«M Leiden ist Reichtum! Predigt, gehalten am 19. November 1905 in der evangelischen Christuskirche zu Laibach T>r. Mtmcrr Aegsrncrnn. M-tth. S, 4. -Selig sind, die da Leid tragen.» Viele sind schon selig gepriesen worden! Ein lateinisches Sprichwort sagt: -Glücklich die Reichen!» Besser vielleicht wäre es noch zu rufen: -Glücklich die Gesunden!» oder: -Glücklich der, dem ein edles Weib beschieden, dem fröhliche Kinder heranwachsen!» -Glücklich der, dem Weisheit das Leben erhellt!» -Glücklich jener, der ferne von Geschäften die Einfachheit des Landlebens genießt!» meint Horaz. Aber wohl nie hat ein Menschenmund außer Jesus selig gepriesen, die da Leid tragen. Das Leid UNI des Leides willen, nicht um eines ihm verheißenen zukünftigen Lohnes willen selig Preisen, das ist vielleicht die seltsamste Rede, die je ausgegangen ist. Aber dies Wort erscheint dem, der es recht erfaßt, wie ein köstlich geschliffener Diamant, in dessen pracht¬ vollem Feuer sich die ganze Umgebung spiegelt. Tief und verheißungsvoll atmet aus dieseni einzigen Worte die ganze Seele des Heilands. Kein Wort vielleicht wie dies das ganze Menschcndasein umspannend! -Leben ist Leiden!> hat man gesagt, und ein tiefumnachteter Dichter unserer Tage ist in den erschütternden Klageruf ausgebrochen: «Wohin das Auge dringt, Ist Schind und Leiden, Und was der Weltlauf bringt, Ist Flieh'!! und Meiden, Dazwischen hat der Tronin Bon Glück und Liebe Nur noch soviel an Raum, — Daß er zerstiebe. - «Leiden ist Leben!» -Seele, die du, unergründlich tief versenkt, dich ätherwärts schwingen möchtest und allstündlich dich gehemmt wähnst durch den Schmerz, — an den Taucher, an den stillen, denke, der in finstrer See fischt nach eines Höhern Willen: Nur vom Atmen kommt sein Weh. Ist die Perle erst gefunden in der öden Wellengruft, wird er schnell emporgewunden, daß ihn heilen Licht und Luft; was sich lange ihm ver¬ hehlte, wird ihm dann auf einmal klar: daß, was ihn im Abgrund quälte eben nur sein Leben war.» (Hebbel.) Plotiu, einerderletzten Weisen des sterbenden Altertums, schreibt: -Der Tod ist besser als das Leben im Körper.-* Der Herausgeber fügt dazu die Bemerkung: -Uralter Satz der Hellenen.» Diese -strahlend heiteren- Hellenen, sie kündeten doch in allen Jahrhunderten, daß das Leben Leiden ist, um nur an das Wort des Solon zu erinnern, daß niemand glücklich zu preisen sei, bevor nicht das Grab ihn deckt. Jesus kennt das Leid! Er am wenigsten hat es geleugnet! Aber wenn er uns nicht eine Religion der Weltverneinung brachte, sondern höchste Lebensbejahung, so war das nur möglich, weil er erkannte: Leiden ist Reichtum! Selig sind, die da Leid tragen! Der unendlich tiefe Satz erschließt sich uns erst, wenn wir ihn erfassen als tiefstes Verständnis für das Leid, wie als höchste Überwindung des Leides: Reichtum ist Leiden, Leiden ist Reichtum! I. Reichtum ist Leiden. Jede tiefe Schmerzempfindung ist Beweis reicher Organisation. Das kündet uns die moderne Naturbetrachtung: «Alle niederen Tiere entbehren einer eigentlichen Schmerzempfindung; erst bei höheren Tieren tritt der Schmerz als «wohltätige Warnung-, wie Schiller ihn genannt hat, in seine Rolle. Die Schmerzempfindlichkeit kann nicht wohl plötzlich in der Tierreihe aufgetreten sein; wir müssen ihr, wie allen neuen Erscheinungen in der Natur, eine Entwicklung gönnen * «Enneaden», übersetzt von Otto Kiefer. Leipzig und Jena 1905. 2. Bd., S. 260. 3 und werden wahrscheinlich nicht irregehen, wenn wir erst in der bei warmblütigen Tieren (Vögeln und Säugetieren) auftretenden Eigen¬ tümlichkeit, ihren Schmerz durch Klagen und Schreien zu bekunden, das Bewußtwerden von Schmerzgefühlen ausgedrückt erkennen.»* Danach hätten selbst so hochentwickelte Wirbeltiere wie Fische und Reptilien eine eigent¬ liche Schmerzempfindung nicht. Es ist also eine unendlich lange Stufen¬ leiter, auf der die Geschöpfe allmählich zur Schmerzempfindung empor¬ steigen, und der Schmerz ist eine Krone, die erst den Höchststehenden ums Haupt geflochten wird. Das aber ist zweifellos, daß auch das höchstent¬ wickelte Tier nicht die intensive Schmerzempfindung hat, wie der niedrigst entwickelte Mensch, zumal bei allem Schmerz die Ausmalung und Aus¬ gestaltung im bewußten Geiste das eigentlich Entscheidende ist. Aber nun wieder innerhalb der Menschenwelt, welch unendliche Stufenleiter von primitiver Schmerzempfindnng des Naturmenschen bis zur geistigen Qual des hochentwickelten Geistesmenscheu. Allüberall eine Bestätigung des Satzes: «Reichtum ist Leiden!» Unsere ganze wunderbar reiche Kultur — geschaffen, um den Schmerz zu bannen — hat nnr die Leidempfindung vertausendfacht. Denn alle Kultur ist Sorge und alle Sorge ist Leid. Im Streben, dem Leide zu entfliehen, verstrickt sich der Mensch nur immer tiefer im Leiden. Je feiner der geistige Organismus sich ausgestaltet, umso intensiver die Empfänglichkeit für den Schmerz, umso leichter die Störung und Hemmung der Lebensempfindung. Wer dies Grundgesetz nicht erfaßt, der wird nie den rätselvollen Weltlauf deuten können. Tausendfach vernehmen wir ja ans Zeitungen und Büchern den Hohn auf die sittliche Weltordnung! Und in der Tat, wenn wir von außen her die Welt betrachten, mag sie uns oft wie ein sinnloses Chaos, ja wie eine Hölle voll der herzzerreißendsten Wider¬ sprüche erscheinen. Hier schwelgen die einen im Überflüsse und verderben in diesem Überflüsse, dort schmachten die andern in grauenvollen Höhlen und verderben in Hunger und Lumpen. Hier erwerben die einen in kühner Spekulation fast mühelos ungezählte Millionen, dort erwerben andere mit dem Aufgebot der letzten Kraft kaum die kümmerlichste Lebensnotdurft. Hier vergeuden die einen in Ausschweifung, in tollem Spiel, in Nichtstun das kostbare Gut der Gesundheit, das ihnen im Überfluß beschert ist, dort Haschen Krüppel, Sieche, Irre nach einem Strahl der Sonne des Wohl¬ befindens und er bleibt ihnen versagt. Hier schmachten die einen in Kerkern, in unwürdiger Abhängigkeit, dort treiben Rohe und Verworfene ein frevelhaftes Spiel mit dem Leben von Mitmenschen; die fürchterlichsten * Carus Sterne-Wilh. Bölsche: »Werden und Vergehen.» Berlin 1905. 2. Bd., S. 360. 4 Metzeleien, die kaltblütigste Opferung unzähliger Menschenleben sind in weiten Gebieten an der Tagesordnung, wo man sonst wieder das Menschen¬ leben in übertriebenster Sorgfalt nicht genug schonen und pflegen kann. Wer das alles äußerlich, mechanisch nebeneinanderstellt, der muß an einer sittlich harmonischen Weltordnung vollkommen verzweifeln! Ganz anders, wenn wir es erfassen: «Anderes Weh hat andere Wonne, andere Wonne anderes Weh!» Reichtum ist Leiden! Das soll nicht zum Vorwand für unsere Erbarmungslosigkeit werden, aber es soll uns helfen, die Wege Gottes zu verstehen, wenn wir erwägen die un¬ endliche Anpassungsfähigkeit des Menschen, die alles besiegende Macht der Vererbung und Gewöhnung, die so mannigfaltig abgestufte Schmerz¬ empfindung. Je reicher die Organisation eines Menschen, seine Ausstattung mit innerem und äußerem Reichtum, umso mannigfaltiger auch die Schmerz- empfinduug, der er ausgesetzt ist. Das gilt wohl schon vom Reichtum im gewöhnlichen Sinne. Der Berliner Reichsbankpräsident Koch hat geurteilt: «Wenn Reichtum glücklich machte, so müßte ich täglich von glücklichen Menschen umgeben sein.» Täglich im Verkehr mit Börsenfürsten und Millionären sieht ein solcher Mann doch wohl nur wenig glückliche Ge¬ sichter. Ist doch das Glück nicht eine üppige Gartenblume, die am Throne oder vor Palästen gedeiht, gleicht es doch vielmehr einer bescheidenen Feldblume, die still im Verborgenen blüht. Aller Reichtum irgend welcher Art, wieviel Sorgen, Lasten, Verpflichtungen, Rücksichten legt er auf! Jede hohe Veranlagung drückt ihrem Träger einen Dornenkranz aufs Haupt, dessen Schmerzensstiche der kalte Lorbeer nur allzu selten kühlt. Und was ist der Ruhm, die Größe? —: «— und die Größe ist gefährlich Und der Ruhm ein leeres Spiel, Was er gibt, es ist so wenig, Was er nimmt, es ist so viel » Reichtum ist Leiden! Zu ewiger Unrast sind wir verurteilt, bis wir es erfaßt haben und uns bescheiden. Aber Reichtum ist Leiden, das gilt schließlich auch von geistlichem Reichtum. «Selig sind, die da Leid tragen!» Den tiefsten Sinn dieses Wortes hat erst das Christentum erschlossen; wohl ist es gekommen als frohe Botschaft: «Ich verkündige euch große Freude,» aber es hat auch unendliches Leid in die Welt gebracht. -Ein Schwert wird durch deine Seele dringen-, das erklang ganzen Völkern, ungezählten, die um des Christentums willen geblutet haben. Aber unendlicher noch ist das Leid, das im Christenglauben selbst beschlossen liegt. «Leid um die Sünde!» Wenn der natürliche Mensch Leid um die Sünde trägt, so ist es vor allem doch die Furcht vor Ent- 5 deckung und Strafe, eine äußerliche Reue, eine irdische Traurigkeit. Wo aber echter Christenglaube einzieht, da erwacht jene «göttliche Traurigkeit, eine Reue zur Seligkeit, die niemand gereut». Und da erwacht jene tiefe innere Wehmut über die Trennung von Gott: «Ach, daß ich dich so spät erkennet, Du hochgelobte Liebe du, Und dich nicht eher mein genennet, Du höchstes Glück und süße Ruh. Es tut mir leid, ich bin betrübt, Daß ich dich erst so spät geliebt.» Und nicht bloß Leid um uns selbst. Zu diesem Leid kommt das Leid nm das Wohl und Wehe der großen Sache Gottes auf Erden, die Jesus das Reich Gottes nannte. -Ich habe große Traurigkeit und Schmerzen ohne Unterlaß in meinem Herzen, und ich habe gewünscht, ver¬ bannt zu sein von Christus für meine Brüder,» sagt Paulus im Blick auf seiue Volksgenossen, deren Verblendung sein Herz mit Leid erfüllt. Und er selbst, der Sohn Gottes, weinte im Anblick Jerusalems: -Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind. Wenn du es wüßtest, so würdest du es auch bedenken in dieser Zeit, was zu deinem Frieden dient.» Wieviel verzehrender Schmerz auch heute noch in jedem Herzen, das in feuriger Glut für das Reich Gottes schlägt! Leid über alle die Hindernisse und Schwierigkeiten, die sich ihm ent¬ gegenstellen, über die Niederlagen, die es erleidet, über der Feinde Bos¬ heit, der Freunde Lauheit, Trägheit und Schwachheit. Wem der höchste Reichtum geschenkt ist, dem Reiche Gottes anzugehören, der erführt es erst in seinem tiefsten Sinne, daß Reichtum Leiden ist. II. Aber aus solchem Leiden erblüht auch die Blume himmlischer Tröstung. «Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.» So ist es nicht gemeint, als ob uns das Leid nun dadurch abgenommen werden sollte, daß wir es gar nicht mehr empfinden. Wer in Weltentsagung und Selbstpeinigung allen menschlichen Gefühlen ab¬ gestorben ist, daß ihm der Schmerz kein Schmerz mehr ist, der hat kein Recht, die Verheißung des Herrn ans sich zu beziehen. Nur dem gilt sie, der wirklich Leid trägt, der das Leid als Leid empfindet, als Lebens¬ hemmung, als unerträgliche Last, gegen die wir nns aufbäumen möchten, weil sie unsere eigentliche Lebeusbestimmung hindert. Darum richtet sie sich nicht an die Virtuosen der Frömmigkeit, sondern an die leidenden, 6 kämpfenden, ringenden Menschen, die mitten in den Aufgaben des ver¬ worrenen Lebens stehen. Aber nun auch nicht so, daß ihnen für eine bestimmte Leidensmenge dereinst eine entsprechende Menge Tröstung zu¬ teil werden soll, gleichsam als Rückersatz für eine ansgelegte Geldsumme. Nein, im Leide liegt die Tröstung — wie die Perle im Meeresschlunde — beschlossen, das Leid bietet die Gewähr des Trostes. Denn Leiden ist Reichtum und Leiden ist Adel. Das sehen wir am Leide derer, die man im besonderen Sinne -Leidtragende» nennt, die an Gräbern teurer Toten weinen und klagen. Wie viele Leidtragende, die schwarze Kleider tragen, tragen in Wahrheit kein Leid. Ihr Herz ist nicht von wahrem, dauerndem Leide erfüllt. Wie sollte das auch möglich sein, wo doch wahre geistige Gemeinschaft zwischen Menschen so selten ist. Ohne daß sie es wissen und wollen, schwindet, solange es so steht, auch der Gegenstand der Liebe mit der äußeren Leibeshülle eines Abscheidenden dahin. Wie anders, wo zwischen Menschen eine Geistesgemeinschaft, gegründet auf die höchsten Güter, ent¬ standen war. Da kann der Tod die Leibeshülle des einen wohl zer¬ reißen, aber den empfangenen Geisteseindruck kann er nicht rauben, viel¬ mehr erfüllt sich dann in Wahrheit, was so oft nur fromme Lüge ist: -Dem Auge fern, dem Herzen ewig nah!» Im Leide, das wir dann um den Dahiugegangenen tragen, wird er uns in verklärter Gestalt lebendig. Gereinigt von den Erdenschlacken, enthüllt sich uns nun erst sein innerstes geistiges Bild, das wir gesucht und geliebt. Der Verlust wird Gewinn, wir werden getröstet mit höherem Geistestrost. Das gleiche erfährt jeder, der Leid trägt um seine Sünde. -Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden!» Wo im geistlichen Leben Empfindung des Mangels er¬ wacht, da steht die Stillung des Hungers in sicherer Aussicht. Der Zöll¬ ner, der an seine Brust schlägt mit dem schmerzlichen Ausruf: «Gott sei mir Sünder gnädig!« geht gerechtfertigt hinab in sein Haus vor dem tadellos Gerechten, der keinen Mangel empfindet. -Erkenne dich selbst!» das ist der uralte Weisheitsspruch, der am Tempel der Vollkommenheit geschrieben steht. Und wer ihn befolgt, der wird in diesen Tempel ein¬ gehen, weil ihm in der schmerzvollen Selbsterkenntnis die Erkennnis des höchsten ihm gesteckten Zieles aufgeht. Und so ist's auch mit dem Leide um die andern, das der Christ nm Mitchristen, Eltern um mißratene Kinder, der Freund seines Volkes um das Vaterland empfindet. Hier quellen starke Quellen des Leides und dennoch reichere der Tröstung. -Ein Sohn so vieler Tränen kann nicht verlorengehen,» so hieß der Trost an die Mutter des größten 7 Kirchenvaters. Und er wird allen zuteil, die Leid tragen um des Guten willen. Es siegt zuletzt die Wahrheit, wenn auch langsam, ans Umwegen, durch Enttäuschungen und Niederlagen. Und die Freude über solche Siege der Wahrheit, die wir in Kampf und Weh mit errungen haben, steht so unendlich viel höher als alle Sinnenfreuden, als alle Geistes- frenden, die in Selbstsucht genossen werden. «Reichlich getröstet von Gott!« dieser Himmelstrost klingt zuletzt hinein in alles Leid um das höchste Wohl und Wehe der andern, klingt hinein in alles Leidempfinden. Wer die gegenwärtigen Zustände der Menschen als unhaltbar, den inneren Zwiespalt, die Willensschwäche und das komplizierte, reflektierte, greisenhafte Wesen der heutigen Generation ebenso wie ihr trostloses nnd anfechtbares persönliches Gemeinschaftsleben als unerträglich empfindet, von dem wird heute das Leiden zeitgemäß empfunden.* Aber alles Leid ohne allen Unterschied, ist es nicht vielleicht, wie schon im äußeren Leben der Natur, -eine wohltätige Warnung-, ein Hinweis auf Güter, die dir noch mangeln, ein Engel, der dich mit Adlersfittich zu neuen Höhen tragen will: -Ist die Perle dann gefunden in der öden Wellengruft, Wirst du schnell emporgewunden, daß dich heilen Licht und Luft.» Hat das nicht auch der große Schiller gemeint, wenn er sagt: «Zwei der Wege sind es, auf denen der Mensch zur Tugend emporstrebt, Schließt sich der eine dir zu, tut sich der andre dir auf. Handelnd erringt sie der Glückliche, der Leidende duldend, Wohl ihm, den das Geschick liebend auf beiden geführt.» Auf zwei Wegen will Gott zur Vollkommenheit uns führen. Und auch -unter Leiden prägt der Meister in die Herzen, in die Geister sein allgeltend Bildnis ein». Einem kunstvollen Instrument, von höchster Meisterhand gespielt, gleicht die Menschenseele. Im Leben stets glücklicher Menschen werden nur die Hellen, die oberen Töne gespielt. Aber muß der Kenner nicht zuletzt von einem solchen Leben urteilen: Wie schade, daß der Meister nicht auch die dumpfen, tiefen Töne erklingen ließ, damit auf dieser unendlich reichen Klaviatur die ganze Fülle der Har¬ monien ansströmen konnte und das Instrument in seiner ganzen Herrlich¬ keit sich zeigte. -Wohl dem, den das Geschick liebend durch beide geführt», Leid und Freude zu kosten, um sich in beiden zu bewähren. Was wäre das Menschenleben, dem das Leid fehlte? Es würde einem Soldatenleben * Aus dem ausgezeichneten Buche: Dr. Johannes Müller, Die Bergpredigt, verdeutscht und vergegenwärtigt. München 1906. 8 gleichen, dessen Schulung nur auf dem Paradefelde erprobt wurde. Wohl schlägt das Soldatenherz höher, wen» die Truppe in kriegerischem Glanze mit klingendem Spiel und fliegenden Fahnen auLrückt und das Auge sich weidet an Iugendsrische und Gewandtheit, an blinkenden Waffen und schmuckem Farbenglanz. Aber das tiefste Sehnen jedes wahren Soldaten ist doch darauf gerichtet, daß diese Schulung und Kraft auch bewährt werde im Toben der Schlacht, in furchtbarer Gefahr, im bittern Ernst der Feuerprobe. So ist es doch auch jedes ernsten Menschen Verlangen, in ernster Probe zu beweisen, ob all unser Glauben, Hoffen, Lieben echt war oder nur wie gleißender Flitter uns äußerlich anklebte. Und hinein in die ernste, oft so furchtbare Bewährung unseres Glaubens nehmen wir doch die Gewißheit: -Gott ist getreu, der euch nicht läßt versuchen über Vermögen, sondern macht, daß die Versuchung so ein Ende gewinne, daß ihr cs könnet ertragen.- Ertragen läßt es sich und es muß ertragen sein. -Selig sind, die da Leid tragen.- Leiden adelt, viel höher als der Adelsbrief des größten Kaisers; Leiden verklärt, viel strahlender als das funkelndste Diamantendiadem; aber es muß ge¬ tragen werden, nicht hinweggcstoßen und verwünscht. Wer ihm, dem hohen Herrn der Herrlichkeit, nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge ihm nach, daß er erfahre gleich ihm: Reichtum ist Leiden, aber auch Leiden ist Reichtum! Amen. »Moouo i« Mivearir^rua nnoirnica