Sonderabdruck aus der Monatsschrift «Die Erdbebenwarte», Nr. 5 bis 9, IV. Jahrg., 1904/5. Von Dr. S. Gunther, Munchen. Der 9. Februar dieses Jahres nahm der Wissenschaft von der Erde einen ihrer treuesten, aufopferndsten und uneigenniitzigsten Vertreter. Im hohen Alter von 78 1 / 2 Jahren war Pater Bertelli anscheinend leicht erkrankt 1 Abgesehen von den Schriften des Verewigten und von den einschlagigen An- gaben der zweiten und dritten Weiterfuhrung von PoggendorfFs «FIandw6rterbuch zur Geschichte der exakten Wissenschaften» kommt fiir diesen Nekrolog hauptsachlich in Betracht cin ausfuhrlicher, dem Verfasser von befreundeter Hand iiberschickter Artikel der Zeitung «La Nazione» (7. Februar 1905). Auch eine Notiz des Blattes «Giornale d’ Italia» (7. Marž 1895), uberschrieben «Tromometri e terremoti«, gehort hieher. Von der Artikelserie iiber den Dahingeschiedenen, vvelche Prof. Mario Baratta in der «Riv. Geogr. Ital.» soeben begonnen hat, konnte an diesem Orte leider nicht mehr Nutzen gezogen werden, es sei daher biofi auf sie verwiesen. Der Verfasser unterhielt seit mehr denn drcifiig Jahren mit P. Bertelli personliche und literarische Beziehungen, die sich wesentlich von einem Besuche des idyl!isch gelegenen .Collegio alle Querce» herschrieben. 2 Der Sterbende war dem Berichte zufolge bei klarem Bewu6tsein; als er den letzten Augcnblick herannahen fiihlte, sagte er zu den sein Lager Umstchenden: «Lebt wohl, Briider, es geht mit mir zu Ende.» 3 Bcrtellis Vater Francesco (1794—1844) war von Haus aus Hydrotechniker in« p;ipstlichcn Diensten und wurde spater Professor der Astronomie an der Universitat Bologna. Die Mutter hiefi Teresa Pallotti. Eines Tages unterhielt sich der Vater in Gcgenvvart seines noch sehr jugendlichen Sohnes mit seinem Kollegen Filopanti iiber eine die Eindiimmung unruhiger Fliisse behandelnde Fragc und in diesem Gesprache stiefi man auf cine anscheinend nicht zu hebende Schwicrigkeit. Da erhob sich der Knabe, der bis dahin stili zugehort hatte, und entwickelte den beiden Mannern seine als durch- aus richtig erkanntc Ansicht, wie die Anfgabe gelost werden konne. und es schien sich bereits eine Besserung in dem Brustkatarrh, der ihn be- fallen hatte, erkennen zu lassen. Da artete dieser plotzlich in eine Lungen- entziindung aus und die¬ ser vermochte der Greis keinen Widerstand mehr entgegenzusetzen. Ein leichter Tod beschloiS ein edles, von wahrem Idealismus durchhauchtes Leben. 2 tober 1826 in dem damals zum Kirchenstaate ge- horigen Bologna, besuchte Leopoldo Bertelli 3 - denn dies war vor dem Eintritte in das Kloster sein Name — die Schulen seiner Geboren am 26. Ok¬ 2 Vaterstadt und trat bereits mit ačhtzehn Jahren in die Kongregation der Barnabiten ein. Von Haus aus voli Neigung fiir die exakten Wissenschaften, setzte er hier seine Studien fort und wurde in Balde selbst mit dem Unter- richte in diesen betraut. Er lehrte folgeweise in den Ordenskollegien zu Neapel, Moncalieri, Bologna und Parma, um sodann 1868 an das «Collegio della Querce» versetzt zu werden, dem er bis zu seinem Lebensende angehorte, und dessen Rektor er seit 1903 war, bis das Alter ihn zum Rticktritte notigte. Bei seinem Scheiden vvurde ihm der Titel eines Generalvisitators zuteil, den er nur noch wenige Monate ftihren solite. Papst Leo XIII. gedachte ihn nach Rom zu berufen und ihm die Direktion der vatikanischen Sternvvarte anzu- vertrauen, allein der bescheidene Mann lehnte dieses Amt ab, weil er seinem ihm lieb gevvordenen Wirkungskreise in Florenz erhalten bleiben vvollte. Hier hielt er seine Vorlesungen bis unmittelbar vor seinem Tode. Es bedarf kaum eines Hinweises darauf, dafi sein Vaterland dem vielverdienten Ge- lehrten noch bei Lebzeiten mannigfache Ehrenbezeigungen erwies; der papst- lichen Accademia dei Lincei gehorte er lange Jahre an, und Pius X. hatte ihn gerne als deren Direktor nach Rom gezogen, was jedoch im Jahre 1903 noch weniger als acht Jahre zuvor sich tunlich erwies. DaB im iibrigen die Tage eines Mannes, der seine Zeit gewissenhaft zwischen seinen Ordens- pflichten und wissenschaftlicher Forschung teilte, gleichmafiig verlaufen mu( 3 ten und daB deshalb Fernerstehenden nichts von besonders hervor- tretenden Momenten bekannt werden konnte, leuchtet von selbst ein. Auch an dieser Stelle handelt es sich ja wesentlich darum, die Leistungen des Forschers in das richtige Licht zu setzen, und zwar ist dies um so mehr eine Ehrenpflicht, weil die deutsche Literatur von jenen wohl nicht in dem MaDe Akt nahm, wie er es gevvifi verdient hatte. Die fruhesten Studien Bertellis gehorten der Elektrizitatslehre, zu welcher er sich auch spater noch wiederholt zuriickgefuhrt sah. 1 Hieher zabit seine, zusammen mit Palagi verfalJte Schrift »Distribuzione di correnti elettrichi nei conduttori* (Bologna 1855). Nicht lange nachher ersann er einen meteorologischen Universalregistrator, den er ebenfalls in einer selb- standig erschienenen Monographie («Registratore meteorologico elettroscri- vente^, ebenda 1859) beschrieben hat. Seine samtlichen spateren Veroffent- lichungen sind in Zeit- und Gesellschaftsschriften enthalten. Zunachst zog ihn auch das elektrische Verhalten gevvisser Gewasser an, welches er in seinen Eigentiimlichkeiten verfolgte. Zwei groBere Abhandlungen haben es 1 Im Jahre 1900 verfiel Bertelli, angeregt durch die gewaltigen Fortschritte der draht- losen Telegraphie, auf cinen neuen, sehr leistungsfahigen Koharer. Ob er etwas dariiber publizierte, wissen wir nicht, wie es auch unbekannt zu sein scheint, dafi er Versuche iiber die Verwendbarkeit der Eisenbahnschienen zum Fernverkehr anstellte. Ebenso er- schicn einer sciner Aufsatze, in welchem er Metalldrahtnetze — offenbar nach dem Systcme von Melsens — zur Abwendung von Blitzgefahr in Vorschlag brachte, nur in der dem Auslande so gut wie unzuganglichen