Themen Junge Menschen zum Dialog befähigen Schwierige Themen Junge Menschen zum Dialog befähigen Ljubljana, 2025 IMPRESUM Schwierige Themen: Junge Menschen zum Dialog befähigen Autoren: Matej Cepin, Sabina Belc, Marija Šeme-Bonizzi, Alice Straniero, Diana Todorova, Zsuzsanna Farkas, Andreja Snoj Keršmanc, Eva Povalej, Sanja Obaha Brodnjak Redaktion: Matej Cepin Übersetzung: Sonja Kert-Wakounig Grafische Gestaltung: Eva Gajšek Fotos: Tímea Nyúl-Schmidt und Emese Vázsonyi Balassa Herausgeber: Socialna akademija, f. d. Hg.: Matej Cepin Ljubljana, 2025 COPYRIGHT Creative Commons Licence Dieses Werk ist unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht kommerziell-Share Alike Lizenz 2.5 veröffentlicht. FINANZIERUNG Die Produktion dieses Buches erfolgte im Rahmen des Projekts „Hard Topics“, kofinanziert durch das Erasmus+-Jugendprogramm, Leitaktion 2 (Projekt Nr. 2022-1-SI02- KA220-YOU-000090117). Die Veröffentlichung ist kostenlos. CIP – Kataložni zapis o publikaciji Kataložni zapis o publikaciji (CIP) pripravili v Narodni in univerzitetni knjižnici v Ljubljani COBISS.SI-ID 241370371 ISBN 978-961-96591-8-2 (PDF) Inhaltsverzeichnis Einleitung 6 Die Herausforderung der Polarisierung 10 Dialogische Konzepte 20 Gewaltfreie Kommunikation 22 Der Rucksack 24 Komfortzone, Lernzone und Panikzone 26 Starke Fragen 29 Aktives und tiefes Zuhören 31 Höfliche Auseinandersetzung 33 Emotionale Selbstregulierung 35 Das emotionale Bankkonto 37 The 3rd Alternative 40 Dialogische Methoden 42 Dialog-Leitlinien-Karten 43 Begegnungen von politischen Gegnern mit Hilfe der HardTopics-App 48 Identitätsspiel 51 5 Karten oder 4 Wege, eine schwierige Botschaft zu hören 53 Barnga 56 Lifeline 61 Lost at the Sea 63 Gewaltfreie Kommunikation in der Praxis 66 Wichtige Fragen stellen 69 RAIN-Methode 72 Der Rucksack in meinem Leben 75 Trio Story Sharing 79 Vertrauenskreise 82 Praktische Tipps zur Umsetzung 85 Organisationen hinter dem Projekt 89 5 Einleitung Matej Cepin, Socialna akademija Die Herausforderung Technologische Innovationen wie das Internet, soziale Medien und künstliche Intelligenz haben unsere Gewohnheiten grundlegend verändert – wie wir auf Informationen zugreifen, einkaufen, planen und Kontakte knüpfen. Diese Fortschritte verbinden uns zwar mehr denn je, tragen aber auch zu Entfremdung, psychischen Problemen, gesellschaftlichen Spaltungen und sogar globalen Konflikten bei. Die soziale Polarisierung gibt zunehmend An-lass zur Sorge. Für junge Menschen ist diese digitale Welt keine Veränderung – sie ist ihre Realität. Im Gegensatz zu älteren Generationen kennen sie kein Leben vor diesen Veränderungen. Deshalb sollten Jugendarbeiter:innen sich mit sozialer Polarisierung auseinandersetzen. Und deshalb wurde dieses Handbuch ge-schrieben. 6 Was findest du in diesem Buch? Im nächsten Kapitel beschäftigen wir uns mit der Herausforderung der Polarisierung. Im dritten Kapitel sprechen wir von der Bedeutung des Dialogs als einer der besten Antworten auf diese Herausforderung. Außerdem stellen wir die wichtigsten Konzepte im Zusammenhang mit dem Dialog vor. Das vierte Kapitel enthält praktische Methoden, die bei der Arbeit mit jungen Menschen zum Thema Dialog eingesetzt werden können. Abschließend gibt es im fünften Kapitel Empfehlungen für die Umsetzung solcher Aktivitäten. Für wen ist dieses Buch gedacht? Das Buch richtet sich in erster Linie an Sozialarbeiter:innen und Jugendleiter: innen, d. h. an Personen, die mit jungen Menschen in nicht formalen Kontexten arbeiten. Es richtet sich aber auch an alle, deren Leben sich um junge Menschen dreht: Lehrpersonen, Erzieher:innen, Trainer:innen, religiöse Mitarbeiter:innen, Gemeindearbeiter:innen, Sozialarbeiter:innen und viele mehr. Dieses Buch ist für alle von Nutzen, die ihre Arbeit mit jungen Menschen, insbesondere im Hinblick auf soziale Polarisierung und Dialog, weiter-entwickeln möchten. Wie kannst du dieses Buch nutzen? Wenn du dich im Umgang mit verschiedenen Methoden sicher fühlst, aber noch keine spezifischen Kenntnisse über Dialog und soziale Polarisierung hast, werden dir die Konzepte im zweiten und dritten Kapitel am meisten helfen. Wenn du hingegen eher mit der Theorie vertraut bist, aber praktische Ansätze benötigst, werden dir die Methoden im dritten Kapitel und die Empfehlungen zur Umsetzung im vierten Kapitel besonders nützlich sein. Der beste Ansatz ist wahrscheinlich eine Kombination aus beidem. 7 Aber das ist noch nicht alles! Dieser Leitfaden ist Teil eines größeren Projekt namens Hard Topics. Auf der Projektwebsite hardtopics.eu findest du auch weitere Tools dazu, wie man sich den Fragen der Polarisierung bei jungen Menschen stellen kann. Die Dialogleitlinien sind ein Set aus 10 Karten, mit denen junge Menschen an das Konzept des Dialogs herangeführt werden können. Sie sind nützlich, um die Teilnehmer:innen während der Dialogübungen zu motivieren und um über die Dialogsitzungen zu reflektieren. Die HardTopics-App ist hilfreich bei der Organisation von Veranstaltungen. Anhand der Antworten auf einen Fragebogen bildet die App aus den Teilnehmer:innen Paare (in der Regel junge Menschen) mit dem Ziel, möglichst unterschiedliche Personen zusammenzubringen. Diese Paare werden dann zu Einzelgesprächen eingeladen. Auf der Website findest du außerdem Workshop-Pläne zum Thema Dialog, Empfehlungen für Institutionen und eine Einladung zum Dialogue Network, einem Zusammenschluss von Organisationen und Einzelpersonen, die sich für diese Themen engagieren. Über das Projekt Hard Topics Das Projekt befasst sich mit der Herausforderung der zunehmenden sozialen Polarisierung, da es immer schwieriger wird, konstruktive Gespräche über soziale Themen zu führen. 8 An dem Projekt waren mehr als 1000 junge Menschen, von denen mindestens 15 % mit geografischen oder kulturellen Herausforderungen konfrontiert sind, sowie mehr als 110 Jugendarbeiter:innen direkt beteiligt. Das Hauptziel des Projekts ist die Stärkung der Dialogfähigkeiten von jungen Menschen und Jugendarbeiter:innen. Auf diese Weise sollen Räume für Diskussionen über gemeinsame europäische Werte geschaffen werden. Das Projekt wird durch die Leitaktion 2 des Erasmus+-Programms Jugend kofinanziert und läuft von Oktober 2022 bis Mai 2025. Der federführende Partner ist die Institution Socialna akademija aus Slowenien, weitere Projekt- partner sind IniciativAngola aus Österreich, KatHAZ aus Ungarn und Documenta aus Kroatien. Projektnummer: 2022-1-SI02-KA220-YOU-000090117. Wir bedanken uns herzlich beim Projektteam: • Sabina Belc, Sanja Obaha Brodnjak und Andreja Snoj Keršmanc von Socialna akademija, • Alice Straniero und Diana Todorova von Documenta, • Marija Šeme-Bonizzi, Katja Križnar und Katarina Mischkulnig von IniciativAngola, • Zsuzsanna Farkas und Barnabas Gergely von KatHaz. Besonderer Dank gilt auch Eva Gajšek für die Überprüfung, Gestaltung und Formatierung der gedruckten Materialien (einschließlich dieser Broschüre), Rok Pisk für die Gestaltung der Projektwebsite, Robert Ravnik und Nejc Ilc für ihre engagierte Arbeit bei der Entwicklung der Webanwendung, Eva Povalej für ihren Beitrag zu diesem Handbuch, den Trainer:innen, die die Dialogworkshops und Veranstaltungen durchgeführt haben, den Lehrpersonen und anderen Vertreter:innen der Institutionen, mit denen wir zusammenge-arbeitet haben, sowie externen Partnerorganisationen und Einzelpersonen, die sich bereits dem Dialognetzwerk angeschlossen haben. Matej Cepin, Herausgeber 9 Die Herausforderung der Polarisierung Sabina Belc, Socialna akademija, und Marija Šeme-Bonizzi, IniciativAngola Um die Notwendigkeit des Dialogs zu verstehen, müssen wir verstehen, wie unsere Gesellschaft funktioniert und wie unterschiedliche Meinungen innerhalb dieser Gesellschaft zu einer Spaltung führen können. Diese Spaltung der Gesellschaft wird als Polarisierung bezeichnet. Es ist jedoch schwierig, einen komplexen Begriff mit so vielen Nuancen wie Polarisierung zu definieren. Der Begriff Polarisierung, wie er in aktuellen akademischen und politischen Debatten verstanden wird, bezieht sich nicht auf politische, soziale, kulturelle und religiöse Vielfalt und Pluralismus als solche, sondern auf eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft in gegnerische Gruppen in wichtigen Fragen zur Zukunft der Gesellschaft. Demokratisch geordnete Gesellschaften teilen Werte und Prinzipien und im Idealfall auch soziale Bindungen. Polarisierung führt jedoch zu sozialer und politischer Fragmentierung und stellt diese Gewissheiten und Bindungen infrage. 10 Die meisten Menschen sind sich einig, dass die Spaltung der Gesellschaft in gegnerische Gruppen den sozialen Zusammenhalt und die Sicherheit schwächt und radikale Ideen leichter verbreitet werden können. Daher ist die Erkennung und Verringerung von Polarisierung ein wichtiger präventiver Ansatz, um radikalen Tendenzen entgegenzuwirken, bevor sie sich voll entfalten und zu Gewalt führen.1 Trends, durch welche die gesellschaftliche Polarisation vorangetrieben wird Zur Untersuchung der Gründe für diese Spaltung der Gesellschaft müssen wir uns eingehender mit einigen der offensichtlichsten Trends befassen, die zur Polarisierung führen. Ein wichtiger und vielleicht der offensichtlichste Trend, der zur sozialen Polarisierung führt, ist der kontinuierliche Vertrauensverlust in die Medien. Forschungsergebnisse zeigen, dass Zielgruppen, die ein geringes Vertrauen in die Medien haben, eher dazu neigen, falschen Informationen zu glauben als korrekten. Das Vertrauen in Nachrichten geht jedoch über die Richtigkeit der präsentierten Informationen hinaus. Es umfasst auch die Art und Weise, wie Medienunternehmen daran arbeiten, die Erwartungen der Öffentlichkeit zu erfüllen, einschließlich der Frage, inwieweit Nachrichteninhalte die Lebenserfahrungen und sozialen Realitäten der Zielgruppen widerspiegeln (oder nicht). Darüber hinaus ist seit langem bekannt, dass Zielgruppen Nachrichten eher glauben, wenn sie Ideen enthalten, die mit ihren be-stehenden Einstellungen übereinstimmen, während Nachrichten, die diese Sichtweisen in Frage stellen, oft als unrichtig abgetan werden. 1 European Forum for Urban Security. "What Is Polarisation and How to Respond at the Local Level."bgerufen am 17. November 2023. 11 Wenn das Publikum Nachrichteninhalten misstraut, weigert es sich nicht nur, diese mit anderen zu teilen, sondern wendet sich in Zukunft oft auch nicht mehr an Mainstream-Quellen. Forscher haben insbesondere einen starken Zusammenhang zwischen geringem Vertrauen in Mainstream-Medieninhalte und einer Präferenz für alternative Nachrichtenquellen festgestellt. Geringes Vertrauen in die Nachrichten kann zu weniger Vertrauen in Institutionen und Regeln führen. Dies kann dazu führen, dass Menschen persön- liche Erfahrungen gegenüber Expert:innenwissen bevorzugen. Es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen Miss- trauen gegenüber den Nachrichtenmedien und Miss- trauen gegenüber anderen Institutionen, wie beispielsweise der Regierung, was zu einer Kluft zwischen informierten Bürgern und zunehmend skeptischen Bürgern führt2 Falsche Ausgewogenheit entsteht aus der Idee der „journalistischen Objektivität“, bei der Nachrichten so präsentiert werden, dass die Leser:innen selbst entscheiden können, wie sie die Fakten und die Argumente dazu ver-stehen.3 Unter Berücksichtigung all dieser Punkte können wir schlussfolgern, dass (digitale) Medien und insbesondere soziale Medien eine Rolle bei der Förderung der sozialen Polarisierung spielen. Dies liegt daran, dass soziale 2 Cover, Rob, Ashleigh Haw, and Jay Daniel Thompson. Fake News in Digital Cultures: Technology, Populism and Digital Misinformation. Bingley: Emerald Publishing Limited, 2022. 3 Wikipedia. "Social Polarization." Abgerufen am 17. November 2023. 12 Medien wie Facebook durch ihre Algorithmen Freund:innen und Bekannte in identische Kreise gruppieren und soziale Nachrichtenseiten wie Digg oder Reddit einen Nachrichtenkonsum ermöglichen, der durch die Auswahl der Nutzer voreingenommen ist. Simulationsmodelle und Daten aus sozialen Medien zeigen, dass Menschen dazu neigen, soziale Bindungen zu Freunden mit gegensätzlicher politischer Ideologie zu verlieren, wenn die Berichterstattung in Nachrichtenquellen mit gegensätzlicher politischer Ausrichtung stark voneinander abweicht, d. h. in einem polarisierten Informationsökosystem. Dieser personalisierte Nachrichtenkonsum führt zur Entstehung von Echokammern, die die be-stehenden Überzeugungen der Nutzer:innen verstärken.4 Ein weiterer Treiber dieser Echokammern ist die „Cancel Culture“. Die „Cancel Culture“ entstand Ende der 2010er und Anfang der 2020er Jahre und beinhaltet die Isolierung, Boykottierung, Ablehnung, Entlassung oder Attackierung von Personen, die sich unangemessen verhalten oder geäußert haben, häufig über soziale Medien.5 Percieved transgression Harm Political or social value Speads by like-minded others who Negative suppot canceling. emotional responses Share on Social Moral outrage social media contagion Disgust Anger Fear Punitive actions No harm Insults Try to get fired widely, peters out. Shaming Doesn't spread Harm reputation Threaten bodily harm Grafiken: Dholakia, Utpal. "What Is Cancel Culture?" Psychology Today, 6. Juli 2020. 4 Ebd. 5 Wikipedia. "Cancel culture." Abgerufen am 4. Juli 2024. 13 Bekannte Beispiele für linke „Cancel Culture“ sind J. K. Rowling (siehe hier) und Roseanne Barr (siehe hier). Auf der anderen Seite verlor die Republikanerin Liz Cheney ihren Sitz, nachdem sie Trump kritisiert und die Untersuchung des Angriffs auf das Kapitol am 6. Januar mitgeleitet hatte.6 Aber nicht nur Menschen, sondern auch Unternehmen können gecancelt werden, wie beispielsweise Pepsi für seine Werbung im Zusammenhang mit den Black-Lives-Matter-Protesten (siehe Videobericht hier).7 Weiters sind auch einige der folgenden Trends als Gründe für Polarisierung zu erwähnen: Wirtschaftliche Ungleichheit kann gesellschaftliche Spaltungen verschärfen, da verschiedene Gruppen unterschiedliche Interessen verfolgen. Außerdem kann die Fokussierung politischer Debatten auf Identitätsfragen Emotionen verstärken und die Polarisierung verschärfen. Schließlich tragen extreme Positionen und aggressive Sprache von politischen Führern dazu bei, dass öffentliche Diskussionen polarisieren und die Polarisierung verschärfen.8 Angesichts dieser zunehmenden Polarisierung ist es von entscheidender Bedeutung zu verstehen, wie die enorme Menge an Informationen, mit der wir täglich konfrontiert sind, unsere Meinungen prägt und bestehende Gräben vertiefen kann. Meinungsbildung in einer gespaltenen Welt Wir leben im Informationszeitalter. Im Jahr 2024 werden täglich 328,77 Millionen Terabyte an Daten erzeugt.9 Angesichts dieser Informationsflut kann es zu einer Informationsüberflutung kommen – einem Zustand, in dem man von der Menge der Daten, die man aufnehmen oder verarbeiten muss, überwältigt ist.10 6 Jennifer Rubin. "Republicans Just Cancelled Liz Cheney". Washington Post, 12. Mai 2021. 7 Vice. "What Is Cancel Culture and What Does It Mean in 2024?". Abgerufen am 4. Juli 2024. 8 Gu, Yanfeng, and Zhongyuan Wang. "Income Inequality and Global Political Polarization: The Economic Origin of Political Polarization in the World." Journal of Chinese Political Science 27, no. 2 (2022): 375–398. 9 Exploding Topics. Amount of data Created Daily. Accessed December 19, 2023. 10 TechTarget. "Information Overload." Accessed December 19, 2023. 14 Was passiert, wenn unsere Informationsverarbeitungsfähigkeiten überfordert sind? Dies kann zu Müdigkeit, Verwirrung, Stress, Angstzuständen und sogar zu Depressionen führen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Die exekutiven Funktionen unseres Gehirns können überlastet werden, was zu Unruhe und Entscheidungsschwierigkeiten führt.11 In unserem Leben begegnen wir häufig Situationen, in denen wir Entscheidungen mit unvollständigen Informationen treffen müssen. In diesen Fällen verlassen wir uns oft auf Heuristiken und Vorurteile – Entscheidungsstrategien, die unsere Bewertung beeinflussen und verschiedene Arten von Informationen priorisieren. Diese Strategien können unser Festhalten an Überzeugungen verstärken und damit zu einer zunehmenden politischen Polarisierung beitragen. Was ist unter Festhalten an Überzeugungen zu verstehen? Dieser Begriff beschreibt, wie wir an etablierten Überzeugungen festhalten, selbst wenn wir mit eindeutigen, widersprüchlichen Beweisen konfrontiert werden. Wir 11 Bouygues, Helen Lee. "Escaping the Rabbit Hole: How to Combat Information Overload." Forbes. September 13, 2021. 15 neigen dazu, unseren ursprünglichen Schlussfolgerungen Vorrang zu geben und uns dagegen zu wehren, unsere Meinung zu ändern, selbst wenn dies in unserem besten Interesse wäre.12 Wenn wir versuchen, polarisierenden Meinungen zu begegnen, können wir auf einige Probleme stoßen, da unsere Überzeugungen oft mit unserer Selbstidentität verflochten sind. Wir empfinden es möglicherweise als persön-liches Versagen, eine lang gehegte Überzeugung als falsch anzuerkennen, was zu Gefühlen der Unzulänglichkeit oder Unsicherheit führt, sodass wir solche widersprüchlichen Beweise nicht akzeptieren, um unser Selbstwertgefühl zu bewahren.13 Wie können wir vermeiden, uns in dieser Schleife zu verfangen, und junge Menschen bei der Selbstreflexion unterstützen? 1. Nachrichtenmedien auf logische Fehlschlüsse überprüfen Achte bei der Bewertung von Nachrichtenmedien und Meinungsmachern auf logische Fehlschlüsse in deren Argumentation. Das Verständnis dieser Fehlschlüsse kann dir dabei helfen, die präsentierten Informationen kritisch zu analysieren und weniger voreingenommene Meinungen zu bilden. Weitere Informationen zu logischen Fehlschlüssen findest du hier. 2. Sich mit unterschiedlichen Menschen austauschen Tausche dich mit einer vielfältigen Gruppe von Menschen aus. Bitte um Feedback und gehe neugierig auf andere zu. Achte auf deine Reaktionen und identifiziere die Überzeugungen, die deine Antworten beeinflussen. Dies kann dir helfen, deine mentalen Blindspots und kognitiven Verzerrungen zu erkennen und anzugehen.14 Weitere Informationen zu kognitiven Verzerrungen findest du auf der Seite Your Bias. 12 The Decision Lab. "Belief Perseverance." Dezember 2023. 13 Ebd. 14 Acton, Carmen. "Are You Aware of Your Biases?" Harvard Business Review, Februar 2022. 16 Dialog als Gegenmittel zur Polarisierung Wie können wir in einer polarisierten Gesellschaft eine Brücke zwischen Menschen mit gegensätzlichen Ansichten schlagen? Wie können wir sie einander näherbringen, damit sie sinnvolle Gespräche führen und gegen-seitiges Verständnis entwickeln können? Die Antwort lautet: Dialog. "Wenn die Struktur keinen Dialog zulässt, muss die Struktur geändert werden." – Paulo Freire Welche Art von Struktur ermöglicht dialogisches Lernen? Boostrom argumentiert, dass für eine Lernerfahrung Mut erforderlich ist, da Lernen nicht nur Risiken, sondern auch Schmerzen mit sich bringt, da wir alte Ansichten loslassen müssen, um neue Perspektiven anzunehmen. In diesem Prozess sind wir oft exponiert und verletzlich.15 Als Ergänzung zu sicheren Räumen wurde das Konzept des mutigen Raums (Brave Space) eingeführt. Die Schaffung mutiger Räume ermöglicht es Einzelpersonen, sich auf herausfordernde Gespräche einzulassen, unterschiedliche Standpunkte zu konfrontieren und durch Unbehagen zu wachsen. Diese Struktur fördert einen echten Dialog und überbrückt Gräben in einer polarisierten Gesellschaft.16 Arao und Clemens formulierten fünf grundlegende Aufforderungen an Gemeinschaften, die die Schaffung mutiger Räume unterstützen: 1. Kontroverse mit Höflichkeit Wir erwarten und respektieren die Vielfalt der Meinungen. Die Gruppe verpflichtet sich, die Ursachen für Meinungsverschiedenheiten zu erforschen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.17 15 Boostrom, Robert. "Safe Spaces: Reflections on an Educational Metaphor." Journal of Curriculum Studies 30, Nr. 4 (1998): 397–408. 16 Ford, Natalie Jean, Gomes, Larissa Marie and Brown, Stephen. "Brave Spaces in Nursing Ethics Education: Courage through Pedagogy." Nursing Ethics 31, no. 1 (February 2024): 101–113. 17 Astin, Helen S., Astin, Alexander W. "A Social Change Model of Leadership Development: Guidebook: Version III." Los Angeles: Higher Education Research Institute, University of California, Los Angeles, 1996. 17 Safe and Brave Spaces based upon Zones of Comfort Comfort Zone Safe, stable, secure, easy, regulating Growth Zone Safe space Risky, unpredictable, challenging, uneasy Brave space Panic Zone Unsafe, overwhelming, strained, dysregulating Toxic space 2. Verantwortung für Absichten und Auswirkungen über-nehmen Wir ermutigen dazu, Situationen, in denen Gespräche die Gefühle einer Person negativ beeinflusst haben, anzuerkennen und Raum für Diskussionen zu schaffen. Die Wirkung entspricht nicht immer unserer Absicht, und positive Absichten heben negative Auswirkungen nicht auf. Wir respektieren die Erfahrungen und Gefühle der einzelnen Personen in der Gruppe, indem wir Verantwortung für die Folgen unserer Worte übernehmen. 3. Herausforderung durch Wahlfreiheit Die Teilnehmer:innen können frei entscheiden, inwieweit sie sich auf herausfordernde Gespräche einlassen möchten und wie weit sie bereit sind, ihre Komfortzone zu verlassen. Sowohl die Gruppe als auch wir müssen diese Entscheidung respektieren. 18 4. Respekt für alle Beteiligten Wir laden die Gruppe ein, zu teilen, was Respekt für jeden Einzelnen bedeutet. Dies kann das Bewusstsein für die Vielfalt der Wahrnehmungen darüber schärfen, welches Verhalten respektvoll ist und welches nicht. 5. Keine persönlichen Angriffe Wir empfehlen eine Vereinbarung, dass niemand in der Gruppe einem anderen Mitglied absichtlich Schaden zufügen wird. Die Gruppe wird eingeladen, den Unterschied zwischen einem persönlichen Angriff und der Infragestellung einer Überzeugung, die einem Mitglied unangenehm ist, zu erörtern. Für eine authentische und wirkungsvolle Erfahrung ist ein gewisses Maß an Verletzlichkeit und Unbehagen notwendig. Daher ist es wichtig, sowohl sichere Räume als auch mutige Räume zu schaffen, damit sie sich gegenseitig ergänzen und herausfordern können. Im nächsten Kapitel werden wir uns mit einigen weiteren Konzepten zum Thema Dialog befassen. rsy ve ntro Owning Intent Co and Impact with Civility l na so s P ta er ck No At by Resp e C ha volv or ho ed lle e ic ng All In ect f C 19 Dialogische Konzepte Einführung von Matej Cepin, Socialna akademija Der Begriff „Dialog“ wird zunehmend in verschiedenen Kontexten verwendet. Wir hören von interkulturellem Dialog, sozialem Dialog (zwischen Arbeitgeber: innen, Arbeitnehmer:innen und dem Staat), interreligiösem Dialog und sogar von strukturiertem Dialog innerhalb der EU. Diese zunehmende Verwendung vermittelt manchmal den Eindruck, dass wir, je mehr wir über Dialog sprechen, diesen umso weniger auch tatsächlich führen. Was macht einen Dialog wirklich sinnvoll? Man könnte sagen, dass ein qualitativ hochwertiger Dialog stattfindet, wenn sich die Teilnehmer:innen verstanden fühlen, das ausdrücken können, was ihnen am wichtigsten ist, und Konflikte beherrschbar bleiben. Die Qualität des Dialogs hängt nicht nur von den Kommunikationsstilen ab, sondern auch vom weiteren Kontext, wie beispielsweise Vertrauen und Offenheit des Umfelds. 20 Dialog kann auf zwei Arten verstanden werden: • Dialog als Kommunikation – ein wechselseitiger Austausch von Ideen, Meinungen und Perspektiven, bei dem alle Teilnehmer:innen aktiv zuhören und zur Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses beitragen. • Dialog als Methode des sozialen Engagements – eine umfassendere Art, Beziehungen zwischen Einzelpersonen und Gemeinschaften aufzubauen und zu pflegen. Als Kommunikation betrachtet, kann Dialog von oberflächlichen Gesprächen bis hin zu tieferen Austauschprozessen reichen, bei denen Gefühle, Verletzlichkeiten und persönliche Geschichten eine Rolle spielen. Je mehr Ebenen wir einbeziehen, desto reichhaltiger wird der Dialog. In Kontexten mit vielfältigen Gemeinschaften reicht Dialog als reine Kommunikation jedoch nicht aus. Er muss auch als Methode verstanden werden, um soziale Beziehungen zu steuern, zugrunde liegende Vorurteile anzusprechen und Räume zu schaffen, in denen echte Begegnungen stattfinden können. In diesem Kapitel haben wir einige Konzepte zum Thema Dialog untersucht. Wir hoffen, dass sie dir bei deiner Arbeit mit jungen Menschen nützlich sein werden. 21 Gewaltfreie Kommunikation Alice Straniero und Diana Todorova, Documenta Gewaltfreie Kommunikation (GFK) ist eine Philosophie und ein Kommunikationsprozess, der in den 1960er Jahren von Marshall Rosenberg entwickelt wurde. Mit dem Begriff „gewaltfrei“ wollte der Autor die Bedeutung einer Kommunikation mit anderen Menschen zum Ausdruck bringen, die von Respekt, Empathie, Verständnis, Mitgefühl und Fürsorge geprägt ist. Nach Rosenbergs Theorie besteht gewaltfreie Kommunikation aus zwei Teilen: • sich ehrlich auszudrücken und • ehrlich zuzuhören. In beiden Teilen gibt es vier Elemente gewaltfreier Kommunikation, die angewendet werden können: • Beobachtung. Nimm die Situation wahr, ohne sie zu beurteilen. Bevor wir in einer bestimmten Situation reagieren, ist es wichtig, einen Moment innezuhalten und darüber nachzudenken, was wir beobachten und welche Auswirkungen diese Beobachtung auf unsere Gefühle hat. • Gefühle. Versuche, deine Gefühle in der Situation zu identifizieren. Rosenberg rät, auf den Unterschied zwischen den Kategorien „reine Gefühle“ und „Interpretationen und Urteile“ zu achten – also unsere Interpretationen unserer eigenen Gefühle und der Gefühle anderer. • Bedürfnisse. Wenn wir das Gefühl identifiziert haben, das wir in der Situation empfinden, können wir das Bedürfnis identifizieren, das zu diesem bestimmten Gefühl geführt hat. • Bitten. Letztendlich kann das Gefühl zu einer Bitte führen, wie die andere Person unsere persönlichen Bedürfnisse erfüllen kann. 22 HOW T O USE NVC PROCESS Observations Feelings What I observe (see, remember, How I feel (emotion or imagine, free from my sensation rather than thought) assumptions) that does or does in relation to what I observe: not contribute to my well-being: “I feel …” “When I (see etc.) …” Requests Needs The concrete action I would What I need or value (rather like to be taken: than a preference) that causes “Would you be willing to …” my feelings: “… because I need/value …” Diese vier Elemente können uns im Dialog helfen, sowohl als Sprecher:in – indem wir unsere Gefühle und Bedürfnisse besser kommunizieren – als auch als Zuhörer:in – indem wir die Bedürfnisse der anderen Person besser erkennen. Weiterführende Literatur • Rosenberg, M. B. (2015). Nonviolent communication: A language of life. PuddleDancer Press. • Bildquelle: The Non-Violent Communication Approach – Live Forward Institute. 23 Der Rucksack Alice Straniero und Diana Todorova, Documenta Ob bewusst oder unbewusst, wir tragen alle unsichtbare „Rucksäcke“ mit uns herum. Diese Rucksäcke lassen sich als eine Reihe von Verhaltensweisen, Gewohnheiten, Praktiken, Werten und Traditionen beschreiben, die sich im Laufe unseres Lebens auf der Grundlage individueller Erfahrungen, persön-licher und familiärer Geschichte, sozialer Normen, Kultur und Traditionen herausbilden. Rucksäcke geben uns Werte und Ideologien an die Hand, mit denen wir die Realität interpretieren und unsere Identität aufbauen können. Sie können also einen positiven Einfluss auf uns haben, indem sie uns helfen, uns in der s s on Value on Values Welt zurechtzufinden. s iti iti ad ad ivid ivid ual Experiences ual Experiences Rucksäcke können Tr Tr Ind Ind HABITS jedoch auch Vorurteile, HABITS Voreingenommenheit und Fehlvorstellungen story story Family hi Family hi hervorrufen, da wir in-stinktiv davon ausgehen, dass unsere Rucksäcke viours Prac Prac ha viours tice (und damit auch unsere ha tice s s Be Interpretation der Be ial norms Realität) immer wahr, ial norms E Soc UR E Soc gültig und natürlich sind. CULT UR CULT Dieser Instinkt kann dazu führen, dass wir die Perspektiven, Werte und 24 Erfahrungen anderer ablehnen oder negativ beurteilen, wenn sie sich von unseren unterscheiden. Wenn wir mit anderen in einen Dialog treten, sollten wir uns unseres eigenen Rucksacks und der unbewussten Vorurteile, die er hervorrufen kann, bewusst sein. Das Bewusstwerden unseres Rucksacks hilft uns, uns selbst besser zu ver- stehen, aber auch die Gewohnheiten, Praktiken und Verhal- tensweisen anderer, die uns zunächst fremd erscheinen mögen. Um unseren „Rucksack zu überprüfen“, können wir uns in einer Situation, in der es im Dialog zu Meinungsverschiedenheiten oder Konflikten kommt, fragen: „Welche Erfahrungen (Bildung, Kultur, Familie ...) haben mich und meine Überzeugungen geprägt?“; „Welche anderen Erfahrungen hat die andere Person möglicherweise gemacht?“. Durch diese Fragen minimieren wir nicht unsere Überzeugungen und Werte, sondern verstehen besser, woher wir kommen und welchen Hintergrund und welche Motivationen andere haben. Weiterführende Literatur • Fabietti, U. (2015). In Elementi di Antropologia Culturale. Mondadori Università. 25 Komfortzone, Lernzone und Panikzone Marija Šeme-Bonizzi, IniciativAngola Die Begriffe „Komfortzone“, „Panikzone“ und „Lernzone“ werden häufig im Bildungs- und Psychologiebereich verwendet, um verschiedene Phasen des Lernens und der persönlichen Entwicklung zu beschreiben. Die Notwendigkeit und Offenheit für einen Dialog hängt jedoch davon ab, in welcher Phase sich eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt befindet. 1. Komfortzone Die Komfortzone bezeichnet einen Zustand der Vertrautheit und Leichtigkeit, in dem Menschen Aufgaben oder Tätigkeiten ausführen, die sie bereits gut beherrschen. In dieser Zone gibt es nur minimalen Stress oder Herausforderungen, und die Menschen fühlen sich in der Regel wohl und sicher. Jeder Mensch hat seine eigene Komfortzone. Diese Zone besteht meist aus täglichen Gewohnheiten, und alles ist vorhersehbar. Personen, die sich zu lange in dieser Zone aufhalten, können Apathie, Langeweile und Monotonie empfinden. Allerdings ist eine Komfortzone nicht nur negativ: Sie stellt den persönlichen Bereich der eigenen Ressourcen, Resilienz, Regeneration und Kompetenzerfahrung dar. Da es in der Komfortzone keine Spannungen oder andere Störfaktoren gibt, die einen Dialog erforderlich machen würden, findet in dieser Zone auch kein Dialog statt. 2. Panikzone Die Panikzone stellt einen Zustand extremer Unbehaglichkeit und Angst dar. Sie tritt auf, wenn Menschen über ihre aktuellen Fähigkeiten hinaus gefordert werden oder mit Situationen konfrontiert sind, die für sie völlig neu sind. In dieser Zone kann der Stresspegel hoch sein, und die Angst vor Versagen oder Fehlern ist weit verbreitet. In der Panikzone überschreitet der Einzelne seine 26 Grenzen, und es gibt keinen Raum für einen dialogischen Prozess. 3. Lernzone Die Lernzone ist der ideale Zustand für Wachstum und Entwicklung. Sie liegt zwischen der Komfort- und der Panikzone und umfasst Aktivitäten oder Herausforderungen, die knapp über dem aktuellen Leistungsniveau einer Person liegen. In dieser Zone herrscht ein moderater Stresslevel, der jedoch bewältigt werden kann. Hier finden bedeutende Lernprozesse und persön-liches Wachstum statt, da Personen dazu angeregt werden, neue Fähigkeiten zu erwerben und ihre Kompetenzen zu erweitern. Das Konzept betont, dass der:die Einzelne, um Lernen und Wachstum zu maximieren, danach streben sollte, mehr Zeit in der Lernzone zu verbringen, 27 wo die Herausforderungen seinem aktuellen Kompetenzniveau angemessen sind. Mit der Zeit kann dies zur Erweiterung der Komfortzone und zur Fähigkeit führen, immer komplexere Aufgaben zu bewältigen. Die Lernumgebung ermöglicht es dem Einzelnen, in den Dialog einzutreten, sich für die Meinungen und Standpunkte anderer zu öffnen und so die Komplexität des dialogischen Prozesses zu bewältigen. Befindet sich eine Person jedoch zu lange in der Panikzone, d. h. wenn die Erfahrungen über einen sehr langen Zeitraum zu komplex und außergewöhn-lich sind, kann sie von weiteren Versuchen, in einen Dialog zu treten, abgehalten werden. Daher ist ein angemessenes Gleichgewicht notwendig, damit die Person in einen Dialog treten kann. Weiterführende Literatur • Bardwick, J.M. Danger in the comfort zone. New York: AMACOM, American Management Association (1991). • Schnack, Q., Fladerer, M.P. & Schnitzler, K. Ein Plädoyer für die Komfortzone. Organisationsberat Superv Coach 30, 435–447 (2023). 28 Starke Fragen Matej Cepin, Socialna akademija Fragen sind für den Dialog von entscheidender Bedeutung. Sie schaffen Raum für Ausdruck. Sie regen zum Lernen an. Durch Fragen können wir zeigen, dass wir an der Geschichte einer anderen Person interessiert sind. Sie ermöglichen es uns auch, die Gründe zu ergründen, warum jemand so denkt, wie er denkt. Allerdings sind nicht alle Fragen von gleicher Qualität. Einige schaffen mehr Raum für Ausdruck als andere. Manche enthalten versteckte Annahmen, denen die andere Person nicht einmal zustimmt und die nicht ehrlich und frei beantwortet werden können. Es gibt sogar einen Begriff dafür: „Fangfragen“ – Fragen, die versuchen, zu beweisen, dass eine andere Person Unrecht hat oder sogar dumm ist. Man sagt, dass jede Frage eine gewisse Kraft hat. Starke Fragen regen andere Menschen besser an als schwache. Sie bringen sie dazu, nachzudenken und tiefgründiger zu antworten. Im Dialog versuchen wir, starke Fragen zu stellen. Und was sind ihre Hauptmerkmale? • Offenheit: Offene Fragen regen zu expansivem Denken und tieferen Antworten an, da sie nicht mit einem einfachen „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können. • Relevanz: Die Frage muss einen Bezug zu der Person oder der Situation haben, in der sie sich befindet. Wenn die andere Person ihre Erfahrungen nicht mit der Frage in Verbindung bringen kann, hilft auch die Tiefe der Frage nicht weiter. • Klarheit: Eine wirkungsvolle Frage sollte klar und leicht verständlich sein. Mehrdeutigkeiten können ihre Wirkung beeinträchtigen. • Herausforderung: Fragen, die den Status quo oder bestehende Überzeugungen in Frage stellen, können Menschen dazu bringen, kritisch zu denken und ihre Sichtweisen zu überdenken. • Zum Nachdenken anregen: Wirkungsvolle Fragen regen oft zur 29 Selbstreflexion an und ermöglichen es dem Einzelnen, sich mit seinen Gefühlen, Überzeugungen und Motivationen auseinanderzusetzen. • Neugier wecken: Fragen, die Neugier wecken, können Menschen dazu anregen, zu forschen, zu lernen und nach Antworten zu suchen. • Nicht wertend sein: Die Frage sollte frei von Vorurteilen oder suggestiven Andeutungen sein, damit sich die andere Person sicher fühlt und offen ist, ehrlich zu antworten. • Zum Handeln anregen: Wirkungsvolle Fragen motivieren oft zu Veränderungen oder inspirieren Menschen zu konkreten Handlungen. • Kreativität anregen: Fragen, die Raum für fantasievolles Denken lassen, können zu innovativen Lösungen oder Ideen führen. • Tiefe: Eine wirkungsvolle Frage geht oft über die Oberfläche hinaus und versucht, die zugrunde liegenden Probleme oder tieferen Bedeutungen zu ergründen. • Timing: Die richtige Frage zur richtigen Zeit kann eine tiefgreifende Wirkung haben. Selbst die tiefgründigste Frage kann ihre Wirkung ver-lieren, wenn sie zum falschen Zeitpunkt gestellt wird. • Persönliche Verbindung: Fragen, die auf einer persönlichen Ebene Anklang finden, können eine stärkere Wirkung haben, da sie individuelle Erfahrungen, Werte oder Bestrebungen berühren. Weiterführende Literatur • Kee, K., Anderson, K., Dearing, V., Harris, E., Shuster, F. (2010). Results Coaching: The New Essential For School Leaders. Corwin: Thousand Oaks, CA. • Examples: Toolkit Powerful Questions (PDF; QR 1). • More examples: Conversational Leadership Website (QR 2). 1 2 30 Aktives und tiefes Zuhören Zsuzsanna Farkas, KatHaz Für viele Menschen ist Zuhören gleichbedeutend mit Schweigen. Es ist jedoch viel mehr als das. Es ist eine Kommunikationstechnik an sich, die viele Zwecke erfüllen kann. Neben dem Erlangen von Informationen gehören dazu das Verstehen des Gesprächspartners oder einer bestimmten Situation, das Lernen, das Lösen von Problemen und die Weiterentwicklung. Insgesamt bestimmt das Zuhören, wie effektiv ein Gespräch sein kann und damit auch die Qualität der Beziehungen, die wir zu anderen Menschen aufbauen können. Zuhören kann mit vielen Adjektiven verbunden werden, aber zwei sind besonders gebräuchlich: aktives Zuhören und tiefes Zuhören. Aktives Zuhören findet statt, wenn der:die Zuhörende sich voll und ganz auf das konzentriert, was der:die Sprecher:in sagt. Es handelt sich um eine wechselseitige Kommunikation, bei der der:die Zuhörende aktiv auf die:den Sprechende:n reagiert. Tiefes Zuhören unterscheidet sich davon jedoch deutlich. Tiefes Zuhören ist eine Art des Zuhörens, bei der der:die Zuhörende voll und ganz präsent ist und sich dem:die Sprecher:in hingibt. Beim tiefen Zuhören versuchen wir nicht, das Gespräch zu kontrollieren oder zu beurteilen. Von tiefem Zuhören kann man sprechen, wenn man entschlossen ist, den Standpunkt des:der Sprecher:in wirklich zu verstehen – auch wenn man „zwischen den Zeilen liest“. Tiefes Zuhören ist eine Technik, bei der wir bewusst versuchen, die Botschaft unseres Gesprächspartners zu verstehen. Das klingt einfach, ist aber oft komplizierter, als wir zunächst denken. Es erfordert ernsthafte Aufmerksamkeit und Interesse. Das richtige Maß an Empathie und schnelle Reaktionszeiten sind wichtige Vorteile, wenn du ein wirklich guter Zuhörer werden möchtest. Das bedeutet, dass du beim Zuhören genau auf verbale und nonverbale Signale achten musst. Dazu musst du dein Urteil zurückhaltenund bereit sein, neue Informationen vom Sprecher anzunehmen. Um dem anderen aufmerksam zuzuhören, darfst du dich durch nichts aus der Kommunikation ablenken lassen und nicht anfangen, Gegenargumente oder 31 mögliche Antworten in deinem Kopf zu formulieren, bevor der andere aus-gesprochen hat. Außerdem musst du darauf achten, dass du das Interesse an dem, was der andere sagt, nicht verlierst. Beim tiefen Zuhören reagiert der:die Zuhörende nicht immer auf die Ideen des Sprechers:der Sprecherin, sondern hört einfach zu. In diesem Fall versucht der:die Zuhörerende nicht, den:die Sprecher:in durch Fragen und Kommentare zu den vorgestellten Ideen zu unterbrechen. Das bedeutet jedoch nicht, dass der:die Zuhörende dem:der Sprecher:in nicht aufmerksam zuhört. Im Gegenteil, obwohl er zuhört, wird kein Versuch unternommen, zu reagieren. Um deine Fähigkeit zuzuhören zu verbessern, musst du deinem:deiner Gesprächspartner:in ständig signalisieren, dass du ihm:ihr zuhörst. Sicherlich ist es dir auch schon passiert, dass du nicht wusstest, was du sagen sollst, weil du keine Anzeichen dafür gesehen hast, dass dein:e Gesprächspartner:in dir aufmerksam zuhört. Um dies zu vermeiden, nicke von Zeit zu Zeit mit dem Kopf oder verwende einfache „Aha“-Laute, um deinem Gegenüber zu signalisieren, dass du aufmerksam bist. Das bedeutet nicht unbedingt, dass du ihm zustimmst, sondern nur, dass du ihm deine Aufmerksamkeit schenkst. Darüber hinaus kannst du das Gesagte mit eigenen Worten zusammenfassen, wenn dein Gegenüber eine Pause macht oder fertig ist, um ihm so zu vermitteln, dass du aufmerksam bist und ihn verstehst. Weiterführende Literatur • Tréneri Kézikönyv: Érzékenyítő tréningek elmélete és gyakorlata (PDF, QR 1). • Így tesz jobb vezetővé az aktív hallgatás képessége (QR 2). • Kommunikációs technika: Az aktív hallgatás (QR 3). 1 2 3 32 Die Suche nach einer alternativen Regel, die Mut im Umgang mit Konflikten fördert und den Dialogprozess fortsetzt, anstatt ihn zu beenden, führte zu einem der sieben kritischen Werte des 1994 etablierten Modells der Führungskräfteentwicklung für sozialen Wandel: die höfliche Auseinandersetzung. Die höfliche Auseinandersetzung erkennt zwei grundlegende Realitäten jeder Gruppenarbeit an: dass unterschiedliche Standpunkte unvermeidlich sind und dass solche Unterschiede offen, aber höflich ausgetragen werden müssen. Das Wort „höflich“ lässt Raum für starke Emotionen und harte Auseinandersetzungen. Dennoch impliziert es Respekt gegenüber anderen, die Bereitschaft, sich gegen-seitig anzuhören, und Zurückhaltung bei der Kritik an den Meinungen und Handlungen anderer. Wir sollten uns daran erinnern, dass es zwar etwas Mut erfordert, den Aspekt „höfliche Auseinandersetzung“ in die Gruppenarbeit einzubringen, dass aber einige der reichhaltigsten Lernerfahrungen aus der kontinuierlichen Auseinandersetzung mit Konflikten entstehen, in der die Teilnehmer:innen versuchen, gegensätzliche Standpunkte zu verstehen. Weiterführende Literatur • Arao, B., Clemens, K. (2013). From Safe Spaces to Brave Spaces: A New Way to Frame Dialogue Around Diversity and Social Justice. In L.M. Landreman, The Art of Effective Facilitation: Reflections from Social Justice Educators (pp. 135–150). Sterling, Virginia: Styles Publishing, LLC. • Astin, H. S., Astin, A. W. (1996). A Social Change Model of Leader- ship Development guidebook, version 3. Los Angeles, CA: Higher Education Research Institute. 34 Emotionale Selbstregulierung Alice Straniero and Diana Todorova, Documenta Mit dem Begriff „emotionale Selbstregulierung“ meinen wir nicht, dass wir keine starken und plötzlichen Emotionen empfinden dürfen, sondern dass wir in der Lage sind, diese zu erkennen und so zu verarbeiten, dass wir weiterhin am Dialog teilnehmen können. Wenn wir erkennen, dass uns etwas in der Unterhaltung getriggert hat, sollten wir uns an einen mentalen sicheren Ort (Safe Space) begeben. In der psychischen Gesundheit ist ein sicherer Ort ein innerer Ort, den man sich vorstellen kann, um Stress abzubauen, sich zu entspannen und neue Energie zu tanken. Der Rückzug an einen mentalen sicheren Ort hilft uns, einen Moment zwischen „Trigger“ und „Reaktion“ zu gewinnen und nicht sofort zu reagieren, was zu weiteren Konflikten führen und den Dialogprozess unterbrechen könnte. I Notice, I Feel, I Can A Three-Step Strategy for Managing Big Feelings I NOTICE I FEEL I CAN Notice what you feel Name the emotion you Choose a strategy for in your body, like are feeling, and what managing your butterfiles in your happened to make you feelings, like belly stomach. feel that way. breathing or going for a walk. This can be the first clue to your emotions. 35 Wenn wir uns ruhiger fühlen, sollten wir unsere Emotionen verstehen und ihnen einen Namen geben (sind wir wütend, traurig, enttäuscht, beleidigt …?). Akzeptieren wir unsere Emotionen und Gefühle, sie sind berechtigt! Wenn wir uns bereit fühlen, sollten wir das verstörende Gespräch ruhig ansprechen und unsere Gefühle und Bedürfnisse gegenüber anderen zum Ausdruck bringen. Seien wir uns unserer Grenzen bewusst: Wenn wir uns immer noch unwohl fühlen, können wir den Dialog unterbrechen. Weiterführende Literatur • Philippot, P., & Feldman, R. S. (2004). The regulation of emotion. L. Erlbaum. 36 Das emotionale Bankkonto Marija Šeme-Bonizzi, IniciativAngola Das Konzept eines „emotionalen Bankkontos“ ist eine metaphorische Beschreibung für das Maß an Vertrauen und emotionaler Verbundenheit in einer Beziehung. Es wurde von Stephen R. Covey in seinem Buch „Die 7 Wege zur Effektivität“ populär gemacht. Der Kontostand steht für das Maß an Vertrauen in der Beziehung. Wir tätigen Einzahlungen auf das Konto durch unsere Worte und Taten, die Vertrauen aufbauen und unsere Beziehung stärken. Wir nehmen Abhebungen vom Konto vor durch unsere Worte und Taten, die das Vertrauen untergraben. Es ist ein einfaches Konzept mit weit-reichenden Auswirkungen auf unsere Zusammenarbeit. Emotional Bank Account Deposits Withdrawals Time together, Nagging or blaming doing fun things Comparing to others’ Physical touch accomplishments or When their parents success believe in their Broken promises capabilities Privileges and freedom Feeling criticised Acts of kindness 37 1. Einzahlungen und Abhebungen: Genauso wie du Geld auf ein Bankkonto einzahlst, um Ersparnisse aufzubauen, und es bei Bedarf abhebst, tätigst du emotionale Einzahlungen und Abhebungen in deinen Beziehungen. Positive Handlungen und Verhaltensweisen wie Freundlichkeit, Empathie, Verständnis und das Einhalten von Verpflichtungen gelten als Einzahlungen. Negative Handlungen wie das Brechen von Versprechen, Lügen, Respektlosigkeit oder das Nicht-Einhalten von Verpflichtungen sind Abhebungen 2. Vertrauen und Gleichgewicht: Vertrauen ist der Grundstein jeder Beziehung. Wenn du durch Respekt, Ehrlichkeit und Unterstützung konsequent Einzahlungen tätigst, baust du Vertrauen auf und schaffst ein positives Gleichgewicht auf dem emotionalen Bankkonto. Dieses Gleichgewicht aus Vertrauen und positiven Gefühlen ermöglicht es der Beziehung, gelegentliche Konflikte oder Abhebungen zu über-stehen, ohne Schaden zu nehmen. 3. Auswirkungen von Abhebungen: Wenn du regelmäßig Abhebungen vom emotionalen Bankkonto vornimmst, ohne es durch Einzahlungen wieder aufzufüllen, können das Vertrauen und die emotionale Bindung in der Beziehung erodieren. Genauso wie ein Bankkonto mit einem negativen Saldo Strafgebühren verursacht, kann eine Beziehung mit einem negativen emotionalen Saldo zu Konflikten, Ressentiments und letztendlich zum Zusammenbruch der Beziehung führen. 4. Vertrauen wiederaufbauen: Wenn du in einer Beziehung Abhebungen vorgenommen oder das emotionale Bankkonto beschädigt hast, ist es möglich, das Vertrauen wiederaufzubauen, indem du im Laufe der Zeit konsequent Einzahlungen vornimmst. Dieser Prozess kann jedoch Geduld, Anstrengung und echtes Engagement für positive Veränderungen erfordern. 5. Effektive Kommunikation: Effektive Kommunikation ist der Schlüssel zum Umgang mit dem emotionalen Bankkonto. Dazu gehören aktives Zuhören, das ehrliche Ausdrücken von Gefühlen und Bedürfnissen sowie das konstruktive Ansprechen von Bedenken. Eine offene und 38 respektvolle Kommunikation trägt dazu bei, ein gesundes emotionales Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. 6. Unterschiedliche Konten für unterschiedliche Beziehungen: Es ist wichtig zu beachten, dass du möglicherweise separate emotionale Bankkonten für unterschiedliche Beziehungen hast, z. B. für Mutter, Vater, Bruder, Schwester, Freunde, Kollegen und romantische Partner. Jedes Konto spiegelt die einzigartige Dynamik und Geschichte dieser Beziehung wider. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Konzept des emotionalen Bankkontos eine nützliche Metapher ist, um die Dynamik von Vertrauen und emotionaler Verbundenheit in Beziehungen zu verstehen. Indem du durch positive Handlungen und Verhaltensweisen konsequent emotionale Einzahlungen tätigst und Abhebungen minimierst, kannst du gesunde, blühende Beziehungen aufbauen und aufrechterhalten. Weiterführende Literatur • Covey, Stephen R. (2013). 7 Habits Of Highly Effective People. New York: Simon & Schuster. 39 The 3rd Alternative Matej Cepin, Socialna akademija Wenn es um Konflikte geht, sind wir daran gewöhnt, zwei sich widersprechende Alternativen in Betracht zu ziehen. Es scheint, dass wir, wenn wir eine Alternative bevorzugen, die andere weniger bevorzugen – und umgekehrt. Beispiele für solche Dilemmata sind: Umweltschutz vs. wirtschaftliche Entwicklung, Religion vs. Wissenschaft, politische Linke vs. politische Rechte und ein gutes Gehalt vs. ein Job, der mich glücklich macht. Unsere Ansichten sind das Ergebnis unserer mentalen Modelle oder „Paradigmen“. Paradigmen sind wie Landkarten: Keine Landkarte kann perfekt sein. Jede ist mit gewissen Vereinfachungen erstellt. In einem Konflikt denken wir an zwei Alternativen: „Wir können entweder deiner Landkarte oder meiner Landkarte folgen. In beiden Fällen wird mindestens einer von uns verlieren. Die beste Option wäre jedoch ein Kompromiss, bei dem wir beide die Hälfte verlieren würden. Wir ignorieren jedoch, dass wir auch die Karten des anderen vervollständigen können. Auf diese Weise schaffen wir etwas Neues, eine Lösung, die es vorher noch nicht gab. Diese Lösung nennen wir die dritte Alternative. Um die dritte Alternative zu entwickeln, schlägt Covey die folgenden vier Schritte vor: 1. Frage: „Bist du bereit, eine Lösung anzustreben, die besser ist als die, die jeder von uns im Sinn hat?“ 2. Definiere, wie dieses „besser“ aussehen würde. 3. Entwickle mögliche Lösungen. 4. Erziele die dritte Alternative. In der Regel sind wir nicht in der Lage, diese Schritte sofort umzusetzen. Sie erfordern eine schrittweise Veränderung der Weltanschauung, die Jahre dau-ern kann. Um dies zu erreichen, schlägt Covey folgende Paradigmenwechsel vor: 40 1. Ich sehe mich selbst. Ich sehe mich nicht nur als Mitglied einer bestimmten sozialen Gruppe, sondern als einzigartiges Individuum. 2. Ich sehe dich. Ich sehe dich auch nicht nur als Mitglied einer bestimmten sozialen Gruppe 3. sondern als einzigartiges Individuum. Du hast mir etwas zu sagen, ich weiß nicht alles über dich! 4. Ich suche dich auf. Ich bin bereit, dir zuzuhören und nach Gründen zu suchen, warum du so denkst, wie du denkst. 5. Ich arbeite mit dir zusammen. Ich glaube, dass wir gemeinsam etwas schaffen können, das es noch nicht gibt. Die Suche nach der dritten Alternative ist daher weniger eine Frage des Ver- stehens der Theorie als vielmehr eine Frage der Veränderung der persönlichen Perspektive auf den anderen und auf den Dialog. Weiterführende Literatur • Stephen R. Covey: The 3rd Alternative: Solving Life's Most Difficult Problems. 41 Dialogische Methoden Einführung von Matej Cepin, Socialna akademija Einführung Nachdem in den beiden vorangegangenen Kapiteln zehn Konzepte im Zusammenhang mit Dialog vorgestellt wurden, verlagert sich der Schwerpunkt dieses Kapitels auf die Praxis. Wir stellen 13 Methoden vor, die unser Projektteam auf der Grundlage eigener Erfahrungen als besonders wirksam identifiziert hat, um junge Menschen bei der Stärkung ihrer dialogischen Kompetenzen zu unterstützen. Die ersten beiden Methoden stehen in direktem Zusammenhang mit zwei wichtigen Ergebnissen dieses Projekts: den Dialogleitlinien-Karten und der Online-Anwendung hardtopics.eu. Die übrigen elf Methoden stammen aus verschiedenen Quellen und wurden so angepasst, dass sie direkt für die Entwicklung dialogischer Kompetenzen eingesetzt werden können. 42 Dialog-Leitlinien-Karten Andreja Snoj Keršmanc, Socialna akademija Lernziele Erkennen der Schlüsselelemente eines guten Dialogs. Reflexion über die eigene Teilnahme am Dialog. Zeit 15 bis 45 Minuten (je nach Anwendungsmethode). Beschreibung Die Dialog-Leitlinien-Karten sind ein Instrument, das jungen Menschen hilft, darüber nachzudenken, wie sie einen guten Dialog führen können und was zu einer guten Kommunikation beiträgt. Der Inhalt der Karten basiert auf dialogischen Konzepten, die in Kapitel 3 dieses Handbuchs näher erläutert werden. Die Karten sind am effektivsten, wenn sie in Kombination mit anderen Methoden eingesetzt werden, die den Dialog fördern und junge Menschen dazu anregen, sich aktiv als Akteure an der Unterhaltung zu beteiligen. Wir empfehlen dringend, sie in Verbindung mit der HardTopics-App zu verwenden, die als nächste Methode vorgestellt wird. Vor Beginn der Aktivität kann der:die Jugendarbeiter:in die Karten und ihren Zweck kurz vorstellen, damit 43 die Teilnehmer:innen besser verstehen, wie sie verwendet werden. Die Karten können auf zwei Arten verwendet werden: vor oder nach dem Dialoggespräch. A) Verwendung der Karten vor einem Dialog Als Vorbereitungsinstrument führen die Karten die Teilnehmer:innen in die grundlegenden Elemente eines sinnvollen Dialogs ein. Dies trägt dazu bei, ein offenes, respektvolles und konstruktives Kommunikationsumfeld zu schaffen. Vorgeschlagener Ablauf der Aktivität: Einführung (5 Minuten) Frage die Teilnehmer:innen: „Was bedeutet für dich ein guter Dialog?“ Betone, dass diese Übung allen helfen wird, ein tieferes Verständnis dafür zu entwickeln, wie man einen sinnvollen Dialog führt. Wähle dann je nach Größe und Altersstruktur der Gruppe eine der folgenden Möglichkeiten aus: Gruppenarbeit mit Karten (15 Minuten) • Jede:r Teilnehmer:in zieht eine Karte mit einer Dialogleitlinie oder wählt eine aus. • Die Teilnehmer:innen haben 2 Minuten Zeit, die Karte zu lesen und über ihre Bedeutung nachzudenken. • Jede:r Teilnehmer:in erklärt kurz seine:ihre Karte und gibt ein konkretes Beispiel – entweder aus seiner:ihrer persönlichen Erfahrung oder aus einer fiktiven Situation. • Es empfiehlt sich, die Teilnehmer:innen in kleinere Gruppen aufzuteilen, in denen sie den Inhalt der Karten diskutieren und mit ihren eigenen Erfahrungen in Verbindung bringen können. Diskussion in Paaren (10 Minuten) • Die Teilnehmer:innen werden in Paare aufgeteilt. • Jede Person beschreibt eine Situation, die in einem schwierigen Gespräch aufgetreten ist, und wie die von ihr ausgewählte Leitlinie in Zukunft dazu beitragen könnte, das Gespräch zu einem anderen Ergebnis zu führen. 44 Gruppendiskussion (10–15 Minuten) Der:die Moderator:in kann einige der folgenden Fragen stellen, um die Diskussion anzuregen. • Wann hast du das letzte Mal ein Gespräch geführt, in dem du jemandem mit einer anderen Meinung wirklich zugehört hast? Wie hast du dich dabei gefühlt? • Hast du jemals das Gefühl gehabt, dass dir jemand nicht zuhört? Wie hat sich das auf den Verlauf des Gesprächs ausgewirkt? • Woran erkennst du, dass du dich in einem Dialog befindest und nicht nur in einer Debatte oder Überredungsversuch? • Was bedeutet es, in einem Gespräch „offen für Veränderungen“ zu sein? Bedeutet das, dass wir immer unsere Meinung ändern müssen? • Wie können wir in einem Gespräch Respekt zeigen, auch wenn wir mit der anderen Person nicht einer Meinung sind? • Wie würdest du den Unterschied zwischen Zuhören und wirklichem Verstehen beschreiben? • Warum ist es wichtig, aus eigener Erfahrung zu sprechen und nicht für andere zu sprechen? • Wie können wir unsere eigenen Vorurteile in einem Gespräch erkennen und überwinden? • Welcher dieser Grundsätze ist für dich im Alltag am nützlichsten? Warum? • Wie würdest du jemanden unterstützen, der Angst hat, seine Meinung in einer Gruppe zu äußern? Die Teilnehmer:innen diskutieren die Fragen und versuchen bewusst, die Leitlinien aus den Karten anzuwenden. Fazit (5 Minuten) In einem Kreis teilt jede:r Teilnehmer:in einen wichtigen Aspekt mit, auf den er:sie in zukünftigen Dialogen besonders achten wird. B) Verwendung der Karten nach einem Dialog In diesem Fall dienen die Karten als Reflexionsinstrument, mit dem die 45 Teilnehmer:innen analysieren, wie das Gespräch verlaufen ist, was effektiv war und was verbessert werden könnte. Vorgeschlagener Ablauf: Vorbereitung Lege die Dialogleitlinien-Karten auf einen Tisch oder auf den Boden, sodass die Teilnehmer:innen sie sehen und auswählen können. Erkläre, dass die Reflexion in zwei Runden stattfindet: zuerst durch individuelles Teilen, gefolgt von einer Gruppenreflexion. Kartenauswahl und Austausch (15–20 Minuten) Jeder Teilnehmer nimmt sich einen Moment Zeit, um nachzudenken und eine Karte auszuwählen, die ihn dazu anregt, über das vorherige Dialoggespräch oder Ereignis nachzudenken. Dann teilen sie nacheinander ihre Gedanken und Erfahrungen mit. Es ist wichtig, dass die anderen zuhören, ohne zu unterbrechen oder Kommentare hinzuzufügen. Was habe ich in der ersten Runde gehört? (5–10 Minuten) Nachdem alle die erste Reflexionsrunde abgeschlossen haben, fragt sich jeder Teilnehmer: Was ist mir aus diesem Austausch am meisten geblieben? Die Teilnehmer teilen abwechselnd wichtige Gedanken mit, die beim Zuhören entstanden sind. Es ist nicht notwendig, ihre vorherigen Antworten zu wiederholen, sondern über die erste Runde zu reflektieren. Fazit (5–10 Minuten) Gemeinsam fasst die Gruppe zusammen, was sie über den Dialog gelernt hat und wie sie weitere Gespräche verbessern könnte. Auf Wunsch können die Teilnehmer einen Gedanken aufschreiben, den sie mitnehmen möchten. Bei einer größeren Gruppe kann die Reflexion in Paare oder kleinere Gruppen aufgeteilt werden, anschließend können die wichtigsten Gedanken im großen Kreis ausgetauscht werden. Materialien Ein Set von Dialogleitlinien-Karten, Aufkleber, Papier, Stifte (siehe Tipp unten). 46 Tipps Bei jüngeren Teilnehmern kann es sinnvoll sein, zunächst anonym über Dialoge zu reflektieren. Bitte sie, mit Aufklebern abzustimmen (klebe den grünen Aufkleber auf die Karte, die deine positive Erfahrung im Dialog repräsentiert, und den roten Aufkleber auf die Karte, die deine negative Erfahrung repräsentiert). Die Teilnehmer teilen dann nur das mit, womit sie sich wohlfühlen. it. Weiterführende Literatur • Hard Topics Website. 47 Begegnungen von politischen Gegnern mit Hilfe der HardTopics-App Matej Cepin, Socialna akademija Finde die App hier: app.hardtopics.eu, oder scanne den QR-Code! Lernziele Die Teilnehmer:innen üben den Dialog mit Menschen mit unterschiedlichen Weltanschauungen. Zeit Etwa 1 Stunde. Beschreibung Die HardTopics-App ist ein Werkzeug für die Organisation von dialogischen Veranstaltungen (Treffen politischer Gegner) in der Jugendarbeit, im Bildungswesen und darüber hinaus. Die Veranstaltungen können live oder aus der Ferne abgehalten werden. Aus der Sicht der Jugendarbeiterin bzw. des Jugendarbeiters (Veranstaltungs-organisator:in) könnte man die Funktionsweise in vier Schritten beschreiben. Schritt 1: Einrichten der Veranstaltung • Der:die Jugendarbeiter:in erstellt einen benutzerdefinierten Fragebogen oder wählt aus vorgefertigten Optionen. • Der Fragebogen wird über einen QR-Code oder einen direkten Link verteilt. • Die Teilnehmer:innen füllen den Fragebogen auf ihren eigenen Geräten aus. Schritt 2: Bildung von Teilnehmer:innenpaaren • Der Algorithmus bildet die Paare aus Teilnehmer:innen mit den gegensätzlichsten Antworten. 48 • Auch Teilnehmer:innen mit moderaten Meinungen werden gepaart, um vielfältige und sinnvolle Diskussionen zu gewährleisten. Schritt 3: Erleichterung des Dialogs • Die Teilnehmer:innen führen Gespräche, die auf ihren Unterschieden basieren. • Sie gewinnen Einblicke in ihre eigenen Antworten und die ihres Partners und heben die wichtigsten Kontraste hervor. Schritt 4: Einholen von Feedback • Nach der Veranstaltung geben die Teilnehmer:innen über die App ein anonymes Feedback. • Die Organisatoren können die Erkenntnisse überprüfen, die Ergebnisse der Gruppe vorlegen oder sie für eine private Auswertung aufbewahren. 49 Materialien Hardtopics.eu-App, Webanwendung. Weiterführende Literatur • Hard Topics Website. iehe Blogeinträge auf der Website. 50 Identitätsspiel Alice Straniero und Diana Todorova, Documenta Lernziele • Sich des eigenen Rucksacks bewusst werden; • Den Grad des Vertrauens zwischen Menschen verstehen; • Ausprobieren von Methoden/Prozessen zur Emotionsregulierung. Zeit Etwa 1 Stunde. Beschreibung Der Hauptgedanke dieser Methode ist, dass die Teilnehmer:innen über das Thema Identität nachdenken und sich fragen: „Wie sehe ich mich selbst? Was ist für mich wichtig? Was macht meine Identität aus?“ Durch den Austausch von Zetteln mit den Attributen und die Aufgabe, wichtige Teile der Identität einer anderen Person „auszulöschen“, werden sich die Teilnehmer:innen des Hintergrunds, der Meinungen, Ideen und Perspektiven der anderen bewusster und werden überrascht sein zu sehen, was für sie und die anderen am wichtigsten zu „behalten“ ist. Die Methode wird genutzt, um zu diskutieren, wie wandelbar und unterschiedlich Identitäten sind, und damit die Teilnehmer:innen über die Bilder, die sie von sich selbst und den anderen haben, nachdenken können. Die Teilnehmer:innen sitzen in einem Kreis. Zunächst haben sie die Aufgabe, 6 Eigenschaften, die „ihre Identität ausmachen“, auf einen Zettel zu schreiben. Die 6 Attribute können mit ihrer Nationalität, ihrer Heimatstadt, aber auch mit ihren Interessen (Musiker:in, Tierliebhaber:in, Gamer:in ...), ihrer Rolle in der Gesellschaft oder in ihrem sozialen Umfeld (Lehrperson, Mutter ...) oder mit anderen Dingen, die die Teilnehmer:innen für ihre Identität als wichtig erachten, in Verbindung gebracht werden. 51 Sie haben etwa 15 Minuten Zeit, um die 6 Eigenschaften aufzuschreiben, die sie zu „ihnen“ machen. Nach etwa 15 Minuten tauschen die Teilnehmer:innen ihre Zettel mit der Person, die neben ihnen sitzt, aus. Nun muss jede:r Teilnehmer:in 2 der 6 Attribute ankreuzen, sie also „wegnehmen“. Dafür haben sie etwa 10 Minuten Zeit. Danach geht der Zettel an den:die Teilnehmer:in zurück, der:die ihn zuerst geschrieben hat (jede:r Teilnehmer:in erhält also einen Zettel mit seinen Attributen minus zwei zurück). Nun haben sie etwa 10 Minuten Zeit, um 2 weitere Attribute von ihrer eigenen Liste zu streichen. Danach haben alle Teilnehmer:innen noch 2 Attribute. Sie diskutieren in Gruppen über den Prozess und darüber, was ihnen „übrig geblieben“ ist. Materialien Zettel und Stift. Tipps Es ist wichtig, die Teilnehmer:innen darauf hinzuweisen, dass sie Attribute auflisten sollen, die sie gerne teilen möchten, da sie in der Gruppe diskutiert werden. Weiterführende Literatur • WSR Booklet (documenta.hr). 52 5 Karten oder 4 Wege, eine schwierige Botschaft zu hören Alice Straniero und Diana Todorova, Documenta Lernziele • Kommunikationsstile üben; • Bewusstsein für verschiedene Formen des Dialogs schärfen; • emotionale Selbstregulierung üben. Zeit 80 Minuten. Beschreibung Einführung (10 Minuten) Speed-Dating-Methode in Paaren, Diskussion der folgenden Fragen: • Wie gehst du normalerweise mit Gesprächen um, die dir schwerfallen? • Vermeidest du in der Regel schwierige Gespräche mit deinen Freunden und deiner Familie, um keinen Konflikt zu verursachen? • Wie setzt du deine Meinung durch, wenn andere nicht damit einverstanden sind? 5-Karten-Aktivität (2 bis 5 Runden; bis zu 50 Minuten) Für diese Aktivität brauchst du Gruppen mit jeweils 5 Teilnehmer:innen. Zu Beginn erhält jede:r Teilnehmer:in eine der folgenden Karten: • Erste Karte – Eine Botschaft, die schwer zu hören ist. • Zweite Karte – Hör dir die Anschuldigung an und gib dir selbst die Schuld. • Dritte Karte – Hör dir die Anschuldigung an und gib dem Sprecher die Schuld. • Vierte Karte – Konzentriere dich auf deine Gefühle und Bedürfnisse. 53 • Fünfte Karte – Konzentriere dich auf die Gefühle und Bedürfnisse anderer. Gib jedem der fünf Teilnehmer:innen eine Karte und tausche die Karten am Ende jeder Runde aus. Der:die Teilnehmer:in, der.die die erste Karte bekommt, denkt sich eine Nachricht aus, die schwer zu hören ist. Zum Beispiel: „Es nervt mich, dass du beim Reden immer allen deine Meinung aufzwingen willst.“ Jede:r Teilnehmer:in denkt sich, je nach seiner:ihrer Karte, eine andere Möglichkeit aus, wie er:sie diese Nachricht hören könnte. Jede:r sagt laut einen Gedanken, der die von ihm:ihr gewählte Option widerspiegelt. Beispiele für Antworten könnten sein: • Zweite Karte: Jemand, der sich die Anschuldigung anhört und sich selbst die Schuld gibt, könnte Folgendes sagen: „Oh Mann, wie ich es liebe, alles um mich herum zu kontrollieren. Kein Wunder, dass mich die Leute nervig finden.“ • Dritte Karte: Eine Person, die sich die Anschuldigung anhört und dem Sprecher die Schuld gibt, könnte Folgendes sagen: „Klar, wenn er sich die Mühe machen würde, zuzuhören, würde er merken, dass alle anderen hier meiner Meinung sind.“ • Vierte Karte: Eine Person, die sich auf ihre Gefühle und Bedürfnisse konzentriert, könnte Folgendes sagen: „(Seufzer) ... Es tut mir so leid, weil ich mir mehr Verständnis für meine Art, hier zu helfen, wünschen würde.“ • Fünfte Karte: Eine Person, die die Aufmerksamkeit auf die Gefühle und Bedürfnisse des Sprechers lenkt, könnte folgenden Gedanken haben: „Hm. Ich frage mich, ob er wütend ist, weil er möchte, dass die Meinung aller gehört und berücksichtigt wird ...“ Nachdem alle fünf Personen die erste Runde beendet haben, werden die Rollen getauscht. Ideal wäre es, wenn jede:r Teilnehmer:in die Möglichkeit hätte, alle Rollen zu üben. 54 Reflexion (20 Minuten) • Nach der Aktivität leitet der:die Trainer:in eine Reflexionsrunde. Mögliche Fragen für die Reflexion könnten sein: • Wie hast du dich in den einzelnen Rollen gefühlt? • Welche Rolle war am schwierigsten? • Kennst du eine dieser Rollen aus deinen täglichen Gesprächen? • Wie kann man am besten auf eine „schwierige Botschaft“ reagieren? Materialien 5 Karten mit den Rollen. Tipps Präsentiere die Aktivität als Rollenspiel und betone, dass die Rollen fiktiv sind, damit die Teilnehmer:innen sich sicherer fühlen, wenn sie die Rollen erkunden. Weiterführende Literatur • Leu, L., & Rosenberg, M. B. (2015). In Nonviolent Communication Companion Workbook: A Practical Guide for Individual, Group, or Classroom Study. Essay, Puddle Dancer Press. 55 Barnga Sabina Belc, Socialna akademija Lernziele • Die Teilnehmer:innen machen sich ihre Rucksäcke bewusst und wie sie ihr Verhalten beeinflussen. • Die Teilnehmer:innen üben und reflektieren, wie sie Unterschiede im Verständnis der Regeln des Engagements überwinden können. Zeit 60 Minuten. Beschreibung Barnga ist ein Simulationsspiel, das 1980 von Sivasailam „Thiagi“ Thiagarajan entwickelt wurde, als er für USAID in Gbarnga, Liberia, arbeitete. Bei dieser Simulation spielen die Teilnehmer:innen ein einfaches Kartenspiel hinter verschiedenen Tischen. Jeder Tisch hat andere Regeln. Nach einer bestimmten Zeit tauschen die Teilnehmer:innen die Tische. Der Trick dabei ist, dass die Teilnehmer:innen nur die Regeln ihres ersten Tisches kennen und nicht sprechen dürfen, was zu Konflikten führt, während sie von Tisch zu Tisch gehen. Das Spiel simuliert echte interkulturelle Begegnungen, bei denen die Teilnehmer:innen zunächst glauben, dass sie die gleichen Grundregeln kennen, aber später feststellen, dass das nicht der Fall ist. Sie erleben einen kleinen Kulturschock und müssen einen Weg finden, diese Unterschiede zu verstehen und auszugleichen, um das Spiel in ihren „kulturübergreifenden“ Gruppen effektiv zu spielen. Ablauf Stellt Tische auf (etwa vier Personen pro Tisch). Auf jedem Tisch sollten eine Kopie der Spielregeln für den jeweiligen Tisch und ein Kartenspiel liegen (verwende nur A-10-Karten, keine Bildkarten). Lass die Teilnehmer:innen ein 56 paar Runden mit den Regeln spielen, wobei sie auch reden dürfen. Danach wird alles von den Spieltischen entfernt. Das Spiel wird mit jedem an seinem Tisch fortgesetzt. Von nun an ist das Reden verboten. Die Teilnehmer:innen müssen den Tisch wechseln, nachdem sie ein paar Runden ohne Reden am Heimtisch gespielt haben. Die Person, die die meisten Stiche gemacht hat, wechselt im Uhrzeigersinn zum nächsten Tisch, und die Person, die die meisten Stiche verliert, wechselt gegen den Uhrzeigersinn zum nächsten Tisch. Die Spieler:innen wissen nicht, dass jeder Tisch andere Regeln gelernt hat. Alle Tische haben jedoch folgende gemeinsame Regeln: • Jede Runde dauert etwa 5 Minuten (länger, wenn es die Zeit erlaubt) und jede Runde besteht aus einer beliebigen Anzahl von Spielen, soweit es die Zeit erlaubt. • In jedem Spiel erhalten die Spieler:innen fünf Karten. • Der:die Geber:in kann jeder am Tisch sein; die Person, die zuerst spielt, sitzt rechts vom:von der Geber:in. • Der:die erste Spieler:in darf bei jedem Stich eine beliebige Farbe spielen. Alle anderen Spieler:innen müssen der Farbe folgen (eine Karte derselben Farbe spielen) und nur eine Karte spielen. • Wenn ein:e Spieler:in diese Farbe nicht hat, muss er eine Karte einer beliebigen Farbe ausspielen. Der Stich wird von der Person gewonnen, die die HÖCHSTE Karte der URSPRÜNGLICHEN Farbe hat. • Die Spieler:innen können ihren Punktestand mit einem Zahnstocher verfolgen (ein Stick pro gewonnenem Stich). • Wer die meisten Stiche in einer Runde gewinnt, rückt im Uhrzeigersinn zum nächsten Tisch vor. • Wer in der Runde die meisten Stiche verliert, geht gegen den Uhrzeigersinn zum nächsten Tisch. • Alle anderen bleiben am selben Tisch. • Nach der ersten Runde dürfen die Spieler:innen die Regeln nicht mehr sehen oder miteinander sprechen. Gesten und Bilder sind erlaubt, aber 57 die Spieler:innen dürfen keine Worte benutzen. • Das Spiel Schere-Stein-Papier löst Unentschieden auf. • Gesamtsieger.in des Spiels ist der:diejenige, der:die insgesamt die meisten Stiche gemacht hat. Die wechselnden Regeln Je nach Anzahl der Spieler:innen können die Regelblätter für die Anzahl der verwendeten Tische geändert oder verworfen werden. Im Folgenden sind einige Beispiele für Regeln angeführt: • Tisch 1: Ass hoch, kein Trumpf. • Tisch 2: Ass niedrig, Karo Trumpf. • Tabelle 3: Ass niedrig, Kreuz Trumpf. • Tabelle 4: Ass hoch, Herz Trumpf. • Tabelle 5: Ass hoch, Pik Trumpf. • Tabelle 6: Ass niedrig, kein Trumpf. • ... • In allen Fällen haben die anderen Karten einen Nennwert von 10 hoch und 2 niedrig. Nachdem eine bestimmte Anzahl von Runden gespielt wurden, entweder mit einem festen Zeitlimit oder indem die Anzahl der Rotationen entsprechend der Anzahl der Tische im Spiel festgelegt wurde (6 Runden für sechs Tische), lädst du die Teilnehmer:innen ein, sich in den Kreis zu setzen und eine Nachbesprechung zu machen. Fragenpool für die Nachbesprechung • Wenn du das Spiel mit einem Wort beschreiben könntest, wie würde es lauten? • Was hast du zu Beginn des Spiels erwartet? • Wann hast du gemerkt, dass etwas nicht stimmt? Wie bist du damit umgegangen? Wie hat es zu deinen Gefühlen beigetragen, dass du nicht sprechen konntest? 58 • Wie hast du auf das Gefühl der Ungerechtigkeit reagiert, als jemand seine Regeln durchsetzte? • An welche konkreten Situationen aus dem echten Leben erinnert dich dieses Spiel? Was sind die Ursachen für die Probleme oder Schwierigkeiten? • Was könnten verschiedene Regeln im echten Leben symbolisieren? Woher nehmen wir diese verschiedenen Regeln? • Wie bestimmen diese Regeln, wie wir uns im Umgang mit Menschen verhalten, die andere Regeln haben? • Was können wir tun, um diese Interaktionen zu verbessern? Bei der Nachbesprechung führen wir das Gespräch darüber, dass unsere Erfahrungen und Werte bestimmen, wie wir die Welt sehen und nach welchen Regeln wir spielen. Um in einer Gesellschaft leben zu können, in der selbst in derselben Kultur unterschiedliche Regeln gelten, müssen wir einen Weg finden, um gemeinsam eine inklusive Gesellschaft zu schaffen, zu der wir alle beitragen können. Materialien Kartensätze (entsprechend der Anzahl der Tische), unterschiedliche Regeln für jeden Tisch und Tischinseln für die Gruppenarbeit. Tipps Der wichtigste Teil der Methode ist die Nachbesprechung, die das Spiel mit dem realen Leben verbindet und die Teilnehmer:innen dabei unterstützt, darüber nachzudenken, wie sie in ihrem persönlichen Leben mit dieser Art von Missverständnissen umgehen. Während des Spiels solltest du die Dynamik beobachten, die sich im Spiel abspielt, und sie in der Nachbesprechung nutzen (wer die Regelkonflikte gewonnen hat, wie die Teilnehmer:innen auf Ungerechtigkeiten reagiert haben usw.). Quelle • Steinwachs, B., Thiagarajan, S. (1990). Barnga. Yarmouth, ME: Intercultural Press. 59 Weiterführende Literatur • Game description: Barnga (QR 1). • Amazon Books: Barnga: A Simulation Game on Cultural Clashes – 25th Anniversary Edition (QR 2). • Barnga: A Card Game for Culture-Stress Show and Tell (QR 3). 1 2 3 60 Lifeline Matej Cepin, Socialna akademija Lernziele Die Teilnehmer:innen nehmen Veränderungen als positiv wahr; sie haben keine Angst mehr vor Veränderungen. Zeit Etwa 1 Stunde. Beschreibung Lifeline ist eine Übung, bei der man über sein Leben aus einer bestimmten Perspektive nachdenkt. Wenn wir uns an mehr oder weniger weit zurück-liegende Ereignisse erinnern, erkennen wir auch die Veränderungen, die in unserem Leben stattgefunden haben. Im Laufe der Zeit erleben wir sowohl äußere als auch innere Veränderungen. Unsere Gedanken, Überzeugungen und Prioritäten ändern sich. Diese Veränderungen bedeuten in der Regel persönliches Wachstum. Jede:r Teilnehmer:in zeichnet eine gerade Linie (Zeitleiste) auf ein horizontal liegendes Blatt Papier. Darauf markiert er seine Geburt und verschiedene Meilensteine in seinem Leben (5, 10, 15, 20, 25 ... Jahre – je nach Alter). Der aktuelle Moment sollte auch markiert werden. Anstelle des Alters können auch Lebensabschnitte (z. B. Geburt, Vorschule, Grundschule, weiterführende Schule usw.) angegeben werden. Der:die Moderator:in oder die Gruppe wählt das „Thema“ (einen Aspekt des Lebens) aus, das auf der Zeitleiste dargestellt werden soll (z. B. meine Freiheit, meine Beziehungen oder meine soziale Integration). Das Thema sollte mit dem Thema des Dialogs in Verbindung stehen. Jede:r Teilnehmer:in zieht sich für etwa 20 Minuten zurück und markiert die wichtigsten Erfahrungen und Momente in der Zeitleiste im ausgewählten Bereich. Er kann auch in Form einer Grafik darstellen, ob er diese Erfahrungen als positiv oder negativ empfunden hat. 61 Anschließend werden die Zeitleisten präsentiert. Dies geschieht in der Regel in Gruppen von 4–5 Teilnehmer:innenn. In dieser Phase werden die Teilnehmer:innen insbesondere eingeladen, über die äußeren und inneren Veränderungen, die sie in ihrem Leben erlebt haben, zu reflektieren. Die folgenden Fragen können dabei helfen: Was hat eine bestimmte Erfahrung für dich wichtig gemacht? • Wenn du auf deine Zeitleiste schaust, welche Herausforderungen musstest du in deinem gewählten Bereich bewältigen? Wie bist du damit umgegangen? • Welche Erfolge und Misserfolge hast du durch die Bewältigung der Herausforderungen erzielt? • Was hast du dabei gelernt? Welche Veränderungen haben sich bei dir vollzogen? • Wie siehst du diese Veränderungen jetzt, nach all der Zeit? Bewertest du sie als positiv oder negativ? • Inwieweit hast du Angst vor den Veränderungen, die in Zukunft auf dich zukommen werden, vielleicht durch die Dialoge, an denen du teilnehmen wirst? Materialien Papers and pens. Tipps Wenn die Teilnehmer:innen unterschiedlich alt sind, achte darauf, dass sowohl jüngere als auch ältere Teilnehmer:innen ungefähr gleich viel Zeit haben, um ihre Erfahrungen zu teilen, unabhängig von der „Länge“ ihrer Zeitleiste. Quelle • Urška Slana: Prisluškovanje življenju, Socialna akademija, 2012 (digitale Version, PDF), in slowenischer Sprache. 62 Lost at the Sea Marija Šeme-Bonizzi, IniciativAngola Lernziele • Die Teilnehmer:innen erleben den Prozess der Entscheidungsfindung. • Sie lernen, wie sie zusammenarbeiten, nach Lösungen suchen und kreatives Denken fördern können. Zeit 80 Minuten. Beschreibung Lost at the Sea ist eine teambildende Aktivität, die die Interaktion und Team-arbeit unter jungen Menschen fördert. Die Überlebenschancen hängen von ihrer Fähigkeit ab, die geborgenen Gegenstände nach ihrer Wichtigkeit zu ordnen. Der wichtigste Aspekt des Spiels ist, dass sie innerhalb einer begrenzten Zeit eine einstimmige Entscheidung treffen müssen. Schritt-für-Schritt-Anleitung Der:die Spielleiter:in gibt Anweisungen und stellt die Regeln und Aktivitäten des Situationsspiels „Lost at the Sea“ vor, siehe Anhang 1. Er bittet die Teilnehmer:innen, die Spielregeln sorgfältig durchzulesen (bei Bedarf kann der:die Spielleiter:in oder einer der Teilnehmer:innen sie der Gruppe vorlesen). Nachdem sie die Spielregeln gelesen haben, haben die Teilnehmer:innen 15 Minuten Zeit, um eine individuelle Rangfolge der Punkte auf der Liste zu erstellen und ihre Wahl in die Spalte Schritt 1 zu schreiben. Nr. 1 ist der wichtigste Punkt und Nr. 15 - der unwichtigste. Falls nötig, können die Gegenstände auf der Liste im Voraus erklärt werden, falls es Gegenstände gibt, mit denen die Teilnehmer:innen nicht vertraut sind. Der:die Moderator:in teilt die Gruppe in kleinere Teams von 3-4 Personen ein. Jedes Team hat 30 Minuten Zeit, um ihre individuelle Rangfolge der 15 63 Gegenstände zu besprechen und eine gemeinsame Entscheidung darüber zu treffen, wie sie die Gegenstände von der höchsten zur niedrigsten Wichtigkeit einstufen. Jedes Team muss die gemeinsame Bewertung in die Spalte von Schritt 2 schreiben. Der:die Moderator:in sollte den Gruppen erklären, dass sie nur begrenzt Zeit haben, um eine einstimmige Entscheidung zu treffen! Wenn sie sich nicht einigen können, verliert das Team das Spiel. Die richtigen Antworten wurden von der US-Küstenwache vorgeschlagen - Anhang 2. Der:die Spielleiter:in sollte die „Expert:innen“-Rangliste auf einer PowerPoint-Präsentation, einem Whiteboard oder einer Fotokopie aushängen. Die Teilnehmer:innen müssen ihre Einzel- und Gruppenantworten mit den richtigen Antworten vergleichen und eine Punktzahl ermitteln. Um die Punktzahl zu berechnen, sollte die Gruppe für jeden Punkt die Anzahl der Punkte markieren, die von der Rangliste der Küstenwache abweichen, und dann alle Punkte zusammenzählen. Plus- oder Minusdifferenzen werden nicht berücksichtigt. Je niedriger die Gesamtzahl, desto besser die Punktzahl. Wenn zum Beispiel ein:e Teilnehmer:in oder ein Team einen Artikel auf Platz 5 gesetzt hat, die Expert:innen ihn aber auf Platz 10 gesetzt haben, beträgt die Differenz 5 Punkte. Nachdem die Teams mit Hilfe des Moderators bzw. der Moderatorin die notwendigen Berechnungen durchgeführt haben, sollte die Ergebnistabelle der Gruppe vorgestellt werden - Anhang 3. Wenn die Gruppen zusammenarbeiten und ihre Gedanken und Ideen austauschen, sollte sich das Ergebnis gegenüber den Einzelergebnissen ver-bessern. Reflexion Am Ende des Spiels führt der:die Spielleiter:in mit allen Gruppen, die sich während der Aktivitäten gebildet haben, eine Diskussion über ihre Leistung. Das Hauptthema der Diskussion sollte sich auf den Prozess der Entscheidungsfindung beziehen und die Teilnehmer:innen anleiten, den Prozess auf gesellschaftlicher Ebene anzupassen. 64 Hier sind nur einige Vorschläge für Fragen, die der:die Moderator:in stellen könnte: • Warum weichen die individuellen Ergebnisse von den Gruppenergebnissen ab? • Was hat zu einer Einigung geführt? • War es schwierig, eine einstimmige Entscheidung zu treffen? • Was sind die Merkmale einer erfolgreichen Entscheidungsfindung? Warum ist das wichtig? • Auf welcher Ebene spiegelt dieser Prozess unsere Gesellschaft wider? Kannst du einige Beispiele nennen? • Fällt dir eine Situation in deinem Leben ein, in der der Prozess, den wir in diesem Workshop getestet haben, nützlich sein könnte? • Glaubst du, dass du nach dieser Erfahrung anders reagieren würdest? Nenne ein paar Beispiele. Materialien Papierbögen, Stifte, Buntstifte, gedruckter Anhang für Lost at the Sea. Tipps Lies die Anweisungen und die Lösung im Voraus sorgfältig durch, damit du auf den Ablauf vorbereitet bist und die Teilnehmer:innen anleiten kannst. Quelle • Idea based on gestalt pedagogy method and on the activity described in the manual: Educ'action, A catalogue of non-formal education methods, 2018, p. 60. Weiterführende Literatur • Annexes 1, 2 and 3 (pages 63–66) in Educ'action: A Catalogue on Non-Formal Education Methods (PDF). 65 Gewaltfreie Kommunikation in der Praxis Alice Straniero and Diana Todorova, Documenta Lernziele Die Teilnehmer:innen verstehen, wie sie Meinungsverschiedenheiten durch gewaltfreie Kommunikation bewältigen können und wie wichtig es ist, im Dialog Ich-Sätze zu verwenden. Zeit 70 Minuten. Beschreibung TDie Teilnehmer:innen üben die Anwendung des Prozesses der gewaltfreien Kommunikation. Bei der Übung geht es vor allem darum, dass die Teilnehmer: innen klar sagen, wie sie sich fühlen, ohne andere zu beschuldigen oder zu kritisieren, und dass sie besser in der Lage sind, klar und deutlich zu sagen, was sie erreichen möchten, aber ohne zu fordern. Warm-up Speed-Dating-Methode in Paaren, die folgende Fragen diskutieren (15 Minuten): • Wie gehst du normalerweise mit Gesprächen um, die für dich schwierig sind? • Vermeidest du normalerweise schwierige Gespräche mit deinen Freunden und deiner Familie, damit du keinen Konflikt verursachst? • Wie vertrittst du deine Meinung, wenn andere nicht mit ihr einverstanden sind? Definiere das Konzept der gewaltfreien Kommunikation (siehe nach im vorherigen Kapitel dieses Handbuchs) und erkläre, warum es wichtig ist (10 Minuten). 66 Aktivität In Zweiergruppen aufgeteilt, erforschen die Teilnehmer:innen die gewaltfreie Kommunikation (30 Minuten). Sie können die folgenden Beispiele aus-probieren: • Dein Mitbewohner lässt jeden Abend schmutziges Geschirr in der Spüle stehen. Du möchtest, dass er es abends wegräumt, damit du in einer sauberen Küche frühstücken kannst. • Deine Mutter betritt immer dein Zimmer, während du lernst. Du möchtest, dass sie anklopft, bevor sie hereinkommt. • Einer deiner Kollegen hat dich in der Arbeit, die du mitgestaltet hast, nicht erwähnt. Du sprichst das Problem mit ihm an. • Es ist dein Geburtstag. Dein Partner hat für dich eine Ausgehparty organisiert, aber du bist müde und würdest lieber zu Hause bleiben. • Du nimmst an einer Sommerschule teil. Du beginnst mit den Sitzungen um 9:00 Uhr und isst um 12:00 Uhr zu Mittag. Ein Teil der Gruppe würde gerne länger schlafen und später zu Mittag essen, etwa um 14:00 Uhr. Ihr seid es gewohnt, um 12:00 Uhr zu Mittag zu essen, und möchtet den aktuellen Zeitplan beibehalten. Die Teilnehmer:innen gehen die Situationen durch und folgen dabei der Struktur: • Beobachtung: Was ich wahrnehme (sehe, höre, erinnere, stelle mir vor, ohne meine Interpretationen), das zu meinem Wohlbefinden beiträgt (oder nicht): „Wenn (ich sehe, höre) ...“ • Gefühl: wie ich das Wahrgenommene empfinde (Gefühl oder Empfindung, nicht Gedanke): „... fühle ich ...“ • Bedürfnisse: was ich brauche oder schätze (anstelle einer konkreten Handlung): „... denn ich brauche/schätze ...“ • Bitte: konkrete Handlungen, die ich mir wünsche: „... wärst du bereit, . ..?“ Reflexion (15 Minuten) Der:die Trainer:in leitet die Reflexionsrunde, indem er:sie folgende Fragen stellt: 67 • Wie hast du dich gefühlt, als du in diesen Situationen gewaltfrei kommuniziert hast? • Was hast du während der Aktivität als besonders nützlich empfunden? • Wie wirst du diese Methode der Kommunikation in deinem Alltag anwenden? Materialien Papierbogen mit den 4 Schritten und den Situationen. Tipps Wenn die Gruppe mit gewaltfreier Kommunikation überhaupt nicht vertraut ist, kann der:die Trainer:in eine der Situationen sowohl mit gewaltsamen als auch mit gewaltfreien Interaktionen darstellen. Quelle • Leu, L., & Rosenberg, M. B. (2015). In Nonviolent communication companion workbook: A practical guide for individual, group, or classroom study. Essay, Puddle Dancer Press. 68 Wichtige Fragen stellen Matej Cepin, Socialna akademija Lernziele Die Teilnehmer:innen lernen, wichtige Fragen zu verstehen, zu stellen und zu beantworten. Zeit Etwa 50 Minuten. Beschreibung Einführung und Motivation (5 Minuten) Der:die Trainer:in/Moderator:in fragt die Teilnehmer:innen: • Wie antwortest du normalerweise auf die Frage: „Wie geht es dir?“ • Auf einer Skala von 0 bis 5, wobei 0 eine „schwache Frage“ und 5 eine „besonders starke Frage“ bedeutet, wie würdest du sie bewerten? Theorie (10 bis 15 Minuten) Der:die Trainer:in/Moderator:in erklärt kurz: 1. Welche Faktoren machen eine Frage stark? • Persönliche Verbindung, Relevanz, Hinterfragen von Annahmen, zum Nachdenken anregen, Neugier wecken, Kreativität anregen usw. 2. Beispiele für verschiedene Ebenen der Wirkungsmacht von Fragen: • Oberflächliche Fragen, zum Beispiel: „Hast du deine Hausaufgaben gemacht?“ • Sondierende Fragen, zum Beispiel: „Welche anderen Optionen hast du in Betracht gezogen?“ • Reflektierende Fragen, zum Beispiel: „Wie hast du dich dabei gefühlt?“ • Herausfordernde Fragen, zum Beispiel: „Welche Überzeugungen hal- 69 ten dich davon ab, eine Veränderung vorzunehmen?“ • Visionäre Fragen, zum Beispiel: „Wie würde es aussehen, wenn alles perfekt laufen würde?“ • Befähigende Fragen, zum Beispiel: „Welche Stärken kannst du nutzen, um diese Herausforderung zu meistern?“ Starke Fragen formulieren – Einzelarbeit (5 bis 10 Minuten) Anleitung: Stell dir eine schwierige Lebenssituation vor, mit der du gerade konfrontiert bist (z. B. Jobwechsel, Überlegungen zur beruflichen Orientierung, Umzug, Verwirklichung deines Potenzials usw.). Bereite anhand der Leitlinien aus dem theoretischen Teil drei starke Fragen für diese Situation vor. Schreibe jede Frage auf eine separate Karte, sodass sie für die anderen Teilnehmer:innen gut lesbar ist. Starke Fragen testen – Arbeit in Paaren (15 Minuten) Anleitung: Gib deinem Partner:deiner Partnerin deine Karten und beschreibe kurz die Lebenssituation, auf die sich die Fragen beziehen. Lass ihn:sie dir diese Fragen stellen. Er:sie kann sie bei Bedarf auch leicht abändern. Nach der Hälfte der Zeit tauscht ihr beide die Rollen. Reflexion der Übung – Diskussion in der ganzen Gruppe (10 Minuten) • Die Diskussion dreht sich um folgenden Fragen: • Welche Fragen haben sich als besonders wirkungsvoll erwiesen? • Wie würdest du nach dieser Übung die Frage beantworten, was Fragen wirkungsvoll macht? • Stell dir eine Situation in der Zukunft vor, in der du jemanden triffst, der dir nahe steht. Überlege dir eine starke Frage, die du dieser Person stellen würdest! Und warum? Materialien • Tafel und Stifte, • Karten und Stifte. 70 Tipps Mit der Zeit und der Erfahrung kannst du dein Konzept für die verschiedenen Ebenen von starken Fragen entwickeln. Weiterführende Literatur • 51 Powerful Questions to Ask in Different Situations, and The Art of Asking Powerful Questions (QR 1). • How to Design powerful Questions (QR 2). 1 2 71 RAIN-Methode Sabina Belc, Socialna akademija Lernziele Teilnehmer:innen probieren die Methode zur Emotionsregulierung aus. Zeit 60 Minuten. Beschreibung Warm-up (15 Minuten) Der:die Moderator:in fordert die Teilnehmer:innen auf, eine Dixit-Karte (Reflexionskarte) auszuwählen, die sie an eine Situation erinnert, in der sie von Emotionen überwältigt waren, die ihr Verhalten beeinflusst haben. Sie sollten eine auswählen, die sie bereit sind, mit anderen zu teilen. Einführung (10 Minuten) Der:die Moderator:in erklärt, dass RAIN ein Werkzeug ist, um Achtsamkeit zu üben, wenn wir uns von unseren Gedanken und Gefühlen überwältigt fühlen. Das Akronym RAIN ist ein leicht zu merkendes Werkzeug, um Achtsamkeit und Mitgefühl in emotionale Schwierigkeiten zu bringen. • Recognize: Erkenne, was vor sich geht; • Allow: Erlaube der Erfahrung, einfach so da zu sein, wie sie ist; • Investigate: Erforsche mit Neugier; • Non-Identify: Identifiziere dich nicht mit deinen Emotionen. Der:die Moderator:in erklärt, dass wir diese Methode bei kleinen, nicht so wichtigen Ereignissen üben können, nachdem sie bereits geschehen sind. Durch regelmäßiges Üben sind wir dann in der Lage, sie auch in schwierigen Situationen anzuwenden. Aktivität (20 Minuten) Der:die Moderator:in fordert die Teilnehmer:innen auf, sich eine Situation auszudenken, in der sie diese Methode ausprobieren möchten, und führt sie dann Schritt für Schritt durch den Prozess. Dann stellt er mit Musik eine angenehme Atmosphäre her und fordert die Gruppe auf, die Augen zu 72 schließen, sich zu entspannen und tief zu atmen. Für jeden Schritt sollten sie sich ein paar Minuten Zeit nehmen; am wichtigsten ist es, sie zu ermutigen, die innere Erfahrung tief zu erforschen (3. Schritt). R: Recognise → Erkenne, was vor sich geht. Wir interagieren ständig mit unserer Umwelt und unser Gehirn verarbeitet dieses Feedback. Wenn eine Person unter Stress oder Angst leidet, verarbeitet ihr Gehirn die äußeren Informationen anders. Wenn du erkennst, was in solchen Momenten in deinem Geist und Körper vorgeht, kannst du lernen, die Ursachen für deinen Stress zu erkennen und einen Plan zur Verbesserung der Situation zu erstellen. Erinnere dich an deine Situation und denke darüber nach, was in dieser Situation passiert ist. A: Allow → Erlaube der Erfahrung, so zu sein, wie sie ist. Wenn du einen beunruhigenden Gedanken oder ein Gefühl hast, urteile nicht darüber. Nimm sie stattdessen an und akzeptiere sie. Gedanken sind genau das: Gedanken. Sie beruhen nicht immer auf der Realität. Erinnere dich also daran, dass deine Gedanken dich nicht bestimmen. Du musst nicht an ihnen festhalten. Erlaube ihnen, zu kommen und zu gehen. Stell dir vor, du stehst auf deiner Terrasse und beobachtest eine Menschenmenge und Autos, die unten auf der Straße vorbeifahren. I: Investigate → Erforsche deine innere Erfahrung. Sich einen Reim auf die Welt zu machen, kann entmutigend sein, wenn du viele unangenehme Gedanken zusammen hast. In solchen Situationen kann es dir helfen, Fragen zu deinen Erfahrungen zu stellen, um die Welt besser zu verstehen und Freude am Leben zu finden. Wenn du dich überfordert fühlst, solltest du erforschen, was genau dich so fühlen lässt, warum es so ist und wie du dir helfen kannst, es zu überwinden. Bringe deinen neugierigen Geist mit und lass das Urteilen außen vor. N: Non-Identify → Identifiziere dich nicht mit deinen Emotionen. Lass deine Urteile und deine Selbstkritik los, die mit diesem bestimmten Gefühl verbunden sind. Auch wenn du spürst, dass ein bestimmtes Gefühl in dir aufsteigt, musst du nicht darauf reagieren. Erlaube dir, als guter Freund, ein entspannendes Gespräch mit dir selbst zu führen. Sag dir: „Emotionen sind ein natürlicher Teil 73 des Lebens, aber ich bin nicht meine Emotionen. Deshalb erlaube ich mir, mich mit dieser Emotion nicht zu identifizieren.“ Reflexion (15 Minuten) • Wie fühlst du dich, nachdem du die Methode ausprobiert hast? Hat sie dir eine neue Perspektive gegeben? • Welcher Schritt war die größte Herausforderung? Welcher Schritt ist der wirkungsvollste? • Wie könnte die Methode auf dein Leben angewendet werden? Wo könnte sie dir nützlich sein? Materialien Dixit (Reflexionskarten) und Musik. Tipps Brave Space bietet Raum für herausfordernde Meinungen, deshalb müssen wir die Teilnehmer:innen zum Umgang damit befähigen. Die RAIN-Methode hilft uns, unsere Reaktionen zu steuern und unterstützt uns im Umgang mit Meinungen, die uns triggern können. Diese Aktivität kann als Reaktion auf auftretende Konflikte oder als Teil des Prozesses eingesetzt werden, aber sie sollte nicht eine der ersten Aktivitäten sein. Wir können die Aktivität mit dem ABC-Modell von Albert Ellis aus der kognitiven Verhaltenstherapie verbinden. Wir laden die Teilnehmer:innen ein, eine Erfahrung zu wählen, die keinen Trigger darstellt. Wir beginnen damit, diese Methode in einfachen Situationen zu üben, um den Prozess kennenzulernen und zu verinnerlichen. 1 Später wird sie Teil unserer Routine und kann auch in der Hitze des Gefechts angewendet werden. Quelle • Michele McDonald. 2 Weitere Informationen • R.A.I.N. Method of Mindfulness Meditation (QR 1). • RAIN: A Practice of Radical Compassion (QR 2). 74 Der Rucksack in meinem Leben Marija Šeme-Bonizzi, IniciativAngola Lernziele Die Teilnehmer:innen erforschen die Auswirkungen von Erfahrungen auf ihr Leben und ihre Wahrnehmung der Welt um sie herum. . Zeit Ca. 60 Minuten. Beschreibung Das Hauptziel dieser Methode ist es, den Teilnehmer:innen zu helfen, sich ihrer Rucksäcke bewusst zu werden, ihre Fähigkeit zu verbessern, ihre Emotionen und Reaktionen auf Menschen und Situationen in ihrem eigenen Leben zu erkennen, Empathie für sich selbst und andere zu entwickeln, den Zusammenhang zwischen vergangenen Erfahrungen (z. B. verschiedene Ereig-nisse, ausgesprochene Worte usw.) und deren Auswirkungen zu verstehen, Situationen zu analysieren, nach Lösungen zu suchen und persönliche Beleidigungen zu „verzeihen“. Der:die Moderator:in sollte dafür sorgen, dass jede:r Teilnehmer:in genügend persönlichen Freiraum hat. Die Teilnehmer:innen erhalten ein leeres A4-Papier oder ein Blatt mit einer Zeichnung eines Rucksacks. Wenn das Papier leer ist, sollen die Teilnehmer:innen den Rucksack selbst zeichnen. Der:die Moderator:in fordert die Teilnehmer:innen auf, über Ereignisse, Phrasen, Sätze und Wörter nachzudenken, die sie im Laufe ihres Lebens geprägt haben - sowohl positiv als auch negativ (deshalb ist es wichtig, dass die Privatsphäre der Teilnehmer:innen gewahrt bleibt!) Die Teilnehmer:innen schreiben in 10 Minuten (oder 15, wenn sie zeichnen müssen) die wichtigsten Erlebnisse, Phrasen, Wörter und Sätze in den Rucksack. Die Teilnehmer:innen können auch verschiedene Farben für verschiedene Erfahrungen mit verschiedenen Personen wählen, z. B. grün für Familienmitglieder, blau für Schulfreunde, orange für Lehrperson usw. Der:die 75 Moderator:in fordert die Teilnehmer:innen auf, 3 Ereignisse einzukreisen, die ihrer Meinung nach den stärksten Einfluss auf sie hatten oder haben. Anschließend erhalten die Teilnehmer:innen ein zweites leeres Blatt Papier oder ein Zusatzblatt und wählen ein Ereignis, ein Wort, eine Phrase oder einen Satz aus, über den sie nachdenken und die folgenden Fragen beantworten (20 Minuten): • Beschreibe die Situation, in der dieses Ereignis stattgefunden hat, oder ein bestimmtes Wort, einen Satz oder eine Redewendung. Was ist passiert? • Warum ist das wohl passiert? Was waren die möglichen Gründe dafür, dass die betreffende Person getan/gesagt hat, was sie getan hat? • Wie habe ich mich danach gefühlt? Welcher Gedanke könnte diese Gefühle und Emotionen auslösen? • Was sagt dieses Ereignis, dieses Wort oder dieser Satz aus der Vergangenheit über mich aus? Wie hat es mich beeinflusst? Habe ich etwas an mir oder meinem Leben verändert? • Wie sehe ich das Ereignis, das Wort, den Satz oder die Aussage heute? Wie sehe ich die beteiligten Personen? Wenn es die Zeit erlaubt, wiederholen sie den Vorgang mit anderen Ereignissen, Wörtern, Phrasen und Sätzen, die im Umlauf sind. Eventuell werden einige zusätzliche Blätter benötigt. Der:die Moderator:in kann die Teilnehmer:innen auffordern, ihre Notizen mitzuteilen und sie über den Prozess zu befragen. Da es sehr persönlich sein kann, muss der:die Moderator:in sicherstellen, dass die Teilnehmer:innen nichts mitteilen müssen, wenn sie nicht wollen. Auswertung und Reflexion sind jedoch sehr wichtige Bestandteile der Methode. Nach Abschluss der Aktivität kann der:die Moderator:in die folgenden Fragen zur Reflexion und Auswertung stellen: • Welche der Fragen war am schwierigsten zu beantworten? Und warum? Welche war am einfachsten? • Hast du deinen Standpunkt gegenüber der beteiligten Person geändert, nachdem du über ihre Motivation und Gründe nachgedacht hast, be- 76 stimmte Dinge auf eine bestimmte Art und Weise zu tun oder zu sagen? • Wie beeinflussen deine Emotionen und deine Stimmung zum Zeitpunkt eines Ereignisses deine Erinnerung daran und seine Aus-wirkungen auf dich? Hätten andere Reaktionen oder Verhal-tensweisen zu anderen Ergebnissen geführt? • Wie lässt sich diese Übung auf dein tägliches Leben übertragen? Welche Erkenntnisse kannst du daraus ziehen und auf dein Leben anwenden? Der:die Moderator:in kann anschließend erklären, dass vergangene Erfahrungen, an die wir uns am meisten erinnern, wie ein ständiger Rucksack sind, den wir im Laufe unseres Lebens mit uns herumtragen. Vor allem diejenigen, die wir in jungen Jahren im Zusammenhang mit unseren Bezugspersonen erlebt haben, prägen uns besonders. Negative, aber auch positive Bestätigungen von anderen über uns können einschränkend sein und sagen nicht die (ganze) Wahrheit. Wenn wir erwachsen werden, haben wir das Recht zu entscheiden, ob wir diese Erfahrungen immer noch glauben wollen - und sie in unserem Rucksack mit uns herumtragen - oder nicht. Das Nachdenken über die Situation, in der bestimmte Dinge passiert sind oder bestimmte Worte, Phrasen und Sätze gesprochen wurden, hilft uns dabei, den anderen und sein „Warum“ besser zu verstehen und somit die Macht eines möglichen Grolls gegenüber dieser Person zu verlieren. Im Anschluss an die Aktivität weist der:die Moderator:in darauf hin, dass Groll eine normale Emotion ist, die jeden Menschen betrifft. Es ist jedoch wichtig, diese Emotion zu erkennen und, wenn du emotional bereit bist, Wege des Dialogs zu suchen, die dein Leben mit neuen Erfahrungen bereichern können. Materialien Papierbögen, Stifte, Buntstifte, eventuell vorgedruckte Zusatzblätter und Bilder von einem Rucksack. 77 Tipps Nimm dir genug Zeit für die persönliche Arbeit. Überstürze den Prozess nicht; Schweigepausen sind empfehlenswert. Zusätzlich kannst du als Moderator:in das ABC-Modell für Reaktionen auf bestimmte Ereignisse im Leben einführen. ABC steht für: • A (Adversity oder aktivierendes Ereignis): Ein äußeres Ereignis oder eine Situation, die eine emotionale Reaktion auslöst. • B (Beliefs, Überzeugungen): Gedanken und Interpretationen zu dem Ereignis. Diese können sowohl offensichtlich als auch unterschwellig sein. • C (Consequences, Konsequenzen): Umfasst die Verhaltens- oder emotionale Reaktion. Weitere Informationen zu diesem Modell findest du hier: ABC Model of Cognitive Behavioural Therapy: How it Works (ABC-Modell der kognitiven Verhaltenstherapie: Wie es funktioniert; healthline.com). Die Teilnehmer:innen werden aufgefordert, zu versuchen, die Gedanken und/oder Überzeugungen zu identifizieren, die die Reaktion auf das Ereignis oder das ausgesprochene Wort ausgelöst haben. Sie versuchen, mögliche alternative Gedanken oder Überzeugungen zu finden, die zu besseren Reaktionen führen könnten. Quelle • Die Idee basiert auf der Methode der Gestaltpädagogik und der Aktivität, die im Handbuch beschrieben ist: Educ'action, A catalogue of non-formal education methods, 2018, p. 140. Weiterführende Literatur • Educ'action: A Catalogue on Non-Formal Education Methods (PDF). 78 Trio Story Sharing Sabina Belc, Socialna akademija Lernziele • Die Teilnehmer:innen erkennen, wie wichtig Fragen und das Teilen von Geschichten sind. • Die Teilnehmer:innen üben bewusstes Zuhören. Zeit 90 Minuten. Beschreibung Die Methode des Trio Story Sharing folgt dem Ansatz der wertschätzenden Befragung (Appreciative Inquiry). Das Erzählen von Geschichten ist ein einfacher Weg, um unsere Erinnerung an das, was wir erlebt haben und wer wir sind, wieder zu wecken. Gleichzeitig kann eine Geschichte, sobald sie erzählt wurde, von der erzählenden Person in einem neuen Licht gesehen werden und als Inspiration dafür dienen, was für den Rest der Gruppe funktioniert. Arbeiten in Dreiergruppen (Trios) Das ist eine Übung, bei der die Rollen rotieren und jeder während der 60-minütigen Übung eine von drei Rollen übernimmt. Jede:r Teilnehmer:in übernimmt die Rolle des Erzählers und steht 15 Minuten lang im Mittelpunkt – etwa 10 Minuten lang erzählt er die Geschichte und 5 Minuten lang geben die anderen Feedback. Nachdem alle drei Rollen durchlaufen wurden, bereitet das Trio in den letzten 15 Minuten vor, was es der ganzen Gruppe präsentieren wird. Die drei Rollen sind: • Geschichtenerzähler: Beantworte die Frage mit einer persönlichen Geschichte. 79 • Sammler: Fordere den:die Geschichtenerzähler:in mit einer Frage auf, seine:ihre Geschichte zu erzählen. Konzentriere dich auf den Inhalt der Geschichte. Was hat die Geschichte zu einer guten Geschichte gemacht? • Zeuge: Lade zum Erzählen ein, indem du Augenkontakt mit dem:der Geschichtenerzähler:in hältst. Konzentriere dich auf die Person. Welche Stärken/Besonderheiten hat der Geschichtenerzähler in der Geschichte gezeigt? Einladungsfrage • Der entscheidende Teil der Methode besteht darin, eine starke Frage zu stellen. Frage dich selbst: Worauf möchtest du dich konzentrieren oder was möchtest du in den Menschen wecken? • Beispiele für Fragen, die die Arbeit am Dialog unterstützen können, sind: • Erzähl von einer Situation, in der du dich getraut hast, ein Risiko einzugehen oder über ein schwieriges Thema zu sprechen, das dir wichtig war. Was hast du dabei gelernt, das dir heute noch im Gedächtnis ist? • Erzähl von einer Situation, in der du mit Vielfalt konfrontiert warst und du dich dadurch verändert hast. Was hat sich verändert und wie hat das dein Leben beeinflusst? • Erzähl mir von einem intensiven Konflikt, an dem du beteiligt warst und der später gelöst wurde. Gruppenaustausch Jede Gruppe bringt zwei bis drei Punkte zu dem davor behandelten Thema mit, um sie mit den anderen zu teilen. Wenn die ganze Gruppe wieder zusammenkommt, hat jeder die Möglichkeit, zu erzählen, was über die Eigen-schaften, mit denen wir uns beschäftigt haben, gelernt wurde, was dann zu einer tieferen Diskussion führt. Die geteilten Punkte können dann als Grundlage für den Rest des Workshops dienen. 80 Materialien Papierbogen mit einer Beschreibung der Rollen und der Einladungsfrage. Tipps Der Aufbau ist entscheidend dafür, dass diese Übung so wirkungsvoll und verbindend wie möglich ist. Wir müssen einen sicheren Raum schaffen, damit sich die Teilnehmer:innen unterstützt fühlen, sich selbst zu offenbaren. Die Qualität des Zuhörens kann eine Geschichte zum Erfolg machen oder sie zerstören. Wir laden die Teilnehmer:innen ein, wertschätzend und achtsam zuzuhören, um die Vorzüge anderer zu entdecken. Quelle • Mary Alice Arthur (Story Activist). Weiterführende Literatur • Trio Storysharing Guide (QR). 81 Vertrauenskreise Sabina Belc and Eva Povalej, Socialna akademija Lernziele Die Teilnehmer:innen entwickeln ein Verständnis für den Grad des Vertrauens zwischen den Menschen. . Zeit 45 Minuten. Beschreibung Der Vertrauenskreis ist eine einfache Übung, die uns hilft, unsere Beziehungen zu visualisieren. Sie hilft uns herauszufinden, welchen Menschen wir am meisten vertrauen, welchen Einfluss sie auf uns haben und wie leicht wir anderen Menschen vertrauen. Vor allem aber hilft sie uns herauszufinden, wie wir uns in unseren Beziehungen verhalten und welche praktischen Schritte wir unternehmen können, um uns den Menschen näher zu fühlen und sinnvollere Beziehungen aufzubauen. Diese Übung besteht aus mehreren konzentrischen Kreisen mit den Namen der Menschen in unserem Leben. Je mehr wir einer Person vertrauen, desto näher liegt ihr Name in der Mitte. Die Teilnehmer:innen werden aufgefordert, 5 Kreise ineinander zu zeichnen. 1. Der innerste Kreis heißt SELBST (dein eigener Name). 2. Der zweite Kreis ist für VERTRAUTE (Menschen, denen du dich am nächsten fühlst). 3. Der dritte Kreis ist für ENGE FREUNDE (Menschen, mit denen du genau da weitermachen kannst, wo du aufgehört hast). 4. Der vierte Kreis ist für WAHRE FREUNDE (Menschen, die dich unterstützen). 5. Der letzte Kreis ist für ENTFERNTE FREUNDE (Menschen, mit denen du einfach nur etwas unternimmst). 82 Nachdem alle ihre Gedanken geteilt haben, kommen sie wieder zur ganzen Gruppe, wo der:die Moderator:in das Gesagte zu einem Gesamtbild verbindet, und zwar mit Fragen wie: • Wie unterschiedlich sind die Menschen in deinem Vertrauenskreis, was ihre Werte und ihre Sicht auf die Welt angeht? • Bist du in bestimmten Punkten mit Menschen in deinem Vertrauenskreis nicht einverstanden? Hast du einen Freund, der dich herausfordert? • Was müsste passieren, damit du Menschen, mit denen du in Bezug auf politische Ansichten oder Werte nicht übereinstimmst, in deinen Vertrauenskreis aufnimmst? Ist es möglich, Menschen zu vertrauen, mit denen du nicht alle Werte teilst? • Glaubst du, dass es von Vorteil ist, unterschiedliche Menschen in dein Leben zu holen? Materialien Papierbögen, Stifte, ein Beispiel für einen Kreis (wie auf dem Bild oben) und Fragen, die in den Kleingruppen diskutiert werden sollen. Tipps Du solltest mit deinem persönlichen Leben beginnen, da dir das leichter fallen wird. Lass die Teilnehmer:innen in kleineren Gruppen beginnen, damit sie sich offener austauschen können. Später kannst du sie auffordern, über das große Ganze nachzudenken. Unterstütze sie im Dialog mit Fragen, die zum Nachdenken anregen. Quelle • Natalie Lue. Weiterführende Literatur • Circles of Trust Tool (Video). 84 Praktische Tipps zur Umsetzung Verfasst vom Projektteam, gesammelt von Sanja Obaha Brodnjak, Socialna akademija Von jemandem aus der Jugendarbeit an andere in der Jugendarbeit … Nachdem wir viele Dialog-Workshops und Dialog-Veranstaltungen mit jungen Menschen unterschiedlichen Alters und kulturellen Hintergrunds durchgeführt haben, haben wir festgestellt, dass ein paar wichtige Erkenntnisse einen großen Unterschied machen können. Hier sind einige praktische Tipps und Empfehlungen, die dir dabei helfen, eine spannendere und sinnvollere Erfahrung zu machen. 85 Aktivitäten an das Alter und den Hintergrund der Teilnehmer:innen anpassen • Schüler:innen (in der Regel im Alter von 14 bis 18 Jahren) tun sich oft schwer damit, ihre Meinung zu äußern, besonders in ihrer eigenen Klasse. Sie brauchen mehr Ermutigung und strukturierte Aktivitäten, um sich an Diskussionen zu beteiligen. • Studierende (in der Regel im Alter von 18 bis 24 Jahren) sind im Allgemeinen offener und bereit, ihre Erfahrungen zu teilen. • Ermutige zur stillen Selbstreflexion, bevor relevante Themen diskutiert werden, damit die Teilnehmer:innen sich ausdrücken können und sich anerkannt fühlen. Dies kann durch 3-5 Minuten Stille oder leise Musik geschehen. • Berücksichtige bei der Planung der Aktivitäten den kulturellen, re- ligiösen und politischen Hintergrund der Teilnehmer:innen und passe deinen Ansatz an die Vielfalt der Gruppe an. • Achte bei der Zusammenstellung von Teilnehmer:innen für Diskussionen oder Übungen darauf, dass genügend unterschiedliche Perspektiven vorhanden sind, um einen sinnvollen Dialog zu ermöglichen. Ansprechende und integrative Aktivitäten gestalten • Eine praktische Übung mit einem Pappkarton mit Löchern, bei der die Teilnehmer:innen eine LEGO Figur aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten, fördert die Perspektivenübernahme und das Lösen von Problemen. • Manchmal ergeben sich spontane Momente: Erlaube der Gruppe, die Problemlösung selbst in die Hand zu nehmen, anstatt starr einem Plan zu folgen. • Habe einen Plan, aber bleibe flexibel. Beginne bei jüngeren Teilnehmer:innen mit einer Erfahrung, z. B. einem Spiel oder einer 86 interaktiven Methode, bevor du die Diskussion eröffnest und Richtlinien vorstellst. Halte immer ein oder zwei Ersatzaktivitäten bereit, falls Anpassungen nötig sind. Die richtige Umgebung schaffen • Stellt die Stühle in einem Kreis auf, um eine offene Kommunikation zu fördern und die Teilnehmer:innen einzubeziehen. • Achte darauf, dass die Stühle leicht verschoben werden können, um sie an verschiedene Aktivitäten anzupassen. • Für Präsenzworkshops ist eine Länge von 3 x 45 Minuten mit einer 15- minütigen Pause ideal. Online-Sitzungen sollten nicht länger als 90 Minuten dauern. • Wenn der Workshop in Schulen stattfindet, ist es besser, wenn nur der:die Workshopleiter:in (und ein technischer Assistent) anwesend ist und keine Lehrkräfte, um eine offenere Atmosphäre zu schaffen. • Schaffe während des Speed-Datings eine angenehme Atmosphäre, z. B. eine barähnliche Umgebung, und biete Snacks und Getränke an. Zu respektvoller Kommunikation ermutigen • Lege zu Beginn der Veranstaltung ein gemeinsames Vokabular fest, um den Teilnehmer:innen zu helfen, eine angemessene Sprache zu verwenden, vor allem, wenn sie über sensible Themen sprechen. • Entwickle gemeinsam mit den Teilnehmer:innen „Workshop-Regeln“, um die Erwartungen an ein respektvolles Verhalten festzulegen. Hänge diese Regeln zur Erinnerung auf einem Poster auf. • Persönliche Geschichten von Moderator:innen kommen oft gut an und tragen dazu bei, eine ansprechende und vertraute Atmosphäre zu schaffen. • Verbinde die Diskussionen mit realen Themen, die für die Teilnehmer: innen relevant sind. 87 Technische und logistische Herausforderungen meistern • Wenn die Teilnehmer:innen Sprachbarrieren haben, vereinfache den Text und die Anweisungen. • Wenn die Gruppe sich nicht gut kennt, lohnt es sich, mindestens zwei Kennenlernspiele in der Gruppe durchzuführen, damit die Atmosphäre lockerer wird. • Rechne mit technischen Herausforderungen: Es ist von Vorteil, eine zusätzliche Person zur Verfügung zu haben, die sich darum kümmert. • Beginne die Sitzungen mit einem kurzen Check-in (z. B. „Wie geht es dir?“), um den Teilnehmer:innen den Einstieg in den Workshop zu erleichtern. • Wenn du eine App benutzt, achte auf die Bildschirmzeit und die Aufmerksamkeitsspanne: Lange Zeit in der App kann ablenken. Mit diesen praktischen Tipps können Moderator:innen dialogische Workshops oder dialogische Veranstaltungen zu sinnvollen, spannenden und effektiven Lernerfahrungen für junge Teilnehmer:innen machen. 88 Organisationen hinter dem Projekt Socialna akademija Eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in Ljubljana, Slowenien, die sich für die persönliche Entwicklung und das soziale Engagement von Jugendlichen und Erwachsenen einsetzt. Ihre Programme umfassen Bürgerkompetenz, soziale Teilhabe, Führungskompetenz und Jugendarbeit. Sie ist auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene tätig. In Slowenien und darüber hinaus ist die Socialna akademija für ihre hochwertigen Schulungen, das Jugendprojekt-management, die Plattform für Bürgerkompetenz razgledan. si, einen umfangreichen YouTube-Kanal und eine Reihe von Publikationen für Jugend- und Gemeinwesenarbeiter:innen bekannt. 89 IniciativAngola IniciativAngola ist eine globale Jugendhilfsorganisation, die sich auf nationale und internationale Jugendförderung und nachhaltige Entwicklung konzentriert. Durch verschiedene Projekte fördert sie Solidarität und Verantwortung unter jungen Menschen für ihre Alters-genossen in Afrika. IniciativAngola befähigt junge Menschen, sich für die Gemeinschaft zu engagieren, indem sie Benefizveranstaltungen und Projekte organisiert, die ihren Interessen und Talenten entsprechen. Mit diesen Veranstaltungen unterstützt IniciativAngola Schulen, Kindergärten, Bibliotheken usw. ihrer Projekt-partner in Angola, Mosambik und Äthiopien. Documenta Documenta ist eine zivilgesellschaftliche Organisation, die 2004 in Zagreb, Kroatien, gegründet wurde. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, verschiedene gesellschaftliche Strukturen in den sozialen Prozess der Vergangenheits-bewältigung einzubinden. Durch ihre Arbeit setzt sich Documenta für Menschenrechte und Gewaltlosigkeit ein, entwickelt informelle Bildungsmethoden und bezieht Jugendliche in einen aktiven Dialog über die Vergangenheit ein. Documenta trägt zur Entwicklung individueller und gesell-schaftlicher Prozesse der Aufarbeitung der Vergangenheit bei, um einen nachhaltigen Frieden in Kroatien und der Region zu schaffen.. 90 Kathaz Ltd. Kathaz will eine Brücke zwischen der Kirche und dem zivilen Lebens in Szeged und in der Region schlagen. Mit ihren Programmen, Schulungen und Dienstleistungen bietet die Organisation Raum für religiöse und kulturelle Veranstaltungen in der Region der südlichen Tiefebene und schafft Möglichkeiten für Begegnungen zwischen verschiedenen Generationen und Gemeinschaften. Als Gemeinschaft und Bildungseinrichtung trägt Kathaz zur sozialen Befähigung junger Menschen in der Region bei. 91 hardtopics.eu