Theologische Verantwortlicher Redacteur und Verleger: l>r. Johann Chrys. Pogäzhar. jfä iL7. Samstag den 2 t. November 1849. Vorschläge K. zur religiösen Wiedergeburt des Volkes. (Schluß.) Schon die zehnte Nnmer von Reformvorschlägeu! Wann wird einmal das Ende des Aedes kommen? Ach! wer die Menge und Größe der Uebelstände auf dem religiösen Gebiete ernst ins Singe faßt und zugleich erwägt, daß die neue Zeit auch manche neue Bedürfnisse hcrvorgernfen, denen gebührende Rechnung zu tragen ist: der wird weniger das Ende meiner allerdings langen Rede, als vielmehr den Anfang männlicher That von Seite derjenigen herbeiwünschen, denen es obliegt, in einem verkommenen Gefchlechte das christliche Leben zu wecken, zn leiten und zn fördern. Möchte cs dem Vater der Barmherzigkeit und dem Gott alles Trostes gefallen, über Bischöfe und Priester den Geist der Apostel in reichem Maße auszugießcu, denn alle, noch so wohlmeinenden und begründete» Vorschläge helfen nichts, wenn nicht gottbcgeistcrte Männer sich erheben, deren von bloß menschlicher Klugheit unbeirrte und von weltlichen Rücksichten unabhängige Thätigkeit sie ins Werk zu setzen weiß. Um die Sendung solcher Männer müssen wir vor Allem inbrünstig flehen; sie allein werden einen entschiedenen Umschwung in der Sinnes- und Lebensrichtung der Menschheit bewirken; und der Schutz des Staates, der ihrem Wirken die Sicherung seiner eigenen Existenz verdanken muß, wird von selbst ihnen Nachfolgen. Quae-rite prim um regnum Dci ct justiliam ejus; et haec omnia adjicientur vobis! (Matth. 6, 33.) So lange dieses nicht geschieht, bleibt für den Freund der Kirche fast nichts übrig, als zu beten und durch Wort, wie durch Schrift auf das hinzudeuten, was geschehen sollte, und — auch könnte. Unter den von mir bereits gegebenen Rathschlägen wird sich kaum Einer finden, dessen Ausführung mit unübersteiglichen Hindernissen zu kämpfen hätte. Nein! es fehlt uns nicht so sehr das Vermögen, als der Eifer und die Thatkraft, besonders die Vereinigung; ohne diese aber wird auch die für die Kirche begehrte Freiheit, mag sie von Seite des Staates im vollsten Maße uns gewährt werden, nicht viel mehr als ein Schattenbild ohne Licht uud Leben sein.------------ Wie viel zur Vervollkommnung des religiös^ Unterrichts bei Kindern uud Erwachsenen, bei Ungebildeten und Gebildeten geschehen könnte, habe ich bereits umständlich besprochen. Ich füge noch hinzu, daß, um die der Kirche so sehr entfremdeten Gebildeten wieder zu gewinnen, die Vorträge im Hanfe.Gottes nicht hiuzureichen scheinen. Viele entschließen sich gar selten, ein Gotteshaus zu besuchen, und eine Predigt anzuhören! Die vielen Zweifel, Vornrtheile, Jrrthümer, von welchen die moderne Zeitbildnng befangen ist, lassen sich in den gottesdienstlichen Versammlungen und ' von der Kanzel, deren Vorträge au eine gewisse Form gebunden sind, kaum zu voller Befriedigung der Einzelnen lösen, uud widerlegen. Zu diesem Zwecke wären Privatkonfe-renzen sehr erwünschlich, die bei den Zusammenkünften der Katholikenvercine oder auch in akademischen Hör-sälen abgehalten würden. Wenn die bei dem Studium der Philosophie oder auf dem Obergymnasium zu tradi-rende Religionswissenschaft und die für die Candidaten des geistlichen Standes beantragte Fundamentaltheologie von Männern vorgetragen würde, die eben so durch gründliches Wissen und Glaubenseifer, als durch die Gabe des Wortes ausgezeichnet wären; so würden zu diese« interessanten Vorlesungen gewiß auch viele außerordentliche Zuhörer herbeigezogen und mit Achtung für die Religion erfüllt werden, die sie großeutheils aus Uukennt-uiß ihres Inhalts und ihrer Begründung weggeworfen haben. Mögen in Zukunft die hochwürdigsten Ordinariate wohl darauf Bedacht sein, daß solche überaus einflußreiche Lehrkanzeln mit den tüchtigsten Professoren besetzt werden, uud diese zugleich auffordern, ihren Vorträge» durch anziehende und umfassende Darstellung einen möglichst großen Kreis von Theilnehmern zu verschaffen. — Zur Verbreitung und Vertheidigung des heiligen Glaubens mnß auch die freie Presse anfs eifrigste von uns benützt werden. Wie gut verstanden die Feinde der Religion, diesen gewaltigen Hebel wider uns in Bewegung zn setzen; und wie gering, und vereinzelt waren dagegen unsre Anstrengungen! In einer Zeit wo man mit solcher Gier nach Journalen greift, wo Gebildete und Ungebildete, wenn auch f»iist nichts, wenigstens politische Blätter lesen und darnach sogar ihre Ansichten über Religion und Kirche sich sormiren — wie sehr ist es zu beklagen, daß es in Oesterreich noch nicht gelungen ist, ein größeres politisch-kirchliches Journal zu gründen, das durch tüchtige Kräfte ans allen Theilcn der Monarchie unterstützt, die Zeitbegebenhciten vom katholische» Standpunkt würdigen und die heiligen Interessen der maßlos angegriffenen Kirche wacker vertreten würde! Auch die theologischen und religiösen Zeitschriften, mit denen der dankenswertheEifer einiger Priester nns erfreut hat, genügen doch bei weitem nicht den Bedürfnissen des ClernS und des Volkes; und so verhältnißmäßig wenige dieser Blätter bei uns ans Vicht gekommen, klagen ihre Redakteure sast allgemein Aber Mangel au Mitarbeitern und Korrespondenten. Was ist Inet)oit die Ursache? Die schwervcrantwortliche UntHätigkeit so Vieler, die da Berns und Fähigkeit zum Schreibe» hätte», und die leidige Jsolirung in dem Clerus. Wie ist dem abzuhelfen? Ich meine, die Weckung der Thätigkeit und besonders die Vereinigung der Kräfte muß von Oben ausgehen. Unsre hochwürdigsten Oberhirten, von der ungeheuren Wichtigkeit der Tagespreffe überzeugt, müssen durch aufmunternde Worte und Thaten das Entstehen und Fortbestehen guter Journale anregen und unterstützen, und die fähigen Priester ihrer Diöcefen zn einem planmäßigen Zusammenwirken auffordern. Wenn Oesterreich mir einige, ans allen Gegenden der Monarchie theils mit leitenden Artikeln, theils mit Nachrichten regelmäßig unterstützte, religiöse Blätter hätte, wie erstaunlich groß würde der Nutzen für die Bildung des Elenis und des Volkes sein! Ueberdieß sollte jede Diö-cese oder doch jede kirchliche Provinz ein besonderes Organ haben, das auf die Lokalbedürfnisse speziell berechnet wäre. — Anch die Abfassung kleiner religiöser Ab Hand ln n gen, die man um wohlfeilen Preis unter das Volk verbreiten könnte, wäre bei vereinten Kräften eben so ausführbar als erfolgreich. — Könnte nicht auch durch wohlorganisirte Lese vereine «ud geistliche Leihbibliotheken viel Gutes gestiftet werde»? Tie Gründung der letzteren kenne ich aus Erfahrung, und behaupte, daß es gar nicht schwer hält, in jeder Pfarre eine kleine Leihbibliothek zu gründen. Einige kleine Opfer der Mühe nnd des Geldes muß man dabei freilich sich gefalle» lasse»; wen» wir aber bedenken, welch' ungeheure Opfer die Bibelgesellschaften der Protestanten für ihre Zwecke bringen, müssen wir uns nicht schämen, daß wir nicht im Stande sind, einen großartigen Verein zur Verbreitung guter Bücher »u gründen? Jedoch die Entstehung und Fortbildung solcher großartiger Vereine ist bedingt von großartigen, hervorragenden Persönlichkeiten, die entweder dazu einen kräftigen Impuls geben, oder mit wahrer Begeisterung und Opsermuth das Werk in ihren Schutz nehmen. Uebrigenö wird die eifrigste Beförderung der katholischen Presse für die sittlich-religiöse Wiedergeburt deS Volks nicht das Gehoffte leisten, wenn zugleich das Unkraut der gottlose» Presse »»gehindert fortwuchern darf, und die frevelhafte Verhöhnung der Religion und des Clerus nicht die empfindlichste Strafe findet. Wer weiß nicht, daß noch jetzt, nachdem auf die heillose Anarchie nnd Zügellosigkeit des vorige» Jahres ei» geord»e-terer Zustand gefolgt ist, gewisse Journale nnd Flugblätter kursire», die, im Dienste des Radikalismus und des zuchtlosen, kommunistischen Rongeanismns stehend, keine andere Tendenz haben, als durch Spott und Lüge, durch Verleumdung und Sophismen, de» letzten Rest des christlichen Gla»be»s nnd der Moralität ans den Herzen des Volkes wegznsegen? Welches Unheil dergleichen höllische Brandbriefe, die man auf allen Wegen gratis ausstreut, unter den Proletariern der Städte und auch unter dem Laudvolkc autichten, ist bekannt. Was nützen dagegen einige widerlegende Artikel, die etwa irgend ein katholischer Literat in ein solides Blatt einrücken läßt, welches von Wenigen gelesen wird, da die verderbte Menschheit weit begieriger »ach dem Schlechten, als nach dem Guten greift? Auch ein Preßprozeß, von einem einzelnen Privaten, besonders von einem Geistlichen ein geleitet, würde kaum zu einem erwünschten Resultate führen. Also soll sich die Kirche ohne Klagelaut von ihren erboßten Feinden ins Angesicht schlagen, und durch schamlose Verführer die unsterblichen Seelen fort und fort ihrem Mutterschooß entreißen lassen? Da-3 sei ferne! Hier, glaube ich, ist es Pflicht der geistliche» Behörden, die weltliche Macht zur Bestrafung nnd Unterdrückung von Freveln anznrnftn, der» Folgen ja auch den Staat aufs empfindlichste berühren. — Wie boshaft und planmäßig wird ferner auf die Dekatholisiruug und Entsittlichung des Volkes hingearbeitet durch die Theater! Ich habe selbst mehrere profane und der katholischen Sache keineswegs günstige Zeitungen gelesen, die Über die ans der Bühne verkommenden Obseönitäten und Herabwürdigungen des Heiligsten eben so entrüstet als erschreckt, ihre Verwunderung darüber anssprechen, daß nicht dagegen von Seite des so gräulich mißhandelten Clerns eine energische Protestation erhoben wird. Das republikanische Frankreich hat seine Theatercensur, weil es durch blutige Erfahrungen zur Einsicht gekommen ist, daß die Theater, die man eine Bildungsschule das Volks zu nennen beliebt, nur allzulcicht eine Schule der Laster werde». Ist es nicht auch in Oesterreich *) hohe Zeit, den Schäiidlichkeiten der Bühne Schranken zu setzen, und die Entweihungen der Religion., nnd ihrer Diener, so wie die politischen Wühler eie» von ihr fern zu halten ? — Den frevlen Schauspielern eifern auch, wie besonders vvn Wien berichtet wird, lüderliche Bänkelsänger und Harfenspieler nach, und ergötzen mit ihren Zo- *) Eben l)övt man, daß auch bei und an einem Tbeatergeietzc gearbeitet wird. c' E. ten und Spottliedern, auf Koste» der Religon und guten Sitte, das lebenslustige Publikum iu den seit einigen Jahrzehnten erstaunlich vermehrten Wirthshänsern und Unterhaltungsorten, die eine unersättliche Genußsucht hervvrgerufeu und den Sinn fürs Geistige und Himmlische völlig abgestumpft haben. Sollten da nicht die weltlichen Obrigkeiten von dem gesammten Episkopat bei allem, was ihnen heilig und theuer ist, beschworen werden, solchem Unwesen kräftigst zu steuern, da sonst alle Zucht und Ehrbarkeit, aller moralische Sinn und christliche Glanbe verschwinden muß? Was werden alle neueren politischen Einrichtungen und Verbesserungen der Staatsverwaltung nützen, wenn nicht vor Allem die Staatsmänner im Einverständnisse mit dem Clerns die geeigneten Mittel aufzusuchen und anzuwcnden trachten, um der gesunkenen Moralität und Religiosität wieder auszuhelfen? Könnte man nicht, um der Genußsucht und Schwelgerei einigermaßen entgegenznarbeiten, M ä ß i g-keitsvereine gründen? Könnte man nicht, um die Säuberung des großen Augiasstalles kräftig zu beginnen und mit sicherem Erfolge z» vollenden, Missionen abhalten? — Ich habe gleich in der ersten Nummer meiner Vorschläge die Missionen oder Volkscrereitien empfohlen, und muß am Schluße noch auf dieselben znrückkommen. Nur durch Missionen scheint es mir möglich, in den Massen des Volkes eine wahre Rückkehr zum Glauben und christlichen Leben nachhaltig zn bewirken, und den Gebrauch der heil. Sakramente wieder iu Aufnahme zn bringen. Ach, wie steht cs (wenigstens in Städten) in Betreff der Beichte, die doch ein so wirksames, unentbehrliches Mittel der Besserung ist! Wie zahlreich sind, sogar unter den gemeinsten Leuten, aber verhältnißmäßig noch mehr unter den Gebildeten, selbst im Frauenge-schlechte, diejenigen, welche die Beichte vernachläßigen, abhorriren und verhöhnen! Und doch leben Manche dieser Menschen in dem Wahne, daß sie gute Christen und Katholiken seien, weil sie die Kirche besuchen, eine Predigt hören und etwa auch das Gehörte glauben, wenigstens nicht geradezu läugneu. Aber ist denn Christus ein bloßer Lehrer, und nicht der Erlöser? Hat er nicht unsre Schuld getilgt durch das Verdienst seines Todes am Kreuze? Dieses Verdienst aber eignen wir uns an durch die Sakramente als die Gnadenquellen, ans welchen wir Versöhnung unsrer Sünden und höheres Leben schöpfen. Ist nicht das Hanptübel der Menschheit und der Ursprung alles Elends die Sünde? Aber keine Vergebung der Sünde ohne Bekenntniß, ohne Beichte vor Denjenigen, denen Christus die Gewalt gegeben hat, in seinem Namen die Sünden nachzulassen. Kann man also wohl ein Christ, ein Katholik sein, wenn man der Leichte sich entzieht? Nimmermehr! Darum kann ich trotz der vollgedräugten Kirchen bei gewissen Festlichkeiten, trotz der zahlreichen Zuhörer mancher Kanzelredner, nicht ganz froh werden, so lange ich nicht sehe, daß Gebildete und Ungebildete schaarenweise zu den Beichtstühlen eilen und den Tisch des Herrn umkränzen. Wie läßt sich das bewirken? Mic est labor et patientia Sanetorum! Das ist wohl der schwierigste Punkt, über welchen ich oft nachgedacht und mit Ändern mich be-rathen habe. Ich möchte in dieser Beziehung Folgendes in kurzer Andeutung empfehlen: Man richte fast alle Predigten so ein, daß sie die Zuhörer zur Beichte anmahnen, und wähle sie selbst oft znm Thema des Vortrags. — Man mache den Pönitenten den Zutritt zur Beichte so leicht und bequem, als möglich. Das erfordert von Seite der Priester große Aufopferung, geschickte Eintheilnug und freundschaftliches Verständniß mit den Amtsbrüdern. — Man pflege eifrig die frommen Bruderschaften, die einen mächtigen Antrieb zur öfteren Beichte mit sich führen, und gebe auch den neueren Katholikenvereineu jenej Richtung, daß ihre Mitglieder sich für verpflichtet halten, durch öffentlichen und gemeinschaftlichen Gebrauch der Sakramente Anderen voranzuleuchten. Man besetze die Wallfahrtsorte (von welchen die nahe bei einer Stadt gelegenen die wichtigsten sind) mit einer genügenden Zal,l eifriger und verständiger Priester. — Man benütze außerordentliche Festlichkeiten, besonders das bald zn hoffende große Jubiläum, das man mit ganz vorzüglicher So-lemnität begehen sollte, um in dieser Gnadenzeit das Volk gewaltig aufzuwecken zu einem neuen Lebe». Ueberhaupt muß in der Feier des Gottesdienstes hie und da Manches eingeführt und veranstaltet werden, um ein regeres Leben hervorzurufen und de» geschwächte» Glauben zn wecken und zu befestigen. Die allzu trockene und herzlose Einfachheit, das frostige immerwährende Einerlei, die nachläßig herabgebeteten Litaneien und sonstige vorschriftmäßige Hebungen können wohl den Sinn für Religion tödten, aber nicht beleben. Ohne die kirchlich sanktionirte Ordnung eigenmächtig zn verletzen, kann der eifrige Seelsorger Mittel genug finden, durch einige Modifikationen oder Zusätze, durch schönere Verzierung der Altäre, durch Aussetzung von Reliquie», d»rch Aufstellung neuer Bilder rc. der Andacht großem Reiz zu verschaffen. Welcher Ordinarius wird cs hindern, andere, vom römischen Stuhle gutgeheißene Andachten zu verschiedenen Zeiten abzuhalten, z. B. die Anbetung an den drei letzten Faschingstagen, die Andacht des Kreuzweges, der heil. Herzen Jesu und Maria, des heil. Aloysius, durch welche letztere einer meiner geistlichen Mitschüler seine im Kirchenbesuch sehr laue Gemeinde zn bewundernswürdigem Eifer gestimmt hat. Schöne Lieder, wohlgeordnete Prozessionen, feierliche Kinderkommunionen rc. wie mächtig wirkt dieß alles auf die Ge-müthcr! Endlich da der Ritus ein Ausdruck unsers Glaubens ist, und in unfern Gegenden der Glaube an den Primat des Papstes nicht gar fest und kräftig sich erwiesen hat, wie nützlich wäre es, den Namensund Kröiiungstag des heiligen Vaters (wie mich den schon in den ersten Jahrhunderten gefeierten Weihetag des Diözesanbischofs, natalitia cpiscopi) durch eine gemeinschaftliche Soleinnität auszuzeichnen! Wir sind ja nicht katholisch, wenn wir nicht römisch-katholisch sind. — O wie viele und kräftige Mittel ständen uns zu Gebote, deren nngesänmtc Anwendung eben so möglich als erfolgreich wäre. Will man warten, bis der Staat die Erlanbniß gibt — zu Dingen, zn welchen wir von Gott berechtigt und — streng verpflichtet sind? Ach! man ist noch immer allzu sehr gewohnt, schriftliche Dekrete abzuwarten, die man vielleicht in unseliger Indolenz nicht einmal recht benützt, auch wenn man sie schon in Händen hat. Man ist so überklug und scheu, daß man in jeder kräftigeren Lebensäußeruug, fei sic auch noch so kirchlich, eine Art Revolution wittert, die man mit aller Macht der Anktorität Niederhalten müsse. Wie soll da Leben und frische Thätigkeit in Volk und Klerus kommen? Was wird die sogenannte Freiheit der Kirche uütze», wenn sie zwar auf dem Papiere steht, aber nicht in der That geübt wird? Ihr römischen Katholiken! Lernet von den Deutschkatholiken, die, obwohl in Oesterreich nicht gesetzlich anerkannt, ungeschält und unbeirrt ihre sakrilegischen Funktionen üben, und unter dem Vorwand der Religions- und Gewissensfreiheit, ipso facto als gesetzlich Anerkannte sich geriren. Während diese bei ihrer offenbaren Ir religio» weder ein göttliches, noch ei» menschliches Recht auf den Bestand ihrer Sekte haben, und daher in jeder Beziehung illegitim und revolutionär sind: hat die wahre, katholische Kirche in ihrer Existenz und Entfaltung die göttliche Legitimität für sich, die auch der Staat, fo lange er nicht vom Christenthum förmlich abfällt, anerkennen muß. In jedem Konflikte, der zwischen Staat und Kirche eintreten mag, bleibt als entscheidender Canon unsrer Handlungsweise der Ausspruch der Apostel: Oportet Ih'o magis obedire, quam hominilms. Daß man Gottes Geboten den Vorzug vor dem Willen der Menschen gibt, kann nie und nimmer als ein Gesetzesfrevel, als eine strafbare Auflehnung betrachtet werden. Geschieht dicfi dennoch, so geziemet uns, zu leiden und — im Güten zu beharre». Hofft man etwa, daß die Kirche, auch bei den freundlichste» Beziehungen zum Staate, jemals anfhören werde, eine streitende und leidende zu sein? Nimmermehr! Ter Kampf ist ihr so nothwendig, als der Sieg gewiß. ■— Täuschen mir nns nicht! Unser Heil beruht weder ans weltlicher Klugheit und günstigen Konkordaten, noch weniger auf trägem Zusehen und feigem Dulden, sondern auf Gottes Gnade und unsrer eignen Thätigkeit, die bei der Größe des Nebels eine vereinte werden muß. Vereinigung kann mir von Oben ausgeheu und festgebalten werden; das bringt die göttliche Konstitution der Kirche so mit sich. Die Priester müssen aufs engste mit ihren Bischöfe», diese mit einander sich verbinde» und an den römischen Stuhl sich anschließen. Wie steht es noch jetzt mit dem Metropoli- tanvcrbaudc? . . . Welche Mittel hat man versucht, um den Clerus zu erneuern und zu kräftigen? . . . Wie über die religiöse Regeneration des Volks, so wäre auch über die des Clerus gar viel zn sagen. Ich bemerke nur flüchtig, eine sorgfältige, theologische und aszetische Bildung in den Seminarien, die Einführung von Erer-zitien, Pastoralkonfereiizen uttb Diözesausyuodcn sind unumgänglich nothwendig, um ein vertrauensvolles Vcr-hältniß zwischen Sterns und Bischof anzubahnen und eine lebenskräftige Einheit hervorzubringen. Auf diese Weise dürfte cs bald geschehen, daß zn gewissen speziellen Zwecken z. B. Missionen, Unterricht und Erziehung, mehrere eifrige Priester in engere Vereine zusammen-träten, und ihre Dienste dein Bischöfe anböten, gleich den Oblaten des heil. Karl Borromä. Diese Vereine könnte» eine Vorbereitung zum Entstehen verschiedener Orden werden, ohne welche, wie ich meine, nichts sehr Bedeutendes und Nachhaltiges geleistet werden kann. Wir brauchen Missionäre, Schulbrüder, auch eine» wissenschaftliche» Orden, wie z. B. der Philippiner; sonst wird die schöne Idee von kirchlichen Schulen und Gymnasien kaum verwirklicht werden. — Möchten diese und ähnliche Gegenstände den Stoff geistlicher Berathungen bilde»; denn sic sind Lebensfragen für die Kirche in Oesterreich. Mit wie vielen unfruchtbaren Dingen bringt inan die Zeit langer Sitzungen zu, ohne daß davon die eigentliche Seelsorge, die Weckung und Förderung deö religiösen Lebens einen Gewinn hat. Es ist nur allzu wahr, daß das vorn Staate ans die Kirche übertragene Bnreaiikratenthum und Kanzlciregimcnt die echtkirchliche Regierung unwirksam macht. Dabei möge jedoch Niemand seiner eigenen Schuld vergessen; denn so wie die Priester wenig »erniögen ohne thatkräftigeLeituug d er O ber-hirten, so auch diese nicht ohne eifrige und gehorsame Priester. Wenn wir Alledemnthig unsre Schuld eingestehen, werden wir mit sichersten sowohl Gottes Zorn versöhnen und seine Gnade auf uns herab- ziehen, als auch liebend mit einander uns vereinigen — znin herrlichen Aufbau der Mauer» SionS. Schlor. Vorträge über christliche Metaphysik. (Fortsetzung.') 13. Frcihcitöprobe — Fortschritt. Wenn mm aber die Wcltfchöpfung mit und in der Schöpfung des Einen Adam ihren organischen Schluß erlangt hatte und fertig und gut war, so entsteht die Frage: Woher und wozu das große Ge- schlecht v o u M e u s ch e n? Um die Antwort ans diese gewichtige Frage zu finden, ist folgender, sehr bedeutender Umstand inS Aiigc ZU fassen: Das göttliche oder absolute Sei» ist bie absolute Voraussetzung für alles crecitiirfichc oder bedingte Sein, so daß Gott den Menschen nur schaffen konnte zur Verbindung und lebendigen Einheit mit Ihm. Der Mensch aber als geistiges Wesen ist freies Wesen. Und die Idee einer freien persönlichen Creatnr bringt es mit sich, daß ihre Vereinigung mit Gott eine Vereinigung in Liebe, — also eine freie, aus ihrem Willen selbst hervorgehende, ein Werk ihrer Selbstbe-stimmnng sei. Der Act dieser Sclbstentscheidung des freien Geschöpfes für oder wider Gott ist die Freiheitsprobe desselben, — und kann nur geschehen ans der Basis des ursprünglichen Verhältnisses zwischen ihm (dem Geschöpfe) und Gott, d. H. 1) er kann nur bestehen in einem?lcte des Gehorsams oder des Ungehorsams der Creatnr, in welchem dieselbe eben ihr ursprüngliches Verhältniß zu Gott entweder factisch affinnirt und somit confirmirt oder faktisch negirt und somit aufhebt. — 2) Kann der Act der Freiheitsprobe der freien Crea-tur nur geschehen mit und in dem vollkommenen Bewußtsein ihrer Freibeit uud zugleich ihres natürlichen nrsprüng-lichen Verhältnisses zn Gott (ihrer Creatürlichkeit) und dieser Act der freien WillenScntfchcidung und faktischen Aenßerung derselben ist cs, der jene Selbsterkenntniß vermittelt und mit dem sie gegeben ist, da der frühere Zustaud als der eigentliche Zustand der Unmittelbarkeit, der Kindlichkeit des Selbstbewußtseins betrachtet werden muß. Nach allem diesem ist also der Act der Frciheits-probe ein integrirender — und der letzte Moment in der schöpferischen Realisirnng der Idee einer persönlich freien, selbstbewußten Creatur, — ist ein positiver (ponirender) und über de» Zustand (das Dasein) der letztem als solchen, vollkommen entscheidender Moment. Ist somit die Selbstentscheiduiig der Creatnr der Idee Ihrer gemäß nud entsprechend, so ist das Geschöpf in derselben vollendet und auf immer festgestellt, also in vollkommen entwickelter Persönlichkeit in ewiger Liebeseinheit mit Gott verbunden. — Geschieht sie wider die Idee Seiner als Creatur, so vollführt sich die subjektive Selbstvollendnng der Creatur im objektiven Widerspruch mit ihr selbst; sie ist ihrer Idee nach Crea-tnr — nnd freie Creatnr, hat somit Gott zu ihrer absolute» Voraussetzung, nnd ist mit und in sich selbst fertig geworden im Widerspruche gegen Gott. Welcher Zustand dann kein anderer ist, als ewiges Leben im Tode uud ewiger Tod im Leben — ewige Unselig k e i t. Dieser Erfolg aber der gegen die Idee der Crea-türlichkeit sich vollführcnden subjektive» Selbstvvllendung der Creatnr mußte im Meschen sich noch in eigener Weise modificiren. Der Mensch nämlich ist die organische Einheit von Geist und Natur, nnd als solche die leibhafte — faktische Repräsentation der Idee der Crea-türlichkeit. Sein tatsächlicher Widerspruch gegen letztere war mithin ein tatsächlicher Widerspruch in ihm und gegen ihn selbst als Synthese von Geist und Natur, und seine faktische Selbstvollenduug in seiner Subjektivität war ein faktisches Aufheben Seiner in feiner Objektivität, also Seiner als organischer Einheit der beiden Elemente der creatürlichen Welt, — war ein Aufheben Seiner als Menschen, so daß sich in ihm zum augeubicklichen ewigen geistigen Tode auch der augenblickliche leibliche Tod gesellte. Wenn also der Mensch in seiner Freiheitsprobe nicht bestand, uud somit als Mensch unterging, so war und blieb, falls er in und aus feinem Untergänge keine Erlösung fand, die Idee Gottes vou der Creatur, die Gott hatte iu der Schöpfung realisiren wollen, ohne Realität, denn die ganze creatürliche Welt war und blieb eine Ruine, ein Widerspruch Gottes. Aber der Mensch konnte erlöset werden — nämlich: wenn er sich zum Organismus eines Geschlechts entfaltete. Darum »war es nicht gnt, wenn der Mensch allein blieb» und darum schuf Gott ans Adam die Eva, d. H. er stellte den Gegensatz des Geschlechtes, der in Adam aufgehoben war, wieder her. Um der Erlösung willen und durch de» Erlöser besteht also das Geschlecht der Menschen oder der Mensch als Geschlecht. Dieses ist nichts Anderes, als der entwickelte erste uud Eine Mensch. Die Menschheit bildet mithin Ein großes Ganzes, eine in sich beschlossene Familie, die in ihrer Totalität eben so ihr eigenthüin-liches Leben lebt, ihre eigene Geschichte hat, wie der einzelne Mensch, dessen Geschichte eben nur der Refler von jener ist und von ihm getragen wird. Hierauf beruhet der so hochgerühmte Fortschritt in der Menschheit, der nichts Anderes ist, als der ganz natürliche Entwickelungsgang des Menschengeschlechts, dem entsprechend, der auch im einzelnen Menschen Statt findet, indem das Natnrelemeut im doppelwesigen Menschenleben dieses zum Proceß macht, in welchem zuerst (in der Kindheit) der Naturpol, dann (im Jünglingsalter) die Mittelregion von Natur und Geist, das Gefühls-oder Phantasielcben, uud endlich (im Manncsalter) der Geistespol, oder das Denklcbcn vorherrscht. — Dieser Proceß kann und muß sich überall wiederholen, wo immer sich das Geschlecht zn einem organischen Theil-ganzen gestaltet nnd sich als solches erhält. 14. Substanzieller Unterschied Gottes von der Welt. Geist uud Natur sind also wesentlich-verschie-dcue Substanzen. Sie sind im Menschen zu einem Organismus verbunden, und wir haben gesehen, wie sie eben in ihrer qualitativen Verschiedenheit und durch dieselbe gleich ursprünglich für einander prädestinirt und für diese organische Verbindung prästabilirt waren. Die ganze creatürliche Welt bildet deßhalb ein großes organisches Ganze, aus welchem kein Glied hinwegge-dacht werden kann, und von welchem der Mensch die reale Darstellung der idealen Einheit, den Mittel- und Schlußpunkt bildet. Dieser organische Bestand der Weltcreatur fällt zusammen und ist eins mit der Relativität des Lebens der constitutiven Glieder dieses großen Organismus. Das Leben aber ist nichts Anderes, als die Offenbarung des substanziellen Seins selbst, also in seiner allseitigen Relativität — Offenbarung der Relativität der Substanzen, — so daß die Welcreatur in und mittelst der wesentlichen Verschiedenheit ihrer constitutiven Glieder Zeugniß gibt, daß sie in ihrem Sein selbst abhängig und bedingt ist von einem wesentlich-ändern, unabhängigen unbedingten Sein. Darum muß der Mensch, als die organische Einheit der zwei contradictorischen Grundwesen von Natur und Geist, sich aussprechen und erkennen als die reale Darstellung der Idee der Bedingtheit, als die reale Idee der Creatur,— als die wese „hafte Offenbarung Gottes. Ist er aber dieses, so muß er Gottes, des Unbedingten, (alle Creatur Bedingenden) Wesen aus seinem Wesen, Gottes Lebens- oder Daseinsform aus seiner eigenen erkennen und verstehe». Und da finden wir denn vor allem Ändern, daß Gott nothwendig ein von Geist und Natur qualitativ-verschiedenes, außer und über der Welt stehendes Sein ist. Denn da Beide: Geist und Natur, in ihrer qualitativen Verschiedenheit zu einem Organismus verbunden sich in ihrer Lebcnswirksamkeit wechselseitig bedingen und beschränken, so kann eben so wenig Eines der Urgrund des Ändern seilt, als Beide in einer einzigen, die Indifferenz Beider bildenden Substanz ihre» Grund finden können; eben so wenig aber kann der Denkgeist die organische Synthese beider creatür-lichen Substanzen als das Absolute ansehen, da der Mensch eben selbst diese organische Synthese, und co ipso das Mittel - und Schlnßglied des geschöpflichen Universums darstellt. Also Gott ist ertramundan — und unsere Erkenutniß Gottes insofern allerdings eine trans-cendente, aber deßhalb dennoch nicht minder gewiß, als unser Jchgedanke selbst. Denn indem der Mensch als aus den beiden realen oder substanzialen Contradictionen von Natur und Geist bestehend, sich als die reale Idee der Bedingtheit, also als die stehende, reale Frage nach dem Unbedingten erkennen muß, so ist er in sich selbst und durch sich selbst (durch feilt Ich selbst) geuöthigt, über den con-trär-contradictorischen Gegensatz der Substanzen in ihm, sich zn erheben (ihn zu transceudiren) um den unbedingten Urgrund zu erfassen, der dann nothwendig eine dritte, von Geist und Natur wesentlich verschiedene, — also beiden conträr - contradictorisch entgegengesetzte Substanz sein muß. 15. Lebensform Go ttes. Das bedingte und das unbedingte Sein sind also Contrapositionen. Die creatürliche Welt ist die Coutr«Position Gottes. Das ist das Gruud-princip der Creationstheorie und der Gotteserkenntniß in ihr. Denn eben dadurch, daß die Weltcreatur die Coutrapositiou Gottes bildet, wird sie zur Offenbarung des göttlichen — absoluten — Sein als solchen. In dem nämlich, was das Wissen des Geistes um Sich felbst (das Selbstbewußtfein), und das in diesem Wissen sich kund gebende und Seiner kundig werdende Sein als creatürlich characterisirt, spricht sich zugleich als real-coutradictorischer Gegensatz Dasjenige aus, was das Sein und Dasein Gottes als absolutes bezeichnet; wodurch sich das crea-türliche Sein als creatürliches affirmirt, uegirt cs sich als göttliches Sein, spricht aber eben dadurch auf indirekte Weise aus, was und wie Gott ist. Gott aber ist ein Sein an und für Sich, — eine eigenthümliche, d. H. von Geist und Natur qualitativ verschiedene Substanz. Jede Substanz nun erfüllt die Idee Ihrer als Substanz durch und iu Ihrem Leben, d. H. dadurch, daß sic sich iu ihr selbst und vor ihr selbst als selbstige Wirklichkeit und wirkliche Selbstheit, — als Objcct-Subjcct, — bewährt, zur immanenten Selbst-offenbaruug vordringt nnd Ihrer inne oder wissend wird. Das Selbstbewußtst in ist die formale Selbstvollen-dung des Seins. Wir wissen nun aber, daß der creatürliche Geist, als creatürlicher, d. H. als Scin-nicht-dnrch-Sich auch nicht unmittelbar durch Sich, sondern durch Anregung von Außen, durch die Lebensäußerung und -einwirkung eines fremden Geistes zur Lebens- oder Selbst-bewußtscinseittfaltnng gelangt, und eben deßhalb (nämlich weil iu Wechselwirkung mit dem fremden Sein) nur in Erscheinungen sich selber offenbar werden kann. — Wie nnn in der Mittelbarkeit seiner Lebensäußerungen der Geist die Signatur seiner Creatür-lichkeit (d. H. der Bedingtheit seines Seins selbst) findet: so erkennt er (mit der Sicherheit nnd Gewißheit seines Wissens um sein eigen Sein) zugleich und zumal: daß und wie in Gott, als dem absolut selbstig-Wirk-licheu und wirklich-Selbstigeu — dem Sein-durch-sich, — die Selbstaffirmation seiner selbst als solchen: das Selbst-bewnßtsein, ein unmittelbares, — ein Wissen ist durch Sich, also ohne auf eine fremde Einwirkung angewiesen zu sein und nicht in Erscheinungen, also in Nicht-Erscheinung seines Wesens, durch sei» Wesen selbst. Mit Einem Worte: Ans dem, daß der creatür-liche Geist als creatürlicher in bloßen Erscheinungen Seiner bewußt wird, erkennen wir, daß Gott als derAbsolnte d. H. iu seiner Contrapositivität gegen den Geist, durch Emanation sein Selbstbewnßsein entfaltet. Allein auch die Natur cmnnirt, und es enstcht die Frage: Wie verhält sich die Emanation der Natur zur Emauation in Gott? — Die Emanation in Gott ist Offenbarung seiner Absolutheit, seines Seius-durch-Sich und seinesDa-seins- oder seinsErscheinens-dnrch-Sich; die Emantion in der Natur ist Offenbarung ihrer Relativität, und zwar ihrer Relativität i u zweiterPotenz, ihres Seins» nicht-sür-Sich, also auch nicht-dnrch-Sich und ihrer Unfreiheit in ihrem Erscheinen. Ferner: Die Emanation in Gott führt zur vollkommenen Immanenz, zum absoluten Bewußtsein Seiner selbst und ist absolute Personificirnng; die der Natur, als zusammenfallend mit der Materialisirnng, ist das negative Moment in ihrem Selbstbewußtseinsstreben, ist die Contradiction der Verinnernng, mithin die Ursache, warum das Wissen der Natur nicht ein Wissen um den Grund, sondern bloß ein Wissen der Erscheinung ist. Die Emanation Gottes fällt zusammen mit der ursprünglichen Differenzirung der Substanz Gottes und ist diese Differenzirung selbst; in der Natur ist die Emanation, als Veräußerung oder Materialisirnng Fo lge einer ursprünglichen Differenzirung der Natursubstanz, die eigentlich eine Entzweiung derselben ist, eine Entfremdung derselben von sich selbst. Wie die göttliche Emauatiou der absolute« Identität der göttlichen Substanz Zeugniß gibt, so ist die Natur-Emanation ein Zeugniß der ursprünglichen Nichtidentität, oder der ursprüngliche» Gegensätzlichkeit in der Natursubstanz. Darum ist die Emanation in Gott als positive und absolute Lebeuseiitfaltuttg Gottes eine totale, — in der Natur ist sie, als negatives Moment au der positive» Lebensentfaltung, als Sclbstveräußcruug an der Selbst-veriiinerung, als Folge der Contradiction in der Snb-stanz, überall nur eilte partiale. (Fortsetzung folgt.) Aus I. Dölliriger's Rede „die Freiheit der Kirche." Diese Rede war die Antwort ans eilte Reihe von Fragen über das Wesen der kirchlichen Freiheit, die am 3. Oct. d. I. im »Regensburger Tagblatt« standen, und im Grunde nichts Anderes sind, als die Quintessenz der gewöhnlichen feindlichen Angriffe ans dieses kostbare Gut der Kirche. Die erste Frage war unverfänglich; sie lautet: »Was versteht der Verein unterFreiheit derKirche?« Döllinger entgegnet: Hierauf könueu wir nun zuvör- derst die Antwort geben, daß wir keine andere Freiheit für die kath. Kirche begehren, als diejenige, welche ihr iu den Grundrechten der deutschen Nation, wie sie von der Frankfurter Nationalversammlung verkündet worden, bereits zugesichert ist, keine andere Freiheit, als die, welche auch die beiden Entwürfe der preußischen und der österreichischen Retchsversassuug mit deutlichen Worten aussprechen. In den Frankfurter Grundrechten heißt es nämlich (Verfassungsentwurf (§. 147): »Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgefetzen unterworfen,« und noch bestimmter und ausdrücklicher im preußischen Verfassnngsentwurs: »Jede Religiousge-sellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, und eilte jede bleibt im Besitz und Genuß der für Kultur-, Unterrichts - und Wohlthätigkeits-Zwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds. Der Verkehr der Religionsgcfellschaften mit ihren Obern ist unbehindert. Die Bekanntmachung ihrer Anordnungen ist nur denjenigen Beschränkungen unterworfen, welchen alle übrigen Veröffentlichungen unterliegen.« Die Bestimmungen des österreichischen Verfassungsentwurfs sind im Wesentliche» gleichlautend. Somit also wäre die Beantwortung unserer Frage leicht und einfach: Die kirchliche Freiheit, nach welcher die katholischen Vereine aus allen Kräften und mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln streben, ist keine andere und soll keine andere sein, als diejenige, welche in de» entworfenen Verfassungen der zwei größten deutsche» Staaten: Preußen und Oesterreich — vorläufig auf dem Papiere fleht. Ich fühle jedoch sehr wohl, daß ich der Frage und ihrem Urheber mit dieser Hinweisung noch nicht genügt habe; beim cs drängt sich sofort die weitere Frage auf: Was heißt das: Kirchliche Gesellschaften sollen künftig ihre Angelegenheiten selbstständig ordnen und verwalten? Was muß zu den eigene» Angelegenheiten der Kirche gerechnet werden? Auch darauf kann eine bündige und klare Antwort ohne Mühe gegeben werden. Cs handelt sich hier um die Angelegenheiten der christlichen Kirche, d. H. um die Angelegenheiten einer Gesellschaft, welche vor fast zweitausend Jahren gegründet, und gleich bei ihrer Gründung für ein bestimmtes Ziel mit festen unwandelbaren Grundsätze» und Vorschriften ausgestaktet worden ist; also die Feststellung und Verkündigung ihrer Glaubens- und Sitteulehre, die Gestaltung ihres Gottesdienstes, die Verwaltung der kirchlichen Heilsmittcl, die Handhabung kirchlicher Zucht und Ordnung, die Aufrechterhaltung ihrer Verfassung, der Verkehr der Einzelnen wie der Gemeinde» mit ihren Ober», die Bestimmung der wechselseitige» Beziehungen zwischen den Geistlichen und de» Gemeinden, die Bildung, Erziehung und Einsetzung der Geistlichen und ändern kirchlichen Diener, die Bildung und Leitung besonderer kirchlicher Genossenschaften innerhalb derKirche, Verwaltung und Verwendung des kirchlichen Vermögens — das alles sind die Angelegenheiten der Kirche, welche sic, wenn es mit ihrer Freiheit Ernst werden soll, beständig zu ordnen und zu verwalten haben wird. Wenn die Kirche diese ihre Angelegenheiten erstens selbstständig ordnet, so thnt sie dieß durch die Ausübung einer gesetzgebenden Gewalt, d. h. sie stellt Grundsätze und Vorschriften auf, wie cs mit dem Gottesdienste, mit der Er-thcüutig der Lehre, nach den verschiedenen Abstufungen der zu Belehrenden, mit der Bildung und Erziehung der Geistlichen, mit der Verwaltung des geistlichen Amtes, der Gewährung oder Entziehung der Sakramente, der Aufnahme in die Kirche oder Ausschließung aus derselben gehalten werden solle, und diese ihre Gesetze und Vorschriften bedürfen dann nicht etwa erst einer Genehmigung durch die Staatsgewalt, sondern sind an sich schon als ansgeflossen von der rechtmäßigen kirchlichen Autorität für die Gläubigen giltig und verbindlich; denn es leuchtet ein, daß nur da, wo der Kirche dieses Recht eingeräumt ist, von einer Selbstständigkeit derselben, oder von selbstständiger Ordnung ihrer Angelegenheiten die Rede sein kann. Der Kirche ist aber auch zweitens die selbstständige Verwaltung ihrer Angelegenheiten zugesichert; diese kann nur darin bestehen, daß die Kirche die von ihr ausgestellte« Grundsätze uud Vorschriften nun auch im wirklichen Leben durchführt, und in der Anwendung auf einzelne Fälle selber handhabt, ohne hierin von fremder Gewalt abhängig oder fremder Einmischung unterworfen zu fein; denn eben darin besteht das Wesen der wahren Freiheit für den Einzelnen, wie für eine Gesellschaft oder Korporation, daß Jeder sich nach seiner Eigentümlichkeit und der ihm angewiesenen Bestimmung gemäß entwickeln und leben, und seine ganzeKraft und Thätigkeit ungehindert zur Losung der ihm gesetzten Aufgabe, zur Erreichung des vorgesteckteu Zieles verwenden dürfe, ohne daß ein Anderer in seinen Wirkungskreis störend eingreift, oder eine fremdartige Richtung und Thätigkeit ihm aufdringt. Auch hier gewähren Thatsachen und dem wirklichen Leben entnommene Beispiele bessere Belehrung als allgemeine Regeln. Gestatten Sic mir daher ans solche der Gegenwart oder der jüngsten Vergangenheit entlehnte Vorfälle oder Zustände hinznweisen, und Ihnen so zn veranschaulichen, was kirchliche Freiheit, oder vielmehr, was ihr Gegentheil, kirchliche Knechtschaft sei. In einem großen Nachbarreiche stellt eine Landgemeinde an ihren Pfarrer die Bitte, er möge ihr doch bei einem Abendgottesdicnste auch de» Segen ertheilen. Nach kirchlicher Ordnung hätte der Pfarrer diese Bitte für sich, selbst ohne besondere Genehmigung des Bischofs, gewähren können; aber nach der dort geltenden staatskirch-lichen Ordnung mußte hiezu erst dieErlaubuiß der Kreis-regierung nachgesncht werden; diese aber trug Bedenken, die Ertheilnng des Segens zu gestatten, und wies die Sache an die oberste Behörde der Hauptstadt, an die Hofkauzlei. Von dieser endlich wurde nach langer Zögerung die Bewilligung ertheilt, daß künftig in jenem Dorfe beim Abendgottesdicnste auch der Segen gegeben werde. Dort uud anderwärts hat die Staatsregierung Verord-gen gegeben über die Zahl der Kerzen, die auf den Altären brennen sollen, sie hat selbst das Direktorium, oder die Ordnung der Messe und des Gebetes ihrer Beamten-censur unterworfen, und wenn wir im nähern Kreise uns umschaucn, so finden wir, daß man an einem Orte den Bürgern die Erbauung einer Kirchhofskapelle verwehrte, weil das Kapital, das sie zu diesem Zwecke.zu-sammeiigeschvssen, nur 11,000 fl. betrug, die Kreisbaubc-hörde aber ihnen einen Bauplan aufdrängen wollte, der die doppelte Summe erfordert hätte. Wir finden, daß man in den Dörfern ganze Scharen junger Mädchen einem landgerichtlicheu Juqnisitionsverhöre blos darum unterwarf, weil sie Vereinen angehörten, welche sich zu bestimmten Andachtsübungen und Werken der Nächstenliebe verbunden hatten. Wir finden endlich — doch ich will diesen Zustand, so frisch er auch in unfern Erinnerungen lebt, und so fühlbar noch seine Nachwirkungen sind, nicht weiter ausmalcn, denn ich möchte versöhnen und nicht erbittern. (Fortsetzung folgt.) Kirchliche Nachrichten. Paris. Mit welcher wahren christlichen Frömmigkeit die französische katholische Geistlichkeit ihre Pflichten erfüllt, können Sic aus Folgendem ersehen. Es handelt sich jedoch nur von einem armen und einfachen Priester, dem Abbe Vedey; derselbe ist Pfarrer in Varaignes, einem kleinen Orte in der Diözese von Perignenr. Derselbe stiftete nämlich vor einigen Jahren in einem Saale seiner engen Wohnung ein Asyl für vernachläßigteKinder. Er fing damit au, daß er bei dem Schullehrer des Ortes als Hilfslehrer auftrat, wurde später selbst Lehrer, empfing selbst sein Brevet, welches ihm erlaubte, den armen Kindern Unterricht in der Religion uud im Lesen und Schreiben zu geben. Dieß war ihm jedoch nicht genug. Er wollte sie den Ackerbau lehren und ihre Zukunft sichern. Mit dem wenigen Gelde, welches ihm fein Vater hiuterlassen, gründete er die ersten Grundlagen eines Hauses, welches zum Zwecke hat, vor Allem den arbeitsamen Klaffen religiöses Gefühl und den Geschmack am Ackerbau eiiiznflößcn. Der Abbe Vedey wacht immer noch über die gute Haltung und die Direktion seines ersten Hauses, sucht aber zu gleicher Zeit eifrige und uu-interressirte junge Leute zn bilden, welche sich dem Unterricht ttnd der Hilfeleistung der Armen, uud besonders derjenigen widmen wollen, welche die verlassensten sind. Diese jungen Leute werden sich hauptsächlich mit der Gründung von Frcischnlcn ans dem Laude beschäftigen, in welchen man sich nur mit dem Religionsuntericht, mit Erlernung des Lesens und Ackerbaues beschäftigen wird. Ferner werden dieselben suchen, Ackerbau-Kolonien zu gründen, um die veruachläßigten Kinder hauptsächlich praktisch die beste Art, das Feld zu bauen, zu lehren. Diese werden im Alter von 8 — 10 Jahren ausgenommen werden; bis zu ihrem 18. Jahre werden sie daselbst verbleiben. Von ihrem 12. Jahre au wird jedes dieser Kinder ein Buch erhalten, ans welchem ihm 20 Centimes als Belohnung eingeschrieben werden. Alle Tage wird ein Ehrenpreis au dasjenige Kind ansgetheilt, welches uach dem Urtheile der übrigen am fleißigste» gearbeitet hat. Vermittelst dieses Geldes werden diese aus dem Elende gezogenen Kinder im 18. Jahre außer dem Vortheil, eine Erziehung genossen zn haben, mehr als 100 Franken Geld uud gute Kleider haben. Sie werden gute und praktische Ackerbauer, und im Stande sein, ein Rechnungsbuch zu führen. Dieses ist das Werk, welchem sich der Abbe Vedey ergebe» hat, und welches ganz allein sein christlicher Eifer, fast ohne alle Hilfsmittel, ihm erlaubt hat, zu Stande zn bringen. — Gustav Struve hat vor seiner Einschiffung zu Havre an seine Gesinnnngsgenosseu ein aberwitziges Abschieds-schreiben, aber zugleich ein eben so offenes Gestäiidniß veröffentlicht, worin es heißt: »Da die Regierungen der Schweiz und Frankreichs sich der Partei der Tyrannen Enropa's angeschlossen, um uns zn verfolgen, lind uns durch die Schergen der Polizei zweier Republiken aus-zujagen, entferne ich mich auö Deutschland mit der festen Hoffnung, bald dorthin zurückzukehreii, um den Kampf gegen die sechs Geißeln der Menschheit wieder zu beginnen: gegen Königthnm, Adel, Autorität, Heer, Clerus und die Finanzmacht. Die Zeit für nutzlose Worte ist vorüber, — wir müssen jetzt entweder den blutigen Druck der Tyrannei dulden, oder die Freiheit anfflammen sehen. Ich werde an dem Kampfe beider Prinzipien bis zur letzten Stunde meiner Existenz TI)eil nehmen. Verfolgung, Aberglauben und Gewaltsamkeit kann nicht 1849 fortdauern. Wahrscheinlich werden noch Ströme Blutes vergossen werden/ bevor die Menschheit in den Besitz ihrer ewigen Rechte kommt. Lebt den wohl bis zu dem Momente, wo der Entscheidnngskampf geschlagen wird.« Gedruckt bei Josef Blasnik in Laibach.