126766 >< l.MIj,ni Plttrilirchengniber Monographische 8kizzen Von A4 Wiru 18S7^ Wilhelm Br a umüllrr k. k. Hof. und NniverslläsHbuchhändrer. Im Berlage von W. Braumüllcr, k. k. Hak- und NniliersitiitLbinWndkr i» Wlttt sind erschienen: Die ägyptischen D^ttkmäl'er irr Miramar. Von Dr. S. Leo Reinisch Prival-Oorenl der k. k. Uniaersilät in Wien. Mit 43 lithografirtcn Tafeln, 2S in den Text cingedrucktcii Holzschnitten nnd einer Titelvignctte. Lex. 8. 1863. Preis: 20 fl. - 12 Thlr. Die MkispnichM Inschrift von Tonis. Zum erstenmale herausgegeben und übersetzt von Dr. S- Lea Rcinisch und Dr. E. Rob. RoeSlcr. Wit 7 Takeln nnd einer Giteluignrtte. gr. 8. 1866. Preis: 3 fl. — 3 Thlr. 10 Ngr. Die Vornehmsten KunMenkmAer inWien. Bon eg. cf. tttnageii Direktor der Königs. Gemälde-Gasserie, Professor an der Universiläl in Berlin. Zwei Bände. 1. Band: Die k. k. Gemälde-Sammlungen im Schloß Belvedere und in der k. k. Kunst-Akademie, die Privat-Sammlungen. 2. Band: Manuskripte mit Miniaturen, Handzeichnungen und Kupferstiche in der k. k. Hofbibliothek vnd Privat-Sammlungen. K. K. Ambraser-Sammlung. K. K. Münz- und Antiken-Cabinet. Kaiser!. Schatzkammer. K. K. Museum für Kunst und Industrie. gr. 8. 1866-67. Preis: 7 fl. — 4 Thlr. 20 Ngr. Aqmle,jü's Patriarchengriibkr. .1IIoiwAai>stlsch«? 8lrizzl'ii Wien <867. Wi l h e l m B r n ii ni ü l l r r 12678K C. Ueverreuler'I'chc Luchdruckerei (N. Salzer). Seiner treuen Lebensgefährtin, der aufopfernden Mutter feiner Kinder, der bewährten Freundin, der für alles Hohe und Edle begeisterten Frau widmet dicfe Blätter zum Beweife inniger Zuneigung und dankbarer Verehrung der Verfasser. Vorwort. -x^ndem ich eine Erstlingsarbeit der Oeffentlichkeit übergebe, fühle ich nur zu gut, wie sehr ich die Nachsicht meiner Leser für dieselbe anrnfen muß. Die allen Söhnen meiner Heimat eigenthümliche Liebe zu ihr, das regste Interesse für ihre einstigen Geschicke, so wie für Geschichte überhaupt, die erfahrnngsgemäße That- sache endlich, daß jede andauernde Beschäftigung mit einem Gegenstände die Verlockung mit sich bringt, selbst schaffend sich daran zu versuchen, mögen mein Wagniß entschuldigen. Würden übrigens die nachfolgenden Skizzen für eine bereits erprobte Kraft, für eine gewandtere Feder zum An¬ stoße, den noch wenig ausgebeuteten geschichtlichen Stoff, den sie behandeln, zum Vorwurfe zu wählen, so hätte mein Streben reichen Lohn gefunden, denn sie wären nicht ganz nutzlos entstanden. St. Peter, am 20. Januar 1867. Verzeichnis der hauptsächlich benützten Quellenwerke, Specialgeschichten und Monographien. lääitaiueiitiliu I. st II. all Ollronioon Oortusiorum (Nurut. 88.) t»to»!ni. II krinki orisntuls. Archiv für Geschichte und Alterthumskunde Tirols. Barthold. Der Römcrzug König Heinrichs von Wtzelbnrg. kianedi. 6t>ronieon 8pitimbsrAsnss. — Lauts in Hains. — Looumsnta Listorius ^orojulisnsis ss-senli XIII. (A. f. K. österr. Gesch. Quellen). — Looumsnti per tu stori», dsl Lriuli änt 1317—1332. — 1'lless.urus Loctosias Xguitsgsusis. kainlilo. Loiumsntrrrü 6si katti a'Xguilegu. Chuiel. Urkunden zur Geschichte von Oesterreich, Steiermark, Kärnten, Krain, Istrien, Tirol (1246—1300). (l?ont. rer. nustr.) klcunl. Dciins s sus, provinci»,. Ouroiiini. Tentawsn ^snsaloAnoo - okronoloAicnm promovsoday ssriei Lomituin st rsruw 6oritig,s. Ueli» »mm. 8opr» un Loriuv ä'oro rrnvnimo 6i Ooriniu. (8ollrvsitrsr. Xotinis psrsAiins 6i Xumismntiou s ll'XrolrsoloAi»,.) — 8trsuu», oronoloß'iou per l'nntio», storig, del I'rinli. 8u!ie untiolie I»,miAlis dsi RsitsnllsrA o ävi UorndsrA. (8olivvsi t^sr. X. p.
  • — gewiß ein seltenes Schau¬ spiel—beide Führer der sich gegenüberstehenden Heere nach einander von Feindeskugel getroffen fallen. Am 10. Octo¬ ber 1616 empfing der venetianische Befehlshaber Pompeo Giustiniani auf einem niederen, der jetzigen Görzer Brücke *) Die Ueberblcibsel der von demselben erbauten Veste (Rocca) von Monfalcone erhalten das Andenken an seine Herrschaft in diesen Gegenden. **) Johann Emo IL78—80. 7 gegenüber liegenden Hügel des rechten Ufers die Todeswunde, und nm 7. Juni des darauffolgenden Jahres ereilte ein gleiches Schicksal den kaiserlichen General Adam von Trautt- mansdorff auf dem linken Ufer an der Parkmauer des Schlosses von Rnbia. Ist der Jsonzo zwischen Pieris und S. Valentino über¬ schritten, so hat man alsbald klassischen Boden unter den Füßen, denn man wandelt nunmehr die Gräberstraße Aquileja's. Dieselbe Richtung mag wohl auch Attila eingeschlagen haben, als er daherzog, sein größtes Zerstörungswerk zu voll¬ bringen (452). Unversöhnliche Rache im Herzen gegen die Völker des Westens, deren verbündeten Waffen er auf den catalaunischen Feldern unlängst unterlegen war, kam er aus Dalmatien und Istrien, wo die an den überwundenen Küsten- stüdten Spalatro, Salona, Tran, Sebenico, Scardona, Zara, Novi, Zengg, Pola, Parenzo, Capodistria und Triest ver¬ übten Gräuel seinen Weg bezeichneten. Nachdem er im ge¬ birgigen Theile des Landes kurze Zeit gewüthet hatte, stieg er in die Ebene hernieder und erschien vor Aquileja, dessen Größe und Ausdehnung ihn derart überraschten, daß er in um so heftigerer Begierde entbrannte, seinen Grimm diese Stadt fühlen zu lassen, als sie es gewagt hatte, die gefor¬ derte Auslieferung der in ihren Manern Schutz suchenden Flüchtlinge zu verweigern. Ohne Säumen schritt er zum Angriffe, an dessen Gelingen er alle seine Kräfte setzte. Dieses wurde ihm indeß nicht leicht, denn Muth und Aus¬ dauer der Vertheidiger waren der kühnen Wildheit der An¬ greifer gewachsen, und der rohen Gewalt asiatischer Horden stand die an Hilfsmitteln aller Art überreiche römische Cultur gegenüber. Schon währte die Belagerung mehrere Monde ohne Aussicht aus Erfolg, und in dem Lager der Hunnen drohte mit dem Mangel an Nahrungsmitteln, deren es in 8 der ansgesogenen Umgebung wenig mehr aufzutreiben gab, auch Entmuthigung einzureißcn, als das Fehlschlagen einer von den Aquilejesern gebrauchten Äst die Hoffnungen im Lager der Feinde neuerdings belebt haben soll. Man erzählt, daß die Bürger, deren Reihen durch die Gefahren und Ent¬ behrungen des Krieges stark gelichtet waren, unvermögend, ihre ausgedehnten Wälle in genügender Anzahl zu besetzen, die Belagerer darüber zu täuschen suchten, indem sie die Lücken mit den vielen in der Stadt befindlichen Statuen ausfüllten. Allein die Vögel des Himmels, welche anf diesen vorgeblichen Verteidigern zu nisten begannen, vennethen den Hunnen zugleich mit dem Truge die eingetretene Ermattung der Belagerten. Da nun König Etzel, der früher einmal bei ähnlicher Gelegenheit nur mit Mühe der Gefangenschaft entgangen war, mit zahlreichem Gefolge die Mauern der bedrängten Stadt umritt, die schwächste Stelle selber zu erspähen, er¬ blickte er einen Storch*), der im Schnabel seine Jungen, eines nach dem anderen, aus dem Innern derselben in die Ebene hinaustrug. Mit Geistesgegenwart den Augenblick rasch erfassend und in allen Wahrsagerkünsten wohl bewan¬ dert, wandte er sich an seine Begleiter, deren abergläubischen Sinn er kannte, und deutete jene seltsame Erscheinung als eine Offenbarung höherer Mächte. Er verkündete ihnen, wie jenes Thier, das seiner bisherigen Heimat bevorstehende Unheil ahnend und für die Sicherheit der Seinigen besorgt, eine andere Zufluchtsstätte aufsuche, und am Schluffe seiner ermunternden Rede befahl er für den kommenden Morgen einen allgemeinen Sturm an. Nachdem aber auch dieser mit *) In der bedeutenden Rolle, welche die Sage den Vögeln beim Falle Aguileja's anweist, wird man den Einfluß römischer Anschauungen kaum verkennen können. 9 durch Siegeszuversicht verdoppelter Heftigkeit geführte An¬ griff an der Unerschrockenheit der Vertheidigung gescheitert war, griff Attilas Scharfsinn zu einem letzten Mittel. Je vier Reiter seines Heeres, so soll er angeordnet haben, mußten einen Sattel*) abliefern, was bei den zahlreichen Schaaren von Berittenen, über die er gebot, eine ansehnliche Menge ausgemacht haben mag. Dieser brennbare Stoff wurde nun derart über einander gehäuft, daß er nicht nur einen Theil des Stadtgrabens ausfüllte, sondern sich auch noch an den Mauern hoch hinauf thürmte und endlich in Brand gesteckt. Da vertrieb die heiße Lohe die bisher unbesiegten Streiter von den Brustwehren, welche unter der versengenden Gluth berstend in sich zusammenbrachen und so den nachstürmenden Feinden eine Bröche eröffneten, durch welche dieselben käm¬ pfend, mordend und plündernd in die Stadt drangen. 37.000 Aquilejeser sollen dabei ihr Leben eingebüßt haben. Viele Kostbarkeiten, welche die fliehenden Einwohner nicht mit sich nehmen konnten, sollen in einen Brunnen ge¬ worfen worden sein, um sie vor den Augen der Ueberwinder zu verbergen und in besseren Tagen wieder zu finden; ob¬ gleich nun alle späteren Forschungen nach diesem höchst wahr¬ scheinlich mythischen Brunnen vergeblich geblieben sind, so hält nichts desto weniger der Volksglaube mit der ihm eigen- thümlicheu Zähigkeit an dieser Ueberlieferung so fest, daß immer noch in allen Kaufverträgen der ko/.zo ä'oro, wie ihn der Mund des Volkes nennt, in Anbetracht seiner mög- *) Nach der Schlacht bei Chalonö wollte sich Attila auf einem Scheiterhaufen von Pferdesätteln verbrennen lassen, falls ihm Gefangen¬ schaft drohen würde; diese Erzählung wiederholt sich hier, wenn auch in veränderter Gestalt. Gegen die Wahrheit derselben streitet übrigens die gewöhnliche Annahme, daß die Umgebungen Aqnileja's damals nicht wie heute an Holzmangel litten. 10 lichen Entdeckung, ausdrücklich dem Verkäufer des Grund¬ stückes Vorbehalten wird. Von einzelnen heldenmüthigen Zügen, die dem Römer- thume selbst in seiner äußersten Entartung niemals man¬ gelten, sind nur wenige der Vergessenheit entrissen worden. Digna, eine durch vornehme Geburt und Schönheit, wie durch Tugend gleich hervorragende Römerin, bestieg auf die Kunde, daß die Sieger von allen lebenden Wesen nur schönen Frauen Schonung angedeihen lassen, bei ihrer Annäherung die höchste Zinne des Palastes und stürzte sich verhüllten Hauptes in die vorbeifließende Natissa; den Tod, welcher sie allein vor der unvermeidlichen Schande bewahren konnte, suchend und findend. Ein zweites großdenkendes Weib, Namens Honoria, klammerte sich, von denselben Gefühlen beseelt, mit solcher Gewalt an das Grab ihres verstorbenen Gatten, daß sie auf demselben, ein Opfer ihrer Treue, ge- tödtet wurde. Die Sage läßt Attila von dem bei Medea zwei Meilen nördlich von Aquileja isolirt aufsteigenden Berge sich an diesem entsetzlichen Schauspiele weiden. Möglich, daß er an jener, eine ausgebreitete Fernsicht gewährenden Stelle seine Zelte aufgeschlagen hatte, und daß in dunkler Nacht die Flammen, welche im unglücklichen Aquileja so viel Herrliches verzehrten, als gräßliche Freudenfackel zu seinen wilden Ge¬ lagen herüberleuchteteu. Die innige Wechselbeziehung zwischen Leben und Tod, zwischen Entstehen und Vergehen, die sich in den Geschicken der Menschheit im Kleinen wie im Großen stets offenbart, bewährte sich auch bei diesem Anlasse wieder. Aqnileja's Fall, der ganz Oberitalieu der Verwüstung preisgab, ward be¬ kanntlich der erste Anstoß zur Gründung jenes merkwürdigen Jnselreiches, das, auf der Höhe seiner staatlichen Entwicklung 11 angelangt, mit seiner Seemacht unbestritten die Meere bis zu dem Zeitpunkte beherrschte, in welchem die Entdeckung von Amerika und die Umschiffung der Südspitze Afrika's die maritime Suprematie auf die Gestade des atlantischen Oceans übertrug. Man würde übrigens sehr irren, wollte man den Er¬ eignissen, die wir so eben zu schildern versuchten, ausschließlich den heutigen Zustand Aqnileja's znschreiben. Eine umfang¬ reiche Stadt, welche überdieß großen Theils aus einem so wenig gebrechlichen Materiale wie Marmor erbaut ist, setzt eben der Zerstörung einen hartnäckigen Widerstand entgegen. So gut Roms äußerer Glanz die Einfälle der Barbaren überdauerte und noch zu Carls des Großen Zeit seine alte Pracht beinahe ungeschmälert entfaltete, um erst in den fol¬ genden Jahrhunderten unter den wüsten Parteikämpfen und namentlich unter der Verlegung der päpstlichen Residenz nach Avignon dem tiefsten Verfalle Platz zu machen; so gut bedurfte es noch vielfacher, verschiedenartiger und bis in die neueste Zeit ununterbrochen fortwirkender Einflüsse, um Aquileja, trotz der versuchten Restauration unter dem Pa¬ triarchen Poppo, auf die niedere Stufe herabsinken zu lassen, die es hente einnimmt. In ähnlicher Weise müssen wir hier¬ unter den Ursachen dieser Verkommenheit die unausgesetzten Fehden der Patriarchen mit ihren Rivalen zu Grado, mit den benachbarten Städten, ihren eigenen Vögten und Lehens¬ leuten, so wie die Uebertragung ihres Wohnsitzes nach Cor- morns, Cividale und Udine voranstellen. In dem Maße als die Bevölkerung in natürlicher Folge davon stetig abnahm und die vorhandenen Menschenhände nicht mehr genügten die Kanäle zu reinigen, die schützenden Dämme zu erhalten und die Felder zu bestellen, griffen in derselben Art, wie in der römischcn Campagna Verödung, Versumpfung und in deren 12 Gefolge eine ungesunde Atmosphäre immer mehr nm sich. Allmälig verschwanden dann die verlassen stehenden Gebäude, da jeder Bau in weitem Umkreise mit den daraus gewon¬ nenen Steinen ausgeführt wurde, und so verwischten sich endlich auch die letzten Spuren der einstigen Größe bis auf wenige beinahe ausschließlich der späteren christlichen Aera angehörenden Denkmale. An wenig Stellen und da nur nach langem Suchen oder durch Kundige darauf aufmerksam gemacht, entdeckt inan deren noch über der Erde. Auf dem Wege von Monfalcone nach Aquileja etwa 160 Klafter über seine Bereinigung mit der von Billa Vieentina dahin führenden Straße hinaus, an der Böschung des Chaussee-Grabens drängen sich die geringen Ucberbleibsel eines alten Mauerwerkes bis an die Oberfläche des Bodens heran. Sie gehörten einst zu dem am weitesten gegen Norden gelegenen, unter den vier mächtigen Eckthürmen der römischen Umfassung, welche in Gestalt eines mit den längeren Seiten gegen WSW und ONO gewandten Recht¬ eckes den Flächenraum von beinahe 470 nieder-österreichischen Jochen umschloß, während noch außerhalb derselben, ganz so wie wir es bei unseren Großstädten sehen, die Ebene nach allen Richtungen hin mit Bauwerken jeder Gattung übersäet war. Verfolgt man die vorerwähnte Straße in der angedeu¬ teten Richtung, so erweicht man alsbald den Weiler Monastero, der seinen Namen dem ehemals hier bestandenen, durch Pa¬ triarch Poppo im Jahre 1020 gestifteten und durch dessen Nachfolger, namentlich Ulrich II., den Bruder der Aebtissin Hermelinde reich beschenkten Frauenkloster 8. Nuria luori Uelis innen verdankt^). Seine ursprünglichen Bewohnerineu *) In den nunmehr weltlichen Zwecken dienenden Räumen des¬ selben berühren sich Vergangenheit und Gegenwart nachbarlich. In der einen Hälfte des Gebäudes befindet sich die ebenso werthvollc als 13 haben es längst verlassen, indem sie zuerst die Erlaubnis; erhielten, die ungesunde Sommerszeit in Cividale zu verbrin¬ gen und endlich ganz dahin zu übersiedeln. Noch eine kurze Strecke weiter und man steht, sobald man auf die, Terzo mit Aquileja verbindende Straße gelangt ist, an einer Stelle, wo in längst entschwundenen Tagen städtisches Leben und Treiben fieberhaft pulfirte, wo ein Ge¬ dränge von Menschen, Thieren und Wagen fortwährend hin und her wogte; an der jetzt stillen und vereinsamten Stelle, welche das Forum des alten Aquileja einnahm. Unweit davon überschreitet man einen schmalen Kanal, der, wie viele in seiner Nähe gefundene Münzen und Barren edler Metalle es verrathen, zum Betriebe der römischen Präge gedient hat, und betritt nunmehr das Innere der mittelalter¬ lichen Patriarchenstadt, welche durch die von Poppo herrüh¬ rende niedere Umwallung eingeschlossen, nur den sechsten Theil des Raumes erfüllte, der innerhalb der römischen Mauern lag. Gegen Südwest griff sie etwas über dieselben hinaus, so zwar, daß der Hafen oder Landungsplatz der Na- tissa mit seiner gut erhaltenen, gewiß ursprünglich römischen Einfassung aus großen Quadersteinen, der sich unmittelbar vor dem Thore der Römerstadt befunden hatte, in die Stadt einbezogen wurde und an einen Platz stieß, der noch immer besteht und mit den ihn umgebenden Gebäuden*) ein uothdürftig städtisches Ansehen bewahrt hat. reichhaltige Sammlung an Ort und Stelle aufgefundener Antiken des für Archäologie begeisterten Grafen Cassis; die andere aber ist im Besitze des Herrn von Ritter, der dort cm großartiges, mit allen Hilfsmitteln der vorgeschrittensten Technik ausgcstattetes und im Geiste der modernen Wissenschaft geleitetes landwirthschaftliches Etablissement in's Leben rief, welches ohne Zweifel einen anregenden, segensreichen Einfluß auf die ganze Umgegend üben wird. *) In einem derselben erfreut den Besucher eine zweite, wohl geordnete Sammlung örtlicher Funde. Sie ist Eigenthum des Apothekers 14 Gerade an dem entgegengesetzten Ende des Oerlchens erhebt sich im Anschlüsse an eine zweite kleinere Gruppe halb verfallener Häuser, in deren einem Domherr Bertoli zu Ansang des 18. Jahrhunderts seine leider nicht vollständig veröffentlichten äi ^uilssu niederschrieb, die einstige Metropolitan-Kirche des Patriarchats, die alte Basilica, welche unser Interesse in so hohem Grade in An¬ spruch nimmt. Lange noch bevor man dieselbe gewahr wird, fällt der Blick auf den freistehenden, mit dem Kreuze über 38 W. Klafter hohen Campanile. Wie von so vielem Anderen schreibt man hier seine, wohl über älterer Grundlage gesche¬ hene Erbauung dem Patriarchen Poppo zu, und zwar sollen dazu aus dem benachbarten Amphitheater die Steine herbei¬ geholt worden sein, damit denselben, welche durch Jahrhun¬ derte heidnischen, von der christlichen Lehre verurtheilten Vergnügungen gewidmet waren, zur Sühne nunmehr die Bestimmung würde, mit eherner Stimme die Gläubigen zum Dienste des wahren Gottes zu rufen. Der Theil von der Glockenstube aufwärts, augenscheinlich jüngeren Ursprunges, stammt von dem Patriarchen Bertrand von St. Ginnes (1334—1350) her, welcher es in einem Briefe an Wil¬ helm, den Dekan von Aquileja, ausdrücklich bemerkt. Das hoch oben angebrachte Wappen der venetianifchen Familie Grimani deutet jedoch auf eine noch spätere, in jene Zeit fallende Restaurirung hin, in welcher die Republik bereits Zandonati, der sich ans Liebe zur gewählten Heimat schon seit einer langen Reihe von Jahren vielfach mit ihren wechselvolleu Geschicken beschäftigt. Die dabei erworbenen historischen und archäologischen localen Kenntnisse wußte er bei der in jüngster Zeit durch Director Stein büchel und Ingenieur Baubela versuchten und zum Theile gelungenen Feststellung des Grundrisses der alten Stadt durch werthvolle Mit- theilungen auf das beste zu verwerthen. 15 das Gebiet und die Gewalt des Patriarchats an sich gerissen hatte, und die aller politischen Bedeutung entkleidete Würde nunmehr zur Bersorgung für nachgeborne Söhne ihrer Adels¬ geschlechter benützte. Es hatten nämlich in den drei Jahr¬ hunderten, während deren das Patriarchat unter venetianischer Hoheit noch fortlebte, 5 Grimani, 4 Barbaro, 3 Gradenigo, 3 Delfino und je ein Glied der Häuser Barbo und Donato den Patriarchenstuhl inne. Ein überraschend schönes Rundgemülde entrollt sich vor den Blicken desjenigen, der die Mühe nicht scheut, die aller¬ dings unbequeme, schmale und steile Wendeltreppe hinan zu steigen. So weit das bewaffnete Auge zu dringen vermag, so weit reichte ungefähr am Höhepunkte seiner Macht die weltliche Herrschaft des Patriarchates. Der kirchliche Einfluß erstreckte sich gegen Norden weit über die den Horizont begrenzenden Berge hinaus, bis au die Drau, welche Carl der Große zur Schlichtung des Streites zwischen Ursus I. von Aquileja und Arno von Salzburgmittelst eines im Jahre 811 gefällten Spruches, der ein ganzes Jahrtausend volle Geltung behielt, als Scheide¬ linie der beiden Sprengel festgesetzt hatte"). Im Süden hingegen machte das wenig über eine Meile entfernte Grado beiden Wirkungskreisen erheblichen Eintrag. Seit dem Einbrüche Attila's gewohnt wegen seiner Unzu¬ gänglichkeit öfter den Patriarchen als Zufluchts- und Auf¬ enthaltsort zu dienen, stellte Grado, als jene im Laufe des VI. Jahrhunderts aus Anlaß einiger auf dem fünften *) Noch nach der Aufhebung des Patriarchats und der Errich¬ tung des Erzbisthums Görz- gehörte der am rechten Ufer der Drau gelegene Theil Steicrmarks zur Diöcese Görz. Erst später wurde die¬ selbe nach und nach auf ihre heutige geringe Ausdehnung beschränkt. Anfänglich waren auch die Bischöfe von Trient nud Como dem Me¬ tropoliten in Görz untergeordnet. 16 ökumenischen Concile zu Constantinopel gefaßten Beschlüsse (553), welche anfänglich im gesummten Abendlande auf lebhaften Widerstand gestoßen waren, Schismatiker wurden, nach des Patriarchen Severns im Jahre 606 erfolgtem Tode, Johanni, von Aquileja Candidian als orthodoxen Patriarchen entgegen, welchen die Suffragane von Triest und Istrien als ihren Oberhirten anerkannten. Dieses Verhältniß erhielt sich allen Bemühungen der aquilejensischen Kirchenfürsten zum Trotze unter den beiderseitigen Nachfolgern ziemlich unver¬ ändert, da Grado durch die innige Verbindung, die es bald mit seiner mächtigeren Tochterstadt Venedig einging, sich auch dann noch die Selbstständigkeit zu bewahren wußte, als nach der im Jahre 698 durch den Patriarchen Peter I. erfolgten Versöhnung Aquileja's mit Rom wiederholte päpstliche und kaiserliche Entscheidungen es der einstigen Mutterkirche neuer¬ dings unterordnen wollten. So blieb Grado, Venedigs eigent¬ liche Wiege, durch mehr als acht Jahrhunderte seine kirchliche Metropole. Mit seiner geistlichen Autorität bahnte es auf dem adriatischen Küstensaume die Wege der venetianischen Herrschaft, deren ehrgeiziger Politik es endlich selber zum Opfer fiel, indem Papst Nicolaus V. im Jahre 1451 das Patriarchat von Grado nach der Dogenstadt übertrug. In demselben Jahre mußte der Papst den Vertrag be¬ stätigen, welchen der Patriarch von Aquileja Ludwig III. Scarampo Mezzarota mit der Republik über die Zahlung jährlicher 5000 Dukaten eingegangen hatte, welche ihm für die Abtretung beinahe aller weltlichen Rechte^) im Jahre 1445 bewilligt worden waren, und genau 300 Jahre darauf wurde ungeachtet der Proteste des letzten Patriarchen Daniele *) Dem Patriarchen blieb nur eine beschränkte Sonverainität in Aquileja, S. Vito und S. Daniele. 17 Delfino, nachdem endlich Nenedig den Widerspruch gegen diese Maßregel aufgegeben hatte, das Patriarchat von Aqui- leja selbst unterdrückt. In Folge langwieriger bis in das Jahr 1560 zurück reichender Verhandlungen erklärte näm¬ lich am 6. Juli 1751 Benedict XIV. dasselbe für er¬ loschen und genehmigte zum Ersätze dafür die Errichtung zweier Erzbisthümer zu Görz und Udine. So beklagenswerth diese von österreichischer Seite in Rom ohne Unterlaß auf das dringendste empfohlene Ma߬ regel unter manchen Gesichtspunkten erscheinen mag, so läßt es sich doch auch nicht in Abrede stellen, daß bei der damaligen Lage der Dinge ein unabweisliches Bedürfniß damit befriedigt wurde. Das wenig gute Einvernehmen zwischen Oesterreich und Venedig gestattete dem ganz unter venetianischem Ein¬ flüsse stehenden Patriarchen keine ersprießliche Wirksamkeit in dem der habsburgischen Herrschaft unterworfenen Theile seiner Diözese. Ein einziges Mal, seit Görz an Maximi¬ lian I. gefallen war, im Jahre 1565 kam es in Aquileja, das die Kaiserlichen seit dem gegen Venedig geführten Feld¬ zuge des Jahres 1509 besetzt hielten, zu einer allgemeinen Diözesan-Synode, in welcher jedoch der Patriarch, darüber noch grollend, daß damals einem seiner Vorgänger der letzte Schein von Selbstständigkeit geraubt worden war, in der ans österreichischem Boden tagenden Versammlung persönlich den Vorsitz zu führen vermied. Als aber dann die Wogen der Reformation hoch gingen und Primus Trüber, der Luther der Slvvenen im nahen Rubia die neue Lehre pre¬ digte, erwirkte im Jahre 1583 der General-Vicar Aqni- leja's vom erzherzoglichen Hofe zu Gratz, die überhaupt nur mehr einmal, 10 Jahre darauf, wieder ertheilte Erlaubniß, Aquileja. « 18 die canonische Visitation in dessen Gebiete vornehmen zu dürfen *). Allen diesen Uebelständen, welche ganz unerträglich geworden waren, seit Ferdinand II. im Jahre 1628, über die Venetianer und des neu ernannten Patriarchen Augustin Gradenigo Benehmen erzürnt, seinem Klerus jedwede Ver¬ bindung mit demselben strenge untersagt hatte, war man wiederholt, jedoch immer vergeblich abzuhelfeu bemüht ge¬ wesen. Schon im Jahre 1575 war in Görz ein immer¬ währendes Erzdiakonat, welchem ein großer Theil der bischöflichen Rechte über den österreichischen Antheil der Diözese Aquilja eingeräumt wurde, in Wirksamkeit getreten. Anderthalb Jahrhunderte später (1733) hatte Carl VI. den römischen Hof aufgefordert, die volle bischöfliche Gewalt in dem kaiserlichen Theile des Patriarchats, welche zur Zeit von dem päpstlichen Nuntius in Wien geübt wurde, dem Bischöfe von Laibach zu übertragen. Obgleich nun diesem Ansinnen von Clemens XII. Folge gegeben wurde, so sind doch keinerlei Beweise einer diesbezüglichen Thätig- keit vorhanden. Erst die gänzliche Aufhebung des Patriar¬ chats, welcher die Errichtung eines apostolischen Vicariates in Görz kurz vorausgegangen war (1749), brachte volle Abhilfe. Bei der Theilung der Kirchenprovinz und der Diözese von Aquileja wurde die Grenze der beiden Staaten auch die *) Wie wir einer, in einem Missalc von Vernica bei Görz mit glagolitischer Schrift verzeichneten, gleichzeitigen Roti^entnehmen, deren Kenntnis; wir einer gütigen Mittheilung des Herrn Seminar-Professors Kocianciv in Görz verdanken, wnrde bei diesem Anlasse zn Kamne über ausdrückliche Weisung des Bisitirenden das Hochamt in slavischer Sprache abgehalten. Diese interessante — weil in jenen Gegenden ganz vereinzelt stehende — Thatsache ist wohl als ein Zugeständnis; anzuschen, das der Bevölkerung zur Kräftigung ihres durch vielfache Berührungen mit Protestanten, welche sich auch nationaler Hebel zur Verbreitung ihrer Lehre bedienten, wankend gewordenen katholischen Sinnes gemacht wurde. 19 Grenze der beiden Sprengel und somit kom Aquileja, jetzt eine unbedeutende Pfarre, mit seinem merkwürdigen Gottes¬ hause an Görz. Wendet man auf der hohen Warte, die man erstieg, den Blick gegen Südwest, so entdeckt man in blauer Nebel¬ ferne den Campanile von S. Marco aus den Dünsten der Lagunen emportauchen; rasch gleitet dann das Auge ostwärts über den blaueu Spiegel der Adria, welche von zahlreichen Schiffen jeder Art und ganz besonders von den so cigen- thümlich rothbraun schimmernden Segeln der unternehmenden Fischer von Chioggia belebt wird, nach dem buchtenreichen Istrien hin, welches der Monte Maggiore, das wellenför¬ mige Vorland hoch überragend im Hintergründe abschließt. Ist dieser durch die milden, balsamischen Lüfte be¬ rühmt, die man mitten unter Lorberhainen am Fuße seines nach dem Quarnero steil abfallenden Ostabhanges einathmet, so zählt jener Berg, der sich noch weiter gegen Morgen mit dem meist beschneiten Scheitel von dem Horizonte abhebt, rauhes Klima, wilde Natur, Bären und Luchse zu seinen Besonderheiten. Es ist dieß der Krainer Schneeberg, auf dem der mythenreiche Timavo seinen Ursprung nimmt. Dieser merkwürdige Fluß, der die Hälfte seines Laufes, nachdem er sich in den tiefen Schlund von St. Cantian ge¬ stürzt, stellenweise nur seine Gegenwart durch ans der Tiefe dringendes Brausen verrathend, in den unterirdischen Höhlen des Karstes zurücklegt, und der erst knapp vor seinem Ein¬ flüsse in das Meer mit mehreren theilweise schiffbaren Armen wieder an das Tageslicht tritt, war wohl ganz ge¬ eignet, die Einbildungskraft der Meufchen in hohem Grade zu erregen. Deßhalb ist er auch mit den ältesten Sagen dieses Landes, ja Europa's enge verwoben. Schon von den Argonauten erzählt man, daß sie ihn auf dem Rückwege aus 2» 20 Colchis überschritten hätten. Die Sage läßt ferner den ans Jlium flüchtigen Antenor mit einer Colonie Heneter (oder Veneter*), auf die man den heute noch fortlebenden Namen des nordöstlichsten Theiles von Italien zurückführt und daun wieder eine Schaar auf der Heimkehr von Troja verschla¬ gener ätolischer Griechen unter Japis**) au seinen Mün¬ dungen landen. Letztere sollen, wo sie das Ufer betraten, ihrem während der vorhergegangenen Irrfahrt in Apulien verstorbenen Könige Diomedes den Tempel erbaut haben, aus dessen Trümmern Patriarch Ulrich I. die Kirche S. Giovanni di Tuba um dieselbe Zeit erbaute (1112), in welcher er durch seinen Bruder Heinrich von Kärnthen unter¬ stützt, den jüngst zum Besitze der Markgrasschaft Istrien ge¬ langten Grafen Engelbert II. von Sponheim - Lavantthal (nachherigen Herzog von Kärnthen), welcher sich durch die kaiserliche Schenkung Krams und Istriens an das Patriarchat in seinen Rechten verkürzt glaubte***), durch eine am Ti¬ mavo demselben beigebrachte Niederlage zwang, mindestens seinen Ansprüchen auf Kram völlig zu eutfagen. Der fromme Bau follte Wohl eine Sühne für die von Ulrichs Leuten an jenem Orte im Kampfe verübten Graufamkeiten sein. In *) Der alte historische Namen Venetien kam in dem Maße für das Festland außer Ucbuug, als Venedigs Geschicke sich unabhängig von demselben gestalteten. Der neuesten Zeit war es Vorbehalten, ihn wieder zur allgemeinen Geltung zn bringen. **) Daher Japiden und Japidien? *«) Der deutsche König Heinrich III. hatte nach Herzog Con¬ rads ll. von Kärnthen Tode (1039) Istrien von Kärnthen getrennt und durch das bis dahin ebenfalls Kärnthen unterstandene Kraiu ver¬ größert, Ulrich I., ans dem Hause der Grafen von Weimar, ^'erlichen. Ulrichs Sohne, Poppo, folgte um das Jahr l ll L dessen Schwager, Engelbert ll. von Sponheim-Lavantthal in Istrien, welches Heinrich von Kärnthen, vielleicht für sein Herzogthum, wieder zu gewinnen hoffte, als er seinem Bruder, dem Patriarchen Ulrich, gegen Engelbert Beistand leistete. 21 eben dieser Kirche verlobte sich im Jahre 1286 Herzog An¬ dreas von Slavonien — später als König von Ungarn seines Namens der dritte — durch seinen Verwandten und Bevollmächtigten Albertino Mauroceno aus Venedig mit Clara Offmey, Tochter Albrechts II., Grafen von Görz. Die Kirche ist noch erhalten, die Benedictiner-Abtei aber, die sich einst unweit der Timavo - Mündungen erhob, besteht längst nicht mehr; schon zu Ende des XI. Jahrhunderts wird gemeldet, daß das Kloster, seiner ungesunden Lage wegen, von seinen Mönchen verlassen worden war. An seiner Stelle treibt jetzt eine Mühle ihr einförmiges Handwerk. Ein Zeugniß dafür, mit welcher Beharrlichkeit das Volk Erinnerungen festzuhalten und darin selbst steinerne Denkmale nicht selten zu beschämen vermag, müßten wir in den noch immer alljährlich dort abgehaltenen Pferdemärkten anerkennen, wenn sie wirklich—wie man behaupten will—in ihrem ersten Ursprünge von dem Umstande herzuleiten wären, daß jene ätolischen Griechen durch die mitgebrachten Rosse eine vorzügliche Zucht im Lande eingeführt hätten. Jetzt bricht der Timavo, der Erde Schooß zum zweiten Male verlassend, unter kahlem, entwaldeten Gesteine hervor, und schlängelt sich zwischen sumpfigen Reisfeldern träge der nahen See zu; in der römischen Epoche hingegen, während welcher derselbe eine Zeit lang in seinem untersten Laufe als Grenzschcide zwischen Italien und Istrien gegolten hat, bot diese Gegend ein ebenso anmuthiges als bewegtes Bild. Ueppig grüne Wälder schmückten die Höhen des Karstes, zahllose bewimpelte Masten schaukelten sich auf den Wogen der natürlichen und künstlichen Kanäle, welche tief in das mit Villen, Tempeln, Thermen und Nymphäen bedeckte Land eiudrangen und frisches, fröhliches Leben um sich verbreiteten, so daß die in Aquileja weilenden Romer ihr geliebtes. 22 modisches Bajä kaum vermißt, sondern an diesen damals reizenden Ufern vollen Ersatz dafür gefunden haben dürsten. Von Dnino, dem römischen, durch seinen damals vortreff¬ lichen, der alternden Kaiserin Livia vorzüglich mundenden Wein bekannte Pucinum, dessen Wachen im Mittelalter das Herannahen von Stürmen an einem—wie man annimmt— elektrischen Leuchten ihrer Hellebarden erkannt und durch Signale den Schiffern auf hoher See verkündet haben sollen, bis nach der Westspitze Istriens hin gewährt die Küste indeß immer noch einen höchst malerischen Anblick; namentlich, wenn die untergehende Sonne südlich warme Töne auf den felsigen Wänden hervorzaubert und Pirano, Capodistria, das häuserreiche Triest und das feenhafte Miramare, welches trotz seiner Jugend bereits ein weltgeschichtliches Ereigniß in seinen Annalen zu verzeichnen hat, im Abendroth erglühen. Im Osten begrenzen vom Schneeberge an die Mischen Alpen den Gesichtskreis. Ihm zunächst ist ihre bedeutendste Erhebung der Nanos, von welchem Valvasor erzählt, daß man in beträchtlicher Höhe an seinen schroffen Abhängen gewaltige eiserne Ringe befestigt findet, au welche in einer Zeit, da die salzigen Fluthen sich einige tausend Fuß ober der jetzigen Seehöhe an demselben brachen, ein untergegan¬ genes Geschlecht seine Schiffe kettete. Auch Monte Rä wird der Nanos genannt, weil König Alboin, da er seine Lango¬ barden aus Pannonien nach Italien führte, ihn bestiegen haben soll, um das herrliche, zu seinen Füßen ansgebreitete Land zu überschauen, das Narses an ihn verrathen hatte. Jenseits des Sattels des Birnbaumer Waldes, auf dessen Höhe die von Aqnileja nach Aemona führende Römer¬ straße durch das Castell Ad Pyrum geschlossen und mit den ehernen Bildsäulen Jupiters, des Mars und der Victoria geschmückt war, steigt der Rücken stetig bis zu dem gewaltigen 23 Krn empor, dessen Name mit jenen der benachbarten Land¬ schaften Carnien, Carniolia und Carantanien wohl gemein¬ samer keltischer Abstammung ist. Unter den vielen Berg¬ spitzen, welche hinter demselben noch sichtbar sind, erkennt ein Bewanderter den nördlichen Endpunkt der jütischen Alpen, den die Slaven, vielleicht, weil er der höchste der Bergriesen in diesem, von ihnen bewohnten Gebiete ist, nach ihrer obersten heidnischen Gottheit Triglav benannten. Durch das enge Jsonzo-Thal vom Krn getrennt nnd ihn um 1000 Fnß überhöhend, steht ihm der mächtige Ge¬ birgsstock des Monte Canin zur Seite, von welchem an die Carnischen und dann die Cadorischen Alpen mit ihren scharf¬ kantigen, seltsam gestalteten Kämmen und Hörnern im weiten Bogen die frianlische Ebene umrahmen und im fernen Westen jenseits der noch unterscheidbaren Thalsenknng, durch welche die Piave aus dem Gebirge tritt, mit ihren letzten Vor¬ bergen allmälig gegen die unabsehbare Fläche Ober-Ita¬ liens abfallen. Der ganze weite Raum, dessen Umrisse wir eben angedeutet haben, wird, um das bestehende Berhältniß mit wenig Worten bezeichnend anszudrücken, in seiner westlichen Hälfte von Romanen, in der östlichen von Slaven bewohnt; eine scharfe Scheidelinie zwischen beiden läßt sich begreiflicher Weise nicht bestimmen, doch mag man sie, ohne bedeutende Fehler zu begehen, im Gebirge von Norden herab nach dem Meridiane von Aquileja und in der Fläche, dann ostwärts über denselben greifend, am Rande der Ebene ziehen, in welcher das slavische Element wie an der Küste von dem romanischen theils verdrängt, theils assimilirt wurde. Daß die Slaven bei ihrer Einwanderung viel weiter nach Westen vorgedrnngen waren, beweisen einzelne in ihrer Wurzel un¬ bestreitbar slavische Namen, die man noch am Tagliamento 24 findet, wie Gradišča, Gradiscutta, Gorizzo, Goricizza, Bel- grado, nebst vielen anderen, bei welchen dies erst zu erweisen wäre, und in noch überzeugenderer Weise der auf halbem Wege zwischen Udine und Codroipo gelegene Flecken, dessen Benennung Passian Schiavonesco allein schon ein sprechendes Zeugniß dafür ist. Viele wollen behaupten, daß die Friauler nicht einen italienischen Dialekt, sondern eine eigene Sprache reden, und zwar nicht ganz ohne Berechtigung, da sie eine kleine volksthümliche Literatur besitzen und das Friaulische sogar in mehreren Mundarten gesprochen wird, unter welchen jene von Cividale und S. Daniele im Rufe der größten Reinheit stehen. Eine vor wenig Jahren zu Racchiuso (R^oclus) entdeckte, überaus alte, friaulische Inschrift liefert überdies den Beweis, daß diese Sprache in beinahe unver¬ änderter Gestalt in jene Zeit zurückreicht, welche der schon am dichterfreundlichen Hofe 'der Hohenstaufen Friedrich II. und Manfred angebahnten, aber erst nach der in Dante's göttlicher Comödie erlangten Weihe der Vollendung allge¬ mein anerkannten Herrschaft der italienischen Schriftsprache vorherging. Die Grenzen des Friaulischen Sprachgebietes sind noch schwerer mit Bestimmtheit anzugeben, als jene der lateinischen Race überhaupt; im Osten und Norden fallen sie vollständig mit den letzteren zusammen, im Westen können im oberen Theile die Wasserscheide zwischen Piave einerseits und Tagliamento, Livenza und ihren Zuflüssen andererseits, hierauf eine von Sacile nach Codroipo gezogene Linie und von da an der untere Tagliamento dafür gelten. Längs der Seeküste behauptet das Italienische, als die Sprache der Schifffahrt und des Seehandels in einem, vene- tianische Anklänge verrathenden Dialekte, seit jeher das Uebergewicht; aber auch im Inneren des Landes saßt es in neuester Zeit selbst im geselligen Umgänge und dem hüns- 25 lichen Familienverkehre immer festeren Fuß, wahrend das Friaulische, hier in ähnlicher Weise, wenn auch keinem äußeren Drucke nachgebend, im Zurückweichen begriffen ist, wie die verwandte Sprache der Troubadours vor der im stramm centralisirten Fraukreich allein berechtigten U'oil. Das sind eben Aeußerungen des modernen Zeitgeistes, der alle Unterschiede auszugleichen und zu verwischen strebt und dadurch eiuen Prüfstein für Lebenskraft und Widerstands¬ fähigkeit abgibt. Bei Individualitäten, denen diese Eigen¬ schaften noch innewohnen, rnfen seine Angriffe die heftigste Reaction hervor; alles Schwache und Ueberlebte hingegen verschlingt er erbarmungslos. Erwähnenswerth ist noch, daß in dem kleinen vom Meere, den letzten Höhen des Karstes und dem untersten Laufe des Jsonzo umschlossenen, gewöhnlich kurzweg II 'Isrritorio genannten Landstriche, dessen Hauptort Mon- falcone ist, eine eigentümliche italienische Mundart, das Bisiaccv gesprochen wird. Seit den fernsten Tagen, über welche nur ungewisse Kunde durch das Dämmerlicht der Sage bis zu uns herüber dringt, haben die verschiedenartigsten Völkerschaften ihre Kriegs- und Wanderzüge durch diese Gegenden genommen. Viele schlugen in denselben ihre bleibenden Wohnsitze auf; von allen beinahe lassen sich aber Spuren nachweisen, wenn sie auch nicht immer ans der Oberfläche liegen. So böte die Un¬ tersuchung der Benennungen von Bergen, Gewässern, Flureu und Wohnsitzen dem Sprachforscher ein reiches und interessantes Feld der Ausbeute dar; denn es finden sich darunter neben langobardischen und theils rein erhaltenen, theils bis zur Unkenntlichkeit corrumpirten römischen Namen nicht minder solche, die keltischen oder rasänischen Ursprungs sind, von 26 jenen gänzlich zu schweigen, die noch lebenden Sprachen angehören *). Wenn wir von der allgemeinen Wechselwirkung absehen, welche Culturvölker überhaupt auf ihr Geistesleben gegen¬ seitig ausüben, so müssen wir eingestehen, daß der hier einst mächtige deutsche Einfluß, der das Deutschthum in Friaul tiefe und kräftige Wurzeln hatte schlagen lassen, zur Zeit beinahe gänzlich erstorben ist. War dieses auch niemals ein deutsches Land in des Wortes ganzer Bedeutung, selbst nicht unter der Herrschaft der germanischen Langobarden, die sich in strenger Abgeschlossenheit von der verachteten, unterjochten Bevölkerung hielten und doch in derselben untergingen; so stand es doch nicht in der losen Verbindung wie die übrigen Theile des Königreiches Italien zu Deutschland, sondern bildete von Otto dem Großen bis zur Exemtion des Patri¬ archats aus dem weltlichen Herzogthume einen integrirenden Bestandtheil desselben, indem es zuerst zu Baiern und dann zu Kärnthen gehörte^). Deutsche verschiedener Stämme waren seine eigenen Grafen, Markgrafen und Herzoge ge¬ wesen, von denen drei, die Langobarden Ratchis (entsagt 749) *) Es ist Friaul nicht allein in ethnographischer Beziehung als Berührungspunkt der verschiedensten Elemente merkwürdig. Wie die drei großen Völkerfamilien, welche die Geschicke Europa's und dadurch mittelbar der ganzen Menschheit leiten, Romanen, Germanen und Slaven, so begegnen sich in einem gewissen Sinne auch Nord und Süd, Ost und West unseres Welttheiles mit ihren eigenthümiichen physischen, klimatischen und sonstigen Verhältnissen auf dem Boden dieses Landes. Auch die innigen und vielfachen Handelsbeziehungen zu Deutschland machten sich hier mächtiger geltend als anderswo. Liruti erzählt z. B. in seinen ölotirus äi ftkmoua, daß deßhalb im Mittel- alter die deutsche Sprache in Gemona beinahe ebenso verbreitet und allgemein angewendet war, wie die heimische friaulische und ll'ommnsiuo cks' Oroüiari aus Cividale dichtete im Beginne des Llll. Jahrhun¬ derts in deutscher Sprache „den welhisch Gast." — 27 — und Aistulf (1- 756) und der Frauke Berengar I. (s- 924) die eiserne Krone auf's Haupt gesetzt erhielten, zu welcher der Letztere nach langen Kämpfen noch jene Carls des Großen fügte. Deutsche Zeugen sind es, die wir unter den alten Ur¬ kunden dieses Landes häufig angeführt finden. Deutfchen Ortsnamen begegnen wir oftmals in Friaul und zwar nicht allein den veralteten, die neben den jetzt ausschließlich ge¬ bräuchlichen, romanischen Benennungen gänzlich in den Hintergrund getreten sind, sondern auch solchen, die sich bis auf eine geringe romanisirende Veränderung unverfälscht erhalten haben *). Deutscher Abkunft rühmten sich oder rühmen sich noch viele der angesehensten friaulischen Adels¬ familien **). Deutsche Dynasteu-Geschlechter waren in Friaul reich begütert, wie die Peckaner, die Andechse, die Sponheimer, die Eppensteiner, die Grafen von Vintschgau und jene von Lurn und Pusterthal, die nachherigen Grafen von Görz. Deutsche endlich waren viele der Metropoliten Aqui- leja's, das zwar niemals aufhörte sich italienisch zu fühlen, und auf einem Siegel des IX. Jahrhunderts mit einiger Selbstüberhebung von sich sagt: Ilrkrs lise entert sst Italis; Deutsche waren sie alle, die kirchlichen, später zugleich auch weltlichen Fürsten des Landes, von jenem unglücklichen Engelfred (944—963) an, der (955) auf Herzog Heinrichs von Baiern, Kaiser Otto's I. Bruder *') Zum Beispiele: Gronmnbergo, Grossenbergo, Arispergo, Uruspergo oder Grnsbergo, Prampergo, Satimbergo, Soffumbergo, Partistagno (Perlenstem), Ravistagno (Rubenstein), Spilimbergo und das unweit davon gelegene durch die Ermordung des Patriarchen Bertrand berüchtigt gewordene Richenvelda. **) Wir nennen nur die von Artegnu, Attems, Collalto, Collo- rcdo, Cncanea, Manzano, Mels, Partistagno, Prampergo, Prodowne, Strassoldo, Valvasone, die Freschi und Zucchi. — 28 — Geheiß verstümmelt wurde, bis zu Bertholds von Andechs im Jahre 1251 erfolgten Tode, mit Ausnahme des Raven- uaten Johann IV. (984—1019), Friedrichs II. (1084— 1085), des einzigen Slaven in der ganzen langen Reihe der Patriarchen und vielleicht Pilgrims II. (1195—1204), dessen Herkunft ungewiß ist. Mit dem tragischen Falle der Hohenstaufen, der für die Gestaltung des Verhältnisses zwischen Deutschland und Italien von so folgenschwerer Wirkung war, trat aber auch in dieser Beziehung ein gewaltiger Umschwung ein, und seit jenem Jahre (1251) bestiegen nur mehr vier Deutsche den Patriarchenstuhl von Aquileja. II. Detritt man das Innere der im Rundbogenstyle gebauten Basilica, so wird man von der schmucklosen Erhabenheit des weiten Raumes, die mit der kleinlichen Armseligkeit der äußeren Umgebung seltsam contrastirt, überwältigt und mit Ehrfurcht erfüllt. Der Eindruck ist ein um so größerer, da er nicht im mindesten durch die Architectur der Außenseite vorbereitet wird. Das Volk bezeichnet den Patriarchen Poppo als den Erbauer und allerdings verkünden mehrere, zum Theile noch vorhandene, zum Theile verschwundene, aber ausgezeichnete Inschriften, daß dieser am 13. Juli des Jahres 1031 in Gegenwart zweier Cardinäle und der Bischöfe von Triest, Pola, Pedena, Citta nuova, Concordia, Treviso, Padua, Brixen, Belluno, Feltre, Trient und Ceneda diese Kirche, für deren Dienst er zugleich einen 50 Köpfe zählenden Klerus bestellte, zu Ehren der heiligen Gottesgebärerin und der heiligen Hermagor und Fortunat geweiht habe. Doch irrt man kaum, wenn man demselben nur eine umfassende Her¬ stellung und Vergrößerung jener alten Kirche zugesteht, welche der Afrikaner Fortunatianus, der letzte, der sich blos Bischof von Aquileja nannte — beiläufig erwähnt ein Arianer, der nach dem Zeugniße des heiligen Hieronymus den Papst Liberius zur Unterzeichnung einer vom Kaiser Constantins 30 geforderten ketzerischen Formel auf der Synode zu Sirminm (358) vermocht hatte — im Jahre 347 in Ausbeutung des Sieges, welchen der christliche Glaube durch Constantin vor kurzem über das Heidenthum davon getragen hatte, mit damals ungewöhnlicher Pracht ausführeu ließ. Für das Alter der Basilica spricht schon der Umstand, daß man beim Eintritte einige Stufen hinabsteigen muß, weil ihr Fußboden sich 2Vz Schuh tiefer als das umliegende Erdreich, das ist ungefähr im gleichen Niveau mit dem Pflaster und den Mosaikböden der alten Römerstadt befin¬ det; ferner die Lage, vermöge welcher der celebrirende Priester mit dem Gesichte der ausgehenden Sonne zugewendet ist, wie es in der ersten Zeit des Christenthums allgemein üblich war und wie es in der orientalischen Kirche noch immer strenge beobachtet wird; endlich die kleineren, an die westliche Haupt-Fa(;ade der Kirche anstoßenden, und dieselbe verunstaltenden, theilweise auch verdeckenden Gebäude, welche bestimmt einem, dem Patriarchen Poppo vorhergehenden Zeit¬ alter angehören, nnd in welchen wir die durch den ältesten christlichen Ritus geforderten, für diejenigen Mitglieder der Gemeinde, welche zum heiligen Opfer nicht zugelassen wur¬ den, bestimmten Räume erkennen müssen, nämlich das Bap¬ tisterium nebst den Vorhallen für die Katechumenen und die Büßenden, welche den ursprünglichen Begräbnißplatz ein¬ friedeten. Hat nun auch die unter Poppo vorgeuommene Verlängerung der Kirche in westlicher Richtung den einst durch Atrium und Porticus eingenommenen Raum beinahe vollständig erfüllt und uns nur einen geringen Rest des letzteren erhalten, so ist es dennoch um so weniger zweifel¬ haft, daß eine organische, nun allerdings gestörte Verbindung die verschiedenen Bestandtheile zu einem Ganzen vereinigt habe, da sie insgesammt auf einer einzigen, gemeinsamen 31 Längenachse liegen. Das Baptisterium, die Ueberbleibsel des Porticus, die den Zusammenhang zwischen diesen beiden her¬ stellende sogenannte Ostissu äsi kwAnni und Theile der Basilica mit ihnen reichen aber gewiß in die Zeit des Bischofs Fortunatianus zurück, und gehören daher unbestritten zu den ältesten christlichen Bauwerken, die wir überhaupt besitzen, wobei es jedem unbenommen bleibt, der Ansicht jener beizu¬ treten, welche die Ostiesu äsi knAuiri — der Tradition folgend — für den ersten christlichen Versammlungsort in Aquileja halten, in welchem der heilige Hermagoras sich verborgen hielt und bereits im I. Jahrhunderte das Wort Gottes verkündete. Vom höchsten Interesse ist das Baptisterium, da es eines der wenigen noch erhaltenen — mb vsiriu vsrkoo — ist, welche für den Taufact Iniirikrsioirsiri bestimmt waren. In den ersten Jahrhunderten des Christenthums wurden stets nur Erwachsene getauft, mochten sie nun be¬ kehrte Heiden oder Kinder christlicher Eltern sein, da man das volle Bewußtsein und die genaue Kenntniß der christlichen Lehre bei dieser heiligen Handlung forderte; ja man eilte überhaupt nicht damit, wie wir es an dem heiligen Ambro¬ sius sehen, der die Taufe noch nicht empfangen hatte, als er Bischof von Mailand wurde. In getreuer Nachahmung der Weise, in der Johannes am Jordan getauft hatte, geschah es anfangs wohl zumeist an Flüssen oder sonstigen Gewässern, bis Gründe der Schicklichkeit nicht minder als der Gebrauch, das Tauswasser vorher zu weihen, eine andere Einrichtung bedingten. Im Baptisterium von Aquileja erhebt sich mitten in einem von Außen vier, von Junen acht Ecken weisenden Baue ein ziemlich geräumiges, sechsseitiges steinernes Becken*), *) Die Combination von Viereck, Sechseck und Achteck ist merk¬ würdig und vielleicht von symbolischer Bedeutung. 32 welches mit Wasser angefüllt einen aufrecht stehenden Mann bis zum Hälfe bergen würde. Um hinein zu gelangen, muß man zwei hohe Stufen hinan und jenseits des obersten Randes wieder drei mäßigere Absätze hinabsteigen, sodaß der Boden des Taufbeckens etwas unter dem der Umgebung liegt. Rings um dasselbe erblickt man theils noch aufrecht stehend, theils umgestürzt sechs mächtige Säulen, welche einst die eingefallene, gewölbte Decke trugen, während sich jetzt nur mehr das blaue Himmelszelt darüber spannt. Bis zum Jahre 1790 befand sich das Baptisterium, das schon längst seiner eigentlichen Bestimmung entfremdet war, obgleich Taufen mittelst Untertauchen im Sprengel von Aquileja noch im Laufe des XV. Jahrhunderts vorgekommen sein sollen, in ziemlich gutem Zustande; da nahm die gänzlich herunter¬ gekommene Gemeinde, von finanziellen Nöthen gedrängt, ihre Zuflucht zu den eisernen Klammern, die das uralte Gebäude zusammeuhielten, um durch den Verkauf einiges Geld zu ge¬ winnen, und seiner Stützen beraubt, brach es in sich zusammen. Dasselbe Geschick hatte zugleich die anstoßende Ostissg, äei kuANiU getroffen. Der untere Raum, in den man vom Baptisterium tritt, dient dermalen als Aufbewahrungsort mehrerer antiker Funde und an den Wänden sieht man noch Spuren von Malereien, die in gleicher Weise wie jene, welche die Bastlica schmückten, durch barbarische Restau¬ ratoren übertüncht wurden. Ober diesem Erdgeschosse erhob sich vordem ein Stockwerk, von welchem nur mehr weniges, einige Fuß hohes Mauerwerk übrig ist und das in früheren Zeiten als Capelle gedient zu haben scheint. Dieses enthielt ebenfalls einige kunstlos gemalte Bilder, welche Bertoli noch gesehen und in seinen beschrieben hatte. Eine zwischen Christus, Maria und den vier Evangelisten darauf dargestcllte Frauengestalt deutete er auf Gisela, die Tochter 33 Ludwig des Frommen, Gemahlin Herzog Eberhards von Frianl und Mutter Berengars I. Wenn wir weiters erwägen, daß von dem durch Poppo an der Südseite der Basilica aufgeführten, zum Wohnsitze der Patriarchen bestimmten Palaste, von welchem der oft erwähnte Bertoli noch bedeutende Ruinen gesehen hatte, nur mehr zwei hoch gegen den Himmel ragende Säulen für die Herrlichkeit des alten Prachtbaues Zeugenschaft ablegen, so müssen wir mit Beschämung gestehen, daß die aufgeklärte Sorglosigkeit der jüngst verflossenen hundert Jahre in ihren Folgen der wilden Zerstörungswuth der Epoche der Völker¬ wanderung an die Seite gestellt zu werden, würdig ist. Zu den ältesten Theilen der Kirche rechnet man das Querschiff, die Krypta und die Abfis, während die Verlän¬ gerung des Langhauses auf Poppo zurückgeführt wird; ihre heutige Gestalt verdankt die Basilica dem Patriarchen Mar- gnard von Randeck, der im XIV. Jahrhunderte das Mittel¬ schiff bedeutend erhöhte und die Kuppel auf das Kreuz setzte. Einige höchst merkwürdige Fragmente roher Sculpturen, welche den Meißel der noch ganz in den ersten Anfängen sich bewegenden langobardischen Kunst verrathen, sind uns, allen diesen architektonischen Revolutionen zum Trotze, er¬ halte» geblieben, da man sie zur Einfassung der Peters- Kapelle im südlichen Arme des Querschiffes benützte. Die Gemälde an den Wänden des Chores sind des Ortes, den sie zu zieren bestimmt sind, ganz unwürdig; sie traten an die Stelle von Malereien, deren absoluter Kunst¬ werth kaum ein höherer gewesen sein dürfte, die aber von um so größerem kunstgeschichtlichen und allgemein historischen Interesse waren. Sie bezogen sich auf den Bau unter Poppo und wiesen nebst verschiedenen auf die Kirche Bezug haben¬ den Heiligen, Kaisen Konrad II., seine Gemahlin Gisela, AquNeja. o 34 Tochter Herzog Hermanns von Schwaben und Witwe seines Nachfolgers des Babenbergers Ernst, Heinrich des Kaisers Sohn und endlich den Bauherrn selbst, der an diesen erinnerungsreichen Stätten von Begeisterung ergriffen, sich die ruhmvolle Aufgabe gestellt hatte, der Wiederhersteller von Aguileja's Größe zu werden. Daß wir aber dennoch die Züge dieses bedeutenden, im Andenken des Volkes noch fortlebenden Mannes betrachten können, danken wir einem glücklichen Zufalle, der ein höl¬ zernes Standbild desselben, das bis zu der letzten, leider nur über beschränkte Mittel verfügenden Restauration der Jahve 1845 und 1846 nebst mehreren anderen, vollständig von Würmern zernagten Schnitzwerken an der Decke angebracht war, vor dem gänzlichen Verderben rettete. Was der unerbittliche Zahn der Zeit nicht zu zerstören vermochte, haben die Menschen der von ihren Hirten früh verwaisten Kirche geraubt. Vergebens sucht man hier archiva¬ lische Schätze, kostbare Rituale, reiche Meßgewänder oder werthvolle Kirchengeräthe; alles dieses findet man in Cividale und Udine, wohin es mit dem Sitze der Kirchenfürsten über¬ tragen wurde. Nur die Gebeine ihrer Patriarchen, die es nach be¬ wegtem, an andern Orten verbrachten Leben gelüstete, unter dem Dache der Kirche, durch die sie ihre Würde bekleideten, den letzten langen Schlaf zu thun, sind ihr geblieben, und ob sie auch lange schon vermodert und zu Staub zerfallen sind, ihr Geist wohnt immer noch in diesen geweihten Hallen, und wenn wir sinnend an ihren Grüften stehen, so fühlen wir uns von ihrem Odem angeweht; ja ihre eigenen Gestalten glauben wir daraus entsteigen zu sehen, um uns Kunde zu geben von den Ereignissen, die bald von ihrer thatkrästigen Hand die eingeschlagene Richtung vorgezeichnet erhielten, bald 35 die Widerstrebenden mit sich fortreißend oder über ihr ohn¬ mächtiges Sträuben rücksichtslos hinwegschreitend den großen weltgeschichtlichen Zielen zueilten. Das Gepräge des höchsten AlrerthumS trägt die Krypta, in die nur mattes Zwielicht durch die kleinen, eng vergitterten Fenster zu dringen vermag; zwei uralte Ampeln heidnischen Ursprungs hängen von der niederen Decke und hatten einst die Bestimmung, in dieser feuchten Grabeslust einige Helle zu verbreiten. Der Volksglaube hält diese Zelle für das Gesängniß, welches Hermagoras, der erste Bischof Aquilcja's die letzten Tage vor seiner Hinrichtung bewohnte und durch Wunder verklärte*). Ist dies auch wenig wahrscheinlich, so darf man ihre Entstehung doch in keine spätere Zeit verlegen, als jene des schon mehrmals erwähnten Baues unter Fortu¬ natianus. In einem steinernen Sarkophage, der mitten in dem Gewölbe durch eine Einfassung von starken Eisenstüben gesichert steht, befinden sich — der Tradition zufolge — nebst vielen anderen Reliquien die Gebeine des heiligen Her¬ magoras, seines Diakons Fortunatus, seines ersten Nach¬ folgers des Bischofs Hilarius, der vier Jungfrauen Dorothea, Thekla, Euphemia und Erasma, der ersten Opfer aus der Bevölkerung Aqnileja's, welche die neue Lehre aus dem Morgeulande mit ihrem Blute besiegelten, endlich jene der Geschwister Cantius, Cantianus und Cantianilla, aus dein vornehmen römischen Geschlechte der Anicier, welches der Kirche außerdem noch zwei so hervorragende Männer, wie den heiligen Ambrosius, Bischof von Mailand und Papst Gregor den Großen lieferte. *) Der Heide, welchem der Heilige zur Bewachung anvertraut war, sah einmal des Nachts das dunkle Gemach durch ein übernatür¬ liches, van dein Gefangenen ausgehendes Licht glänzend erleuchtet, bekehrte sich bei diesem Anblicke zum Christenglauben und ließ sich mit seiner ganzen Familie taufen. 3* 36 Cantian und seine Genossen sollten nach Aquileja gebracht werden, nm auf der dortigen Richtstätte für den Abfall vom Heidenthnme gemeinsam den Tod zu erleiden; als aber bei gruclatns, wo mehrere Wasseradern Plötzlich aus dem Boden hervorquillen, eines der vorge¬ spannten Maulthiere störrisch wurde und jeden weiteren Dienst versagte, hieß man jene den Wagen verlassen und schlug ihnen auf einer Wiese, knapp an der Straße die Häupter ab. An derselben Stelle, zwischen Monfalcone und Aquileja steht heutigen Tages ein Dorf, zur Erinnerung an jenes Ereigniß, S. Canziano*) genannt. In bedeutend späterer Zeit wurde zu jenen Reliquien noch das aufgefangene Blut des Patriarchen Bertrand gelegt, der das Leben wohl nicht für seinen Glauben, aber für die weltliche Machtstellung seiner Kirche hingegeben hatte. Einige Malereien, die für Werke des V. Jahrhunderts gehalten werden, behandeln die ersten Schicksale desChristen- thumes in Aquileja und namentlich jene des ersten Ober¬ hirten Hermagoras. Der Evangelist Marcus, der — so berichtet darüber die Legende — mit den Aposteln Petrus und Paulus nach Rom gezogen war, den neuen Klauben zu predigen, erhielt von jenem den Auftrag, denselben zuerst nach dem hochwichtigen Aquileja zu tragen. Noch bezeichnet eine einsame, seinem Namen geweihte kleine Kapelle außer¬ halb der Stadt, am Strande der Lagune, den Ort, an dem er gelandet, gewohnt, den ersten Gottesdienst gehalten und *) Diesen Namen finden wir in den nahen Ländern öfter an solchen Orten wieder, wo Gewässer in ungewöhnlicher Weise ans dem Boden dringen oder in demselben verschwinden, indem jener Heilige dnrch seinen Tod zu solchen Naturerscheinungen in ein ähn¬ liches Verhältnis trat, wie der heilige Johann von Nepomuk zu den Brücken. 37 sein Evangelium niedergeschrieben haben soll. Nachdem er einige Jahre hier mit dem besten Erfolge gewirkt hatte, sehnte er sich darnach, seinen Meister Petrus wieder zu sehen; er empfahl die neue Gemeinde der Obhut seines Schülers Hermagoras, dem er durch Auflegen der Hände seine Gewalt übertrug, und kehrte um das Jahr 49 nach Rom zurück. Aus dieser Erzählung ersieht mau, daß auch das Patronat des heiligen Marcus erst durch die Flüchtlinge Aquileja's nach dem Rialto verpflanzt wurde. Wie allenthalben hatte auch in Aquileja die Begei¬ sterung der neuen Jünger Christi die Ohnmacht der heid¬ nischen Götterlehre siegreich dargelegt; selbst die grausamsten Verfolgungen waren nicht im Stande dem Wachsthume der üppigen Saat Einhalt zu gebieten, die gerade aus dem Blute zahlreicher Märtyrer die reichste Nahrung sog. Das schon durch ihr Alter und ihren Stifter hohe Ansehen dieser christ¬ lichen Gemeinde, welche bereits in der Mitte des zweiten Jahrhunderts in Pins I. eines ihrer Glieder zum Nachfolger Petri berufen sah, war indessen durch die harten Kämpfe, die sie zu bestehen hatte, so sehr gestiegen, daß schon eine im Jahre 381 zu Aquileja versammelte Synode seinem Bischöfe, dem heiligen Valerian (st 389) die Metropolitan-Rechte einräumte. Patriarch aber nannte sich zuerst Paulinus I. (557 bis 569) aus eigener Machtvollkommenheit. Da der¬ selbe als Schismatiker die Oberhoheit des Bischofs von Rom nicht anerkannte, liegt die Vermuthung nahe, daß dieser ehr¬ geizige Römer es in der Absicht gethan habe, sich selbst als das kirchliche Haupt des Abendlandes, in welchem Niemand sonst jenen stolzen, eine höhere Würde andeutendeu Titel führte, im Gegensätze zum römischen Primate aufzuwersen. Dieser angemaßte Titel überlebte übrigens den Usurpator, 38 da er sowohl von den orthodoxen Prälaten von Grado bei- behalten, als auch jenen von Aquileja um den Preis der Unterwerfung durch den Papst nachträglich bestätigt wurde. Trotzdem wollten die occidentalischen Metropoliten dem Patriarchen von Aquileja niemals mehr als die erste Stelle unter ihnen, etwa einen höheren Rang zugestehen. Als Pa¬ triarch Berthold im Jahre 1245 aus der Kirchenversammlnng von Lyon seinen Sitz dem Papste gerade gegenüber an der Spitze der gejammten Geistlichkeit neben den Patriarchen von Jerusalem und Antiochien einnehmen wollte, entstand eine heftige Aufregung unter den versammelten Vätern, welche damit endigte, daß Bertholds Stuhl umgestürzt und in die zweite Reihe neben jene der übrigen Erzbischöfe ver¬ wiesen wurde. Des Paulinus hochfliegende Plane gingen — wenn sie überhaupt wirklich gefaßt worden waren — indeß nicht in Erfüllung. Die Zeit des Schisma's war zugleich eine Epoche harter Prüfungen für die Patriarchen, welche seit dem Beginne des VII. Jahrhunderts sich in das feste Schloß von Cormons zurückziehen mußten, bis Patriarch Calixtus, dem es bei dem „gemeinen Volke" dort nicht mehr gefallen wollte, im Jahre 737 den Bischof Amator von Julium Car- nicum (Zuglio) ans Voruin (der Oivitns Vustwins der Langobarden, dem heutigen Cividale) vertrieb und seine Residenz dorthin »erlegte. Herzog Pemmo von Friaul er¬ griff zwar Amators Partei und vergalt Gewalt mit Gewalt, indem er den Patriarchen nach dem festen Schlosse Pontium (Dnino?) bringen ließ; König Luitprand aber entschied für Calixtus und entsetzte den Herzog, an dessen Stelle sein Sohn, der spätere König Ratchis mit der Verwaltung Friauls betraut wurde. 39 Beiläufig sei hier bemerkt, daß beide Gegner Cividale interessante Denkmale hinterließen; der Altar in der Mar- tinskirche ist eine Widmung Pemmo's, während das Baptiste¬ rium der Hauptkirche unter Calixtus angeferligt wurde. Der zweite Nachfolger dieses Patriarchen war Pau¬ linus II. Grammaticns (776 — 802), der Freund und Liebling Carl des Großen, der Zeitgenosse des Geheim¬ schreibers des Königs Desiderius Pauls, des Sohnes War- nefrieds, gleich diesem ein Schrifsteller und in Friaul ge¬ boren *). Paulinus, den Carl schon damals, da er an der Gelehrtenschule zu Cividale Vorträge über Grammatik — daher sein Beiname — hielt, reich beschenkt und durch seine ununterbrochen fortdauernde Gunst sich so sehr verpflichtet hatte, daß der Patriarch beispielsweise im Namen der unter seinem Vorsitze gehaltenen Synode von Altino (799) erklärte, die daselbst gefaßten Beschlüsse hinsichtlich ihrer Durchführung vollständig dem Willen Carls unterordnen zu wollen, galt bei diesem so viel, daß derselbe auf sein Zureden allein von einer beabsichtigten, erneuerten Divisio, das ist einer theil- wcisen Einziehung des Kirchengutes, wie sie Pipin und Carl der Hammer schon mehrmals vorgenommeu hatten, nicht nur abstand, sondern auch feierlich für alle Zukunft darauf ver¬ zichtete. Abgesehen von mehreren Schenkungen und Vorrechten, die er während feines Amtes der Kirche von Aguileja von Carls Wohlwollen erwarb, muß man es hauptsächlich seinem wcrthgehaltcncn Andenken znschreiben, daß dieser neun Jahre nach des Paulinus Tode, als er die Grenze zwischen Aqui- *) Die Tradition läßt Paulinus ans Prcmariacco und ein Glied der Familie Saccavini sein, welche thatsächlich noch immer den Festtag dieses Heiligen in der feierlichsten Weise begeht und deren Grundstücke durch uralte patriarchalische Privilegieu vom Zehente be¬ freit waren. 40 leja und Salzburg, das der dem Kaiser ebenfalls eng be¬ freundete Arno regierte, ziehen sollte, es in einem für ersteres so günstigen Sinne that. Paulinus Zeitgenossen, dem Patriarchen Johann I. von Grado, dagegen sollte die Freundschaft der Franken, zu denen auch er, wahrscheinlich durch den Zauber von Carls gewaltiger Persönlichkeit angezogen, hinneigte, verhängniß- voll werden. Die mit den Byzantinern haltenden Vene- tianer, welche keine, eigene Wege wandelnde Politik ihres geistlichen Oberhauptes dulden wollten, zogen mit ihrer Kriegsmacht (802s nach Grado, das sie gewaltsam besetzten, und des Dogen Johann Galbajo Sohn ließ den schon schwer verwundeten Patriarchen von einem hohen Thurme herunterstürzen. Der älteste Patriarch, über dessen Beisetzung in der Basilica wir Kunde haben, ist, einer in Cividale befindlichen Chronik nach, Friedrich I., dessen Grabschrift von derselben Quelle folgendermaßen angegeben wird: Oouäitur inlorius niticio Batrisrolla lapillo, Braeolarum nomsn —- zwar nach, bekam aber nur Balduin von Avesues und sieben andere Edelleute, die zurückgeblie¬ ben waren, in seine Gewalt, während Richard mit seinen übrigen Begleitern über Cividale nach Kärnthen entkam. Obgleich nun der Graf seinem Schwager Friedrich von Pet- tan unverzüglich von allen diesen Vorfällen Kenntniß gab und dieser die weitere Verfolgung mit allem Eifer über¬ nahm, sollte den König erst in der Nähe Wiens das Mi߬ geschick ereilen. An Gottfrieds Stelle trat im Februar 1195 Pil¬ grim II., der Erzdiakon des Stiftes und Probst von Civi¬ dale, von dessen Herkommen wir keine gewisse Kunde haben, lieber sein Eingreifen in die großen Angelegenheiten des Reiches ist uns eine einzige bedeutendere Thatsache bekannt. Nach Heinrichs VI. Tode hatten die deutschen Fürsten die seinem noch nicht dreijährigen Sohne Friedrich gelobte Treue gebrochen und, je nach dem sie der hoheustanfischen oder wel- fischen Partei angehörten, Heinrichs VI. Bruder Philipp oder Otto, den zweitgebornen Sohn Heinrichs des Löwen 62 zum Könige ausgerufen. Beide Parteien wandten sich, mit¬ ten im Deutschland verheerenden Bürgerkriege, um Bestäti¬ gung ihrer Wahl schriftlich an Papst Jnnocenz III., dem sie dadurch das von den Päpsten jederzeit angestrebte von allen Königen aber bisher beharrlich verweigerte Schieds¬ richteramt in deutschen Angelegenheiten freiwillig anboten. Indem der bei Abfassung des betreffenden Schreibens abwe¬ sende Pilgrim sich jenen Prälaten und Fürsten nachträglich anschloß, welche sich für Philipp verwendet hatten, bekannte er sich als Ghibelline. Mehr Beschäftigung scheinen ihm seine unruhigen und schwierigen Nachbarn verursacht zu haben, obgleich wir ihn in der Fehde der Ortenburger und der Auersperge des Jah¬ res 1200 ausnahmsweise mit den Görzern im Bunde ans Seite der ersteren stehen sehen. Treviso, anfangs der Pa¬ triarchen Stütze gegen Venedig, wurde um diese Zeit den¬ selben selbst durch die Unterstützung gefährlich, welche alle Feinde des Hochstiftes, vor allen dessen eigennützige Vögte dort fanden. Nach einem den 5. Juli 1201 von den Trevi- fanern am Tagliamento über das patriarchalische Heer er¬ fochtenen Siege beschloß Pilgrim sich die venetianische Bür¬ gerschaft und damit den Schutz des Inselstaates zu erkaufen. Wahrscheinlich geschah dies unter den damals gewöhnlichen Bedingungen, nämlich unter der Verpflichtung, ein Haus in der Stadt zu besitzen und mindestens 30 Tage jedes Jahres darin zuzubringen. Die nächste Folge der nun zu Gunsten des Patriarchen geänderten Verhältnisse mag der Friede gewesen sein, welcher unter der Bürgschaft der Herzoge von Oesterreich - Steier¬ mark, Kärnthen und Meran zu S. Quirin nächst Cormons am 27. Jänner 1202 zwischen dem Patriarchen und den Söhnen Engelberts II. von Görz, den Grafen Meinhard II. 63 und Engelbert III. HP 1220) zu Stande kam. Letztere ver¬ sprachen, kein Bündniß mehr mit den Trevisanern eingehen zu wollen, wogegen ersterer ihnen die Schlösser Görz und Moosburg nebst allen sonstigen Besitzungen als männliche und weibliche Lehen zusprach. Am 13. December desselben Jahres erfolgte noch die Entscheidung der von den Vertra¬ genden erwählten Schiedsrichter Dietrich von Fontebono, Herbord von Pertenstaine, Wolfger von Doremberg und Pilgrim Glokkeldelt, durch welche die Orte, in welchen den Grafen die Vogteirechte zustanden, bestimmt wurden. Darüber, ob Patriarch Gottfried in Aquileja begra¬ ben wurde, liegen uns keine Nachrichten vor, doch haben wir Ursache es anzunehmen, nachdem es damals das Ge¬ wöhnliche war. Bon Pilgrim II. wird es mit dem Znsatze erzählt, daß er nach seinem am 15. Mai 1204 in Cividale erfolgtenTode dahin übertragen wurde*); von dessenNachfol- *) Wenn man in Betracht zieht, daß das mit ?sl6xrinus knt,r>n,rekn bezeichnete Grab von einigen für jenes Pilgrims II. ge¬ halten wird, daß dieser beinahe gewiß in der Bafilica von Aquileja begraben liegt, daß die Herkunft dieses Patriarchen strenge genommen unbekannt ist, nachdem der öfter ungenaue Palladio mit der in seiner Geschichte Friauls vorkommenden Behauptung, er wäre aus Brescia gewesen, ganz vereinzelt dasteht, und daß der, jene Inschrift tragende Stein mit einem Wappen geschmückt ist, welches man ohne allen Zwang für das der Familie Dornberg ausgeben könnte; wenn man ferner im Zusammenhänge damit erwägt, daß dieses aus Frauken stammende, erst zu Ende des XVIll. Jahrhundertes erloschene Geschlecht vor Pilgrim II. in Friaul ganz unbekannt war; im Jahre t2l)2 aber von diesem Patriarchen durch die Berufung eines seiner Glieder zu dem ebenso wichtigen als ehrenvollen Amte eines Schiedsrichters in dem Streite mit dem Grafen von Görz ausgezeichnet wurde, und seit jenem Zeitpunkte unter den angesehensten und begütertsten des Landes genannt wird, so dürste man es kaum zu gewagt finden, wenn wir jenes in der Regel Pilgrim l zugcschricbcne Grab für Pilgrim II. in Anspruch nehmen und "die Vermnthung hinzufugcn, daß letzterer der Familie Dornberg angehörtc und die Veranlassung zur Ansässigmachung der¬ selben im Gebiete des Patriarchates geworden ist. 64 ger aber wissen wir es mit aller Gewißheit, da uns seine dor¬ tige Grabschrift durch Aufzeichnung erhalten blieb. Sie lautete: Voloüsrius Ltabilita katriaroiiaii ckiZnitats J.tgus anctoritats Intsr oastsra, gnas Asssit sapisntsr, kavavinos st ^arvisinos popnlos Vonstas Rsipublioas oonoiliavit. Die Stelle indeß, an welcher diefe Worte einst zu lesen waren, kennen wir nicht; vielleicht ruht Wolfger von Leu- prechtskirchen in jener Gruft, die sich genau dem Grabe Ulrichs II. gegenüber im nördlichen Seitenschiffe befindet, und von der man nicht weiß, wem sie angehört. Vor feiner Wahl zum Patriarchen im Jahre 1204 hatte Wolfger durch mehrere Jahre dem Bisthume Paßau vorgestanden. Diese Würde war ihm bereits zugedacht ge¬ wesen, noch ehe er die Weihen empfangen hatte. Erst un¬ mittelbar vor ihrem Antritte wurde er an einem Samstage zum Priester und am Sonntage darauf zum Bischöfe gesalbt. Er war ein Mann von hohen Tugenden, bedeutendem Geiste und vieler Thatkraft, der mit feinem Verständnisse und richtigem Gefühle die vielen Klippen, welche damals jedem zu öffentlicher Thätigkeit Berufenen verderblich droh¬ ten, glücklich zu umschiffen wußte, und der, ohne Charakter¬ schwäche an den Tag zu legen, von Jnnocenz III. wie von Philipp dem Hohenstaufen, von Otto IV. wie von Fried¬ rich II. hochgeachtet blieb. Leistete er auch den Anordnungen des römischen Hofes nicht allein in geistlichen, sondern auch in weltlichen Dingen genaue Folge, wozu er fick eidlich ver¬ pflichten mußte, als er von Jnnocenz III. im Jahre 1204 nur unter dieser Bedingung das Pallium zugeschickt erhalten 65 hatte; stand er auch mit seinem Herzen, die Vaterstadt Köln nicht verläugnend, den Welfen näher als den Hohenstaufen, so vergaß er doch niemals das Reich über der Kirche, nie¬ mals die allgemeine Wohlfahrt über seinen Parteiinteressen. Wir glauben seine politische Gesinnung am kürzesten und tref¬ fendsten zu kennzeichnen, indem wir sagen, daß er in Deutsch¬ land wohl ein Guelfe, in Italien aber ein Ghibelline war. Mit Vorliebe benutzten ihn der Papst und König Phi¬ lipp als Vermittler bei ihren Unterhandlungen, weßhalb wir ihm in den Jahren 1206, 7 und 8 oft auf dem Wege zwischen Rom und Deutschland begegnen. Bei seiner ersten Sendung nach Nürnberg zu Philipp im Jahre 1206 geschah es, daß dieser den Patriarchen aufforderte, die Regalien des Hochstiftes von ihm zu Lehen zu nehmen. Wolfger wies jedoch darauf hin, daß die Fürsten Italiens nicht gehalten seien, hiezu in Germanien zu erscheinen, und ließ sich nur unter dem urkundlich ausgefertigten, ausdrücklichen Vorbe¬ halte zur Belehnung bereit finden, daß dieser vereinzelte Fall unter keiner Bedingung später als Präjudiz angerusen werden könnte. Es ist dieß seit Otto dem Großen wohl wie¬ der das erste Mal, daßAquileja und dessen Landschaften soent- schieden als zu Italien gehörig behauptet und anerkannt wurden. Als Otto's IV. Ansprüche auf den Thron nach Phi¬ lipps Tode von keiner Seite mehr bestritten wurden, stieg das Ansehen Wvlfgers, der sich der Gunst dieses Königs im vollsten Maße erfreute, noch weit höher. Aus dem im Be¬ ginne des Jahres 1209 zu Augsburg gehaltenen Reichstage bestätigte Otto nicht allein alle Privilegien des Capitels und des Patriarchen von Aquileja, sondern verlieh diesem überdies, nebst dein unbeschränkten Blutbanne auf allen sei¬ nen Gebieten, nach des zuerst damit belehnten Herzogs Ludwig von Baiern Verzicht die Markgrafschafr Istrien, Aquileja. 8 66 welche Heinrich von Andechs bei seiner Aechnmg wegen der Mitschuld an Philipps Morde verloren hatte. Ferner wurde Wolsger als Bevollmächtigter des Königs nach Italien vor¬ ausgesendet, dem beschlossenen Römerzuge die Wege zu ebnen. Der Patriarch entledigte sich dieses Auftrages auf das beste; rasch rückte er in Mittel-Italien vor, stellte al¬ lenthalben die königliche Gewalt wieder her, zwang Bologna die widerrechtlich an sich gerissenen Reichsgüter zurückzustel¬ len und eine hohe Steuer zu zahlen, legte den widerspensti¬ gen Florentinern eine Strafe von 10.000 Mark auf, und sah endlich seine Bemühungen durch den glänzendsten Erfolg gelohnt, indem Otto am 4. October 1209 in der Peters- kirche zu Rom vom Papste die Kaiserkrone empfing. In dankbarer Anerkennung seiner Verdienste erklärte aber auch Otto im März des darauffolgenden Jahres zu Ravenna, die Kirche von Aquileja in seinen ganz besonderen Schutz ge¬ nommen zu haben. Von dem Augenblicke an, in welchem Otto die Kai¬ serkrone aus seinem Haupte sicher fühlte, schlug er die Bah¬ nen der hohenstaufischen Politik ein, zu welchen jeder deutsche König durch die Macht der Verhältnisse hinge¬ drängt wurde, und stand bald dem Papste eben so feindlich gegenüber wie seine Vorgänger. Da wandte sich Jnno- cenz III., über solchen Undank, wie er es nannte, schmerz¬ lich betroffen, von ihm ab, und zog seinen Mündel, den sechzehnjährigen Sohn Heinrichs VI., Friedrich Roger und mit ihm die demselben schon vor 14 Jahren von den Reichs¬ fürsten geschwornen Eide aus der Vergessenheit hervor. Während Friedrich die ihm dadurch gestellte Ausgabe mit jenem ehrgeizigen Feuereifer und jenem kühnen Heldensinne erfaßte, die das Erbtheil des in seinen Adern rollenden Blutes der Hohenstaufen und der Altaville waren, und 67 durch die Gunst des Glückes den Nachstellungen Otto's ent- gangen, in Deutschland die alten Freunde seines Hauses um sich sammelte, büßte dieser durch sein Benehmen mehr und mehr von seinen Anhängern ein, bis endlich der gegen Phi¬ lipp August von Frankreich unternommene durch die Schlacht von Bouvines so unglücklich beendete Krieg ihm den letzten Rest seiner Macht raubte, und seinen jugendlichen Gegner von Erfolg zu Erfolg bis nach Aachen zur Krönung führte. Auch Wolfger scheint — vielleicht den Weisungen aus Rom gehorchend — Friedrich II. anerkannt zu haben; we¬ nigstens bestätigte dieser schon am 22. Februar 1214 zu Augsburg die Rechte und Freiheiten der Kirche von Aquileja. Nirgends aber finden wir, daß er gegen seinen ehemaligen Freund und Wohlthäter handelnd aufgetreten wäre. Als Jnnocenz im Jahre 1215 eine Kirchenversamm¬ lung nach Rom berief, faßte Wolfger den Entschluß, die¬ selbe nicht zu besuchen, da er das Verbleiben in seinem Sprengel, der Wirren an dessen Grenzen wegen, nicht mit Unrecht für nothwendig hielt. Die nur mühsam uiedergehal- tene Flamme der Zwietracht zwischen Venedig und Padua, welche übrigens einen sehr materiellen Hintergrund in der nur mit Verletzung der Interessen eines Theiles zu lösenden Frage hatte, ob die Geschiebe der von den Alpen herab¬ strömenden Gewässer die Felder der ackerbauenden Paduaner durch Ueberlagerung ihrer Fruchtbarkeit berauben oder durch Versandung und allmälige Ausfüllung der Lagunen die Le¬ bensbedingungen der handeltreibenden Venetianer vernichten sollten, war im vorhergehenden Jahre bei ritterlichen Spie¬ len zu Treviso um geringfügiger Ursachen willen wieder em¬ porgelodert. Der Patriarch konnte um so weniger hoffen, diesen Verwicklungen ganz fremd zu bleiben, als er bereits 68 im Jahre 1206 das Bündniß seines Vorgängers mit Beue- big erneuert hatte. Nachdem aber Jnnocenz die Gründe seines Nicht- kommens, unter welchen er insbesondere die hohen Kosten angeführt hatte, nicht als triftig gelten ließ, sondern aus Anagni am 9. December 1214 die wiederholte Aufforde¬ rung, zu erscheinen, an ihn richtete, begab sich Wolfger, wenn auch widerstrebend, nach Rom. Seine Befürchtungen trafen ein. Die Grafen von Görz hatten sich wohl gleich im Beginne auf das beste mit Wolfger gestellt und sich nicht ausgeschlossen, da ganz Friaul sein Erscheinen freudig begrüßte. Bei Gelegenheit eines der ersten von ihm zu Aqnileja abgehaltenen Kirchenfeste, am Tage Mariä Reinigung des Jahres 1205, war das beste¬ hende gute Einvernehmen in offenkundiger Weise zu Tage getreten, indem der Patriarch die Waffen weihte, mit wel¬ chen Meinhard II. und Engelbert III., sodann Wolfger von Dornberg, Johann von Portis, Gallucio Galluci, Heinrich von Villalta, Dietrich von Fontebono, Friedrich von Capo- riacco, Arnold von Brazzano, Conetto aus Udine und Her¬ bord von Pertenstaine zu Rittern schlugen. Jetzt aber hiel¬ ten die Grafen den Zeitpunkt für geeignet, ihre nur zeit¬ weilig aufgegebene kirchenfeindliche Haltung wieder aufzu¬ nehmen. Meinhard II. benützte die Abwesenheit des Kir- chenfürsteu, der überdieß nicht mehr so glänzend wie ehe¬ mals von der Sonne kaiserlicher Huld beschienen war, im Jahre 1216 einen Einfall in dessen Gebiet zu thun und mindestens zweifelhafte Rechte darin auszuüben. Der deß- halb auf Befehl des Papstes von Bischof Jordan von Padua über ihn gesprochene Bann bewog ihn jedoch sein Unrecht zu bekennen und vollen Ersatz zu leisten. Auch die anderen Ge- waltthätigkeiten nahmen ein baldiges Ende, da es Wolfger 69 nach seiner Heimkehr von Rom gelang, unter päpstlicher Autorität im Jahre 1217 den Frieden zwischen Benetianern, Paduanern und Trevisanern wieder herzustellen. Dies war wohl seine letzte bedeutendere That, die aus diesem Gründe und weil sie in ihren wohlthätigen Folgen in Friaul die fühlbarste sein mochte, allein in seiner Grabschrift Erwäh¬ nung fand. Er starb am 23. Jänner 1218 im Rufe der Heilig¬ keit, welche sich nach der Bolkssage an seiner Leiche durch Wunder offenbarte. Da seine Mutter Gisela an des Verblichenen marmor¬ nen Sarg, welcher durch längere Zeit frei über dem Boden schwebte, tretend die klagenden Worte sprach: „Was gibst du mir, mein Sohn, auf daß ich es mit mir nehme?" streckte die entseelte Hülle einen Arm der tief bekümmerten Frau entgegen, welche dieses letzte Vermächtniß ihres Soh¬ nes dankbar entgegennahm und sorgsam bewahrte. Als Bischof von Passau hatte er im Jahre 1195 mit mehreren deutschen Fürsten zu Worms das Kreuz genommen und war im Sommer des folgenden Jahres in Palästina angelangt, wo er an der Eroberung von Berytus, sowie an der darauf gefolgten Besetzung von Byblus, Gibellum und Laodicea theilgenommen und sich den Wenigen zugesellt hatte, welche auch dann noch, als die Kunde von Heinrichs VI. Tode in das Morgenland gedrungen war, durch längere Zeit daselbst ansharrten. Nachdem er dann noch dem am 16. April 1198 verstorbenen Herzoge Friedrich I. von Oesterreich auf dem Todtenbette beigestanden, und mit Meinhard II. von Görz seine letztwilligen Verfügungen als Zeuge bekräftigt hatte, war er einer der letzten gewesen, welche sich auf die Rück¬ reise begaben. 70 Die Angelegenheiten des heiligen Landes blieben ihm anch späterhin stets am Herzen und als Patriarch stiftete er im Jahre 1210 für heimkehrendc Pilger, die bei Aquileja landeten, in dem, heutigen Tages S. Nicolo di Ruda ge¬ nannten Orte Camarcio — dem Campus Martins des rö¬ mischen Aquileja, wie man vermuthet, oder vielleicht auch dem Märzfelde der Langobarden — eine Herberge, aus der mit der Zeit eine Maltheserordens-Commende wurde. Die ältesten aquilejefer Münzen, die wir besitzen, sind vom Patriarchen Wolfger. Gewiß ist es nicht zufällig, daß gleichzeitig die ersten Triestiner Münzen des Bischofs Giobardo (1203—1212s so wie die ersten Görzer Münzen der Grafen Meinhard II. und Engelbert III. auftreten. Wahrscheinlich hatte sich im Beginne des XIII. Jahrhun¬ derts einer der fahrenden, meist aus Florenz gebürtigen Münzmeister, die damals gewöhnlich als Pächter ihr Ge¬ schäft für die hierzu Berechtigten ausübten, in Aquileja niedergelassen, wo die Patriarchen wie die Bischöfe von Triest jederzeit und wohl auch anfangs die Grafen von Görz bis zu dem Zeitpunkte prägen ließen, in welchem sie die eigene Münzstätte zu Lienz im Pusterthale errichteten. Das Capitel von Aquileja konnte sich über die Wahl von Wolfgers Nachfolger nicht einigen, indem die Stimmen zum Theile dem Domherrn Ulrich von Cividale zufielen, zum Theile dem Erzbischöfe Berthold von Kalocsa, welcher in Friaul nicht unbekannt sein konnte, da wir ihn auf in Gemona ausgestellten Urkunden des Jahres 1217, nament¬ lich in dem zwischen Wolfger und Herzog Leopold VII. von Oesterreich am 9. Juli eingegaugenen Tauschvertrage über Glieder ihrer Ministerialfamilien Ragogna und Bisenstain als Zeugen angeführt finden. Die Entscheidung mußte in Rom gesucht werden, wo man sich durch die öftere Wieder- 71 holung solcher Vorkommnisse allmälig daran gewöhnte, ohne Rücksicht auf das seit dem Beginne des IX. Jahrhunderts ansgeübte (angeblich im Jahre 792 verliehene) Wahlrecht des Capitels, frei über den Patriarchenstuhl zu verfügen, und Papst Honorius III. ernannte mittelst einer im Lateran am 27. März 1218 erlassenen Bulle Berthold zum Pa¬ triarchen. Berthold aus dem vornehmen und mächtigen, in Baiern, Franken, Burgund und der Pfalz, in Tirol, Krain, Istrien, Croatien und Dalmatien reich begüterten, von den altbaierischen Huosiern abstammenden Geschlechte der An- dechse, war der Sohn Herzog Bertholds IV. und Agnesens, der Tochter Dedos des Feisten von Wettin. Zwei seiner Schwestern haben königliche Throne bestiegen, nämlich Marie Agnes die Gemahlin Philipp August's von Frankreich und Gertrude von Ungarn, während eine dritte Schwester, Hed¬ wig, die Gemahlin Herzog Heinrichs des Bärtigen von Bres¬ lau und Liegnitz, eine hehrere Krone erlangte, da sie nach ihrem Tode ihrer seltenen Tugenden wegen von der Kirche heilig gesprochen wurde. Noch eine große Frau stand ihm nahe, denn durch Gertrude nannte er seine Nichte die hochgefeierte Landgräfin Elisabeth von Thüringen, von welcher Berthold zwei kost¬ bare, mit Miniaturen und Initialen verzierte, Codices für das Capitel von Cividale zum Geschenke erhielt. Beide wer¬ den dort noch immer sorgfältig aufbewahrt und es sind die¬ selben das sogenannte Gebetbuch der heiligen Elisabeth, ein Breviarium, und ein Psalterium seiner Mutter. Bertholds Name ist mit einer blutigen Katastrophe der ungarischen Geschichte so enge verknüpft, daß wir dieselbe nicht mit Schweigen übergehen können, obgleich sie eben kein 72 vortheilhaftes Licht auf den nachmaligen Patriarchen zu wer¬ fen vermag. Seine Schwester Gertrude übte auf ihren Gemahl Andreas II. von Ungarn — wir folgen hier ungarischen Quellen -— einen mächtigen, aber wenig glücklichen Einfluß, und wußte es bald nach dessen Thronbesteigung im Jahre 1205 dnrchzusetzen, daß Berthold, welcher Probst zu Bam¬ berg war, zum Erzbischöfe von Kalocsa gewählt wurde. Jnnocenz III. hatte ihm zwar anfänglich wegen mangelnder Wissenschaft und noch nicht erreichten gesetzlichen Alters (er¬ zählte noch nicht volle 25 Jahre) das Pallium versagt, was Berthold jedoch nicht hinderte, die bedeutenden Einkünfte des Erzstiftes zu beziehen, ihn aber später doch auf des Königs inständige Bitten in dieser Würde bestätigt. Statt jene Mängel durch ein bescheidenes und gewinnendes Beneh¬ men vergessen zu machen, verletzte der junge Mann durch unberechtigten Hochmuth häufig die Edlen des Landes, welche einen tiefen Haß gegen denselben faßten und auf die Köni¬ gin, seine Beschützerin, übertrugen. Daß diese Gesinnungen nicht allein durch Bertholds Eigenschaft als Fremder, son¬ dern durch seine eigene Schuld hervorgerufen waren, beweist ein Schreiben des Papstes an Andreas, worin er diesem klagt, daß er sich habe verleiten lassen, Berthold „der kaum der Schüler der Schüler zu sein verstehe, als Meister der Meister, als Bischof der Bischöfe zu bestätigen." Dieser Mahnung und dem allgemein herrschenden Un¬ willen zum Trotze ernannte der König indeß seinen Schwager im Jahre 1209 zum Ban von Crvatien, welche Würde bis dahin Benedict Both , kurzweg Bank-Ban genannt, inne gehabt hatte, im Jahre 1212 zum Woywoden von Sieben¬ bürgen und verlieh ihm das Jahr darauf noch das überaus 73 einträgliche Amt eines Grafen der Gespannschaften Bncs und Bodrogh. Als nun die Haliczer im Jahre 1213 des Königs fünfjährigen Sohn Coloman zum Fürsten begehrten, und Andreas, bevor er mit demselben nach deren Lande zog, die Reichsverwaltung Gertruden und Berthold übertrug, wäh¬ rend der zum Palatin erhobene preßburger Graf Bank-Ban wie auch Erzbischof Johann von Gran von derselben gänz¬ lich ausgeschlossen blieben, stieg der Uumuth der Feinde Bertholds so sehr, daß sie ihn überfielen, beraubten und mißhandelten. Junocenz beauftragte zwar in Folge der dar¬ über geführten Klage den Primas, gegen die Schuldigen den Bann zu verkünden, und gewährte dadurch dem Erzbischöfe von Kalocsa den Schutz der Kirche; aber ein von einem sei¬ ner Brüder verübter Frevel brachte die schon lange in den Herzen genährte Rache gegen das Haus der Königin zu Plötzlichem noch weit heftigeren Ausbruche. Außer Berthold befanden sich damals am ungarischen Hofe noch dessen Brüder Egbert, der Bischof von Bamberg, Otto von Meran und Heinrich von Istrien. Letzterer*) ent¬ brannte in heftiger Liebe zu Banks schönem Weibe, einer von Gertrudens Begleiterinnen, und nahm, mit seinen An¬ trägen abgewiesen, seine Zuflucht zur Gewalt. Da das Ver¬ brechen im Vorzimmer der Königin geschah, fiel auch auf diese der Verdacht der Mitschuld. Der schwer beleidigte Pa¬ latin trat nun offen zur Partei der Verschwornen über und Gertrude, von deren Seite mit dessen Gattin ein versöhnen- Wir haben den leidenschaftlichen Heinrich, der sogar vor der Theilnahme an einem Kaisermorde nicht zurückschreckte, als den Schul¬ digen dargestellt, obgleich anch Otto als solcher genannt wird, und man ehedem Berthold selber — gewiß mit Unrecht — diese Unthat zur Last gelegt hatte. 74 der Schutzgeist gewichen war, fand am nächsten Morgen durch Ban Simon und Peter Grafen von Bihg,r gemordet einen gewaltsamen Tod. Ihren Brüdern rettete nur schleunige Flucht das Leben. Dem Papste mag es keine geringe Genugthuung ge¬ währt haben, als Andreas sich bei ihm bitter darüber be¬ schwerte, daß Berthold den auf etwa 7000 Mark sich be¬ laufenden Schatz der Königin, welcher von ihr bei einem Bürger hinterlegt worden war, vor feiner Flucht zu erheben und mit sich zu nehmen gewußt hatte *). Von jener Zeit an mied Berthold Ungarn beständig; wir finden ihn nicht einmal wie feine Brüder Otto und Eg¬ bert im Gefolge des Königs Andreas, als dieser im Jahre 1217 seinen Kreuzzug unternahm. Daß es ihm mittlerweile gelungen war, die Gunst des heiligen Stuhles zu erwerben, können wir aus feiner Er¬ nennung zum Patriarchen von Aquileja mit Sicherheit schlie¬ ßen; um so mehr überrascht es uns aber in Berthold, die weit größere Hälfte seiner Verwaltung hindurch, eine Haupt¬ stütze der hohenstaufischen Partei zu finden. Ein Vierteljahrhundert lang blieb er ein ergebener An¬ hänger feines großen Zeitgenossen Friedrichs II., der im sel¬ ben Jahre, in welchem Berthold den Patriarchenstuhl bestieg, durch seines Gegners Otto's IV. Tod die unbestrittene Herr sckaft in Deutschland erlangt hatte, und den der bedeutend ältere Berthold noch um fünf Monate überleben sollte. *) Minder bekannt als obige Thatsachen dürfte der Umstand sein, daß Ungarn eines seiner köstlichsten Erzeugnisse mit jenem Pa¬ triarchen zu danken hat, indem König Bela IV., wohl nicht ohne seines Oheims Berthold Znthnn, die Tokayer Rebe aus Friaul nach seinem Reiche verpflanzt haben soll. Ueber die Motive, welche Berthold bei seiner Hand¬ lungsweise leiteten, können wirnurVermnthungen aussprechen. Vielleicht folgte er blind den Neberliefernngen seiner stets ghibellinisch gesinnten Vorfahren. Vielleicht erblickte er nicht ohne geheime Befriedigung den römischen Hof, von dem er einstens so viele Zurücksetzungen erfahren hatte, in den mißlichen Lagen, welche der Kaiser demselben bereitete. Vielleicht empfand er das Bedürsniß, durch treue Hin¬ gebung das von seinem Hause an den Hohenstaufen began¬ gene schwere Unrecht zu sühnen. Zwei seiner Brüder näm¬ lich, Egbert und Heinrich, hatten aus Gründen, die wohl nimmer genügend aufgeklärt werden dürften, als Mitschul¬ dige an König Philipps Morde theilgenommen, und sc einen kaum weniger schwarzen Undank als der eigentliche Thäter Pfalzgraf Otto von Wittelsbach verrathen, nachdem die ruch¬ lose That am Abende desselben Tages geschehen war, an welchem der König seine Richte Beatrix von Burgund Ber¬ tholds drittem Bruder Otto in die Arme geführt und damit das gesammte Geschlecht der Andechse an Macht und Anse¬ hen erhöht hatte. Vielleicht gehorchte Berthold nur dem Zuge der mate¬ riellen Interessen, welche bisher beinahe ausnahmlos die Patriarchen an die Sache der Kaiser gekettet hatten, vielleicht aber auch ließ er sich dabei von den edelsten und reinsten Gefühlen einer Freundschaft leiten, die er für des Kaisers eben so schöne und liebenswürdige als geistvolle Persönlich¬ keit, deren Zauber uns noch nach sechs Jahrhunderten nicht kalt läßt, wohl empfinden mochte. Allerdings hieße es, Friedrichs Zeitalter, dem er in so manchen Stücken weit voraneilte, gänzlich verkennen, wenn man annehmeii wollte, daß ihn seine Zeitgenossen mit 76 demselben Maße, welches wir unwillkürlich an ihn legen, gemessen haben oder auch nur hätten messen sollen. Ohne unsere Augen vor seinen Fehlern zu verschließen, und abgesehen von den ritterlichen Tugenden, die ihn in hervorragender Weise zierten, nöthigen uns die, wir möch¬ ten sagen modernen Grundsätze, für die er kämpfte, die auf¬ geklärte Duldung, welche selbst Saracenen in seinem Reiche fanden, die weisen Gesetze, die er gab, die richtigen volks- wirthschaftlichen Anschauungen, die er durch seine Verfügun¬ gen auf einem damals nicht einmal dem Namen nach be¬ kannten Gebiete an den Tag legte, und die Pflege, welche Künste und Wissenschaften an seinem heiteren Hofe fanden, staunende Bewunderung ab *). Dagegen müssen wir aber auch einräumen, daß seine in ihren Zielen und den dafür aufgebotenen Mitteln ebenso wenig kleinlichen Gegner ihre Zeit besser begriffen hatten. Aus Berthold und seine Amtsführung zurückkommend, haben wir zuvörderst zu berichten, daß er gleich beim An¬ tritte derselben mit Vasallen und Nachbarstädten vollauf zu thun bekam. Als er im Laufe des Jahres 1218 in Friaul anlangte, fand er dieses Land durch einen tief gehenden Riß in den socialen Verhältnissen in zwei feindliche Lager gespal¬ ten und von dem mit größter Erbitterung geführten Kampfe schwer heimgefucht. Die ungewöhnlichen Reize eines Weibes hatten zum Ausbruche desselben den unmittelbaren Anstoß Daß auch in Italien eine vornrtheilslosere Beurtheilung dieses ehedem einstimmig verurtheilten, gewaltigen Ghibellincn, über den, streng genommen, Deutschland weit mehr Ursache zu klagen ge¬ habt hätte, allmälig Platz greift, beweist unter anderen eine unlängst erschienene Schrift des bekannten italienischen Deputirten Petruccelli della Gattina, in welcher dieser Victor Emanuel, den conventionellen Abgott der heutigen Italiener, mit Friedrich II. vergleicht; eine Schmei¬ chelei, welche in Wahrheit ungleich größer ist, als sie wohl gemeint war. gegeben. Artico's von Strassoldo schöne Tochter Ginevra war hinter dem Rücken ihres Verlobten Friedrich von Cuea- nea dem Odorico von Villalta angetraut worden. Cucanea schwur dem Beleidiger Rache und mit ihm griffen alle Mi¬ nisterialen zu den Waffen, weil sie sich durch den Schimpf, den einer unter ihnen durch die Bevorzugung eines freien Man¬ nes erfahren hatte, in ihrer Gesammtheit verletzt fühlten. Um Strassoldo und Villalta hingegen schaarten sich die Freien des Landes. Vergeblich suchte der bis zur Ankunft des neuen Patriarchen mit der obersten Gewalt bekleidete Graf Engelbert III. von Görz dem Blutvergießen und den Verwüstungen Einhalt zu thnn. Seine Macht genügte nicht dazu; viele der angesehensten friaulischen Herren hatten sich im Sommer 1217 dem nach dem Morgenlande ziehenden Herzoge von Oesterreich angeschlossen und befanden sich bei dem von König Andreas II. von Ungarn geführten Kreuz¬ zuge; alle Zurückgebliebenen aber hatten Partei ergriffen. Berthold fiel somit gleich bei seinem ersten Erscheinen die überaus schwierige Aufgabe zu, den Braud einer der heillosesten Fehden, welche dieses daran nicht arme Land verheerten, zu dämpfen. Ebenfalls zu ohnmächtig, um bei¬ den Theilen seinen Willen vorzuschreiben, blieb ihm nichts übrig, als einem derselben zum Siege zu verhelfen, indem er das ganze Gewicht seiner Autorität in dessen Wagschale legte. Es kann um so weniger auffallen, daß er sich aus Seite seiner Ministerialen schlug, als er ans diese Weise hoffen konnte, den hochfahrenden Trotz der gegnerischen Gro¬ ßen zu brechen, welche sogar, ihre Besitzungen nicht von der Kirche von Aquileja zu Lehen zu haben, behaupteten. Auch letztere blieben indeß nicht ohne gewichtigen Rückhalt. Am 15. September 1219 sagten sich Strassoldo und Villalta nebst noch zwölf der mächtigsten Edlen Friauls zu 78 Treviso, gewiß mit Zuthun der zur Bürgerschaft der Stadt gehörenden Grasen von Görz, welche wahrscheinlich immer diese dem Patriarchen gefährlichere Partei begünstigt hatten, feierlich von Berthold los und leisteten in Gegenwart Ezze- lins III.. da Romano und Rambalds von Collalto, jener Feindin des Patriarchats, um den Preis ihres Beistandes die Huldigung nebst dem Gelöbnisse der Einbürgerung und Heeresfolge. Berthold gelang es trotz dessen theilweise, diese pflicht¬ vergessenen Lehensträger zum Gehorsam zurückzuführen, und wirklich schwuren ihm am 5. Mai 1220 zu Caporiacco in seiner Gegenwart sieben davon erneuert den Eid der Treue und versprachen überdies, der Bürgerschaft Padua's beizu¬ treten, mit welcher Berthold ein Bündniß einzugehen auch schon durch anderweitige Verhältnisse bewogen worden war. Es hatten nämlich die Benetianer, befürchtend, daß das ihnen noch immer nicht freundlich gesinnte Padua an dem damals vielumworbenen Treviso einen mächtigen Bundes¬ genossen gewänne, diesem eine Verbindung angeboten. Die Trevisaner nahmen bereitwillig diesen Antrag an und hiel¬ ten sich hierauf für so stark, daß sie die Bisthümer Ceneda, Feltre und Belluno mit Krieg überzogen und sogar in den beiden letzteren Städten die Bischöfe erschlugen. Berthold, der sich überhaupt noch wenig sicher fühlte, empfand unter diefen Umständen so lebhafte Besorgnisse, daß er bei Padua die vom deutschen Könige erfolglos erbetene Hilfe suchte. Sie wurde ihm auch zu Theil; denn als die Trevisaner, denen er anfänglich einigen Schaden zugefügt hatte, mehrere patriarchalische Orte angriffen, rückten die Paduaner bis Castelfranco und zwangen jene dadurch zum Rückzüge. Das Jahr 1221 brachte diesen Gegenden wieder den Frieden. Der Patriarch, welcher hatte schwören müssen, in 79 Betreff des Streites mit Treviso den Anordnungen des päpstlichen Legaten unbedingte Folge zu leisten, schloß im Monate Juli mit jener Stadt einen Vertrag ab, in welchem ihm zwar der niemals angefochtene Besitz des Landes zwi¬ schen der Liquentia (Liveuza) dem Herzogthume Meranien (den an der Ostküste des adriatischen Meeres -—- Meer-an — liegenden Besitzungen der Andechse), dem Meere und dem Gebirge zugestanden, zugleich aber dafür die drückende Bedingung auferlegt wurde, von seinen widerspänstigen Va¬ sallen, diejenigen, welche er zum Vertrage von Caporiacco genöthigt hatte, von demselben zu entbinden und Treviso zu überlassen, die Gefangenen freizugeben und nicht blos alle die eben Genannten, sondern selbst das von den Pa¬ duanern bei Gelegenheit der ihm geleisteten Unterstützung verwüstete Castelfranco zu entschädigen. Berthold, der in den Bestimmungen dieses Friedens nicht die Bürgschaften einer langen Dauer desselben zu er¬ kennen vermochte, erneuerte unmittelbar darauf am 11. Sep¬ tember das Bündniß mit Padua, dessen Bürger er nun förmlich wurde, nachdem er schon vorher den Bau einiger Paläste daselbst angeordnet hatte. Nicht minder ließ er es sich angelegen sein, die Be¬ ziehungen zu Venedig in befriedigender Weise zu regeln. Zu diesem Behufe begab er sich im Frühlinge des nächstfolgenden Jahres in seines Vogtes Meinhards II. von Görz Begleitung selbst dahin, die Verträge seiner Vorgänger mit der Repu¬ blik wieder zur Geltung zu bringen. In der darüber am 23. Juni ausgefertigten Urkunde erkannte Berthold auch die von Ulrich II. eingegangene Verpflichtung an, alljähr^ lich 12 Schweine und 12 Brote kostenfrei im Dogenpalast abzuliefern. 80 Kleinere Fehden abgerechnet, trat nunmehr in diesem Theile Italiens wirklich eine längere Ruhe ein, welche um so gesicherter erschien, als unter den Städten, welche im Jahre 1226 mit Beiseitesetzung jedes inneren Haders den beinahe vergessenen lombardischen Bund wieder ins Leben riefen, auch Padua und Treviso, die streitsüchtigen Nach¬ barinnen sich befanden. Ezzelin IV. aber, der sich in seines Mönch gewordenen Vaters Ezzelins III. Erbe mit seinem Bruder Alberich getheilt hatte, und der seiner Grausamkeit eine so traurige Berühmtheit verdankt, schleuderte schon im Jahre 1A27 von neuem die Fackel des Krieges in diese hart geprüften Landschaften. Bon den ghibellinisch gesinnten Montecchi berufen, be¬ mächtigte er sich Verona's und verschaffte hierauf seinem Bruder die Herrschaft Vicenza's, nachdem er die den aller¬ orts unterliegenden Guelfen zu Hilfe eilenden Paduaner ge¬ schlagen hatte. Im folgenden Jahre ließ sich Ezzelin unter die Bürgerschaft Trevifo's aufnehmen, die er alsbald durch seinen Einfluß, wenn auch wohl ohne große Mühe, zu wei¬ teren Unternehmungen gegen Feltre und Belluno bewog. Die Paduaner nahmen sich der Bischöfe dieser Städte, ihrer Verbündeten, warm an, erhielten aber auf ihre Vorstellun¬ gen nur höhnische Antworten, worauf sie die Unterstützung des Patriarchen und Azzo's VII. Markgrafen von Este, des hervorragendsten Führers der Guelfen in Ober-Italien, an¬ riefen und mit bedeutender Macht bis unter die Mauern Trevifo's vordrangen. Durch Vermittlung des päpstlichen Legaten und der Rectoren des lombardischen Bundes wurde indeß der Streit beigelegt, nachdem Treviso in die Räu¬ mung Feltre's und Belluno's eingewilligt hatte, und im Jahre 1229 konnten die übrigen Theile Italiens mit Neid auf die tiefe Stille blicken, welche in der Mark Verona oder 81 Treviso, wie sie auch damals genannt wurde, ausnahms- weise herrschte. Treffen wir auch Berthold in diesen untergeordneten Fragen nothgedrungen oftmals mit Guelfen im Bunde an, so handelte er doch in allen großen Angelegenheiten seiner ghibellinischen Gesinnung gemäß. Im Jahre 1220 hatte er Friedrichs Römerzug mitgemacht und in Rom seiner Krönung durch Honorius III. beigewohnt, bei welchem Anlasse der Kaiser zur Wahrung der Hoheitsrechre des Patriarchen ver¬ fügt hatte, daß die demselben unterworfenen Srädte ohne seine Zustimmung keine Obrigkeiten wählen sollten. Zehn Jahre später befand sich Friedrich, vom Kreuz¬ zuge heimgekehrt, wegen dessen Verzögerung er im Jahre 1227 gebannt worden war, bereits in vollem Kampfe mit des milden und versöhnlichen Honorius Nachfolger, Papst Gregor IX., den bei aller Heftigkeit und Finstecheit des Gemüthes doch 'der Geist seines großen Oheims, Jnno- cenz III. erfüllte und leitete. Nm die Fortschritte zu läh¬ men, welche der Kaiser in Unter-Italien gegen die zum ersten Male mit den Schlüsseln Petri bezeichneten päpstlichen Streiter machte, versuchte es Gregor, die Absetzung König Heinrichs, Friedrichs Sohnes, in Deutschland anzuregen. Berthold schloß sich jenen Fürsten an, die dieses Vorhaben strenge mißbilligten; ja er folgte sogar, nicht ohne deßhalb vom Papste zurecht gewiesen zu werden, mit Leopold VII. von Oesterreich, Bernhard von Kärnthen, Otto von Meran, Eberhard von Salzburg, dem Bischöfe von Regensburg und anderen eiligst dem Rufe des Kaisers nach Neapel, um ihm seine volle Unterstützung angedeihen zu lassen. Die bald darnach mit Gregor angeknüpfteu Unterhand¬ lungen führten zu einem gedeihlichen Ende. Am 28. August 1230 wurde Friedrich vom Banne losgesprochen, und zu- Aquileja. g 82 gleich der Friede von S. Germano geschlossen nnd beschwo- ren. Als des Kaisers Bürgen erschienen dabei Berthold und die übrigen eben genannten Fürsten mit Ausnahme Leopolds, der genau einen Monat vor dem Abschlüsse des Vertrages, an dessen Zustandekommen er einen hervorragenden Antheil genommen hatte, von einem bösartigen Fieber hinweg gerafft worden war. Am 1. September zog dann Friedrich nach Anagni, wo er vier Tage mit Gregor im freundschaftlichsten Verkehre zubrachte. Ohne Zweifel weilte damals auch Bert¬ hold mit dem Kaiser an jenem Orte. In diese Zeit allgemeiner Freude und Aussöhnung fällt noch die endgiltige Ordnung einer das Patriarchat nahe berührenden Angelegenheit. Kaiser Otto's IV. Schenkung Istriens an dasselbe war beinahe ganz ohne Folgen geblie¬ ben, da Otto von Meran, des geächteten Heinrichs Bruder, dagegen Widerspruch erhoben hatte und es Wolfger, der zwar im Jahre 1211 das neu erworbene Land besucht haben soll, so wie Berthold trotz der wiederholten kaiserlichen Be¬ stätigungen der Jahre 1214 und 1228 an der nöthigen Macht, Berthold überdies, seinem Bruder gegenüber, wohl auch am ernsten Willen gebrach, ihre Ansprüche nachdrück¬ lich geltend zu machen. Wahrscheinlich in Berücksichtigung eben dieses Umstandes, daß einer seiner Brüder den Pa¬ triarchenstuhl inne hatte, verzichtete nun Otto zu Aquileja's Gunsten auf alle Rechte, die er auf die Mark Istrien zu besitzen behauptete. Dennoch blieb die dortige Herrschaft der Patriarchen nicht ungetrübt, sondern bald thatsächlich auf das Innere des Landes allein beschränkt, da ihr gefähr¬ liche Nebenbuhler in den Benetianern erwuchsen, welche bereits Pola und Parenzo besetzt hielten und im Laufe des XIII. Jahrhunderts sich Umago, S. Lorenzo bei Pisino, Mvntona, Capvdistria, Jsola und Pirano unterwarfen. 83 Die in der trevisanischen Mark neuerdings ausgebrv- chenen Wirren, die zahllosen darin geführten Fehden zwi¬ schen Städten und Adelsgeschlechtern, lenkten nach Beendi¬ gung aller dieser Geschäfte die Aufmerksamkeit des Kaisers, welche längere Zeit schon ausschließlich durch das Morgen¬ land, Unter-Italien und den Streit mit dem Papste gefes¬ selt gewesen war, wieder auf die lombardischen Verhältnisse, welche ein kräftiges Eingreifen dringend forderten. Um dieselben zu ordnen, hatte Friedrich eine Ver¬ sammlung auf den 1. November 1231 nach Ravenna aus¬ geschrieben, zu welcher auch sein Sohn Heinrich, der seine Stelle in Deutschland versah, und andere Fürsten von dort¬ her geladen waren. Die Lombarden mißtrauten aber —- diesmal gewiß mit Unrecht -— den Absichten des Kaisers, sammelten ein Heer, mit dem sie die Alpenpässe besetzten, zwangen dadurch, wie schon einmal im Jahre 1226, König Heinrich mit seinen Begleitern zur Umkehr und zeigten sich überhaupt so ungefügig, daß Friedrich sich veranlaßt sah, im Jänner 1232 die Acht über die ungehorsamen Städte zu sprechen. Da aber eine Berathung mit den deutschen Fürsten ein unaufschiebbares Bedürfniß geworden war, das unbe¬ dingt ermöglicht werden mußte, bestellte der Kaiser dieselben nach Aquileja, wohin sie ungehindert und nnbelästigt gelan¬ gen konnten. Er selbst bestieg nach dem zweiten Fastettsonn- tage in Ravenna ein Schiff, berührte im Vorüberfahren Venedig, wo er mit allen Ehren empfangen wurde, und gelangte endlich zur See nach der Patriarchenstadt (1232). Hier, in Udine und an anderen Orten Friauls verbrachte er die Monate April und Mai, sich nicht allein mit allge¬ meinen, insbesondere deutschen Reichsgeschäften, sondern auch mit Angelegenheiten von nur örtlicher Bedeutung befassend. 6* 84 Gewichtige Klagen wurden vor allein über Heinrichs Verfahrungsweise in Deutschland vorgebracht, jedoch nach ernsten Ermahnungen von Seite des Vaters dahin erledigt, daß die Herzoge von Sachsen, Kärnthen und Meran, Pa¬ triarch Berthold und andere Kirchenfürsten für des scheinbar reumüthigen Königs künftiges Wohlverhalten, mittelst einer im April zu Sibidacum (Cividale) ausgestellten Urkunde, die Bürgschaft übernahmen und dadurch demselben die Verzei¬ hung erwirkten. Im Monate Mai schloß Friedrich zu Por- tenau ein Bündniß mit Ludwig IX., dem Heiligen, von Frankreich, und im selben Monate verkündete er zu Udine, wie er es vor seiner Abreise zu Ravenna gethan hatte, zwei neue, hauptsächlich städtische Rechte betreffende Gesetze, welche in verschiedenen Exemplaren ausgefertigt wurden, deren eines sonderbarer Weise aus Aquileja im Monate April datirt ist. Dem Patriarchen verlieh der Kaiser ver¬ schiedene Jurisdictionsrechte, indem er zugleich den Vene- tianern, gewiß im Hinblicke auf die Verhältnisse in Istrien, verbot, von den Unterthanen desselben den Eid der Treue zu fordern, die Anordnungen des Jahres 1220 über die Wahl der städtischen Obrigkeiten in Erinnerung brachte, und Pola, das in seinem Ungehorsam gegen Berthold verharrte, mit der Reichsacht belegte. Unter den um den Kaiser versammelten Fürsten war auch Friedrich II. von Oesterreich erschienen, den Berthold bei diesem Anlasse persönlich mit der Grafschaft Portenau belehnte, welche die Babenberger mit Steiermark erwor¬ ben hatten. Meinhard III. (s- 1258) von Görz, der im vergan¬ genen Jahre bei des Kaisers Heere in Italien gedient hatte und ebenfalls mit demselben in Aquileja verweilte, ergriff diese feierliche Gelegenheit, die Stiftung der Deutsch-Ordens- 85 Commende Precinico, welche von seinem unlängst verstorbe¬ nen Oheime Meinhard II. herrührte, in Friedrichs und der anderen anwesenden Fürsten Gegenwart zu bestätigen. Auch Bertholds Bruder Egbert, der schon seit vielen Jahren in sein Bisthum wieder eingeführt worden war, ob¬ gleich es nicht bekannt ist, daß er sich vom Verdachte der Mitschuld an König Philipps Morde förmlich gereinigt hätte, fehlte nicht im Kreise der Reichsfürsten ^). Während er sich am kaiserlichen Hoflager zu Udine befand, gerieth er wegen des zu Bamberg gehörigen Ortes Tarvis mit Her¬ zog Bernhard von Kärnthen in Fehde. Von feinen Brü¬ dern Berthold und Otto unterstützt, drang Egbert mit Völ¬ kern aus Friaul, Kram und Istrien in Kärnthen ein, wurde aber vom Herzoge geschlagen und gefangen genommen. Erst des Kaisers Vermittlung, der mittlerweile im Monate Mai nach Apulien unter Segel gegangen war, verschaffte ihm die Freiheit wieder. Ein gar seltenes Schauspiel bot sich das Jahr darauf (1233) in Ober-Italien den Augen der erstaunten Zeitgenossen dar. Der Beredsamkeit eines Predigermönches Johann Schio aus Vicenza war es an vielen Orten gelungen, die streitenden Parteien zu versöhnen. Gregor glaubte in diesem ungewöhnlichen Manne ein brauchbares Werkzeug gefunden zu haben, den ebenso lang entbehrten als heiß er¬ sehnten Frieden in der Lombardie wieder herzustellen. Johann unterzog sich dieser Aufgabe mit redlicher Begeisterung und berief, nachdem mehrere vorbereitende Schritte glücklichen ») Der andere mit dem Wittelsbacher geächtete Bruder Heinrich von Istrien soll im Jahre 4232 in Aquilcja gestorben sein. Mochte er nicht etwa, um durch Bertholds Fürbitte Gnade zu erflehen, des Kaisers Anwesenheit daselbst benützt und in der Thal persönlich Ver¬ zeihung erhalten haben? 86 Erfolg gehabt hatten, eine große Versammlung auf den 27. August nach der unweit Verona gelegenen Ebene von Paquara. Nebst einer unabsehbaren Menge Volkes — man berichtet wohl mitUebertreibung von 400.000 Menschen — hatten sich die Abgesandten von Verona, Mantua, Brescia, Vicenza, Padua, Treviso, Feltre, Belluno, Bologna, Fer¬ rara, Modena, Reggio und Parma zum Theile mit ihren Fahnenwagen, Berthold und die Bischöfe jener Städte, Azzo VII. von Este, Ezzelin und Alberich da Romano, die Herren von Camino und viele andere Adelige dabei einge¬ funden und horchten der Rede Johanns, der über die Worte des Heilandes: „Ich gebe euch meinen Frieden, ich hinter¬ lasse euch meinen Frieden" in hinreißender Weise sprach. Als er geendet hatte, waren alle Anwesenden tief ergriffen; erbit¬ terte Feinde sanken sich mit Thränen der Rührung gegen¬ seitig in die Arme und zur Besiegelung des Friedens, der wirklich in alle Herzen eingezogen schien, reichte Rinaldo Azzo's von Este, des Hauptes der Guelfen Sohn, seine Hand Adelhaiden, der Nichte Ezzelins, des Mächtigsten unter den Ghibellinen. Die Hoffnungen, die man auf diesen Tag gebaut hatte, erwiesen sich indeß als trügerisch. Johann selbst, der sich die Gewalt in seiner Vaterstadt übertragen ließ und auch in Verona darnach strebte, erregte Argwohn und gab zu neuen Kämpfen Anstoß. Diese gingen zu seinen Ungunsten aus und da er doch der übernommenen Rolle nicht gewachsen war, verfiel er unter dem Spotte seiner nunmehr kühner ge¬ wordenen Feinde schließlich dem Fluche der Lächerlichkeit. Während der Kaiser um diese Zeit versöhnlich gestimmt schien und einen Beweis davon gab, indem er im September 1234 Berthold, den König von Böhmen, den Landgrafen von Thüringen, den Markgrafen von Brandenburg nebst 87 mehreren Edlen zu Schiedsrichtern über alle zwischen seinem und dem welsischen Hause obschwebenden Streitfragen er¬ wählte, wiesen die Lombarden ohngeachtet der ernstlichsten päpstlichen Vorstellungen jede Verständigung zurück. Sie wußten wohl schon um die Empörung König Heinrichs, die dieser, der in Aquileja geübten Milde uneingedenk, im Sinne trug. Auf die erste Kunde von ihrem Ausbruche verschaffte sich Friedrich zunächst die Gewißheit, daß Gregors Hand dabei nicht im Spiele war, und schlug dann im Mai 1235 mit seinem zweitgebornen Sohne Konrad über Ravenna und Aquileja den Weg nach Deutschland ein. Heinrich stellte sich zwar am 4. Juli zu Worms dem tief gekränkten Vater, der ihm zum zweiten Male verzieh; als aber jener mit der Er¬ füllung der eingegangenen Bedingungen zögerte und sogar verdächtig wurde, dem Kaiser nach dem Leben zu trachten, mußte dieser der Stimme seines Herzens Stillschweigen auf¬ erlegen. Heinrich ward in Haft genommen, von Berthold, seinem Bruder Egbert und dem Erzbischöfe von Salzburg im Jänner 1236 über die Alpen nach Italien geführt und hier dem Markgrafen Lancia übergeben, der ihn in das feste Schloß S. Felice nach Apulien brachte. Im Winter 1236-—-37 machte Berthold den Zug des Kaisers gegen den bereits im vorhergehenden Jahre geäch¬ teten Friedrich II. von Oesterreich mit, welcher dem Pa¬ triarchen gewiß besondere Ursache zur Beschwerde durch die Art gegeben hatte, auf welche er mittelst der von Freisingen angekauften Besitzungen in Krain, die patriarchalische Herr¬ schaft in diesem Lande beeinträchtigte. Wie wir allen Grund zu vermuthen haben, befand sich Berthold ferner im Jahre 1238 nebst Meinhard III. von Görz bei der erfolglosen Belagerung von Brescia, wo das Glück des Kaisers, welches 88 nach der am 27. November 1237 gegen die Lombarden sieg¬ reich geschlagenen Schlacht von Cortenuova den Höhepunkt erreicht hatte, jenem wieder den Rücken wandte. Im Lager vor Brescia, im October, wenige Tage also vor seinem am 9. dieses Monats erfolgten Abzüge verbot der Kaiser den istrianischen Lehensleuten des Patriarchen durch einen dem¬ selben ausgestellten Freibrief, die peinliche Gerichtsbarkeit auszuüben und über ihre Unterthanen ohne des Ober- Lehensherrn Einwilligung körperliche Strafen zu verhängen. Obgleich nun Berthold nach dem am Palmsonntage und Gründonnerstage des Jahres 1239 von Gregor über den eben in Padua vom Volke mit Huldigungen und Festen gefeierten Kaiser gesprochenen Banne offen auf des Letzteren Seite trat, obgleich Berthold noch im Jahre 1242 zu Fried¬ rich hielt und von demselben die angesuchte Bewilligung er¬ langte, einige Brücken über die Livenza abzutragen, welche feinen Unterthanen zum Nachtheile und nur den feindselig gestimmten Trevisanern zum Vortheile gereichten, trat Plötz¬ lich in seinen Gesinnungen ein vollständiger Umschwung ein. Er erschien auf der Kirchenversammlung von Lyon im Jahre 1245, von der sich doch etwa die Hälfte der deutschen Bi¬ schöfe, und von denen aus Friedrichs Landen alle bis auf einen ferne gehalten hatten. Er war gegenwärtig, als Jnno- cenz IV., Gregors noch entschiedenerer und rücksichtsloserer Nachfolger, am 17. Juli den Kaiser und seine Anhänger, zu denen er als Cardinal selbst gezählt hatte, nochmals bannte, aller Würden und Ehren entsetzte, dessen Unterthanen des Eides der Treue entband und die Deutschen aufforderte, zu einer neuen Königswahl zu schreiten. Mit den anderen Prä¬ laten senkte auch Berthold nach diesem Fluche seine Fackel zu Boden, bis sie erlosch, zum Sinnbilde, daß also seines kaiser¬ lichen Herrn und Freundes Hoheit erlöschen möge. 89 Es widerstrebt uns, die Ursache dieser Sinnesänderung in jener gemeinen, kalt berechnenden Denkungsart zu suchen, die dem Instinkte, welcher die Ratte vom sinkenden Schiffe hinwegtreibt, so nahe verwandt ist. Gewiß aber wurde der Wechsel der Ueberzeugung durch äußere Gründe wesentlich unterstützt. Das rücksichtslose Vorgehen der eng verbündeten Ghibellinen-Häupter Ezzelins da Romano und Meinhards von Görz, welche sich offen zu den Lehren Arnolds von Brescia bekannten und alles Kirchengut für sich begehrten, war unstreitig nicht das letzte der Motive, welche Berthold den Guelfen auf so unerwartete Weise in die Arme trieben. Ezzelins Nachstellungen war Berthold im Jahre 1244 (?) bei Sacile nur mit Mühe entgangen und Mein¬ hard, der doch im Jahre 1226 gelegenheitlich einer mit dem Patriarchen getroffenen Vereinbarung keinen Anstand genommen hatte, mit feinem Oheime Meinhard II. dem Aelteren, zu erklären, daß alle Besitzungen der Görzer Lehen der Kirche von Aqnileja wären, und für den Berthold noch am 30. April 1241 zu Patriarchsdorf bei Lienz den Frieden mit Egno von Eppan, dem Erwählten von Brixen vermittelt hatte, mußte jetzt ein noch furchtbarerer Gegner als jener genannt werden. Abgesehen von dem Umstande, daß er das Vertrauen Friedrichs besaß, dessen langjähriger Waffen¬ gefährte er gewesen und von dem er auch als Reichsverweser in Steiermark bestellt worden war, konnte er stets die bedeu¬ tende Macht feines gleichgesinnten Schwiegervaters Alberts, des letzten Grafen von Tirol mit in seine Wagschale legen. Noch am 1. April 1249 versuchte Berthold einen friedlichen Ausgleich mit Meinhard. Sie übertrugen den bei einer Zu¬ sammenkunft in Manzano erwählten Schiedsrichtern Ulrich von Reiffenberg, Johann von Cucanea und dem Markgrafen Otto, dem Prvbste von Udine, die Schlichtung aller zwischen 90 ihnen obschwebenden Streitigkeiten und, behufs der zu lei¬ stenden Entschädigung, die Ermittlung des nach dem Gefechte bei Görz gegenseitig zugefügten Schadens. Dessen ungeachtet glaubte Berthold volle Sicherheit nur in der Gewinnung starker Freunde finden zu können. Einen Monat später schon, am 11. Mai, schloß er zu Udine mit Azzo von Este, Richard von S. Bonifacio, mit Brescia, Mantua und Ferrara zu seinem, Treviso's, so wie Bianquini's von Camino Schutze, ein Bündniß, welches vornehmlich gegen Ezzelin gerichtet war, aber kaum weitere Folgen hatte, als daß dieser viele seiner Widersacher in Padua dem Henker überlieferte. Es hinderte ihn nicht einmal, so wie er es unmittelbar vorher (1249) durch Ulvins von Sbrogliavacca Verrath begünstigt versucht hatte, das fol¬ gende Jahr erneuert in Friaul einzufallen, und diesmal, so¬ gar im Einverständnisse mit zwei einflußreichen Priestern, dem Probste von S. Peter in Carnien und dem Pfarrer von Fagagna, sich dieses letzteren wichtigen Schlosses, allerdings nur vorübergehend, zu bemächtigen. Ebenso wenig er¬ reichte die mit Ulrich, dem Sohne Herzog Bernhards von Kärnthen im September 1250 eingegangene Verbindung, welche Meinhards rastlosen Unternehmungsgeist hätte zügeln sollen, vollständig ihren Zweck. Sie beseitigte nicht einmal die zu öftern Reibungen mit dem Patriarchate Veranlassung gebenden Ansprüche der Sponheimer auf Kram. Rach einer 33jährigen Regierung starb Berthold, über 70 Jahre alt, der letzte seines Stammes am 23. Mai 1251, nachdem er noch im Monate Jänner zu Tolmein zur Sühne der Gewaltthaten, die von ihm als Anhänger Friedrichs durch seine Mannschaften gegen die päpstlich Gesinnten in Steier¬ mark und Kärnthen und namentlich gegen das Kloster Arnold- öl stei» verübt worden waren, diesem die Kirche S. Johann an der Gail geschenkt hatte. Das Volk hat niemals aufgehört sein Andenken zu segnen. Er war nicht allein seinem Klerus, den Klöstern, dem Capitel und insbesondere seiner mit dem Schlosse Win- dischgrätz beschenkten Kirche gegenüber großmüthig, sondern er bewährte sich auch bei den Plagen, die wiederholt Friaul unter seiner Verwaltung schwer heimsuchten, bei dem furcht¬ baren Erdbeben des Jahres 1222 und der darauf folgenden Hungersnoth, so wie während der Seuchen der Jahre 1234 und 1245, durch Mildthätigkeit und Freigiebigkeit als für¬ sorglicher Vater seiner Unterthanen. Für die Reinheit feines Lebenswandels und für die Frömmigkeit seiner Gesinnung spricht das Freundschaftsband, das ihn an den heiligen Fran; von Assisi geknüpft haben soll und seine menschenfreundliche Denkungsart erscheint durch den Umstand im glänzendsten Lichte, daß er die Besitzergreifung seiner Patriarchenwürde nicht schöner zu feiern wußte, als durch Freigebung aller in Friaul ansässigen leibeigenen Familien des Andechs'schen Hauses, welche er nach damaligem Gebrauche der heiligen Jungfrau zum Geschenke machte. Auf seine Thätigkeit als Landesfürst übergehend, müssen wir hervorheben, daß die bleibende und geregelte Herbei¬ ziehung des ?ur1nm6nto jstiulnno, welches sich unter andern im Jahre 1251 auf der Ebene von Campoformido zu Pferde versammelte, zur Theilnahme an den öffentlichen Geschäften auf Berthold zurückzuführen sein dürfte, wenn auch bereits aus der Zeit von Patriarch Wolfgers Regie¬ rungsantritte über ein Colloquium —- so wurden die Be- rathungen jener aus allen Ständen zusammengesetzten Körper¬ schaft genannt — mit einiger Bestimmtheit berichtet wird. 92 Berthold folgte dabei, Angesichts der meist oppositionellen Haltung der Mehrzahl seiner Vasallen, ebenso sehr einem Gebote der Klugheit als den von Kaiser Friedrich späterhin bestätigten Wormser Verfügungen des Jahres 1231, durch welche König Heinrich, nm sich im Hinblicke auf seine beab¬ sichtigte Empörung die deutschen Fürsten geneigt zn machen, deren Rechte auf Kosten städtischer Freiheiten maßlos erwei¬ terte, zugleich aber, mit dieser Absicht scheinbar im Wider¬ spruche, ihrer Willkür eine wohl hauptsächlich gegen seinen eigenen Vater aufgerichtete Schranke gezogen hatte, indem die zwar altgebräuchliche, bisher jedoch dem Belieben an¬ heimgestellte Befragung der Vornehmsten des Landes über dessen Angelegenheiten von ihm zum Gesetze erhoben ward. Zum größten Danke aber bleibt diesem Patriarchen Udine verpflichtet. Dieser Ort, dessen Name uns zum ersten Male im Jahre 983 begegnet, da Kaiser Otto II. zu Verona dem Patriarchen Rodoald die ältere Schenkung der Schlösser Buja, Fagagna, Groang, Udine und Bratta bestätigte, hatte. Dank seiner glücklichen Lage, einen raschen Aufschwung ge¬ nommen und muß zu Bertholds Zeiten bereits nicht mehr allein der geographische, sondern auch schon der mercantile und sociale Mittelpunkt Friauls gewesen sein, da er, das Augenmerk desselben auf sich ziehend, im Jahre 1238 zur Residenz und damit zugleich zum politischen Centrum des Landes erhoben wurde. Selbstverständlich mußte dieser Um¬ stand die Blüthe dieser Stadt noch bedeutend steigern. Um aber die Ansprüche Aquileja's, seines eigentlichen Sitzes nicht zu verletzen, nahm Berthold seine Zuflucht zu einer Fiction und erklärte Udine und Aquileja für ein einziges, vereinigtes Gemeinwesen und folgerichtig die Bewohner beider Orte aller von einem derselben besessenen Vorrechte gegenseitig für theilhaftig. Die Umschrift eines Siegels 93 der Sladt Udine ans jener Zeit leiht diesem eigenthümlichen Verhältnisse Ausdruck, indem sie lautet: Lst 86(168 1l60 Ur1>8 IItilI6N8i8. Bertholds Leichnam wurde im Mittelschiffe seiner Ba- silica unweit des Haupteinganges begraben. Die äußerst kostbare Platte von Vorä6 uirtieo, unter der er ruhte, soll angeblich im vorigen Jahrhunderte nach Wien gebracht und durch die jetzt vorhandene aus rothem Veroneser Marmor, welche allerdings im Style ihrer Verzierungen einen jüngeren Ursprung verräth, ersetzt worden sein. Keine Inschrift ver¬ kündet den Inhalt dieses Grabes, dessen Kenntniß nur durch die Ueberlieserung erhalten blieb. Berthold soll diese Stelle selbst als seine letzte Ruhestätte bezeichnet haben, indem er, als er die Kirche zum ersten Male betrat, an derselben aus¬ gleitend in die Worte des königlichen Sängers ausbrach: 8l6 r6HUI68 M6U ill 8U66u1urn 8U66U1Ü UI. während die ghibellinisch gesinnten Patriarchen im Lang¬ hause der Basilica zerstreut umher liegen, haben jene, welche vorzugsweise Guelfen waren und dem Guelfismus in Friaul dauernd das Uebergewicht zu verschaffen, das meiste bei¬ trugen, sich in eine abgesonderte Grabkapelle zurückgezogen und so im Tode noch, jede Gemeinschaft mit Andersdenkenden fliehend, den feindseligen Trotz nicht verläugnet, den sie im Leben gegen dieselben zur Schau trugen. Das nach Friedrichs II. Tode triumphirende Papstthum hatte zwar nicht gesäumt, wie überall auch in Friaul, das für die Beziehungen zwischen Deutschland und Italien von der höchsten Wichtigkeit war, sich aber bisher noch immer erfolgreich seinem Einflüsse entzogen hatte, die Früchte seiner Siege zu sichern und Berthold einen fanatischen Guelfen zum Nachfolger zu geben. Gregor von Montelongo (1251 bis 1269) war jedoch nur ein einzelner Mann und seine Persönlichkeit bei aller Entschiedenheit der Gesinnung, die er auf das rücksichtsloseste zur Geltung zu bringen bestrebt war, wenig geeignet, der Sache, der er diente, Freunde zu gewinnen. Daß er alle Eigenschaften eines unternehmenden 95 Condottiere in sich vereinigte, wissen wir; denn er hatte sie in der Lombardie an den Tag gelegt, wo er seit dem Jahre 1238 die Seele des Widerstandes gegen den Kaiser gewesen war und sich dabei die Verdienste gesammelt hatte, welche durch die Erhebung auf den Patriarchenstuhl von Aquileja belohnt wurden. Er hatte mit Kühnheit und Geschick, mit Glück und Ausdauer kriegerische Unternehmungen jeder Art geleitet, Schlachten geschlagen und Städte ebenso Wohl bela¬ gert als vertheidigt. In seiner Eigenschaft als Priester aber dürfte er kaum ähnliches Lob verdient oder gerechten An¬ spruch auf die allgemeine Achtung erworben haben, obgleich er von Schriftstellern seiner Partei hoch gepriesen wurde, und seine Thaten an einem, wahrscheinlich dem päpstlichen Hofe zu Avignon angehörenden provenzalischen Dichter so¬ gar einen Sänger fanden. Wenn wir — um nur eine der gegen ihn gerichteten Anklagen hervorzuheben — lesen, daß er sich niemals ohne weibliche Begleitung befand und dies durch den leichtfertigen Ausspruch: „si rioir 6N8t6 tuna zu rechtfertigen suchte, so urtheilen wir mit weniger Strenge über das Verfahren seines beständigen Widersachers, des Grafen Albrechts II. (f 1304) von Görz, des jüngeren Sohnes Meinhards III., der ihn während einer Fehde im Jahre 1267 in Villanova bei Rosazzo überfallen, gefangen und barfuß auf schlechter Mähre reitend nach Görz ge¬ führt hatte. In dem auf Gregor folgenden Zeiträume erst, in wel¬ chem innerhalb 92 Jahre (1273 —1365) vier Söhne des urguelfischen mailändischen Geschlechtes der della Torre*) *) Die Glieder dieses in den heutigen Grafen von Thurn fort¬ lebenden Geschlechtes, wurden damals gemeiniglich, wie auch jetzt noch deren Nachkommen Torriani oder Turriani genannt, wohl mit zum 96 48 Jahre lang den Patriarchenstuhl inne hatten, ging Friaul den Ghibellinen unwiderruflich verloren. Das Land wurde der Zufluchtsort der guelfischen Flüchtlinge aus allen Städten, in welchen die Gegenpartei die Oberhand ge¬ wonnen hatte, und die zweite Heimat jenes zahlreichen Hauses nach den wiederholten in der Lombardie erlittenen Schicksalsschlägen. Zum Beweise, daß wir den damaligen Einfluß der della Torre nicht überschätzen, führen wir an, daß sie größten- theils mit einem Gefolge, viele gewiß nicht ohne Reich¬ tümer nach Friaul gekommen waren und daß sich zum Bei¬ spiele schon zu Patriarch Pagano's Zeiten außer diesem selbst noch 48 urkundlich erwähnte männliche Mitglieder dieser Familie zum Theile in hervorragenden und ein¬ träglichen geistlichen oder weltlichen Stellungen oder mit Lehen der Kirche von Aquileja ausgestattet in deren Gebiete befanden. Ein schweres, kunstvoll gearbeitetes, eisernes Gitter trennt die Kirche von der an das südliche Seitenschiff stoßen¬ den Ambrosius-Kapelle, in welcher vier große marmorne Sarkophage die Gebeine der drei Patriarchen Raimund, Pagano und Ludwig I., so wie auch jene Rainalds della Torre enthalten, des Dekans und Schatzmeisters von Aqui¬ leja, welcher das Patriarchat für seinen Bruder, den Pa¬ triarchen Gastone, als General-Vikar verwaltet hat. Ein an die Wand gelehnter Grabstein zeigt die Umrisse einer weib¬ lichen Gestalt und dabei zwei Wappenschilder mit den ge¬ kreuzten Lilienszeptern der della Torre und dem Rade des Unterschiede von der längst ansgestorbenen görzer Familie della Torre (s. turei goritin,«), welche vor Zeilen in den Zweigen Hungerspach, Flojana und Madrisio blühte. 97 gleichfalls mailändischen Geschlechtes Rho oder Rnota nebst einer Inschrift, welche folgendermaßen lautet: 8ie saost uollilis Ona. ^.IsArs-imia Natu 3. kauäo ä. Noäiolano uxor Nodilis viri Oni. Nusos ä. la llurs Natsr Oni. Oastonis dono möio. Oatriaros ^guiloZsnsis. Bis zur Restauration des Jahres 1846 befand sich dieser Stein in den Fußboden eingefügt; da aber derselbe erneuert wurde, zog man es im Interesse seiner Erhaltung vor, ihn nicht wieder an seine alte Stelle zu setzen. Mehrere andere bei dieser Gelegenheit entdeckte Gräber gestatten mit einiger Wahrscheinlichkeit die Annahme, daß auch noch andere Glieder des Hauses della Torre in dieser gemeinsamen Gruft bestattet wurden. Patriarch Raimund soll es gewesen sein, der diese Kapelle mit der Bestimmung, ihm als Begräbnißstätte zu dienen, erbaute und dem Schutzheiligen seiner Vaterstadt weihte. Haben wir auch keinen Grund, an dieser mit aller Bestimmtheit austretenden Angabe zu zweifeln, so können wir es doch ebenso wenig unerwähnt lassen, daß das Motiv des Rundfensters, welches sich ober dem aus dem Innern der Basilica herführenden Eingänge befindet, dem Wappen von Gastone's und Rainalds Mutter, der in der eben ange¬ führten Grabschrift erwähnten Allegranza de Rhü entnommen zu fein und daher auf eine etwas spätere Zeit hinzu¬ weifen scheint. Die ursprünglich adelige Familie della Torre hatte sich von ehrgeizigen Absichten getrieben unter die Bürger¬ schaft Mailands aufnehmen lassen und war durch den zum Onjsttuno äsl ^opolo gewählten Pagano della Torre zu Aquileja. 98 hohem Ansehen gelangt, nachdem dieser im Jahre 1241 mit dem bewaffneten Volke die Paveser, denen der Mailänder Adel kurz vorher beiGinestre unterlegen war, so entscheidend geschlagen hatte, daß sie alsbald den Frieden ansuchten. Pagano starb zwar noch im selben Jahre; der von ihm be¬ gründete Glanz seines Hauses aber überlebte ihn. Stets an der Spitze des Volkes für Kirche, Papst, municipale Freiheit nnd nebenbei auch für sich gegen Kaiser und Reich und deren oberherrliche Rechte kämpfend, wußten seine Nach¬ kommen ihre Macht fortwährend zu steigern. Martin (ff 1263), Pagano's Neffe, hatte die mailän¬ dischen Adeligen ohne Rücksicht auf die Verbindung, welche er bei Gelegenheit eines Versöhnungsversuches mit der Schwester Pauls von Soresiua, des Vornehmsten unter ihnen eingegangen war, wiederholt gedemüthigt, und nachdem er auch seinen gefährlichsten Gegner Ezzelin an den bei Casiano erhaltenen Wunden, im wilden Grimme über seine Gefan¬ gennahme die Binden von denselben reißend, sich verbluten gesehen hatte (1259), gab es in der Lombardie wohl keinen mächtigeren Mann mehr als ihn. Das daraus entspringende Gefühl der Sicherheit mochte ihn auch zu jener damals so seltenen und deßhalb vielfach bewunderten Großmuth ge¬ stimmt haben, mit der er im Rathe zu Mailand für das Leben feiner gefangenen Feinde eiutrat. Sein Bruder Philipp (si 1265) nannte sich bereits Liquors dkl ^o^olo und nach ihm herrschte Pa¬ gano's Sohn Napoleone (si 1278) außer in Mailand in Lodi, Bergamo, Brescia, Novara, Vercelli und anderen lom¬ bardischen Städten. Pagano's jüngster Sohn Raimund aber sollte die Veranlassung werden, welche die della Torre und mit ihnen Mailands ganze Volkspartei — wohl nur auf kurze Zeit — in ein freundlicheres Verhältnis zu den 99 Ghibeilinen treten machte. Als im Jahre 1263 das dortige Erzbisthum durch Leone's da Perego Tod erledigt Ivar, hatte der Papst nicht den an dessen Stelle gewählten Raimund, welcher das Erzpriesteramt an der Kirche von Monza beklei¬ dete, und wohl ebensowenig den Canditaten der Adeligen, Hubert von Settala bestätigt, aber doch in Otto Visconti einen Mann aus den Reihen der Gegner des Hauses della Torre zum Erzbischöfe ernannt. Es wurde zwar im Laufe der nächsten Jahre eine Verständigung mit Rom angebahnt, Raimund mit dem Bisthume Como entschädigt und sein Bruder Napoleone durch Bann, Jnterdict und die laute Sprache der Interessen endlich bewogen, sich dem päpst¬ lichen Stuhle, der in der Frage des Mailänder Erzbis- thums indeß unbeugsam blieb, zu unterwerfen und Carls von Anjou Partei zu ergreifen. Dessenungeachtet konnten die della Torre noch im Jahre 1268 ihrer Verstimmung gegen den Papst so wenig Meister werden, daß sie zu dessen höchlichster Ueberraschung Konradin von Hohen¬ staufen keinerlei Hindernisse in den Weg legten, als dieser von Verona, wo ihn sein Stiefvater Meinhard IV. (f 1295) von Görz und sein Oheim Herzog Ludwig der Strenge von Baiern verlassen hatten, durch den Abfall dieser ihm zu¬ nächst stehenden Männer in seiner Zuversicht nicht erschüt¬ tert, dem Verhängnisse seines Hauses folgend, durch die Lombardie seinem Verderben entgegen nach dem Süden zog. Jede Spur eines Mißverständnisses scheint jedoch be¬ seitigt gewesen zu sein, als Gregor X., welcher, obgleich ein Visconti, schon lange vor seiner Papstwahl sich zu den guelfischen Anschauungen bekehrt hatte, im Herbste des Jah¬ res 1273 auf der Durchreise zur Kirchenversammlung von Lyon Mailand berührte und durch Napoleone's Benehmen bewogen wurde, Raimund auf den schon längere Zeit leer 7* 100 stehenden Patriarchenstuhl von Aquileja zu erheben. Die förmliche Ernennung erfolgte am 21. December desselben Jahres. Raimund hielt sich aber noch ein halbes Jahr in der Lombardie auf und verließ Mailand erst am 19. Juli 1274, nachdem ihn der Papst ausgefordert hatte, ohne wei¬ tere Zögerung sich in seine Diöcese zu begeben. Wahrschein¬ lich legte der Papst darauf einen höheren Werth als auf Raimunds Erscheinen in Lyon; und auch dieser mochte wohl wenig Lust verspüren, aus der dortigen Kirchenversammluug entweder den Rechten seiner neuen Würde etwas zu verge¬ ben oder zu einer Wiederholung jener Auftritte, welche vor nicht ganz zwanzig Jahren durch die Ansprüche des Patri¬ archen Berthold am nämlichen Orte hervorgerufen worden waren, Anlaß zu geben. In Begleitung eines äußerst glän¬ zenden und zahlreichen Hofstaates, in welchem man 60 auf das kostbarste gekleidete mailändische Junker, 50 Ritter, 600 Reiter und 100 Cremoneser Fußknechte mit zusammen über 1000 Pferden zählte, traf der neue Patriarch am 2. August in Sacile, am 3. in S. Odorico del Tagliamento und am 4. in Udine ein. Von da begab er sich nach drei¬ zehntägigem Aufenthalte nach Cividale, wo er durch persön¬ liche Begegnung mit Albrecht II. von Görz, den von seinen Vorgängern ererbten Streit mit demselben ans eine für seine Kirche vortheilhafte Weise zu schlichten hoffte*). *) Es dürfte nicht ganz ohne Interesse sein, die Namen jener Herren zu kennen, welche im Auftrage Albrechts noch vor Raimunds Ein¬ treffen mit dessen Abgesandten Rainald, Marlin und Tiberius della Torre, Castellino Malacrida und Milan von Pavona in Verhandlung getreten waren. Es waren dies: Friedrich von Ortenburg, Herbord von Auersperg, Rüdiger von Wippach, Wolfger von Reiffenberg, Raul von Wipelsach (Bipulzano), Konrad von Hungerspach und Medea, Pilgrim von Ebcrstein, Ulvin von Gotinich, Friedrich und Georg von Dorn¬ berg, Heinrich von Orzon, Arnulf von Visnovich und Ritisberg, end¬ lich Gebhart von Drauburg und Albana. 101 Bevor wir jedoch darüber weiter berichten, erscheint es nothwendig, einen Blick auf die im Patriarchale jüngst stattgehabten Ereignisse zu werfen. Die bereits erwähnte Gefangennahme des Patriarchen Gregor hatte Ottokar II. von Böhmen die erwünschte Gele¬ genheit geboten, durch ein Eingreifen in die Angelegenhei¬ ten des Patriarchats seinen Einfluß nach Südwesten vorzu- schicben und zugleich durch den Gregor gewährten Schutz ein erhöhtes Anrecht auf das feinen ehrgeizigen Plänen so för¬ derliche Wohlwollen des römischen Hofes zu gewinnen. Er wußte es zu fügen, daß ihm bei jener Veranlassung und im folgenden Jahre wieder, als Bischof Albert von Concordia, Gregors Bicedom, von Albrechts Leuten bei Medea erschla¬ gen worden und vom Patriarchen deßhalb ein erfolgloser Rachezug gegen Görz unternommen worden war, von den streitendenParteien das Schiedsrichteramt übertragen wurde. Nach Gregors am 8. September 1269 zu Cividale erfolgtem Ableben zeigte es sich, wie vielvermögend der Wille des Böhmenkönigs, der das Patriarchat nunmehr förmlich in seine Obhut genommen hatte, dort bereits geworden war. Am 14. desselben Monats übertrugen die Friauler Ottokars unbedingtem Anhänger, dem Herzoge Ulrich III. von Kärn- then, als ihrem Generalcapitän die weltliche Verwaltung des Patriarchats auf die Dauer der Sedisvacanz. Wenige Tage später, am 23. erwählte das Capitel von Aquileja einstimmig des Letzteren Bruder Philipp, den Erwählten von Salzburg, zum Patriarchen und erfüllte so einen Wunsch des Königs, der durch eine glänzende geistliche Versorgung Philipps Ansprüche auf die Besitzungen seines Bruders zum Schweigen zu bringen vermeinte. Es sollte nicht so kommen. Am 27. October starb Ulrich III. in Cividale ohne Nachkommenschaft und Philipp, 102 der nicht mit Gewißheit auf die Bestätigung seiner Wahl rechnen konnte, und für den der Herzogshut überhaupt mehr des Verlockenden hatte als die Mitra, machte sein Erbrecht geltend, indem er die Verfügungen seines Bruders, welche Ottokar die Nachfolge in Kärntheu sicherten, für ungiltig erklärte. Philipps Kräfte waren indeß jenen seines Gegners bei weitem nicht gewachsen. Bon den Friaulern ohne genü¬ gende Unterstützung gelassen und in Kärnthen wenig Anhän¬ ger findend, so wie in seinen Hoffnungen auf König Stephan von Ungarn, mit dem er ein Bündniß geschlossen hatte, be¬ trogen, mußte er im Herbste des Jahres 1270 Ottokars Gnade anrufen. Während der König, aus diesen Verwick¬ lungen siegreich hervorgehend, nicht allein Kärnthen behaup¬ tete, sondern noch den einst babenbergischen Besitz Portenau und die Herrschaft selbst in Cividale erwarb, wo wir noch im Jahre 1274 den Probst Heinrich von Verden als Otto¬ kars Verweser finden, wurde Philipp nach Krems verwiesen, wo er eine letzte Enttäuschung erfuhr, als Papst Gregor X. ihm wegen seines anstößigen Lebenswandels, wegen der Ueberschätznug, mit der er seiner Freunde Rathschläge un¬ beachtet ließ, und wegen willkürlichen Schaltens mit Kir¬ chengute die Bestätigung seiner Wahl zum Patriarchen ver¬ sagte. Die drückende Lage, in welche Philipp gerathen war, erlitt selbst dann keine Veränderung, als König Rudolf ihn im Jahre 1275 mit Kärnthen, Kram und der Mark be¬ lehnte, da die Verwaltung dieser Länder ohne alle Rücksicht darauf dem Grafen Meinhard IV. von Tirol und Görz, dem hingebenden Freunde Rudolfs, übertragen wurde, und nahm erst mit seinem Tode (1279) ein Ende. Philipps gänzliche Ohnmacht äußerte sich noch nach demselben, indem die in seinem Testamente zu Gunsten Aquileja's enthaltenen Verfügungen ohne alle Wirkung blieben. 103 Kaum in Friaul angelangt, hatte Patriarch Raimund mit Ottokar Unterhandlungen angeknüpft, bei welchen er den doppelten Zweck im Auge hatte, einestheils von dem häufig unbequemen Beschützer die Einsetzung in alle patri¬ archalischen Rechte zu erlangen und anderentheils sich doch auch diesen mächtigen Bundesgenossen gegen die Grasen von Görz zu erhalten. Die hochgespannten Forderungen des Königs, welcher Portenau, alle von Herzog Ulrich in Kärn- then, Kram und der windischen Mark besessenen Vogteien und Güter, so wie alle Lehen der einstigen Herzoge von Oesterreich, Steiermark und Kärnthen für sich forderte, lie¬ ßen dieselben nicht zu einem Abschlüsse gedeihen. Für Rai¬ mund hatte dies jedoch keine ungünstigen Folgen, da die Beziehungen zum Reiche seit Rudolfs von Habsburg Königs¬ wahl Ottokars ganze Kraft und Thätigkeit in Anspruch nahmen. In demselben Maße, in welchem Ottokar, dem auch die Gönnerschaft des durch Rudolfs Nachgiebigkeit in allen kirchlichen und italienischen Angelegenheiten gewonnenen rö¬ mischen Hofes allmälig verloren ging, an Wichtigkeit für das Patriarchat einbüßte, trat die durch denselben auf einige Zeit in den Hintergrund gedrängte Bedeutung der görzer Grafen wieder mehr hervor. Festigkeit und Stetigkeit nah¬ men nun die Stelle der schwankenden, oft ganz unerklär¬ lichen Haltung ein, welche ein bezeichnendes Merkmal ihres Verhältnisses zum Böhmenkönige war, gegen dessen ihnen unbezwingbar scheinende Macht sie allein nicht offen auszu¬ treten wagten, obgleich sie sich allzu gerne seines beengen¬ den Einflusses entledigt hätten. Am 11. November 1269 hatten sie in S. Quirin bei Cormons einen durch Ottokar, dem sie zu jener Zeit ganz ergeben schienen, vermittelten Frieden mit Artvico da Castello, dem Generalcapitän Friauls, dem Capitel und 104 der Kirche von Aquileja geschlossen und im Kampfe zwischen Philipp und Ottokar sich im Widerspruche mit ihrer natür¬ lichen Politik auf des Königs Seite gestellt. Im Jahre 1271 hingegen riefen sie zur Schlichtung der immer wieder von neuem ausbrechenden Zwistigkeiten mit Aquileja die verbündeten Gegner Ottokars, Stephan von Ungarn und Heinrich von Nieder-Baiern, als Schiedsrichter an. Bei den alsogleich ausführlicher zu erzählenden Unterhandlungen des Jahres 1274 zwischen Raimund und Albrecht erfreute sich letzterer dessenungeachtet abermals der gewiß durch Gegen¬ leistungen erkauften, gewichtigen Unterstützung Ottokars und dennoch gehörten Meinhard und Albrecht zu den ersten, welche sich gegen ihn für Rudolf erklärten; wie sie denn auch beide an den Kämpfen des deutschen Königs wider jenen einen hervorragenden Antheil genommen haben. Sie waren es, welche im Jahre 1276, diesmal durch den Patriarchen, um dessen Freundschaft sich Rudolf vielfach beworben hatte, und dem dieses Verhalten gewiß außerdem von Rom vorge¬ schrieben worden war, unterstützt, die böhmische Herrschaft in Kärnthen und Kram vernichteten, und in der zwei Jahre später am Marchfelde geschlagenen Entscheidungsschlacht strit¬ ten die Brüder von Görz-Tirol an der Spitze ihrer Mann¬ schaften wacker mit. Raimund hatte es übrigens bei seinen Reibungen mit den Görzern vorzugsweise mit Albrecht zu thun, dem bei der am 4. März 1271 im Schlosse Tirol mir seinem älteren Bruder vorgenommenen schließlichen Theilung des väterlichen Erbes der alte Hausbesitz im Pusterthale, die Pfalzgrafschaft in Kärnthen, Görz, die Güter in Kram, Istrien und der windischen Mark, die Lehen im Cadore'schen, jene von Aquileja und damit die vielen, fortwährend zu Mißverständissen Anlaß gebenden Berührungspunkte mit diesem Hochstifte zugefallen waren. 105 Die sämmtlichen Vogteirechte hatten sich zwar die Brüder gemeinschaftlich Vorbehalten; in der Ausübung derselben aber machte sich die territoriale Scheidung fühlbar, indem Aquileja gegenüber Albrecht die Rolle des Drängers über¬ nahm, welche Meinhard in seinen Beziehungen zu den Bis- thümern Trient undBrixen mit so glänzendem Erfolge durch¬ zuführen verstand. Am 17. August 1274 war Raimund in Cividale ein¬ getroffen und Tags darauf schon begann er persönlich mit Albrecht über alle jene Fragen zu verhandeln, welche seit jeher Stoff zu Streitigkeiten geliefert hatten. Anfangs ging alles nach Wunsch. Jacob von Ragonea übergab, der schon beider ersten Besprechung getroffenen Uebereinkunft gemäß, dem Patriarchen in des Grafen Na¬ men eine Urkunde, in welcher derselbe den Schaden be¬ kannte, welchen er mit seinem Bruder Meinhard und den anderen Bundesgenossen, den Städten Capodistria, Pirano und Jsola, den Herrn von Ortenburg, Caporiacco, Stey- berch, Tybein (Dnino), Grifenvelse und Villalta dem Pa¬ triarchate in den letzten Jahren zugefügt hatte. Die von bei¬ den Theilen ebenfalls schon am ersten Tage erwählten Schiedsrichter Gottfried della Torre, Raimunds Neffe und Podestu von Padua, Ulrich von Täufers und Gerhard von Camino hatten auch bereits die meisten Vertragsbestimmun¬ gen zur allgemeinen Zufriedenheit festgestellt, als Albrecht über des Patriarchen beharrliche Forderung, daß ihm Cor- mons zurückgestellt werde, so mißgestimmt wurde, daß er sich aus dem Berathungszimmer plötzlich entfernte, als wollte er sich irgendwo Raths erholen, und, ohne wiederzu¬ kehren, Cividale mit seinen Begleitern heimlich verließ. Diese verletzende Handlungsweise unterbrach nicht al¬ lein für den Augenblick das Friedenswerk, sondern legte 106 auch für alle Zukunft einen Keim zu Feindschaft und gegen¬ seitigem Mißtrauen zwischen dem Patriarchen und dem Gra¬ fen. Von beiden Seiten wurden alsbald Kriegsvölker auf¬ geboten, zugleich aber doch neue Unterhandlungen ange¬ knüpft, denen es wohl zuzuschreiben ist, daß es zu keinen Thätlichkeiten, sondern nach wenig Wochen auf Andringen der Abgesandten König Ottokars zu einem Waffenstillstände und am 26. Februar des folgenden Jahres in Cividale zu einem Vergleiche kam, an den sich ein Bündniß Albrechts und Raimunds mit den der Venetianer noch sich erwehren¬ den Städten Capodistria und Pirano reihte. Wie wenig Bestand trotz der am 19. März 1275 bei Gelegenheit des zu Summerekke erfolgten Abschlusses der Ehepakten zwischen Albrecht II. von Görz und Euphemia von Ortenburg, verwitweten Gräfin von Hardeck und Plaien *), geschehenen Bekräftigung der vorhergegangenen Verabredungen die dadurch geschaffenen Verhältnisse hatten, ersehen wir aus dem Umstande, daß ein am 9. Juni 1277 zu Cividale abgeschlossener Vertrag den neu ausgebrochen gewesenen Hader hätte dadurch beenden sollen, daß er, dem Schiedssprüche Johanns von Zuccula, Walter Bertholds von Spilimbergo, Hugo's von Tybein und Heinrichs von Mitterburg zufolge, die Schlösser Cormons, Arispergo Die Brüder Otto und Konrad von Hardeck und Plaien, die letzten ihres Stammes, waren am Vorabende der Schlacht bei Kressen¬ brunn (12. Juli 1280), die Vorhut von König Ottokars II. Heer führend, im Kampfe mit den Ungarn heldemnüthig gefallen. Beider Witwen traten durch ihre Wiedervermählung in ein nahes Verhältniß zu den Ländern, mit welchen wir uns hier beschäftigen. Von Euphemia, welche schon vor ihrer ersten Ehe sich mit Albrecht verlobt, dann aber Konrad von Hardeck, so wie Albrecht Euphemia von Glogau geheiratet hatte, ist oben die Rede. Otto's Witwe aber, Wilbirgis von Helfen- steiu, wurde die Gattin Heinrichs von Tybein. 107 (Anis) und Barbana (in Ecken), so wie die im Gebirge ge¬ legenen Ortschaften Tamai und Dietendorf dem Grafen, dem Patriarchen hingegen die volle Jurisdiction von der steiner¬ nen Brücke zwischen St. Johann am Timavo und Monsal- cone an bis zum Jsonzo und von diesem bis zum Meere zu¬ wies. Derselbe erreichte jedoch sein Ziel so wenig wie der frühere in mehr als nur vorübergehender Weise. Während Raimund sich im September darauf jenseits der Alpen be¬ fand, dem deutschen Könige zu huldigen, suchten Albrecht und seine Anhänger Randulf von Villalta, Friedrich von Caporiacco, Matthäus von Glemona und die Herren von Tricanv mit dem Erzfeinde des torrianifchen Hauses, dem Erzbischöfe Otto Visconti von Mailand eine Verbindung auzubahnen. Raimund entdeckte zu seinem Glücke den Ver- rath noch bei Zeiten, beschleunigte seine Rückkehr und strafte ihn an dem einzigen Schuldigen, der seinem gerechten Zorne erreichbar war, indem er dem Notar Norrando di Fagagna, der sich zur Mittelsperson hergegeben und die Briefe an Visconti geschrieben hatte, die rechte Hand abhauen ließ. Ueber die ohne Zweifel daraus gefolgten Zerwürfnisse wis¬ sen wir nur, daß es im April des Jahres 1278 den Leuten des Grafen gelang, das Schloß Tolmein durch List zu überrumpeln. Bald nachher sehen wir aber die beiden Gegner nicht allein ausgesöhnt, sondern sogar zur Wie¬ dereroberung von ganz Istrien gegen die Venetianer ge¬ meinsame Sache machen. Es fanden wirklich im Laufe desselben Jahres noch dort Gefechte statt, bei welchen Albrecht gegenwärtig war. Es mochte Raimund um so willkommener sein, Al¬ brecht auf diese Weise beschäftigt zu wissen, als er selber durch die seinem Herzen weit näher stehenden lombardischen Angelegenheiten ganz in Anspruch genommen und durch per- 108 sönliches Einschreiten die tief gesunkene Macht seines Han¬ fes wieder herzustellen eifrig bemüht war. Weder die durch eine Gesandtschaft an König Rudolf erwirkte Anerkennung als Reichsverweser in der Lombardie, noch die Gunst des römischen Hofes, welche Napoleone na¬ mentlich seit Gregors X. ans der Heimreise von Lyon Mai¬ land gemachten zweiten Besuche (November 1276) in vol¬ lem Maße genoß und an deren unzweideutigen Beweisen auch der zur Begrüßung des Papstes von Aquileja dahin geeilte Patriarch sich zu erfreuen in der Lage gewesen war, hatten jenen gegen die schweren Unfälle sicherstellen können, welche er durch die unermüdliche Thätigkeit des vertriebenen Erzbischofes Otto Visconti und dessen eben so tapferen als schlauen Neffen Matteo erleiden sollte. Am 21. Jänner des Jahres 1277 war es bei Desto zum Entscheidnngskampfe gekommen. Der Heldenmuth, mit welchem 60 Torriani dort sich schlugen, war nicht ver¬ mögend, den Sieg an ihre Fahnen zu fesseln. Napoleone's Bruder Franz blieb auf dem Platze; ihn selbst rettete nur das Dazwischentreten Otto's aus den Händen des die ver¬ triebenen Mailänder Adeligen befehligenden Grafen Richard von Lomello, der, um sich für seines Bruders Tod zu rächen, den Gefangenen mit seinem Speere durchbohren wollte. Napoleone wurde aber dadurch nur einem noch fürchterlicheren Lose aufbewahrt; gleich seinem Sohne Kon¬ rad, genannt Mosca, seinem Bruder Caverna und seinen Neffen Lombardo, Heinrich und Guido ward er im Schlosse Baradella in einen hölzernen Käfig gesperrt, aus dem ihn erst der Tod erlöste. Mau kann sein trauriges Geschick in-, deß nicht ganz unverdient neunen, da er als Herr von Mai¬ land — seinem Vetter Martin darin unähnlich — Gran- 109 samkeiten verübt und die in seine Gewalt gefallenen Gegner nicht minder hart behandelt hatte. Napoleone's Sohn Gastone, der eine von König Ru¬ dolf jenem gesandte deutsche Reiterschaar befehligte, und dem es am Tage von Desio unmöglich geworden war, die Wahl¬ statt zu erreichen und vielleicht das Waffenglück zu seines Vaters Gunsten zu wenden, hatte auf die Kunde von den dortigen Ereignissen sich auf Mailand zurückgezogen, in welches er sich mit Gewalt den Eingang erzwingen mußte, nm es mitanzusehen, wie das Volk die Paläste derjenigen plünderte, denen es noch vor wenig Tagen zugejubelt hatte. Genöthigt, Mailand zu verlassen, war er an Lodi, das die Thore bei seiner Annäherung schloß, vorbei zuerst nach Cre¬ mona und auf die Bitte der vor den Siegern zitternden Bürgerschaft dieser Stadt nach Parma gezogen, während Otto Visconti von den Mailändern als Gebieter be¬ grüßt wurde. Die Hoffnungen der Torriani und ihrer Parteigänger waren nunmehr auf Raimund gerichtet, der durch jene Be¬ gebenheiten tief erschüttert, sogleich den Entschluß faßte, die von ihm erwartete Hilfe zu bringen. Sobald es ihm seine heimischen Verhältnisse gestatteten, brach er mit einem nicht unbedeutenden Heere von Friaul auf und traf im Juni 1278 noch rechtzeitig vor Lodi ein, um den darin einge¬ schlossenen Gaftvne, welcher seit Beginn des Frühjahres wieder im Felde erschienen war, zu entsetzen. Gastone und Raimund waren in ihren gemeinschaft¬ lichen Unternehmungen vom Glücke begünstigt, und machten durch ihre bis an die Thore Mailands sich erstreckenden Züge den Erzbischof Otto derart besorgt, daß er sich an den mäch¬ tigen Markgrafen Wilhelm von Montserrat um Unterstützung wandte und ihm dafür die oberste Gewalt in Mailand über- 110 trug. Wilhelm errang zwar einige unerhebliche Bortheile, konnte aber den mit Crema, Parma, Reggio und Modena verbündeten Torriani Lodi nicht entreißen und nahm endlich zur List seine Zuflucht. Er bot Gastone und Raimund einen Frieden au, der von diesen angenommen und im März 1279 abgeschlossen wurde. Kaum hatten aber jene alle Be¬ dingungen desselben erfüllt und insbesondere ihre zahlreichen Gefangenen frei gegeben, als Wilhelm treuloser Weise wie¬ der zu den Waffen griff und, an die eingegangenen Verpflich¬ tungen gemahnt, höhnisch erwiederte, er hätte wohl Verspre¬ chungen gethan, nicht aber gelobt, dieselben zu halten. Unter diesen Umständen wurde der Kampf mit gestei¬ gerter Erbitterung fortgeführt, ohne deßhalb größere Ver¬ hältnisse anzunehmen. Erst im Frühjahre 1281, als Rai¬ mund neue Hilfsvölker aus Friaul herbeigeführt hatte, ver¬ suchten die Torriani am 25. Mai bei Vaprio einen entschei¬ denden Schlag. Wieder war das Glück den Visconti gün¬ stig; Gastone entging durch den Tod dem Schmerze, Zeuge der vollständigen Niederlage der Seinigen zu sein und Rai¬ mund kehrte bestürzt nach Hause zurück. Die nächste Folge davon war, daß Lodi sich von der Partei der della Torre lossagte und mit den Visconti aus¬ söhnte. Dagegen gewannen jene einen Bundesgenossen an dem Markgrafen Wilhelm, dessen Regiment dem Erzbischöfe Otto zur Last geworden war, seitdem er des Schutzes des Markgrafen weniger nothwendig zu bedürfen glaubte. Durch die Vertreibung des von diesem eingesetzten Podestu em¬ pfindlich verletzt, ließ sich Wilhelm nach Erhalt eines be¬ deutenden Geldbetrages bereit finden, mit Raimund im Jahre 1284 einen Freundschaftsvertrag abzuschließen, der den noch lebenden bei Desto gefangenen Gliedern des Hau¬ ses della Torre die Kerkerpforten öffnete, da Como, welches 111 dieselben in Verwahrung hatte, immer noch Wilhelm an¬ hing. Von nun an bekriegten die Torriani von Como ans die Visconti mit wechselndem und unentschiedenem Erfolge bis zum Jahre 1286, in welchem es Otto Visconti gelang, die Comascher zu einem Vertrage zu bewegen, wel¬ cher den Torriani zwar ihre Güter sicherte, sie selber aber über die Grenzen des Gebietes von Como verwies. Von allen Freunden verlassen und aus allen Städten vertrieben, ließen sie sich zum größten Theile in Friaul nieder, wo sie eine feste Stütze an dem Patriarchen besaßen, der es sich zur Ausgabe machte, sie auf das beste zu versorgen und für das erlittene Ungemach möglichst reichlich zu entschädigen. Nachdem Raimunds Unternehmungen in der Lombar- die dieses Ende genommen hatten, konnte er seine Tätig¬ keit nunmehr ausschließlich dem Kriege gegen Venedig wid¬ men , den er unkluger Weife zugleich mit jenen begonnen hatte, und der schon längere Zeit matt und thatenlvs in Istrien geführt wurde. Die von Raimund erneuerten Ver¬ träge seiner Vorgänger mit Venedig waren diesem keine ge¬ nügende Veranlassung gewesen, die bisher in Istrien be¬ folgte Politik, welche durch meist unscheinbare, aber häufig wiederkehrende Erfolge das Gebiet der Republik unaus¬ gesetzt vergrößerte, auszugeben. Kurz vor Raimunds erster Ankunft in Friaul hatten die Venetianer unangefochten Dnino gegenüber auf einem dem Meere entsteigenden Felsen die Veste Belforte erbaut und so auch an diesem Theile der Küste festen Fuß gefaßt. Obgleich es noch in den letzten Jahren versucht wurde, die Grenzen der in Istrien sich viel¬ fach berührenden patriarchalischen, venetianischen und görzi- schen Besitzungen endgiltig sestzustellen, und somit auf güt¬ lichem Wege den Uebergriffen Venedigs ein Ziel zu setzen, so hatte sich doch der Patriarch genöthigt gesehen, dem im 112 Spätherbste des Jahres 1277 nach Cividale berufenen Par¬ lamente die Unzulänglichkeit dieser Schritte darzulegen und es zurBeschließung kriegerischer Maßregeln zu bestimmen*). Wie bereits erwähnt, war es schon im Jahre 1278 zur theilweisen Ausführung derselben gekommen, ohne daß das angestrebte Ziel erreicht worden wäre. Venedig blieb im Vortheile und gewann Capodistria und Montona. Es räumte zwar auf die Aufforderung Raimunds, alle istrifchen Küstenstädte herauszugeben, im Jahre 1279 Triest, aber nur um beinahe jedes Jahr zu, allerdings erfolglosen Bela¬ gerungen vor dieser Stadt zu erscheinen. Der Krieg erlahmte ganz, als der, in Raimunds Ange¬ legenheiten ohnehin laue Albrecht, welchem in Abwesenheit des in der Lombardie kämpfenden Patriarchen die Führung desselben hauptsächlich überlassen war, mit Raimund im Jahre 1281 neuerdings zerfiel und erst durch seinen Bru¬ der Meinhard und Gerhard von Camino wieder ausgesöhnt werden mußte. Mittlerweile hatten die Venetianer jedoch Jsola ihren Erwerbungen hinzugefügt. Im Jahre 1282 nahm Raimund in Ermanglung an¬ derer feine Zuflucht zu geistlichen Waffen. In alsogleicher Anwendung der von einer im December zu Aquileja abge¬ haltenen Provinzialsynode, an welcher die Bischöfe von Trient, Vicenza, Triest, Capodistria, Parenzo, Ceneda, Cit- tanuova, Piben sPedena), Verona, Padua, Pola, Treviso, Concordia, Feltre und Belluno nebst den Aebten von Ro- sazzo, Beligna und Osiach, theils durch Bevollmächtigte, größrentheils aber persönlich sich betheiligten, insbesondere *) Wohl um die Bereitwilligkeit zur Zahlung der voraussichtlich zu bewilligenden Kricgssteuern zu erhöhen, hatte das Parlament schon im Monate Mai beschlossen, daß alle binnen 15 Jahren nicht gefor¬ derten Schulden zu Gunsten des Schuldners verjährt sein sollten. 113 über Schmälerung und Beschädigung des Kirchengutes ge¬ faßten Beschlüsse belegte er Istrien mit Bann und Jnterdict, was indeß auch keine erhebliche Wirkung hervorbrachte, wie¬ wohl das dortige Volk heutigen Tages noch jede das Land heimsuchende Plage jenem vor beinahe 600 Jahren ausge¬ sprochenen Fluche ihres bischöflichen Oberhirten zuzuschrei¬ ben geneigt ist. Das Jahr darauf versuchte es Raimund, der Krieg¬ führung mehr Nachdruck zu geben. Die Häfen des Patri¬ archats wurden den Venetianern verschlossen, die Trevisaner zu ähnlichen Maßregeln bewogen, durch das Parlament ver¬ schiedene den Krieg fördernde Beschlüsse gefaßt und neue Steuern ausgeschrieben. Der Patriarch verband sich mit Albrecht, Triest und Muggia zu einem Angriffe auf Capo- distria, das er zwar in seine Gewalt brachte, aber bald nachher wieder an die Venetianer verlor, denen sich auch das benachbarte Pirano ergeben mußte. Im Monate Juli versammelte sich von neuem das Parlament in Cividale, um weitere Mittel zum Kriege zu bewilligen. Es faßte die be¬ züglichen Beschlüsse durch einen bevollmächtigten Ausschuß von 24 Mitgliedern, von welchen je sechs durch die in ihrer Vereinigung das Parlament bildenden Gruppen der Geist¬ lichen, freien Edlen, Ministerialen und Städte-Abgeordneten gewählt worden waren. Da der Chronist diese späterhin immer beobachtete Erledigungsweise nur bei diesem Anlasse ausdrücklich bemerkt, darf man wohl annehmen, daß sie in diesem Falle das erste Mal zur Anwendung kam. Aus den nächsten Jahren haben wir keine irgendwie erwähnenswerthen kriegerischen Ereignisse zu berichten, da¬ gegen eine im März 1285 abgeschlossene und im darauf¬ folgenden Monate Januar durch ei« weiteres Uebereinkom- Aquileja. s 114 men in ihren Bestimmungen ergänzte Waffenruhe, an deren Stelle nach zweijähriger Dauer neue Fehden traten. Wahrscheinlich bei Gelegenheit einer um Allerheiligen des Jahres 1285 in Cividale abgehaltenen Versammlung, der nebst Albrecht und Gerhard von Camino mehrere Bi¬ schöfe und viele Herren Friauls beiwohnten, wurde das gegen Venedig gerichtete Bündniß des Patriarchen mit dem Grafen enger geknüpft, obgleich die bei jeder noch so gering¬ fügigen Veranlassung zu Tage tretende, zwischen beiden waltende gereizte Stimmung sich auch damals äußerte. Auf einer unweit der Stadt gelegenen Wiese ertheilte Albrecht nämlich Johann von Zuccola und Franz von Orzon in heraussordernder Weise den Ritterschlag, nachdem Rai¬ mund wegen der Betheiligung an dem im vorigen Jahre ver¬ übten Morde seines Seneschalls ihnen die gleiche Gunst ver¬ sagt hatte. Durch die gänzliche Erfolglosigkeit des Kampfes um Mailand zum Aufgeben desselben veranlaßt, konnte Rai¬ mund nunmehr seine Anstrengungen gegen Venedig verdop¬ peln. Der Sommer des Jahres 1287 wurde zu einem durch umfassende Vorbereitungen, denen ein zweiter im Laufe des vorhergehenden Jahres König Rudolf in Deutschland abge¬ statteter Besuch des Patriarchen beizuzählen fein dürfte, wohl eingeleiteten Zuge nach Istrien benützt, der indeß in feinen Resultaten weit hinter den gehegten Erwartungen zu- rückblieb. Am 8. Juli brach das patriarchalische Heer von Monfalcone auf, schlug und zerstreute die Haufen Albrechts von Schwarzenegg und Pankraz von Jama, die sich ihm in den Weg gestellt hatten, brach die Burgen dieser meineidi¬ gen Vasallen und drang bis Capodistria vor; da aber des¬ sen Einwohner nicht, wie es von einem derselben in Aus¬ sicht gestellt worden war, etwas für die Uebergabe der Stadt 115 unternahmen, mußte es sich mit der Verwüstung der der¬ selben angehörenden Felder und Weingärten begnügen und war nach vergeblicher Belagerung des Schlosses Mocco (Montecavo), deren Leitung Raimund seinem kriegskundi¬ gen, das Amt eines Markgrafen von Istrien *) bekleidenden Neffen Gottfried anvertraut hatte, schon am 21. Juli wie¬ der in Monfalcone eingetroffen. DieBenetianer beschränkten sich nicht darauf, die Angriffe Raimunds zurückzuweisen, sondern sie berannten in der Zwischenzeit den Ort Marano, verließen ihn jedoch nach der Einnahme wieder aus freien Stücken, nachdem sie ihn geplündert hatten. Das im Okto¬ ber wieder zusammengerufene Parlament berieth über die Mittel, dem Kriege eine glücklichere Wendung zu geben, und gab seine Einwilligung zur Erhebung neuer Steuern. Auch im Jahre 1288 war das Glück dem Patriarchen nicht günstiger. Gleich im Beginne desselben finden wir ihn im Streite mit Meinhard IV., dessen wesentliche bei Ueberwin- dung Ottokars von Böhmen geleistete Dienste König Rudolf durch Verleihung des Herzogthums Kärnthen gelohnt hatte. Dieser bedeutende Machtzuwachs der Görzer Grafen schien eine Zeit lang eine den voraussichtlichen Folgen desselben geradezu entgegengesetzte Wirkung hervorbringen zu sollen, da er die bisher immer einträchtig handelnden Brüder zu entzweien drohte. Meinhard hatte nämlich an seinen Bru¬ der das Verlangen gestellt, von ihm als dem nunmehrigen Herzoge von Kärnthen das dortige Pfalzgrafenamt zu Lehen zu nehmen, während Albrecht sich lange diesem Ansinnen hartnäckig widersetzte und erst auf Hugo's von Tybein und *) So wurden die Verweser der Patriarchen genannt, welche Istrien in deren Namen verwalteten und ihren Sitz abwechselnd in den Schlössern von Albona und kietrn pslosg, hatten. 8» 116 Julians von Seeburg, der gemeinschaftlichen Freunde, drin¬ gendes Zureden dazu verstand. Auch mit dem Patriarchen gab es für Meinhard, der mit Tirol vollauf beschäftigt den friaulischen Angelegenhei¬ ten bisher ferne geblieben war, seit der Erwerbung Kürn- thens Anlässe zu ernsteren Meinungsverschiedenheiten. Rai¬ mund begehrte vom Nachfolger Ulrichs III. die Schlösser Laibach und Nascenvuaz (Nassensuß), welche Aquileja, das erstere durch Schenkung, das zweite pfandweise von dem letzten Kärnthnerherzoge erworben hatte, ferner die Vesten Lichtemberg, Weldheneck und Nideck, sowie den Zehent in Creyla (Crauglio), Alba Ecclesia und Treven, welches alles Ulrich unrechtmäßiger Weise besessen haben sollte und end¬ lich die Zahlung von 2000 Veroneser Pfunden Schaden¬ ersatz, zu welcher sich derselbe verpflichtet hatte. Meinhard wies die Erfüllung dieser am 17. Februar zu Cividale in öffentlicher Versammlung an ihn gestellten Forderungen ohne alle Umschweife zurück und erwiederte schlagfertig, Laibach, das er vom Könige habe, könne er ohne dessen Vorwiffen niemandem anderen ausliefern; Lichtemberg, Weldheneck und Nideck, welche Orte er dem widerrechtlichen Besitzer Berthold von Sarphimberg (Schärsfenberg) für den Patriarchen ab¬ genommen, fei er gerne bereit, demselben zurückzustellen, falls auch die bei deren Uebergabe eingegangene Bedingung, daß Berthold von Raimund wieder in Gnaden ausgenom¬ men werde, zur Erfüllung käme. Ob Ulrich einiges wirklich unrechtmäßig besessen, wisse er nicht und müsse er sich daher die Entscheidung in Betreff dieses Punktes bis nach darüber gepflogener Untersuchung offen halten. Bezüglich des letzten Ansinnens aber verpflichte er sich anstatt der 2000 Verone¬ ser Pfunde 4000 Mark — den achtfachen Betrag — dem Patriarchen zu zahlen, wenn dieser ihm das gesammte Erbe 117 des Herzogs Ulrich verschaffen könne und wolle. Diese un¬ gelösten Streitfragen führten übrigens offenbar kein tieferes Zerwürfniß herbei, da uns berichtet wird, daß der Patriarch schon am zweitfolgenden Tage nach jener Unterredung Mein¬ hard mit dem von diesem um 1500 Mark gekauften Ven- zone belehnte und dadurch denselben Albrecht gegenüber be¬ vorzugte, indem dieser Kauf bereits früher von letzterem abgeschlossen und der verweigerten oberlehensherrlicheu Be¬ stätigung wegen wieder rückgängig gemacht worden war. Darüber gereizt, ließ sich Albrecht durch die Rückgabe S. Lorenzo's von Seite der Venetianer ohne Mühe bestim¬ men, in diesem Jahre in Istrien eine strenge Neutralität zu beobachten, welche für die Republik von um so höherem Werthe sein mußte, als Capodistria, den derselben geleiste¬ ten Schwur vergessend, sich gegen die Herrschaft Venedigs erhoben und noch andere istrische Städte zum Abfalle ver¬ leitet hatte. Mit gewohnter Raschheit ergriffen die Venetianer die wirksamsten Gegenmaßregeln. Sie entsendeten überlegene Streitkräfte, welche Capodistria, Jsola und Parenzo zu Land und zur See bedrängten und zur Unterwerfung zwangen. Unter Marino's Morosini Führung erschienen sie hierauf vor Triest, das nach einem am Timavo blutig zurückge¬ schlagenen Ausfälle der Bürgerschaft enge eingeschlossen wurde. Schloß und Ort Muggia, die gleichzeitig belagert wurden, fielen alsbald in die Gewalt des Feindes; die Triestiner aber widerstanden — wie bei früheren und späte¬ ren ähnlichen Anlässen — mit rühmenswerlher Tapferkeit und Ausdauer ^s. *') Die Wahrheit, dass eine Verbindung mit den Nachbarn jen¬ seits der Adria den Verfall ihrer unter solchen Umständen zur aller¬ letzten unter den italienischen Städten herabsinkenden Vaterstadt unfehlbar 118 Durch die Erfolge der Venerianer aufgeschreckt und schon durch die Rücksicht auf sein eigenes Interesse angewie¬ sen, Triest, seiner treuesten Bundesgenossin, Hilfe zu brin¬ gen, traf Raimund alle Anstalten, um im künftigen Früh¬ jahre den Feldzug mit einem starken, wohl gerüsteten Heere eröffnen zu können. Das im Monate November versam¬ melte Parlament ermächtigte ihn, zu diesem Behufe von jedem Manso (ein Feldmaß), von jedem Mühlrade und von jeder Mark beweglichen Vermögens für Kriegszwecke 7 So¬ lidi an Steuern zu erheben * *). Die größtmögliche Zahl an zur Folge hatte, während dieselbe alles Heil von dem innigen Zu¬ sammenhänge mit ihrem Hinterlande zu erwarten berechtigt ist, mochte in jener Zeit schon den Bewohnern Triests, wenn auch noch dunkel, vorgeschwebt haben. Diese Ueberzeugung verlieh ihnen damals die Kraft, der Erhaltung ihrer Selbstständigkeit die größten Opfer zu bringen, und führte sie endlich, da ihr Widerwille gegen Venedig in demselben Maße stieg, in welchem dort das Verlangen nach dem Be¬ sitze der Rivalin (um sie zu verderben) heftiger wurde, nach den Er¬ fahrungen noch eines Jahrhunderts Rettung suchend den Habsburgern in die Arme. *) Wenn wir die im Jahre 1310 vom Patriarchen Ottobuono zur Bestreitung der durch die Reise zum Concile von Vienne bedingten Auslagen geforderten 8 Denare von jeder Feuerstelle und jedem Mühl¬ rade ebenfalls in Betracht ziehen, so finden wir während der Epoche, mit welcher wir uns beschäftigen, in Friaul bereits vier verschiedene Formen der directen Besteuerung in Uebung, nämlich Haus-, Grund-, Gewerb- und Vermögenssteuer. Letztere würde uns einen ungefähren Maßstab zur Beurtheilung der Höhe der Steuern überhaupt an die Hand geben, wenn es möglich wäre, den damals üblichen Zinsfuß auch nur annähernd zu bestimmen. Wir müßten eine sich auf 7 Solidi belaufende Abgabe von jeder 170 Solidi enthaltenden Mark des Ver¬ mögens für nicht unbeträchtlich und nach einem ganz modernen Steuer¬ ausmaße bemessen erklären, wäre es uns nicht bekannt, daß, obgleich das Zinsennehmeu überhaupt und namentlich von den Kircheugesetzen grundsätzlich verdammt, wie auch mit strengen Strafen belegt, es doch nichr ungewöhnlich war, für geborgtes Geld die Zahlung von 30- bis LOprocentigen Interessen zu bedingen. Ja, die toscanischen Wucherer, welche die meisten Geldgeschäfte vermittelten, forderten nicht selten 60 und 63 vom Hundert, sie machten sich aber dadurch so verhaßt, daß Raimund im Jahre 1L98 alle Toscaner aus dem Lande wies und 119 Mannschaften wurde aufgeboten, indem die Bevölkerung der Städte und Burgen für je sechs, jene der Dörfer aber für je zehn in dem Alter zwischen 18 und 70 Jahren ste¬ hende Männer einen bewaffneten Fußgänger stellen mußte. Endlich wurden auch Albrecht und Meinhard an ihre Vasal¬ lenpflicht gemahnt"). ihr Name in manchen Gegenden Friauls noch heutigen Tages als ein Schimpf gilt. Wir bemerken übrigens, daß Raimund im Jahre 1283 von jedem Manso 20 und im Jahre 1287 von jedem Manso und jedem Mühlrade gar 22 Solidi des Krieges wegen hatte einheben lassen. Zu den fiscalischen Einnahmsquellen des Patriarchen gehörten ferner die Veränderungen oder vielmehr Verschlechterungen der Patriar¬ chalischen Münzen, welche wir in den Jahren 1277, 1281 und 1287, also stets unmittelbar vor größeren kriegerischen Unternehmungen ver¬ zeichnet finden. Die ersten unter Raimund geprägten neuen Münzen waren am 23. November 1274 in Umlauf gesetzt worden. Die gesummten Einkünfte des Patriarchates betrugen übrigens nach der Schätzung des Notars Benvenuto Missitini zu Ende des Llll. Jahrhunderts 1200 Mark. *) Das auf diese Weise zu Stande gebrachte patriarchalische Heer soll nach des Domherrn Julian Chronik 35.000 Streiter gezählt haben. Uns erscheint selbst die weit bescheidenere Angabe von 36.000 Mann noch immer übertrieben. Wir haben zwar in Betreff dieses Gegenstandes keine gleichzeitigen bestimmteren Nachrichten, aber aus einem um weniges späteren Zeiträume besitzen wir Urkunden, welche uns über die Menge in Friaul für einen Krieg verfügbarer waffen¬ fähiger Mannschaft Aufschluß geben. Das Parlament verordnete im Jahre 1327, daß die ganze friaulische Miliz alljährlich am Feste Mariä Reinigung auf den Feldern von Campofoimido gemustert werden solle, indem es zugleich der Geistlichkeit, den Castellanen und Stadtgemeiuden des dem Patriarchen unmittelbar unterstehenden Ge¬ bietes zusammen die auf die einzelnen Verpflichteten genau vertheilte Beistellung von 406 Reitern und 119 Armbrustschützen auferlegte, und im folgenden Jahre ermittelte es die Zahl der „Oseennae^ des Land¬ volkes, aus deren jeder in der Regel ein Mann, im Nothfalle aber zwei Mann ausgehoben wurden, und setzte sie mit 2015'/^ fest, was 2015 oder höchstens 4031 Fußknechte und sogar mit Hinzurechnung der Reiter und Schützen nicht einmal 5000 Mann gibt. Es hätten also die Hilfsvölker aus Kärnthen, Kram, Istrien n. s. w. 30.000 bis 30.000 Mann betragen müssen! 120 Als mm Albrecht im März des Jahres 1289 von Kärnthen kommend mit seinen und seines Bruders Mann¬ schaften gegen die Ebene hinabzog, bedurfte es der versöhn¬ lichsten Stimmung von Seite Raimunds, um nicht neuer¬ dings mii dem Grafen in Streit zu gerathen, da Albrechts Leute sich allerlei Unordnungen zu Schulden kommen ließen. So steckten sie zum Beispiele Tricesimo am 14. März aus bloßem Muthwillen in Brand und Albrecht selber besetzte später eigenmächtig Cervignano, das umliegende Land und selbst Aquileja unter dem Vorwande brandschatzend, daß die Erhaltung und Beherbergung der im Dienste des Patriarchen stehenden Leute ausschließlich dessen Gebiete zur Last fallen müßten. Raimund ließ sich, kluger Weise die Hauptsache un¬ verwandt im Auge behaltend, durch diese verhältnißmäßig untergeordneten Vorfälle nicht irre machen und fühlte sich wohl zufrieden gestellt, daß Albrecht mit seiner nicht unbe¬ deutenden Macht zu ihm stieß, als er am Tage des h. Mar¬ cus, des gemeinsamen Schirmheiligen, dessen Schutz die Aquilejeser so gut wie die Veuetianer bei ihren Kriegszügeu anzurufen pflegten, von Aqnileja herkommend in Monfal- cone anlangte. Nach feierlichem in des Patriarchen Namen durch Al¬ brecht mehreren Edlen ertheilten Ritterschläge und nachdem das Heer in Haufen getheilt und über jeden ein Befehls Haber gesetzt worden war, rückte es zum Entsätze von Triest vor. Die vereinzelnten Kämpfe mit den Venetianern blieben aber unentschieden, und als Albrecht eines Tages plötzlich verschwunden war, zog sich Raimund, Verrath besorgend, am 6. Mai nothgedrungen zurück. Zeitgenossen beschuldigen Albrecht, daß er durch ein Geschenk der Venetianer von 20.000 Goldgulden bestochen, sich dieser unrühmlichen Hand¬ lungsweise schuldig gemacht habe, und fügen durch die so 121 rasch auf dem Fuße folgende Vergeltung befriedigt, hin¬ zu, daß sich das für den Treubruch erhaltene Geld als gefälscht erwiesen hätte *). Vielleicht ist dies nur ein Ver¬ such , einen Beweggrund für das sonst ganz unbegreifliche Benehmen des Grafen aufzustnden, welcher doch wieder am 13. desselben Monats bei einem Colloquium in Cividale zugegen war, wo in Gegenwart Brissa's di Toppo, des Bischofs von Triest, die Art und Weise berathen wurde, in welcher jener Stadt, in der die Bedrängniß auf das höchste gestiegen war, geholfen werden könnte. Am 7. Juni befand sich Raimund mit seinem Heere und dem Kriegsvolke der Grafen von Görz, welches diesmal Albrechts Sohn Heinrich II. anführte, wieder in Monfal- cone und zehn Tage später räumten die Benetianer, bei Annäherung desselben von plötzlichem Schrecken ergriffen, in Eile und Unordnung ihr wohlbefestigtes Lager, welchem sie im Laufe ihrer langen Anwesenheit ein städtisches Aussehen gegeben und Terra di Romagna genannt hatten. Dieser leicht errungene Sieg hatte die alsogleiche Besetzung Mug- gia's durch das patriarchalische Heer im Gefolge; die Mauern Capodistria's jedoch, an welchen wieder alle An¬ griffe scheiterten, hemmten seine weiteren Fortschritte. Die Triestiner hatten sich mittlerweile nicht unthätig der Freude über ihre Befreiung hingegeben, sondern ihre Schiffe bestiegen und, ihren abziehendenFeinden nacheilend, um für die viele erlittene Unbill Rache zu suchen, deren eigenes Gebiet sengend und plündernd betreten. Bei diesem Zuge, der sich sogar bis nach Malamocco in Venedigs nächste *) In Berichten über Begebenheiten des Mittelalters treten ähnliche meist unbegründete Erzählungen wiederholt auf. 122 Nähe erstreckt hatte, war Caproli (Caorle) am härtesten mitgenommen worden. Die von allen Betheiligten angerufene Vermittlung des Papstes Nicolaus IV. machte endlich den Feindseligkei¬ ten ein Ende. Bischof Bernhard von Tripolis forderte im päpstlichen Auftrage Raimund auf, mit der Republik einen zweijährigen Waffenstillstand einzugehen und gab am 2. No¬ vember die Bedingungen bekannt, unter welchen ein für beide Theile annehmbarer Friede geschlossen werden könnte. Der Abschluß desselben verzögerte sich aber noch durch zwei volle Jahre bis zum 11. November 1291, an welchem Tage dessen feierliche Verkündigung erfolgte. Es sollten, seinen Bestimmungen zufolge, Muggia und Mocco, ersteres dem Patriarchen, letzteres den Triestinern zurückerstattet, die Häfen dem Handel wieder geöffnet, alle alten Verträge er¬ neuert, die Eingekerkerten entlassen und die des Landes Verwiesenen wieder ausgenommen werden, wenn sie binnen einem Monate zurückkehren und Treue schwören wollten. Die von den Venetianern in Istrien besetzten Landstriche verblieben denselben bis zur Entscheidung des Papstes, wel¬ cher späterhin dem Patriarchen zur Entschädigung dafür eine jährliche Abgabe von 1068 Dukaten zuerkannte. Triest bewahrte dem Patriarchen wie auch dem Grafen Albrecht von Görz für die wiederholt gewährte Hilfe auf¬ richtige Dankbarkeit und legte sie durch die Uebertragung des Podestn-Amtes an Angehörige seiner Befreier an den Tag. Im Jahre 1292 fiel die bezügliche Wahl auf Al¬ brechts Sohn Heinrich, im nächstfolgenden auf Mosca della Torre und im Jahre 1296 abermals auf einen Neffen des Patriarchen, auf Heinrich della Torre. Ebenso dürfte der Bischof von Triest nur von dem Bestreben, einen Theil der Dankesschuld an Raimund abzutragen, geleitet gewesen 123 sein, als er am 13. Februar 1296 den für letzteren gewiß vortheilhaften Tausch einging, durch welchen er dem Pa¬ triarchen gegen Abtretung der Hälfte des Ortes Mnggia die Pfarre S. Cantian am Jsonzo überließ. In dem, dem Friedensschlüsse unmittelbar vorherge¬ henden Jahre hatte der Bußeifer der Flagellanten Friaul er¬ griffen. Im Frühlinge 1290 waren zuerst in Cividale ein¬ zelne Personen aufgetreten, welche sich zur Sühne für die allgemeine Sündhaftigkeit die strengsten Bußübungen auser¬ legten. Während Frauen und auch Männer, die das Auf¬ sehen vermeiden wollten, sich Nachts in den Kirchen geißel¬ ten, zogen andere barfuß und mit entblößtem Oberleibe im Lande umher, durch Wort und Beispiel zur Nachahmung ermunternd. Der Dekan Asquinus von Aquileja führte eine solche Schaar, welche am Andreastage in Cividale einzog, sich dort acht Tage lang aufhielt und nachdem sich ihr 50 Personen jener Stadt angeschlossen hatten, ihre Wande¬ rungen fortsetzte. Diese schwärmerische, ursprünglich tief religiöse Be¬ wegung, welche der Reihe nach beinahe alle Theile Mittel- europa's erfaßte, hatte sich bekannter Weise schon im Jahre 1260 nach einigen zu Perugia an den Visionen eines Kin¬ des oder eines Einsiedlers, nach anderen an der unmensch¬ lichen Rache entzündet, welche von dem Volke von Treviso an Alberich von Romano und seiner schuldlosen Familie ge¬ nommen worden war. Da man füglich nicht annehmen kann, daß sie dreißig Jahre gebraucht habe, um von ihrem Ent¬ stehungsorte sich nach Friaul fortzupflanzen, so dürfte man kaum mit der Behauptung irre gehen, daß sie hier im Jahre 1290 erst durch die von Papst Nicolaus IV. in Anbetracht der Ptolemais, dem letzten Bollwerke der Christen in Palä- 124 stina drohenden Gefahren, wie allerwärts, auch im Patriar¬ chate angeordneten, den Sinn für Religiosität weckenden, aber keine weiteren Erfolge mehr erzielenden Kreuzpredigten zum Ausbruche kam. Die verschiedenartigen Ausschreitungen, welche sich die Geißler zu Schulden kommen ließen, riefen indeß Verbote der geistlichen und weltlichen Obrigkeiten, ja selbst den Unwillen des Volkes hervor, so daß bei dem Ein¬ tritte der auf jede heftige Erregung naturgemäß folgenden Abspannung der Gemüther, diese merkwürdige Erscheinung ein verhältnißmäßig schnelles Ende nahm. Während der langjährige Krieg mit Venedig zu Ende ging wäre Raimund beinahe mit Albrecht I. von Oesterreich und dessen Verbündeten Meinhard von Kärnthen in Fehde gerathen. Die gegen Albrecht empörten steierischen Herren hatten eine Stütze an Erzbischof Konrad von Salzburg ge¬ funden, den der österreichische Herzog durch Anmaßung der Vogtei über Admvnd und Rastadt am Tauern, so wie durch verschiedene die Einkünfte des Erzbisthums schmälernde Maßregeln gereizt hatte. Raimund wurde aus verschiedenen Ursachen mit in diese Angelegenheit verwickelt. Erstens hatte er ebenfalls einige Veranlassung zu Klagen gegen Albrecht; außerdem war Konrad sein natürlicher Bundesgenosse aus dem Grunde, weil der Patriarch, vom Papste aus Viterbo am 10. November 1291 beauftragt, in der strittigen Wahl des Capitels von Salzburg zu entscheiden, dies zu Konrads Gunsten gethan hatte. Endlich mußte Albrechts Verbindung mit Meinhard, dem alten Widersacher Aquileja's, dieses in das entgegengesetzte Lager treiben. Obgleich sowohl Konrad als auch Ulrich von Heunburg am 14. August 1292 sich urkundlich als Raimunds Verbündete erklärten, blieb dieser der mit den Waffen in der Hand unternommenen Austragung des Streites und damit den Folgen ferne, welche durch 125 Albrechts Glück und entschlossenes Handeln Konrad und namentlich dem Heunburger daraus erwuchsen. Raimund wußte die Ruhe, welche ihm ein günstiges Geschick vergönnen zu wollen schien, nicht zu schätzen; der ererbte kriegerische Sinn seines Hauses war durch seine geistliche Würde nicht unterdrückt, kaum gemäßigt worden; sein rastlos arbeitender, vom Ehrgeize gestachelter Geist drängte ihn immer wieder zu neuen Unternehmungen. Den Verlust Mailands hatte er noch nicht verschmerzen gelernt, und so benützte er denn die Muße, welche er den im Augen¬ blicke in seiner nächsten Nähe stiller sich gestaltenden politischen Verhältnissen abgewann, dazu, seine Thätigkeit neuerdings der Wiedererwerbung seiner Vaterstadt zuzuwenden. Der dortige Stand der Dinge ließ ihn allerdings etwaige darauf gerichtete Bemühungen nicht ganz aussichtslos erscheinen, besonders seit Crema und Lodi sich gegen die Herrschaft der Visconti erhoben und die Torriani herbeigerufen hatten (1294). Diesem Rufe folgend brach Raimund ohne Verzug mit einem Heere auf, begab sich über Padua, wo es ihm gelang, den zur Schwächung der ganzen guelfischen Partei beitragenden Streit zwischen den Brüdern Azzo VIII. und Aldobrandino von Este und ihrem beiderseitigen Anhänge noch im Keime zu ersticken, in die Lombardie und unterstützte jene beiden Städte so nachdrücklich, daß alle auf ihre Be¬ zwingung abzielenden Entwürfe Matteo's Visconti scheiterten. Allein ebenso wenig wollte es den Torriani, denen sich auch unzufriedene Adelige aus Mailand angeschlossen hatten, irgendwie gelingen, einen nachhaltigen Erfolg davon zu tragen, worauf der im September des folgenden Jahres zwischen Mailand und Lodi geschlossene Friede ihren Bestre¬ bungen wieder allen Boden entzog. 126 Mittlerweile war Friaul dem jeder Ordnung hohn- sprechenden wüsten Treiben seiner unbotmäßigen Adeligen ohne genügenden Schutz preisgegeben. Wir finden nur zu zahlreiche Beweise dafür. Im Jahre 1281 hatten Mein¬ hard IV. und Gerhard von Camino bei Gelegenheit ihrer Vermittlung zwischen dem Patriarchen und dem Grafen Albrecht Hugo von Tybein ermahnen müssen, die von Mon- falcone an seinem Schlosse vorbei nach Triest ziehenden Kaufleute ungekränkt zu lassen. Im Jahre 1289 war Leon¬ hard von Savorgnano durch Glieder seines eigenen und des Geschlechtes der Cncanea ermordet worden, und hatte man auch bisher immer noch das Rachegefühl seiner nächsten An¬ gehörigen und Freunde zu beschwichtigen vermocht, so war doch ein plötzlicher Ausbruch desselben jederzeit zu befürchten. Auch die Häuser Manzano und Gramogliano standen sich feindlich gegenüber. Bei der Menge des solchergestalt ange¬ häuften Zündstoffes bedurfte es nur eines kleinen Funkens, um einen gewaltigen Brand anzufachen. Er kam von Seite zweier Brüder aus einer stets auf das übermüthigste auf¬ tretenden Familie. Matthäus und Johann von Villalta ver¬ fielen im Jahre 1293 in Folge der unternommenen Raub¬ züge in Raimunds Acht und verwickelten Gemona, das sie ausgenommen hatte, und die von Prampergo mit in ihr Geschick. Die Geächteten leisteten Widerstand und griffen sogar das Schloß des Patriarchen in Gemona an, zuversicht¬ lich darauf rechnend, viele Anhänger zu finden. Denn, wenn es galt der Patriarchalischen Oberhoheit Trotz zu bieten, da wurden diese sonst so unverträglichen Edlen rasch einig; da gingen sie so weit, untereinander und mit den allmälig eben¬ falls nach Unabhängigkeit strebenden Städten, Cividale, die historische Capitale voran, förmliche Bündnisse zur Abwehr jeder landesherrlichen Einmengung zu schließen, beschworen 127 aber auch dadurch Katastrophen herauf, wie jene, welche das endlich zur Selbsthilfe getriebene Volk von Artegna im Jahre 1299 seinen ihre Rechte mißbrauchenden Herren bereitete, indem es die Burg Artegna dem Erdboden gleich machte und mit allen Bewohnern derselben die darnach benannte Familie selbst dem gänzlichen Untergange weihte. Durch die Nachgiebigkeit des Patriarchen, welche im Sommer 1293 zu einem Vergleiche führte, wäre in Friaul wieder Ruhe eingekehrt, hätte nicht der Tod Walter Bertholds von Spilimbergo, auf dessen Erbe Artvico da Castello und Johann von Zuccula gleiche Ansprüche erhoben, neuen Samen der Zwietracht ausgestreut und das ganze Land bei¬ nahe wieder wie zu Anfang des Jahrhunderts in den Tagen Bertholds von Andechs in zwei große Parteien geschieden. Zuccula, der angegriffene Theil, fand Unterstützung bei den Herren von Villalta, Prata, Reiffenberg, Prampergo und Portis, sowie bei der Stadt Triest, welche ihm 200 Söldner zur Verfügung stellte. Mit seinen Gegnern hielten es dagegen die Herren von Varmo, Cucanea, Pulcinico, Rivarotta und der mächtige Gerhard von Camino. Nachdem im November 1294 die ersten Feindseligkeiten vorgefallen waren, kam am Tage vor Georgi des nächsten Jahres zu Cormvns in Raimunds und Gerhards Gegenwart ein gür- licher Ausgleich zu Stande, der den Verwüstungen des Lan¬ des und mindestens scheinbar auch jedem Unfrieden ein Ziel fetzte. Nebenbei hatte Raimund immer noch so häufig wie ehe¬ dem Zwist und Hader mit den Görzern, nur mit dem ein¬ zigen Unterschiede, daß an des bejahrten Albrecht Stelle dessen älterer Sohn Heinrich die von jenem ersonnenen An¬ schläge auszuführen bekam, und daß Gerhard als Verbün¬ deter des Grafen meistens im Westen des Patriarchates des¬ sen Grenzen bedrohte, wenn Albrecht im Osten drängte. 128 So lesen wir, daß Heinrich im Jahre 1292 bei Bel¬ grade die Leute des Patriarchen überfiel, ohne daß uns Veranlassung oder Ergebniß dieses gewaltsamen Vorgehens näher bekannt wäre. Raimunds Zug nach der Lombardie und die heimischen Verlegenheiten der Jahre 1294 und 95 blieben nicht unausgenützt und trugen Albrecht in Istrien den dem Patriarchen entrissenen Besitz von Albona, Fianona und Pinguente ein (1295). Der zu Ende des Jahres 1295 zwischen den Kriegführenden geschlossene Friede, in welchen auch Gerhard nach Zurückstellung des widerrechtlich besetzten Sacile an die Kirche von Aquileja eingeschlossen wurde, hin¬ derte nicht, daß Heinrich im Jahre 1297 den Patriarchen neuerdings befehdete. Diesmal scheint die Versöhnung bald erfolgt zu sein, da Heinrich nebst anderen deutschen und friaulischen Herren im December desselben Jahres von Raimund persönlich zum Ritter geschlagen wurde. Wir meinen, daß dies aus Anlaß des verwandtschaftlichen Ver¬ hältnisses geschah, in welches Heinrich eben damals zu Rai¬ mund trat, indem er sich mit einer Schwester der von Dante ob ihrer Schönheit und Sittenreinheit besungenen Gaja, mit Beatrix, der Tochter Gerhards von Camino und der Clara della Torre vermählte. Die Aeußerungen von Al¬ brechts feindseliger Gesinnung, welche Raimunds Regierung vom ersten Anbeginne an unablässig begleiteten, sollten die¬ selbe bis zu ihren letzten Augenblicken verbittern. Kurz vor deren Ende, am 21. Jänner 1299, fiel das Schloß Tol- mein, dessen Besitz jederzeit von den Görzern angestrebt worden war, durch einen eben so schlau angelegten als glück¬ lich ausgeführten Ueberfall in des Grafen Gewalt und gleich¬ zeitig mußte Wolfger von Auersperg, Albrechts Hauptmann in Belgrads, auf dessen Befehl, um die Aufmerksamkeit von der Unternehmung gegen Tolmein vielleicht abzulenken, einen 129 Ausfall machen, mehrere Ortschaften niederbrennen und zum Schluffe die zur Feier der Vermählung Amorosen's von Barmv mit Heinrich von Attimis in Varmo versammelten Gäste überrumpeln und gefangen nehmen. Beinahe ausschließlich sind es nur Kämpfe, über die wir aus der langen Zeit, während welcher Raimund den Patriarchenstuhl einnahm, zu berichten haben. Von einer- friedlichen Thätigkeit ist uns nur wenig bekannt und dieses Wenige verdient kaum eine Erwähnung. Hieher gehört zum Beispiele, daß er Tolmezzo, den Hauptort Carniens, des friaulischen Gebirgslandes, mit Manern umgab, daß er den Palast des Patriarchen Poppo in Aquileja durch einen präch¬ tigen Zubau vergrößerte und verschönerte oder endlich die mit der größten Feierlichkeit vorgenommene Gründung eines Marktfleckens bei Gemona, welchen er Borgo Milano di Raimondo genannt wissen wollte, wobei er aber seine Ab¬ sicht so wenig erreichte, wie in so vielen anderen größeren Dingen. Dieser Ort hörte nicht allein niemals auf, seinen alten Namen Ospedaletto fortzuführen, sondern er nahm auch nicht den Aufschwung, welchen der Patriarch ihm im Geiste wohl zngedacht hatte. Wenn wir noch anführen, daß Raimund sich das Capitel von Cividale im Jahre 1297 durch die Zurückgabe der Pfarre Tolmein verpflichtete*), welche Patriarch Gregor eigenmächtig in Besitz genommen hatte, so glauben wir, das Wirken dieses Patriarchen in dieser Richtung vollends erschöpft zu haben. Von mehr Jn- Während das Schloß Tolmein mit allen daran hastenden Rechten dem Patriarchen zustand, gehörte die Pfarre und der Ort nebst deren Einkünften dem Capitel von Cividale. Ueberhaupt muß man in damaliger Zeit die Veste (Castello oder bezeichnender Rocca), den Hof (Villa) und den Ort (Terra auch Pieve) stets wohl unter¬ scheiden, da sie bei gleichen Namen häufig verschiedene Besitzer hatten. Aquileja. 9 130 teresse, für den Culturhistoriker wenigstens, ist vielleicht der Umstand, daß sich Raimund an dramatischen Darstellungen testamentarischer Stoffe, zu welchen sein Klerus die Schau¬ spieler lieferte, erheiterte*). Zum Schluffe müssen wir noch eine Thatsache herfetzen, welche zugleich mit den Nach¬ richten über Sonnenfinsterniß, Hungersnot!) u. dgl. auf uns gekommen ist, nämlich, daß unter dieses Patriarchen Re¬ gierung die Straßen von Cividale ein Pflaster erhielten**). Am 23. Februar 1299 schied Raimund zu Udine aus diesem Lebe», welches für ihn mehr getäuschte Hoff¬ nungen und verfehlte Ziele enthielt, als es sein ehren¬ hafter, ritterlicher und bei aller Hinneigung zu kriegerischen Thaten doch frommer und selbst versöhnlicher Charakter ver¬ dient hätte. Der mächtige Sarkophag aus rothem Veroneser Marmor, der seine Leiche einschließt, zeigt uns auf dem Deckel in erhabener Arbeit seine ganze Gestalt in vollem Ornate, einen sich windenden Drachen zu den Füßen und zu beiden Seiten des Kopfes Engel mit Rauchfässern in den Händen, im Begriffe ihn einzufegnen. Den Tod seines glücklicheren Gegners Otto Visconti (st 1295) hatte Raimund wohl erlebt, nicht mehr aber die *) Die hier erwähnten Schauspiele (Passionsspiele, „l-näi Oliristi^ oder „I^rMi wie sie die Chronik des Domherrn Jnlian nennt), kamen zu Pfingsten des Jahres 1298 im patriarchalischen Pal aste zur Ausführung. Es werden deren im Jahre 1304 wieder erwähnt, bei welchen sich Patriarch Ottobuono mit vielen geistlichen und welt¬ lichen Herren unter den Zusehern befand. Sie währten drei Tage, singen mit der Erschaffung des ersten Mcnschenpaares an und schlossen erst mit dem jüngsten Gerichte. Der Chronist verzeichnet gewissenhaft Montag den i 3. August den Tag, an welchem diese Arbeit begonnen wurde und läßt dadurch auf die Wichtigkeit schließen, die man derselben beilegte. 131 ersten Unfälle des schon bei Otto's Lebzeiten mit der welt¬ lichen Gewalt bekleideten Reffen Matteo, von dessen Herr¬ schaft Novara, Vercelli und Casale sich im Laufe des Jahres 1299 lossagten. Diese Städte fanden eine so nachdrück¬ liche Unterstützung an Johann von Montserrat, der sie zur Empörung verleitet hatte, an Azzo VIII. von Este, wie auch an Bergamo, Ferrara und Cremona, daß der kluge Matteo sich beeilte, mit ihnen Frieden zu schließen. In den folgenden Jahren steigerte derselbe noch sein Ansehen durch die mit unerhörtem Glanze gefeierte Vermählung seines Soh¬ nes Galeazzo mit Azzo's Schwester Beatrix (1300) und seine Macht durch die Signorie in Bergamo, welche ihm die Coleoni und Suardi für die bei Vertreibung der Gegenpar¬ tei geleistete Hilfe übertragen hatten (1301). Allein gerade diese neue Erwerbung und noch mehr die Besorgniß, daß den vereinigten Kräften der Este und Visconti die Unter¬ jochung der ganzen Lombardie gelingen könnte, erweckte die Besorgniß der in ihrer Sicherheit bedrohten Nachbarn, welche sich mit alten und neuen Feinden Matteo's zu dessen Sturze verbanden. An der Spitze des Bündnisses, welchem sich auch Matteo's Onkel Peter mit anderen Verwandten insgeheim anschloß, befand sich Albert Scotto, Herr von Piacenza, dem Azzo's Schwester früher zum Weibe verspro¬ chen gewesen war. Die Früchte des Sieges, welcher durch einen in Mai¬ land ausgebrochenen Bolksaufstand entschieden wurde, wäh¬ rend Matteo seinen Feinden im offenen Felde gegenüber¬ stand, fielen den della Torre in den Schooß. Matteo stellte sich freiwillig dem Scotto und erklärte sich bereit, diesem die Herrschaft in Mailand abzntreten; allein das Volk ergab sich den della Torre, welche auf die erste Kunde von den in der Lombardie sich vorbereitenden Ereignissen 9* 132 aus Friaul herbeigeeilt uud in der Zwischenzeit in Mailand eingedrungen waren (1302). So vergeblich blieben alle in den nächsten Jahren mehrmals wiederholten Versuche Matteo's, welcher an dem von den Torriani überlisteten Albert einen, wenn auch wenig zuverlässigen, doch unerwarteten Freund gewann, Mailand wieder zu erobern, daß er endlich aus jeden weiteren Kampf verzichtete und sich nach Nogarola bei Mantua zurückzog, wo er in stiller Einsamkeit die Begebenheiten, von denen er sich ferne hielt, fcharf beobachtete und den geahnten Wendepunkt in seinen Geschicken ruhig abwartete. Nach Mosca's und Martins della Torre in einem und demselben Jahre erfolgten Tode (1307) ward Guido*), den man den Reichen nannte, des Hauses nunmehriges Oberhaupt, auf ein Jahr zum Capitän des Volkes gewählt und nach Ablauf desselben als lebenslänglicher Herr von Mailand ausgerufen. Das gleichzeitige Ableben des dortigen Erzbischofs (1308) verschaffte einem Gliede des torrianifchen Hauses jene Würde, welche Raimund zu feiner und seiner Angehörigen tiefen Bekümmerniß unerreichbar gewesen war. Gastone (auch Cassone genannt), Mosca's Sohn, der von Raimund im Jahre 1296 durch Verleihung einer Dom- herrnstelle an der Kirche von Aquileja für den Verlust der nämlichen an dem Mailänder Metropolitancapüel bekleideten Würde entschädigt**) worden und seither zum Dekan von Aquileja vorgerückt war, wurde durch Wahl und nachgefolgte päpstliche Bestätigung auf den erledigten erzbischöflichen Stuhl erhoben. *) Martin war ein Sohn des bei Vaprio im Jahre l28l ge¬ bliebenen Gastone, Guido ein Sohn des bei Desto gefallenen Franz. .**) Zugleich hatte Nappino della Torre eine Stelle am Capitel von Cividale und sein Vetter Claudino die kärnthnerischc Pfarre von S. Michael im Jaunthale erhalten. 133 Das anfänglich gute Einvernehmen zwischen Guido und Gastone erlitt bald eine empfindliche Störung. Guido, welcher in der von des hochangesehenen und einflu߬ reichen Mosca Sohne ausgeübten obersten geistlichen Gewalt eine beständige Gefahr für seine eigene Herrschaft erblickte, beschuldigte Gastone und dessen Brüder, ihm nach dem Leben zu trachten, und ließ sie insgesammt nach dem festen Schlosse Anghiera in Gewahrsam bringen. Der päpst¬ liche Cardinal-Legat that Guido dafür in den Bann und verhängte das Jnterdict über Mailand. Die Freunde des torrianischen Hauses aber kamen von allen Seiten herbei und trachteten, diesen häuslichen Zwist beizulegen, welcher ihnen um so bedenklicher erschien, als die ghibellinische Par¬ tei in der Lombardie das Haupt wieder zu erheben begann, und Piacenza nicht nur Guido den Gehorsam aufgekündigt, sondern auch allen von demselben dawider ergriffenen Ma߬ regeln erfolgreich getrotzt hatte. Den gemeinsamen Bemü¬ hungen, namentlich jenen des Bischofs von Padua, Pagano della Torre, gelang es, am 28. Oktober 1309 einen Ver¬ gleich zu Stande zu bringen, der Gastone und seinen Brü¬ dern zwar die Freiheit zuriickgab, sie aber auch verpflichtete, Mailand zu meiden. Gastone vergaß indeß niemals mehr die ihm ange- thane Unbill und nährte seit jenem Augenblicke unablässig Haß und Groll in seinem Herzen gegen den übermütigen Vetter. In der Hoffnung, ihn gedemüthigt zu sehen, sah er sehnsuchtsvoll dem Kommen König Heinrichs VII. ent¬ gegen, welches von allen Ghibellinen Italiens als die Mor¬ gendämmerung einer besseren Zukunft begrüßt wurde. In der romantischen Schwärmerei für die Wiederherstellung der römischen Kaiserwürde in ihrer ganzen alten Herrlichkeit begeg¬ neten sich übrigens Dante, der größte Ghibelline und einer der 134 größten Geister aller Zeiten, nebst seinen Gesinnungsgenossen, selbst viele Guelfen, welchen die historisch begründete Ober¬ herrschaft des deutschen Königs weniger fremd dünkte, als jene der Anjou oder des in Avignon ganz unter französischem Einflüsse stehenden Papstes und vor allem jener mehr hochherzige als staatskluge und thatkräftige Luxemburger, dem seine leicht erregbare Phantasie die verlockenden Vorbil¬ der der hohenstaufischenFriedriche ohne Unterlaß vorgaukelte. Gastone, der des Königs Römerzug, insoweit es in seiner Macht lag, eifrig betrieben hatte, war einer der ersten, welche ihn diesseits der Alpen, in Asti begrüßten. Dort traf er mit Matteo Visconti zusammen, der sich durch Vermittlung seines vertrauten Freundes Garbagnate die Aufforderung, am Hoflager zu erscheinen, verschafft hatte. Gastone und Matteo, durch den König ausgesöhnt, dran¬ gen nun vereint in denselben, ohne Rücksicht auf die Ab¬ mahnungen der Guelfen, sich nach Mailand zu wenden. Am 23. December 1310 hieltHeknrich daselbst seinen fest¬ lichen Einzug. Treu dem Grundsätze, alle Parteien durch Großmuth zu gewinnen und miteinander zu versöhnen, so wie den Guelfen ein nicht minder gerechter und milder König zu sein als-den Ghibellinen, ließ erden offenbaren Miß- muth und hochfahrenden Trotz unbeachtet, den Guido ihm entgegentrug; ja er ruhte nicht eher, als bis er die erbit¬ terten Feinde Guido und Matteo dahin gebracht hatte, in Gegenwart des Hofes und des versammelten Volkes sich den Bruderkuß zu reichen und für alle Zukunft Eintracht zu geloben. Am 6. Jänner 1311 krönte Gastone — nicht wie es von Alters her gewöhnlich war zu Monza, sondern in der Ambrosinskirche zu Mailand — König Hein¬ rich und dessen Gemahlin Margaretha als Beherrscher Italiens mit einem, zum Ersätze für die in Verlust ae- 135 rathene eiserne Krone, zu diesem Zwecke angefertigten gol¬ denen Lorbeerkranze. Die Bedrückungen der Vikare, welche der König an allen Orten eingesetzt hatte, die Sorge der Bürger um ihre Freiheiten, welche sie durch deren Einfluß gefährdet glaub¬ ten , und endlich die Geldfordernngen, welche jener, an die Städte zu stellen, sich genöthigt sah, trübten bald durch einen Mißton den allgemeinen Jubel, welcher Heinrichs erstes Auftreten begleitet hatte. Guido glaubte diese Lage denn ausbeuten und sich ohne große Schwierigkeit der verhaßten Deutschen entledigen zu können. Er zettelte gegen dieselben eine Verschwörung an, welcher sich auch Matteo, dem er zwar nicht an Unaufrichtigkeit, aber an Schlauheit nachstand, wohl nur deßhalb beigesellt zu haben scheint, um ihn in seinem Vorhaben zu bestärken und desto sicherer seinem Ver¬ derben zuzuführen. Am 12. Februar bekam Heinrich Kunde von dem Berrathe, den Guido mit Matteo gegen ihn ange¬ sponnen haben sollte. Eine Abtheilung Bewaffneter wurde abgeschickt, die Häuser der Adeligen zu untersuchen. Visconti und die Seinigen, rechtzeitig davon unterrichtet, befanden sich anscheinend unbewaffnet vor ihren Wohnungen, und luden die Deutschen ein, einzutreten und sich zu erquicken. Anders in Gnido's Palaste, wo man alle seine Freunde und Anhänger in Waffen versammelt antraf. Es währte nicht lauge, so kam es dort zum Kampfe, welcher durch das Zuströ¬ men der Genossen jeder Partei rasch an Ausdehnung gewann und bald durch die Straßen der Stadt wogte. Es traten bedenkliche Augenblicke ein; da erschien Matteo, über dessen Verhalten der König die lebhaftesten Besorgnisse hegte, vor demselben und versicherte ihn seiner unverbrüchlichen Erge¬ benheit, während zugleich die Meldung eiulief, daß sein Sohn Galeazzo an der Seite der Deutschen fechte. Der Tapferkeit i36 der Letzteren, weiche durch das heldemnüthige Beispiel des jugendlichen Herzogs Leopold von Oesterreich zu den höchsten Leistungen angespornt wurden, verblieb endlich der Sieg. Die Paläste der Torriani fielen mit allen darin angehäuften Kostbarkeiten den Deutschen in die Hände; sie selber aber mußten Mailand den Rücken kehren, um es als Herren nie wieder zu betreten. Sie streckten wohl nicht alsogleich die Waffen, sondern führten durch mehrere Jahre Krieg mit den Visconti; allein weder Heinrichs spätere Mißerfolge und Tod, noch das hierauf eingeganqene Bündniß mit König Robert von Neapel, dem sie im Jahre 1313 die erst zu erringende Herrschaft in Mailand antrugen, verschaffte ihnen jemals mehr als den vorübergehenden Besitz einiger Vorstädte des¬ selben. Die am 4. Juli 1315 an der Scrivia geschlagene Schlacht, welche Zonfredo della Torre das Leben und 80 vornehmen gnelfischen Edlen die Freiheit kostete, lähmte auf Jahre ihren Unternehmungsgeist. König Heinrich hatte anfangs auch den Visconti mi߬ traut und deßwegen nach dem Falle der Torriani Matteo nach Asti und Galeazzo nach Treviso, wo dieser als Podestfi regierte, verwiesen. Dank den Bemühungen des ihm treu ergebenen Garbagnate, der dem Könige vorstellte, wie er sich durch verleumderische Einflüsterungen eines weisen Rathgebers hätte berauben lassen, wurde jedoch Matteo nach wenigen Monaten schon nach Mailand zurückgerufen und neuerdings in Gnaden ausgenommen. Gastone, den Guidv's Eifersucht von der Theilnahme an dem glänzenden Loose seines Hauses ausgeschlossen hatte, mußte das Geschick desselben theilen, da es galt, das Brot derVerbannung zu essen. Er nahm seine Zuflucht inAvignon am Hofe Johanns XXII., der ihn aus König Roberts, 137 des Beschützers der della Torre, Fürbitte am 31. December 1316 zum Patriarchen von Aquileja ernannte *). Mitte Januar des Jahres 1315 war Patriarch Otto- buono de Razzi auf dem Wege nach Rom gestorben, woraus das Capitel von Aquileja eines seiner Glieder, den Erz¬ diakon Gilo von Villalta an dessen Stelle erwählt hatte, ohne daß diese Wahl von der päpstlichen Curie bestätigt worden wäre. Des aus der lange anhaltenden Sedisoacanz hervorgehenden Zustandes überdrüssig, hatte endlich das am 12. September 1316 in Cividale versammelte Parlament den auf die Dauer derselben zum Generalcapitän ernannten Grafen Heinrich II. von Görz beauftragt, sich durch Abge¬ sandte an den Papst zu wenden, auf daß das verwaiste Patriarchat wieder ein Oberhaupt erhalte. Dieser Wunsch war nun durch die Ernennung Gastone's erfüllt, welche dieser selber in verschiedenen Schreiben dem Capitel von Aquileja, dem Grafen Heinrich, dessen Sohne Meinhard VI. und der Stadt Treviso zur Kenntniß brachte. Daß übrigens eine Wiederbesehung des Patriarchen¬ stuhles überhaupt nicht nach dem Geschmacke vieler Herren in Friaul war, zeigt uns die von einigen derselben am 18. Jänner 1317 zu Gemona unter sich und mit Padua geschlossene Verbindung, welche gegen den zukünftigen Pa¬ triarchen, wer immer es auch werden möge, gerichtet war. Am allerwenigsten erfreut über Gastone's jenen Herren noch nicht bekannte Ernennung mochte aber Graf Heinrich sein, der, nun schon zum dritten Male seit des Patriarchen Raimunds *) Nachdem man damals das Jahr mit Weihnachten zu zählen begann, so ist die Ernennungs-Bulle vom Tage vor dem Feste der Beschneidung unseres Herrn im Jahre 1317 datirt, was mit obigem Datum nbercinstimmt. 138 Tode Generalcapitän ^), mit um so größerem Widerstreben die bereits zur Gewohnheit gewordene Herrschaft in Friaul seinen Händen entgleiten sah, als er dieselbe nicht allein dem Namen nach, sondern, wie er es bei der blutigen Unterdrückung eines im Mai 1315 in Udine und Cividale ausgebrochenen Aufstandes guelfisch Gesinnter bewies, mit aller Kraft handhabte. Um den in so hohem Grade unwillkommenen Verlust der Gewalt mindestens möglichst lange hinauszuschieben, brauchte Heinrich das allerdings einfache Auskunftsmittel, die erfolgte Verleihung des Patriarchats an Gastone und sogar den in Folge davon mit demselben über die Uebergabe der patriarchalischen Orte in Carpentras bei Avignon einge¬ gangenen Vertrag als nicht geschehen zu betrachten. Ver¬ geblich wandte sich der Patriarch deßhalb wiederholt brieflich mit Klagen an Heinrichs Gemahlin, die ihm verwandte Beatrix; vergeblich erinnerte er den Grafen selbst an die übernommenen Verpflichtungen. Kaum weniger wirkungslos blieb es, daß der Papst endlich selber für Gastone eintrat und am 28. September 1317 seinen Cardinal-Legaten in Italien, Bertrand de Pojet und die Erzbischöfe von Mailand und Ravenna zu Conservatoren des Patriarchats gegen dessen Feinde und zu Richtern in allen bezüglichen Streitfragen mit der ertheilten Ermächtigung ernannte, im Nothfalle den weltlichen Arm aufzubieten und Zwangsmaßregeln in An¬ wendung zu bringen. Gastone mußte sich meistens herbei¬ lassen, das, was für ihn wirklich in Besitz genommen werden sollte, zu kaufen, wobei ihm indeß noch häufig Heinrich zuvor¬ kam, der ihm, gerade was verfügbare Geldmittel anbelangt, *) Zum ersten Male »ach dem Tode Raimunds, hierauf nach des Patriarchen Peter Gera Ableben (1301) und nun wieder. 139 weit überlegen war. Der Reichthum beider Zweige des görzischen Hauses war ja damals geradezu die hauptsäch¬ lichste Quelle seiner Macht, so wie seine allmälige Verar¬ mung die Ursache seiner späteren Bedeutungslosigkeit wurde. Der stets wohlgefüllte Schatz hatte es Meinhard IV. mög¬ lich gemacht, seinen Hausbesitz ansehnlich zu vergrößern und durch Vereinigung der verschiedenen Alpenthäler das seitdem als zusammengehöriges Ganzes sich fühlende Land Tirol gleichsam erst zu schaffen, und ohne das reiche väterliche Erbe hätte sein Sohn wohl niemals die böhmische Königs¬ krone getragen. Als dasselbe in Folge bedeutender dadurch bedingter Auslagen, so wie durch eine ungeregelte und un¬ verständige Gebarung aufgezehrt war, büßte der überdies geistig unbedeutende Heinrich (ch 1335) alsbald fein König¬ reich und den größten Theil seines Einflusses überhaupt ein, während die an Gold keinen Mangel leidenden Habsburger ihre Besitzungen fortwährend erweiterten und namentlich im folgenden Jahrhunderte die Görzer Grafen, welche ihnen schon Tirol nach dem Aussterben der dortigen Linie hatten widerstandslos überlassen müssen, durch vorgestreckte Sum¬ men sich beinahe gänzlich dienstbar machten. In ähnlicher Weise dankte Graf Heinrich II. von Görz, der an staats¬ männischer Begabung zu seinem Oheime Meinhard IV. hinanreichte und an sittlichem Werthe seinen Vater Albrecht II. weit überragte, der persönlichen Muth und kühnen Unter¬ nehmungsgeist in vollem Maße besaß, und dem im Gan¬ zen doch auch ritterliche Denkungs- und Handlungsweise nicht abgesprochen werden kann, ungeachtet dieser glän¬ zenden Eigenschaften, die ihn als die hervorragendste Ge¬ stalt in der ganzen Reihe der Görzer erscheinen lassen, einen großen Theil seiner Erfolge den Geldmitteln, über die er gebot. 140 Gastone kämpfte dagegen, wenn auch nicht mit Ent¬ behrungen, so doch mit drückenden Sorgen wegen des großen Mißverhältnisses zwischen seinen nur spärlich fließenden Einkünften und den hohen Anforderungen, die man von allen Seiten an ihn stellte. Papst Johann XHI., der bei seinem Tode 25 Millionen theils in barem Gelde, theils in Kostbarkeiten hinterlassen haben soll, war eben nicht leicht zu befriedigen und seine Cardinäle ließen das ihnen gege¬ bene Beispiel nicht unbeachtet. Am 5. März 1318 schrieb der Patriarch von Avignon ans an seinen von ihm als Generalvikar bestellten Bruder Rainald und beauftragte ihn auf das dringendste, ihm wenigstens noch 18.000 Flo¬ rentiner zu senden, die er nothwendig brauche, um den päpstlichen Hof verlassen zu können. Rainald scheint Mittel und Wege gefunden zu haben, dem Begehren des Bruders zu entsprechen, da dieser Ende Mai in Marseille um 350 Goldgulden eine Galeere miethen konnte, welche ihn und sein aus 40 Köpfen beste¬ hendes Gefolge über Genna nach Neapel bringen sollte. Ohne Zweifel hatte Gastone dabei vornehmlich den Zweck im Auge, König Robert für das bisher genossene Wohl¬ wollen zu danken und um die Fortdauer desselben zu bitten. Von Neapel setzte er die Reise in seine Diöcese zu Lande fort. Am 29. Juli befand er sich zu Siena, an welchem Tage er dort die Pfarre Circhniviz (Zirknitz) an seinen Caplan Taddeo da Palude vergab. Von da gelangte er nach Florenz, wo sein Leben durch einen unglücklichen Zufall ein unerwartetes Ende nehmen sollte. Am 20. August geschah es, daß, als er durch die Straßen der Stadt ritt, sein Roß sich plötzlich bäumte, nach rückwärts überschlug und ihn selbst im Falle zu Tode drückte. Acht Tage darauf wurde er in der dortigen Heiligenkrenzkirche bestattet. 141 Die Tradition, welcher bei dem gänzlichen Abgänge von Inschriften auf den Särgen der torrianischen Patriarchen in Aquileja in Betreff des Inhaltes derselben ein weites Feld gelassen ist, schwankt in ihren Angaben bezüglich des mächtigen, aus einem einzigen Blocke rothen Marmors, jedoch ohne alle Verzierung gehauenen Sarkophages, welcher jenem des Patriarchen Raimund zunächst steht. Bald soll er die sterblichen Ueberreste Gastone's, bald jene seines Nach¬ folgers Pagano enthalten. Wir halten das Letztere für das Richtige, da wir über Gastone's Begräbniß in Florenz und seine dortige Grabschrift ^) bestimmte Nachrichten besitzen, während von einer etwa später erfolgten Ueberführung des Leichnams nach Aquileja nichts bekannt ist. Möglicher Weise hat das zu Gastone's Seelenheile in der Ambrosiuscapelle von Aquileja gestiftete Anniversarium zu dem Jrrthume, als läge er selbst darin begraben, Anlaß gegeben. Sobald die Kunde von dem Unfälle, welcher Gastone betroffen hatte, in Avignon angelangt war, erließ der Papst (am 4. September) die Erklärung, daß er die Wiederbe¬ setzung der Stelle seinem eigenen Ermessen Vorbehalte. Nachdem aber beinahe an demselben Tage (6. September) das nach S. Giovanni di Manzano berufene Parlament abermals den Grafen Heinrich von Görz zum Generalcapi- *) Sie lautet: I>lanA-s tuam äs la lurrs, xarsus äomus iuel^ta, xrolsm: ?IaiiAS tuum tu sols carens, Quiles«,, solem. 8ol rutilaus Oastouus erat, tuus die katriarelia: 8ol rutilaus Nae, soes, säest eoutsctus iu aroda. Isr ssnis auuis eonsuuctis mills trsesntis lmx tuit ^ug-usti ssx biua äiss mor!sutis. (jui lsAis, ut vivas, kutz-s vivsns res tuAitivas: OuM xatst Nora tu^s, äs Latälons tu^s. 142 täu erwählt und damit auch die Einkünfte des Patriarchats auf die Zeit seiner Erledigung demselben überantwortet hatte, so beeilte sich die päpstliche Curie, den Bischof von Padua, Pagano della Torre, vorläufig zum Administrator von Aquileja zu ernennen. Sie hätte, von ihrem Standpunkte ans, keine bessere Wahl treffen, keine geeignetere Persönlichkeit finden können, um der in der nordöstlichsten Ecke Ober-Italiens dem völli¬ gen Unterliegen nahen guelfischen Partei neuen Muth und neue Kraft einzuflößen. Pagano, ein Sohn Caverna's, eines Bruders des Patriarchen Raimund, war in Friaul nicht allein durch seine dort schon beinahe heimisch gewordene Fa¬ milie gekannt, sondern auch in Folge seiner einstigen Wirksam¬ keit als Pfarrer von Pozzuolo, als Domherr, Dekan und Schatzmeister der Kirche von Aquileja geachtet und, von einer Partei mindestens, geliebt, wie er denn auch im Jahre 1319 bei seinem Erscheinen im Patriarchate von dem friaulischen Dichter Pace aus Gemona besungen wurde. Wie viele Anhänger er hier zählte und wie viel Vertrauen er bei diesen genoß, hatte sich erst jüngst, da ihm das Capitel von Cividale (am 27. November 1316) die Schlichtung mehre¬ rer obschwebender Streitfragen übertragen hatte, in einem weit höheren Grade noch aber schon vor einer geraumen Reihe von Jahren gezeigt, als er an des (1301) verstor¬ benen Peter Gera Stelle zum Patriarchen gewählt worden war. Damals hatte der Papst sowohl ihm, als dem von der Minderheit erwählten Otto von Ortenburg die Bestätigung verweigert*), ihm jedoch zum Ersätze bald darauf (1302) das durch Ottobuono's de Razzi Erhebung auf den Patri- *) Der Bischof von Concordia, Jacob Ottonello von Hnnger- spach, hatte sich mit aller Entschiedenheit der Wahl Pagano's, gewiß 143 archenstuhl von Aquileja frei gewordene Bisthum Padua verliehen. Als Leiter desselben hatte Pagano sich als vor¬ züglicher Seelenhirt bewährt, in seinem Klerus die gelockerte Disciplin gefestigt und unter den Bürgern der Stadt den Frieden wieder hergestellt. Seiner Gelehrsamkeit war von Seite des Papstes Clemens V. durch die specielle, auf sein Erscheinen einen besonderen Werth legende Einladung zu der Kirchenversammlnng von Vienne ein glänzendes Zeugniß ausgestellt worden. Zudem hatte er schon wiederholt und selbst mit den Waffen in der Hand seine unerschütterlich guelfische Gesinnung an den Tag gelegt; so im Jahre 1308 unter den Mauern Ferrara's gegen die Venetianer, welche in dem Erbstreite nach Azzo's VIII. von Este Tode wider den heiligen Stuhl Partei genommen hatten; so in Mailand an dem für sein Geschlecht so verhängnißvvllen Tage, als er den anstürmenden Deutschen König Heinrichs an der Schwelle seines Hauses unbewaffnet und im vollen Schmucke seiner Würde mit kalter Unerschrockenheit entgegen getreten war; so endlich in dem immer noch währenden Kampfe Padua's gegen Cangrande della Scala, in welchem er Gelegenheit gefunden hatte, zu beweisen, daß die allen della Torre gemeinsame Tapferkeit und Kriegsgewaudtheit ihm unter den friedlichen Beschäftigungen seines frommen Berufes nicht verloren gegangen war. Endlich besaß Pagano durch seine Persönlichen Beziehungen eine ganz besondere Eignung zur Lösung der Aufgabe, die ihm nunmehr zufiel. Er gehörte zu den Lieblingen des Königs Robert von Neapel; die Grafen von Görz nannte er seine Verwandten und selbst mit Friedrich dem Schönen vonOesterreich stand er im schrift¬ lichen Verkehre. nur dessen guelfischer Gesinnung wegen, widersetzt und Otto von Ortenburg in Vorschlag gebracht. 144 Wir glauben, an diesem Orte einer angeblich aus der mündlichen Ueberlieferung geschöpften Nachricht, welche erst durch viel spätere Geschichtschreiber in Umlauf gesetzt wurde, Erwähnung machen zu müssen. Durch dieselbe wird dem Patriarchen Pagano eine ganz ungewöhnlich vorurtheilslose, über Parteileideuschaft erhabene Sinnesart zugemuthet, für deren Annahme wir in seinem Charakter keinen genügenden Anhaltspunkt finden, und welche übrigens Zeitgenossen gegenüber, namentlich wenn sie politische Gegner sind, nur höchst selten an den Tag gelegt wird. Dante, der heimatlose Ghibelline, soll ihr zufolge im Jahre 1319 an Pagano's Hofe eine Zufluchtsstätte gefunden und unter dessen Schutze theils in Udine, theils mitten in der erhebenden Alpennatur Tolmeins einige Gesänge seiner göttlichen Comödie gedichtet haben. Obgleich in der Nähe Tolmeins eine Höhle und ein Fels, auf welchem der Dichter gesessen haben soll, immer noch seinen unsterblichen Namen führen, so sprechen doch wieder zahlreiche, nicht zu widerlegende Gründe dafür, diese unver¬ bürgte Erzählung, so wie die Angabe, daß Dante zur selben Zeit auch Hugo von Tybein — allerdings einen Gleichge¬ sinnten — in dessen Schlosse besucht habe, aus dem Be¬ reiche der Geschichte in jenen der Sage zu verweisen *). Das Landvolk von Tolmein erzählt, daß der Dichter die Nachte im dortigen Schlosse mit Rittern und edlen Frauen bei fröh¬ lichen Festen verbracht, die Tage über jedoch sich in der nach ihm be¬ nannten Höhle verborgen gehalten habe. Auch versichert es, daß ältere Leute, welche ihr Tagewerk an jenem schauerlich schönen Orte in der Dämmerung vorüberführte, seine ehrwürdige Gestalt in rothe Ge¬ wänder gehüllt, davor sitzen sahen. Mehr über das Thatsächliche dieses Gegenstandes ist in lZiunollfi s,ueü>, Oosumellti II. 280. 166 anderen Ghibellinen, welche besorgten, Cane möchte seine Drohung, zu den Guelfen überzugehen, wahr machen, sich um eine Versöhnung bemühten, kam unter des Königs Ver¬ mittlung an demselben Tage, an welchem er Trient nach Italien aufbrechend verließ, am 13. März ein zehnjähriger Waffenstillstand zwischen Heinrich von Kärnthen, dem Gra¬ fen von Görz und den Städten Padua und Treviso einer¬ seits und Cane, dem Markgrafen von Este nebst Verona und Vicenza andererseits zuwege. Daran schloß sich ein gesondertes Abkommen Heinrichs von Kärnthen mit dem Patriarchen, über welches wir jedoch nur wissen, daß letzterer am 20. Juni dem Notar Odorico von Udine Vollmacht zur Durchführung desselben gab. Wie gewöhnlich, verzögerte sich diese ungebührlich lange, denn noch im Spätherbste war man über bloße Versprechungen, die vereinbarten Bedin¬ gungen auch halten zu wollen, noch nicht hinausgekommen. Am 13. November verpflichteten sich Konrad von Äuffen- stein und Peter von Liebenberg dem Patriarchen gegenüber, dahin zu wirken, daß die Zusagen Heinrichs und des Grafen von Görz in allen ihren Theilen erfüllt würden, und zu¬ gleich versprach Liebenberg, das in seiner Hut befindliche Schloß Arispergo, um das schon so lange gestritten wurde, dem patriarchalischen Dienstmanne Bernhard von Strassoldo zu übergeben. Dennoch behielt in den gegenseitigen Beziehungen eine gewisse Feindseligkeit die Oberhand. Im Februar 1328 trat das Parlament in Udine zusammen, um über die Ma߬ regeln , welche der in nächster Aussicht stehende Durchzug des Herzogs von Kärnthen nothwendig machte, zu berath- schlagen und zu beschließen. Es hatte nämlich Heinrich am 19. Jänner zu Meran den Abgeordneten von Padua die be¬ stimmte Zusicherung ertheilt, ihrer Stadt gegen alle Feinde 167 beizustehen und zu diesem Zwecke am nächsten Georgitage dort selbst einzutreffen; da aber seine Unternehmungen er¬ fahrungsmäßig seinen Gegnern gewöhnlich weit weniger ver¬ derblich waren, als den befreundeten oder neutralen Land¬ schaften, die er auf seinem Wege berührte, Pagano außerdem die Neutralität nicht strenge beobachtet, sondern in seiner gegen Heinrich gereizten Stimmung oder vielleicht auch nur, weil er zu einer erfolgreichen Weigerung sich nicht stark genug wußte, hingegen durch seine Einwilligung das Wohl des Landes am sichersten zu wahren hoffte, im Monate März dem, Cane zu Hilfe ziehenden Grafen Friedrich von Veglia und Modrusch den Durchzug gestattet hatte, hegte man nun in Friaul allenthalben die größten Besorgnisse. Udine traf im Laufe des Sommers die umfassendsten Vorkehrungen, um die Herren von Ortenburg und von Auffenstein, deren Ankunft aus Kärnthen und Padua man entgegensah, kräftigst abzuweisen. Die Befestigungen der Stadt wurden in Vertheidiguugsstand gesetzt, Kundschafter nach allen Richtungen ausgesandt, Männer in Dienst genommen, welche Tag und Nacht auf dem Glocken- thurme ausspähen und im Nvthfalle Sturm läuten sollten, und den Einwohnern von Sacile auf ihre Bitte 15 bewaffnete Fußknechte zugeschickt. Trotz der durch diese Anstalten der Gemeinde erwachsenen Auslagen, konnte dieselbe, wie der gleichzeitige Bericht selbstgefällig hinzufügt, zur Behauptung ihres alten Glanzes 37 Ellen grünen und rothen Tuches kaufen, um damit ihre Herolde neu zu kleiden. Alle diese Befürchtungen erwiefen sich jedoch als ebenso unbegründet, wie die auf Heinrichs Kommen gebauten Hoffnungen der Paduaner, welche endlich des langen Widerstandes müde, sich, hauptsächlich durch Marsilio's von Carrara Zuthun, dem Schicksale, welchem sie schließlich doch nicht entgehen konnten, freiwillig ergaben und im Monate September den nun am 168 Ziele eines seiner heißesten Wünsche stehenden Cane zur Uebernahme der Herrschaft in ihre Stadt luden. In Istrien erlitt das Patriachat in demselben Jahre neuerliche Verluste, da Pola und Valle sich förmlich unter venetianische Hoheit begaben und Pagano in kluger Würdigung der obwaltenden Machtverhältnisse, wie bei dem um zwei Jahre später erfolgten Abfalle Rovigno's, diesen Vorgang nachträglich durch einen Vertrag sauctionirte, nach¬ dem er, durch das Beispiel seines Oheims Raimund wahr¬ scheinlich gewitzigt, wohl erkannt haben mochte, wie wenig er Venedig mit dem Heere, welches er anfänglich zum Kriege gegen dasselbe aufgestellt hatte, etwas anzuhaben im Stande wäre. Der kleinliche Hader mit Heinrich von Kärnthen dauerte dabei ohne Unterbrechung fort. Am 15. März 1329 klagte derselbe aus Gries bei Botzen bei dem Patriarchen, daß dessen Leute einen seiner Unterthanen erschlagen hätten, worauf aber Pagano mit vollem Rechte ebenfalls klagend entgegnete, daß nur durch des Herzogs Leute, welche so viele Orte in Friaul unrechtmäßiger Weise besetzt hielten, die beabsichtigte Be¬ strafung der Uebelthäter verhindert worden sei. Daß Heinrich, dessen Sache rasche Entschlüsse und kräftiges Handeln über¬ haupt nicht waren, es in dieser unbedeutenden Angelegenheit bei jenem Austausche von Beschwerden bewenden ließ, kann uns nicht überraschen; wohl aber die Unthätigkeit, mit der er zusah, wie Cane von Padua aus Treviso, das immer noch seinem Mündel Johann Heinrich gehorchte, ernstlich gefährdete. Dieses werthvolle Besitzthum ging den Görzern unwiederbringlich verloren, als es sich am 18. Juli nach vierzehntägiger tapferer Vertheidigung, während welcher es von dem Herzoge von Kärnthen nichts als unerfüllt bleibende Versprechungen erreichen konnte, an Cane ergeben mußte, 169 welcher indeß dort drei Tage nach seinem Einzuge, wie es ihm vorhergesagt worden sein soll, am Gipfel seines Ruhmes und seiner Macht angelangt, eines plötzlichen Todes starb. In der Zwischenzeit waren insbesondere in Istrien im Namen des Grafen von Görz durch die ihm ergebenen Herren Hugo von Tybein und Peter von Pietra pelosa auf patriar¬ chalischem Gebiete gewaltthätige Handlungen verübt worden, über welche der Patriarch bei seinem Parlamente wiederholt Klage führte, als es zu Udine im Monate Juni zur Be- rathung verschiedener Gegenstände, und einen Monat später ein zweites Mal zu einem Colloquium znsammentrat, durch welches zur Hintanhaltung einer drohenden Hungersnoth ein strenges Getreide-Ausfuhrverbot erlassen wurde. Daß Pagano ein Heer sammelte und daß es wirklich zu Feindseligkeiten mit dem Grafen von Görz kam, wissen wir durch zwei, diese Umstände erwähnende Urkunden und durch die im folgenden Herbste stattgefundenen Friedensunterhandlungen, ohne über die einzelnen Vorfälle genauer unterrichtet zu sein. In dem ersten dieser Documente verleiht der beim Heere anwesende Patriarch am 12. September zu Monfalcone seinem Ge¬ treuen Conrad, genannt Ungnad von Wippach, zur Belohnung für die Dienste, die er in dem Kriege mit Görz bereits ge¬ leistet und noch ferner zu leisten versprochen harte, das Ga- staldat von Wippach auf ein Jahr. Das zweite ist aus Gemona vom 15. desselben Monates datirt, und enthält den Auf¬ schub der Entscheidung in einer Streitsache bis nach der Rück¬ kehr des Patriarchen vom Heere. Dem, wie es scheint, ereignißlosen Streite folgte bald der Friede, dessen Zustände sich übrigens damals in den Ge¬ genden, von welchen wir reden, kaum von jenen des Krieges zu unterscheiden pflegten. Raul von Eberstayn, der Bevoll¬ mächtigte des Grafen Albrechts IV. von Görz, den der Vor- 170 mund Johann Heinrichs oor kurzem mit 2000 Mark Be¬ stallung und unter der Bedingung, als Vikar den Schutz Treviso's zu übernehmen, zum Verweser in Görz, Friaul, Istrien und am Karste ernannt hatte, kam am 8. October mit den - Bevollmächtigten des Patriarchen in S. Giovanni di Manzano zusammen. Vorläufig kam nur ein Waffenstillstand zu Stande, für dessen Einhaltung sich am folgenden Tage Johann von Villalta und Friedrich von Savorgnano bei dem Patriarchen und gleichzeitig andere Herren in Monfalcone bei dem Grafen eidlich verbürgten. Zur eigentlichen Schlichtung der Streitfrage compromittirte man auf Guido von Man¬ zano, Artico von Prampergo, Griffo von Reutemberg und Collouus von Ulasperg, deren Bemühungen die Herstellung eines guten Einvernehmens gelungen sein muß, nachdem Pagano am 16. August 1330 bei Predemano rips, torreirtm, 6t 8uk urstore nrrors zum Schiedsrichter ge¬ wählt wurde, um den lange schon andauernden Streit zwischen der Gräfin Beatrix und mehreren Gemeinden Istriens zum Austrage zu bringen. Die Art, in welcher das Parlament sich an dem Ab¬ schlüsse dieses Friedens betheiligte, zeigt uns die große Ge¬ walt, welche es unbestritten ausüben konnte. Sich nicht damit begnügend, daß es vorher über denselben zu Rathe gezogen worden war, unterzog es ihn dann noch seiner Bestätigung, indem es einen eigenen Bevollmächtigten zur Unterzeichnung des Friedensinstrumentes abordnete. In noch auffallenderer Weise tritt die ungewöhnliche Bedeutung, welche dem Parla¬ mente zukam, aus den Thatsachen hervor, daß es in Streit¬ sachen Berufungen von der patriarchalischen Curie anzunehmen berechtigt war, daß es im Jahre 1330 seinen Mitgliedern, deren unabhängige Stellung hiedurch eine grelle Beleuchtung erfährt, jede dem Patriarchate zum Schaden gereichende Per- 171 bindung mit Fremden so gut wie dem Patriarchen selber zu untersagen für nothwendig erachtete, ja daß es sogar Anord¬ nungen dieses Letzteren, wie es aus der nachfolgend zu erzäh¬ lenden, an sich ganz untergeordneten Begebenheit unzwei¬ deutig hervorgeht, auszuheben wagen durfte. Im Gegensätze mit dem Geiste unserer, alle Vorrechte vernichtenden Zeit suchte das Mittelalter dem Streben nach Gleichheit, welches der menschlichen Natur niemals fremd war, durch möglichst ausgedehnte und zahlreiche Verleihungen oft höchst sonderbarer Privilegien gerecht zu werden. So besaß das damals durch seine Handelsbeziehungen wichtige, und in Folge dessen durch Ansehen und Reichthum hervorragende Gemona, welches im Jahre 1204 die inseinen Mauern ge¬ feierte Vermählung Azzo's VI. von Este mit Alisia, der Tochter Rainalds von Antiochien, durch prunkvolle Feste ver¬ herrlicht hatte, und in welchem hohe Reisende gemeiniglich länger zu verweilen pflegten, schon im Jahre 1277 das Recht, daß alle über die Alpen gehenden oder kommenden Maaren eine Nacht daselbst verbleiben, bestimmte Abgaben zahlen und ausschließlich mit Gespann und Wagen seiner Bürger weiter gefahren werden mußten. Als nun die Stadt Villach in Kärnthen, gewiß als Repressalien für diese, zu häufigen Reibungen Anlaß gebenden Vorrechte Gemona's, im Jahre 1331 ähnliche Bevorzugungen für ihre Einwohner in Anspruch nahm, antwortete Pagano darauf mit dem strengen Befehle, daß keine Fuhrwerke aus Villach sich in Friaul, von Gemona und Venzone abwärts, blicken lassen, sondern alle Maaren in jenen Orten auf, der Controle wegen mit einem Stempel zu versehende Wagen des Landes umgeladen werden sollten. Das Parlament verrieth einen freieren Blick, als der Patriarch, und verfügte, die erwartete Gegenseitigkeit in dieser Angelegenheit mit Nachdruck betonend, 172 daß die Gefährte der Villacher im ganzen Lande frei verkehren und insbesondere durch die Bewohner von Venzone, Gemona, Latifana und Aquileja in keiner Weise belästigt werden dürften; ja es ging iu feinen freihändlerischen Tendenzen noch weiter und hob die in Venzone und Ospedaletto neu eingeführten Mauthen wieder auf. Pagano konnte diesen Maßregeln, wenn auch nach einigem Widerstreben, seine endliche Genehmigung nicht versagen. Das Jahr 1331 brachte überhaupt dem Patriarchen die verschiedenartigsten Geschäfte und Tätigkeiten. Am 17. April kündigte er im Auftrage des apostolischen Legaten Bertrand „seinem lieben Freunde, dem erlauchten Herrn Franz Dandolo, Herzoge von Venedig, Dalmatien und Cro- atien, so wie auch Herrn des vierten Theiles und der Hälfte des ganzen römischen Reiches nicht gerne, sondern zu seinem Bedauern" den Bann an, welchen sich derselbe in der An¬ gelegenheit „jenes Grafen" (wahrscheinlich des Markgrafen von Este) zugezogen hatte. Tags darauf sehen wir den Patriarchen, die beinahe alljährig wiederkehrenden Beschwerden über Bedrückungen des Grafen von Görz und des Herrn von Pietra pelvsa dem Par¬ lamente in Udine vorbringen. Wenn wir auch über diese Sache keine ausführlicheren Nachrichten besitzen, so glauben wir doch nicht irre zu gehen, wenn wir die Anwesenheit eines patriarchalischen Heeres unter Carlevario della Torre zu Slavina in der Poik im Monate August damit in Zusammen¬ hang bringen. Mit den Herren von Camino, welche im verflossenen Jahre jedes Bündniß mit den Feinden der Kitche von Aquileja abgeschworen und das widerrechtlich besessene Meduna der¬ selben zurückgestellt, dagegen von Pagano dessen Nichte Leo- nardina für Rizzardo's von Camino Sohn Tolberto, und 173 das Gastaldat Meduna auf die Zeit eines Jahres von Georgi 1331 an zugesichert erhalten hatten, ging das werthvolle Einverständniß wieder verloren. Am 24. April forderte der Patriarch von den Brüdern von Camino, daß, wie es ausbe¬ dungen war, entweder die Republik Venedig oder zehn Herren aus den friaulischen Familien Prata, Porciliis, Castello, Cucanea, Spilimbergo, Valvasono, Colloredo, Mels und Villalta für die Zurückgabe Meduna's nach einem Jahre sich verbürgen sollten. Nachdem aber diese Bürgschaft nicht ge¬ leistet wurde, behielt Pagano das Gastaldat einstweilen in seiner Hand und trug dem Morando de Porciliis, der es bis nun verwaltet hatte, auf, dasselbe nach Ablauf des, den Herren von Camino zur Bürgenstellung gewährten verlängerten Termins zuversichtlich niemandem anderen als den von ihm selber zur Uebernahme Beauftragten zu übergeben. Das merkwürdigste Ereigniß dieses Jahres bleibt aber das am 24. April zu Udine abgeschlossene, und durch eine bald darauf zu Campardo stattgefundene persönliche Zu¬ sammenkunft bekräftigte Bündniß Pagano's mit Cane's Söhnen Albert und Mastino. Wir können kaum mehr als ein nur äußerliches Zu¬ sammentreffen darin erkennen, daß der demselben zu Grunde liegende Vertrag das Datum jenes Tages trägt, an welchem der Patriarch durch sein Vorgehen in dem Handel wegen Meduna die Feindschaft der Caminesen heraufbeschwor, und höchstens zngeben, daß die Besorgniß vor deren Wiederaus¬ bruche sein Zustandekommen beschleunigt habe. Zugleich sei es aber ausgesprochen, daß wir uns über die eigentlichen Be¬ weggründe, welche Pagano bei diesem überraschenden Schritte leiteten, nicht volle Rechenschaft abzulegen vermögen. Aller¬ dings lag es im Interesse der Herren della Scala, sich um Freunde umzusehen, seit sie durch die ungewöhnlichen Erfolge 174 des von den Guelfen ursprünglich nur zum Schutze Brescia's gegen Mastino gerufenen Königs Johann von Böhmen, der bereits über einen großen TheilOberitaliens gebot, in ihrem vom Vater ererbten Besitze Verona's sich bedroht fühlten. Wie kam es aber, daß sie einen solchen an dem Guelfen Pagano fanden; wie kam es, daß dieser sich zu einer Verbindung herbeiließ, deren Spitze gegen Johann gerichtet war, welcher doch, wie alle Böhmenkönige als der mächtigste, nach Unab¬ hängigkeit vom Reichsoberhaupte strebende Fürst Deutsch¬ lands, es auch gerade jetzt durch sein Auftreten wieder be¬ weisend, der natürliche Bundesgenosse der guelfischen Partei in Italien und überdies mit dem gehaßten Baiern Ludwig ganz zerfallen war, feit derselbe jüngst die Habsburger durch die Aussicht auf Kärnthens Erwerbung gewonnen, und da¬ durch Johanns Pläne für die Vergrößerung seiner Hausmacht zerstört hatte. Sollte Pagano ganz allein seinem Wider¬ willen gegen Heinrich von Kärnthen dabei nachgegeben haben, welcher damals durch die unlängst vollzogene Vermählung seiner Tochter Margarethe, genannt Maultasche, mit dem gleich¬ namigen Sohne König Johanns, diesem enge verbunden und wie dieser gegen den Kaiser höchst aufgebracht war, weil die den Habsburgern gemachten Zusagen in Betreff Kärnthens und Ludwigs eigene, auf Gewinnung Tirols gerichtete Absichten, eine gänzliche Nichtbeachtung jenes am 6. Februar 1330 zu Meran ertheilten, später von Herzog Rudolf IV. von Oester¬ reich gegen die Erbrechte der Görzer in Tirol angerufeuen kaiser¬ lichen Privilegiums in sich begriffen, welches in Ermanglung männlicher Nachkommen Heinrichs Töchtern und Bruders¬ töchtern die Nachfolge in allen Reichslehen zugestand. Beinahe unerklärlicher noch ist es aber, daß Pagano's Bündniß mit den della Scala im Sommer des Jahres 1332, da König Johann sich mit Ludwig vollkommen ausgesöhnt, dagegen unter 175 den italienischen Gneisen viele Feinde erweckt hatte, bereits gelöst erscheint, indem wir um diese Zeit in Friaul alle Vor¬ kehrungen gegen einen Einfall der Herren von Verona treffen sehen. Ja noch mehr; in denselben Tagen, in welchen die Scaligeri, die Este, die Visconti und die Gonzaga gegen den, Guelfen wie Ghibellinen gleich gefährlich werdenden könig¬ lichen Abenteuerer zu Ferrara einen in Italien noch nicht er¬ lebten Bund mit Florenz und König Robert von Neapel ein¬ gehen (16. September), schließt Pagano zu Udine (am 6. September) mit der Gräfin von Görz ein enges Schutz- und Trutzbündniß gegen die della Scala. Vielleicht läßt sich diese letzte Wandlung in des Patriarchen Parteistellung auf Ränke des päpstlichen Legaten Bertrand zurückführen, der in Verfolgung seiner eigennützigen Ziele — er hatte beim heiligen Stuhle bereits die Betrauung mit dem Grasenamte in der anconitanischen Mark für sich durchgesetzt — und im geheimen Einverständnisse mit König Johann, die Markgrafen von Este und die Florentiner, welche ihm im Wege standen, auf jede mögliche Weise anfeindete. Ein empfindlicher Verlust für Pagano muß es gewesen sein, als des Patriarchen Gastone Bruder Rainald, an dein er gewiß jederzeit einen ebenso ergebenen als erfahrenen Freund und Rathgeber gefunden hatte, gegen Ende des Jahres 1331 das durch eine lange Reihe von Jahren bekleidete Amt eines Schatzmeisters der Kirche von Aquileja, der mit dem Alter sich einstellenden körperlichen Gebrechen wegen, nieder¬ legte, und sich aus der Oeffentlichkeit zurückzog, um bald darnach, am 1. Mai 1332 ganz aus diesem Leben zu scheiden. Noch zweier, trotz ihrer nur nebensächlichen Bedeutung nicht ganz uninteressanter Vorfälle desselben Jahres haben wir zu gedenken. Während in Cividale gegen die, mit der ihrem Volke eigenen Zähigkeit an ihren alten Gewohnheiten 176 sesthaltendeii slavischeu Bewohner des Hochgebirges von Karfreit (Caporetto), welche einem Baume und der an dessen Wurzeln hervorsprudelnden Quelle abgöttische Ver¬ ehrung zollten *), das Kreuz gepredigt, und mit der, au den alten Stamm gelegten Axt ein letztes Ueberbleibsel längst entschwundener Tage ausgerottet wurde, hielten die Vorläufer der anbrechenden neuen Zeit dort ihren lärmenden Einzug. Bei einem am 15. September auf die Brückenvorstadt Cividale's in räuberischer Absicht unternommenen Ueberfalle der Herren von Zuceula und Villalta fanden, wie es den Anschein hat, in Friaul zum ersten Male Feuerwaffen eine Anwendung. Wir stehen jetzt am Ende von Pagano's Laufbahn, und haben vom Abende seines bewegten Lebens wieder nichts als Krieg zu berichten. Die Befürchtungen vor den, durch König Johann und seinen Sohn Carl beschäftigten della Scala waren nicht zur Wahrheit geworden; dafür hatte es ein alter Verbündeter ihres Hauses übernommen, den Patriarchen zu beunruhigen. Graf Friedrich von Beglia sandte seinen Sohn mit einem Heere, bei dem sich auch Heinrich von Ortenburg befand, über Görz nach Friaul, wo noch Nicolaus von Castello mit anderen Mißvergnügten zu denselben stieß, während von Kärnthen aus der Auffensteiner die Landesgrenze bedrohte. Ende November 1332 lagerten die -Feinde vor Udine, worauf ein Friede zu Stande kam. Mit Unmuth mag es den in der Stadt eingeschloffenen Patriarchen, so oft das Getöse des Kampfes zu seinen Ohren drang, erfüllt haben, daß er nimmer *) Der Analogie halber erwähnen wir hier, daß ungefähr zwei¬ hundert Jahre früher der heil. Otto, Bischof von Bamberg, da er für die Verbreitung des Christenthums unter den nordischen Wenden thätig war, in Stettin eine von denselben heilig gehaltene Eiche, an deren Fuße eine Quelle entsprang, zertrümmert hatte. Einer der vier dortigen Heidentempel war dem Triglav geweiht, dessen dreiköpfiges Götzenbild nach Rom gesendet wurde. 177 sein Roß besteigen und das Schwert schwingen konnte, wie ehedem. Das Alter hatte seine Rechte geltend gemacht; ein heftiger Gichtanfall hielt ihn an das Krankenlager gefesselt. In der Nacht vom 18. auf den 19. Dezember erlöste ihn der Tod von seinen Leiden. Tags darauf forderte Gerhard von Cucauea, daß ihm die Siegel des Verstorbene» ausgefolgt würden, um sie, wie es seines, in seiner Familie erblichen Amtes war, in Stücke zu schlagen. Ein großes und ein kleines Siegel, beide von Silber und an silbernen Kettlein hangend, fanden sich vor. Alles sonstige Geräthe des Sterbezimmers gehörte nach altem Gewohnheitsrechte denen von Cucauea; eswarnicht viel davon vorhanden: eine Matratze, zwei Tragbetten, einige Bänke und eine leere Truhe; das war alles. Pagano war es bestimmt, auch nach dem Tode noch eine schwere Unbill zu erfahren. Als seine entsellte Hülle von Udine zur letzten Ruhestätte nach Aquileja überführt wurde, lauerte ein ehemaliger Kriegs¬ mann des Dahingeschiedenen mit seinen Spießgesellen dem Tranerzuge auf und raubte, nachdem er die schwache Be¬ deckung durch ungestümen Angriff in die Flucht gejagt hatte, die kostbaren Gewänder und Geschmeide, mit welchen die Leiche angethan war. Daherkommende Laudleute fanden die¬ selbe sogar des Hemdes entblößt an dem Wege liegen und brachten sie an ihre Bestimmung. Die bereits in einer Note erwähnte Sammlung Bianchi's liefert durch die mitgetheilten Urkunden in ihrer Gesammtheit ein ziemlich vollständiges Bild der, in manchen Beziehungen betrübenden Zustände, welche inFriaul unter den Regierungen der Patriarchen Gastone und Pagano herrschten. Beim Durch¬ blättern der zwei stattlichen Bände, aus denen sie besteht, erstaunt man zuvörderst über die Gattung und die Unbedeu¬ tendheit vieler Geschäfte, über welche notarielle Acte unter Aquileja. 42 178 ängstlicher Beobachtung der bei ihrer Aufnahme gewöhnlichen Formalitäten und mit Hinzufügung aller nur denkbaren, zur Verhütung allfallsigerUebervortheilungen bestimmten Klauseln und Vorsichten ausgefertigt wurden, und es werden Zweifel dabei rege, ob Treue und Glaube damals in Wahrheit, wie man so häufig behaupten will, um so vieles allgemeiner ver¬ breitet waren, als jetzt. Daß zwei Barbiere ihren Geschäfts- Vertrag in Gegenwart vieler Zeugen durch die Hand eines Notars auf Pergament schreiben lassen, mag uns noch be¬ greiflich erscheinen, obgleich das gemeinsame Betriebscapital nur aus vier Schüsseln, vierzehn Messern, zwei Scheeren, zwei Zangen zum Ausziehen von Zähnen und noch einigen Kleinigkeiten bestand; wozu alle diese Förmlichkeiten beim Verkaufe eines über Medicin handelnden Buches, dessen Preis — zwei Mark — übrigens für die Seltenheit und Gesuchtheit ähnlicher Werke spricht, dienen sollten, vermögen wir schon gar nicht einzusehen; wahrhaft ungeheuerlich aber finden wir seines Inhaltes wegen einen Vertrag, welchen zwei Männer, überdies im Franciscaner-Kloster zu Cividale — allerdings an einem sonst Rechtsgeschäften nicht gewid¬ meten Orte — vor mehreren Zeugen zu dem Zwecke schlossen, um Kaufleute aus Villach in Gemeinschaft zu ermorden und zu berauben. So verlockend es auch wäre, müssen wir es uns doch versagen, aus den achthalbhundert Urkunden, namentlich aus den interessanten Statuten (Städte- und Gemeindeordnungen) von Udine, Cividale, Spilimbergo und Cladrezis oder aus den zahlreichen Verfügungen über Zölle, Gerichtsbarkeit, Polizei u. dgl. weitere Einzelnheiten herauszulesen, da uns dies weit über die selbst gesteckten Grenzen hinausführen würde. Einiges nur, welches den Patriarchen Pagano selbst betrifft, sei uns hervorzuheben gestattet. 179 Ueber seine Einkünfte, welche einen bestimmenden, in der Regel hemmenden Einfluß auf seine Entschließungen und Handlungen übten, entnehmen wir einer, im Jahre 1330 vorgenommenen Schätzung, daß er von seinen stimmt- lichen Präbenden und Beneficien jährlich 3712 Mark bezog, von welchem Betrage ungefähr der fünfzehnte Theil(233Vz Mark) unter dem Titel „Prvcuration" unmittelbar in die Casse des päpstlichen Legaten floß. In Bezug aus die patri¬ archalische Münze erfahren wir, daß dieselbe im Jahre 1321 an Meister Lapuccio aus Florenz, im Jahre 1330 aber au Meister Thomas de Anellis aus Parma verpachtet wurde und daß jede Münzveränderung dem Patriarchen einen nam¬ haften Gewinn abwarf, da er dem Pächter gegenüber keine anderen Verpflichtungen übernahm, als diesem selber und dessen Leuten ausgiebigen Schutz zu gewähren, die alten Münzen außer Umlauf zu setzen und die Ausfuhr edler Me¬ talle zu verbieten, dagegen aber für jede geprägte Mark Denare vier Solidi, für die Mark kleiner Scheidemünze einen Solido als Abgabe einhob. Ueber den Klerus im Allgemeinen bekommen wir eine gar üble Meinung, da wir nicht selten Geistliche und selbst Domherren wegen Schulden, Wuchers, Spielens oder gar in Thätlichkeiten ausartender Streitigkeiten in Kirchenbußen ver¬ fallen sehen *), so daß Pagano's mit unbestreitbaren Vor- *) Schon Patriarch Raimund hatte es im Jahre 1278 noch- wendig befunden, seine Geistlichen durch strenge Anordnungen und An¬ drohung von Strafen an die Pflichten ihres Standes zu mahnen. Vor allem schärfte er ihnen die Abhaltung und den Besuch des Gottes¬ dienstes ein. Wer die Frühmette versäumte, erhielt kein Brot; wer auch zur Messe zu spät kam, überdies keinen Wein und wer sogar noch bei der Vesper fehlte, an diesem Tage gar nichts. Ferner verbot er jede unehrbare Kleidung und den Besuch der Schenken. Auch sollten die Domherren zu ihren Regeln zurückkehren, die Pfründner in der Nähe 12» 180 zügen und Tugenden ausgestattete Persönlichkeit in der theil- weisen Verderbtheit seiner Umgebung eine sie in um so hellerem Lichte strahlen machende Folie erhält. Einen Augenblick müssen wir noch bei der in zahl¬ reichen Urkunden uns entgegentretenden Leibeigenschaft ver¬ weilen, welche wohl überhaupt zu den bedauerlichsten Merk¬ malen jenes Zeitalters gehörte, aber in Friaul eine ganz außergewöhnliche Ausdehnung gewonnen hatte nnd über alle gesellschaftlichen Verhältnisse desselben seine tiefen Schatten warf. Es gibt kaum eine Art von Handelsgeschäften, welche wir nicht damals über Menschen, wie über willenlose Sachen geschlossen verzeichnet fänden. Am empfindlichsten aber viel¬ leicht fühlen wir uns in unseren heutigen Anschauungen über Menschenwürde durch jenes, die menschliche Natur im Leib¬ eigenen gänzlich verläugnende Document verletzt, mittelst dessen ein Herr von Varmo seiner neuvermählten Gattin einen Mann zu dem von der Sitte geforderten und Dis- montadur genannten Geschenke machte, mit welchem jede junge Frau beim Eintritte in das Haus ihres zukünftigen Ehege¬ mahls — nach der Etymologie des Wortes eigentlich bei dem Absteigen vor dem Hause — von demselben begrüßt werden mußte. Ein Vierteljahrhundert nach Pagano's Tode bestieg der letzte della Torre den Patriarchenstuhl von Aquileja. Ludwig, ein Sohn Raimunds della Torre aus dessen Ehe mit Anfonisia von Villalta, einer Friaulerin, ein Enkel des bei Desio in Gefangenschaft gerathenen und in den Kerkern des Schlosses Baradella an den Leiden und Ent¬ behrungen der strengen Haft gestorbenen Lombardo, hatte ihrer Kirchen wohnen, sowie endlich Kebsweiber und deren Kinder binnen acht Tagen für immer ans dem Hanse geschafft werden. 181 schon frühzeitig eine Domherrnstelle an dem Capitel von Ci- vidale erhalten und sich mehrfacher Aufträge Pagano's an dem päpstlichen Hofe mit Glück und Geschick entledigt. Im Jahre 1347 war er auf den bischöflichen Sitz von Triest erhoben, schon drei Jahre später jedoch nach Olenos und dann nach Koron versetzt worden. Als Papst Jnnocenz VI. am 10. Mai 1359 dem am 29. Juli des verhergegangenen Jahres zu Belluno aus dem Leben geschiedenen Patriarchen Nicolaus I. einen Nach¬ folger gab und sich dabei für Ludwig entschied, befand sich dieser eben, gewiß nicht blos zufällig, zu Avignon. Tags darauf schon setzte der neue Patriarch selber die Stadt Udine schriftlich von der getroffenen Wahl in Kenntniß. Bis zum Eintreffen in seiner Diöcese verstrichen indeß noch mehrere Monate; denn erst am 5. September nahm er, in Aquileja feierlich einziehend, von seiner Kirche Besitz. Ludwigs Bemühungen, die vielseitig geschmälerten Gerechtsamen und Besitzungen des Patriarchates in ihrem vollen Umfange wiederherzustellen, führten bald zu, beinahe seine ganze Regierungszeit ausfüllenden, Verwicklungen der ernstesten Art nicht allein mit vielen seiner Vasallen und mit seinen Schirmvögten, sondern auch mit einer noch weit ge¬ fährlicheren Macht, deren maßgebendes Eingreifen in die friaulischen Angelegenheiten übrigens aus der jüngsten Zeit herstammte. Vor nicht ganz hundert Jahren hatte die dem Patriarchen Gregor von Montelongo von Seite Albrechts II. von Görz widerfahrene unwürdige Behandlung Ottokar II. von Böhmen den erwünschten Vorwand geliefert, seinen Ein¬ fluß über die südlichen Abhänge der Alpen vorzuschieben. Wieder war es ein Act roher Gewalt, diesmal aber ein scheußliches, an einem als Priester wie als Regent gleich hoch stehenden Manne verübtes Verbrechen, welches unlängst einen 182 fremden Fürsten, ein fremdes Heer als Gebieter ins Land gerufen hatte. Durch den Mord des Patriarchen Bertrand von S. Ginnes (1334—4350), der am 6. Juni 1350 am Ri¬ chenvelde nächst Spilimbergo, durch Leute der Görzer und empörte Vasallen unter Führung der Herren von Spilim¬ bergo und von Villalta angegriffen, unter des Letzteren Streichen seinen Tod gefunden hatte, war den Habsburgern, auf welche mit den babenbergischen Herzogthümern auch die der Gründung eines großen Ostreiches geltenden Pläne ihres im Kampfe gefallenen Gegners übergegangen schienen, die ohne Zaudern ergriffene Gelegenheit geboten worden, einen Versuch zur Ausdehnung ihrer Herrschaft über das Patriarchat zu unternehmen. Die Umstände waren überaus verlockend; reichte ja die österreichische Machtsphäre feit der nach Hein¬ richs von Kärnthen Ableben im Jahre 1335 erfolgten Unter¬ werfung dieses Landes bis auf den Kamm der Friaul um¬ säumenden Alpen, und hatte sie ja in dessen Jnnerm an der von Alters her mit Steiermark verbundenen Grafschaft Por- tenau ohnedies einen höchst brauchbaren Stützpunkt. Alle Bemühungen Heinrichs III. von Görz (ch 1363) nach Bertrands Tode zum General - Capitain erwählt zu werden, scheiterten an dem Abscheue, welcher sich beinahe ein- müthig gegen die Mörder des geliebten, von dem Volke als Heiligen verehrten Patriarchen in der unzweideutigsten Weise kundgab. So mußten denn die Görzer die Vortheile, welche sie aus jener Frevelthat ziehen zu können hofften, sich ent¬ gleiten lassen, als das Parlament die oberste Gewalt auf die Zeit der Sedisvakanz Albrecht II. von Oesterreich anbot, dem auch König Carl IV. die Schlichtung der friau- lischen Wirren übertrug. Schon in Juli 1350 befanden sich 183 Friedrich mrd Konrad von Auffenstein, dann Ulrich von Wal¬ see mit einem zahlreichen Heere in Friaul und besetzten für den Herzog von Oesterreich Udine, Gemona, Venzone, S. Daniele und ganz Carmen. Im August erschien Albrecht selbst. Er hielt sich durch acht Tage in Venzone aus, wo er zu Gerichte saß, unter den Edlen des Landes Eintracht stiftete und manchen werthvollen Besitz, wie z. B. das von der Stadt Gemona ihm übergebene dortige Schloß für sich ge¬ wann. Allerdings waren dies zum größten Theile nur vor¬ übergehende Erwerbungen. Die Bereitwilligkeit, mit welcher der deutsche König Carl IV. bei verschiedenen Anlässen sogar unbestrittene Reichsrechte zu Gunsten der Kirche geopfert hatte, mußte ge- legenheitlich durch, wohl minder bedeutungsvolle, Zugeständ¬ nisse des päpstlichen Hofes erwiedert werden, und so geschah es, daß dieser, seit einem Jahrhunderte znm ersten Male wieder, einen Deutschen, Carls natürlichen Bruder Nicolaus auf den Patriarchenstuhl von Aquileja berief (1350). Das luxemburgische Haus, dessen Eifersucht durch die unaufhalt¬ sam wachsende Macht der Habsburger rege erhalten wurde, hatte dadurch einen augenblicklichen Sieg errungen; Albrecht jedoch war keineswegs gesonnen, die Früchte dieses Sieges bedingungslos auszuliefern. Nicolaus mußte sich dieselben erst am 1. Mai 1351 zu Budweis von dem Herzoge durch einen Vertrag erkaufen, welcher Albrecht die Belehnung mit Venzone, St. Michaelsberg, dem oberen Schlosse von Wip- Pach und außerdem auf zwölf Jahre die Chiusa (Klause) von Venzone nebst der dortigen Mauth sicherte. Die Vermehrung der Berührungspunkte des Patriachates mit den Oesterreichern wurde jenem verderblich. So lange Nicolaus regierte, machten sich die daraus hervorgehenden Uebelstände wenig bemerkbar. Er hatte einen zu kräftigen Rückhalt an Carl IV., der das 184 Ausehen des Patriarchen durch Gunitbezeugungen jeder Art zu heben suchte. So hatte bespielsweise Carl auf seines Bruders Bitte im Jahre 1353 der Stadt Cividale die Be¬ willigung zu der schon vom Patriarchen Bertrand (1339) beabsichtigten Gründung einer Universität ertheilt, auf welcher die Jünglinge aller benachbarten Nationen — „Deutsche, Ungarn, Slavonier und Wälsche" — studiren könnten, und ihm selber im Jahre 1355 das Reichsvikariat über Feltre und Belluno verliehen. Ganz anders aber gestalteten sich diese Verhältnisse, nachdem beinahe gleichzeitig mit Nicolaus Albrecht II. (am 20. Juli 1358) gestorben war und des Ersteren Nachfolger Ludwig, der auf sich allein angewiesene Sohn eines verbann¬ ten Adelsgeschlechles, dem Herzoge Rudolf IV. von Oester¬ reich gegenüberstand, welcher jung, reich, thatkräftig und von brennendem Ehrgeize, dabei in der Wahl seiner Mittel mehr glücklich als gewissenhaft, die Bedeutung seines Geschlechtes zu erhöhen, seine Herrschergewalt von allen beengenden Fes¬ seln, von jedem fremden Einflüsse zu befreien und daher auch dem ihm in den Mund gelegten Ausspruche gemäß, „daß er in seinen Landen selbst Papst, Bischof und Dechant sein wolle," die in denselben bestehenden Hoheitsrechte von Aquileja zu beseitigen bestrebt war. Gewiß durchschaute Ludwig diese Sachlage mit voller Klarheit; gewiß unterschätzte er nicht die Schwierigkeiten, die sich ihm entgegenthürmten: dennoch betrat er alsbald ohne Zagen den ihm von seiner Pflicht vorgezeichneten Weg. Es war eine seiner ersten Handlungen, die Rechte seiner Kirche ausdrücklichst geltend zu machen. Noch in Avignon klagte er dem Papste, daß Rudolf von Oesterreich, so wie Meinhard VII. von Görz (s- 1385) viele dem Patriar¬ chate zugehörige Besitzungen, dieser namentlich Tolmein, jener 185 aber Ober- und Nieder-Wippach, Venzone, die Chiusa mit der Mauth, Treffen und Tiefen in Kärnthen, endlich Win- dischgrätz, zu dessen Uebergabe sich schon Albrecht II. ver¬ pflichtet hatte, nebst mehrerem Anderen unrechtmäßiger Weise inne habe * **) ). Jnnocenz VI. wandte sich unverzüglich um Ab¬ hilfe nicht allein an die zunächst Betheiligten, sondern auch an König Ludwig von Ungarn und an Carl IV., der sich sogleich mit diesem Gegenstände beschäftigte und zum Theile dadurch veranlaßt wurde, zu Leitmeritz am 13. October 1359 jenen Majestütsbrief zu erlassen, in welchem er die geistlichen Güter gegen die Uebergriffe der weltlichen Fürsten in Schutz nahm. Nachdem Patriarch Ludwig indeß die Fruchtlosigkeit aller dieser bisherigen Schritte an sich erfahren hatte, scheint er Gewaltmaßregeln angewendet oder mindestens bei den in Friaul immer vorkommenden Reibungen entschieden gegen Rudolfs Leute und Anhänger Partei genommen zu haben. Es ist uns darüber nichts Näheres bekannt, wohl aber, daß Ludwig im folgenden Jahre noch einmal es mit Unterhand¬ lungen versuchte, sich persönlich zu Rudolf, der sich eben in Kärnthen huldigen ließ, nach St. Veit begab, wo auch die Brüder Albrecht IV., Meinhard VII. und Heinrich III. von Görz weilten, und am 14. März 1360 dort für sich und seinen Bundesgenossen, den ebenfalls durch den Herzog in seinen Rechten gekränkten Bischof von Bamberg, bis zum nächsten Weihnachtsfeste einen Waffenstillstand abschloß *) Wir können nicht umhin, bei Erzählung der Zerwürfnisse zwischen dem Patriarchen Ludwig und dem Herzoge von Oesterreich uns vorwiegend an die vortreffliche Darstellung in Hubers Geschichte des Herzogs Rudolf IV. von Oesterreich zu halten. **) De NubeiS meint, daß die im Lckckit. I. uck Lliroii. 6ortus. erzählte, im März 1360 zu Citadella stattgehabte Zusammenkunft des Patriarchen mit Fran; von Carrara in die Zeit nach Ludwigs Rück- 186 Rudolf benützte denselben, den Papst auf seine Seite zn ziehen, was ihm durch Absendung von hundert Helmen nach Bologna zur Unterstützung des Legaten Albornoz gegen Barnabo Visconti so sehr gelang, daß'Jnnocenz sich nicht darauf beschränkte, den friaulischen Händeln ferne zu bleiben, sondern am 28. April 1361 Rudolf sogar aufforderte, gegen die Herren von Prampergo, welche dem Bischöfe von Con¬ cordia Castel Cusano entrissen hatten, einzuschreiten. Ein um so erwünschterer Vorwand zur Betheiligung an den im Pa¬ triarchate gerade wieder ausgebrochenen Fehden dieser Auf¬ trag dem Herzoge auch sein mochte, als die Herren von Pram¬ pergo sich stets durch österreichfeindliche Gesinnung hervor- gethan hatten; es hätte dessen nicht erst bedurft. Rudolfs Rache gegen die von Prampergo war nämlich dadurch schon heraufbeschworen worden, daß dieselben in Ge¬ meinschaft mit den Bürgern von Gemona ") die Chiusa ge¬ nommen, Venzone und dessen Umgegend verwüstet und öster¬ reichische Kaufleute beraubt hatten. Aehnliche Dinge wurden auch den Einwohnern von Cividale und S. Daniele zum Vorwurfe gemacht. Letztere legten endlich die Lunte an den allerwärts angehäuften Zündstoff, indem sie am 2^. März 1361 das untere Schloß Varmo des Diethalm von Varmo, kehr aus Kärnthen falle. Da, wie wir wissen, jene Besprechung ohne alle Resultate blieb und Carrara's Haltung während der nachfolgenden für ^en Patriarchen unglücklichen Periode sogar das Mißtrauen der Friauler, wenn auch nur vorübergehend, erregte, wären wir im Gegen- theile zur Annahme geneigt, daß in Ludwig dann erst der Entschluß zu persönlichen Unterhandlungen mit Rudolf zur Reife kam, nachdem Carrara in Citadclla den gehegten Erwartungen nicht entsprochen hatte. *) Gemona, das sich überhaupt ganz wie eine freie Stadt be¬ nahm, und eigene Abgesandte (zwei Herren von Prampergo oder Pram- Pcro und Fanton Pini) zu Rndolf wegen Unterhandlung des Waffen¬ stillstandes nach St. Veit geschickt hatte, behauptete nur Repressalien dafür zu üben, daß der Gras von Ortenburg einen seiner angesehensten Bürger, Christoph Dati, ohne Grund in den Kerker geworfen hatte. 187 eines nahen Verwandten des zu den Freunden Oesterreichs zählenden Hauses derer von Spilimbergo, überfielen und plünderten. Das Parlament beauftragte den Patriarchen, dem Beleidigten volle Genugthuung zu verschaffen. Da aber Ludwig bei der Ausführung dieses, feinen heimlichen Gegnern Vorschub leistenden Beschlusses sich säumig zeigte, traten die Brüder Walter-Berthold und Heinrich von Spilimbergo offen wider ihn auf, indem sie gegen die patriarchalischen Orte Gajo und Bacile einen verwüstenden Rachezug vollführten, und trieben ihn dadurch zum völligen Bruche mit Rudolf. Die Kunde von allen diesen Ereignissen bewog den Herzog von Oesterreich, der im Begriffe war, den vor wenig Monaten beigelegten Streit mit seinem Schwiegervater zu erneuern, diesem gegenüber zu einer versöhnlichen Haltung, deren Folge das im Monate Juni bei einer Zusammenkunft in Budweis zwischen Carl IV. und Rudolf geschloffene Bündniß war. Kurz vorher hatte Rudolf, jeder Rücksicht¬ nahme auf den Patriarchen nunmehr ledig, einen Schritt gethan, welcher ihn feinem Ziele, der unbeschränkten Aus¬ übung feiner Landeshoheit merklich näher brachte. Auf fein Zuthun hatten die Auffensteine am 15. Mai die nicht gering¬ fügigen Lehen, die sie von der Kirche von Aquileja besaßen, (die Vesten Waldeck, Treffen am Ossiacher See, Buchenstem bei Unter-Drauburg und den Thurm zu Windischgrätz), dem Patriarchen aufgesendet, und zugleich das Ansuchen gestellt, diese Güter ihren Landesfürften, den Herzogen von Oester¬ reich zu verleihen, von welchen sie dieselben sodann als After¬ lehen wiedererhalten sollten. Dasselbe thaten sie mit ihren bambergischen Lehen. Während Rudolf seinem ergebenen Landeshauptmanne in Kärnthen Friedrich von Auffenstein die Sorge um Samm¬ lung von Mannschaften überließ und überhaupt die letzten 188 Vorbereitungen für den bevorstehenden Kriegszng nach Friaul getroffen wurden, eilte er selbst nach Prag, um sich der freund¬ lichen Gesinnungen des Kaisers persönlich zu versichern. In einem am 1. August unterzeichneten Vertrage wurden die Budweiser Verabredungen neu bekräftigt und erweitert, und am folgenden Tage erließ Carl IV. einen Fehde- und Ab¬ sagebrief an die Unterthanen des Patriarchen, worin er ihnen seine Freundschaft und feinen kaiserlichen Schutz auskündigte, weil sie wider den im Jahre 1351 mit ihm auf 12 Jahre abgeschlossenen Waffenstillstand gehandelt, die Besitzungen der Herzoge von Oesterreich angegriffen und wehrlose Kaufleute beraubt hätten. Der Patriarch trachtete weislich, der auswärtigen Ein¬ mischung bei Bezwingung seiner einheimischen Feinde zuvor¬ zukommen. Seine gegen die Herren von Spilimbergo ausge¬ sendeten Kriegsleute erlitten jedoch am 12. August bei Barbeano eine Schlappe, welche sie zum Rückzüge auf S. Daniele nöthigte. Zwei Tage später schon trafen in Villa¬ nova bei Carpacco 800 Oesterreicher ein, welche sich durch den Anschluß der Herren von Spilimbergo, Ragogna und Prata, sowie durch Zuzug aus Pordenone ansehnlich ver¬ stärkten, S. Daniele fünf Tage lang durch Brand und Ver¬ wüstung der außerhalb seiner Mauern gelegenen Theile arg bedrängten und hierauf die befestigten Orte Turrida, Sede- gliano und Gradišča (am Tagliameuto) durch Uebergabe in ihre Gewalt bekamen. Diese verhältnißmäßig unbedeutenden Begebenheiten traten indeß vor dem drohenden Unwetter, das sich gleich¬ zeitig im Osten des Patriarchates über demselben zusammen¬ zog, gänzlich in den Hintergrund. In den letzten Tagen August langte Rudolf in Begleitung seines Bruders Friedrich und mit einem 4000 Reiter zählenden Heere, bei dem sich 189 auch böhmische Hilfsvölker befanden, in Görz an, von wo aus er in einem, vom 28. des Monates datirten Schreiben der venetianischen Regierung erklärte, ihren Besitzungen und Unterthanen keinerlei Schaden zufügen, auch die ange¬ kündigte Gefandschaft bereitwilligst empfangen zu wollen. Unmittelbar darauf wurden die Feindseligkeiten eröffnet. Rodolf rückte über Cormons vor, und lag am 7. September vor Manzano *), das jeden ferneren Widerstand schon am folgenden Tage ausgegeben haben muß, da an demselben fünf Glieder des Hauses Manzano dem Herzoge Treue schwuren. Die Veste Butrio fiel ebenso rasch. Es unterwarfen sich auch der Abt von Rosazzo und im Lager vor Udine am 9. September die Herren von Cucanea und Pertenstein (Partistagno). Rudolf hoffte auch die Hauptstadt, in welcher sich der Patriarch eingeschlossen befand, wie die übrigen Orte im Fluge zu nehmen, da er mit einigen ihrer Bewohner Ein¬ verständnisse angeknüpft hatte. Die verrätherifchen Anschläge wurden aber vor ihrer Ausführung offenbar; Odorico Clu- desto, das Haupt der Verschworenen, riß der ergrimmte Pöbel in Stücke und seine Mitschuldigen fielen dem Beile des Henkers anheim. Wie nahe die Gefahr jedoch gewesen war, ersieht man aus dem Umstande, daß der Patriarch zur Erinnerung anderen glückliche Abwendung eine Denkmünze*'*) mit der Umschrift: „Deelssiu rsstituim sx ulto" prägen ließ. Nach viertägiger, erfolgloser Belagerung Udine's ent¬ schloß sich Rudolf dieselbe aufzuheben (12. September) und *) Er urkundete an diesem Tage „im Felde vor Manson in Friaul." **') Numismatiker halten sich durch das Materiale und die Präge dieser vom Namen des Patriarchen nur den Anfangsbuchstaben t,. tra¬ genden Münze berechtigt, dieselbe im Widerspruche mit Palladio's be¬ stimmter Angabe dem Patriarchen Ludwig lll. Scarampo Mezzarota (1439 — 1465) zuzuschceiben. 190 den bereits früher erwähnten Streitkräften, welche amTaglia- mento standen, die Hand zu reichen. Diese Vereinigung mag wohl Anfangs der Woche, welche der Herzog vor den Mauern Fagagna's zubrachte, bewerkstelligt worden und nicht ohne Einfluß auf die Entschließungen Ludwigs geblieben sein, der am 15. September zu einer Zusammenkunft mit Rudolf, welche in Savorgnano stattfand, und zum Abschlüsse eines vorläufigen Friedensvertrages feine Zustimmung gab. Nach seinen, für Ludwig sehr drückenden Bestimmungen sollte dieser in Begleitung von 12 Edlen Friauls, deren Wahl den Her¬ zogen von Oesterreich überlassen war, alsogleich nach Wien, und nach deren Heimkehr mit denselben zum Kaiser sich ver¬ fügen, dessen Schiedssprüche unbedingt Folge zu leisten, Ludwig und fein Capitel zugleich sich verpflichten mußten. Zum Pfände für die gewissenhafte Ausführung dieser Be¬ stimmungen wurde die Chiusa sogleich den Oesterreichern übergeben. Rudolf begnügte sich nicht mit dem glänzenden Erfolge dieses kurzen aber entscheidenden Feldzuges. Unab¬ lässig mit der künftigen Größe seines Hauses sich befassend und den Blick unverwandt nach vorwärts gerichtet, glaubte er aus seiner Anwesenheit in diesen Gegenden einen weiteren Nutzen ziehen und die freundschaftlichen Beziehungen, welche seit den Tagen König Rudolfs I. und der Vermählung seines Sohnes mit Elisabeth von Görz zwischen den Habsburgern und den Görzern bestanden und bereits in den gegen die Luxemburger gerichteten Bündnissen der Jahre 1339, 1342 und 1345 entsprechenden Ausdruck gefunden hatten, so enge knüpfen zu sollen, daß ihm daraus eine Anwartschaft auf die görzischen Lande erwüchse. Diese zahlreichen und beinahe überall an österreichisches Gebiet stoßenden Besitzungen be¬ fanden sich damals in den Händen von Albrechts III. Söhnen, Albrecht IV., Meinhard VII. und Heinrich III., welche das 191 Erbe ihres ohne Nachkommen verstorbenen Vetters Johann Heinrich mit jenem ihres Vaters vereinigt, und anfänglich auch gemeinschaftlich verwaltet hatten. Bei der Theilung des Jahres 1342 waren die Güter in Istrien und in der Mark Albrecht, jene auf dem Karste, in Friaul, in Kärnthen und im Pusterthale hingegen den beiden anderen jüngeren Brüdern zusammen zugefallen. Obgleich fämmtliche Brüder sich vermählt hatten, fehlten männliche Erben, nachdem Albrecht und Heinrich kinderlos und aus Meinhards Ehe mit Katha¬ rina von Pfannberg nur Töchter hervorgegangen waren. Die Thatsache schon, daß die Schlösser von Manzano und Butrio nach ihrer Einnahme den Grafen von Görz über¬ geben wurden, ließe uns mit Grund darauf schließen, wie wesentlich dieselben Rudolfs letzte kriegerische Unternehmungen in Friaul gefördert hatten; selbst wenn wir nicht wüßten, daß die Grafen damals zu den zuverlässigsten Anhängern des Herzogs zählten, an dessen Hofe zu Wien sie seit einigen Jahren beinahe ununterbrochen als Gäste weilten. Auch hätte Rudolf sich im entgegengesetzten Falle doch schwerlich *) Albrecht bekam in Jsterreich Mitterburch (Pisino), Mcrenvels (Marenfels),Wessenstain (Wachsenstein), Rekel (?), Poymont (Picmonte?), Pyben (Pedena), Galian (Galignana), Lauran (Lovrana), Brischetzz (Versetz), Terveis (Terviso), Tingnan (Antignana), Barban (Barbana), Memlan (Momiano?) und an der March Mcichaw (Michon), New- marcht (Möttling?), Schernomel (Tschernembl), Sewsenwerch (Seifen¬ berg), Wehchselwerch (Wcichselburg) und Schönnwerch (Schönberg). Seine Brüder erhielten Görz, Schwarzenek, Venchenwcrch (?), Rats- Purch (?), da; Newhaus ze der Alben (?), allez daz di Grafschaft hat auf dem Charst, in Friaul Cremawn lCormons), Belgrad (Belgrads), Portlansan (Latisaim), Newnburch (Castelnovo bei Spilimbergo), bei der Geil Lessach, Weidenwerch, Sand Machor, dann in Chernden und im Pusterthal Sand Michelspurch, Resen, Welsperch, Hewnvels, Chlans, Pruk, Lünz, Birg, Rotenstein, Traburch, zway Valchenstein, daz uider und daz ober, Belach, Stein, Mosburch, Eberstein und Horenwerch. 192 veranlaßt gesehen, während sein Bruder Friedrich, von dem Patriarchen auf dem Fuße gefolgt, sich auf den Weg nach Wien machte, unmittelbar aus dem Feldlager nach Görz zu eilen, und für seinen anderen Bruder Leopold um die Hand von Meinhards Tochter Catharina anzuhalten. Diese Wer¬ bung konnte nur die günstigste Aufnahme bei Meinhard finden, welcher in dem Eheversprechen sogleich eine Anweisung auf den, für das Eingehen dieser ebenso ehrenvollen als vor- theilhaften Verbindung wahrscheinlich geforderten Preis aus¬ stellte. Die am 22. September zu Görz unterzeichnete Ur¬ kunde enthielt nämlich nebst mehreren Bestimmungen über die Mitgift der Braut und die Versorgung ihrer unver¬ heiratet bleibenden Schwestern eine Schenkung, welcher zu¬ folge die Herzoge von Oesterreich, wenn Meinhard ohne eheliche Sohne stürbe, alle seine Besitzungen erben sollten. Nachdem Rudolf auch diese Angelegenheit dem er¬ wünschten Ziele zugeführt hatte, stattete er noch Venedig einen Besuch ab, bevor er in seine Länder zurückkehrte. Er¬ hielt es für nützlich, mit den Machthabern der Republik in persönlichen Verkehr zu treten und sich in jener hervorra¬ genden Stadt Oberitaliens, die er in den Kreis seiner poli¬ tischen Berechnungen zu ziehen begann, als Sieger über den dort mit den schadenfrohen Blicken natürlicher Gegnerschaft angesehenen Patriarchen zu zeigen; abgesehen davon, daß seiner bekannten Eitelkeit die glänzende Aufnahme, deren er in der Lagunenstadt eben deßhalb sicher war, nicht werthlos erscheinen mochte. Am 25. September verpflichtete sich Ru¬ dolf in Portlansan (Latisana) Meinhard gegenüber zur Er¬ wirkung der für die Vermählung Leopolds mit Catharina der Verwandschaft wegen nöthigen päpstlichen Dispens; am Michaelstage landete er in Venedig, das er nach einer, untcr ihm zn Ehren gefeierten Festen verlebten Woche wieder ver- 193 ließ, um über Görz und Cividale, wo er zwei Tage rastete, den Heimweg einzuschlagen. Obwohl der Patriarch sich dem Vertrage gemäß sogleich nach Wien begeben hatte, beeilte sich Rudolf auch jetzt noch nicht, ihn daselbst einzuholen, um die bedungene gemeinsame Reise zu Carl IV. anzutreten, sondern hielt sich bis Mitte November in Kärnthen und Steiermark auf. Die Behand¬ lung, welche er außerdem den Patriarchen erfahren ließ, war eine höchst unwürdige. Ludwig und mit ihm, vielleicht im Namen der übrigen Edlen, Franz von Savorgnano und Simon von Valvasone hatten bei ihrer Ankunft in Wien schwören müssen, es ohne Wissen und Willen des Herzogs nicht zu verlassen. Trotzdem wurde ersterer in einem Ho- fpitinm gefangen gehalten, und von seinem Gefolge, welches Mölk zum Aufenthaltsorte angewiesen erhielt, getrennt; ja als Rudolf in Folge eines vor Beginn des Krieges geleisteten Gelübdes in Enns eine tägliche Messe stiftete, ward Ludwig zur Demüthigung gezwungen, als Zeuge seinen Namen unter den Stiftbrief zn setzen, in welchem jener sich glücklich pries, den friaulischen Krieg so erfolgreich geführt und den Patriarchen ganz in feine Gewalt bekommen zu haben. Daran, die Entscheidung in den mit dem Patriarchen obschwebenden Streitfragen von dem Urtheile seines Schwie¬ gervaters abhängig zu machen, dachte übrigens Rudolf längst nicht mehr. Es wäre jetzt gewiß zu seinen Ungnnsten ausge¬ fallen, da die, durch die Verträge vou Budweis und Prag angebahnten guten Verhältnisse zwischen beiden in Folge eines der bei Rudolf häufig vorkommenden Wechsel in der Politik einer tiefen Verstimmung gewichen war, welche in dem am 31. Dezember dieses Jahres zu Preßburg gegen Carl IV. eingegangenen Bündnisse des Herzogs mit Ludwig Aquileja. 194 von Ungarn, Casimir von Polen und Meinhard III. von Tirol-Baiern gipfelte. Unter solchen Umständen erachtete man sich auch in Friaul nicht mehr au die Bestimmungen des Vertrages von Fagagna gebunden. Die Stimmung im Lande war wieder- zuversichtlicher geworden, besonders seit man der Besorguiß, auch noch einen zweiten, kaum minder gefährlichen Gegner bekämpfen zu müssen, ledig geworden war. Streitigkeiten zwischen der Gemeinde Saeile und dem dortigen patriar¬ chalischen Hauptmanne Federighinv della Torre hatten näm¬ lich in jüngster Zeit dahin geführt, daß letzterer die wider¬ spenstige Bürgerschaft mir Gewalt zum Gehorsam zurückzu¬ führen genöthigt worden war. Selbst dem Herrn von Padua enge befreundet, hatte er dabei die Unterstützung Tolberto's von Prata, eines Vetters Carrara's aus einem dem Patri¬ archen feindlich gesinnten Hause in Anspruch genommen. Da nun Saeile mit carraresischen Söldnern, welche Tolberts zur Verfügung standen, angefüllt war, konnte man sich nicht des Argwohnes erwehren, als sollte die herrenlose Zeit im Pa¬ triarchate benutzt werden, jenen Ort in unauffälliger Weise davon loszureißen. Carrara beeilte sich indeß, alle derlei Gerüchte zu widerlegen. Er fertigte einen Abgesandten, Bar- tolino de Ruini, mit den beruhigendsten Versicherungen an die Stadt Udine und an des Patriarchen Vizedom Carlevario della Torre ab, dem Saeile nach Entfernung des padua- nischen Kriegsvolkes durch Bartolino förmlich übergeben ward. Das Zeichen zur Erneuerung des Kampfes wider die Oesterreicher und ihre Verbündeten gaben Gemona, Cim¬ bale, das vorher zu Rudolf gehalten hatte, und wie immer, wenn es für das Vaterlandeiuzustehen galt, vor allen Udine, welches sogar die Arbeiten am Baue seiner Hauptkirche unter¬ brach, um die Werkleute und die Werksteine zur Vermehrung 195 und Verstärkung seiner Bollwerke zu verwenden. Ebenso schnell, als sie an Rudolf verloren gegangen waren, wurden die Besten Manzano — am 2. März 1362 durch Feuer bezwungen — und Butrio — das zerstört wurde — wieder¬ gewonnen. Cormons leistete wohl kräftigen Widerstand und erlitt nur geringen Schaden durch den Brand einiger Häuser; im Westen aber mußten sich Quadrivio und Rivalta den Friaulern ergeben. Das Chronicon Spilimbergense irrt, wenn es die Theilnahme des Patriarchen an diesen Unternehmungen be¬ hauptet. Er befand sich immer noch in Wien. Blos Savor- gnanv und Valvasone hatten dasselbe unter dem Vorwande, daß Rudolf ihnen nach dem Leben trachte, insgeheim ver¬ lassen. Sie erschienen unmittelbar nach den oben angeführten Ereignissen in Friaul, und ihrer Einwirkung wird man es wohl zuzuschreiben haben, daß die Anhänger des Patriarchen, durch die bisherigen Erfolge kühn gemacht, in das Gebiet der Görzer einfielen. Am 14. März zogen sie gegen Duino und verwüsteten den Ort und die Kirche S. Giovanni am Timavo, wurden aber auf dem Rückzüge von Winter von Tybein, und dem zu dessen Unterstützung aufgebotenen Ulrich von Reiffenberg ereilt. Das Fußvolk, von der Reiterei im Stiche gelassen, erlitt dabei empfindliche Verluste. 400Todte blieben am Platze und die in Gefangenschaft gerathenen Ver¬ wundeten starben unter den Mißhandlungen der Weiber des Karstes, welche damit für erlittene Unbilden grausame Wieder¬ vergeltung übten. Da Rudolf gerade damals einen Krieg mit Böhmen ernstlich in's Ange faßte, konnte er seine Kräfte nicht zur Behauptung der im verflossenen Jahre in Friaul gemachten Eroberungen verwenden. Er überließ es daher feinem neuesten Verbündeten, dem Könige von Ungarn, vermittelnd aufzn- 13* 190 treten. König Ludwig forderte Franz von Carrara, mit dem er seit seinen italienischen Kriegen aus dem besten Fuße stand und den er sich unlängst erst durch die Abtretung von Feltre und Belluno (1360) verpflichtet hatte, auf, sich seinen Bemühungen anzuschließen. Die im Vereine wirkenden Ab¬ geordneten des Königs und des Carraresen brachten es auch wirklich dahin, daß zwischen den Friaulern und den Oester¬ reichern eine Waffenruhe, welche mit dem nächsten Mariä- Himmelfahrts Tage ablaufen sollte, zu Stande kam, welcher auch die Gräfin Catharina von Görz, nach eingeholter Zu¬ stimmung ihres abwesenden Gatten Meinhard, in dessen Namen nachträglich beitrat. Um die Lage des Patriarchen etwas trostreicher zu ge¬ stalten, kam noch hinzu, daß der Kaiser die auf einem, in der zweiten Hälfte März zu Nürnberg abgehaltenen Reichs¬ tage um sich versammelten Kurfürsten durch seine Klagen über Rudolf bewog, an denselben wegen seines ganzen Verhaltens Mahnungen zu richten und ihm namentlich die ungesäumte Entlassung des gefangen gehaltenen Patriarchen, der doch ein Reichsfürst sei, aufzutragen. Dessenungeachtet waren es überaus harte Bedingungen, welchen sich dieser, um nur seine Freiheit wieder zu erlangen, in dem am 21. April zu Wien abgeschlossenen Frieden unterwarf. Der Herzog erhielt darin nebst den bisher strittigen Schlössern von Windischgrätz und Laas alle Lehen der Kirche von Aquileja in Steiermark, Kärnthen, Kram, der Mark und auf dem Karste, welche jedoch als Afterlehen den damaligen Besitzern verbleiben sollten, und das, die Unabhängigkeit des Patriarchen in Frage stel¬ lende Recht, auf die Zeit von dessen Regierung einen eigenen Hauptmann in Friaul zu halten. Nicht genug an dem; ein durch den König von Ungarn beliebig fürzuwählendes Schloß sollte dem Hauptmanne des Herzogs und seinen Leuten — 197 50 Mann, nach Umständen auch mehr oder weniger —über¬ geben und sogar die Erhaltungskosten dieser fremden Be¬ satzung durch das Land Friaul getragen werden. Ferner ver¬ sprach der Patriarch, die Chiusa, Manzano und Haunberg (sollte dies etwa das Schloß von Butrio sein?) binnen Jahresfrist dem Herzoge in demselben Zustande, in welchem er es früher besessen, zu übergeben, und für das laufende Jahr eine Entschädigung von 1000 Mark zu leisten. End¬ lich sagten sich Rudolf und der Patriarch gegenseitige Hilfe wider jeden Feind zu, mit Ausnahme der Grafen von Görz und des Königs von Ungarn, welchem zugleich in der Friedens¬ urkunde das Recht Vorbehalten blieb, an dem Inhalte der¬ selben Abänderungen vorzunehmen. Aus dieser letzten Bestimmung wird es klar, warum sich Rudolf, der Patriarch und zugleich Abgesandte aus Friaul nebst Earrara's schon dort für den Frieden thätig gewesenen Bevollmächtigten, Messer Simone Lupo aus Parma, kurz nachher in Croatien, wo König Ludwig gerade Hof hielt, einfanden. Einer vom Patriarchen am 2. Mai zu Kopreinitz ausgestellten Urkunde entnehmen wir, daß der König von der ihm eingeräumten Befugniß zu des ersteren Gunsten einen umfassenden Gebrauch machte. Rudolf mußte nicht allein auf das Recht, einen Hauptmann in Friaul einzufetzen, und auf alles, was daran hing, sondern auch auf die Zahlung der 1000 Mark verzichten; weiters wurde festgesetzt, daß die Chiusa mit der Mauth anstatt für beständig nur auf 24 Jahre als Entschädigung für die Kriegskosten österreichisch werden sollte. Bei den eben geschilderten Ereignissen hatte der Pa¬ triarch gleich so manchem seiner Vorgänger es auf das bitterste erfahren müssen, wie viele der eigenen Vasallen, ihrer Lehens¬ pflicht nneingedenk, sich stets bereit finden ließen, den nicht. 198 selten von ihnen selbst herbeigerusenen Feinden die Hand zu bieten, Fürst und Vaterland auf diese Weise verrathend und verderbend. Deßhalb war es auch, kaum heimgekehrt, seine erste Sorge, zur Steuer dieses Uebels, an welchem das Pa¬ triarchat seit langem kränkelte, geeignete Mittel zu ergreifen. Das Parlament, in welchem der störrifche Adel eine ge¬ wichtige Stimme besaß, zeigte wenig Neigung, thätig dabei mitzuwirken, und der Patriarch konnte nur unbedeutende Zu¬ geständnisse erlangen, darunter das gewiß nicht strenge ge¬ handhabte Verbot des Wiederaufbaues aller in dem letzten Kriege zerstörten Burgen. Weit mehr als diesen unzureichenden Maßregeln hatte er es dem in den allgemeinen Politischen Verhältnissen des südöstlichen Deutschland eingetretenen Umschwünge zu danken, daß seine Stellung minder bedroht erschien, als im Jahre 1363 die durch den Frieden von Wien vorübergehend beige¬ legten Zerwürfnisse mit Rudolf zum Wiederausbruche der Feindseligkeiten führten und dadurch jene kurze Periode wohl nur scheinbarer Ruhe abgeschlossen ward, in welcher das Wenige, was uns von einer friedlichen Zwecken gewidmeten Thätigkeit Ludwigs bekannt ist — die Wiederherstellung des durch ein Erdbeben beschädigten patriarchalischen Palastes zu Udine und der Mauern von Tolmezzo — gefallen sein dürste. Die in Tirol im Jahre 1363 sich vollziehenden Ver¬ änderungen wurden auch für die Zustände im Patriarchate von der weitreichendsten Bedeutung. Am 13. Jänner starb Plötzlich auf Schloß Tirol, kaum 20 Jahre alt, Meinhard III. von Tirol-Baiern, der einzige über die Kinderjahre hinaus gelangte Sprosse aus Margarethens (der Maultasche) zweiter Ehe mit Ludwig von Baiern-Brandenburg, und dadurch trat die Frage über die Nachfolge in jenem wichtigen Alpenlande, 199 welche schon seit mehr als zwei Jahrzehnten einen so be¬ stimmenden Einfluß auf alle deutschen Verhältnisse genommen hatte, unerwarteter Weise ganz in den Vordergrund. Margarethe, um deren Gunst, der damit verbun¬ denen Aussicht auf Ländergewinn willen, die damals mächtigsten Fürstengeschlechter Deutschlands, die Luxem¬ burger, die Wittelsbacher und zuletzt die Habsburger der Reihe nach gebuhlt hatten, war nun wieder alleinige Herrindes Gebietes, das sie schon im Jahre 1359 für den Fall, als sie selbst, ihr Gatte und ihr Sohn ohne Nach¬ kommen sterben sollten, den Herzogen von Oesterreich ver¬ macht hatte. Als Herzog Rudolf, um Meinhards Tod für seine Zwecke auszubeuten, schon wenige Tage später in Tirol eintraf, kostete es ihm keine übergroße Mühe, die hilflos dastehende Fürstin, welche sich der Regierung des, eine starke Hand benöthigenden Landes selbst kaum gewachsen fühlte, die bereits fünfundvierzigjährige Frau, welche die Huldigun¬ gen des in der vollen Jugendblüthe seiner Jahre stehenden hochangesehenen Herzogs bestechen mußten, gänzlich für sich zu gewinnen. Margarethe leistete sogleich vorläufigen Ver¬ zicht aus Tirol zu Rudolfs Gunsten, und vollzog die Ueber- gabe dieses Geschenkes im darauffolgenden Monate September. Diese offenbare Verletzung der dem görzer Grafenhause durch den Theilungsvertrag vom Jahre 1271 zweifellos zu¬ stehenden Erbrechte fand bei dessen Gliedern eine verschieden¬ artige Ausnahme. Von Heinrich III. ist nicht mehr die Rede. Wie daraus und aus Rudolfs, die eventuelle Beerbung Al¬ brechts IV. betreffender Urkunde vom 27. April 1363 un¬ zweideutig hervorzugehen scheint, war er wahrscheinlich schon im Beginne dieses Jahres gestorben. Dem kinderlosen Al¬ brecht IV. war die Beseitigung seiner Ansprüche auf Tirol kein genügender Anlaß, den Habsburgern seine Freundschaft 200 zu künden. Er hielt sogar gerade diesen Zeitpunkt für ange¬ messen, um dem zwischen Meinhard VII. und Rudolf am 22. September 1361 geschlossenen Vertrage beizutreten und (im April 1363) die Herzoge von Oesterreich zu Erben auch seiner Besitzungen unter den gleichen Bedingungen einzusetzen. Er blieb iudeß nicht dabei stehen. Am 6. Jnni 1364 ent¬ sagte er allen seinen Rechten auf Tirol und schloß mit dem österreichischen Herzoge einen Erbvertrag, durch welchen er demselben, mit Uebergehung seines Bruders Meinhard, den Besitz aller seiner Herrschaften nach seinem Tode zusicherte. Wenn ferner Meinhard vor ihm ohne Leibeserben stürbe, sollte er zwar auf Lebenszeit die Besitzungen feines Brnders erhalten, sie jedoch nur gewissermaßen im Namen der Herzoge verwalten, welche sich dafür verbindlich machten, Albrecht zu dem ihm zukommenden Theile von seines Bruders Heinrich Vermächtniß zu verhelfen und seine Schulden bei den Juden zu bezahlen. Diese letzte Bestimmung läßt es uns errathen, was Albrecht sich immer inniger an die Habsburger anzu¬ schließen hauptsächlich bewog. In der That erfolgte nicht lauge nachher (am 14. September zu Mitterburg) zwischen Meinhard und Albrecht die Theilung der von ihrem Bruder hinterlassenen „Herrschaft und Grafschaft Lienz." Nachdem diese Bedingung erfüllt und es späterhin zum offenen Bruche mit Meinhard gekommen war, mochten die Herzoge mm auch Bürgschaften für die pünktliche Einhaltung der Zusagen Albrechts fordern, weßhalb dieser am 30. April 1365 erklärte, noch vor dem 24. Juni einen Hauptmann über Istrien zu setzen, der sich, wie jeder andere Hauptmann in Zukunft, durch einen Eid verbindlich machen sollte, nach Albrechts Tode dessen Güter nur allein Rudolf und seinen Brüdern oder deren Erben zu überliefern. Unmittelbar vor¬ her hatte aber Albrecht noch einen Beweis von Fürsorge 201 gegen seine Unterthanen gegeben, indem er, gleichsam zum Abschiede von ihnen, alle alten Privilegien, deren sie sich in Istrien, der Mark Mettling und der windischen Mark er¬ freuten, durch Freiheitsbriefe bestätigt hatte. (Gegeben zu Neumarkt in der Mettling am 23. April 1365.) Meinhard VII. hingegen, welcher mit mehreren Töch¬ tern gesegnet war, und die, in einer zweiten Ehe in der That verwirklichte Hoffnung auf männliche Nachkommenschaft noch nicht aufgegeben hatte, legte alsbald eine entschiedene Kälte gegen Rudolf an den Tag. Wien, wo er so gerne, zum letzten Male noch im December 1362 geweilt hatte, mied er von nun an. Die unverzüglich eingeleiteten Unterhandlungen mit dem Patriarchen führten durch Catharina's, des Grafen Ge¬ mahlin, Vermittlung zu einem am 14. December 1363 in Görz abgeschlossenen Vergleiche, der den mit dem Patriarchen und dem Capitel von Cividale schwebenden Streit über den Bezug des Zehentes in Tolmein beilegte. Im Beginne der kriegerischen Begebenheiten, deren Verlauf wir alsogleich schildern werden, verhielt sich Meinhard noch neutral, als aber Rudolf es für zweckmäßig erachtete, feinen Verspre¬ chungen vom Jahre 1361 untreu zu werden und, um die neue Bundesgenosfenfchaft mit Barnabo Visconti fester zu knüpfen, um dessen Tochter Viridis für seinen Bruder Leo¬ pold zu werben, betrachtete der, durch die seiner Tochter zu¬ gefügte Kränkung nun auch persönlich beleidigte Meinhard sich von jeder Verpflichtung gegen Rudolf frei. Daß Carl IV. in jener Zeit (zu Prag am 2. Februar 1365) Meinhard zu seinem Hofgesinde, Rathgeber und Diener ernannte, ihn aller Rechte und Freiheiten derselben theilhaftig machte und versprach, ihn als seinen und des römischen Reiches Fürsten und Getreuen bei allen Gütern und Rechten zu schützen, können wir mit des Kaisers damaliger großer Ge- 202 neigtheit für Rudolf nur durch die Annahme reimen, daß dies ein im Interesse des Letzteren unternommener, jedoch nutzloser Versuch war, Meinhard durch diese Gnadenbezeu¬ gung für den Entgang der von der Verbindung seiner Tochter mit Leopold von Oesterreich erwarteten Vortheile zu ent¬ schädigen und so für die Partei der Oesterreicher wieder zu gewinnen. Am 3. April 1365 schloß Meinhard zu Udine vor dem feierlich versammelten Parlamente ein Schutz- und Trutzbündniß mit dem Patriarchen und am 30. des folgenden Monates ging er zu Hof-Gastein eine ähnliche, in erster Linie gegen Oesterreich gerichtete Verbindung mit dem Her¬ zoge Stephan von Baiern-München und dessen Söhne ein, durch welche alle einst zu Gunsten der österreichischen Her¬ zoge gethanen Schenkungen thatsächlich widerrufen wurden. Meinhard erklärte an diesem Tage urkundlich, daß er seine Tochter Catharina (Leopolds von Oesterreich ehemalige Ver¬ lobte) Stephans Sohne Johann zum Weibe gegeben und dieselbe nebst ihrem Gatten und beider Kindern, falls er ohne Söhne mit Tode abginge, zu Erben aller seiner Güter eingesetzt habe, wiedenn auch von seinen Rittern und Knechten, Städten und Märkten den zukünftigen Landesherrn bereits gehuldigt worden sei. Außer Meinhard von Gör; und den Herzogen von Baiern war anfänglich auch der Kaiser über die Besitzergreifung Tirols durch Rudolf sehr aufgebracht und sogar entschlossen gewesen, sich derselben mit den Waffen in der Hand zu widersetzen. Es lag ganz in der Natur der Sache, daß Carl IV. unter diesen Umständen Partei für den Patriarchen genommen und ihm unter anderen am 5. April 1363 aus Nürnberg geschrieben hatte, daß er alle Verzichte, Entsagungen und sonstigen von ihm während seiner Gefangenschaft einge¬ gangenen unerlaubten und unwürdigen Verpflichtungen aus kaiserlicher Machtvollkommenheit für null und nichtig erkläre. 203 Während nun die Baiern ihr Vorhaben aussührten und dem Patriarchen dadurch einen Dienst leisteten, indem die Vor¬ bereitungen zum Kriege nm Tirol und dessen wirklicher Aus¬ bruch im Herbste 1363 und im Sommer 1364 auf Ru¬ dolfs anderweitige Unternehmungen uvthwendig lähmend einwirken mußten, fand zwischen Carl und Rudolf am Schluffe des Jahres 1363 eine vollständige Aussöhnung statt. Dem Patriarchen erwuchs jedoch daraus kein Nachtheil. Der Kaiser hätte keinesfalls mehr als sein Ansehen für denselben einge¬ setzt. Sein gutes Einvernehmen mit Rudolf aber führte in seinen Folgen dem Patriarchen einen nicht zu verachtenden Bundesgenossen zu. Indem der Kaiser, jetzt bemüht, seinem Schwiegersöhne in allem zu Willen zu seiu, demselben am 9. Mai 1364 auch Feltre, Belluno und die Grafschaft Tschimell (Zumalle) verlieh, verfügte er über Orte und Landschaften, welche sich in der Gewalt des Herrn von Padua, Franz von Carrara befanden, und machte diesen um alle seine in den oberen Thälern der Piave und Brenta gelegenen Besitzungen besorgt. Da ferner die Festsetzung des österreichischen Einflusses in Friaul Carrara in jeder Beziehung nur höchst bedenklich er¬ scheinen konnte, trat er mit Entschiedenheit auf die Seite des Patriarchen, den er vorerst nur mit Geld (1000 Dukaten zur Anwerbung von Mannschaften) späterhin aber auch mit ansehnlichen Streitkräften unterstützte, und trug damit wesent¬ lich zu den siegreichen Erfolgen bei, welche die, diesmal vom Glücke begünstigten patriarchalischen Waffen wiederholt da¬ vontrugen. Nebstbei hatte Carrara noch besondere Be¬ schwerden gegen die Spilimbergo, zu deren Demüthigung der Krieg des Patriarchen bei erwünschtem Verlaufe führen mußte. Sie hatten einst der Republik Venedig ihre Dienste gegen Carrara angetragen, und jetzt verweigerten sie die 204 Zahlung der bedeutenden Summen Geldes, welche sie diesem schuldeten. Was den Werth der engen Verbindung mit dem Herrn von Padua noch besonders erhöhte, war der Umstand, daß sie für die Freundschaft des Königs von Ungarn, der im Jahre 1358 Carrara seine Hilfe gegen jedermann zugesagt hatte, eine sichere Gewähr bot. Holen wir nun die Erzählung der einzelnen kriegerischen Vorfälle nach, der wir mit unseren Betrachtungen über die Beziehungen des Patriachates zu seinen Nachbarländern weit vorausgeeilt sind. Die friedlichen Zustände Friauls müssen schon im Frühjahre 1363 eine Störung erfahren haben. Am 9. Mai dieses Jahres gab der Kaiser allen Bewohnern des Patri¬ archates den mit Herzog Rudolf abgeschlossenen viermonat¬ lichen Waffenstillstand mit der Aufforderung bekannt, sich während derselben ebenfalls jeder Feindseligkeit gegen des Herzogs Leute zu enthalten; fügte aber die Zusicherung hinzu, niemals ein Abkommen treffen zu wollen, durch welches die Kirche von Aquileja, der Patriarch oder dessen getreue Unter- thanen irgendwie in ihren Rechten verkürzt werden könnten. Rudolf hielt sich nicht an jene ausbedungene Frist, sondern erneuerte den Kampf vor ihrem Ablaufe. Unter dem kaum grundlosen Vorwande, daß die Bestimmungen des Vertrages von Wien nicht vollständig erfüllt worden seien, vermehrte er sein Kriegsvolk in Friaul, indem er es zugleich zu Ge¬ waltmaßregeln ermächtigte. Auch seine Anhänger, deren er im Patriarchate nicht wenige zählte, griffen zu den Waffen. Außer den Bürgern von Venzone und den Herren von Ra- gogna, welche vermöge ihrer Lehenspflicht Rudolfs Banner folgten, waren die hervorragendsten darunter Andreas von Pulcinico, Plebanus von Strassoldo, Facina von Partistagno, Johann von Uruspergo-Villalta, Tolberto von Prata, der 205 um Weiber willen mit Carrara verfeindet, diesmal dessen Gegnern sich beigesellte, und namentlich die Brüder Walter- Berthold und Heinrich von Spilimbergo, welche im vorher¬ gehenden Jahre mit Einwilligung der Herzoge von Oester¬ reich das, Jgnolf und Bello von Lisca um 8000 Dukaten verpfändet gewesene Pordenone durch Bezahlung dieses Be¬ trages an sich gebracht und so ihre ohnedies schwer in's Ge¬ wicht fallende Macht noch ansehnlich vergrößert hatten. Durch alle diese Adeligen unterstützt, konnten die Oesterreicher, trotz ihrer wahrscheinlich geringen Stärke, dem Lande vielfachen Schaden zusügen. Sie streiften über den Tagliamento hin¬ über und drangen nach bewirkter Bereinigung mit den Leuten der Herren von Spilimbergo bis vor S. Vito, wohin sich der Patriarch mit den Seinigen zurückgezogen hatte. Da dieser sich jedoch nicht aus seiner dortigen festen Stellung hervorlocken ließ, wandten sie sich gegen Valvasone, ver¬ heerten dieses Besitzthum des dem Patriarchen mit unerschüt¬ terlicher Treue ergebenen Simon von Valvasone und steckten es schließlich in Brand (am 7. September). Der Patriarch gab nunmehr den Befehl zu Repres¬ salien, welche vorerst an den Herren von Spilimbergo ge¬ nommen wurden, da dieselben als die Häupter der Abtrün¬ nigen Ludwigs Rache ganz besonders herausgefordert hatten, und sich eben jetzt eine günstige Gelegenheit darbot, sie em¬ pfindlich zu treffen. Alljährlich feierte man im Herbste bei S. Daniele ein Fest, an welchem beinahe die ganze Bevöl¬ kerung des benachbarten Spilimbergo theilzunehwen Pflegte. Bei diesem Anlasse sollten alle Leute aus Spilimbergo durch Bewaffnete ergriffen werden, um unverzüglich darauf Spi¬ limbergo selbst zu überfallen und zu nehmen. Es scheint indeß die Sache nicht ganz geheim gebieben zu sein; der Be¬ such des Festes aus Spilimbergo war in diesem Jahre ein 206 außergewöhnlich spärlicher und der Anschlag gelang daher mir zum Theile. Einige Zeit noch, nachdem auf diese Weise von beiden Seiten die Feindseligkeiten eröffnet worden waren, beschränkten sich dieselben auf einzelne Raubzüge, bis durch das Erscheinen der Paduanischen Hilfsvölker auf dem Kriegsschauplätze die Kriegführung einen entschiedeneren Charakter annahm. Car¬ rara hatte bei Abschluß des Vertrages mit dem Parriarchen den Vorbehalt gestellt, daß nichts unternommen werden dürfe, bevor nicht eine zustimmende Antwort des Königs von Un¬ garn auf die Anzeige dieses Schrittes eingetroffen wäre, und wollte daher noch mit seiner Hilfeleistung zögern. Die nicht mehr zu zügelnde Ungeduld der Friauler, welche trotz dessen unmittelbar nach Unterzeichnung des Bündnisses losschlugen, nöthigte Carrara noch vor dem ausgemachten Zeitpunkte zur Betheiligung an dem Kampfe, welcher zu Ende des Jahres 1364 an verschiedenen Punkten des Landes mit gesteigerter Heftigkeit entbrannte. Ein Theil der carraresischen Truppen unter Gerhard von Rubbiera griff, mit den Bürgern von Udine vereint, die Besitzungen der Spilimbergo am Tagliamento an und be- rannte, allerdings vergeblich, deren gleichnamigen Stammsitz. Gleichzeitig fielen die Cividaleser über die nahe Burg Urus- Pergo (auch Grusbergo) her, welche einst den Herren von Vil- alta gehört hatte, später von diesen den Herzogen von Oester¬ reich abgetreten worden war und nun durch einen Haupt¬ mann des Grafen Friedrich von Cilli, der es pfandweise inne hatte, befehligt wurde. Cividale war diesem Schlosse beson¬ ders gram, weil es durch letzteres nicht allein in allen Kriegen, sondern selbst in friedlichen Zeiten, da Falschmünzer und Wegelagerer dort eine Zuflucht fanden, häufigen Abbruch erlitten hatte. Als es in Cividale bekannt wurde, daß Urus 207 pergo mil Kriegsknechten und Mundvorrath nur mangelhaft versehen wäre, zogen die Bürger aus der Stadt hinaus, legten sich davor und bedrängten es mit Wurfmaschinen aller Art. Der gehoffte Entsatz traf binnen der gewährten Frist nicht ein. Da ergab sich die Besatzung am 22. September und das Schloß ward vom Grunde aus zerstört. In einer der vorhergehenden Nächte aber war es Walter-Berthold von Spilimbergo gelungen, aus Uruspergo *), wo er sich gerade anfgehalten hatte, zu entkommen und nach vielen Beschwer¬ lichkeiten Cucanea zu erreichen, von wo er sich auf den Weg nach Deutschland machte, von Herzog Rudolf rasche Hilfe zu begehren. Ein gleiches Schicksal wie Uruspergo ereilte auf des Patriarchen Geheiß am 24. November das den Spilimbergo gehörige, gleichfalls bei Cividale gelegene Schloß Zuccula, das nie wieder aus seinem Schutte erstehen sollte. Die im offenen Felde stehenden Truppen des Patri¬ archen, denen sich eine Schaar Paduaner unter Bertuccio von Montemilone anschloß, waren der bewährten Führung Franz von Savorgnano anvertraut, eines um das Patriarchat verdienten Mannes, dem Udine in Anerkennung der dem Vaterlande geleisteten Dienste das vor Zeiten von seinem Hause schon besessene Vorrecht wiederverliehen hatte, von allen seinen Stadtthoren je einen Schlüssel zu verwahren. An der Spitze der Feinde stand ein kaum weniger berühmter Kriegsmann, Walter-Berthold von Spilimbergo, der von Carl IV. am Tage der Kaiserkrönung auf der Engelsbrücke zn Rom nebst den Friaulern Gerhard von Cucanea, Pagano *) Da es uns ganz unmöglich war, irgend eine Spur von einem friaMischen Schlosse Umsbergo zu entdecken, so halten wir dafür, daß dies im .L66it. l. Olwou. tiorku». nur eine fehlerhafte Schreibart für Uruspergo ist. 208 und Frau; von Savorgnano nnd unzähligen anderen Herren eigenhändig zum Ritter geschlagen worden war. Walter-Berthold näherte sich über Görz mit den 800 von Herzog Rudolf gesendeten Lanzen. Savorgnano ver- muthete, daß jener Spilimbergo auf dem kürzesten Wege ;u erreichen trachten würde, und bewachte den Tagliamento- Uebergang an der Straße von Strassoldo nach Valvasone. Walter-Berthold wich jedoch geschickt aus und zog am Fuße des Gebirges durch Wald uud Hügelland hin. Schon war er seinem Ziele nicht mehr ferne, da beging er die Unvor¬ sichtigkeit unweit Fagagna einige Häuser in Brand stecken zu lassen. Der von denselben aufsteigende Rauch, der ein ver¬ abredetes Zeichen für seine Nachhut war, verrieth seine Ge¬ genwart. In stürmischer Eile kam Savargnano herbei und stürzte sich auf die Oesterreicher, welche, zweimal gesprengt, zweimal ihre Reihen wieder schlossen. Vergeblich war alle ihre Tapferkeit, ein drittesmal zurückgedrängt, vermochten sie sich nicht mehr zu sammeln. 100 Oesterreicher, darunter 20 vom Adel bedeckten den Kampfplatz, 100 andere sielen mit 200 Pferden und vielen reich beladenen Saumthieren den Siegern in die Hände. Dank der Ausdauer und Schnellig¬ keit seines Pferdes, das ihn nach Spilimbergo getragen hatte, war Walter-Berthold abermals dem Verderben entronnen, um seiner Heimat neues Unheil bereiten zu können. In diesem kritischen Augenblicke trug die Republik Venedig, welche Rudolf befreundet war und, den Spilim¬ bergo ihren Schutz angcdeihen zu lassen, ein besonderes In¬ teresse hatte, den Kriegführenden ihre Vermittlung zur Her¬ beiführung des Friedens au Carrara erwiederte der deß- *) Rudolf hatte am 8. November 1363 von Hall in Tirol aus dem Dogen in Bcamwortnng eines Schreibens desselben die Ber- 209 halb an ihn abgeschicktrn Gesandtschaft, daß er dem Könige von Ungarn ganz allein das Recht zur Vermittlung zuge¬ stehen könne, daß er aber, falls dieser keinen Gebrauch davon machen wollte, sich dann an die Republik wenden würde. Auch der Patriarch gab nur Ausflüchte zur Antwort, und Rudolf selbst war wenig geneigt, auf Unterhandlungen ein¬ zugehen. Walter-Berthold war es, der nach Rache dürstend, vom Herzoge unablässig Mittel zur Fortsetzung des Kampfes forderte. In der Thal schickte Rudolf eine Abtheilung Oester¬ reicher, bei welcher sich 80 Ritter und Reisige (notabili uoinini) befanden, nach Friaul. Als man hier erfuhr, daß dieselben bereits über Laibach hinausgelangt sei, trennten sich die Verbündeten, nm ihr gewisser zu begegnen. Die Paduaner zogen gegen Spilimbergo, die Friauler gegen S. Daniele. Am 10. Januar 1365 entdeckten letztere die Oesterreicher unweit S. Pellegrino. Von Friedrich und Johann von Sa- vvrgnano geführt, gingen die Friauler ohne Rücksicht auf ihre Minderzahl unverzüglich in so ungestümer Weise znin Angriffe über, daß die Oesterreicher trotz der muthigsten, wahrhaft verzweifelten Gegenwehr beinahe gänzlich ver¬ nichtet wurden. Von jenen 80 geriethen 20 in Gefangen¬ schaft; von den Uebrigen entkamen nur 7 mit dem Leben. Diese Katastrophe entschied über den Ausgang des Krieges. Trus, eine der ältesten und anhänglichsten Besitzungen der Spilimbergo ergab sich, an deren Glückssterne verzweifelnd, ohne Schwertstreich dem Patriarchen, der es sogleich einem sicherung ertheilt, daß er zur Sicherung der Person und des Eigen- lhumes des seinem Schutze empfohlenen, in Friaul begüterten venc- tianischcn Bürgers Franceschino de Turris, welcher sich an dem gegen¬ wärtigen Kriege, so wenig wie an dem früheren betheiligen wolle, die nöthigen Anordnungen erlassen hätte. Den Spilimbergo hatte Venedig das zum Ankäufe Pordeuone's nölhige Geld vvrgestreckt. Äquileja. 14 210 anderen Geschlechte zu Lehen gab. Damit hatten die Spi- limbergo das Letzte, was ihnen außer Spilimbergo selbst ge¬ blieben war, auch verloren. Rubbiera besetzte am folgenden Tage Cordenone, bezwang das dortige Schloß und bedrohte Pordenone, bis an dessen Thore die verwüstenden Strei¬ fungen der wieder vereinigten Friauler und Paduaner reichten. Rudolfs Verbindung mit Carrara's erbittertem Geg¬ ner Barnabo Visconti ließ ungeachtet ihrer feierlichen Be¬ siegelung durch Leopolds von Oesterreich am 23. Februar zu Mailand erfolgten Vermählung mit Barnabö's Tochter Viridis die friaulischen Angelegenheiten ziemlich unberührt. Die unmittelbar darauf nach der Valsugana zur Bekämpfung der carraresischen Truppen gesendeten 300 mailändischen Fußsoldaten blieben durch eine dort eben zu Stande ge¬ kommene und später wiederholt verlängerte Waffenruhe zu völliger Unthätigkeit verurtheilt. Da wandte sich Rudolf an König Ludwig mit der Bitte, mit dem Patriarchen und Carrara einen Waffenstill¬ stand herbeizuführen, der bis zum nächsten Martinstage dauern und zu Verhandlungen über einen abzuschließenden Frieden benützt werden sollte. Bereitwillig unterzog sich der König dieser Aufgabe. Im Monate März traf Graf Johann von Veglia, der als MeinhardsVII. Schwiegersohn mit Geschick zu des Königs Unterhändler fürgewählt worden war, in Friaul ein, ohne daselbst eine für die Besorgung seiner Auf¬ träge günstige Stimmung vorzufinden. Der Patriarch und Carrara schoben sich gegenseitig die Initiative bezüglich der zu fassenden Entschlüsse zu; sie besorgten, Rudolf möchte die Einstellung der Feindseligkeiten nur dazu benützen, seine zu keinem Widerstande mehr befähigten Burgen mit frischen Mannschaften und Proviant zu versehen, während sie bestimmt wußten, daß gerade jetzt nichts die Fortschritte ihrer Waffen 211 zu hemmen vermöchte; namentlich seit Meinhard von Kürz die Sache des Patriarchen ganz zur seinigen gemacht und in Folge davon den Oesterreichern die meisten Zugänge aus ihren Landen nach Friaul versperrt hatte. Von der Erfolglosigkeit aller seiner Bemühungen schnell überzeugt, entschloß sich der ungarische Bevollmächtigte zur Rückreise. Noch weilte er auf italienischem Boden, da fielen Anfangs April die österreichischen Vesten Castel Cusano und Zoppola. Die einheimischen Gegner des Patriarchen hatten bereits vordem ohne Ausnahme zu Boden gelegen und jetzt wehten sogar die österreichischen Fahnen nur mehr von den Zinnen des von Feinden rings umschwärmten Pordenone. Eine höhere Macht führte zuletzt den Frieden herbei, indem sie mit den unversöhnlichsten Haupt-Widersachern die vornehmste Ursache des Streites aus dem Wege räumte. Am 27. Juli erlag Herzog Rudolf zu Mailand, wohin er sich begeben hatte, um in der möglichsten Verwerthung des Bünd¬ nisses mit Visconti für die in Friaul erlittenen Mißgeschicke eine Entschädigung zu suchen, nach längerem Siechthume den Folgen der beschwerlichen Gebirgsreisc über die Alpen, die er, nm das Gebiet Meinhards von Gör; zu meiden, zum Theile in der Verkleidung eines Schildknappen und zu Fuße auf unwegsamen Pfaden zurückgelegt hatte. Beinahe gleich¬ zeitig, am 30. Juli, starb plötzlich zu Udine Patriarch Lud¬ wig auf dem Zenithe seines Glückes stehend, in einer so glanz¬ vollen Stellung, wie sie schon lange kein Patriarch inne gehabt hatte. Denn, war auch durch Rudolf den patriarcha¬ lischen Hoheitsrechten in allen der österreichischen Herrschaft unterstehenden Ländern unwiderruflich ein Ende gemacht worden, so hatte doch Ludwig dem Herzoge in so lange einen zähen Widerstand entgegengestellt, bis es ihm durch die am Schluffe seiner Regierung seine Unternehmungen nnunter- 14* 212 brocheu krönenden Erfolge gelungen war, Rudolfs darüber hinausgehende Ansprüche und damit dessen ganze italienische Politik zum Falle zu bringen, und überdies bei diesem An¬ lasse die bereits schwankend gewordene patriarchalische Auto¬ rität über die zum eigentlichen Gebiete der Kirche von Aquileja gehörigen Vasallen zu befestigen. Wie hätte Ludwig ein anderes als ein ruhmvolles An¬ denken hinterlassen können! Seine Leiche wurde neben den anderen Patriarchen seines Hauses in der Ambrosius - Capelle der Basilica von Aquileja bestattet. Sein Sarkophag aus weißem Marmor steht mit jenem Rainalds den Grabmalen Raimunds und Pagano's gegenüber und trägt nur an seiner vorderen Längenseite ziemlich werthlose Sculpturen, welche nebst dem Erlöser und einigen anderen religiösen Vorwürfen die gekreuzten Lilienscepter der della Torre darstellen. Stumm wie die Särge aller torrianischen Patriarchen verkündet auch der Ludwigs nicht durch eine Inschrift den Namen dessen, den er umschließt. f. N. 600I.XXXI. 8i munu men zrroziria Tillie ab incurnuto Verbo, dlillesimo trsesntsoimo guingun^esimo quinto (offenbar ein Fehler anstatt guarto) in Vissilin owiiium Sa-nctorum Rsxnorum meurum Lnno neue. Unmittelbar darunter ist in einer weit weniger schönen Handschrift als jene des Königs zu lesen: Lt sZo Llnrguur- Nu8 äsi Arnein sziiocopus unAuotenoio in teotimonium veritatio prsmi88nrum ownium manu wen xroxria ine 8ub8crip8i. Das Datum ist vom 31. October, an welchem Tage Ludwig von Hohenlohe mit dem kostbaren Geschenke und einem Briefe Carls an den Erz. bischof und das Capitel von Prag abging. Dieses Schreiben enthielt die Mittheilung, dass bereits ein Einband aus Gold und Perlen im 216 Name auf der, durch den Palriarchen Nicolaus am 3. No¬ vember zu Padua über die von dem Kloster S. Giustina dem Könige gemachte Schenkung des Hauptes des heiligen Lucas ausgestellten Urkunde. Wir bemerken übrigens hier gelegenheitlich, daß in königlichen oder kaiserlichen Urkunden Marquard nur höchst selten unter den Zeugen aufgezählt erscheint. Am 5. April 1355 hielt Carl feinen Einzug in die ewige Stadt, zu welchem Behufe fein zahlreiches Heer in verschiedene Haufen getheilt war, von welchen Patriarch Ni¬ colaus den vordersten führte. Ihm zunächst kam der Erz¬ bischof Ernst von Prag mit Marquard und den Bischöfen von Olmütz und Leutomischl. Zwei vom Papste hiezu bevoll¬ mächtigte Cardinäle fetzten Carl die Kaiserkrone auf das Haupt. Durch die demüthigenden Zugeständnisse, welche der Kaiser der päpstlichen Curie gemacht hatte, um zu diesem Ziele zu gelangen, durch sein ganzes Auftreten in Italien, wo er nur Reliquien sammelte und für Geld unzählige Frei¬ heitsbriefe erließ, denen er jedoch die gebührende Achtung nicht zu verschaffen vermochte, waren dem kaiserlichen An¬ sehen tiefe Wunden geschlagen worden. Während Petrarca seinem Kommen so entgegengejubelt hatte, wie vor mehr als einem Menschenalter Dante seinem Großvater Heinrich VII., mußte er, nachdem er den eingegangenen V rpslichtungenge¬ mäß Rom noch am Tage seiner Krönung den Rücken gewandt hatte, vielfache Kränkungen erdulden. Ueberall regte sich mit Werth? von 2000 Ducaten dafür bestellt sei, und die Anordnung, daß die Geistlichen der Prager Städte und Vorstädte, insbesondere aber sämmtliche Diacone bei der Uebernahme des Evangeliums gegenwärtig zu sein hätten, daß ferner dasselbe alljährlich am Ostersonntage in feierlichem Umzüge hernmgetragen und dann beim Hochamtc das Evangelium durch einen Domherrn daraus gelesen werden sollte. 217 Macht der altitalienische Geist des Widerstandes und als die meisten Deutschen Carl bereits verlassen hatten, erhob sich am 21. Mai zu Pisa ein Aufruhr, der die Sicherheit des in der Stadt anwesenden Kaisers in hohem Grade gefähr¬ dete. Marquard und Heinrich von Neuhaus waren die ersten, welche zur Vertheidigung des Kaisers herbeicilten und, sei» Banner entfaltend, ein Vereinigungspunkt für alle seine An¬ hänger wurden, nachdem sie mit den Waffen in der Hand und mit einem Verluste von 150 Mann sich den Weg über die Arno-Brücke und bis zu dem von Carl bewohnten Palastc gebahnt hatten. Die eigentlichen Anstifter des Tumnltes, die Raspanti, welche durch das ihnen anhängende niedere Volk zuerst jene zum Schutze des Kaisers sich sammeln¬ den Deutschen hatten angreifen lassen, fanden esbaldvor- theilhaft, alles der Gegenpartei der Gambacorti in die Schuhe zu schieben und mit den Deutschen auf den ko^olo Zru88o eiuzudringen. Den Kaiserlichen blieb der Sieg, um den Marquard vom frühen Morgen bis zum Abende gleich dem Patriarchen mit gerühmter Tapferkeit gekämpft hatte. Marquard blieb als des Kaisers Statthalter in Pisa zurück und hielt über die Ueberwundenen das Strafgericht. Die Stadt zahlte eine Buße von 13.000 Goldgulden; die Vornehmsten unter den Schuldigen, sieben an der Zahl, da¬ runter drei Brüder Gambacorti, starben auf der Richtstätte. Später wurde das Reichsvikariat über ganz Toscana Marquard anvertraut, der es rasch au sich selbst erfahren mußte, wie wenig nachhaltig die von Carl in Italien schein¬ bar errungenen Vorlheile waren. Als die alte Liga der Este, Gonzaga, Carrara, della Scala und der Markgrafen von Monferral nach Carls Abzüge im Beginne des Jahres 1356 wieder gegen die Visconti anftrat, erachtete der Kaiser den Augenblick für geeignet, um an den Herren von Mailand 218 dafür, daß sie ihm auf der Heimkehr von Rom die Thore versperrt hatten, Rache üben zu können. Er schloß sich jener Verbindung an und Marquard mußte die Visconti auf einen bestimmten Tag zur Reinigung von allen wider sie erhobenen Anklagen vorladen. Da letztere nur Hohn zur Antwort darauf hatten, ward die Entscheidung der Waffen augerufen. Nach mehreren glücklichen Gefechten erlitten die Verbündeten am 13. November durch Leodrisio Visconti eine schwere Niederlage, aus welcher selbst der schwäbische, als Condottiere berüchtigte Graf Lando, der den Oberbefehl führte, nur mit Mühe sich rettete. Unter den zahllosen Ge¬ fangenen befand sich auch Marquard, der dem Heere ge¬ folgt war. Er gewann wohl seine Freiheit bald wieder (1357), scheint aber seitdem, vielleicht in Folge der letzten Unfälle entmuthigt oder in der Gunst seines Herrn gesunken, aus¬ schließlich den Pflichten seines geistlichen Amtes gelebt zu haben, da wir von einer sonstigen Thätigkeit nichts verzeichnet finden, als daß er Carls Reichstagen, und auch dies nur zeitweise, beiwohnte. Die Erhebung auf den Patriarchenstuhl von Aquileja führte darin eine wesentliche Aenderung herbei. Von den in Friaul gemeiniglich herrschenden Zuständen genau unterrichtet, offenbarte Marquard anfänglich mehr Neigung, die ihm zugedachte Würde abzulehnen, worüber man im Patriarchate, wo Marquard feit des Kaisers Römer¬ zuge kein Fremder mehr, und daher nicht allein seines Rufes wegen, sondern auch persönlich hochgeehrt war, in nicht geringe Bestürzung gerieth. Nicolaus von Maniago, Marquard seit längerem wohlbekannt, wurde beauftragt, diesem die Wünsche des Landes zu überbringen, und die Annahme des neuen Amtes zu erbitten. Maniago entledigte sich seiner Sendung mit Glück. Die Hoffnung, gestützt auf das ihm entgegenge- 219 brachte allgemeine Vertrauen, die durch des Patriarchen Lud¬ wig letzte Erfolge geschaffene, augenblicklich günstigere Lage zur Begründung einer besseren Ordnung der Dinge benützen zu können und, wie wir vermuthen, des Kaisers Wunsch mögen ihn bewogen haben, die schwere Bürde der patriar¬ chalischen Geschäfte auf seine, unter der Last der Jahre schon sich beugenden Schultern zu nehmen. *) Wie wenig schnell sich Marquard zu diesem Entschlüsse hatte bestimmen lassen, geht aus dem Umstande hervor, daß er erst am Tage vor Weihnachten des Jahres 1365 in Udine eintraf. Udine Pflegte seinen Landesherrn, wenn er die Stadt zum ersten Male betrat, überaus festlich zu empfangen. Bon der gesammten Geistlichkeit, den städtischen Vorstehern und Patriziern, den Bürgern und Zünften eingeholt, zog der neue Patriarch auf einem weißen Maulthiere ein, welches er, wenn er bei der Kirche abgestiegen war, mit der reichver¬ zierten Reitdecke, dem Kopf und Brustschmucke aus edlen Me¬ tallen und den vergoldeten Bügeln der Gemeinde Udine zum Geschenke machte. Die Besitzergreifung der kirchlichen Würde geschah stets in der Basilica von Aquileja. Nachdem der Patriarch, eines bestimmten Steines vor der Kirchenthüre sich als Stufe be¬ dienend, seinen Zelter verlassen hatte, geleitete ihn die Geist¬ lichkeit in die Mitte der Kirche und nahm ihm dort, während er auf den Knien liegend den Segen des Decans empfing, das Barett ab. Die eigentliche Installation erfolgte abwech¬ selnd durch zwei dieses Vorrecht sich gegenseitig streitig ma¬ chende Körperschaften. Bald waren es die Domherren von *) Im Jahre 1378 wird sein hohes Greisenalter — «rxtrema — hcrvorgehoben. 220 Aquileja, bald die Träger der erblichen obersten Landesämter, der Kämmerer aus dem Hause Cucanea, der Mundschenk und Kellermeister aus dem Hause Spilimbergo, der Marschall und Bannerträger aus dem Hause Tricano oder Arcano und der Truchseß und Küchenmeister aus dem Hause Pram- pergo *), welche den Patriarchen auf den, wie es noch jetzt zu sehen ist, hinter dem Hauptaltare befindlichen Patriar¬ chenstuhl aus weißem Marmor setzten. Am 19. April 1366 celebrirte Marquard in Aquileja sein erstes Hochamt, zudem er nach der bestehenden Gewohnheit seine Suffraganbischöfe, den ganzen ihm unterstehenden Klerus, befreundete Fürsten, sonstige Persönlichkeiten und Gemeinden, seine Vasallen und die friaulischen Städte geladen hatte. Ohne Ausnahme folgten sie seiner Einladung und brachten ihm, wie es das Her¬ kommen erforderte, kostbare Gaben dar, welche theils in barem Gelde, Wachslichtern und Fackeln, theils aber auch in gol¬ denen Ringen, in krystallenem, silbernem und goldenem Altar- geräthe bestanden **). Es war der versöhnende Abschluß der glorreichen Kämpfe des Patriarchen Ludwig, ein wahrhaftes Friedensfest, das Marquard an jenem Tage zu Aquileja beging. Abgesehen von den Geistlichen, welche aus erklärlichen Gründen nicht wegbleiben durften, waren alle hervorragenderen Fürsten des östlichen Oberitaliens, ja selbst aus ToScaua die zwei vor¬ nehmsten Städte Florenz und Pisa dabei vertreten; von den Adelsgeschlechtern des Landes, welche Marquards Vorgängern so viele Sorgen verursacht hatten, fehlte nicht eines. Sie be¬ kannten damit feierlich, daß sie, losgesagt von allen Feinden *) Dies waren die friaulischen Landesämter. An dem eigentlich Patriarchalischen Hofe bekleideten die Herzoge von Kärnthen das Schenken-, die Herzoge von Oesterreich als Besitzer Pordenone's das Trnchsessenamt. Nicolans della Torre spendete ein großes Pferd. 221 ihrer Heimat, zur Lehenspflicht zuriickgekehrt waren»). Nur Pordenone, jetzt wieder das einzige österreichische Besitzthnin in Frianl, hielt sich noch grollend ferne. Allein schon wenige Wochen später, am 30. Mai, kam mit den Herzogen von Oesterreich ein zwischen deren Haupt¬ manne zu Pordenone, Conrad Craizer, und Nicolaus von Ma- niago verhandelter, den Frieden bedeutender Waffenstillstand ») Es werden als dabei theils persönlich gegenwärtig, thcils durch Abgesandte vertreten genannt: die Bischöfe und Domcapitel von Trient, Padua, Verona, Triest, Como, Vicenza, Capodistria, Concordia, Emona (Oidtfi uuova), Pola, Parenzo, Treviso, Piben, Ceneda, Man¬ tua, die Bischöfe von Feltre nnd Belluno, der Doge und die Stadt Venedig, die Herren von Mailand, Padua und Verona, der Markgraf von Este, die Städte Florenz und Pisa (nach einer anderen Lesart Pesaro), die Grafen von Croatien (wahrscheinlich von Veglia), Görz und Mitterbnrg (darunter ist wohl Albrecht IV. von Görz gemeint), die Herren von Collalto,- Camino und La Motta, die Stadt Triest nnd die Gräfin von Görz, von deutschen Prälaten die Erzdiakone in Kärnthen, Krain, der Mark und im Sangaue (Grafschaft Cilli), die Aebte von Ortenburg, Victring, Arnoldstein, Sittich und Millstadt, der Propst vom Jaunihale und der Prior von Uscnivitz (Freudenthal?), vom Diocesanklerus die Capitel von Aguileja, Cividale und Udine mit ihren Dekanen, die Aebte von Beligna, Sesto, Rosazzo, Moggio und Suniaga, die Capitel von St. Stephan und St. Felix in Aguileja, dann von St. Peter in Carmen mit ihren Pröpsten, die Aebtissinuen von Aguileja und Cividale, endlich die Pfarrer von S. Daniele, Tri- ccsimo und Versa, von frianlischen Gemeinden Aguileja, Udiue, Cividale, Gemona, Marano, Monfalcone, S. Vito, Sacile, Meduna, Venzone, Portogruaro und Caueva, Tolmezzo mit ganz Carmen und Cadore mit seinem Gebiete, ans Istrien die Orte Muggia, Buje, Portale, Pingnente, Rovigno, Colino, Due Castelli, Albona und Fianoua, von frianlischen Edlen d-c Herren von Prata, Porcia, Pnlcinico, Villalta, Castello oder Frangipani, Strassoldo, Spilimbergo, Aviano, Mauiago, La Frattina, Salvarolo, Lanrenzago, Sbrojavacca, Valvasone, Azzano, Vanno, Toppo, Tricano oder Arcano, Colloredo, Mels, Pers, Capo riacco, Dioruzzo, Cergnfiu, Ziacco, Brazzacco, Fontanaboua, Fagagua, S. Daniele, Tricesimo, Prampergo, Partistagno, Attcmps, Cucanea, Butrio, Manzano, Vendojo, Ragogna, Zoppola, Savorguano, die della Torre, die Udineser Patrizier Lisoni, Monticuli, Burli und Orbiti, der Prior von St. Anton in Venedig, der Podestfi von Aguileja mit seiner Gemahlin und der Podest» von Marano. 222 zu Stande. Die wichtigsten Bestimmungen dieses, wie Mar- quard in der Urkunde darüber sagt, auf Carls I V. dringenden in Briefen und durch eigene Lendboten mit Hinweisung auf des Patriarchen Pflichten gegen Kaiser und Reich geäußerten Wunsch mit den in Udine eingetroffenen österreichischen Be¬ vollmächtigten Friedrich von Stubenbergh und Conrad von Cynndekk geschlossenen Abkommens waren, daß die Krieg¬ führenden alles, was sie gerade in Besitz hätten, behalten, die Gefangenen gegen ein billiges Lösegeld freilassen, alle Straßen unter Beibehaltung der früheren Mauthen, Zölle und sonstigen Abgaben dem freien Verkehre wiedergeben nnd alle aus diesem Vertrage etwa sich ergebenden Zweifel dem Kaiser zur Entscheidung vorlegen sollten. Es übte daher Marquard die ihm als Patriarchen zu¬ stehenden landesherrlichen Rechte unbestritten und im vollsten, ungeschmälerten Maße aus, als er sich im Monate Juni nach Cividale begab, um in althergebrachter Weise in der einstigen Capitale des langobardischen Herzogsthums den Besitz der weltlichen Herrschaft anzutreten. Dieser feierliche Act ging in dem dortigen Dome und in Gegenwart Franz von Savorgnano und Walter-Bertholds von Spilimbergo, welche sich hier nun friedlich zur Seite standen, dann des patriarchalischen Kanzlers und Notars Odorico von Susans aus Udine, vieler anderer vornehmer Zeugen und einer großen Menge Volkes vor sich. Der die Stelle des Decans vertre¬ tende Domherr Matthäus de Regio trat an den, auf einem, wie in Aquileja angebrachten und bis heute aufbewahrten, Marmorsitze thronenden Patriarchen heran, und überreichte ihm das entblößte Staatsschwert, welches dem neuen Landes¬ fürsten bei seinem Einzuge stets ein Glied der cividaleser Familie Bojani vorantrug. Während der ambrosianische Lob¬ gesang angestimmt wurde, steckte der Patriarch das Schwert 223 in die aus einem weißen Stoffe verfertigte Scheide und ließ hierauf, das Evangelium zur Hand nehmend, die Prälaten, die Castellane und die Gemeinden in der Reihenfolge, nach welcher sie im Parlamente saßen, auf dasselbe den Eid der Treue leisten *). Um sich der Uebertragung der persönlich genossenen kaiserlichen Gnade auf das nunmehr seiner Leitung anver¬ traute Patriarchat vollends zu versichern, folgte Marquard der Gesandschaft, durch welche er es hatte Carls IV. Schutze anempfehlen lassen, nach Frankfurt a. M., wo eben die Reichsfürsten versammelt waren. Er empfing dort die Inve¬ stitur, erlangte am 7. September ein umfassendes Diplom, worin alle Rechte und Freiheiten der Kirche von Aquileja, sowie alle von früheren Kaisern und Königen derselben ge¬ machten Schenkungen bestätigt wnrden, und erhielt außerdem zum Geschenke die Summe Geldes, welche die Stadt Florenz gerade damals als Reichssteuer an die kaiserliche Kammer abgeliefert hatte. Wenn auch diese letzte Guustbezeuguug bei Carls Denkungsart nicht zu geringe angeschlagen werden darf, so war damit aber auch das Maß der materiellen Un¬ terstützung, welche Marquard von jener Seite zu hoffen be¬ rechtigt war, erschöpft und er erkannte ganz richtig, daß er seine hauptsächlichste auswärtige Stütze in der sorgsamen Pflege der schon unter seinem Vorgänger bestandenen freund¬ schaftlichen Beziehungen zu Carrara suchen müsse. *) Die Ceremonie der Barettabnahme verlegte Patriarch Ma¬ rinus Grimani im Jahre t52L, nachdem Aquilcja sich schon im Besitze der Oesterreicher befand, in den Dom von Cividale. Es sollte dadurch in symbolischer Weise daran erinnert werden, daß Cividale, nm den Patriarchen einen bequemeren Wohnsitz zu biecen, der Auszeichnung eines eigenen Bischofs beraubt worden war, als Patriarch Calixtus den Bischof Amator daraus vertrieben hatte. 224 Es spricht übrigens für seine erleuchteten Ansichten, daß er die sicherste Gewähr für den Bestand der in Friaul nach einer langen Unterbrechung wieder eingezogeneu befriedigenderen öffentlichen Zustände in der Ordnung der Rechtsverhältnisse des Landes erblickte, worauf der Umstand, daß er, selbst ein Rechtskundiger, als Domherr einst zu Augs¬ burg das Kirchenrecht gelehrt hatte, nicht ganz ohne Einfluß geblieben sein mag. Er setzte sich ein unvergängliches Denk¬ mal durch Schaffung eines seinen Namen tragenden Gesetz¬ buches, welches nicht bloß in Friaul, sondern auch in den anderen der aquilejesischen Oberlehensherrlichkeit unterste¬ henden Gebieten, wie in Istrien, Kram, der Mark nnd Görz überall dort zur Geltung kam, wo besondere Ortsstatute, deren es allerdings in Friaul allein über 100 gab, nicht bestanden ^). Die Grundlagen des Straf- und Privatrechtes in Friaul bildeten die Edicte der langobardischen Könige Rotharis (v. I. 643), Grimoald (v. I. 668), Luitpraud (aus den Jahren 713—724), Ratchis (v. I. 746) und Aistulf (v. I. 754) Daneben finden wir jedoch immer das römische Recht ebenfalls in Uebung, was deßhalb besonders merkwürdig ist, weil die Langobarden, dem von den übrigen germanischen Völkern bei Besetzung römischer Gebiete einge¬ haltenen Verfahren gerade entgegengesetzt, sonst überall in Italien den Besiegten mit ihrer Herrschaft auch ihre Gesetze auferlegt hatten. Fremde hielten sich wohl auch an ihre heimat¬ lichen Rechte. So erklärten zum Beispiele in zwei Urkunden *) Manuscripte von Marquards Lonstitutionss putrias tH- .jutii befinden sich in den Archiven von Udine, Sacile und anderen Orten. Eines in deutscher Sprache wird in Görz aufbcwahrt. Im Drucke erschienen sie zuerst 1484 italienisch in Udine durch Meister Gerhard aus Flandern, dann 1497 lateinisch in Venedig mit den durch den venetianischen Statthalter in Friaul Marcus Dandolo im Jahre 1429 daran vorgenommeuen Reformen. 225 des XII. Jahrhundertes der in Friaul begüterte schisma- tische Erzbischof vou Salzburg, Berthold von Moosburg, dann seine Schwägerin Acica (Azzica), Witwe des Mark¬ grafen Burkhard, und Wilhelm von Puzolo, einer ihrer An¬ gehörigen, nach baierischen Gesetzen zu leben, da sie baierischeu Stammes seien; doch fügte Berthold hinzu, als Geistlicher für seine Person das römische Recht anzuerkennen. *) End¬ lich hatten, wie überall im Mittelaller, ja vielleicht mehr noch als anderswo in Friaul die allen Gewohnheiten, deren theilweise Aufzeichnung Patriarch Wolfger veranlaßt haben soll, volle Gesetzeskraft. Der Nothwendigkeit, alles was in dieser Beziehung noch immer Giltigkeit hatte, niederzuschreiben und zu sam¬ meln, verschloß sich auch das Parlament nicht; auf des Pa¬ triarchen kurz nach seiner Ankunft gestellten Antrag beauf¬ tragte es aus seiner Mitte mehrere Männer, den mit der Abfassung der Gesetzsammlung betrauten Rechtsgelehrten und patriarchalischen Vikaren Johann Monticoli aus Udine und Jacob della Porta aus Gemona helfend beizustehen. Es waren dies aus dem geistlichen Stande Doctor Raimund Pa- vona, Domherr aus Udine, ans den Adeligen Simon von *) Die im Schlosse Atteus im Jahre I MO (?) ausgefertigte Urkunde der Markqräsin Acica, über deren Herkunft ein noch unani- geklärtcs Dunkel herrscht, ist wegen der Formel merkwürdig, mit der sie verschiedene Besitzungen im Königreiche Italien, in Baiweria (An- trudorst), in Carintania (Wilar und Jnfnic) und in Ostric Mer- scanswert) ihrer Tochter Mathilde und ihrem Schwiegersöhne Konrad übergibt. Sie lautet: Lt inender eultsllum st ks8tum enm notn- tuna JVantonem (ksstuonm nockat.nn, cvs,ntonem), et vrsonem tsrrs, ntgue rrrmum nrboris tVa.rpi vivi (varpivi) et ex^uliri ms sxincks koras, et awr-snte, kaosrs voUis, et vestri» Uers- N8, <^nos 6onrnrlu8 st IknotilN insimul neguisierit, IsAitimnnr investituram, vsl suri^äivtionem, gare proprietnrio nomine, gniäc^uiN volneritis, 8ine omni msa st IrersNum nieornm menrum eontrnNioions. Aquileja. 15 226 Cucanea und Andreas von Attimis, für die Städte Mar- gherito d'Adalgerio aus Aqnileja, Doctor Augustin Gubertini und Hector Miuliti aus Udine, Francesco Notajo und Jacob Fabbro aus Cividale und Meinhard Savio aus Gemona. Die Arbeit muß mit dem größten Fleiße und mit unermüd¬ licher Ausdauer geführt worden fein, da Marquard sie bereits am 11. November 1366 dem nach Sacile berufenen Par¬ lamente zur Sanction vorlegen konnte. Nicht ohne Genugthuung mochte Marquard aus sein erstes an mannigfacher Thätigkeit reiches Regierungsjahr, in welchem Udine noch eine namhafte Vergrößerung um die oberen Vorstädte und den dadurch bedingten Bau einer neuen, annoch bestehenden Ringmauer erfuhr, zurückblicken und mit allem Rechte durfie er sich freuen, es in würdiger Art mit der Kundmachung seiner Constitutiones abzufchließen. Den wichtigen Gegenstand selbst hielt er indeß damit nicht für abgethan, sondern er beschäftigte sich noch wiederholt mit demselben. Die Form, in welcher damals in Straf- sowohl, als in Privatrechts - Angelegenheiten in Friaul verhandelt und entschieden wurde, wardie altgermanische des Schöffengerichtes (die Beisitzer hießen in Friaul Arrenghi oder Astanti), welches sich hier in feiner ganzen Ursprünglichkeit erhalten hatte. Es versammelten sich die Genossen desjenigen, der oder in dessen Sache gerichtet werden sollte, an deren Stelle erst mit der Zeit in Folge der allgemein werdenden Anwendung des römischen und canonischen Rechtes rechtskundige Geschworne traten, und gaben auf die Frage des Vorsitzenden, der, mochte er auch der Patriarch selber oder dessen Stellvertreter sein, außer bei Stimmengleichheit kein entscheidendes Votum hatte und nur den Urtheilsspruch vollziehen ließ, friris? durch Auf¬ hebung der rechten Hand — späterhin durch Kugelung — 227 ihre Meinung ab. Da die Kirche das römische Recht für sich als maßgebend angenommen hatte und auch iu solchen Dingen nach Gleichförmigkeit strebte, stimmte sie den Patriarchen bei, welche jenen durch das Alter geheiligten Gebrauch als eine Beeinträchtigung ihrer Rechte ansahen. Schon Patriarch Pa¬ gano hatte sich hl 330) deßhalb klagend nach Rom gewandt und die Abschaffung dieser Art der Rechtsprechung verlangt. Unvermögend, sich von den kirchlichen, während seines ehe¬ maligen Lehramtes noch besonders groß gezogenen Anschau¬ ungen darüber loszusagen, richtete Marquard das gleiche Be¬ gehren an Urban V., der seinen Wünschen willfahrte und am 20. Juli 1367 aus Viterbo ein Breve folgenden Inhalts an ihn erließ. Der Papst schrieb darin, wie es ihm zu Ohren gekommen sei, daß sich in den der patriarchalischen weltlichen Gerichtsbarkeit unterworfenen Städte Aquileja, Udine, Civi- dale, Gemona, Venzone, Marano, Monfalcone, Sacile, S. Vito und Meduna, in anderen Orten, Dörfern, Schlössern, Vesten und Gastaldaten des zur Diözese Aquileja gehörigen Friauls in der Ausübung der Criminal- und Civil - Rechts¬ pflege arge Mißbräuche eingeschlichen hätten, welche der Fäl¬ lung gerechter Urtheile höchst verderblich wären. Er befahl, dieselben abzustellen, verordnete, daß jeder mit den canoni- schen Satzungen im Widerspruche stehende Gebrauch unberück¬ sichtigt bleiben, jedes nicht von dem zuständigen Richter ge¬ sprochene Urtheil ungiltig sein sollte, und verlieh dem Patri¬ archen die Befugniß, sowohl persönlich als durch seine Beamten in allen Rechtsfragen der Unlerthanen, bei ein¬ dringlich gepflogener Untersuchung alleiniglich nach guten Gründen zn entscheiden. Marquard schaffte zwar in Folge dieses päpstlichen Erlasses die Gerichtsbeisitzer ab; diese volkstümliche Institution wurzelte jedoch zu fest, um sich gänzlich ausrotten zu lassen, und 30 Jahre später sah sich tö* 228 Patriarch Anton I. genöthigt, sie gesetzlich in Friaul wieder einzuführen. *) Im Jahre 1371 erhielten Marquards Constitutiones noch einen Zusatz, indem das Parlament, auf dessen Vorschlag den bisher von jedem Erbrechte ausgeschlossenen Frauen dasselbe in demselben Maße, als es die Männer besaßen, einräumte; eine Bestimmung, welche über die von den Ver¬ tretern Udine's erhobene Einsprache nachträglich einige Be¬ schränkungen erlitt. Der Gleichartigkeit des Gegenstandes wegen erwähnen wir an dieser Stelle einer zweiten auf Marquards Veran¬ lassung entstandenen Sammlung. In seinem Auftrage ordnete der Notar Odorico von Susans, der unter drei Patriarchen, Ludwig, Marquard und dessen Nachfolger Philipp an der Spitze ihrer Kanzleien stand, das Archiv der Kirche von Aquileja, und verfaßte ein Verzeichnis aller darin ent¬ haltenen Privilegien, Schenkungen und sonstigen auf die Lehen derselben Bezug habenden Urkunden, welche im kurzen Auszuge mitgetheilt werden. Odorico nannte seine verdienst¬ liche Arbeit, die uns einen Blick in die einstigen archivalischen Schätze Aquileja's thun läßt, ihrem Werthe ganz entspre¬ chend Hissuriri oluritus nnd ergänzte sie (1386) nach Marquards Tode durch einen kurzen Anhang — I^uoiksr ^-dilejtznsis — in welchem alle der Person des Patriar¬ chen zukommenden Ehren und Rechte, seine vornehmsten Va¬ sallen, seine nicht friaulischen Herrschaften und seine gewöhn¬ lichen Einkünfte aufgezählt sind. **) Die betreffende Urkunde vom 26. April 1397 zählt die zum Richteramte berufenen Beamten (Ot'Lcialss) des Patriarchen auf, nämlich: Nnrssenlcum, V^onrinm in tsm^ornlibus, llsnsrnlss, Uotsstntes, (inpitnnsos st <7n8tg,I6ion8 vineit, Ostri8tu8 röANLt, Ostri- 8tri8 Irnp6rg,t, der sich im Verlaufe derselben öfter wieder¬ holt. Dazwischen werden jene Heiligen, welche der Kirche von Aquileja selbst entstammten oder darin besonders verehrt wurden, um ihre Fürbitte angerufen, auf daß dem Papste, dem Kaiser und der Kaiserin, dem Könige' und der Königin, dem Patriarchen, der ganzen Klerisei, den Richtern und den christlichen Kriegern Heil und Leben zu Theil werden. Son¬ derbar ist es, daß außerdem für die Kaiserin und die Königin allein das ewige Leben, dagegen aber für die Fürsten und die Krieger auch Sieg erfleht wird. In den Kirchen der sriaulischen Gebirge, namentlich Carniens hört man noch heutigen Tages während des Gottes¬ dienstes rohe, theilweise im Laufe der Zeiten auch ganz ver¬ derbte Melodien, welche zumeist langobardischen Ursprungs sind. Im Dome von Cividale werden diese, in kunstgeschicht¬ licher Beziehung höchst merkwürdigen Kirchengesünge mit liebevoller Sorgfalt gepflegt und bei gewissen Anlässen in unverfälschter Ursprünglichkeit ausgeführt. 273 Das weltliche Element, welches nur zu oft den geist¬ lichen Charakter des Patriarchates in den Hintergrund treten machte, drängte sich sogar in die heiligsten Handlungen ein. Zur bleibenden Erinnerung an einen glücklichen Kriegszug, den Patriarch Bertrand im Jahre 1341, durch den ihm zu Dank verpflichteten Markgrafen von Mähren, Carl von Lu¬ xemburgs), an der Spitze von Hilfsvölkern unterstützt, gegen die Grafen von Görz unternommen und auf welchem er im Lager vor Görz die Christnachtsmesse mit dem ihm assistiren- den Abte Guibert von Moggio in den Kriegsgewändern ab¬ gehalten hatte, pflegten die Patriarchen seither bei der Christ¬ mette mit einem ihrer Assistenten in voller Rüstung zu er¬ scheinen. Auch saug der die Stelle des Diakons versehende Domherr bei demselben Anlasse das Evangelium mit gezück¬ tem Schwerte, welches er am Schluffe nach allen Weltge¬ genden über den Köpfen der andächtigen Menge segnend *) Im Frühjahre-1337 war nämlich der Markgraf, späterhin als Kaiser Carl kV., ans einer Reise von Böhmen über Ungarn, Croatien, Dal¬ matien und Italien nach Tirol begriffen gewesen.. Er hatte kaum in einem dalmatinischen Küstenorte ein Fahrzeug bestiegen, um über das adriatische Meer zu setzen, als er sich von venetianischen Schiffen umgeben und scharf bewacht sah. Am neunten Tage vor Grado angelangt, entkam er dennoch durch eine List. Während sein Gefolge in Unter¬ handlungen mit den Venetiamrn trat, ließ er sich mit dem Grafen Bartholomäus von Veglia und Johann von Lippa vom Hintertheile seines Schiffes unbemerkt in das Boot eines bereits gewonnenen Fischers hinab, der seine werthvolle Ladung unter Netzen vor den Augen der Späher verbarg und glücklich bis an das Festland brachte. Zu Fuße kam Carl nach Agnileja, wo er dessenungeachtet vom Patriarchen bestens ausgenommen wurde. Patriarch Bertrand sorgte dafür, daß auch Carls am Schiffe zurückgebliebene Begleiter unbehelligt entlassen wurden, beherbergte seinen Gast durch vier Wochen und gab ihm endlich mit seinen Kriegsleuten das Geleite bis Tirol. Carls Bruder Johann aber hatte unmittelbar vorher bei Bertrand eine Zufluchtsstätte ge¬ funden, als er im November 1341 von seiner Gemahlin, Margaretha der Maultasche, im Einverständnisse mit den tirolischen Landhcrren von Haus und Hof und endlich aus dem ganzen Lande vertrieben worden war. Aquikeja. 274 schwang. Dieser Gebrauch vererbte sich bei dem Aufhören des Patriarchates auf die beiden Metropolitankirchen von Görz und Udine. Im Dome von Cividale ist am Tage der Erscheinung eine ähnliche Gewohnheit seit den ältesten Zeiten in un¬ unterbrochener Uebung; doch ist der das Evangelium singende Diakon nicht allein mit einem Schwerte umgürtet, sondern er trägt auch auf dem Haupte einen mit langen in den Farben Cividale's weiß und roth wallenden Federn geschmückten Helm. Am Feste Mariä Reinigung aber liest der Erzdiakon des Capitels während des Gottesdienstes ein, in den Archiven der dortigen Kirche aufbewahrtes, nur in den ältesten Zeiten von den Ergebnissen der historischen Forschungen etwas abweichen¬ des Verzeichniß aller Patriarchen seit dem Evangelisten Marcus mit lauter Stimme dem Volke vor. Daß die Basilica von Aquileja die eigentliche Quelle der weltlichen Macht der Patriarchen war, kam in recht un¬ zweideutiger Weise zum Ausdrucke, wenn einer derselben starb. Sobald die Gruft über der Leiche sich geschlossen, des Grab¬ geläutes dumpfe Klage ausgeklungen hatte und die letzten Töne der Trauergesänge verhallt waren, riefen die Glocken der Basilica alle Glieder des Capitels zusammen, um dem Lande auf die Zeit des erledigten Patriarchenstuhles einen Herrn zu geben. Dem Capitel, in welchem auch die Kaiser und, als Vögte, die Grafen von Görz, durch Vikare vertreten, Sitz und Stimme hatten, standen nämlich in jenem Falle „alle und jede Gerichtsbarkeit und Gewalt und deren Aus¬ übung in geistlichen und weltlichen Dingen zu; genau so, wie sonst dem Patriarchen selber." Die in der Kirche zu¬ sammentretende Versammlung übertrug indeß stets durch Wahl alle die ihr zukommenden weltlichen Rechte dem Ge¬ neralvikar, meist einem der angesehensten unter den Edlen 275 des Landes, der dessen Verwaltung bis zum Eintreffen des neuen Patriarchen zu führen hatte. Nachdem die Besorgung der weltlichen Angelegenheiten Friauls dem Oberhaupte der Kirche von Aquileja abgenom- men worden war und da die venetianischen Patriarchen der letzten drei Jahrhunderte vor dem gänzlichen Erlöschen des Patriarchates mit ihren unabhängigen Vorgängern nichts mehr gemein hatten, als den Namen und die Befugnisse ihres Kirchenamtes, konnte auch das Geschick des Ortes Aquileja, welches mit seinem Verfalle dem Sturze seiner Fürsten wohl vorangeeilt sein mag, nur mehr ein beklagens- werthes sein. Es gerieth beinahe ganz in Vergessenheit. Um die Mitte des XVI. Jahrhunderts, da es bereits unter österreichische Herrschaft gelangt war, tauchten die ersten Vor¬ schläge zur Urbarmachung des umliegenden Sumpfbodens auf, ohne daß aber auch nur der geringste Versuch zu ihrer Durchführung gemacht worden wäre. Um so mehr muß es uns überraschen, daß eine kleine französische Abtheilung während des spanischen Erbfolgekrieges sich im Jahre 1703 versucht fühlte, an diesem Punkte zu landen, und Aquileja zum Ziele seiner Unternehmung zu wählen (23. Juli). Da es nur auf Raub und Plünderung abgesehen war, mögen die Franzosen, welche vielleicht noch ein römisches Aquileja zu finden erwartet hatten, arg enttäuscht wieder abgezogen sein, wenn auch der durch sie der Bevölkerung verursachte Schaden für dieselbe empfindlich genug war. Dieser an sich ganz untergeordnete Zwischenfall dürfte mit dazu beigetrageu haben, daß Aquileja und dessen stolze Vergangenheit in den leitenden Kreisen des Reiches zur Sprache kamen, als Kaiser Carl VI. im Beginne seiner Re¬ gierung auf den weisen Rath des großen Prinzen Engen und anderer nicht minder scharfblickender Staatsmänner den in » 276 Vorsatz faßt«, seinen Ländern durch Schaffung eines öster¬ reichischen Seehandels mit der Theilnahme an dem großen Weltverkehre neue Quellen der Macht und des Wohlstandes zu eröffnen. Einer der Orte, welche zu dem durch venetia-- nisches Gebiet in beträchtlicher Ausdehnung wiederholt unter¬ brochenen kurzen, damals schon österreichischen Küstenstriche zwischen den Mündungen der Zermagna und der Aussa ge¬ hörten, sollte zum Freihafen erklärt werden. Alle die Gründe, welche Aquileja für diesen Zweck empfahlen, wurden durch den Umstand zum Schweigen gebracht, daß dasselbe knapp an der Grenze lag, nur durch eine schmale, leicht zu unterbrechende Verbindung mit den rückwärtigen Ländern zusammeuhing und überdies zwischen dem Hafen und der offenen See sich die im Besitze der Republik befindlichen Lagunen mit Grado und anderen, die Kanäle sperrenden Befestigungen ausdehnten. Eine Erhebung der in der Oertlichkeit gelegenen technischen Schwierigkeiten fand gar nicht statt, da schon ans den vorste¬ henden Ursachen Aquileja sowie das gleichfalls im Vorschläge gewesene Duino unberücksichtigt blieb, während die, die freie Schifffahrt verkündenden kaiserlichen Patente der Jahre 1717 und 1719 den Grund zur späteren, die kühnsten Hoffnungen weit hinter sich lassenden Blüthe Triests legten. Carls VI. großer Tochter war es Vorbehalten, das erste Dämmerlicht einer besseren Zukunft über den trostlosen Ge¬ filden Aquileja's leuchten zu lassen. Diese hochherzige Fürstin, deren gesegnetes Andenken bei allen ihrem Scepter unter¬ worfen gewesenen Völkern noch ununterbrochen fortlebt, so zwar, daß man selbst in Ländern, denen jede sonstige Erin¬ nerung an ihre einstige Zusammengehörigkeit mit Oesterreich völlig abhanden gekommen zu sein scheint, ihr Bild in den Palästen der Großen wie in den Hütten der Armuth an be¬ vorzugter Stelle findet, gedachte in mütterlicher Fürsorge auch 277 jener Unglücklichen, welche in den Niederungen von Aquileja ein Dasein voll Elend und Siechthum führten. Einen grellen Gegensatz dazu bietet das selbstsüchtige Borgehen der eigenen Landsleute, welche, weit entfernt, an die Bekämpfung der dortigen verderblichen klimatischen Ein¬ flüsse sich zu wagen, dieselben nur für ihre Sonderzwecke auszubeuten trachteten. Es war nämlich einer der ersten, von der im Jahre 1765 in's Leben gerufenen görzer Ackerbau- Gesellschaft ausgehenden Anträge, dem Ueberhandnehmen des Felddiebstahles durch die auf dieses Vergehen zu verhän¬ gende barbarische Strafe der Verweisung nach Aquileja zu steueru. Dagegen erschien am 7. Mai 1766 das Decret Maria Theresia's, welches die Vornahme umfassender Entwässerungs¬ arbeiten anordnete, die über 12.000 Acker Landes dem Feld¬ baue wiedergebeu und damit zur Salubrität der ganzen Ge¬ gend wesentlich beitragen sollten. Der erste Anstoß hiezu war indeß von einem Bürger Aqnileja's ausgegangen, der mit seinen geringen Mitteln derartige Arbeiten versucht und durch Ausdauer nicht ganz unerhebliche Erfolge davongetragen hatte. Davon in Kennt- niß gesetzt, hatte der Graf von Puebla, der zu jener Zeit als Landeshauptmann der Verwaltung der vereinigten Graf¬ schaften Görz und Gradišča Vorstand, die Sache mit Eiser und Liebe erfaßt und durch persönliche Bemühungen in Wien von der Kaiserin und ihren Räthen das Eingehen auf seine Ansichten erwirkt. Einerseits wurde gesundes Trink¬ wasser aus ziemlicher Entfernung nach Aquileja geleitet, anderseits entstanden zahlreiche Kanäle mit Schleusen, welche den Zuflüssen der Gewässer und den meteorischen Nieder¬ schlägen raschen Ablauf gewährten und zugleich das Eindringen des Brackwassers ins Land verhinderten. Im Jahre 1778 wurden 15.000 Gulden zur Bertheilung an Colonisten 278 ausgewogen, welche ein Levantiner in seiner Heimat zu wcrbeu sich verbindlich gemacht hatte. Diese Zusage ward nicht eingehalten, allein die auf Staatskosten unternom¬ menen Arbeiten unterbrachen erst im Jahre 1790 jene Ereignisse, welche unseren Welttheil ein Vierteljahrhundert lang erschütterten. Nuläugbar ist es, daß die gesundheitlichen und ökono¬ mischen Zustände der Gegend von Aquileja einigermaßen sich schon gebessert haben, und gewiß, daß dort noch vieles mit Aussicht aus lohnende Ergebnisse geschehen könnte. Da drängt sich auch uns die häufig schon gestellte Frage un¬ willkürlich auf, ob denn Aquileja jemals wieder einen an seine glorreiche Vorzeit mahnenden Aufschwung zu nehmen, hoffen darf. Wir gestehen, daß wir gewichtige Zweifel dar¬ über hegen, indem, unserem Dafürhalten nach, die an den west¬ lichen Gestaden des adriatischen Meeres unter unseren Augen unaufhaltsam, wenn auch unscheinbar, sich vollziehende geolo¬ gische Veränderung, welche eine ganze Reihe einstiger Küsten¬ städte, wie z. B. Adria, Ravenna u. a., ihres belebenden Elementes beraubte, nicht den geringsten Theil an dem Unter¬ gänge Aquileja's hat. Andere knüpfen die kühnsten Erwartungen an den Durchstich der Landenge von Suez und meinen, daß derselbe den großen Weltverkehr wieder in seine ulten Bahnen lenken und die Adria in Verbindung mit dem rothen Meere als die kürzeste natürliche Handelsstraße zwischen den Brenn¬ punkten des menschlichen Gewerbfleißes im Zentrum Europa's und den mit den kostbarsten Schätzen dieser Erde verschwen¬ derisch ausgestatteten Ländern des südlichen Asiens neuerdings zur Geltung bringen werde. Es mag sein, daß der erhabene Kreislauf der Natur, welche die eigenen überlebten Schö¬ pfungen in Stücke schlägt und ans den Trümmern neue, 279 jugendfrische Gebilde formt, auch hier nur au das Ende eines Zerstörungswerkes gelangt ist, um einen Wiederaufbau ;u beginnen. Sicherlich aber trennen uns unberechenbare Zeiträume von einer Wiedergeburt Aquileja's, denn immer noch ist es nur ein weites Grab, trotz der üppigen Fluren, welche es bedecken und daraus wie alle, einen Leichenhügel überwu¬ chernden Pflanzen die darin angehäuften Bedingungen ihres Gedeihens ziehen, und der heutige Anblick der Ruinen von Aquileja ruft dieselben Empfindungen in uns wach, welche vor mehr als einem Jahrtausende den Patriarchen Pauli¬ nus II. ein Klagelied anstimmen ließen, in dem er, das furchtbare Schicksal der geliebten Stätte beweinend, in die Worte ausbricht: lianclos tmos, ^guileja, oineres Non nübi uilas suüieiant, laorimas, Uesunt sormonss, ckolor sonsum abstmlit 6vräis aniari. B e i l a g e n. I. Reihenfolge der Bischöfe, Erzbischöfe und Patriarchen von Aquileja. Bischöfe. 42 (?) H. Marcus der Evangelist, kehrte nm das Jahr 49 nach Nom zurück. 49 (?) H. Hermagoras, ein Deutscher, nach anderen ein Grieche, 7 6^r 90 (?) H. Hilarius aus Pannonien (?) 286 (?) Lhrysogonus l. aus Byzanz. 293 (?) Chrhsogonus II. aus Dalmatien. 300 (?) Agapitus aus Aquileja. 3! Theodor, ein Thracier. 332 l?) Benedict, ein Römer. 347 Kortunatianus, ein Africauer. Erzbischöfe. 369 H. Balcrian, ein Gallier. 389 H. Cromatius aus Aquileja, nach anderen ein Spanier. 407 Augustin I. aus Beuevent. 434 (?) AdclphuS oder Dclphinns aus Altino. 443 (?) Maximus. 444 Januarius aus Pola. 431 Sccundus, ein salischer Franke. 434 H. Ricctas, ein Grieche. 483 (?) Marceliianus aus Tessalonich. 284 600 (?) Marcelliuus, ein Römer. 613 (?) Stephan aus Mailand. 639 Macedonius ein Macedonier. Schismatische Patriarchen. 687 Paulinus I-, ein Römer. 569 Probinus von Benevent aus dem anicischen Geschlechte. 571 Elias, ein Grieche. 586 Severus aus Ravenna, ch 606. 607 Johann I. aus Aquileja (?). 623 (?) Marcianus aus Pirano. 628 Fortuiiatus. 6L9 (?) Felix. 663 (?) Johann II- 684 (?) Johann III. Orthodoxe Patriarchen. 698 Peter I. aus Pola (?). 711 Serenus, -s- 716. 716 Calixtus aus Cividale, Erzdiakon von Treviso. 762 Siegwald von Cividale ans dem Hause der Herzoge von Bene¬ vent, P 776. 776 H. Paulinus II. Graminaticus aus Premariacco, 4 802. 802 Ulsus l., -p 811. 811 Maxentius. 834 (?) Andreas, ein Friauler (?). 843 (?) Penantius aus Italien (?). 850 Theodemar, ein Deutscher. 856 (?) Lupus I. 875 Mlpert. 901 (?) Friedrich l. 922 (?) Leo, ein Friauler (?), im Jahre 928 durch den Langobarden Rodoald ermordet. 928 Nrsus II. 931 Lupus II. 944 (?) Engclfred, ein Deutscher, f zu Nom 963. 963 984 4049 4042 4049 4060 4068 4077 4 084 4088 4422 4432 4462 4 482 4 493 4204 4218 4254 4 273 285 Rodoald, ein Deutscher, -s 984. Johann IV. aus Ravenna, -f 4049. Poppo (auch Wolfgang?), ein Deutscher, P 28. September 4042. Eberhard, Domherr von Augsburg, ein Langobarde, -f 4049. Gotepold, Propst von Metz, ein Verwandter des salischen Kaiserhauses. (?) Ravanger, ein Deutscher, -f 4068. Sieghart Graf von Plenen, ch zu Regensburg 12. August 4077 Heinrich, Domherr von Augsburg, ein Deutscher, ch 4084. Friedrich II-, ein Slave von vornehmer Abkunft; im Jahre 4083 durch die eigenen Unterthemen ermordet. Ulrich l. von Eppenstein, Abt von St. Gallen (Sohn Herzog Markwarts von Kärnthen), ch 2. April 1422. Gerhard genannt von Premariacco (Sohn Meinhards I. (?) von Görz, nach anderen ein Friauler), entsetzt 4428. 4428 Engelbert, Dekan von Bamberg erwählt, aber nicht investirt. Pilgrim I. von Sponheim (Sohn Heinrichs, des ersten Herzogs von Kärnthen ans diesem Hause), ch 8. August 14 61. Ulrich II. Graf von Treffen in Kram (Sohn des Grafen Wolf¬ rath), -f zu Aquileja 1182. Gottfried, Abt von Sesto, ein Verwandter der Hohenstaufen, s- 1194. Pilgrim Ik. fvon Dornberg (?), aus Bresciaf(?)j, Erzdiakon der Kirche von Aquileja und Propst von Cividale, -f zu Aquileja 15. Mai 4204. Wolfger von Lenprechtskirchen aus Köln, Bischof von Passau, -f zu Aquileja 23. Januar 4248. Perthold von Andechs, Erzbischof von Kalvcsa,-f 23. Mai 1251. Gregor von Montelongo aus Campanien, 's zu Cividale 8. Sep¬ tember 1269. 1270 Philipp von Sponheim, Erwählter von Salzburg (Bruder Herzog Ulrichs III. von Kärnthen), gewählt, aber vom Papste nicht bestätigt. Raimund della Torre aus Mailand, Bischof von Como, -f zu Udine 23. Februar 1299. 1299 1302 1316 1319 1334 1330 1389 1365 1381 1387 1398 1402 286 1299 Konrad von Polen gewählt, aber nicht bestätigt (?). Pcter II. Gera ans Fercntino, Erzbischof von Capua, P zu Udine 13. Februar 1301. 1301 Pagano della Torre von der Mehrheit, Otto von Ortenburg von der Minderheit des Capitels gewählt; keiner vom Papste bestätigt. Ottohuono Robario oder de' Razzi aus Piacenza, Bischof von Padua, P auf dem Wege nach Rom 14. Januar 1315. 1315 Gilo von Villalta, Erzdiakon des Hochstiftes, gewählt, aber nicht bestätigt. Gastonc della Torre, Erzbischof von Mailand, -s zu Florenz 20. August 1318. Pagano della Torre, Bischof von Padna, P zu Udine 19. De¬ cember 1332- Bertrand von S. Ginnes aus Languedoc, den 6. Juni 1350 am sogenannten Nichenvelda bei Spilimbergo durch empörte Vasallen unter Führung der Herren von Spilimbergo und Villalta und zwar von des Letzteren Hand gctödtct. Nicolaus I. von Luxemburg, Bischof von Neuburg (natürlicher Sohn König Johanns von Böhmen), P zu Bellnuo 29. Juli 1358. Ludwig I. della Torre, Bischof von Koron, P zu Udine 30. Jnli 1365. Marquard von Randeck aus Baiern, Bischof von Augsburg, P zu Udine 3. Januar 1381. Philipp Cardinal von Alenyon, Erzbischof von Sabina, entsetzt 1387, P zu Rom 1397. Johann V. von Luxemburg, Bischof von Leutomischl (Sohn des von Margarethe Maultasche verstoßenen Markgrafen Johann von Mähren aus dessen zweiter Ehe mit Margarethe von Troppau), durch Tristan Savorgnano und seine Mitver- schwornen zu Udine am 13. October 1394 ermordet. Anton I. Gaetano aus Nom, verzichtet 1402, ch zu Rom 1412. Anton II. Panziera aus Portogruaro, Bischof von Concordia, unrechtmäßiger Weise abgesetzt 1408, verzichtet aber erst 1411, st zu Nom 1431. 287 1409 Anton III. da Ponte aus Venedig, Bischof von Con¬ cordia, findet nicht allgemeine Anerkennung. 1412 Ludwig II. Herzog von Teck, 1439. 1439 Ludwig III. Cardinal Scarampo Mczzarota ans Padna, ch zn Rom 27. März 1468. 1468 Marcus I. Cardinal Barbo, zu Rom im März 1491. (Von diesem Patriarchen an sind sie alle ohne Ausnahme Venetianer.) 1491 Hermolaus I. Barbaro, Bischof von Nimosa, P zu Rom 1493. 1493 Nicolaus II. Douato, ch in Cividale ö. September 1497. 1497 Dominik Cardinal Grimani, Bischof von Alba und Porto, ver¬ zichtet 1317, st zu Rom 27. August 1323. 1317 Marinus Cardinal Grimani, verzichtet 1529. 1329 Marcus II. Grimani, verzichtet 1533, P 1544. 1533 Marinus Cardinal Grimani (zum zweiten Male), verzichtet aber¬ mals 1545, f zu Civitavecchia 28. September 1546. 1545 Johann VI. Grimani, verzichtet 1550. 1550 Danici I. Barbaro, -s 12. April 1570. 1571 Alois Giustiniani Coadjutor, P 1585. 1585 Johann VI. Grimani (zum zweiten Male), st zu Venedig 3. October 1593. 1593 Franz Barbaro, im April 1616. 1616 Hermolaus II. Barbaro, ch zu Venedig 22. Dezember 1622. 1622 Anton III. (IV.) Grimani, st zu Venedig 26. Januar 1628. 1628 Augustin II. Gradenigo, zu Padua im September 1629. 1629 Marcus III. Gradenigo, 16. Februar 1656. 1656 Hieronymus Gradenigo, Bischof von Famagosta, ch 1657. 1657 Johann VII. Cardinal Delfino, f 19. Juli 1699. 1699 Dionys Delfino, f zu S. Vito 13. August 1734. 1734 Daniel II. Cardinal Delfino, seit der Unterdrückung des Patri¬ archats im Jahre 1751 Erzbischof von Udine und daselbst P 13. März 1762. II. Stammtafel der Grafen von Gör^ der Vögte des Hochstistes Aquileja. Taf. 1. Othwrn Graf von Lurn und Pusterthal (von Istrien und Görz?). verm. I. m. Glica (st 970), n. m. Wichburg von Sponheim (st 1017) Stifterin des Klosters St. Georgen am Längsee in Kärnthen. Engelbert st 1045 Gerloch Hartwik st 1048 Heinrich Bolcold Hildburg Percunta Gf. von Lurn u. Pusterthal um 1035 Bischof v. Brichsen Stifter des Klosters Sonnenburg 1. 2. ___ im Pusterthale Aebtissin von St. Georgen Engelbert um 1080 Heinrich um 1102 Meinhard um 1102 Gf. im Pusterthal Gf. in Istrien Gaugraf von Lurn Meinhard n. st 1231 od. 1232 Stifter der Deutsch-Ordens- Commende Precinico Meinhard i. von Görz Engelbert i- von Görz Vogt der Propstei St. st zwischen 1147 u. 1150 st um 1150 ' Heinrich i. st 1150 Engelbert n st 1187 Vogt der Propstei St. Gf. v. Görz, Vogt des Hochstiftes Stephan in Aquileja Aquileja, verm. m. Mathilde, Podesta v. Triest um 1150 Tochter Bertholds ll. v. Andechs Markgrafen v. Istrien, Witwe Friedri chs v . Hohenburg Engelbert m, ' st 1220 Gerhard (?) Tochter leja 1122-1128, v.Rechperg Stifter der Abtei Rosazzo Hirmengarde od. Hirmilo Aebtissin des Marien- 'Klosters in Aquileja "Meinhard rv. (ll.) st 1295 Herzog v. Kärnthen, Gf. v. Tirol u. Görz, Vogt d. Gotteshäuser zu Aglar, Trient u. Brichsen, 1262—1270 Hauptmann des Volkes in Triest; verm. 1259 m. Elisabeth (st 1273) Tochter Otto's des Erlauchten v. Baiern, Witwe König Konrads i v.v. Hohenstaufen, Stifterin des Klosters Stams in Tirol S. Tas. 2. Meinhard m. (I.) st 1258 Albrecht i st 1250 Gf. v. Görz u. Tirol verm. m. verm. m. Hhppolita Nera Tochter- Adelheid (st 1275) Erdtochter Rambalds von Collalto. Alberts d. letzten Gfn. von Tirol Bertha Adelheid st 1291 Albrecht n st 1304 Meinhard v verm. m. Konrad verm. m. Fried- Graf v. Görz und Tirol, Pfalzgraf in st 1318 od. 1319 v. Wuellenstetten rich v. Ortenburg Kärnthen, Vogt d. Gotteshäuser zu Aglar, u. Kirchberg (st 1304) Trient u. Brichsen: verm. 1.1266 ni. Euphemia Tochter Konrads Herzogs v. Glogau; n. :--75 m. Euphemia Töchter Hermanns v. Ortenburg, Witwe Konrads von Plaien u. Hardeck; (in. Diomunda od. Diemoth Tochter Azzo's v. Belgrads?) S. Taf. 3. 1295 Albrecht j Ho¬ ll. Ulrich ?) (i.Friench?) (I. Georg?) (l. Sigismund?) verm Ursu 1-13; Ludwig -j- 1305 luna Brunoro igero. Euphemia 1-1330 1. Leopold -j- als Kind lil. Heinrich m. f 1362 oder 1363, verm. m. Ziliola Tochter Jakobs v. 11. Catharina verm. m. Ulrich Grafen v. Täu¬ fers (-j-1337) n. Elisabeth verm. I. 1310 m. Hermann Sohn d. Grafen Ulrich v. Heunburg, II. m. Wilhelm v. Schaumburg l Heinrich v gen. d. Jüngere wird i. J. 1412 erwähnt. verm. 1.1283 (nur verlobt?) m. II. ."IT Ih "..h'.' ? lil. m. Euphemia Utehild I. Anna verm. 1352 m. Johann Stephan Frankopan Gfn. v. Veglia u. Modrusch I Ursula verm. 1362 m. Heinrich von Schaumburg II. Johann -s 1461 verlobt oder verm. m. Elisabeth Tochter Ulrichs II. v. Cilli. Albrecht (nat. Sohn geb. um 1330) II. Ludwig s 1456 oder 1457. Taf. 3. Albrecht n -s 136 Taf. L. Meinhard >v. ( ll, Clara Euphemia verlobt 1286 m. Andreas Herzog v. Slavonien (nachher als König v. Ungarn Andreas III.) I. Heinrich i, f ^ggg Podesta von Triest (IMS), Reichsverweser ! Treviso (1322), verm. 1.1297 m, deatnx (h lgzi> Tochter Ghards v. Camino, II. lS2l m. Beatrix (t »SS?) Tochter Hergs Stephan v. Nieder- Baieru (Gretha nat. Tochter, verr. m. Nikolaus v. Pra- Pergo?) III. Meinhard vii. 1' 1385; verm. i. um 1347 m. Catharina Tochter Ulrichs v. Pfannberg (lebte noch 1365), II. m. Utehild Tochter Ulrichs v. Matsch (wiederverm. m. Johann Burggrafen v. Maid¬ burg) lil. Albrecht iv. 1374, verm. 1.1342 ?) m. Helene, II. 1353 i. Catharina Tochter riedrichs I. v. Cilli viederverm. m. Jo- ann, Truchseß von Waldburg). (Elisabeth nat. Tochter, verm. m. Oliviero Forza?) l. Meinhard vi -r- um 1318; verlobt 1.1300 m. d. Tochter d. Banus v. Kroatien, Subm Grafen v. Berbir, (H. m. Mathilde Tochter Rudolfs i. v. d. Pfalz, welche sich 1316 m. d. Grafen v. Sponheim vermählte?) I Catharina -f 1391 verlobt 1361 m. Leopold m. Herzog v. Oesterreich, der sich 1365 m. Viridis Tochter Bar- nabo's Visconti vermählte; verm. 1372 m. Johann I. Her¬ zog v. Baiern-München s- 1292, verm. 1281 m. hnes Tochter Albrechts, Groin v. Hohenburg u. Haigerich Anna Elisabeth 1- 1331 1- 1347 verm. 1327 m. Rudolf II. v. d. verm. 1323 m. Peter II. v. Ara- Pfalz (-s- 1335) gonien u. Sicilien (t 1342) ll. Johann Meinhard -s-1429 oder 1430; verm. 1.1403 m. Magdalena Tochter Friedrichs Herzogs v. Baiern-Landshut, ll. 1422 m. Agnes Tochter Friedrichs v. Pettau (wiederverm. m. Leu¬ thold v. Stubenberg) II. Heinrich geb. 1376, -f 1454; verlobt 1382 m. Elisabeth (-s 1392) Tochter Leopolds III. Herzogs v. Oesterreich; verm. I. um 1417 m. Elisabeth (s-1426) Tochter Hermanns II. Grafen von Cilli; H-1443 m. Catharina (-H nach 1471) Toch¬ ter des Palatins v. Ungarn Nikolau s Gara (?) II. Leonhard -j- 1500 verm. 1.1475 m. d. Tochter des Banus v. Slavonien Nikolaus v. Jllok (n. a. Tochter des Kö¬ nigs Nikolaus v. Bosnien); II. 1477 m. Paula (s- vor 1500) Tochter Ludwigs m. von Gonzaga-Mantua. ii. Wdeinhard m. II. Tochter ll. Hermann geb. um 1343, s-1363, verm. 1358 verm. > 349 m. Mastino . -r- als Kind, m. Margarethe (f 1366) Tochter , della Scala. Albrechts n. Herzogs v. Oester- reich (wiederverm. 1364 m. Johann ' 7 Heinrich v. Mähren, dem versto- ßenen Gemähte Margarethens der , ' . Niaultasche und Witwer Marga¬ rethens, der Tochter des Herzogs Nikolaus v. Troppau). Margarethe verm. m. Friedrich iv. . henzollern, Burggrafe wn Nürnberg I. Agnes II. Johann Heinrich verm. m. einem -f 1338 Herrn della verlobt 1335 m. Beatrix Scala Tochter Königs Peter II. v. Aragonien u. Sici- lien; 'verm. 1336 m. Anna (-s 1343) Tochter Friedrichs d. Schönen v. Oesterreich ll. Albrecht »i. oder I. nn Albrecht 1- 1327 ierm. 1.1283 (nur verlobt?) m. Tochter Ulrichs v. Heunburg, II. 1299 m. Elisabeth Tochter H richs Landgrafen v. Hessen, III. m. Euphemia Utehild nach 1350) v. Matsch I Elisabeth I. Euphemia verm. 1373 m. irman Grafen v. Cilli Otto -s- 1310 verm. um 1290 m. Euphemia ('s 1347) Tochter Heinrichs, Her¬ zogs von Breslau, Stifterin der Clarisserinnen zu Meran (I. Barbara?) I Margarethe verm. m. Johann Gfn. v. Oettingen. Heinrich -s- 1335 Elisabeth Agnes -f 1293 König v. Böhmen u. Polen; verm. I. geb. 1263, -f 1313, verm. 1276 verm. 1285 m. Friedrich d. Ge- 1306 m. Anna (-f 1313) Tochter Wen- m. König Albrecht I. (-f 1308) bissenen (-j-1324) Landgrfn. v. zels ii. Königs v. Böhmen; ii. 1315 m. v. Habsburg Thüringen und Markarfn. v. Adelheid (s-1320) Tochter Heinrichs I. i Meißen. Herzogs v. Braunschweig - Gruben¬ hagen; in. 1327 m. Beatrix (-j- 1331) Tochrer d. Gfn. Amadeus V. v. Savoyen. . , . II. Adelheid ii. Margarethe -f 1375 genannt die Maultasche, geb. 1316, -s 1369; verm. l. 1330 m. Johann Heinrich v. Lu¬ xemburg (-P 1375) Markgrafen v. Mähren, Sohn König Johanns v. Böhmen (ver¬ stoßen 1341), II. 1342 (rechtmäßig getraut erst 1359) m. Ludwig (-f 1361) Markgrafen v. Brandenburg. Sohn Kaiser Ludwigs iv- des Baiern. III. (?) Catharina m. (?) Clara m. Margarethe verm. 1330 m. Ul- verm. m. Herdegen verm. m. Rudolf rich v. Walsee Grfn. v. Pettau v. Ortenburg ('s 1329) ' Im Berlage Von W. Bramnüller, k. k. Nvk- «nd Nn!lierr!tlitsbllchhiindskr in Wien sind erschienen: Leitfaden zur Kunde des heidnischen Alterthums mit Beziehung aus die ö st e r r e i ch i s ch e n L ä n d er von Dr. Cd. Freiherr« von Zacken Lullos des lt. li. Münz- und Anliken-Caliinels. Mit 4 in den Text eingedruckten Holzschnitten. 8. 1865. Preis: 2 fl. 50 kr. — 1 Thlr. 20 Ngr. In diesem Buche werden die Ergebnisse der interessanten, aber vielfach zer¬ streuten neueren Forschungen über die vorrömischen Culturepochen Mitteleuropas, zumal Oesterreichs, zum ersten Male in einer klaren und gedrängten Uebersicht nach ihrem heutigen Staude zusammengefaßt uud auf die große Bedeutung der archäologischen Funde aufmerksam gemacht. Besonders willkommen dürfte dem Leser die treffliche und eingehende Darstellung der drei Cultur¬ epochen (Stein-, Bronce- und Eisenzeitalter, mit Benützung zahlreicher, meist inländischer Fundobjekte in 84 gelungenen Holzschnitten), ferner die sorgfältige und vorsichtige Behandlung der Beobachtungen über das Vor¬ kommen von Geräthen aus Stein neben Resten ausgestorbener Thiergattungen, über Pfahlbauten und andere keltische und germanische Monumente sein. Hieran schließt sich eine Darstellung der römischen Alterthümer in unfern Ländern und eine Anleitung über den Vor¬ gang bei Ausgrabungen und die Behandlung der Alterthümer, welcher die Ergebnisse langjähriger praktischer Erfahrungen mittheilt. Dadurch eignet sich der „Leitfaden" in hervorragender Weise als Handbnch sowohl für den Archäologen von Fach, als auch für den weitern Kreis der Freunde des Alterthums, und entspricht somit einem wahren Bedürfnisse der Zeit. Von demselben Verfasser: Das keltische Grabseld bei H a l l st a t t in O b e r ö st e r r e i ch mid dKsr« Mkrtziimrr. Mit 26 z inlo ar afirtcn Tafeln. gr. 4. (Unter der Presse). C NÄermUer'lche Vuchinackem tM. Salzer). näkvML M vmvLkrrrLDiz SSSSSS2721S