©Slovenian Entomological Society, download unter www.biologiezentrum.at MTji m1 %W\0UMsó\€: Sii: vrt. i LJUBLJANA, JULY 1997 Vol. 5, No. 1: 39-44 VIER FÜR SLOWENIEN NEUE BOCKKÄFERARTEN (COLEOPTERA: CERAMBYCIDAE) Karl ADLBAUER, Graz und Manfred EGGER, Wattens Abstract - FIRST RECORDS OF FOUR CERAMBYCID SPECIES FROM SLOVENIA (COLEOPTERA: CERAMBYCIDAE) Lepturalia nigripes rufipennis (Blessig), Vadonia steveni (Sperk), Leptura aethiops Poda and Callimoxys gracilis (Brullé) are reported from Slovenia for the first time. The distribution, biology of these species, and taxonomic status of the subspecies of Lepturalia nigripes (Degeer) are discussed. Izvleček - PRVE NAJDBE ŠTIRIH VRST KOZLIČKOV V SLOVENIJI (COLEOPTERA: CERAMBYCIDAE) Vrste Lepturalia nigripes rufipennis (Blessig), Vadonia steveni (Sperk), Leptura aethiops Poda in Callimoxys gracilis (Brullé) so bile prvič najdene v Sloveniji. Obravnavani so razširjenost in biologija teh vrst ter tak-sonomski položaj podvrst vrste Lepturalia nigripes (Degeer). Einleitung Der Cerambycidenfauna Sloweniens wird - zumindest in Teilbereichen - erst in jüngster Zeit vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt. Dies trifft ganz besonders auf das ehemalige Sperrgebiet der Gotenica zu, das erst jetzt, nachdem Slowenien seine Eigenständigkeit erlangte, frei zugänglich geworden ist (Drovenik & Steiner 1995). Das einerseits stark montan beeinflußte und großflächig bewaldete, andererseits doch sehr südlich gelegene Gebiet weist eine sehr bemerkenswerte Verzahnung von mitteleuropäischen, boreomontanen bzw. südeuropäisch/submediterranen Elementen auf. Untersuchungen im Bereich von Kocevje, auf der Höhe von Triest gelegen, und westlich Radece durch den Zweitautor erbrachte vier überraschende Nachweise von bisher aus Slowenien noch nicht bekannten Cerambycidenarten. 39 ©Slovenian Entomological Society, download unter www.biolojjteferiliEiirtailnologica slovetlica, 5 (1), 1997 Lepturalia tiigripes rufipennis (Blessig 1873) Kočevje, Stojna, Koča pri Jelenovem studencu, Gotenica, S-Slowenien, 880 m, 28.30. 6.1994, Id im Flug, leg./coll. M. Egger. Die nach Horion 1974 boreoalpin, nach Nüssler 1976 und Bily & Mehl 1989 boreomontan verbreitete Lepturine Lepturalia nigripes (Degeer) besiedelt ein riesiges Areal: von Skandinavien und Nordpolen über Sibirien bis Kamtschatka, Mongolei, ?Nordchina. Im asiatischen Teil des Verbreitungsgebietes kann sie durchaus als häufig bezeichnet werden (Plavilstshikov 1936, Horion 1974, Cherepanov 1990). Im europäischen Südareal ist L. nigripes eine speziell im Osten und nur außerordentlich sporadisch auftretende Art. Nachgewiesene Vorkommen wurden aus der Ostslowakei, Rumänien und - bemerkenswerterweise - aus Österreich bekannt. Die wenigen Einzelfunde aus Deutschland (Bayern und ehemalige DDR) werden auf nicht autochthone Exemplare zurückgeführt (Horion 1974, Nüssler 1976, Bense 1995). Ähnlich wie die deutschen Meldungen über ein Vorkommen dieser nördlichen Bockkäferart sind auch die österreichischen mit einer gewissen Vorsicht zu interpretieren. Ganglbauer 1882 führt die steiermärkischen Alpen an, diese Meldung geht auf Redtenbacher 1874 zurück und wurde in der Folge immer wieder zitiert. In einer alten Schulsammlung von Stift Rein b. Graz fand sich weiters überraschenderweise ein 9 dieser hochinteressanten Art der ssp. rufipennis - allerdings ohne Fundangaben (Adlbauer 1990)! Daß es sich dabei um das schon von Redtenbacher gemeldete Tier handeln könnte halten wir für wenig wahrscheinlich. Schließlich wird der Käfer noch für Kärnten gemeldet, Demelt 1948 führt ein auf der Saualpe gefangenes Exemplar an - diese Meldung wird von Holzel 1951 und von Demelt 1971 wiederholt. Lepturalia nigripes tritt in zwei Subspezies auf - wobei hier die Meinungen der verschiedenen Autoren auseinandergehen: Plavilstshikov 1936 unterscheidet die typische Unterart mit gelbbraunen Elytren von der Subspezies rufipennis mit rotbraunen Elytren. Für L. nigripes ssp. typ. wird als Areal Europa inkl. europ. Teil der ehemaligen UdSSR und Sibirien bis zum Jenissej angegeben, für L. nigripes rufipennis Sibirien vom Baikal nach Osten, Westsibirien (gemeinschaftliches Areal mit der westlichen Rasse), "in Europa sehr selten und recht zufällig". Cherepanov 1990 kennt eine "f. typica" und eine "ssp. rufipennis". In Europa kommen beide Subspezies vor, zumindest im östlichen Mitteleuropa und im europäischen Teil der ehemaligen UdSSR (Plavilstshikov 1936 und Panin & Savulescu 1961, die Heirovsky zitieren), was dazu geführt hat, daß Heyrovsky in der ssp. rufipennis ein Synonym von L nigripes sieht. Panin & Savulescu 1961 betrachten dieses Vorgehen als ungerechtfertigt und erblicken in L. nigripes eine "bimorphe Art", die zwar zwei Subspezies ausbildet (eine Ost- und eine Westrasse), in Europa bilde aber die typische Subspezies zwei Formen, eben die typische und die mit rotbraunen Elytren. Da Überlappungsgebiete verschiedener Subspezies einer Art ja durchaus existieren können, sehen wir keinen Grund an der Existenz zweier Unterarten zu zweifeln. Die 40 K, Adlbauer, M.Egger: Vier für Slowenien neue Bockkäferarten (Coleoptera: Cerambycidae) Grenzlinie bzw. die Überlappungszonen sind in ihrem Verlauf jedoch offensichtlich wesentlich komplizierter als bisher angenommen. Die typische Subspezies kommt ausschließlich in Nordeuropa und nach Panin & Savulescu 1961 in Rumänien vor - in Westsibirien, der Ostslowakei und offenbar auch dem österreichisch-slowenischen Verbreitungsgebiet scheint sowohl die typische Unterart als auch die ssp. rufipennis vorzukommen. Während das von Redtenbacher erwähnte Tier im Naturhistorischen Museum in Wien, wo sich die Sammlung Redtenbacher befindet, nicht eruiert werden konnte, ist das von Demelt gemeldete Exemplar in der Sammlung des Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart auffindbar. Es handelt sich dabei um die typische Unterart. Die Biologie wurde von Palm 1951 bzw. 1959 und von Cherepanov 1990 ausführlich dargestellt, demnach ist die Birke (Betula pendula) das Hauptbrutsubstrat -seltener wird aber auch Populus tremula angenommen. Die Entwicklungsdauer beträgt mehrere Jahre, die Imagines sind im Sommer auf den Brutsubstraten und auf Blüten zu finden. Das von Demelt 1948 veröffentlichte Tier aus Kärnten wurde von ihm auf Heracleum gesammelt. Aufgrund der bekannten Brutsubstrate erscheint uns eine Verschleppung - etwa nach Deutschland - ziemlich unwahrscheinlich; es scheint vielmehr so zu sein, daß die mitteleuropäischen Vorkommen als Relikte anzusehen sind, die immer mehr aus unserer Landschaft verschwinden. Abb. 1: Lepturalia nigripes nigripes (Degeer), ö Abb. 2: Lepturalia nigripes rufipennis (Blessig), Ö 41 ©Slovenian Entomological Society, download unter www.biolojjteferiliEiirtailnologica slovetlica, 5 (1), 1997 Vadotiia steveni (Sperk 1835) Jagnjenica W Radeče, Slowenien, 270 m, 9. 7. 1993, 1 Ö auf Umbellifere, leg./coll. M. Egger. Im Gegensatz zur vorigen Art ist Vadonia steveni nur von einem kleinen Areal bekannt, die typischen Vorkommen sind aus der Ostslowakei, Ungarn, Rumänien, der Ukraine und Moldawien bekannt (Plavilstshikov 1936, Bense 1995), die weiteren Meldungen für diese Art, vor allem aus Mazedonien, dürften sich mit größter Wahrscheinlichkeit auf andere Taxa beziehen. Eine zuverlässige Bestimmung der Vadonien ist erst in jüngster Zeit einigermaßen zufriedenstellend möglich geworden. Die Biologie von V. steveni ist unbekannt, doch dürfte sich sich nicht grundlegend von der der verwandten Arten unterscheiden. Vadonia unipunctata (F.) und V. bipunc-tata (F.) entwickeln sich in den Wurzeln von Knautia und Scabiosa (Svacha & Danilevsky 1989). Eine ähnliche Biologie ist bei Vadonia imitatrix (Daniel) anzunehmen (unveröffentlicht) - weitere südosteuropäische Vadonien durchlaufen ihre Entwicklung in Euphorbien. Die Imagines sind in der Regel auf den Blüten ihrer Wirtspflanzen anzutreffen, wenn diese nicht in Blüte stehen auch auf anderen Blüten. Der hier gemeldete Erstfund in Slowenien ist der bisher westlichste Nachweis dieser seltenen, östlich verbreiteten Bockkäferart. Leptura aethiops Poda 1761 Kočevje, Gotenica, S-Slowenien, 670 m, 28.-30. 6. 1994, 1 Ö auf Blüte, leg./coll. M. Egger. Leptura aethiops ist eine sehr weit verbreitete Käferart. Von den Pyrenäen im Westen über den Kaukasus und Türkisch Armenien, den Nordiran, Sibirien, der Nordmongolei, Nordchina, Korea, Sachalin erstreckt sich das Areal bis Japan. In Europa ist die dunkle Lepturine besonders auf Mittel- und Osteuropa konzentriert; in Nordeuropa fehlt sie völlig, in Südeuropa kommt sie nur ausgesprochen sporadisch vor (Plavilstshikov 1936, Svacha & Danilevsky 1989, Bense 1995). Die Entwicklung findet in einer Reihe von Laubgehölzen statt (Quercus, Betula, Alnus, Corylus, Carpinus, Acer, Salix, Tilia, Syringa), ausnahmsweise auch in Pinus (Cherepanov 1990, Bense 1995), die Käfer sind auf Blüten zu finden. Callimoxys gracilis Brullé 1832 Kočevje, Gotenica, S-Slowenien, 670 m, 28.-30. 6. 1994, 1 Ö von Crataegus geklopft, leg./coll. M. Egger. Callimoxys gracilis ist von Osteuropa (bzw. vom östlichsten Mitteleuropa, der Ostslowakei und Nordungarn) über Kroatien, Bosnien-Herzegowina, RestJugoslawien, Mazedonien, Rumänien, Bulgarien, Griechenland über die Türkei und 42 K. Adlbauer, M.Egger: Vier für Slowenien neue Bockkäferarten (Coleoptera: Cerambycidae) den Kaukasus bis in den Nordiran verbreitet (Panin & Savulescu 1961, Horion 1974, Bense 1995). Die Larve entwickelt sich in trockenen Ästen von Prunus, Paliurus und wahrscheinlich auch weiteren Laubgehölzen (Svacha & Danilevsky 1988). Die Imagines sind Blütenbesucher und suchen besonders blühende Sträucher, wie z. B. Crataegus auf. Auch bei dieser Art ist der Fund von Kočevje nicht nur der erste in Slowenien sondern der bisher westlichste überhaupt. Zusammenfassung Die Bockkäferarten Lepturalia nigripes rufipennis (Blessig), Vadonia steveni (Sperk), Leptura aethiops Poda und Callimoxys gracilis (Brülle) werden das erste Mal für Slowenien nachgewiesen. Die Verbreitung und Biologie der Arten sowie der etwas unklare taxonomische Status von L. nigripes ssp. typ. und L nigripes rufipennis werden besprochen. Dank Den Herren Dr. Wolfgang Schawaller, Museum für Naturkunde Stuttgart und Harald Schillhammer, Naturhistorisches Museum Wien, danken wir herzlich für die Nachsuche und Information über Lepturalia nigripes-Exemplare in den jeweiligen Sammlungen. Literatur Adlbauer K., 1990: Die Bockkäfer der Steiermark unter dem Aspekt der Artenbedrohung (Col., Cerambycidae). Mitt. naturwiss. Ver. Steiermark, 120: 299397. Bense U., 1995: Longhorn Beetles/Bockkäfer. 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Danilevsky, 1988: Cerambycoid larvae of Europe and Soviet Union (Coleoptera, Cerambycoidea). Part II .Acta Univ. Carolinae, Biologica, 31:121-284. Svacha P., M. L. Danilevsky, 1989: Cerambycoid larvae of Europe and Soviet Union (Coleoptera, Cerambycoidea). Part III. Acta Univ. Carolinae, Biologica, 32:1-205. Anschrift der Verfasser/Naslova avtorjev Dr. Karl ADLBAUER Landesmuseum Joanneum, Zoologie Raubergasse 10 A-8010 GRAZ Manfred EGGER Volderweg 38/4 A-6112 WATTENS 44