Weil du aber lau bist und weder kalt noch warm, so will ich dich aus- speien aus meinem Munde“ (Apoc. 3, 16). In der Tat! ein niederschmetterndes, ein vernichtendes Urteil, das Wort: „Ich will dich ausspeien aus meinem Munde!“ Waren es meine Worte, so konnte man mir vorwerfen, dad ich tibertreibe; nun aber sind es Worte der ewigen Wahrheit, Worte desjenigen, der von sich sagen konnte: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.* 1 Was nun ? Soli dieses Urteil auch an jemand von euch zur Wahrheit werden ? Da sei Gott davor! Horet darum den Ruf des mahnenden Propheten: „Exper- giscirnini... et flete!“ „Wachet auf und weinet!“ (Joel 1, 5). Ja, wachet auf, ihr Lauen, aus eurer Lauheit und tuet Bude ftir eure Stinden! „Ecce nune tempus acceptabile, nune dies salutis, sieh’ jetzt ist die willkommene Zeit, — 36 jetzt der Tag des Heiles“, wo der Herr sein Volk heim- suchen will. Kehret darum zurtick zu eurem Gott durch eine gute, wilrdige Beichte mit dem festen Vorsatz, als wahre Christen in Zukunft zu leben, zu wirken, zu handeln, um so lebendige Glieder am Leibe der Kirche, grtinende, fruchttragende Zweige am Lebensbaume Gottes zu sein! versohnet den gekrankten, beleidigten Gott und sprecht darum mit dem verlorenen Sohne: „Vater, ich habe gestindigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heiCen.“ O, so moge denn das Beispiel des glorreichen Martyrers Viktorinus die Lauen aufriitteln aus der geistigen Schlaffheit, moge sein glaubensstarker Lebenswandel und mutiger Heldentod euch alle bestarken im heiligen Glauben, auf dal3 ihr euch nie schamet, denselben auch offen durch Wort und Tat zu bekennen! „Surge, iliuminare, Jerusalem! Steh darum auf, Jerusalem, du Volk des Herrn; denn es kommt dein Licht und die Herrlichkeit des Herrn geht auf liber dir“ (Js. 60, 1). „Surge, qui dormis ... et Christus te illuminabit, wache auf, der du schlafst, und steh auf von den Toten, und Christus wird dich erleuchten 11 (Eph. 5, 14). Nach dieser erhebenden Predigt wurde das Aller- heiligste unter groCer Assistenz und feierlichstem Glocken- gelaute, unter Orgelspiel und Sangesklang zu dem von den ehrwtirdigen barmherzigen Schwestern des Siechen- hauses prachtvoll geschmiickten Viktorinusaltar iiber- tragen, al)wo die Allerheiligen-Litanei gebetet und der Segen mit dem Allerheiligsten gegeben und so die Vor- abendfeier des .Triduums geschlossen wurde. Die Feierlichkeit dieses Tages und der folgenden zwei verlief ganz programmaBig. Alle lil. Messen, 5 an Amen. B) Das Triduum selbst. Erster Tag (3. November). der Zahl, wurden beim Viktorinusaltare gelesen. Um 9 Uhr vormittags begann unter Glockengelaute, Gesang und Gebet der Einzug zweier groBer Prozessionen aus der Umgebung der Stadt. Die erste aus der Pfarre HI. Maria in Wurmberg, gefuhrt von ihrem Seelenhirten Pfarrer Josef Gunčer, brachte iiber 400, die zweite aus der Pfarre St. Marxen unter der Leitung des Kaplans Alois Kramaršič uber 600 Wallfahrer. Um ' 1^0 Uhr hielt letztgenannter Herr Kaplan an die versammelten Jubilaums-Pilger eine wohldurchdachte Predigt in slo- venischer Sprache, in welcher er das Leben und Wirken des hi. Viktorinus und die Notwendigkeit des lebendigen katholischen Glaubens behandelte. Darauf fand ein feier- liches Pontifikalamt statt, gehalten vom Herrn Propst unter zahlreicher Assistenz. An die hi. Messe reihte sich die General-Kommunion der Wallfahrer und das Gebet um den vollkommenen AblaB. Es war ein rtihrender Anblick, das fromme tief- glaubige Volk zu sehen, wie es scharenweise zum Tische des Herrn hinzutrat, um unter frommen Gesangen aus der Hand des Priesters die hi. Kommunion zu empfangen. Die hi. Beichte hatten die meisten bereits zuhause ab- gelegt, einige taten es auch in Pettau, wo die Beicht- vater in diesen Tagen vollauf zu tun hatten. Um 6 Uhr abends fand die zweite Abendpredigt in deutscher Sprache statt, gehalten vom Benefiziaten Franz Štuhec uber das Thema: L)iktorinu5 a\$ fViester tiod $i$cbof. Motto: Briider, gedenket eurer Vorfahren, die euch das Wort Gottes verkiindet haben. (Hebr. 13, 7). 1. „Laudemus viros gloriosos — hochpreisen wir ruhmreiche Manner“! So der Ausruf des weisen Siraciden (Eccli. 44, 1). „Ehre, wem Ehre“, ist ein alter Spruch. Die Geschichte sowie die tagliche Erfahrung beweisen es, daB die Menschen denjenigen Ehre und Lob zu zollen wissen, die solches verdient haben. Gefeiert werden ruhm¬ reiche Redner, gepriesen gottbegabte Dichter, in einem Triumphzuge geleitet man lorbeerbekranzte Sieger in die Vaterstadt, und Denkmaler verkiinden die Ehre verdienter Manner. 2. Doch was ist ali dieses Lob der Welt? Hbren wir den hi. Chrysostomus: „Was sind alle Ehren und Lustbarkeiten ?“ spricht er. „Nachtliche Traume sind sie, die bei Anbruch des Morgenrots verschwinden; ein Nebel, den der Wind verscheucht; Seifenblasen, die zer- platzen; ein Spinngewebe, das schnell zerrei6t.“ „In ewigem Andenken bleibt der Gerechte“, sagt der Psalmist (tp 111, 7). Das ist also der wahre Ruhm, das ewige Andenken, das sich der Gerechte bei Gott erwirbt! Die Wahrheit dieses Ausspruches der hi. Schrift bestatigt die Festlichkeit, die wir dieser Tage in unserer Stadt begehen. Menschenmassen wallen von nah und fern hierher, um das Andenken eines Mannes zu feiern, dessen Leben und Tod gar ruhmreich war. Wohl gibt uns kein Denkmal die Ruhestatte des glorreichen Mannes kund, und die wenigen Zeilen, die ilber ihn geschrieben sind, gentigen keineswegs, den groBen Mann nach Gebilhr zu preisen; es hat ihn aber Gott geehrt und ihm ein Denkmal gesetzt, das in alle Ewigkeiten dauern wird. „Mit Ehre und Ruhm hat er ihn bekranzt“ (ip 8, 6), weil er nicht das Lob dieser Welt, sondern die Ehre Gottes und das ewige Heil der ihm anvertrauten Seelen ge- sucht hat. Dieser glorreiche Mann ist der hi. Viktorinus, Bischof und Martyrer von Pettau. 1600 Jahre sind bereits seit dessen Tode verronnen, aber sein Name lebt noch immer fort und wird verherrlicht werden in alle Ewigkeiten. 3. Eingangs zitierte ich die Worte des hi. Paulus: „Brijder, gedenket eurer Vorfahren, die euch das Wort Gottes verkiindet haben“ (Hebr. 13, 7). Wenn die Welt die Ihrigen ehrt, sich gerne an ihre Vorfahren erinnert, wie sollten wir Katholiken eines Mannes vergessen, der als eine Leuchte der Kirche dagestanden ? Darum „Bruder, gedenket eurer Vorfahren!“ Das richtige Gedachtnis groBer Vorfahren ist indes dasjenige, welches uns dieselben als lehrreiche und nach- ahmenswerte Vorbilder zeigt. Soleh eine Erinnerung soli auch die diesjahrige Viktorinusfeier sein! Deshalb wird euch auch anlaBlich dieser Festlichkeit das Wort Gottes verktlndet. — 39 — Von welcher Seite nun soli ich euch den hi. Viktorinus vorfuhren? Die Antwort darauf geben euch die Worte des groBen Weltapostels: „Bruder, gedenket eurer Vor- fahren, die euch das Wort Gottes verkiindet haben!“ Nun hat aber der hi. Viktorinus hier das Wort Gottes verkilndet; denn er war Bischof, er war Priester. Die Tatsache, daB der hi. Viktorinus ein Priester war, der den Samen des Wortes Gottes ausstreute, gibt den Gegen- stand meines Vortrages. Sprechen will ich namlich iiber die Erhabenheit des katholischen Priestertums. Um euch die Sache klar zu machen, will ich zwei Momente ins Auge. fassen: ich werde euch 1. das Priester- tum als eine Einrichtung gottlichen Ursprunges darlegen, dann aber 2. die Bestimmung oder die Aufgabe desselben besprechen. Das siiBeste Herz Jesu aber, in vvelchem alle Schatze der Weisheit und Wissenschaft verborgen sind, mčge eure Herzen zu einem fruchtbringenden Acker fiir meine Worte gestalten! * * * Die hi. Kirche muB funvahr rufen mit dem Psalmisten: „Herr, was haben sich vermehrt, die mich bedrangen? Gar viele stehen wider mich auf“ (ip 3, 2). Doch umsonst frohlockt die Welt ob ihrer Errungen- schaften! Denn es ist noch immer wahr, was der groBe Napoleon gesprochen: „Volker gehen dahin, Throne stiirzen in Triimmer, nur die Kirche bleibt.“ Vergeblich jubilieren aucli die Verfolger der Diener- schaft der Kirche, des Priestertums. Wie filr die Kirche, so gelten auch fiir das katholische Priestertum die Worte Gamaliels, die er zu den Richtern der Apostel sprach: „Manner Israels, ich sage euch folgendes: Stehet ab von diesen Menschen und lasset sie; denn wenn diese Ein¬ richtung und dieses Werk von Menschen stammt, dann wird es zerfallen; stammt es aber von Gott, dann werdet ihr es nicht vernichten konnen“ (Apostelg. 5, 38—39). Wir aber behaupten, daB das katholische Priester¬ tum eine gottliche Institution ist. — 40 — 41 A) Die Sendung des Priestersist gottlichen Ursprungs. Beweis dafur ist das alte wie das neue Testament. a) Einen besonderen Ort, eine besondere Statte hat sich Gott erwahlt, wo die heiligen Opfer dargebracht werden sollten, wo das Volk sich ihm nahern konnte. Es ist ferner einleuchtend, daB der Gottesdienst, die erhabenste Verrichtung, nicht so geschehen darf, wie es einem jeden beliebte und daB derlei Handlungen nicht jedermann zukommen. Vielmehr muB der Gottesdienst so verrichtet werden, wie es Gott genehm ist und von jenen Personen, die dazu auserwahlt sind. Diese Personen nennen wir Priester. Bei einem jeden Volke, in jeder Religion finden wir einen besonderen Stand zu gottesdienstlichen Ver- richtungen bestimmt; auch die Israeliten haben einen Priesterstand erhalten, wie es Gott bestimmt hat. Als Gott seinem auserwahlten Volke das Gesetz gab, als er ihm den Weg zeigte, wie es ihm dienen solite, da setzte er auch den Priesterstand ein. Dariiber erzahlt Moses folgendes: „Gott sprach zu Moses: Nimm auch deinen Bruder samt seinen Sohnen aus der Mitte der Sohne Israels, auf daB sie mir den priesterlichen Dienst verrichten: den Aaron, Nadab und Abiud, den Eleazar und Ithamar. Und mach’ ein heiliges Gewand deinem Bruder zur Ehre und Zierde. Und sage allen Verstandigen, die ich mit dem Geiste des Verstandes erfullt habe, daB sie dem Aaron Gewander machen, auf daB er in denselben geweiht mir diene.“ (II. Mos. 28, 1, —3.) ■— Gott hat sich also selbst seine Priester auserwahlt. Und nur diejenigen durften die gottesdienstlichen Verrichtungen austiben, die Gott dazu auserkoren hat, Aaron namlich und seine Sohne, sowie ihre Nachkommen. Gott sprach namlich zu Moses: „Befiehl den Sohnen Israels, daB sie dir das reinste Ol von den Olbaumen bringen, damit im Bundeszelte immer die Lampe brenne. Und Aaron und seine Sohne werden sie besorgen. Es wird ein immerwahrender Dienst verrichtet werden von den Sohnen Israels durch ihre Nachkommen. 14 (II. Mos. 27, 20, 21). Eine vielsagende Begebenheit erzahlt uns diesbezug- lich die hi. Schrift des alten Bundes : Koredathan und — 42 — Abiron mit 250 Mannern vor der Synagoge haben sich gegen Moses emport und sprachen: „Es sei euch genug! Ist ja doch die ganze Menge heilig, und Gott ist unter ihr ! Weshalb erhebt ihr euch ilber das Volk Gottes?“ Als dies Moses hbrte, fiel er auf sein Angesicht und sprach zu Kore und zur ganzen Schar: „Morgen wird euch der Herr kundtun, welche die Seinigen sind, und die heiligen Manner nimmt er fur sich ; und diejenigen die er auswahlt, werden sich ihm nahern. Tut demnach folgendes: Eiri jeder nehme sein RauchfaB, du, Kore und deine ganze Anhangerschaft; und wenn ihr nrorgens das Feuer nehmet, leget darauf das Raucherwerk vor dem Herrn; und wen sich der Herr auserwahlt, der sei heilig. Viel erhebt ihr euch, Sohne Leviš!“ Und wiederum sprach er zu Kore: „Horet, ihr Sohne Leviš! Ist’s euch denn zu wenig, daB euch der Herr vom ganzen Volke gesondert und sich zugesellt hat, auf daB ihr ihm den heiligen Dienst tuet im Zelte und daB ihr vor der Volksmenge stehet und ihr dienet ? Hat er euch denn dazu sich nahern lassen, daB ihr euch noch das Priestertum anmafiet? und daB deine ganze Schar wider den Herrn steht? Was ist Aaron, daB ihr gegen ihn murret? 1 ' Da lieB Moses den Nathan und Abiron, die Sohne Eliabs rufen. Sie aber sprachen: „Wir kommen nicht. Ist es dir dann zu wenig, daB du uns aus einem Lande geftihrt hast, wo Milch und Honig fliefit und uns in der Wiiste getOtet hast, daB du noch liber uns herrschen willst? Fiirwahr, geftihrt hast uns in ein Land, wo Bache von Milch und Honig flieBen und Acker und Weingarten gabst uns in Besitz; \villst du denn noch die Augen uns ausreiBen? Wir kommen nicht! — Und Moses ward gar zornig und sprach zu dem Herrn: „Schau nicht auf ihre Opfer. Du wei6t, daB ich nicht ein Eselein von ihnen genommen noch einem ein Leid zugefiigt habe.“ Und er sprach zu Kore: „Du und deine ganze Gesellschaft stehet gesondert vor dem Herrn und Aaron morgens gesondert. Ein jeder nehme sein RauchfaB und lege Rauchenverk darauf und opfert dem Herrn 250 Rauch- fasser: auch Aaron soli sein RauchfaB halten.“ Als sie dies getan vor Moses und Aaron und gegen die Ietzteren die ganze Menge zusammen gerufen hatten, da erschien allen die Herrlichkeit des Herrn. Da sprach — 43 — der Herr zu Moses und Aaron: „Trennet euch von dieser Gesellschaft, auf daB ich sie jahlings vernichte. Und sie fielen auf ihr Angesicht und sprachen: „Starker Gott der Geister alles Fleisches, wird dann dein Zorn alle treffen, wenn nur einer gesilndigt hat ? Und der Herr sprach zu Moses: „Befiehl dem ganzen Volke, dafi es wegtrete vomZelte Kores, Nathans undAbirons. 11 Und Moses stand auf und ging zu Nathan und Abiron und mit ihm gingen die Altesten Israels; und er sprach zur Volksmenge: Tretet weg von den Zelten der gottlosen Leute und riihret nichts von dem an, was ihnen gehort, daB ihr euch nicht in ihre Siinden ver- stricket! Als sie sich. von ihren Zelten in die Runde zurtickgezogen hatten, traten Nathan und Abiron heraus und standen am Eingange ihrer Zelte mit Weib und Kind und der ganzen Schar. Und Moses sprach: Daran werdet ihr erkennen, daB mich der Herr gesandt hat alles zu tun, was ihr sehet und daB ich dieses nicht aus meinem Herzen gesprochen: Wenn diese eines gewohnlichen menschlichen Todes untergehen und sie ein Ungemach trifft, wie alle andern, so hat mich der Herr nicht gesandt. Wenn aber der Herr ein neues Ding tut, auf daB die Erde ihren Rachen auftut und sie und alles Ihrige verschlingt und sie lebendig in den Abgrund sturzen, so vvisset, daB sie Gott gelastert haben.“ Sowie er nun zu reden aufhorte, zerbarst die Erde unter ihren FiiBen und verschlang sie samt ihren Zelten und ihrer Habe; und sie stiirzten lebendig in das Land der Toten, daB die Erde sie verdeckte und sie hinweg- starben vor der Menge. Auch fiel Feuer herab von dem Herrn und totete die 250 Manner, die Weihrauch geopfert hatten. Zu immenvahrendem Wahrzeichen dafiir, daB Aaron als Priester vvirklich von Gott bestimmt war, tat der Herr ein neues Wunder: Der Štab Aarons ergrilnte uber Nacht, trieb Bliiten und zeitigte Friichte. Dies ist zu lesen im 4. Buch Moses im 16. und 17. Hauptsttick. Es handelte sich bei dieser Angelegenheit um die Beantwortung der Frage: Ist das -Priestertum Aarons von Gott eingeftihrt oder nicht? Und sehet, was fiir Wunder Gott gewirkt hat, um dem Volke zu beweisen, daB er sich seine Priester auservvahlt. Kein Zweifel 44 also, daB der Ursprung des alttestamentlichen Priester- tums gottlich ist! b) Erfreut sich dieses erhabenen Vorzuges auch das neutestamentliche, das katholische Priestertum ? Vor allem miissen wir festsetzen, daB es auch im neuen Testamente ein aufieres, sichtbares Priestertum gibt. Die Einrichtung der katholischen Kirche seit den altesten Zeiten bestatigt dies, weshalb sich das Konzil von Trient folgendermaBen ausgesprochen hat: „Das Opfer und das Priestertum sind durch gfittliche Anord¬ nung so innig verbunden, daB beides in beiden Testa- menten existierte. Weil nun im neuen Testamente die katholische Kirche das heilige und sichtbare Opfer der Eucharistie durch Anordnung des Herrn erhalten liat, da muB man auch zugeben, das es in demselben ein neues sichtbares und auBerliches Priestertum gibt, in welches das alttestamentliche iibertragen wurde. DaB aber dasselbe durch denselben Herrn, unseren Erloser, einge- fuhrt, und daB den Aposteln und ihren Nachfolgern ein Priestertum, die Gewalt zu konsekrieren, zu opfern und auszuspenden seinen Leib und sein Blut, sowie die Sunden nachzulassen und vorzubehalten, gegeben worden sei, das bezeugt die hi. Schrift und hat die Uberliefe- rung der katholischen Kirche immer so gelehrt“. (Sess. 23. cap. 1.) Durch diese Konzilsworte wird nicht nur dargelegt, daB es im neuen Testamente ein sichtbares Priestertum gibt, sondern es wird auch behauptet, daB es als von Christus eingesetzt auf gottlicher Anordnung beruht. a) Dieses hat am deutlichsten der neutestamentliche Stifter des Priestertums ausgesprochen mit den Worten: „Wenn die Welt euch hafit, ■ so wisset, daB sie mich friiher wie euch gehaBt hat. Wenn ihr von der Welt waret, so wtlrde die Welt das, was ihr gehort, lieben; nun ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch von der Welt auservvahlt habe, so hafit euch die Welt.“ 0oh. 15, 18. 19.) „Nicht ihr habt mich erwahlt, sondern ich habe euch erwahlt und habe euch gesetzt, daB ihr gehet und Frucht bringet und eure Frucht bleibe (ib. v. 16.) Das neutestamentliche Priestertum hat demnach Jesus Christus eingesetzt, derjenige, von dem Petrus so — 45 — feierlich gesagt: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ (Matth. 16, 16.) Uberdies sprach Christus: „Wie mich der Vater gcsandt hat, so sende auch ich euch“ (Joh. 20, 21). Die Sendung Christi und die Sendung der Apostel und ihrer Nachfolger ist demnach gleichen Charakters: sie ist gott- lichen Ursprungs. Ferner sprach der Herr: „Ich bin nicht gekommen, das Gesetz aufzuheben, sondern es zu vervollkommnen (Matth. 5, 17). Sonach muB es im neuen wie im alten Bunde ein Priestertum geben. Wie aber das alttestament- liche gflttlichen Ursprungs war, also mufi den gleichen Charakter auch das neutestamentliche haben, nur daB es vervollkommnet worden ist. /J) Dieselbe Lehre haben die Apostel klar aus- gesprochen: „Niemand nimmt sich selbst die Wurde, sondern der von Gott berufen wird wie Aaron“ schreibt der hi. Apostel Paulus, und fiigt hinzu: „wie ja nicht ein- mal Christus sich selbst verherrlicht hat, auf daB er Priester wiirde, sondern derjenige, der zu ihm sprach: Mein Sohn bist du . . .“ (Hebr. 5, 4. 5.). Die Apostel waren doch mit groBen Vollmachten ausgestattete M&nner, sprach ja zu ihnen der Heiland: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende auch ich euch“; dennoch haben sie nicht selbst den Nachfolger des ungliicklichen Judas gewahlt, sondern sprachen, nach- dem sie ihre Kandidaten aufgestellt: ,Du Herr, der du die Herzen aller kennest, zeige uns, wen du von diesen zweien auservvahlt hast, daB er die Stelle dieses Dienstes und des Apostolates ubernehme“. Und sie gaben ihnen Lose und das Los fiel auf Matthias, und er wurde den elf Aposteln zugezahlt" (Apostelgesch. 1, 24—26). y) Herrlich sprechen sich dariiber die hi. Kirchen- vater aus. „Das Priestertum wird zwar auf Erden aus- geubt“, sagt der hi. Joh. Chr., ,,aber man muB es zur Klasse und Ordnung himmlischer Dinge zahlen, denn nicht ein Sterblicher, nicht ein Engel, nicht ein Erzengel, nicht irgend ein anderes Geschopf, sondern der gott- liche Troster selbst hat diesen Stand eingesetzt." „Das Priestertum ist nicht eine menschliche Sache, sondern etwas Gottliches“, schreibt der hi. Gregor von Nazianz. — 46 — d) Die Wahrheit unserer Behauptung folgt ferner aus der Natur der Sache. Wenn es tiberhaupt keine Gewalt gibt auBer von Gott (cf. Rom. 13, 1), so muB der Mensch zur Austibung der erhabensten Gewalt umso- mehr Von Gott die Sendung und Ermachtigung haben. * * * B) Nun wir dargelegt haben, dafi die Sendung des katholischen Priestertums gottlichen Ursprunges ist, wollen wir zum zrveiten Punkte des Vortrages iibergehen. Wir wollen namlich aus der Aufgabe des Priestertums dessen gottliche Institution erkennen. — GroB war das Werk Christi; das Erlosungswerk; es war eben ein gottliches Werk. Dieses groBe Heils- werk fortzufuhren, ist dem katholischen Priestertum an- vertraut. Zu den Hohenpriestern der katholischen Kirche, zu den Aposteln sprach namlich der Heiland: „Wie mich der Vater gesendet hat, so sende auch ich euch.“ (L c.) Nun aber hat „Gott seinen Sohn in die Welt nicht ge- sandt, daB er die Welt richte, sondern daB die Welt durch ihn selig werde (Joh. 3, 17). Dieselbe Sendung hat laut obiger Worte des Herrn das katholische Priestertum. Zu diesem Zwecke hat es der Heiland mit einem dreifachen Amt ausgestattet: mit dem Lehr-, Priester- und Hirtenamt. a ) GemaB dem Ausspruche Christi: „Gehet hin in die ganze Welt und lehret alle Volker . . . und lehret sie alles halten, was ich euch befohlen habe“ (Matth. 28, 19. 20), ist es ein Teil der Aufgabe des katholischen Priestertums, die Lehre Jesu zu verktinden. Dies ist aber eine Lehre, welcher kein verntinftiger Verstand die Gott- lichkeit absprechen kann. Durch diese Lehre ist unsere Ansicht von der Welt und ihrer Beziehung zu Gott eine andere ge- vvorden :als sie das alte Testament hatte. Durch Christi Ideen wird der Mensch und die Welt nicht bloB nahe- gebracht, sondern gevvissermaBen in die Gottheit hinein- geruckt; mit seiner ewigen Weisheit und Liebe trug sie Gott in sich, bestimmte von Ewigkeit ihr Verhaltnis zu ihm, die Verhaltnisse alles Einzelnen zum Ganzen, die besonderen Zwecke und den Endzweck von allem. Wo hat sich eine andere Lehre zu dieser Hohe und Reinheit der Ideen iiber Gott und die Welt erhoben? Und wer — 47 — anderer komite sie der Welt mitteilen als der, welcher selbst gottlichen Wesens ist und das innere Leben der Gottheit gelebt und ihr Wirken nach au(3en mitberaten und seinen Anteil ubernommen hatte? In gleicher Weise bekundet die 'Lehre Christi ihren gottlichen Ursprung durch die Aufschlusse, welche sie dem menschlichen Geist iiber ihn selbst, sein Wesen, seine Gesetze, seine Bestimmung mitteilt. Es bekundet diesen Charakter der sittliche Ernst, womit das Christentum mit seiner Lehre den Menschen von der tiefen Stufe seines Falles bis zur Hohe vollkommencr Reinheit und Gottahnlichkeit zu bringen sucht. Diese gottlichreine, durch Gott starke, zugleich aber himmlisch- milde, Gott und die Menschen mit inniger Liebe um- fassende und nur um dieser willen sich selbst verleugnende Sittlichkeit und Sittenlehre kann nur gottlichen Ur- sprunges sein. Noch mehr tritt uns der gottliche Cliarakter der Lehre Jesu vor Augen, wenn uns die Gelegenheit ge- geben wird, deren Allgemeinheit, deren Anpassungs- fahigkeit ftir alle Menschen und alle Zeiten in Erwagung zu ziehen, sowie selbe mit anderen Religionen in Ver- gleich bringen zu konnen! Diese gottliche Lehre zu verkiinden, ist des katho- lischen Priestertums Arbeit. /J) Die Erhabenheit des katholischen Priestertums geht obendrein aus der Gewa1t der Silndenvergebung hervor. Christus hat sie den Aposteln verliehen am Abend seines Auferstehungstages mit den Worten: „Empfanget den hi. Geist! Welchen ihr die Siinden nachlassen werdet, denen sind sie nachgelassen; welchen ihr sie vorbehalten werdet, denen sind sie vorbehalten.' 1 (Joh. 20, 22 ff.) Durch die sakramentale Weihe geht sie auf die Priester iiber. So lehrt der heilige Kirchenrat zu Trient (14. Sitzung, cap. 1, can. 10). Wie grofi aber ist diese Macht! Sie ist ein wahrer Schopfungsakt, das Kind des Teufels urmvandelnd in ein Kind Gottes. So weit reicht selbst nicht die hochste Macht auf Erden, ja nicht einmal die der Engel im Himmel. „Die Priester haben eine Gevvalt erhalten" sagt der hi., Chrysostomus, „welche Gott weder Engeln noch Erzengeln verliehen hat." Diese Macht erstreckt sich 48 auf a!le Stlnden. „Wahrlich sage ich euch, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein; und was ihr auf Erden losen werdet, das wird auch im Himmel geloset sein“ (Matth. 18, 18). „Den Priestern des neuen Bundes ist die Gewalt gegeben worden, die Seelen ganzlich vom Aussatze zu reinigen 1 ', schreibt der hi. Chrysostomus. c) Eine dritte Gewalt ist noch dem Priestertum gegeben, namlich das Priester- und Opferamt. Dartiber auBert sich der fromme Schriftsteller Gaume folgender- maBen: „Welche menschliche Zunge kiinnte die Wiirde des Priestertums und die GroBe des Priesters aussprechen ? GroB war der erste Mensch, welcher als Konig des Welt- alls allen Bewohnern seines weiten Gebietes gebot und unbedingten Gehorsam erhielt. GroB war Moses, der mit einem Worte die Wasser des Meeres trennte und zwischen ihren aufgerichteten Massen ein ganzes Volk trockenen FuBes hindurchftihrte. GroB war Josue, der zur Sonne sagte: „Sonne, steli stili!' 1 Und die Sonne gehorchte der Stimme eines Sterblichen und stand stili. GroB sind die Konige der Erde, welche zahlreichen Heeren befehlen und die Welt durch den bloBen Klang ihres Namens zittern machen. Aber — es gibt einen Menschen, welcher alle Tage, wann es ihm gefallt, die Tore des Himmels offnet und sich ati den Solin des Ewigen, den Herrscher der Welten, richtend sagt: „Komm herab von deinem Throne, komml" Und der Stimme dieses Menschen ge- horchend verlafit das Wort Gottes, dasselbe, durch welches alles gemacht ist, sogleich den Sitz seiner Herrlichkeit und wird Fleisch in den Handen dieses Menschen, der machtiger als die Konige, als die Engel, als die erhabene Maria ist, und dieser Mensch sagt zu ihm: „Du bist mein Solin, heute habe ich dich gezeugt; du bist mein Opfer"; und er laBt sich opfern von diesem Menschen, hintun, wohin er will, geben, wem er will. Und dieser Mensch ist der Priester. Der Priester bringt das hi. MeBopfer dar; er ver- richtet das heiligste, unblutige Opfer des neuen Bundes; jenes Opfer, von vvelchem die Propheten so erhaben ge- sprochen, welches die Patriarchen so sehnsuchtsvoll er- wartet haben; jenes Opfer, das alle Opfer des alten Testamentes trotz ihrer Pracht an Bedeutung weit iiber- — 49 — 4 steigt, ja so weit uberragt, als der Abstand des Himmels von der Erde weit ist; jenes Opfer, welches vom Auf- gang der Sonne bis zum Untergang den Namen Gottes verherrlicht. * * * Diesem von Gott eingesetzten und mit einzig da- stehenden Vollmachten ausgerilsteten Stande hat der ruhmreiche Mann angehbrt, dessen Name dieser Tage in unserer Stadt in aller Munde genannt wird. Ins Priester- tum berufen stand er da als Gottes Anwalt, er war Bischof der ihm anvertrauten Seelen. Getreu dem Auf- trage Christi, die Vblker zu lehren, was er befohlen, breitete er unerschrocken in unseren Gegenden das Licht des Glaubens aus. Und er wich nicht zurtick. Mutig ging er in den Tod fur den Glauben. Der hi. Viktorinus hat, weil er Priester war, hier einen Baum gepflanzt, dessen treffliche Frilchte noch jetzt die Bewohner Pettaus genieBen — es ist der allein seligmachende katholische Glaube! „Brtider, gedenket eurer Vorfahren, die euch das Wort Gottes verktlndet haben“, ermahnt der hi. Paulus. Gedenket demnach, teure Christen, eures Vorfahren, des hi. Viktorinus! Gedenket immerdar, da!3 er ein Mitglied des katholischen Priestertums war, und dafi er als solcher das Wort Gottes hier verktlndet hat! Behaltet aber auch stets die Lehre vom katholischen Priestertum, welche ich euch zum Andenken an den hi. Bischof Viktorinus heute zu Gemiite gefuhrt haben wollte! Angesichts der hohen Aufgabe, welche dasselbe infolge seines dreifachen Amtes hat, schlieBe ich mit der Mahnung des Heilandes: „Wer euch hort, der hort mich; wer aber mich hort, hort denjenigen, der mich gesandt hat“ (Luk. 10, 16). Wer aber bei Lebzeiten gerne die Stimme Gottes hort, der wird in der Todesstunde die beseligende Einladung des Herrn vernehmen: „Veni, coronaberis — komm, auf dafi du gekrbnt werdest“ (Kant. 4, 8). Amen. 50 — Die Abendandacht schlofi mit der Litanei vom siiBesten Namen Jesu und mit dem hi. Segen beim Viktorinusaltare. .Zvveiter Tag (4. November). Noch schoner als der erste war der zweite Tag des Triduums. Zwischen 9 und 1 / 2 10 Uhr vormittags er- schienen drei groBe Prozessionen und zwar die erste aus der Pfarre HI. Maria in Polenšak, der sich auch viele Glaubige aus der Pfarre St. Thomas bei GroB-Sonntag angeschlossen hatten, mit 300 Wallfahrern unterderLeitung des Pfarrers Franz Valenko, die zweite aus der Pfarre St. Margareten unter Pettau mit 500 Wallfahrern unter der Leitung des Pfarrers Alois Suta, die dritte aus der Pfarre St. Martin in Haidin mit 400 Wallfahrern unter der Leitung des Pfarrers Josef Sorglechner. Die Vormittagspredigt in slovenischer Sprache hielt um 1 / 2 10 Uhr Johann Rožman, Kaplan von St. Martin in Haidin. „Was filr geordnete Scharen stromen denn heute in die altehrwtirdig.e Stadt ? Sind es die sieggewohnten Legio- nen der unersattlichen Romer, um wieder zu erobern das alte fruchtbare Pannonien ? Sind’s wandernde Volker- stamme der Goten, Hunnen, Avaren, um wieder in Schutt und Asche zu verwandeln die bltihenden Stadte? Dies alles und noch viel mebr hast du gesehen und miterlebt, du aufgeregtes Petovium! Doch heute filrchte nicht! Zittere nicht! VerschlieBe nicht deine Tore! Keine Feinde sind’s, die dich besuchen, sondern deine langst bekannten, fried- lichen Nachbarn, fromme katholische Wallfahrer aus deiner nachsten Umgebung. Ihre Fahnen sind die Banderien des himmlischen Friedensfiirsten und ihre Gesange kein Kriegsgeheul, sondern bescheidene Gebete zum Allmach- tigen; zu Gott! Darum offne uns weit und breit deine Tore und laB uns einziehen in deinen herrlichen Dom, in deine altehnviirdige Stadtpfarrkirche, um teilzunehmen und mitzuwirken an dem weithin bekanntgewordenen 1600jahrigen Jubilaum deines ruhmvollen Bischofes und Martyrers, des hi. Viktorin. 11 Nach dieser spannenden — 51 — 4* Einleitung ging der Prediger iiber zu seinem Thema: Viktorin als Bischof, Schriftsteller und Martyrer und seme Bedeutung ftir Pettau und ftir die ganze katholische Kirche. Auf die Predigt folgte ein feierliches Hochamt, zelebriert vom Herrn Propst Josef Fleck und sodann die Generalkommunion der Wallfahrer und das Gebet um den AblaB. Zur liebenswiirdigen Aushilfe im Beichtstuhle hatten sich an diesem Tage auch eingefunden die hochvv. Herren: Franz Moravec, Pfarrer in St. Lorenzen ob Marburg, als ehemaliger Stadtpfarr-Vikar und Franz Hirti, Pfarrer in Schleinitz bei Marburg, als ehemaliger Bene- fiziat in Pettau, endlich der hochw. Herr Josef Kralj, Dechant in Sauritsch. Um die Mittagsstunde ivurde von den bei der Jubilaums-Feier dieses Tages anwesenden 13 Priestern ein Ergebenheits-Telegramm und ein kurzer telegraphischer Bericht iiber den glanzenden, alle Erwar- tungen ilbertrefifenden Verlauf des Jubilaums an den hochwiirdigsten Herrn Furstbischof nach Marburg abge- sandt. Um 6 Uhr abends war die dritte Abend-Predigt in deutscher Sprache. Dieselbe hielt der Verfasser dieser Festscbrift, damals Stadtpfarr-Vikar in Pettau, iiber das Thema \J\ktor\r) als 5 c bf’ift5tdl<2r. Motto: Und schiitzten dich nicht der hi. Schriften Verdienste, j Langst schon warst du, Viktorin, ganz von der Nachwelt vertilgt! Andachtige, im Christus dem Herrn Versammeltel Zum drittenmale habet ihr euch heute in diesem herr- lichen Gotteshause versammelt, um teilzunehmen an dem heuer in der ganzen katholischen Welt einzig dastehenden Jubilaum und so zu ehren denjenigen, den eure Vor- fahren geehrt, und um Ftirsprache bei Gott zu bitten denjenigen, der euren Vorfahren in unzahligen Anliegen der Seele und des Leibes schon wahrend seinesErdenlebens geholfen hat, ich meine den hi. Viktorin. Gottlob! Freude sehe ich aus euren Augen strahlen und Wil3begierde von eurem Antlitz! Eure Freude ist erklarlich! — 52 — Ihr schatzt euch glucklich, ja uberaus gliicklich, erlebt zu haben, was vielleicht eure Kindeskinder, eure Enkel nicht erleben werden, ein mehr als tausendjahriges Jubilaum zu feiern, nicht eines gewohn1ichen Sterblichen, sondern eines unsterblichen Heiligen, dessen FuB auf dem Boden gewandelt, auf dem ihr steht. Und eure Wi8begierde? Auch die ist vollauf begriindet! Fiirwahr, ihr kennt ihn viel zu vvenig, ja, man kennt ihn gar nicht, diesen groBen Mann, den hi. Viktorin, denn sonst wurde man iim hier anders verehren! Und doch ist er der groBte und der beste Sohn dieser lieblichen Draustadt Pettau. Er war ein Priester und zwar ein Bischof nach dem Wiilen und nach der Anordnung Jesu Christi, ein wirk- licher Nachfolger der Apostel. Als solchen hat ihn Gott nur wenig unter die Engel erniedrigt, mit Herrlichkeit und Ehre hat er ihn gekront und gesetzt liber die Werke seiner Hande. Das war Viktorin nach seinem Stande! Und was war er nach seinem Leben ? Dies sagt sein Tod! Einen Martyrer nenn’ ich ihn, genug sag’ ich auch damit! Er war ein Heiliger! Was war er endlich nach seinem Wirken ? Ein beriihmter Kirchenschriftsteller und als solcher eine „Saule der katholischen Kirche.“ Gerade als Kirchenschriftsteller hat er seinen Namen unvergeBlich gemacht, so daB ich nicht iibertreibe, wenn ich sage: „Und schiitzten dich nicht der hi. Schriften Ver- dienste, langst schon warst du, Viktorin, ganz von der Nachrvelt vertilgt!“ Vom ersten, von seinem Priestertum habet ihr gestern treffliche Worte vernommen, vom zvveiten, von seinem Martyrertode iverdet ihr morgen Rilhrendes horen, vom dritten, von seinem Schrifttum, von seinem geschriebenen Worte, von den Biichern, die er verfaBt hat, wird in der heutigen Predigt die Rede sein. Ich will mir alle Mtihe geben, unseren Viktorin als Kirchenschriftsteller nach Gebu.hr zu ehren, indem ich alles erwahnen werde, was er wirklich geschrieben und nichts unterlassen, was ihm nur einigermaBen zur Ehre gereicht. Die Predigt wird 3 allerdings ungleiche Teile umfassen. Im ersten Teile wird gezeigt, was er geschrieben; im zweiten, wann er geschrieben; im dritten, wo er geschrieben hat. O suGestes Herz Jesu, du Sitz der Weisheit, erbarme dich meiner und stehe mir bei! O Maria, du Mutter des guten Rates, bitte fiir mich! I. Der hi. Viktorin, Bischof und Martyrer von Pettau, war ein bedeutender Kirchenschriftsteller! Dies beweist vor allem eine groGe Anzahl von anderen Schriftstellern, die liber Viktorins schriftstellerische Tatigkeit mehr oder weniger ausfuhrlich berichten. Die wichtigsten derselben finden sich in schoner Reihenfolge angeftihrt in dem rtihmlichst bekannten Werke „Sveti Viktorin“ von Dr. Michael Napotnik, nunmehr Furst- bischof von Lavant. Christen! Habet nun Geduld! Die Namen dieser Manner miissen genannt werden! Es sind Namen aus verschiedenen Landern und Nationen, Namen von Klang, von denen viele einen Weltruf besitzen und somit die besten Lobredner unseres Viktorinus sind. Da sind vor allem Manner, die uns bereits bekannt sind: Krempl, Dr. Muršec, Slomšek, Macun, Fekonja, Dr. Križanič, Lapajne. Dann folgen 8 Schriftsteller, die sich um die Ge- schichte Steiermarks besonders verdient gemacht haben, wie: Aquilinus J. Caesar, Povoden, Winklern, Klein, Raisp, Hofrichter, Pečka und Popovič. Ferner 20 Fremde: Zedler, Jocher, Goldwitzer, Busse, Buttler, Permaneder, Reusch, Magon, Miiller, Stadler, Fessler, Gams, Kleymeyer, Huber, Krones, Mohler, Nirschl, Alzog, Bruck, Kopalik. Endlich 25 der alteren, bezw. altesten Schriftsteller, und zwar: Optatus, Bischof von Mileve in Afrika, Honorius, Kassiodorus, Beda der Ehrwtirdige, Tritemius, Sixtus der Senenser, Baronius, Bellarmin, Sabbe, Launoi, Dupui, Tillemont, Kave, Alex. Natalis, Farlatti, Tirin, Berti, Galandi, Sakarelli, Makarius, Migne, die bertihmten Ver- fasser der Martyrer-Akten: Usuardus, Vandelbert, Adonus, Turinius. Wie klingen diese Namen? Es sind Deutsche, Slovenen, Franzosen, Englander, Italiener, Niederlander, ja selbst Afrikaner. Wie groG muG doch unser Viktorin als Schriftsteller sein, weil so viele und so beriihmte Manner tiber ihn geschrieben haben! — 54 — Doch, was sind alle diese 60 gegen einen hi. Hie- ronymus, aus dem sie selbst geschopft und uns tlber- liefert haben, der nach allgemeinem Dafilrhalten zu den gelehrtesten, gerechtesten, aber auch strengsten Kritikern aller Zeiten gehort und der im Jahre 331 n. Chr., also nur 28 Jahre nach dem Tode unseres Viktorin, wahr- scheinlich in Dalmatien geboren wurde. Dieser hi. Hie- ronymus, einer der groBten Zeugen des christlichen Altertums, hat unserem Viktorin oft und auf vielerlei Art Ehre erwiesen, am schonsten aber damals, als er ihn in sein weltbekanntes „Verzeichnis jener illustren Manner“ aufgenommen, die vom Apostelfursten Petrus bis auf ihn (Hieronymus) selbst nicht nur durch Wort, sondern auch durch Schrift GroBes geleistet haben. Das 74. Kapitel des erwahnten Verzeichnisses ist dem hi. Viktorin, Bischof und Martyrer von Petovio, gewidmet. Da heiBt es: ,,Victorinus Petavionensis episcopus non aeque latine ut graece noverat. Unde opera eius grandia sensibus viliora videntur compositione verborum. Sunt autem haec: Commentarius in Genesin, in Exodum, in Leviticum, in Isaiam, in Hezechiel, in Abacuc, in Ecclesiasten, in Can- ticum Canticorum, in Apocalypsin Joannis, adversus omnes haereses et multa alia. Ad extremum martyrio coronatus est,“ zu deutsch: »Viktorin, Bischof von Pettau, hat nicht so gut lateinisch als griechisch (zu schreiben) verstanden. Deshalb scheint es, daB seine VVerke erhaben an Gedanken, aber minder wertvoll im Ausdrucke sind. Es sind aber folgende: Kommentar zur Genesis, zum Exodus, zum Levi- tikus, zu Isaias, zu Ezechiel, zu Habakuk, zum Prediger, zum Hohenlied, zur Apokalypse des Johannes, gegen alle Haresien und vieles andere. Zuletzt ist er mit dem Martyrium gekrčnt worden.“ Ein Werk des hi. Viktorin hat Hieronymus an dieser Stelle nicht erwahnt, wohl aber im Vorworte zu seinen Erklarungen des Matthaus- Evangeliums mit den Worten: »Legisse me fateor. et Latinorum, Hilarii, Victorini, Fortunati opuscula, 11 d. h. „Ich gestehe, daB ich auch der Lateiner: Hilarius, Vik- torinus, Fortunatus Werke (zum Evangelium des hi. Matthaus) gelesen habe.“ Aus diesen Zitaten ist ersichtlich, daB der hi. Viktorin ein fruchtbarer Schriftsteller war. Seine Schriften zerfallen dem Inhalte nach in drei Gruppen. — 55 — In die erste Gruppe gehoren die exegetischen Schriften, das sind solche, welche den Sinn der hi. Schrift oder Bibel erforschen und erklaren. In die zweite gehoren die antiharetischen Schriften, das sind solche, welche die katholische Lehre gegen verschiedene Irrlehren verteidigen. In die dritte gehoren aber Schriften, die Hieronymus mit den Worten „et multa alia,“ „und vieles andere“ bezeichnet. Zuerst soli von den exegetischen Schriften Viktorins die Rede sein. Christen! ihr kennt die hi. Schrift oder Bibel- Sie ist die Sammlung jener 72 Biicher, die unter Ein- gebung des hi. Geistes geschrieben und von der Kirche als Wort Gottes anerkannt sind. Die ersten 45 Biicher enthalten die Offenbarungen Gottes von der Erschaffung der Welt bis auf Christus den Herrn, heiGen Biicher des Alten Testamentes oder Bundes und zerfallen in 21 Geschichtsbticher, 7 Lehrbticher und 17 prophetische Biicher. Die anderen 27 enthalten die Offenbarungen Gottes, die wir durch Jesus Christus und seine Apostel empfangen haben; sie heilžen Biicher des Neuen Testamentes oder Bundes und zerfallen in 4 Evangelien: des Matthaus, Markuš, Lukas und Johannes, die Apostelgeschichte des hi. Lukas, 14 Briefe des hi. Paulus, 7 Briefe anderer Apostel und die geheime Offenbarung des. hi. Johannes. Die hi. Schrift enthalt Gottes Wort. Aber sie ist nicht an allen Stellen und fiir alle Menschen gleich ver- standlich. Sie muG gottgefallig erklart werden und stets unversehrt erhalten bleiben. Zu diesem Zwecke hat sie Jesus Christus dem unfehlbaren Lehramte seiner einzigen auf Erden gestifteten Heilsanstalt, der mit dem obersten Lehr-, Priester- und Hirtenamte ausgertisteten und an den 4 Hauptmerkmalen, an der Einheit, Heiligkeit, Katholizitat und Apostolizit&t erkennbaren Kirche, anver- traut. Gleich in den ersten Jahrhunderten des Christen- tums erstanden innerhalb dieser Kirche Manner, die sich zur Lebensaufgabe stellten, unter der Oberaufsicht des unfehlbaren kirchlichen Lehramtes den vom hi. Geist hineingelegten Sinn der hi. Schrift zu erforschen und aufzuzeichnen. Dieses Erforschen und Erklaren des Schrift- — 56 — sinnes wurde Exegese, der Forscher und Erklarer Exeget und seine schriftlichen Aufzeichnungen kurz exegetische Schriften genannt. Man unterschied 3 Arten exegetischer Schriften und zwar: Scholien, Homilien und Kommentare. Scholien waren kurze Bemerkungen zur Erlauterung schwieriger Stellen und dunkler Wčrter. Homilien waren gottesdienstliche, volkstiimlich gehaltene Vortrage iiber kleinere Bibelabschnitte, mogen sie nun vom Redner selbst aufgezeichnet oder von Zuhorern niedergeschrieben sein. Kommentare waren eingehende und meist sehr urnfangreiche Auslegungen ganzer Biicher, welche sich gerne philosophisch-theologische Exkurse gestatteten, um Eortgeschritteneren und Einsichtigeren die tiefere Wahrheit zu entschleiern. Die Exegese ist die alteste aller theo- logischen Wissenschaften. Ihre Anfange reichen zuriick bis auf den Brief des Barnabas, eines Begleiters des hi. Paulus, also auf die apostolischen Zeiten. Die Schbpfer einer wissenschaft- lichen Exegese waren die groBen alexandrinischen Meister des 2. und 3. Jahrhundertes, besonders Klemens von Alexandrien (f 215) und Origenes (J 255); letzterer leistete geradezu Staunenswertes, indem er den biblischen Text fast seinem ganzen Inhalte nach in kurzen Skizzen oder Noten (Scholien) und vviederum in weitlaufigen Auseinandersetzungen (Kommentaren) bearbeitete. Den Beruf eines biblischen Exegeten wahlte auch unser Viktorin und schrieb Scholien und Kommentare. Eine besondere Beriihmtheit erlangte er durch seine Kommentare, deren er nach Angabe des Hieronymus 10 verfaBte und zwar zu den schwierigsten und umfang- reichsten Biichern der hi. Schrift. Viktorinus schrieb: Einen Kommentar zum ersten Buche der hi. Schrift, zur Genesis d. h. Schopfung; dieses Buch wird darum so genannt, weil darin in 50 Kapiteln die Erschaffung der Welt und aller Dinge, sowie die Menschengeschichte bis zum Tode des agyptischen Joseph erzahlt wird. Einen Kommentar zum zweiten Buche der hi. Schrift, zum Exodus d. h. Ausgang, so genannt, weil darin in 40 Kapiteln der Auszug des auserwahlten israelitischen Volkes aus Agypten und die Gesetzgebung Gottes auf dem Berge Sinai beschrieben wird. Einen Kommentar zum dritten Buche der hi. - 57 Schrift zum Levitikus, so genannt, weil darin in 27 Kapiteln jene von Gott bestimmten Gesetze und Gebrauche niedergeschrieben sind, welche die jtidischen Priester und Tempeldiener (Leviten) bei der Darbringung der verschiedenen Opfer und bei der Feier der Feste zu beobachten hatten. Unser Viktorin schrieb auch: Einen Kommentar zu Isaias, dem Konige der Propheten. Dieses Buch enthalt in 66 Kapiteln Lehren und Weissagungen. Gelehrt wird, daG nur Gott die Ehre, dem Menschen aber Schmach gebtihre, daG alles Vertrauen niclit auf die Geschopfe, sondern auf den Schdpfer gesetzt werden miisse, daG alle Hilfe in leib- lichen und geistigen Noten nur von ihm komme. Unter den trostlichen VerheiGungen dieses Propheten zeichnet sich vor allem die des Messias und seines Reiches aus. Er weissagt die Ankunft des Erlosers, seine menschliche und gottliche Abkunft, seine Geburt aus einer Jungfrau, sein Leiden, seinen Tod, seine Verherrlichung und die Ausbreitung seines Reiches tiber die ganze Erde deut- licher und ausfuhrlicher, als irgend ein anderer Prophet. Darum sagt mit Recht der hi. Hieronymus, daG Isaias nicht so fast ein Prophet, als ein Evangelist zu nennen sei. Das Buch ist in einer erhabenen, einfachen Sprache und mit der eindringendsten Beredsamkeit geschrieben, voli von Ermahnungen zur BuGe ftir die Siinder, voli von Trostungen Tur die Gebeugten, eine reiche Schatz- kammer fur den Religionslehrer, der in der Geistessprache der Schrift ermahnen, trosten, strafen und bessern will. Um dieses goldene Buch noch wertvoller zu machen, hat es Set. Viktorin erklart und zwar mit der ganzen Fiille seiner von Gott empfangenen Gelehrsamkeit. Ferner schrieb er einen Kommentar zu dem 48 Kapitel umfassenden Buche des Propheten Ezechiel, aus dessen Munde viele Weissagungen ilber die Juden vor und nach der Zerstorung Jerusalems und iiber die auswartigen Volker gekommen sind. Einen Kommentar zum Buche des Propheten Habakuk; in diesem Buche wird in 3 Kapiteln tiber die im Reiche Juda herrschende Ungerechtigkeit und Gesetzlosigkeit, sowie liber deren Ursache geklagt und zuletzt der unerschtitterlichen Hoff- nung auf eine bessere Zukunft Ausdruck verliehen. Einen Kommentar zum Ecclesiastes oder Prediger; hier tritt der — 58 — weise Salomo gleichsam vor einer Versammlung als Lehrer auf und lehrt in 12 Kapiteln die Eitelkeit und Verganglichkeit, den Wechsel und die Fruchtlosigkeit aller irdischen Dinge und fordert zu einem Leben in der Furcht Gottes auf mit den Worten: Fiirchte Gott und halte sein Gebot! Denn das macht den Menschen voll- kommen. Einen Kommentar zum Hohenlied, dem schonsten und erhabensten, das Salomo gedichtet hat: da ist unter dem Bilde der brautlichen Liebe die Vermahlung des Sohnes Gottes mit der Kirche und mit allen ein- zelnen Seelen der Gerechten dargestellt. Wie Viktorin einen Kommentar zum ersten Buche der hi. Schrift des A. T., so hat er auch einen zum ersten Buche des N. T., zum Evangelium des hi. Matthaus geschrieben, welches in 28 Kapiteln erzahlt wie der Sohn Gottes zu den Menschen gesprochen, wie er in aller Niedrigkeit erschienen und gelehrt, gestorben und verherrlicht worden ist. Endlich einen Kommentar und Scholien zur Geheimen Offenbarung des hi. Johannes. Es ist das letzte und das einzige Buch des N. T., welches die Weissagungen tiber die Kampfe und Schick- sale der Kirche Christi hier auf Erden und uber die letzten Dinge zum fast ausschlieBlichen Inhalte hat. Und nun muB ich mit Wehmut bekennen, daB von diesen Kommentaren in den Stiirmen der Zeit das Meiste untergegangen ist. Erhalten hat sich noch ein Bruchteil des Kommentars zur Genesis, und — Gott Lob und Dank! — fast der ganze Kommentar, sowie die Scholien zur Apokalypse des hi. Johannes. Vielleicht wird es den langjahrigen Bemtihungen des bertihmten deutschen Uni- versitats-ProfessorsJ.Hausleiter gelingen, den Kommentar zur Apokalypse seinem ganzen Umfange nach wiederherzu- stellen und zu veroffentlichen; umsomehr darf man diese Hoffnung hegen, weil er so glticklich war, in einer Hand- schrift des 15. Jahrhunderts den lang vermiBten SchluB des Kommentars wieder zu finden. Dieser Gelehrte hielt im Jahre 1901 auf der Universitat zu Greifswald seine Rektoratsrede tiber das Thema: „Beitrage zur W(ir- digung der „Offenbarung des Johannes 1 ' und ihres altesten lateinischen Auslegers, Viktorinus von Pettau." — 59 — Die exegetischen Schriften Viktorins sind von grofiem Werte sowohl filr die Dogmengeschichte, als auch fur die Introduktion in die hi. Schrift. Ich korame jetzt zur zweiten Gruppe der Schriften Viktorins, zu seiner Streitschrift gegen die Irrlehrer. Was der Herr Jesus Christus iiber die Schicksale seiner Kirche vorausgesagt, das hat diese bald erkannt und gekostet. Den Juden war die Kirche gleich in ihren Anfangen ein AnstoB und Argernis ; darum trachteten sie deren Ausbreitung durch Verfolgung der Apostel zu verhindern. Als aber die Zerstorung Jerusalems die Macht der Juden gebrochen hatte, traten drei andere Feinde auf, mit welchen die Kirche kampfen muBte. Der erste Feind war das romische Reich, die Per- sonifikation der Macht dieser Welt, die eine Feindin Gottes war und die mit roher Gewalt, mit Feuer und Schwert, mit Tigern und Lowen Christen verfolgte. Der zweite Feind war die. heidnische Philosophie mit ihrer irdischen Weisheit, die sich anstrengte, durch Lug und Trug die von der Kirche verkiindete himmlische, gottliche Wahrheit zu besiegen. Aber auch der Eigennutz und die Hoffart des Lebens hat innerhalb der Kirche selbst frech und keck ihr Haupt erhoben in Form von falschen Lehren oder Irrlehre-n, auch Haresien genannt. Und dies war der dritte und der gefahrlichste Feind, weil er nicht offen, sondern verkappt und heuchlerisch kampfte. Dieser dritte Feind bereitete dem hi. Viktorin die groBten Bitterkeiten. Vier Irrlehrer waren es besonders, vvelche ihm arri meisten zu schaffen machten, und zwar Marcion, Valentinus, Praxeas und Sabellius. Der Asiate Marcion und der Agypter Valentinus leugneten die Grundlehren des Christentums von Gott, von der Erschaffung, von der Erbstinde, von der Mensch- werdung des Sohnes Gottes, von der Erlosung, von den hi. Sakramenten und vieles andere. Praxeas aber, welcher in Rom lehrte, und Sabellius, der Afrika durch seine Irrttimer verpestete, leugneten selbst die aller- heiligste Dreifaltigkeit und wurden deshalb Antitrinitarier oder Dreifaltigkeitsleugner genannt. Zu diesen gesellten sich noch andere Irrlehrer, wie Cerinthus, Simon der Magier, die Ebioniten, Manichaer, Montanisten u. a., welche — 60 — alle nur , Unkraut unter den Weizen, nur Verwirrung und Streit in die friedlichen Christengemeinden streuten. Was tat nun Viktorin? Spielte er die Rolle eines ge- duldigen, untatigen Zuschauers? Offnete er den Irrlehrern Tor und Riegel,, gab er EinlaB ihren go.tteslasterlichen Doktrinen? Nein! Voli der hi. Liebe und verzehrt vom hi. Eifer fiir die Reinheit der Lehre Jesu Christi und seirier Kirche, wies er die Feinde der Kirche zugleich als seine Feinde zuriick. Das gesprochene Wort geniigte ihm nicht in diesem Kampfe, und so griff er zur Feder und schrieb ein groBes Werk „Adversum omnes haereses“ (gegen alle Irrlehren) und trug viel dazu bei, daB sie nacli einigen Jahrzehnten verschrvanden. Die Kunde von dieser meisterhaften Schrift gegen alle Haretiker drang bis nach Afrika, so daB Bischof Optatus von Mileve ih Numidien um das Jahr 370 n. Chr. Viktorin zu den siegreichen Verteidigern des katholischen Glaubens zahlen und bemerken konnte: „Die gnostischen Haretiker, Marcion, Praxeas, Sabellius, Valentinus und die iibrigen sind von Viktorin von Petovio, von Zepherinus und Tertullian und von anderen Verteidigern der katholischen Kirche iiber- wunden worden.“ Dieses Werk Viktorins ist gewiB sehr wertvoll fiir die Geschichte der katholischen Kirche, speziell fiir die Geschichte der Haresien; darum ist es sehr be- dauerlich, daB es in den Sttirmen der Zeit untergegangen ist. Man hegt aber heutzutage begrundete Ffoffnung, daB es den Literaturhistorikern gelingen wird, es unter den Schriften anderer Antiharetiker z. B. Tertullians zu finden. Gott segne ihre Nachforschungen L Endlich komme ich zur dritten Gruppe der Schriften Viktorins, weiche Ffieronymus mit den Worten „et multa alia“, „und vieles andere“ erwahnt. Wer kann uns sagen, welche Werke Viktorins Hieronymus da im Sinne hatte? Waren es neue Kommentare, Scholien oder Homilien? Ubrigens, warum soli es bloB Prosa und nicht auch Dichtung gewesen sein? Konnte sich Viktorin, nachdem er so viele Kommentare verfaBt und so geistreich die hi. Schrift erklart und gegen die Haretiker gekampft hatte, nicht auch eine groBere Gelaufigkeit im lateinischen Ausdrucke angeeignet haben ? Und warum solite man ihm die Fahigkeit fiir die poetische Form absprechen, da sie ja doch in seiner allegorisierenden Schrifterklarung so deutlich zutage tritt? — 61 - Uberdies hatten seine Diozesanen wahrscheinlich auch ein Bedlirfnis nach epischen oder ]yrischen Gesangen filr den gottesdienstlichen Gebrauch. Heben doch die Apologeten, das sind Verteidiger des Christentums gegen die Heiden, dem Heidentum gegeniiber hervor, daB die christlichen Jungfrauen beim Rocken schoner singen als die heidnische Sappho und andere Hetaren. Und in der Tat fehlt es nicht an Schriftstellern, welche unseremViktorin zwei bis vier Gedichte zuschreiben. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts wurden ihm fast unwidersprochen zwei ktlrzere Gediclite zugeschrieben und zwar „Carmen de Jesu Christo, Deo et Homine' 1 , d. h. „Das Gedicht von Jesus Christus, dem Gottmenschen“, ein Lobgedicht in 137 Versen; und das Gedicht „De ligno vitae“, auch „De Cruce“ genannt, das ist ein Gedicht „Vom Baume des Lebens“ oder „Vom Kreuzesstamm", worin in 70 Versen die Frtichte des Kreuzestodes Jesu Christi unter dem Bilde eines fruchtbaren, bis zum Himmel ragenden Baumes besungen werden. Er soli auch, was aber weniger wahrscheinlich ist, ein 1302 Verse umfassendes Gedicht gegen den Irrlehrer Marcion und eines gegen die Irrlehren der Manichaer verfaBt haben. Mit Unrecht werden ihm weiters zugeschrieben: ein Gedicht tiber das Martyrium der sieben makkabaischen Britder, ein Kommentar zu den Zwiegesprachen des beriihmten rdmischen Redners Cicero, die Ubersetzung der sogenannten Isagoge des Porphyrius aus dem Griechi- schen ins Lateinische, drei Lobgedichte auf die aller- heiligste Dreifaltigkeit, die er ubrigens gegen die Drei- faltigkeitsleugner siegreich verteidigt hat, ein zweiter Kommentar zur Apokalypse, die Ubersetzung der griechi- schen Schriften des Origenes etc. Mag er die Gedichte und die anderen aufgezahlten Werke wirklich verfafit haben oder nicht, mogen sie ihm nur deswegen zugeschrieben worden sein, um ihnen unter den Christen leichter Eingang zu verschaffen und ihre Wertschatzung zu fordern, immerhin ist es Tatsache, da(3 sie den Ruhm, die Ehre und den Namen Viktorins als Schriftsteller bedeutend vergroBerten. II. Ich bin nun daran, den zweiten Teil meiner Predigt zu behandeln, namlich die Frage: Wo hat Viktorin seine — 62 — Werke verfaGt? Die A.ntwort auf diese Frage scheint mir zur Wiirdigung Viktorins als Schriftsteller unutn- ganglich notwendig zu sein. Wo, in welchem Lande hat also Viktorin geschriftstellert ? Der ganze Horizont der christlichen Schriftsteller der ersten 6 Jahrhunderte wird eingeteilt in den griechischen Orient oder Osten und in den lateinischen Okzident oder Westen. Afrika, Italien und Pannonien scheinen den Okzident vom Orient getrennt zu haben. Der griechische Orient konnte schon im 2. und noch mehr im 3. Jahrhundert n. Chr. auf eine bliihende und mannigfaltige Literatur hinweisen; der Dank dafiir gebiihrt 2 bertihmten Katechetenschulen, der von Alexan- drien in Agypten und der von Casarea in Palastina. Alexandrien, die Hauptstadt des Ptolemaerreiches, war durch fortgesetzte Bemiihungen des Herrscherhauses zur ersten Statte gelehrter Bildung erhoben worden. Hier fanden sich die Bildungsmittel der Zeit in einer Fulle, wie sonst nirgendwo vereinigt. Hier traten insbesondere auch Christentum und Heidentum in nahere Fiihlung miteinander. In diesem Zentrum der Wissenschaft war schon sehr fruh eine kirchliche Unterrichtsanstalt ent- standen, welche in der Folge gewohnlich Katecheten- schule genannt w.urde. Ilire Anfange sind ins Dunkel gehiillt. Um das Jahr 180 n. Chr., als Pantanus ati. ihrer Spitze stand, mufite sie schon mehr das Geprage einer christlichen Gelehrten- oder Philosophenschule gehabt haben, in welcher das gesamte griechische Wissen zur Behandlung kam und apologetisch-christlichen Zwecken dienstbar gemacht wurde. Pantanus wurde durch Klemens (f 215), Klemens durch Origenes (f 255) im Vorsteher- amte abgelost. Hier in Alexandrien hatte das Interesse fiir die kirchliche Wissenschaft seinen Quellpunkt, von Alexandrien nahm er seinen Weg nach Palastina und von Palastina ward es nach Kleinasien verpflanzt. Die Leiter dieser Schule waren es, vvelche wie im Fluge die kirchliche Literatur des Orients einer hohen Stufe der Vollendung entgegenfuhrten. Doch St. Viktorin hatte nicht das Gltlck, die Bildungsmittel dieser Schule zu gebrauchen und aus ihrer reichen Quelle die Begeisterung fiir die christliche Literatur zu schopfen. Er war ja weit von ihr entfernt, im fernen 63 — Okzident, im dunklen, an Bildungsmitteln leeren Pannonien. Und doch hat er Werke geschaffen, auf welche der lateinische Westen mit Stolz blickte und die auch den besten Leistungen der Griechen an die Seite gestellt \verden konnten, Werke, welche zu den guten Quellen fur die ganze katholische Gelehrtenwelt geworden sind, so daI3 selbst Hieronymus mit Freude daraus schopfte und seinen wi!3begierigen, genialen Geist trankte. Als Origenes um das Jahr 231 Alexandrien ver- lassen muGte, griindete er zu Casarea in Palastina eine neue christliche Philosophenscbule und eine kostbare Bibliothek, welche Pamphilus in der 2. Halfte des 3. Jahr- hunderts vergrčGerte und zur umfangreichsten Biicher- sammlung des ganzen christlichen Altertums gestaltete. Isidor von Sevilla schatzt die von Pamphilus gesammelten „volumina“ oder Werke auf 30000. Und unser Viktorin war nicht in Casarea, um die Werke der beriihmtesten Bibliothek zu studieren, sondern schriftstellerte im fernen Westen, im bibliotheklosen Pannonieb. Und doch hat er Werke verfaGt, welche selbst einer Bibliothek von Casarea zur Ehre gereichen wilrden. Sehet also, christliche Zuhorer, wie ihr geehrt seid in eurem Viktorin und mit euch eure Vaterstadt und die ganze Steiermark! Wie Klemens und Origenes die Stadt Alexandrien, wie Pamphilus die Stadt Casarea, so hat Viktorin die Stadt Petovio zur Statte kirchlicher Wissenschaft erhoben. III. Bedenket schliefilich noch die Zeit, in welcher Viktorin seine Werke schrieb! Viktorin, obwohl des Griechischen besser kundig, hat doch in der lateinischen Sprache geschrieben und zwar in einer Zeit, in welcher sich die lateinische Schrift- sprache zu spezifisch christlichen Zwecken erst auszubilden begann. Allerdings hat im Abendlande schon Marcus Minucius Felix den herrlichen Dialog Octavius schon langst vor Viktorin in lateinischer Sprache verfaBt; allein dieser Lateiner verstand ztvar die alte romische Kunst- prosazuhandhaben, einechristlich-theologische Termino- logie war ihm vollig fremd. Diese ging aus einem — 64 — Lande hervor, tlber welchem im zweiten Jahrhunderte noch Nacht und Schweigen lagerte; es ist Nordafrika oder die romische Provinz Afrika, das ehemalige Gebiet von Karthago, nebst der Gegend zwischen den beiden Syrten. In diesern Lande lebten und wirkten die be- ruhmten lateinischen Schriftsteller: Tertullian, Cyprian, Arnobius und Lactantius. Erst der gewaltige Tertullian (f 240 n. Chr.) hat durch kiihne Umpragung und geniale Erganzung des alten Wortschatzes einer lateinischen Kirchen-Schriftsprache die Wege geebnet und so die Form bereitet ftir den Inhalt der gottlichen Offenbarung. Viktorin hatte also einen schwierigen Standpunkt, den gottlichen Offenbarungs-Inhalt in lateinische Formen zu kleiden, in einer Zeit, in welcher die lateinische Kirchen- Schriftsprache noch in ihrer Entwickelung war. AuBerdem wtiteten zur Zeit seiner schriftstellerischen Tatigkeit heftige Christenverfolgungen. Schon bei seinem ersten Auftreten als Schriftsteller entstand die Verfolgung unter Decius und Valerianus (249—260 n. Chr.), welche gewaltige Lticken namentlich in die Reihen des Klerus riI3. Dies waren Tage des Schreckens, die noch arger wurden unter Diokletian. In solchen Zeiten des Krieges ruhen gewohnlich die Musen, in solchen Verhaltnissen wird gewohnlich nicht zur Lyra gesungen und auch nicht der MeiHel geschwungen. Viktorin lielS sich trotzdem nicht abschrecken und schrieb unermudlich fur Christus und seine hi. Kirche. Doch genug! Ich glaube, euch, christliche Zuhorer, uberzeugt zu haben, dali der hi. Viktorin, sowohl was die Werke anbelangt, die er gescbaffen, als auch den Ort, wo, und die Zeit, wann er sie geschaffen hat, eine hervorragende Rolle unter den christlichen Schriftstellern einnimmt. Noch mehr! Er gehort zu jenen grofien Mannern, welche die aufbltihende Periode der griechisch- romischen Kirchenliteratur bildeten und die glanzenden Zeiten eines Ambrosius (f 397), eines Hieronymus (f 420), eines Augustinus (f 430) und eines Cyrillus von Alexan- drien (f 444), eines Athanasius (f 373), eines Basilius (f 379), eines Gregor von Nazianz (f 389) und eines Johannes Chrysostomus (f 407) vorbereiteten. Zwei edle Ztige Viktorins sehet ihr wie goldene Faden durch alle seine Schriften ziehen. Erstens das Streben nach VVahrheit und zweitens die Verteidigung 65 — 5 der Wahrheit, wie sie in der hi. Schrift des A. und des N. Bundes und in der hi. katholischen Kirche ent- halten ist. Das erste, das Streben nach VVahrheit, offen- bart er durch seine exegetischen Schriften. Wenn iiber- haupt in einer Wissenschaft, so ist gerade in der Exegese die Wahrheit das Ziel der Forschung. Ihre Aufgabe ist es, das Angemessene, das Wahrscheinliche, das Wahre aufzusuchen, festzustellen und zu begrtinden. Und Viktorin war Exeget, ja der erste und bedeutendste Exeget des Abendlandes, der Fahnentrager unter den Lateinern. Teuerste im Herrn! ahmet nach eurem heiligen, altehrwiirdigen Landsmann, strebet nach der VVahrheit, aber nicht nach jener falschen und trtlgerischen Wahrheit, ■die keine VVahrheit ist, weil sie Gott und seine hi. Religion nicht anerkennt, weil sie alles Edle und wahrhaft Schone mit FiiBen tritt. Sie ist Lug und Trug, mag sie euch auch mit hochfahrenden VVorten, in hetzerischen Zeit- schriften oder aber in Btichern mit goldenem Rand und Band dargeboten werden. Strebet nach jener VVahrheit, die nach der Erklarung der hi. katholischen Kirche in der hi. Schrift und in der mundlichen Uberlieferung ent- halten ist. Das zweite, die Verteidigung der VVahrheit, besagt St. Viktorin in seiner Schrift „adversum omnes haereses“, d- h. „gegen alle Irrlehren.“ Christen! ihr wisset, daB auch in unserer Zeit Irr- lehren auftreten und EinlaB verlangen in Stadt und Land. Was werdet ihr tun? VVerdet ihr die Rollen stiller Beobachter spielen? VVerdet ihr deren verderblichen EinfluB auf eure und eurer Kinder unsterbliche Seelen einwirken lassen ? VVerdet ihr schlafen, wahrend euer Feind wacht und Unkraut sat ? Oder werdet ihr sogar mit ihm verkehren und Freundschaft schlieBen ? Keine Antwort?! O ich wei8, warum ihr mir keine gebet! Teuerste im Herrn, ihr kennet die Irrlehrer noch nicht 1 So lafit euch dieselben beschreiben und zwar so, wie sie Gott der hi. Geist durch die Apostel Jesu Christi gekennzeichnet hat. Horet also! Der hi. Apostel Petrus nennt die Irr¬ lehrer Pseudoapostel, trugerische Arbeiter, welche sich in Nachahmung Satans, der hie und da die Gestah eines Lichtengels annimmt, in Apostel umgestalten, falsche Lehrer, welche den Herrn, der sie erkauft hat, verleugnen — 66 — und das bald eintretende Verderben iiber sich herauf- beschworen (2. Petri 2, 1). Der hi. Johannes nennt sie Antichristen (1. Joh. 4, 3. und 2. Joh. 7) und verbietet sie ins Haus aufzunehmen, oder auch nur zu griiBen (2. Joh. 10). Der hi. Paulus spricht iiber diejenigen, welche eine von der seinigen abweichende Lehre vortragen, das Anathem aus (Gal. 1, 9). Dem Apostel Judas Thaddaus sind sie wasserlose Wolken, welche von den Winden umhergetrieben werden, unfruchtbare, zweimal erstorbene, entwurzelte Baume, wilde Meereswogen, \velche wie Schaum ihre eigene Schande aufspritzen, Irrsterne, denen.die ewige Finsternis bevorsteht (Jud. 12ff.). Den Vorstehern, welche sie in der Kirche einge- setzt haben, empfehlen die Apostel die strengsten MaG- regeln gegen die Haretiker. Solcbe Menschen sind nicht blofi Verrater an Gott und seiner hi. Lehre, sondern auch Vaterstadt-Verrater. Die Lokalgeschichte von Pettau beweist es! Um das Jahr 377 n. Chr. war ein gewisser Markuš Bischof von Pettau. Diesen rechtglaubigen Markuš haben nun die der arianischen Irrlehre huldigenden Christen verjagt und ibren Anhanger Julius.Valens, einen geborenen Pettauer, auf den bischoflichen Stuhl erhoben. Und siehe dal Schon im Jahre 378 verriet Valens seine eigene Vaterstadt, indem er sie den Goten zur Pliinderung iiberlieferte. Wundert ihr euch also, christliche Zuhorer, daB St. Viktorin so sehr und zeitlebens die Irrlehrer bekampfte durch Wort und Schrift ? Ahmet ihn nach! Haltet fest und treu zur katho- lischen Kirche 1 Meidet jede Irrlehre! Gevvahret ihr keinen EinlaG, nicht in eure Seelen, nicht in eure Familien, nicht in eure Gemeinde, nicht in eure Stadt! Pfleget keinen Umgang mit einem Haretiker, es sei denn, ihr wollet ihn von seinem Irrtum iiberzeugen und in den SchoB der katholischen Kirche zuruckfuhren. Und wenn ihr irgendwo und irgendwann bemerket, daB eine Gemeinde, die bisher in der katholischen Religion friedlich gelebt hat, nun anfangt, mit Irrlehrern zu lieb- augeln, ihnen Tor und Ture offnet und alle moglichen Gelegenheiten gibt, ja anbietet, den verderblichen Samen der Irrlehre auszustreuen, dann raffet euch auf, verhindert — 67 5 * es und saget den Schuldigen die Wahrheit: O, ihr ver- blendeten Menschen, wie lange noch werdet ihr als Blinde von Blinden gefilhrt, wie lange noch wollet ihr euer eigenes und eurer Kinder zeitliches und ewiges Wohl aufs Spiel setzen ? O, du kauflicher Mensch, wie kannst du es doch zulassen, daB mit der rollenden Mark auch deine Schmach und dein Verderben zu dir komme! O, du unglucklicher Mensch, der du die Wahrheit mordest und Falschheit und Lilge zum Leben erweckst, aber schlieBlich durch Verrat der Haretiker dich selbst begrabst unter deinen eigenen Trummern! Freund! konntest doch du wie ich taglich Zeuge sein, wie die hi. katholische Kirche die Tranen der Armen trocknet, wie sie die Lasterhaften bekehrt; konntest du sehen, wie sie in alle Seelen Wahrheit, Entsagung, Hoffnung, Freude, Frieden und Reinheit gieBt, ja du wiirdest bald anders handeln und wiirdest beten: O, heiliger Viktorinus, du Liebhaber der Wahrheit, du machtiger Bekampfer der Irrlehren, stehe uns bei in diesem Kampfe mit den Machten der Finsternis und halte ferne von uns jede Ansteckung des Irrtums und der Verfuhrung! Amen. Nach der Predigt fand beim Viktorinusaltare der hi. Segen statt mit der Litanei der Mutter Gottes. Dritter Tag (5. November). Glanzend war der zweite Tag, noch glanzender, ja alle Ervvartungen tibertreffend war der dritte Tag des Triduums. Eine solche Schar frommer Beter hat die Stadtpfarrkirche schon lange nicht gesehen. Drei groBartige Prozessionen fanden sich ein aus den entlegensten Pfarren: aus St. Urbani mit 500 Wall- fahrern unter der Leitung des Pfarrers J. Tomanič und des Kaplans Kozoderc, aus St. Andra mit 300 Wall- fahrern, gefuhrt vom Pfarrer Očgerl, und aus St. Loren- zen in W.-B. mit 500 Wallfahrern, unter der Leitung dreier Priester, Pfarrer Sinko, Pfarrer Repič und Kaplan Ocvirk. Zu diesen drei Prozessionen gesellte sich noch eine Unzahl von Glaubigen aus der Minoritenpfarre, so daB die Gesamtsumme aller Pilger wohl die Zalil von — 68 2000 erreichte. Die Vormittagspredigt in slovenischer Sprache hielt um Uhr der durch seinen gliihenden Seeleneifer und seine groBe Beredsamkeit bestbekannte hochw. Herr Josef Sinko, Pfarrer in St. Lorenzen in W.B. Kopf an Kopf gedrangt stand die groBe Menschenmenge in dem geraumigen Dome und lauschte den begeisterten Worten des Predigers, der das Thema behandelte: Viktorin als Bischof, Exeget und Bekampfer der Irrlehren. An diesem Tage hatten wir auch Gelegenheit, wahrend des Hochamtes um 10’/ 4 Uhr den erhebenden Volksgesang zu bewundern. Die ganze Kirche widerhallte von dem tief zum Herzen dringenden slovenischen Volksliede. Um die Feier zu heben, hatten sich auch fremde Priester von nah und fern eingefunden. Erwahnt seien die hochw. Herren: Kanonikus Voh aus Marburg, der den Dank des hochwurdigsten Ober- hirten fur das abgesandte Telegram m, sowie dessen freundliche GrilBe tlberbrachte; ferner Ehrenkanonikus Hajšek aus Windisch-Feistritz, Dechant Caf von St. Thomas bei GroB-Sonntag, Pfarrer Menhart aus GroB-Sonntag und Pfarrer Zadravec aus St. Leonhard bei GroB-Sonntag. Die Abendpredigt um 6 Uhr, zugleich SchluBpredigt des Triduums, hielt der hochw. Herr Propst Josef Fleck tiber das Thema: L)il^torio(J5 a\$ rT)artyrer, „Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgung leiden; denn ihrer ist das Himmelreich“ (Matth. 5, 10). Schon im alten Testamente leuchten uns einige Glaubenshelden vor, die sich nicht durch Versprechungen, nicht durch Schmahungeu, nicht durch Drohungen, ja selbst nicht durch den qualvollsten Tod in ihrem Glauben an Gott .und seine hi. Offenbarung vvankend machen lieBen und so als Martyrer des Glaubens starben. So starb den Martyrertod die makabaische Mutter mit ihren 7 Sohnen, so starben andere glaubenstreue Bekenner. Doch unendlich zahlreicher als im alten Bunde waren die Blutzeugen im neuen Testamente. So starben als Martyrer die unschuldigen Kinder, die, wenngleich unbewu8t und willenlos fiir den gottlichen Heiland starben. Als Martyrer starben der hi. Johannes der Taufer, der — 69 — hi. Stefanus, die samtlichen hi. Aposteln mit Ausnahme des hi. Johannes. Nach den Aposteln begegnen uns ins- besondere in der Zeit der zehn Christenverfolgungen die heldenmutigsten Dulder ftir Gottes Offenbarung und seinen heiligsten Namen. Es gab deren eine unzahlige Menge und zwar ohne Unterschied des Alters, des Standes, des Geschlechtes, der Nation und des Ortes, welche mit bewunderungswtirdiger Standhaftigkeit die schrecklichsten Qualen, den grausamsten Tod ertrugen. Unter solchen Martyrern war auch der hi. Viktorinus, Bischof von Pettau, der in Pettau oder in seiner Um- gebung geboren wurde und unter dem romischen Kaiser Diokletian am 2. November 303 den Martyrertod erlitten hat. Der hi. Viktorinus ist daher ein Pettauer Heiliger. Wie alle geborenen Pettauer uns wert und teuer sind und wir denselben gerne ein gutes und dankbares An- denken bewahren, um so mehr sollen wir an den hi. Viktorinus denken, der unser Landsmann, unser Heiliger, unser machtiger Patron und unser Ftirsprecher im Himmel ist. Ihm zu Ehren, ihm, unseren Heiligen, wurde die dreitagige Andacht abgehalten. Wir haben sein Leben und Wirken als Priester, als Bischof, als den ersten Exegeten, als den geistreichen Erklarer der hi. Schrift in den bisherigen Predigten betrachtet; heute aber vrollen wir uns seinen Martyrertod vor die Augen fiihren. Da der hi. Viktorinus unser Heiliger ist, sollen wir ihm zu seinem 1600jahrigen Jubilaum ein kostbares Andenken geben. Als dankbare Pettauer wollen wir unserm hi. Lands¬ mann drei Edelsteine in seine Martyrerkrone einfugen. Diese drei kostbaren Edelsteine, dieses teure Geschenk der Pettauer, wird der Gegenstand unserer SchluG- betrachtung sein. I. • Nach dem Zeugnisse der Geschichtschreiber hat zur Zeit des romischen Kaisers Diokletion die Zahl der Christen die Zahl der Heiden beinahe iibertroffen. Fort- wahrend wurden von hochgestellten heidnischen Unter- tanen dem' Kaiser Beftlrchtungen vorgetragen, daG, wenn er nicht alle Cbristen tčten lasse, dieselben alsbald die Ubermacht gewinnen werden. Es wurde daher unter 23. Februar 303 der kaiserliche Befelil gegeben, dah im - 70 — ganzen romischen Reiche die Christen verfolgt, und, wenn sie nicht zum Heidentume zuriickkehren, getotet vverden sollen. Es wurde nun die zehnte und die letzte, aber auch die blutigste Christenverfolgung in Szene gesefzt. In den spateren Monaten des Jahres 303 kamen die Christenverfolger auch nach Pettau, welche daselbst viele Christen getotet haben, so auch den Bischof von Pettau, den hi. Viktorinus, welcher am 2. November 303 die Martyrerkrone errang und mit der Himmelskrone gekront wurde. Ob der hi. Viktorinus die damals iiblichen Martern ertragen muBte und auf welche Weise er zum Tode gequalt wurde, vvissen wir nicht, aber vvahrschein- lich muBte er verschiedene Qualen erdulden und wurde vermutlich als rbmischer Burger mit dem Schwerte ent- hauptet. Der Kirchenvater, der hi. Hieronymus, ein geborener Stridauer, hat das Leben und Wirken sowie den Martyrertod des hi. Viktorinus beschrieben. Wir erhielten vom lieben Gott drei kostbare Edel- steine; der liebe Gott gab uns das hochedle Gaschenk, den hi. Glauben, wodurch wir Gott, den besten Vater erkennen, lieben, anbeten und durch diesen Glauben zeit- lich glticklich und ewig selig werden sollen. Zweitens hat uns der liebe Gott eine unsterbliche, gottahnliche und himmelwhrts strebende Seele gegeben, die wir veredeln, heiligen und ftir den Himmel retten sollen. Drittens hat der liebe Gott ein Herz in unsere Brust gelegt, das fahig ist, Gott liber alles und den Nachsten wie sich selbst zu lieben. AUe diese Gnaden und Gaben, alle diese kostbaren Edelsteine hat der hi. Viktorinus vom lieben Gott in einem noch hbheren MaBe erhalten. Welche sind nun die kostbaren Edelsteine, die wir in die Martyrerkrone des Pettauer Heiligen, unseres Landsmannes, des hi. Viktorinus einfiigen werden ? Der erste Edelstein, den wir in die Martyrerkrone des hi. Viktorinus einfiigen wollen, ist der rote Rubin, das Sinnbild des hi. Glaubens. Der hi. Viktorinus war von der VVahrheit und Echtheit des hi. Glaubens so sehr iiberzeugt, daB er fiir den Glauben alles tat, keine Muhe, keine Anstrengung scheute, denselben auszubreiten und allen seinen Landsleuten das Licht des Glaubens anzu- ziinden, ftir den Glauben alle zu gevvinnen, alle durch den Glauben zu beseligen; ja fiir den hi. Glauben opferte 71 — der hi. Viktorinus sogar sein Leben, und gerade die Standhaftigkeit seines Glaubens verschaffte ihm die Sieges- palme, gab ihm die Martyrerkrone, und in diese Martyrer- krone wollen wir einfugen den roten Edelstein, den Rubin unseres felsenfesten Glaubens. O, betrachten wir den mit dem Blute gefarbten Edelstein des Glaubens in der Martyrerkrone des hi. Viktorinus! Ja, ein kostbarer Edelstein ist unser Glaube, gerotet mit dem Blute Jesu Christi und seiner Heiligen, geziert mit den Liebesrosen seiner Nachfolger. Ein starker Fels ist unser Glaube. Die Wogen der ersten blutigen Jahrhunderte brausten gegen ihn heran. Kaum hat der Kalvarienberg von dem Blute des Gottmenschen ver- rauchen konnen, tlberschwemmt schon ein furchtbares Blut- bad Asien, Afrika und Europa drei Jahrhunderte hindurch; wahrend der zehn Christenverfolgungen flolž das Christen- blut in Stromen, aber der Glaube verschwand nicht. Es ist, als hatte die Erde vorerst mit dem Blute der Martyrer aufgeweicht und gedtingt werden miissen, ehe der Glaube seine Segnungen verbreiten und Friichte bringen konnte. O, hi. Glaube der katholischen Ivirche, den Tausende von Martyrern mit ihrem Blute besiegelten, Tausende von glaubenstreuen Helden mit dem zweischneidigen Schsverte der Wahrheit verteidigten, vom hi. Viktorinus angefangen bis auf jene Katholiken aus dem Priester- und Laienstande, die noch heute um des Glaubens willen Schmach und Verfolgung leiden; denn es gibt auch ein unblutiges Martyrium! Geistigerweise konnen wir Martyrer werden, wenn wir unsere bosen Neigungen und Leiden- schaften abtoten. Unblutige Martyrer sind wir, wenn wir fiir Gott und seine hi. Sache mutig einstehen und Krankung, Schmach, Verleumdung und Verfolgung geduldig und gottergeben ertragen. Zu allen Zeiten haben sicli Juden und Heiden, Ketzer und Unglaubige, Konige und Fiirsten gegen den lil. katholischen Glauben erhoben, und sie alle sind nicht mehr, aber der Glaube steht fest und unwandelbar und breitet sich stets weiter aus. Dies ist der schlagende Beweis, da6 der Glaube der hi. katholischen Kirche nicht Menschenerfindung, sondern Gottes Werk ist. Wie viele Millionen Menschen fanden im Glauben der katholischen Kirche ihren Trost, wie vielen leuchtete er in den Wirren dieses Lebens, wie viele fiihrte er nach einer gliickseligen Sterbestunde in die ewige Seligkeit ein! So oft wir am Morgen erwachen und uns gesund und gestarkt ftihlen, sollen wir Herz und Hande zum Himmel erheben und andachtig beten: Ich danke dir, o Gott, daG du mich den heutigcn Tag erlebcn lieBest, aber noch mehr danke ich dir, daG du mich zum hi. katholischen Glauben be- rufen, mich in den MutterschoB der hi. katholischen Kirche gefuhrt hast! Ja, den kostbaren Edelstein, den Rubin unseres felsenfesten Glaubens wollen wir einfugen in die Martyrerkrone des hi. Viktorinus, diesem unseren Schutzheiligen wollen wir geloben, in dem hi. katholischen Glauben zu leben, zu sterben, um selig zu werden. II. Den zweiten Edelstein, den grilnen Smaragd, das Sinnbild unserer den Himmel hoffenden Seele, wollen wir in die Martyrerkrone des hi. Viktorinus einfugen. Unsere Seele ist ein kostbarer Edelstein, sie ist unendlich wertvoll; denn zur Rettung unserer Seele hat Gott seinen eingeborenen Sohn gegeben. Durchforsche alle Raume des Himmels, durchsuche alle Schatze der Erde, steige hinauf fiber die Sitze der Engel und Heiligen bis zum Throne des dreieinigen Gottes, du findest nichts Besseres, als es eine schone, reine Menschenseele ist. Um diese Menschenseele zu retten, hat der Sohn Gottes sich selbst hingegeben. Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren war (Luk. 19, 10). Der liebe Gott hat unsere Seele mit den glanzendsten Vorziigen ausgestattet. Gott sprach: Lasset uns den Menschen machen nach unserem Bilde und Gleichnis (I. Mos. 1, 26). Die Menschenseele strahlt in der Schopfung wie ein wunderbares Licht, von den herrlichsten Vorziigen verklart. Die Seele des Menschen ist ein Bild der Gottheit, sie ist ein Geist wie Gott, un- sterblich wie Gott, sie hat Vernunft, Willen und Gedacht- nis, sonach drei Krafte und doch nur eine Wesenheit, schreibt der hi. Bernard. O anima mea, quantum vales — o meine Seele, wie viel bist du wert, ruft der hi. Augustinus. Der liebe Gott hat unsere Seele ftir den Himmel berufen, deshalb geht ihr Streben nach aufwarts, sie ver- langt den Himmel, sie will mit Gott vereinigt sein, sie — 74 — hofft ziiversichtlich, selig zu werden. Wie die Feuer- flamme aufvrarts strebt, so verlangt die Menschenseele nach dem Himmel, und wie der FluB unaufhaltsam fort- flieBt, bis er sich in das Meer ergieBt, so verlangt die himmelanstrebende und die himmelhoffende Menschen- seele die Vereinigung mit Gott und ist solange nicht. ruhig, bis sie im SchoBe Gottes Ruhe findet. Unsere Seele steht da wie die schonste Furstentochter im. Glanze ihrer Perlen und Diamanten. O, christlicher Zuhorer, bewahre sorgfaltig diesen Edelstein, deine Seele! Viele Feinde liistern darnach. VerschlieB das Pfortlein des Auges, des Ohres; . des- Plerzens! O, erkenne den boben Wert deiner Seele und verehre in ihr das heiligste Bild deines Gottes! Beschiitze und bewahre den kostbarsten Edelstein, deine unsterb- liche, zu Gott hinstrebende, den Himmel hoffende Seele. Schmiicke aus deine kostbare Seele mit dem Strahlen- glanze mannigfaltiger Tugenden, statte deine Seele aus mit dem Purpur guter Werke und trachte deine Seele fur den Himmel zu retten. Sorgen wir vor allem fur die Rettung unserer unsterblichen Seelen, dann fiigen wir in die Martyrerkrone des hi. Viktorinus den kost- baren Edelstein, den griinen Smaragd unserer zu Gott strebenden, den Himmel erhoffenden Seele. III. Der dritte Edelstein, den wir in die Martyrerkrone des hi. Viktorinus einfiigen wollen, ist der weiBglanzende Diamant, das Sinnbild der Gottes- und Menschenliebe. Der edelste Stein ist der Diamant, weiB, ohne Makel, immer glanzend, als waren Sterne darin verborgen. Wie der Diamant der kostbarste unter den Edelsteinen, so ist die edelste unter den Tugenden die Liebe. Darum muB die Liebe sein wie der Diamant ohne Makel; nichts Irdisches darf sie triiben, nicht Menschenlob, nicht Eigen- nutz, nicht Selbstsucbt. Rein muB deine Liebe sein wie der Diamant, aber auch glanzend wie jener; denn so spricht der gottliche Heiland: „Lasset euer Licht leucbten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und den Vater preisen, der im Himmel ist.“ Fest wie der Diamant muB deine Liebe zu Gott sein. Aus Liebe zu Gott will ich die Gebote Gottes und die Satzungen der hi. kath. Kirche gerne, genau und allezeit beobachten. Aus Liebe zu Gott will ich meine Standes- pflichteti erfullen zur Ehre Gottes, zur Verzeihung meiner Siinden und zum Troste der armen Seelen im Fegefeuer. Aus Liebe zu Gott will ich das Kreuz meiner Leiden taglich auf mich nehmen, damit ich dieselben durch ge- duldige Ertragung in verdienstliche, gute Werke umvvandle, die mich einst in die Ewigkeit begleiten und dort vor dem Richterstuhle Gottes ftlr mich sprechen werden. Aus Liebe zu Gott will ich den Nachsten lieben, alles Gute von meinem Nebenmenschen denken, reden und urteilen, aus Liebe zu Gott will ich meinem Nachsten nach Kraften Gutes tun, aus Liebe zu Gott will ich auch meine Gegner, meine Feinde lieben, beherzigend die schonen Worte des gottlichen Heilandes: „Liebet eure Feinde, tuet Gutes denen, die euch hassen und verfolgen, damit ihr so Kinder des himmlischen Vaters werdet, der seine Sonne liber die Guten und Bosen scheinen und der iiber die Gerechten und Ungerechten regnen lafit“ (Luk. 6, 28). Haben wir eine heilige und opferbereite Liebe zu Gott, lodert in unseren Herzen eine aufrichtige und tat- kraftige Liebe zum Nachsten und lieben wir Gott iiber alles und den Nachsten wie uns selbst, o, dann fugen wir den schonsten und kostbarsten Edelstein, den weilž- schimmernden Diamant der Gottes- und Nachstenliebe in die Martyrerkrone des hi. Viktorinus. Der hi. Viktorinus, der grohe Bischof von Pettau, der machtige Schutzheilige der landesfiirstlichen Kammerstadt Pettau, hat sich eine herrliche, unvergangliche Siegeskrone durch Glauben, Hoffen und Lieben bereitet. Ewig werden strahlen in seiner Siegeskrone die herrlichen Edelsteine, der Rubin des festen und standhaften Glaubens, der Smaragd seiner reinen, hochedlen, zu Gott strebenden und den Himmel hoffenden Seeie und der glanzvolle Diamant der wahren, echten Gottes- und Nachstenliebe! Zum glorreichen 1600 jahrigen Jubilaum desMartyrer- todes unseres Pettauer Heiligen, des hi. Viktorinus, wollen wir dankbare Pettauer die drei Edelsteine in seine Martyrer- krone einfugen; zuerst den Rubin des festen Glaubens und versprechen ihm, dafi wir in diesem hi. Glauben bleiben, in diesem Glauben leben und sterben wollen. In die Krone des hi. Viktorinus wollen wir einfugen den Smaragd der — 76 — Hofifnung und versprechen ihm, daB wir vor allem filr das kostbare Himrnelsgeschenk, filr unsere unsterbliche Seele sorgen wollen, auf dafi wir sie retten fur den Himmel. In die Krone des hi. Viktorinus wollen wir einftigen den dritten Edelstein, den Diamant der Gottes- und Nachstenliebe, und sagen wir dem hi. Viktorinus, daB wir Gott aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele, aus ganzem Gemiite und aus allen Kraften und den Nachsten wie uns selbst lieben wollen. Geloben wir aber auch dem hi. Viktorinus, daB wir ofters an ihn denken, ofters seinen Altar besuchen, ofters sein Bild vertrauensvoil an- sehen, bfters ihn anrufen wollen, ihn, den groBen Bischof, ihn, den standhaften Martyrer und den machtigen Schutz- heiligen von Pettau. Du aber, hi. Viktorinus, du geistreicher Erklarer der hi. Schrift, du groBer Bischof, du unser Schutzheiliger, strecke deine segnende Hand aus und erflehe beim all- machtigen und hochst barmherzigen Gott deinen Schutz- befohlenen, den guten Pettauern Gesundheit, Gliick und Segen, erbitte fur deine Pettauer einen felsenfesten, nie- mals wankenden Glauben; erbitte ihnen die Gnade, daB sie ihre unsterblichen Seelen filr den Himmel retten und den kostbaren Edelstein, den weiB schimmernden, den hellstrahlenden Diamant der Gottes- und Nachstenliebe nie und niemals verlieren! Amen. * * H 5 Nach der Predigt wurde die Herz-Jesu-Litanei ge- betet zur Siihne filr die dem gottlichen Herzen des Er- losers zugefilgten Unbilden und Beleidigungen. Dann schloB ein feierliches Te Deum dieses so bedeutende Triduum. Festliches halbstilndiges Glockengelaute verkilndigte noch in spater Abendstunde weit liber die Grenzen Pettaus hinaus, daB die Tage des gnadenreichen Triduums beendet seien. Da die vollkommenen Ablasse noch bis zum ■ 8. November 1903 zu gewinnen waren, so hatte noch so mancher Gelegenheit, sich derselben teilhaftig zu machen. Und in der Tat kamen in den letzten Tagen 77 — noch Tausende von Wallfahrern, vereinzelt oder in Scharen nach Pettau, um beim Viktorinusaltare zu beten. Die Zahl aller Teiinehmer an dieser 3, bezw. 8 Tage vvahrenden Viktorinusfeier betrug bis 10000, die Zahl der ausgeteilten hi. Kommunionen zirka 3000. Bedenken wir noch, daB die meisten der fremden Wallfahrer die hi. Sakramente bereits zuhause empfangen haben, so kann man wohl mit Recht sagen, daB dieses 1600jahrige Viktorinusjubilaum in Wirklichkeit eine himmlische Gnaden- zeit gewesen ist. Der Verlauf der ganzen Triduums-Feier wurde am 6. November 1903 an das F.-B. Lavanter Ordinariat in Marburg berichtet. — 78 — "Ber IZartk de? hjocb^urdigster) Der d. a. Bericht vom 6. November 1903, Nr. 474, uber den so herrlichen Verlauf der St. Viktorinus-Jubilaums- feier wird zur sehr befriedigenden Kenntnis genommen und Ihnen, hochw. Herrn Propst und Stadtpfarrer, fur Ihre groBe Bemuhung und Ihren auBerordentlichen Opfer- sinn der gebiihrende Dank ausgesprochen. Die gleiche Anerkennung ist dem hochwilrdigen Dekanatsklerus fur seine Mitwirkung an dieser Feier, ins- besonders aber noch den hochwilrdigen Predigern, die ihre Ansprachen mit vielem Eifer konzipiert und mit groBer Begeisterung vorgetragen haben, in geeigneter Weise bekannt zu geben. F.-B. Lavanter Ordinariat in Marburg, am 17. Nov. 1903. Oberi') irter). Michael, Fiirstbischof. — 79 — I 1904. Dieses Jahr wurde noch immer als Jubilaumsjahr gefeiert; denn mit dem 5. November 1903 wurde wohl das Triduum und mit dem 8. November 1903 die AblaB- zeit, nicht aber auch das Jubilaumsjahr geschlossen. Darum kamen auch noch im Jahre 1904 immerfort fremde Wall- fahrer zum Altare des hi. Viktorinus, um da zu beten und sich die hi. Statte anzuschauen, wo das groBe Jubilaum so festlich begangen wurde. Auch die hi. Messen wurden, wenn nur moglich, alhvochentlich beim Viktorinusaltare gelesen. Ara 3. November 1904 solite aber auch das Jubel- jahr des hi. Viktorinus geschlossen werden. Dies geschah in folgender Weise: Am 3. November 1904 wurden um 6, 7 und 10 1 / 4 Uhr die hi. Messe beim Viktorinusaltare gelesen und zwar um 7 Uhr ein assistiertes Hochamt, zelebriert vom hochw. Herrn Propste, um lO 1 /^ Uhr aber ein einfaches Amt. Nachmittag um 5 Uhr hielt der Stadtpfarrkaplan Ferdinand Pschunder eine Predigt liber das Thema: „Das Martyrium — ein Betveis ftir die Wahrheit und Gottlichkeit der katholischen Kirche.“ — 80 — „Ich glaube an eine, heilige, katholische und apostol ische Kirche“ (Symb. Const.). Im Herrn Geliebte! Wir stehen gegenvvartig im Zeitalter der Jubilaen. Am 8. Dezember d. J. begehen wir das 50jahrige Jubilaum der Erhebung der trostreichen Lehre von der unbefleckten Empfangnis Mariens zum Dogma oder Glaubenssatze. Am 4. Mai 1904 feierten wir das 1600jahrige Jubilaum des Mdrtyrertodes des hi. Florian, der als mutiger Streiter Christi sein irdisches Leben in den Fluten der Enns bei Lorch beschlofi. Am 3. November vorigen Jahres begingen wir in festlicher Weise das 1600jahrige Martyrerjubilaum des hi. Vikto- rinus, des ruhmumstrahlten Bischofes von Petovium. Wir hatten damals Gelegenheit, Viktorinus als besorgten Seelen- hirten und unerschrockenen Schiitzer des Evangeliums zu bewundern; wir erkannten in ihm einen kundigen Exe- geten oder Erklarer der heiligen Schriften und einen tilchtigen Gelehrten; mit Staunen und heiliger Begeiste- rung erfullte uns vorzilglich sein Heldentod, indem er als wahrerNachfolger derApos.tel mutig sein Leben ftlrChristus hingab. — Und heute stehen wir am SchluBe seines Jubilaumsjahres! Billig ist es also, da(3 wir nochmals Herz und Hande zum Himmel emporheben und in ge- ruhrten Worten Gott, dem gutigen Spender alles Guten, danken filr alle Wohltaten, die er uns im Laufe dieses Jubilaums auf die machtige Fiirsprache des hi. Viktorinus hin gegeben hat. Seinem ruhmreichen Andenken sei denn auch die heutige Schlufifeier gevveiht. Aber wie sollen wir den SchluB des Jubilaums begehen, wie sein Andenken feiern? — Nicht seine Tatigkeit als Bischof schvvebt mir heute vor Augen, auch nicht seine vielgeruhmten Arbeiten auf wissenschaftlichem Gebiete: sein Tod lenkt heute meine Aufmerksamkeit auf sich. Viktorinus starb filr Christus und seine Lehre, er starb filr den heiligen Glauben, er starb filr seine Kirche und legte so gleich vielen anderen Martyrern ein glanzendes Zeugnis filr die Wahrheit und Gottlichkeit derselben ab. Hier, Teuerste im Herrn, lafit uns stehen bleiben! Das Martyrium der katholischen Kirche ist ein unumstoBlicher Bevveis filr die VVahrheit und Gott- lichkeit derselben: durch die Verfolgung suchte man die Kirche auszurotten, allein gerade in der Verfolgung wuchs sie heran und erstarkte. Dies geschichtlich zu 81 — 6 erweisen sei der Gegenstand unserer heutigen SchluB- betrachtung. „Ich glaube an eine, heilige, katholische und apo- stolische Kirche!“ I. Das Christenturn ist ein Werk des Himmels; es verktindet die Lehre, welche den Anschauungen der Juden und Heiden als auch den sinnlichen Neigungen und Leidenschaften des Menschen geradezu entgegen- gesetzt ist. Leicht begreiflich ist es also, daC diese neue Lehre schon bei ihrem ersten Auftreten von allen Seiten den heftigsten VViderspruch erfuhr. Gegen den christlichen Glauben erhoben sich die romischen Kaiser, ihn bekampften die Statthalter in ihren Provinzen, die heidnischen Priester im Kreise ihrer Anhanger, die Gelehrten und Philosophen in ihren Schulen. Ja, gerade aus diesen gingen die erbittertsten Feinde des Christentums hervor, die es in Wort und Schrift maBlos angriffen. Die abscheulichsten Verleumdungen wurden gegen die Christen geschleudert; wehe der Ehre, dem Vermogen, ja selbst dem Leben desjenigen, der es wagte, sich offentlich zum Christentum zu bekennen! Er wurde wie ein Auswurf der Menschheit betrachtet, seines Amtes entsetzt, seiner Giiter beraubt, nicht seiten unter den ausgesuchtesten Peinen dem Tode iiberliefert. Als diese Mittel nicht ausreichten, griff man in blindem Hasse zum Schwerte und so brach jene 300 jahrige blutige Verfolgung aus, welche die ganze Ohnmacht des heidnischen Staatswesens ldar an den Tag legte, aber auch die Kraft und Macht der jungen Kirche im herrlichsten Lichte erstrahlen lie!3. Schauen wir nur hin nach Jerusalem. Eine kurze Zeit ist es erst, seitdem die Glaubensboten der Welt Jesum u. zw. Jesum den Gekreuzigten verkiinden, und schon ist Stephanus gesteinigt, Jakobus der Altere enthauptet, Jakobus der Jtingere gesteinigt und mit einer Keule erschlagen; Petrus schmachtet, in schwere Fesseln gelegt, im Gefangnisse. In Kleinasien, Armenien und Agypten, in Rom, Mailand und Lyon, ja im ganzen romischen Reiche sind Blutfahnen ausgesleckt, Folterwerkzeuge bereit- gestellt, Kreuze aufgerichtet, um die Massen der unschul- digen Opfer aufzunelimen. 82 — ! Man zahlt im ganzen zehn groBere Christenver- I folgungen. Zu weit wurde es fiihren, wollten wir jede derselben naher beschreiben; wir miissen uns dah er nur auf einige derselben, die argsten und blutigsten, ! beschranken. Die erste allgemeine Christenverfolgung brach unter Kaiser Nero (54 — 68 n. Chr.) aus. Nero war ein Schwachling und Wohl1iistling, der sich jedoch fiir den groBten Dichter und bertihmtesten Mann aller Zeiten hielt. Leider gab es Schmeichler genug, die seiner hinfalligen GroBe Lob spendeten und seinen albernen dichterisdien Schopfungen untertanigst Beifall klatschten. Um nun einmal mit eigenen Augen das Schauspiel einer brennenden Stadt (Brand von Troja) geniefien zu konnen und um durch den Aufbau eines neuen, viel herrlicheren Roms seinen Namen zu verewigen („Neropolis“), lieB Nero die Stadt an mehreren Stellen in Brand stecken. Wahrend nun die gewaltige Weltstadt in hellen Flammen aufloderte, sdiaute der Kaiser im Gewande eines Saitenspielers dem seltsamen Schauspiele zu und besang den Brand von Troja. Aber nur zu bald fiel der Verdacht der Schuld auf den Kaiser; der Unwille des Volkes begann sich bereits zu regen. Um nun allen Verdacht von sich abzu- walzen, beschuldigte der Kaiser die Christen der Brand- stiftung, lieB sie ergreifen und grausam hinrichten. Einige wurden gekreuzigt, andere in die Felle wilder Tiere eingenaht und den Hunden vorgeworfen, wieder andere wurden lebendig mit Pech iibergossen und angeziindet; und unter dem Scheine dieser lebendigen Fackeln und unter dem Todesrocheln dieser armen Opfer lustvvandelten die entarteten Romer in den Garten Neros. In dieser grausamen Verfolgung starben denn auch die beiden Apostelfiirsten Petrus und Paulus. Furchtbar warenauch die Tage unter Kaiser Domitian ( 81 —96), der an alle Statthalter den strengen Befehl ergehen lieB, die Christen als Staatsfeinde zu betrachten und als solche zu behandeln; unzahlige Christen, auch nahe Venvandte des Kaisers, wurden teils hingerichtet, teils verbannt. Kaiser Trajan (98—117) lieB zwar die Christen nicht aufsuchen, befahl aber dieselben strenge zu bestrafen, falls sie angeklagt oder uberwiesen wiirden. Das war jedoch fiir sie keine Erleichterung, weil sie nun der rohen Willkur der feindlichen Statthalter preisgegeben — 83 — 6 * waren. Noch schlimmere Zeiten brachen an, als Mark Aurel (161 —180) den Kaiserthron bestieg. Ausgehend von dem Prinzipe, die Christen seien widerspenstige, staatsgefahrliche Elemente, verfolgte er dieselben mit einer beispiellosen Wut. Asien, Gallien und Italien waren formlich ilberschwemmt von dem Blute unschuldiger Opfer. Die Stadt Lyon allein lieferte eine iiberaus groBe Zahl Martyrer, darunter ehrwixrdige Greise und hoffnungs- volle Jtinglinge, zarte Jungfrauen und noch fast unmtindige Kinder. Mit dem Blute zahlreicher Glaubensopfer gekenn- zeichnet ist auch die Regierungszeit des Septimius Severus (193—211), der sogar bei Todesstrafe den Ubertritt zum Čhristentume verbot; doch schrecklicher als alle bis- herigen Verfolgungen war die unter Kaiser Dezius (249—251). Er war fest ilberzeugt, daB sich dasChristentum mit dem heidnischen Staatswesen nicht vertrage; gelangt jenes zum Siege, so mufi dieses fallen. Daher faBte er den hollischen Plan, die Kirche ganzlich auszurotten. Ausgesuchte Folterwerkzeuge, eiserne Krallen, wilde Tiere, brennende Scheiterhaufen sollten bereitgehalten werden, um die Christen zum Abfall zu zwingen. Leider bewiesen manche schwache Christen nicht den Mut, den man bei Streitern Christi voraussetzen solite; viele aber gingen mutig in den Tod, den Himmel hoher achtend als Ehre, Giiter und selbst das Leben. Ubergehen wir die Regierungszeit des Gallus und des Valerian ! Auch sie war eine blutige Zeit, die so manches Opfer forderte; aber weit grausamer noch waren die Tage des Diokletian (284—305). Die ersten 19 Jahre erfreute sich die Kirche unter ihm der ersehnten Ruhe; er war zwar ein eifriger Heide, aber gegen Anders- glaubige sehr duldsam. Ganz anders gesinnt war sein Schwiegersohn Galerius, den er sich zum Časar erwahlt hatte. Dieser war ein grimmiger Feind alles Christlichen und drangte Diokletian zur Verfolgung der Christen; lange widerstand der Greis, endlich gab er nach. Am 23. Februar 303 vvurde die herrliche Kirche in der Stadt Nikomedia am fruhesten Morgen von Soldaten erbrochen, gepliindert und zerstort. Das war das Signal zu einer allgemeinen Verfolgung im ganzen romischen Reiche. Nacheinander erschienen mehrere blutige Verfolgungs- edikte; christliche Versammlungen wurden verboten,Kirchen 84 zerstort, kein Christ konnte ein offentliches Amt bekleiden, ja die Todesstrafe war bestimmt filr jeden, der sich weigern solite, den Gotzen zu opfern; es war eine Ver- folgung, viel blutiger als irgend eine der friiheren! Ganze Scharen von Christen ivurden auf lodernde Scheiterhaufen geworfen, andere zusammengekettet in die Meerestiefe versenkt, andere dahingeschlachtet wie unverntlnftige Tiere. Es war ein Morden und Brennen, wie es die Welt noch nie gesehen! So starb denn auch der hi. Viktorin, Bischof von Pettau (2. November 303 n. Chr.) eben unter diesem grausamen Kaiser. Als der Abend seines Lebens hereinbrach, da sah Diokletian das Vergebliche seiner Bemiihungen ein; die Kirche, die er ausrotten wollte, hat sich vielmehr gekraftigt. Daher befiel ihn Schwermut und UberdruB; miide des nutzlosen Strebens legte er im Jahre 305 die Kaiser- wiirde nieder. Galerius erneuerte jetzt die Verfolgung. Doch im Jahre 311 sah auch er sich infolge einer schmerz- vollen Krankheit genotigt, der Verfolgung Einhalt zu tun. Er selbst erklarte: es sei die Absicht der Kaiser gewesen, die Christen wieder zur Religion ihrer Vater zuriickzu- ftihren. Da aber die meisten bei ihrer Denkart geblieben waren, so wollten die Kaiser ihre gewohnte Miide und Gnade auch auf sie ausdehnen. Sie sollten Christen sein und ihre gevvohnten Versammlungen vvieder halten diirfen. Galerius starb noch in demselben Jahre 311 mit dem BevvuBtsein, seine Krafte umsonst vergeudet zu haben. Und schon zwei Jahre spater ( 313 ) pflanzte Kaiser Konstantin d. Gr. iiber den Triimmern des morschen romischen Heidentums das heilige Kreuz Christi, das Siegeszeichen unserer Erlosung, auf. Das Heidentum war vernichtet. Christus hat gesiegt. So hatte denn das Heidentum alles aufgeboten, um ; die Kirche Christi auszurotten; durch blutige Verfolgungen solite sie vernichtet werden, allein trotz aller Anfeindung blieb sie bestehen, das stolze Heidentum aber ging in diesem Kampf selbst zugrunde — gewi 8 , ein glanzender Beweis der gottlichen Stiftung und Wahrheit der katholischen Kirche. Die Pforten der Holle konnten sie nicht tiberwaltigen. Darum brauchen wir auch in den gegenvvartigen Kampfen und Leiden derselben nicht zu verzagen; durch eine 300jahrige vergebliche Ver¬ folgung hat die Kirche den Beweis ihrer Gottlichkeit und — 85 — Wahrheit erbracht! Ja, sie kann wohl verfolgt, aber nicht gebrocben werden, sie kann zwar bekampft, aber nicht besiegt werden. Treten wir daher jederzeit mutig ein filr Gottes und der Kirche heilige Sache, fest vertrauend auf die Macht und den Beistand desjenigen, der da ge- sprochen: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt“ (Matth. 28, 20). II. Durch Verfolgung suchte man die Kirche auszu- rotten, aber die Kirche blieb bestehen, ja noch mehr, gerade in der Verfolgung wuchs sie heran — und dies ist der zweite, noch starkere Beweis fur ihre gott- liche Stiftung. 1. Menschlicherweise zu urteilen, mufite man die Sache der Kirche fur verloren halten. Denn die Welt hatte im Bunde mit der Holle alles aufgeboten, um so- wohl die Ausiibung der christlichen Religion als auch ihre weitere Ausbreitung unmoglich zu machen. Kein Mittel war zu schlecht, wie wir gehort haben, keine Folter zu grausam, wenn sie nach Ansicht der Heiden nur ge- eignet waren, das Christentum zu zertreten und zu zer- malmen; Verleumdung und Verspottung, Feuer und Schwert, Kerker und Verbannung, alles wurde aufgeboten, — doch die Kirche blieb bestehen! Diese wunderbare Erhaltung derselben ist der Tatbeweis dafiir, daC das Christen¬ tum keine Schopfung dieser hinfalligen Welt, viel- mehr eine Schopfung des Himmels sei. Denn mogen wir die zahllose Menge der Blutzeugen aus jedem Alter, Stande und Geschlechte ins Auge fassen, oder mogen wir die lange Dauer der Verfolgungen oder das Ent- setzliche der Qualen und des schmerzvollen Todes der unschuldigen Opfer betrachten oder die wunderbare Ge- duld und Ruhe, mit der sie dieselben ertrugen: gewil3, das christliche Martyrium ist eine ganz auBerordentliche, in der Geschichte einzig dastehende Erscheinung, welche dem Christentume selbst das Siegel der Wahrheit und Gottlichkeit aufdrttckt. Die Kirche Christi ist nicht Menschenwerk, sondern ein Geschenk des Himmels zur Erlangung unserer ewigen Seligkeit. Sie ist jene starke Felsenburg, die da aufgebaut ist „auf dem Felsen Petri, auf dem Grunde der Apostel, auf Christus selbst, dem — 86 — ewigen Ecksteine“; vergeblich riitteln an ihr die feind- lichen Sturme, schaumend zerschellen an ihr die brausenden Wogen der Zeit, die Kirche bleibt und wird bleiben bis zum Ende der Zeiten, die Macht der Holle wird sie nicht iiberwaltigen Ja, „ich glaube an eine, heilige, katholische Kirche“! 2. Die Kirche hat sich jedoch in diesem furcht- baren Kampfe nicht nur erhalten, sondern sogar aus- gebreitet. Die Verfolgungen haben das Christentum nicht nur nicht unterdrtickt, sie haben vielmehr machtig dazu beigetragen, daB sich dasselbe schnell und weithin aus- breitete und in den Herzen von Tausenden Wurzel fassen konnte. Viele Christen flohen namlich, um ihr Leben zu retten, in fremde Lan der und wurden dort zu Aposteln der Heilslehre. Nicht selten war es aucb, dah selbst die grimmigsten Verfolger, die Richter, An- klager und Henkersknechte, gertihrt durch die Geduld und tiberwaltigt durch die Standhaftigkeit der Martyrer, sich bekehrten und selbst Martyrer -vvurden. Selbst Heiden riefen oftmals aus: „Gro6, ja sehr groB ist der Gott der Christen!“ Die Kirche teilte hierin nur das Schicksal ihres gottlichen Stifters! So wunderbar namlich Christus in der Verktindigung seiner Lehre auch war, so gewaltig der Eindruck seiner Rede auf die Herzen seiner Zuhorer auch sein mochte: die Lehre des Heiles begann dennoch erst dann iiber die Erde hin sich auszubreiten und die Menschen zu liberzeugen, als das Kreuz die Lehrkanzel des Erldsers wurde, erst dann trat das Evangelium seinen Siegeszug durch die Welt an, als Christus das¬ selbe mit seinem Blute besiegelt und fur die Wahrheit desselben sein Leben unter den bittersten Schmerzen hergegeben ! Jetzt erst war der Augenblick gekommen, wo der heidnische Hauptmann erschuttert ausrief: „Wahr- lich, dieser war Gottes Sohn!“ Jetzt erst war die Stunde gekommen, wo ein groBer Teil des jiidischen Volkes sich an die Brust schlug und in der Folge sich bekehrte. Ja, gekommen war die Stunde, wo vom Kreuze herab der christliche Glaube die Welt eroberte und den Un- glauben besiegte. So muBte denn auch die Kirche als die wiirdige Braut Christi ihren himmlischen Brautigam hierin ahnlich werden. Und in der Tat, nicht so sehr das Wort der Apostel und Missionare, als vielmehr ihr — 87 — Blut hat die Welt bekehrt; von ihrem Blute umflossen, hat der christliche Glaube Millionen von Heiden dem Erlčser gewonnen! „Das Blut der Martyrer,“ sagt darum schon Tertullian, „ist der Same neuer Christen. Je mehr man uns dahinmaht, desto zahlreicher werden wir.“ So steht denn die heilige Kirche vor uns als die wahre Braut Christi, ihrem Erloser und Grtinder vollkommen dhnlich. Sie ist zwar angetan mit dem Purpurmantel der Verfolgung, ihr Haupt ist gekront mit Leiden und Schmach, sie tragt das Rohr der Schwache und Geduld. Sie steht zwar vor uns wie ein Bild des Leidens, und dennoch, die gewaltigsten Reiche gingen zugrunde, die machtigsten Throne stiirzten zusammen, die machtigstenVerfolgungen zerschellten an diesem Rohre: die Kirche steht siegreich und grofi da und breitet sich iiber die ganze Welt aus. Durch die Verfolgung wollte man die Kirche vernichten, aber gerade in der Verfolgung wuchs sie heran und wurde stark und machtig — und hat dadurch selbst den Beweis erbracht, daB sie die wahre, von Christus gestiftete, gottliche Kirche sei! Aus vollem Herzen kann ich deshalb beten: „Ich glaube an eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. 11 Wie ohnmachtig erscheint doch der Mensch, wenn er dem Allmachtigen entgegentreten will! Wie kurz und elend ist doch sein Verstand, wenn er die Absichten des Allerhochsten durchkreuzen will! Menschliche Bos- heit im Bunde mit der Holle machte sich auf, die Kirche zu vernichten, die Kirche aber bleibt. Dahin sinddie stolzen Casaren, dahin die Christenverfolger und Peiniger, dahin ist das machtige romische Reich, die Kirche aber steht noch da gro6,herrlich, unbesiegt. Wo ist jetzt einNero, ein Dezius, ein Diokletian ? Sie sind dahingegangen, nur die Geschichte kennt noch ihre Namen. Die Kirche aber, die sie verfolgt, die sie auszurotten gesucht, erhebt sich iiber den Triimmern ihres einst so gewaltigen Kaiserreiches; sie steht unbesiegt da und wird stehen bis zum Ende der Zeiten. Ja, wahr ist das Wort des weisen Gamaliel, das er im hohen Rate der Juden in Jerusalem gesprochen, als man die Apostel des Evangeliums wegen zum Tode verurteilen wollte: „Stehet ab von diesen Menschen und lasset sie; denn wenn dieser RatschluB oder dieses Werk (die Kirche) von Menschen ist, so wird es zerfallen; wenn es aber von Gott ist, so konnt ihr es nicht zerstoren“(Act. 5, 38, 39). 88 — Als Kaiser Napoleon I. als Gefangener auf der Insel St. Helena eines Tages einsam die Fluren nachdenkend durchstreifte, da traten ihm seine frilheren Erlebnisse recht lebhaft vor Augen. Er sah im Geiste die herrlichen Siege, die er erfochten, er sah sich von allen geehrt, gefeiert, gepriesen, ja angebetet. Er schaute mit dusterem Blicke vor sich aber auch die Opfer, die sein Ehrgeiz gekostet, Opfer an Blut und Leben. Da befiel ihn eine seltene Schwermut, stumm und ernst sah er vor sich hin; in der Ferne erblickt er den Turni einer kleinen Kirche; er wurde jetzt noch ernster. Da auf einmal rief er aus: „Throne sttirzen, Reiche vergehen, Volker gehen dahin, nur die Kirche bleibt!“ — Throne stiirzen, Reiche vergehen, Volker gehen dahin, nur die Kirche bleibt! so spricht ein Napoleon ani Schlusse eines hochbewegten, taten- reichen Lebens! Ja, die Kirche bleibt und wird bleiben, weil sie nicht Menschen- sondern Gotteswerk ist. O halten wir deshalb fest an dieser Kirche, bleiben wir treu dieser Kirche, treu bis in den Tod! Treue haben wir ihr geSchworen im Augenblicke der heiligen Taufe und Christus selbst hat unseren Treubund besiegelt im Sakramente der Firmung durch das Siegel des hi, Geistes ! Halten wir deshalb hoch die Fahne des heiligen kathoiischen Glaubens und wagen wir es nie, mit den Feinden deSselben gemeinsame Sache zu machen! Huten wir uns, je mit der Welt gegen Christus und seine Kirche anzukampfen! Ein Treubruch ware dies, ein schandlicher Treubruch, begangen gegen Gott und unsere Mutter, die heilige Kirche! Ftir diese Kirche hat der lil. Viktorinus sein Leben hingegeben, ftir' diešen Glauben hat er sein Blut vergossen, mit seinem Tode noch hat er die Wahrheit und Gottlichkeit seiner Kirche bezeugt! O so moge denn der Geist dieses mutvollen Bekenners unseres heiligen Glaubens fortleben auch in euren Herzen! Moge sein Martyrertod euch erfullen mit neuer Kraft und Ausdauer, mit neuem Mut und neuer Begeisterung, ftir Gottes heilige Sache zu kampfen und zu streiten, zu leben und zu sterben ! Amen.*) *) Vgl. : P. Markuš Prattes „Glaube und Kirche"; Josef Fiifil „Die heilige katholische Kirche, das grofie Werk Gottes"; Heinrich v. Hurter, „Schonheit und Wahrheit der kathoiischen Kirche"; Ferdinand Wagner, ,,Erzahlungen aus der Kirchen- geschichte"; Dr. Franz Fischer, ,,Lehrbuch der Kirchengeschichte." COBISS Nach der Predigt fand ein feierlicher Segen statt mit der Allerheiligen-Litanei und Te Deum, womit das Jubeljahr geschlošsen wurde. 5cl , )lti55n>Ort. So ist denn diese so seltene Jubilaumsfeier voruber. GewiB, es waren festliche Tage fur Pettau! Sie sind ieider nur zu schnell dahingeschwunden, aber die Erinnerung an sie darf aus den Herzen der Glaubigen nie ent- schwinden. Moge darum der Geist des hi. Viktorinus, dieses grofien Kirchenfiirsten, dieses ruhmreichen Schrift- stellers und siegreichen Verteidigers der kirchlichen Lehre, dieses glorreichen Blutzeugen Christi und heldenmiitigen Bekenners des hi. Glaubens fortleben in den Herzen seiner Verehrer! Moge sein ruhmgekronter Hirtenstab, der ihm selbst sowie seinen treuen Schaflein zur Zeit der blutigen Verfoigungen eine machtige, starke Sttitze und ein sicherer Fiihrer zum Siege gewesen, auch seinen Nachkommen im lieblichen Stadtchen an der Drau ein rettender Anker in dem sturmbewegten Leben, ein un- triiglicher Wegweiser zur Pforte des Friedens und unver- ganglichen Gluckes sein! narodna in univerzitetna KNJIŽNICA 00000500227 — 90 —