126766
>< l.MIj,ni
Plttrilirchengniber
Monographische 8kizzen
Von
A4
Wiru 18S7^
Wilhelm Br a umüllrr
k. k. Hof. und NniverslläsHbuchhändrer.
Im Berlage
von
W. Braumüllcr, k. k. Hak- und NniliersitiitLbinWndkr i» Wlttt
sind erschienen:
Die ägyptischen
D^ttkmäl'er irr Miramar.
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Dr. S. Leo Reinisch
Prival-Oorenl der k. k. Uniaersilät in Wien.
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1. Band: Die k. k. Gemälde-Sammlungen im Schloß Belvedere und in der k. k.
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Aqmle,jü's
Patriarchengriibkr.
.1IIoiwAai>stlsch«? 8lrizzl'ii
Wien <867.
Wi l h e l m B r n ii ni ü l l r r
12678K
C. Ueverreuler'I'chc Luchdruckerei (N. Salzer).
Seiner treuen Lebensgefährtin, der aufopfernden Mutter
feiner Kinder, der bewährten Freundin, der für alles Hohe
und Edle begeisterten Frau widmet dicfe Blätter zum
Beweife inniger Zuneigung und dankbarer Verehrung
der Verfasser.
Vorwort.
-x^ndem ich eine Erstlingsarbeit der Oeffentlichkeit übergebe,
fühle ich nur zu gut, wie sehr ich die Nachsicht meiner Leser
für dieselbe anrnfen muß.
Die allen Söhnen meiner Heimat eigenthümliche Liebe
zu ihr, das regste Interesse für ihre einstigen Geschicke, so
wie für Geschichte überhaupt, die erfahrnngsgemäße That-
sache endlich, daß jede andauernde Beschäftigung mit einem
Gegenstände die Verlockung mit sich bringt, selbst schaffend
sich daran zu versuchen, mögen mein Wagniß entschuldigen.
Würden übrigens die nachfolgenden Skizzen für eine
bereits erprobte Kraft, für eine gewandtere Feder zum An¬
stoße, den noch wenig ausgebeuteten geschichtlichen Stoff,
den sie behandeln, zum Vorwurfe zu wählen, so hätte mein
Streben reichen Lohn gefunden, denn sie wären nicht ganz
nutzlos entstanden.
St. Peter, am 20. Januar 1867.
Verzeichnis
der hauptsächlich benützten Quellenwerke, Specialgeschichten
und Monographien.
lääitaiueiitiliu I. st II. all Ollronioon Oortusiorum (Nurut. 88.)
t»to»!ni. II krinki orisntuls.
Archiv für Geschichte und Alterthumskunde Tirols.
Barthold. Der Römcrzug König Heinrichs von Wtzelbnrg.
kianedi. 6t>ronieon 8pitimbsrAsnss.
— Lauts in Hains.
— Looumsnta Listorius ^orojulisnsis ss-senli XIII. (A. f.
K. österr. Gesch. Quellen).
— Looumsnti per tu stori», dsl Lriuli änt 1317—1332.
— 1'lless.urus Loctosias Xguitsgsusis.
kainlilo. Loiumsntrrrü 6si katti a'Xguilegu.
Chuiel. Urkunden zur Geschichte von Oesterreich, Steiermark, Kärnten,
Krain, Istrien, Tirol (1246—1300). (l?ont. rer. nustr.)
klcunl. Dciins s sus, provinci»,.
Ouroiiini. Tentawsn ^snsaloAnoo - okronoloAicnm promovsoday
ssriei Lomituin st rsruw 6oritig,s.
Ueli» »mm. 8opr» un Loriuv ä'oro rrnvnimo 6i Ooriniu.
(8ollrvsitrsr. Xotinis psrsAiins 6i Xumismntiou s
ll'XrolrsoloAi»,.)
— 8trsuu», oronoloß'iou per l'nntio», storig, del I'rinli.
8u!ie untiolie I»,miAlis dsi RsitsnllsrA o ävi UorndsrA.
(8olivvsi t^sr. X. p.
— gewiß ein seltenes Schau¬
spiel—beide Führer der sich gegenüberstehenden Heere nach
einander von Feindeskugel getroffen fallen. Am 10. Octo¬
ber 1616 empfing der venetianische Befehlshaber Pompeo
Giustiniani auf einem niederen, der jetzigen Görzer Brücke
*) Die Ueberblcibsel der von demselben erbauten Veste (Rocca)
von Monfalcone erhalten das Andenken an seine Herrschaft in diesen
Gegenden.
**) Johann Emo IL78—80.
7
gegenüber liegenden Hügel des rechten Ufers die Todeswunde,
und nm 7. Juni des darauffolgenden Jahres ereilte ein
gleiches Schicksal den kaiserlichen General Adam von Trautt-
mansdorff auf dem linken Ufer an der Parkmauer des
Schlosses von Rnbia.
Ist der Jsonzo zwischen Pieris und S. Valentino über¬
schritten, so hat man alsbald klassischen Boden unter den Füßen,
denn man wandelt nunmehr die Gräberstraße Aquileja's.
Dieselbe Richtung mag wohl auch Attila eingeschlagen
haben, als er daherzog, sein größtes Zerstörungswerk zu voll¬
bringen (452). Unversöhnliche Rache im Herzen gegen die
Völker des Westens, deren verbündeten Waffen er auf den
catalaunischen Feldern unlängst unterlegen war, kam er aus
Dalmatien und Istrien, wo die an den überwundenen Küsten-
stüdten Spalatro, Salona, Tran, Sebenico, Scardona, Zara,
Novi, Zengg, Pola, Parenzo, Capodistria und Triest ver¬
übten Gräuel seinen Weg bezeichneten. Nachdem er im ge¬
birgigen Theile des Landes kurze Zeit gewüthet hatte, stieg
er in die Ebene hernieder und erschien vor Aquileja, dessen
Größe und Ausdehnung ihn derart überraschten, daß er in
um so heftigerer Begierde entbrannte, seinen Grimm diese
Stadt fühlen zu lassen, als sie es gewagt hatte, die gefor¬
derte Auslieferung der in ihren Manern Schutz suchenden
Flüchtlinge zu verweigern. Ohne Säumen schritt er zum
Angriffe, an dessen Gelingen er alle seine Kräfte setzte.
Dieses wurde ihm indeß nicht leicht, denn Muth und Aus¬
dauer der Vertheidiger waren der kühnen Wildheit der An¬
greifer gewachsen, und der rohen Gewalt asiatischer Horden
stand die an Hilfsmitteln aller Art überreiche römische Cultur
gegenüber. Schon währte die Belagerung mehrere Monde
ohne Aussicht aus Erfolg, und in dem Lager der Hunnen
drohte mit dem Mangel an Nahrungsmitteln, deren es in
8
der ansgesogenen Umgebung wenig mehr aufzutreiben gab,
auch Entmuthigung einzureißcn, als das Fehlschlagen einer
von den Aquilejesern gebrauchten Äst die Hoffnungen im
Lager der Feinde neuerdings belebt haben soll. Man erzählt,
daß die Bürger, deren Reihen durch die Gefahren und Ent¬
behrungen des Krieges stark gelichtet waren, unvermögend,
ihre ausgedehnten Wälle in genügender Anzahl zu besetzen,
die Belagerer darüber zu täuschen suchten, indem sie die
Lücken mit den vielen in der Stadt befindlichen Statuen
ausfüllten. Allein die Vögel des Himmels, welche anf diesen
vorgeblichen Verteidigern zu nisten begannen, vennethen den
Hunnen zugleich mit dem Truge die eingetretene Ermattung
der Belagerten.
Da nun König Etzel, der früher einmal bei ähnlicher
Gelegenheit nur mit Mühe der Gefangenschaft entgangen
war, mit zahlreichem Gefolge die Mauern der bedrängten
Stadt umritt, die schwächste Stelle selber zu erspähen, er¬
blickte er einen Storch*), der im Schnabel seine Jungen,
eines nach dem anderen, aus dem Innern derselben in die
Ebene hinaustrug. Mit Geistesgegenwart den Augenblick
rasch erfassend und in allen Wahrsagerkünsten wohl bewan¬
dert, wandte er sich an seine Begleiter, deren abergläubischen
Sinn er kannte, und deutete jene seltsame Erscheinung als
eine Offenbarung höherer Mächte. Er verkündete ihnen, wie
jenes Thier, das seiner bisherigen Heimat bevorstehende
Unheil ahnend und für die Sicherheit der Seinigen besorgt,
eine andere Zufluchtsstätte aufsuche, und am Schluffe seiner
ermunternden Rede befahl er für den kommenden Morgen
einen allgemeinen Sturm an. Nachdem aber auch dieser mit
*) In der bedeutenden Rolle, welche die Sage den Vögeln beim
Falle Aguileja's anweist, wird man den Einfluß römischer Anschauungen
kaum verkennen können.
9
durch Siegeszuversicht verdoppelter Heftigkeit geführte An¬
griff an der Unerschrockenheit der Vertheidigung gescheitert
war, griff Attilas Scharfsinn zu einem letzten Mittel. Je
vier Reiter seines Heeres, so soll er angeordnet haben, mußten
einen Sattel*) abliefern, was bei den zahlreichen Schaaren
von Berittenen, über die er gebot, eine ansehnliche Menge
ausgemacht haben mag. Dieser brennbare Stoff wurde nun
derart über einander gehäuft, daß er nicht nur einen Theil
des Stadtgrabens ausfüllte, sondern sich auch noch an den
Mauern hoch hinauf thürmte und endlich in Brand gesteckt.
Da vertrieb die heiße Lohe die bisher unbesiegten Streiter
von den Brustwehren, welche unter der versengenden Gluth
berstend in sich zusammenbrachen und so den nachstürmenden
Feinden eine Bröche eröffneten, durch welche dieselben käm¬
pfend, mordend und plündernd in die Stadt drangen.
37.000 Aquilejeser sollen dabei ihr Leben eingebüßt haben.
Viele Kostbarkeiten, welche die fliehenden Einwohner
nicht mit sich nehmen konnten, sollen in einen Brunnen ge¬
worfen worden sein, um sie vor den Augen der Ueberwinder
zu verbergen und in besseren Tagen wieder zu finden; ob¬
gleich nun alle späteren Forschungen nach diesem höchst wahr¬
scheinlich mythischen Brunnen vergeblich geblieben sind, so
hält nichts desto weniger der Volksglaube mit der ihm eigen-
thümlicheu Zähigkeit an dieser Ueberlieferung so fest, daß
immer noch in allen Kaufverträgen der ko/.zo ä'oro, wie
ihn der Mund des Volkes nennt, in Anbetracht seiner mög-
*) Nach der Schlacht bei Chalonö wollte sich Attila auf einem
Scheiterhaufen von Pferdesätteln verbrennen lassen, falls ihm Gefangen¬
schaft drohen würde; diese Erzählung wiederholt sich hier, wenn auch
in veränderter Gestalt. Gegen die Wahrheit derselben streitet übrigens
die gewöhnliche Annahme, daß die Umgebungen Aqnileja's damals nicht
wie heute an Holzmangel litten.
10
lichen Entdeckung, ausdrücklich dem Verkäufer des Grund¬
stückes Vorbehalten wird.
Von einzelnen heldenmüthigen Zügen, die dem Römer-
thume selbst in seiner äußersten Entartung niemals man¬
gelten, sind nur wenige der Vergessenheit entrissen worden.
Digna, eine durch vornehme Geburt und Schönheit, wie
durch Tugend gleich hervorragende Römerin, bestieg auf die
Kunde, daß die Sieger von allen lebenden Wesen nur schönen
Frauen Schonung angedeihen lassen, bei ihrer Annäherung
die höchste Zinne des Palastes und stürzte sich verhüllten
Hauptes in die vorbeifließende Natissa; den Tod, welcher sie
allein vor der unvermeidlichen Schande bewahren konnte,
suchend und findend. Ein zweites großdenkendes Weib,
Namens Honoria, klammerte sich, von denselben Gefühlen
beseelt, mit solcher Gewalt an das Grab ihres verstorbenen
Gatten, daß sie auf demselben, ein Opfer ihrer Treue, ge-
tödtet wurde.
Die Sage läßt Attila von dem bei Medea zwei Meilen
nördlich von Aquileja isolirt aufsteigenden Berge sich an
diesem entsetzlichen Schauspiele weiden. Möglich, daß er an
jener, eine ausgebreitete Fernsicht gewährenden Stelle seine
Zelte aufgeschlagen hatte, und daß in dunkler Nacht die
Flammen, welche im unglücklichen Aquileja so viel Herrliches
verzehrten, als gräßliche Freudenfackel zu seinen wilden Ge¬
lagen herüberleuchteteu.
Die innige Wechselbeziehung zwischen Leben und Tod,
zwischen Entstehen und Vergehen, die sich in den Geschicken
der Menschheit im Kleinen wie im Großen stets offenbart,
bewährte sich auch bei diesem Anlasse wieder. Aqnileja's Fall,
der ganz Oberitalieu der Verwüstung preisgab, ward be¬
kanntlich der erste Anstoß zur Gründung jenes merkwürdigen
Jnselreiches, das, auf der Höhe seiner staatlichen Entwicklung
11
angelangt, mit seiner Seemacht unbestritten die Meere bis
zu dem Zeitpunkte beherrschte, in welchem die Entdeckung
von Amerika und die Umschiffung der Südspitze Afrika's die
maritime Suprematie auf die Gestade des atlantischen
Oceans übertrug.
Man würde übrigens sehr irren, wollte man den Er¬
eignissen, die wir so eben zu schildern versuchten, ausschließlich
den heutigen Zustand Aqnileja's znschreiben. Eine umfang¬
reiche Stadt, welche überdieß großen Theils aus einem so
wenig gebrechlichen Materiale wie Marmor erbaut ist, setzt
eben der Zerstörung einen hartnäckigen Widerstand entgegen.
So gut Roms äußerer Glanz die Einfälle der Barbaren
überdauerte und noch zu Carls des Großen Zeit seine alte
Pracht beinahe ungeschmälert entfaltete, um erst in den fol¬
genden Jahrhunderten unter den wüsten Parteikämpfen und
namentlich unter der Verlegung der päpstlichen Residenz nach
Avignon dem tiefsten Verfalle Platz zu machen; so gut
bedurfte es noch vielfacher, verschiedenartiger und bis in die
neueste Zeit ununterbrochen fortwirkender Einflüsse, um
Aquileja, trotz der versuchten Restauration unter dem Pa¬
triarchen Poppo, auf die niedere Stufe herabsinken zu lassen,
die es hente einnimmt. In ähnlicher Weise müssen wir hier¬
unter den Ursachen dieser Verkommenheit die unausgesetzten
Fehden der Patriarchen mit ihren Rivalen zu Grado, mit
den benachbarten Städten, ihren eigenen Vögten und Lehens¬
leuten, so wie die Uebertragung ihres Wohnsitzes nach Cor-
morns, Cividale und Udine voranstellen. In dem Maße als
die Bevölkerung in natürlicher Folge davon stetig abnahm
und die vorhandenen Menschenhände nicht mehr genügten die
Kanäle zu reinigen, die schützenden Dämme zu erhalten und
die Felder zu bestellen, griffen in derselben Art, wie in der
römischcn Campagna Verödung, Versumpfung und in deren
12
Gefolge eine ungesunde Atmosphäre immer mehr nm sich.
Allmälig verschwanden dann die verlassen stehenden Gebäude,
da jeder Bau in weitem Umkreise mit den daraus gewon¬
nenen Steinen ausgeführt wurde, und so verwischten sich
endlich auch die letzten Spuren der einstigen Größe bis auf
wenige beinahe ausschließlich der späteren christlichen Aera
angehörenden Denkmale.
An wenig Stellen und da nur nach langem Suchen
oder durch Kundige darauf aufmerksam gemacht, entdeckt inan
deren noch über der Erde. Auf dem Wege von Monfalcone
nach Aquileja etwa 160 Klafter über seine Bereinigung mit
der von Billa Vieentina dahin führenden Straße hinaus, an
der Böschung des Chaussee-Grabens drängen sich die geringen
Ucberbleibsel eines alten Mauerwerkes bis an die Oberfläche
des Bodens heran. Sie gehörten einst zu dem am weitesten
gegen Norden gelegenen, unter den vier mächtigen Eckthürmen
der römischen Umfassung, welche in Gestalt eines mit den
längeren Seiten gegen WSW und ONO gewandten Recht¬
eckes den Flächenraum von beinahe 470 nieder-österreichischen
Jochen umschloß, während noch außerhalb derselben, ganz so
wie wir es bei unseren Großstädten sehen, die Ebene nach allen
Richtungen hin mit Bauwerken jeder Gattung übersäet war.
Verfolgt man die vorerwähnte Straße in der angedeu¬
teten Richtung, so erweicht man alsbald den Weiler Monastero,
der seinen Namen dem ehemals hier bestandenen, durch Pa¬
triarch Poppo im Jahre 1020 gestifteten und durch dessen
Nachfolger, namentlich Ulrich II., den Bruder der Aebtissin
Hermelinde reich beschenkten Frauenkloster 8. Nuria luori
Uelis innen verdankt^). Seine ursprünglichen Bewohnerineu
*) In den nunmehr weltlichen Zwecken dienenden Räumen des¬
selben berühren sich Vergangenheit und Gegenwart nachbarlich. In
der einen Hälfte des Gebäudes befindet sich die ebenso werthvollc als
13
haben es längst verlassen, indem sie zuerst die Erlaubnis;
erhielten, die ungesunde Sommerszeit in Cividale zu verbrin¬
gen und endlich ganz dahin zu übersiedeln.
Noch eine kurze Strecke weiter und man steht, sobald
man auf die, Terzo mit Aquileja verbindende Straße gelangt
ist, an einer Stelle, wo in längst entschwundenen Tagen
städtisches Leben und Treiben fieberhaft pulfirte, wo ein Ge¬
dränge von Menschen, Thieren und Wagen fortwährend hin
und her wogte; an der jetzt stillen und vereinsamten Stelle,
welche das Forum des alten Aquileja einnahm.
Unweit davon überschreitet man einen schmalen Kanal,
der, wie viele in seiner Nähe gefundene Münzen und Barren
edler Metalle es verrathen, zum Betriebe der römischen Präge
gedient hat, und betritt nunmehr das Innere der mittelalter¬
lichen Patriarchenstadt, welche durch die von Poppo herrüh¬
rende niedere Umwallung eingeschlossen, nur den sechsten
Theil des Raumes erfüllte, der innerhalb der römischen
Mauern lag. Gegen Südwest griff sie etwas über dieselben
hinaus, so zwar, daß der Hafen oder Landungsplatz der Na-
tissa mit seiner gut erhaltenen, gewiß ursprünglich römischen
Einfassung aus großen Quadersteinen, der sich unmittelbar
vor dem Thore der Römerstadt befunden hatte, in die Stadt
einbezogen wurde und an einen Platz stieß, der noch immer
besteht und mit den ihn umgebenden Gebäuden*) ein
uothdürftig städtisches Ansehen bewahrt hat.
reichhaltige Sammlung an Ort und Stelle aufgefundener Antiken des
für Archäologie begeisterten Grafen Cassis; die andere aber ist im
Besitze des Herrn von Ritter, der dort cm großartiges, mit allen
Hilfsmitteln der vorgeschrittensten Technik ausgcstattetes und im Geiste
der modernen Wissenschaft geleitetes landwirthschaftliches Etablissement
in's Leben rief, welches ohne Zweifel einen anregenden, segensreichen
Einfluß auf die ganze Umgegend üben wird.
*) In einem derselben erfreut den Besucher eine zweite, wohl
geordnete Sammlung örtlicher Funde. Sie ist Eigenthum des Apothekers
14
Gerade an dem entgegengesetzten Ende des Oerlchens
erhebt sich im Anschlüsse an eine zweite kleinere Gruppe halb
verfallener Häuser, in deren einem Domherr Bertoli zu
Ansang des 18. Jahrhunderts seine leider nicht vollständig
veröffentlichten äi ^uilssu niederschrieb, die
einstige Metropolitan-Kirche des Patriarchats, die alte
Basilica, welche unser Interesse in so hohem Grade in An¬
spruch nimmt.
Lange noch bevor man dieselbe gewahr wird, fällt der
Blick auf den freistehenden, mit dem Kreuze über 38 W.
Klafter hohen Campanile. Wie von so vielem Anderen
schreibt man hier seine, wohl über älterer Grundlage gesche¬
hene Erbauung dem Patriarchen Poppo zu, und zwar sollen
dazu aus dem benachbarten Amphitheater die Steine herbei¬
geholt worden sein, damit denselben, welche durch Jahrhun¬
derte heidnischen, von der christlichen Lehre verurtheilten
Vergnügungen gewidmet waren, zur Sühne nunmehr die
Bestimmung würde, mit eherner Stimme die Gläubigen zum
Dienste des wahren Gottes zu rufen. Der Theil von der
Glockenstube aufwärts, augenscheinlich jüngeren Ursprunges,
stammt von dem Patriarchen Bertrand von St. Ginnes
(1334—1350) her, welcher es in einem Briefe an Wil¬
helm, den Dekan von Aquileja, ausdrücklich bemerkt. Das
hoch oben angebrachte Wappen der venetianifchen Familie
Grimani deutet jedoch auf eine noch spätere, in jene Zeit
fallende Restaurirung hin, in welcher die Republik bereits
Zandonati, der sich ans Liebe zur gewählten Heimat schon seit einer
langen Reihe von Jahren vielfach mit ihren wechselvolleu Geschicken
beschäftigt. Die dabei erworbenen historischen und archäologischen localen
Kenntnisse wußte er bei der in jüngster Zeit durch Director Stein
büchel und Ingenieur Baubela versuchten und zum Theile gelungenen
Feststellung des Grundrisses der alten Stadt durch werthvolle Mit-
theilungen auf das beste zu verwerthen.
15
das Gebiet und die Gewalt des Patriarchats an sich gerissen
hatte, und die aller politischen Bedeutung entkleidete Würde
nunmehr zur Bersorgung für nachgeborne Söhne ihrer Adels¬
geschlechter benützte. Es hatten nämlich in den drei Jahr¬
hunderten, während deren das Patriarchat unter venetianischer
Hoheit noch fortlebte, 5 Grimani, 4 Barbaro, 3 Gradenigo,
3 Delfino und je ein Glied der Häuser Barbo und Donato
den Patriarchenstuhl inne.
Ein überraschend schönes Rundgemülde entrollt sich vor
den Blicken desjenigen, der die Mühe nicht scheut, die aller¬
dings unbequeme, schmale und steile Wendeltreppe hinan zu
steigen. So weit das bewaffnete Auge zu dringen vermag,
so weit reichte ungefähr am Höhepunkte seiner Macht die
weltliche Herrschaft des Patriarchates.
Der kirchliche Einfluß erstreckte sich gegen Norden weit
über die den Horizont begrenzenden Berge hinaus, bis au
die Drau, welche Carl der Große zur Schlichtung des
Streites zwischen Ursus I. von Aquileja und Arno von
Salzburgmittelst eines im Jahre 811 gefällten Spruches,
der ein ganzes Jahrtausend volle Geltung behielt, als Scheide¬
linie der beiden Sprengel festgesetzt hatte").
Im Süden hingegen machte das wenig über eine Meile
entfernte Grado beiden Wirkungskreisen erheblichen Eintrag.
Seit dem Einbrüche Attila's gewohnt wegen seiner Unzu¬
gänglichkeit öfter den Patriarchen als Zufluchts- und Auf¬
enthaltsort zu dienen, stellte Grado, als jene im Laufe des
VI. Jahrhunderts aus Anlaß einiger auf dem fünften
*) Noch nach der Aufhebung des Patriarchats und der Errich¬
tung des Erzbisthums Görz- gehörte der am rechten Ufer der Drau
gelegene Theil Steicrmarks zur Diöcese Görz. Erst später wurde die¬
selbe nach und nach auf ihre heutige geringe Ausdehnung beschränkt.
Anfänglich waren auch die Bischöfe von Trient nud Como dem Me¬
tropoliten in Görz untergeordnet.
16
ökumenischen Concile zu Constantinopel gefaßten Beschlüsse
(553), welche anfänglich im gesummten Abendlande auf
lebhaften Widerstand gestoßen waren, Schismatiker wurden,
nach des Patriarchen Severns im Jahre 606 erfolgtem Tode,
Johanni, von Aquileja Candidian als orthodoxen Patriarchen
entgegen, welchen die Suffragane von Triest und Istrien als
ihren Oberhirten anerkannten. Dieses Verhältniß erhielt sich
allen Bemühungen der aquilejensischen Kirchenfürsten zum
Trotze unter den beiderseitigen Nachfolgern ziemlich unver¬
ändert, da Grado durch die innige Verbindung, die es bald
mit seiner mächtigeren Tochterstadt Venedig einging, sich auch
dann noch die Selbstständigkeit zu bewahren wußte, als nach
der im Jahre 698 durch den Patriarchen Peter I. erfolgten
Versöhnung Aquileja's mit Rom wiederholte päpstliche und
kaiserliche Entscheidungen es der einstigen Mutterkirche neuer¬
dings unterordnen wollten. So blieb Grado, Venedigs eigent¬
liche Wiege, durch mehr als acht Jahrhunderte seine kirchliche
Metropole. Mit seiner geistlichen Autorität bahnte es auf
dem adriatischen Küstensaume die Wege der venetianischen
Herrschaft, deren ehrgeiziger Politik es endlich selber zum
Opfer fiel, indem Papst Nicolaus V. im Jahre 1451 das
Patriarchat von Grado nach der Dogenstadt übertrug.
In demselben Jahre mußte der Papst den Vertrag be¬
stätigen, welchen der Patriarch von Aquileja Ludwig III.
Scarampo Mezzarota mit der Republik über die Zahlung
jährlicher 5000 Dukaten eingegangen hatte, welche ihm für
die Abtretung beinahe aller weltlichen Rechte^) im Jahre
1445 bewilligt worden waren, und genau 300 Jahre darauf
wurde ungeachtet der Proteste des letzten Patriarchen Daniele
*) Dem Patriarchen blieb nur eine beschränkte Sonverainität
in Aquileja, S. Vito und S. Daniele.
17
Delfino, nachdem endlich Nenedig den Widerspruch gegen
diese Maßregel aufgegeben hatte, das Patriarchat von Aqui-
leja selbst unterdrückt. In Folge langwieriger bis in das
Jahr 1560 zurück reichender Verhandlungen erklärte näm¬
lich am 6. Juli 1751 Benedict XIV. dasselbe für er¬
loschen und genehmigte zum Ersätze dafür die Errichtung
zweier Erzbisthümer zu Görz und Udine.
So beklagenswerth diese von österreichischer Seite in
Rom ohne Unterlaß auf das dringendste empfohlene Ma߬
regel unter manchen Gesichtspunkten erscheinen mag, so
läßt es sich doch auch nicht in Abrede stellen, daß bei der
damaligen Lage der Dinge ein unabweisliches Bedürfniß
damit befriedigt wurde.
Das wenig gute Einvernehmen zwischen Oesterreich
und Venedig gestattete dem ganz unter venetianischem Ein¬
flüsse stehenden Patriarchen keine ersprießliche Wirksamkeit
in dem der habsburgischen Herrschaft unterworfenen Theile
seiner Diözese. Ein einziges Mal, seit Görz an Maximi¬
lian I. gefallen war, im Jahre 1565 kam es in Aquileja,
das die Kaiserlichen seit dem gegen Venedig geführten Feld¬
zuge des Jahres 1509 besetzt hielten, zu einer allgemeinen
Diözesan-Synode, in welcher jedoch der Patriarch, darüber
noch grollend, daß damals einem seiner Vorgänger der letzte
Schein von Selbstständigkeit geraubt worden war, in der
ans österreichischem Boden tagenden Versammlung persönlich
den Vorsitz zu führen vermied. Als aber dann die Wogen
der Reformation hoch gingen und Primus Trüber, der
Luther der Slvvenen im nahen Rubia die neue Lehre pre¬
digte, erwirkte im Jahre 1583 der General-Vicar Aqni-
leja's vom erzherzoglichen Hofe zu Gratz, die überhaupt nur
mehr einmal, 10 Jahre darauf, wieder ertheilte Erlaubniß,
Aquileja. «
18
die canonische Visitation in dessen Gebiete vornehmen zu
dürfen *).
Allen diesen Uebelständen, welche ganz unerträglich
geworden waren, seit Ferdinand II. im Jahre 1628, über
die Venetianer und des neu ernannten Patriarchen Augustin
Gradenigo Benehmen erzürnt, seinem Klerus jedwede Ver¬
bindung mit demselben strenge untersagt hatte, war man
wiederholt, jedoch immer vergeblich abzuhelfeu bemüht ge¬
wesen. Schon im Jahre 1575 war in Görz ein immer¬
währendes Erzdiakonat, welchem ein großer Theil der
bischöflichen Rechte über den österreichischen Antheil der
Diözese Aquilja eingeräumt wurde, in Wirksamkeit getreten.
Anderthalb Jahrhunderte später (1733) hatte Carl VI.
den römischen Hof aufgefordert, die volle bischöfliche Gewalt
in dem kaiserlichen Theile des Patriarchats, welche zur
Zeit von dem päpstlichen Nuntius in Wien geübt wurde,
dem Bischöfe von Laibach zu übertragen. Obgleich nun
diesem Ansinnen von Clemens XII. Folge gegeben wurde,
so sind doch keinerlei Beweise einer diesbezüglichen Thätig-
keit vorhanden. Erst die gänzliche Aufhebung des Patriar¬
chats, welcher die Errichtung eines apostolischen Vicariates in
Görz kurz vorausgegangen war (1749), brachte volle Abhilfe.
Bei der Theilung der Kirchenprovinz und der Diözese
von Aquileja wurde die Grenze der beiden Staaten auch die
*) Wie wir einer, in einem Missalc von Vernica bei Görz mit
glagolitischer Schrift verzeichneten, gleichzeitigen Roti^entnehmen, deren
Kenntnis; wir einer gütigen Mittheilung des Herrn Seminar-Professors
Kocianciv in Görz verdanken, wnrde bei diesem Anlasse zn Kamne
über ausdrückliche Weisung des Bisitirenden das Hochamt in slavischer
Sprache abgehalten. Diese interessante — weil in jenen Gegenden
ganz vereinzelt stehende — Thatsache ist wohl als ein Zugeständnis;
anzuschen, das der Bevölkerung zur Kräftigung ihres durch vielfache
Berührungen mit Protestanten, welche sich auch nationaler Hebel zur
Verbreitung ihrer Lehre bedienten, wankend gewordenen katholischen
Sinnes gemacht wurde.
19
Grenze der beiden Sprengel und somit kom Aquileja, jetzt
eine unbedeutende Pfarre, mit seinem merkwürdigen Gottes¬
hause an Görz.
Wendet man auf der hohen Warte, die man erstieg,
den Blick gegen Südwest, so entdeckt man in blauer Nebel¬
ferne den Campanile von S. Marco aus den Dünsten der
Lagunen emportauchen; rasch gleitet dann das Auge ostwärts
über den blaueu Spiegel der Adria, welche von zahlreichen
Schiffen jeder Art und ganz besonders von den so cigen-
thümlich rothbraun schimmernden Segeln der unternehmenden
Fischer von Chioggia belebt wird, nach dem buchtenreichen
Istrien hin, welches der Monte Maggiore, das wellenför¬
mige Vorland hoch überragend im Hintergründe abschließt.
Ist dieser durch die milden, balsamischen Lüfte be¬
rühmt, die man mitten unter Lorberhainen am Fuße seines
nach dem Quarnero steil abfallenden Ostabhanges einathmet,
so zählt jener Berg, der sich noch weiter gegen Morgen mit
dem meist beschneiten Scheitel von dem Horizonte abhebt,
rauhes Klima, wilde Natur, Bären und Luchse zu seinen
Besonderheiten. Es ist dieß der Krainer Schneeberg, auf
dem der mythenreiche Timavo seinen Ursprung nimmt.
Dieser merkwürdige Fluß, der die Hälfte seines Laufes,
nachdem er sich in den tiefen Schlund von St. Cantian ge¬
stürzt, stellenweise nur seine Gegenwart durch ans der Tiefe
dringendes Brausen verrathend, in den unterirdischen Höhlen
des Karstes zurücklegt, und der erst knapp vor seinem Ein¬
flüsse in das Meer mit mehreren theilweise schiffbaren
Armen wieder an das Tageslicht tritt, war wohl ganz ge¬
eignet, die Einbildungskraft der Meufchen in hohem Grade
zu erregen. Deßhalb ist er auch mit den ältesten Sagen
dieses Landes, ja Europa's enge verwoben. Schon von den
Argonauten erzählt man, daß sie ihn auf dem Rückwege aus
2»
20
Colchis überschritten hätten. Die Sage läßt ferner den ans
Jlium flüchtigen Antenor mit einer Colonie Heneter (oder
Veneter*), auf die man den heute noch fortlebenden Namen
des nordöstlichsten Theiles von Italien zurückführt und daun
wieder eine Schaar auf der Heimkehr von Troja verschla¬
gener ätolischer Griechen unter Japis**) au seinen Mün¬
dungen landen. Letztere sollen, wo sie das Ufer betraten,
ihrem während der vorhergegangenen Irrfahrt in Apulien
verstorbenen Könige Diomedes den Tempel erbaut haben,
aus dessen Trümmern Patriarch Ulrich I. die Kirche S.
Giovanni di Tuba um dieselbe Zeit erbaute (1112), in
welcher er durch seinen Bruder Heinrich von Kärnthen unter¬
stützt, den jüngst zum Besitze der Markgrasschaft Istrien ge¬
langten Grafen Engelbert II. von Sponheim - Lavantthal
(nachherigen Herzog von Kärnthen), welcher sich durch die
kaiserliche Schenkung Krams und Istriens an das Patriarchat
in seinen Rechten verkürzt glaubte***), durch eine am Ti¬
mavo demselben beigebrachte Niederlage zwang, mindestens
seinen Ansprüchen auf Kram völlig zu eutfagen. Der fromme
Bau follte Wohl eine Sühne für die von Ulrichs Leuten an
jenem Orte im Kampfe verübten Graufamkeiten sein. In
*) Der alte historische Namen Venetien kam in dem Maße
für das Festland außer Ucbuug, als Venedigs Geschicke sich unabhängig
von demselben gestalteten. Der neuesten Zeit war es Vorbehalten, ihn
wieder zur allgemeinen Geltung zn bringen.
**) Daher Japiden und Japidien?
*«) Der deutsche König Heinrich III. hatte nach Herzog Con¬
rads ll. von Kärnthen Tode (1039) Istrien von Kärnthen getrennt
und durch das bis dahin ebenfalls Kärnthen unterstandene Kraiu ver¬
größert, Ulrich I., ans dem Hause der Grafen von Weimar, ^'erlichen.
Ulrichs Sohne, Poppo, folgte um das Jahr l ll L dessen Schwager,
Engelbert ll. von Sponheim-Lavantthal in Istrien, welches Heinrich
von Kärnthen, vielleicht für sein Herzogthum, wieder zu gewinnen
hoffte, als er seinem Bruder, dem Patriarchen Ulrich, gegen Engelbert
Beistand leistete.
21
eben dieser Kirche verlobte sich im Jahre 1286 Herzog An¬
dreas von Slavonien — später als König von Ungarn
seines Namens der dritte — durch seinen Verwandten und
Bevollmächtigten Albertino Mauroceno aus Venedig mit
Clara Offmey, Tochter Albrechts II., Grafen von Görz.
Die Kirche ist noch erhalten, die Benedictiner-Abtei aber, die
sich einst unweit der Timavo - Mündungen erhob, besteht
längst nicht mehr; schon zu Ende des XI. Jahrhunderts
wird gemeldet, daß das Kloster, seiner ungesunden Lage
wegen, von seinen Mönchen verlassen worden war. An seiner
Stelle treibt jetzt eine Mühle ihr einförmiges Handwerk.
Ein Zeugniß dafür, mit welcher Beharrlichkeit das
Volk Erinnerungen festzuhalten und darin selbst steinerne
Denkmale nicht selten zu beschämen vermag, müßten wir in
den noch immer alljährlich dort abgehaltenen Pferdemärkten
anerkennen, wenn sie wirklich—wie man behaupten will—in
ihrem ersten Ursprünge von dem Umstande herzuleiten wären,
daß jene ätolischen Griechen durch die mitgebrachten Rosse
eine vorzügliche Zucht im Lande eingeführt hätten.
Jetzt bricht der Timavo, der Erde Schooß zum zweiten
Male verlassend, unter kahlem, entwaldeten Gesteine hervor,
und schlängelt sich zwischen sumpfigen Reisfeldern träge der
nahen See zu; in der römischen Epoche hingegen, während
welcher derselbe eine Zeit lang in seinem untersten Laufe als
Grenzschcide zwischen Italien und Istrien gegolten hat, bot
diese Gegend ein ebenso anmuthiges als bewegtes Bild.
Ueppig grüne Wälder schmückten die Höhen des Karstes,
zahllose bewimpelte Masten schaukelten sich auf den Wogen
der natürlichen und künstlichen Kanäle, welche tief in das
mit Villen, Tempeln, Thermen und Nymphäen bedeckte Land
eiudrangen und frisches, fröhliches Leben um sich verbreiteten,
so daß die in Aquileja weilenden Romer ihr geliebtes.
22
modisches Bajä kaum vermißt, sondern an diesen damals
reizenden Ufern vollen Ersatz dafür gefunden haben dürsten.
Von Dnino, dem römischen, durch seinen damals vortreff¬
lichen, der alternden Kaiserin Livia vorzüglich mundenden
Wein bekannte Pucinum, dessen Wachen im Mittelalter das
Herannahen von Stürmen an einem—wie man annimmt—
elektrischen Leuchten ihrer Hellebarden erkannt und durch
Signale den Schiffern auf hoher See verkündet haben sollen,
bis nach der Westspitze Istriens hin gewährt die Küste indeß
immer noch einen höchst malerischen Anblick; namentlich,
wenn die untergehende Sonne südlich warme Töne auf den
felsigen Wänden hervorzaubert und Pirano, Capodistria, das
häuserreiche Triest und das feenhafte Miramare, welches
trotz seiner Jugend bereits ein weltgeschichtliches Ereigniß in
seinen Annalen zu verzeichnen hat, im Abendroth erglühen.
Im Osten begrenzen vom Schneeberge an die Mischen
Alpen den Gesichtskreis. Ihm zunächst ist ihre bedeutendste
Erhebung der Nanos, von welchem Valvasor erzählt, daß
man in beträchtlicher Höhe an seinen schroffen Abhängen
gewaltige eiserne Ringe befestigt findet, au welche in einer
Zeit, da die salzigen Fluthen sich einige tausend Fuß ober
der jetzigen Seehöhe an demselben brachen, ein untergegan¬
genes Geschlecht seine Schiffe kettete. Auch Monte Rä wird
der Nanos genannt, weil König Alboin, da er seine Lango¬
barden aus Pannonien nach Italien führte, ihn bestiegen
haben soll, um das herrliche, zu seinen Füßen ansgebreitete
Land zu überschauen, das Narses an ihn verrathen hatte.
Jenseits des Sattels des Birnbaumer Waldes, auf
dessen Höhe die von Aqnileja nach Aemona führende Römer¬
straße durch das Castell Ad Pyrum geschlossen und mit den
ehernen Bildsäulen Jupiters, des Mars und der Victoria
geschmückt war, steigt der Rücken stetig bis zu dem gewaltigen
23
Krn empor, dessen Name mit jenen der benachbarten Land¬
schaften Carnien, Carniolia und Carantanien wohl gemein¬
samer keltischer Abstammung ist. Unter den vielen Berg¬
spitzen, welche hinter demselben noch sichtbar sind, erkennt
ein Bewanderter den nördlichen Endpunkt der jütischen Alpen,
den die Slaven, vielleicht, weil er der höchste der Bergriesen
in diesem, von ihnen bewohnten Gebiete ist, nach ihrer
obersten heidnischen Gottheit Triglav benannten.
Durch das enge Jsonzo-Thal vom Krn getrennt nnd
ihn um 1000 Fnß überhöhend, steht ihm der mächtige Ge¬
birgsstock des Monte Canin zur Seite, von welchem an die
Carnischen und dann die Cadorischen Alpen mit ihren scharf¬
kantigen, seltsam gestalteten Kämmen und Hörnern im weiten
Bogen die frianlische Ebene umrahmen und im fernen Westen
jenseits der noch unterscheidbaren Thalsenknng, durch welche
die Piave aus dem Gebirge tritt, mit ihren letzten Vor¬
bergen allmälig gegen die unabsehbare Fläche Ober-Ita¬
liens abfallen.
Der ganze weite Raum, dessen Umrisse wir eben
angedeutet haben, wird, um das bestehende Berhältniß mit
wenig Worten bezeichnend anszudrücken, in seiner westlichen
Hälfte von Romanen, in der östlichen von Slaven bewohnt;
eine scharfe Scheidelinie zwischen beiden läßt sich begreiflicher
Weise nicht bestimmen, doch mag man sie, ohne bedeutende
Fehler zu begehen, im Gebirge von Norden herab nach dem
Meridiane von Aquileja und in der Fläche, dann ostwärts
über denselben greifend, am Rande der Ebene ziehen, in
welcher das slavische Element wie an der Küste von dem
romanischen theils verdrängt, theils assimilirt wurde. Daß
die Slaven bei ihrer Einwanderung viel weiter nach Westen
vorgedrnngen waren, beweisen einzelne in ihrer Wurzel un¬
bestreitbar slavische Namen, die man noch am Tagliamento
24
findet, wie Gradišča, Gradiscutta, Gorizzo, Goricizza, Bel-
grado, nebst vielen anderen, bei welchen dies erst zu erweisen
wäre, und in noch überzeugenderer Weise der auf halbem
Wege zwischen Udine und Codroipo gelegene Flecken, dessen
Benennung Passian Schiavonesco allein schon ein sprechendes
Zeugniß dafür ist. Viele wollen behaupten, daß die Friauler
nicht einen italienischen Dialekt, sondern eine eigene Sprache
reden, und zwar nicht ganz ohne Berechtigung, da sie eine
kleine volksthümliche Literatur besitzen und das Friaulische
sogar in mehreren Mundarten gesprochen wird, unter welchen
jene von Cividale und S. Daniele im Rufe der größten
Reinheit stehen. Eine vor wenig Jahren zu Racchiuso
(R^oclus) entdeckte, überaus alte, friaulische Inschrift liefert
überdies den Beweis, daß diese Sprache in beinahe unver¬
änderter Gestalt in jene Zeit zurückreicht, welche der schon
am dichterfreundlichen Hofe 'der Hohenstaufen Friedrich II.
und Manfred angebahnten, aber erst nach der in Dante's
göttlicher Comödie erlangten Weihe der Vollendung allge¬
mein anerkannten Herrschaft der italienischen Schriftsprache
vorherging. Die Grenzen des Friaulischen Sprachgebietes
sind noch schwerer mit Bestimmtheit anzugeben, als jene der
lateinischen Race überhaupt; im Osten und Norden fallen
sie vollständig mit den letzteren zusammen, im Westen können
im oberen Theile die Wasserscheide zwischen Piave einerseits
und Tagliamento, Livenza und ihren Zuflüssen andererseits,
hierauf eine von Sacile nach Codroipo gezogene Linie und
von da an der untere Tagliamento dafür gelten.
Längs der Seeküste behauptet das Italienische, als die
Sprache der Schifffahrt und des Seehandels in einem, vene-
tianische Anklänge verrathenden Dialekte, seit jeher das
Uebergewicht; aber auch im Inneren des Landes saßt es in
neuester Zeit selbst im geselligen Umgänge und dem hüns-
25
lichen Familienverkehre immer festeren Fuß, wahrend das
Friaulische, hier in ähnlicher Weise, wenn auch keinem äußeren
Drucke nachgebend, im Zurückweichen begriffen ist, wie die
verwandte Sprache der Troubadours vor der im stramm
centralisirten Fraukreich allein berechtigten U'oil.
Das sind eben Aeußerungen des modernen Zeitgeistes,
der alle Unterschiede auszugleichen und zu verwischen strebt
und dadurch eiuen Prüfstein für Lebenskraft und Widerstands¬
fähigkeit abgibt. Bei Individualitäten, denen diese Eigen¬
schaften noch innewohnen, rnfen seine Angriffe die heftigste
Reaction hervor; alles Schwache und Ueberlebte hingegen
verschlingt er erbarmungslos.
Erwähnenswerth ist noch, daß in dem kleinen vom
Meere, den letzten Höhen des Karstes und dem untersten
Laufe des Jsonzo umschlossenen, gewöhnlich kurzweg II
'Isrritorio genannten Landstriche, dessen Hauptort Mon-
falcone ist, eine eigentümliche italienische Mundart, das
Bisiaccv gesprochen wird.
Seit den fernsten Tagen, über welche nur ungewisse
Kunde durch das Dämmerlicht der Sage bis zu uns herüber
dringt, haben die verschiedenartigsten Völkerschaften ihre
Kriegs- und Wanderzüge durch diese Gegenden genommen.
Viele schlugen in denselben ihre bleibenden Wohnsitze auf;
von allen beinahe lassen sich aber Spuren nachweisen, wenn
sie auch nicht immer ans der Oberfläche liegen. So böte die Un¬
tersuchung der Benennungen von Bergen, Gewässern, Flureu
und Wohnsitzen dem Sprachforscher ein reiches und interessantes
Feld der Ausbeute dar; denn es finden sich darunter neben
langobardischen und theils rein erhaltenen, theils bis zur
Unkenntlichkeit corrumpirten römischen Namen nicht minder
solche, die keltischen oder rasänischen Ursprungs sind, von
26
jenen gänzlich zu schweigen, die noch lebenden Sprachen
angehören *).
Wenn wir von der allgemeinen Wechselwirkung absehen,
welche Culturvölker überhaupt auf ihr Geistesleben gegen¬
seitig ausüben, so müssen wir eingestehen, daß der hier einst
mächtige deutsche Einfluß, der das Deutschthum in Friaul
tiefe und kräftige Wurzeln hatte schlagen lassen, zur Zeit
beinahe gänzlich erstorben ist. War dieses auch niemals ein
deutsches Land in des Wortes ganzer Bedeutung, selbst nicht
unter der Herrschaft der germanischen Langobarden, die sich
in strenger Abgeschlossenheit von der verachteten, unterjochten
Bevölkerung hielten und doch in derselben untergingen; so
stand es doch nicht in der losen Verbindung wie die übrigen
Theile des Königreiches Italien zu Deutschland, sondern
bildete von Otto dem Großen bis zur Exemtion des Patri¬
archats aus dem weltlichen Herzogthume einen integrirenden
Bestandtheil desselben, indem es zuerst zu Baiern und dann
zu Kärnthen gehörte^). Deutsche verschiedener Stämme
waren seine eigenen Grafen, Markgrafen und Herzoge ge¬
wesen, von denen drei, die Langobarden Ratchis (entsagt 749)
*) Es ist Friaul nicht allein in ethnographischer Beziehung als
Berührungspunkt der verschiedensten Elemente merkwürdig. Wie die drei
großen Völkerfamilien, welche die Geschicke Europa's und dadurch
mittelbar der ganzen Menschheit leiten, Romanen, Germanen und
Slaven, so begegnen sich in einem gewissen Sinne auch Nord und
Süd, Ost und West unseres Welttheiles mit ihren eigenthümiichen
physischen, klimatischen und sonstigen Verhältnissen auf dem Boden
dieses Landes.
Auch die innigen und vielfachen Handelsbeziehungen zu
Deutschland machten sich hier mächtiger geltend als anderswo. Liruti
erzählt z. B. in seinen ölotirus äi ftkmoua, daß deßhalb im Mittel-
alter die deutsche Sprache in Gemona beinahe ebenso verbreitet und
allgemein angewendet war, wie die heimische friaulische und ll'ommnsiuo
cks' Oroüiari aus Cividale dichtete im Beginne des Llll. Jahrhun¬
derts in deutscher Sprache „den welhisch Gast."
— 27 —
und Aistulf (1- 756) und der Frauke Berengar I. (s- 924)
die eiserne Krone auf's Haupt gesetzt erhielten, zu welcher
der Letztere nach langen Kämpfen noch jene Carls des
Großen fügte.
Deutsche Zeugen sind es, die wir unter den alten Ur¬
kunden dieses Landes häufig angeführt finden. Deutfchen
Ortsnamen begegnen wir oftmals in Friaul und zwar nicht
allein den veralteten, die neben den jetzt ausschließlich ge¬
bräuchlichen, romanischen Benennungen gänzlich in den
Hintergrund getreten sind, sondern auch solchen, die sich bis
auf eine geringe romanisirende Veränderung unverfälscht
erhalten haben *). Deutscher Abkunft rühmten sich oder
rühmen sich noch viele der angesehensten friaulischen Adels¬
familien **). Deutsche Dynasteu-Geschlechter waren in Friaul
reich begütert, wie die Peckaner, die Andechse, die Sponheimer,
die Eppensteiner, die Grafen von Vintschgau und jene von
Lurn und Pusterthal, die nachherigen Grafen von Görz.
Deutsche endlich waren viele der Metropoliten Aqui-
leja's, das zwar niemals aufhörte sich italienisch zu fühlen,
und auf einem Siegel des IX. Jahrhunderts mit einiger
Selbstüberhebung von sich sagt: Ilrkrs lise
entert sst Italis; Deutsche waren sie alle, die kirchlichen,
später zugleich auch weltlichen Fürsten des Landes, von
jenem unglücklichen Engelfred (944—963) an, der (955)
auf Herzog Heinrichs von Baiern, Kaiser Otto's I. Bruder
*') Zum Beispiele: Gronmnbergo, Grossenbergo, Arispergo,
Uruspergo oder Grnsbergo, Prampergo, Satimbergo, Soffumbergo,
Partistagno (Perlenstem), Ravistagno (Rubenstein), Spilimbergo und
das unweit davon gelegene durch die Ermordung des Patriarchen
Bertrand berüchtigt gewordene Richenvelda.
**) Wir nennen nur die von Artegnu, Attems, Collalto, Collo-
rcdo, Cncanea, Manzano, Mels, Partistagno, Prampergo, Prodowne,
Strassoldo, Valvasone, die Freschi und Zucchi.
— 28 —
Geheiß verstümmelt wurde, bis zu Bertholds von Andechs
im Jahre 1251 erfolgten Tode, mit Ausnahme des Raven-
uaten Johann IV. (984—1019), Friedrichs II. (1084—
1085), des einzigen Slaven in der ganzen langen Reihe
der Patriarchen und vielleicht Pilgrims II. (1195—1204),
dessen Herkunft ungewiß ist.
Mit dem tragischen Falle der Hohenstaufen, der für
die Gestaltung des Verhältnisses zwischen Deutschland und
Italien von so folgenschwerer Wirkung war, trat aber auch
in dieser Beziehung ein gewaltiger Umschwung ein, und seit
jenem Jahre (1251) bestiegen nur mehr vier Deutsche den
Patriarchenstuhl von Aquileja.
II.
Detritt man das Innere der im Rundbogenstyle gebauten
Basilica, so wird man von der schmucklosen Erhabenheit des
weiten Raumes, die mit der kleinlichen Armseligkeit der
äußeren Umgebung seltsam contrastirt, überwältigt und mit
Ehrfurcht erfüllt. Der Eindruck ist ein um so größerer, da
er nicht im mindesten durch die Architectur der Außenseite
vorbereitet wird.
Das Volk bezeichnet den Patriarchen Poppo als den
Erbauer und allerdings verkünden mehrere, zum Theile noch
vorhandene, zum Theile verschwundene, aber ausgezeichnete
Inschriften, daß dieser am 13. Juli des Jahres 1031 in
Gegenwart zweier Cardinäle und der Bischöfe von Triest,
Pola, Pedena, Citta nuova, Concordia, Treviso, Padua,
Brixen, Belluno, Feltre, Trient und Ceneda diese Kirche,
für deren Dienst er zugleich einen 50 Köpfe zählenden Klerus
bestellte, zu Ehren der heiligen Gottesgebärerin und der
heiligen Hermagor und Fortunat geweiht habe. Doch irrt
man kaum, wenn man demselben nur eine umfassende Her¬
stellung und Vergrößerung jener alten Kirche zugesteht, welche
der Afrikaner Fortunatianus, der letzte, der sich blos Bischof
von Aquileja nannte — beiläufig erwähnt ein Arianer, der
nach dem Zeugniße des heiligen Hieronymus den Papst
Liberius zur Unterzeichnung einer vom Kaiser Constantins
30
geforderten ketzerischen Formel auf der Synode zu Sirminm
(358) vermocht hatte — im Jahre 347 in Ausbeutung
des Sieges, welchen der christliche Glaube durch Constantin
vor kurzem über das Heidenthum davon getragen hatte, mit
damals ungewöhnlicher Pracht ausführeu ließ.
Für das Alter der Basilica spricht schon der Umstand,
daß man beim Eintritte einige Stufen hinabsteigen muß,
weil ihr Fußboden sich 2Vz Schuh tiefer als das umliegende
Erdreich, das ist ungefähr im gleichen Niveau mit dem
Pflaster und den Mosaikböden der alten Römerstadt befin¬
det; ferner die Lage, vermöge welcher der celebrirende
Priester mit dem Gesichte der ausgehenden Sonne zugewendet
ist, wie es in der ersten Zeit des Christenthums allgemein
üblich war und wie es in der orientalischen Kirche noch
immer strenge beobachtet wird; endlich die kleineren, an die
westliche Haupt-Fa(;ade der Kirche anstoßenden, und dieselbe
verunstaltenden, theilweise auch verdeckenden Gebäude, welche
bestimmt einem, dem Patriarchen Poppo vorhergehenden Zeit¬
alter angehören, nnd in welchen wir die durch den ältesten
christlichen Ritus geforderten, für diejenigen Mitglieder der
Gemeinde, welche zum heiligen Opfer nicht zugelassen wur¬
den, bestimmten Räume erkennen müssen, nämlich das Bap¬
tisterium nebst den Vorhallen für die Katechumenen und die
Büßenden, welche den ursprünglichen Begräbnißplatz ein¬
friedeten. Hat nun auch die unter Poppo vorgeuommene
Verlängerung der Kirche in westlicher Richtung den einst
durch Atrium und Porticus eingenommenen Raum beinahe
vollständig erfüllt und uns nur einen geringen Rest des
letzteren erhalten, so ist es dennoch um so weniger zweifel¬
haft, daß eine organische, nun allerdings gestörte Verbindung
die verschiedenen Bestandtheile zu einem Ganzen vereinigt
habe, da sie insgesammt auf einer einzigen, gemeinsamen
31
Längenachse liegen. Das Baptisterium, die Ueberbleibsel des
Porticus, die den Zusammenhang zwischen diesen beiden her¬
stellende sogenannte Ostissu äsi kwAnni und Theile der
Basilica mit ihnen reichen aber gewiß in die Zeit des Bischofs
Fortunatianus zurück, und gehören daher unbestritten zu den
ältesten christlichen Bauwerken, die wir überhaupt besitzen,
wobei es jedem unbenommen bleibt, der Ansicht jener beizu¬
treten, welche die Ostiesu äsi knAuiri — der Tradition
folgend — für den ersten christlichen Versammlungsort in
Aquileja halten, in welchem der heilige Hermagoras sich
verborgen hielt und bereits im I. Jahrhunderte das Wort
Gottes verkündete.
Vom höchsten Interesse ist das Baptisterium, da es
eines der wenigen noch erhaltenen — mb vsiriu vsrkoo —
ist, welche für den Taufact Iniirikrsioirsiri bestimmt
waren. In den ersten Jahrhunderten des Christenthums
wurden stets nur Erwachsene getauft, mochten sie nun be¬
kehrte Heiden oder Kinder christlicher Eltern sein, da man
das volle Bewußtsein und die genaue Kenntniß der christlichen
Lehre bei dieser heiligen Handlung forderte; ja man eilte
überhaupt nicht damit, wie wir es an dem heiligen Ambro¬
sius sehen, der die Taufe noch nicht empfangen hatte, als er
Bischof von Mailand wurde. In getreuer Nachahmung der
Weise, in der Johannes am Jordan getauft hatte, geschah
es anfangs wohl zumeist an Flüssen oder sonstigen Gewässern,
bis Gründe der Schicklichkeit nicht minder als der Gebrauch,
das Tauswasser vorher zu weihen, eine andere Einrichtung
bedingten. Im Baptisterium von Aquileja erhebt sich mitten
in einem von Außen vier, von Junen acht Ecken weisenden Baue
ein ziemlich geräumiges, sechsseitiges steinernes Becken*),
*) Die Combination von Viereck, Sechseck und Achteck ist merk¬
würdig und vielleicht von symbolischer Bedeutung.
32
welches mit Wasser angefüllt einen aufrecht stehenden Mann
bis zum Hälfe bergen würde. Um hinein zu gelangen, muß
man zwei hohe Stufen hinan und jenseits des obersten
Randes wieder drei mäßigere Absätze hinabsteigen, sodaß
der Boden des Taufbeckens etwas unter dem der Umgebung
liegt. Rings um dasselbe erblickt man theils noch aufrecht
stehend, theils umgestürzt sechs mächtige Säulen, welche einst
die eingefallene, gewölbte Decke trugen, während sich jetzt
nur mehr das blaue Himmelszelt darüber spannt. Bis zum
Jahre 1790 befand sich das Baptisterium, das schon längst
seiner eigentlichen Bestimmung entfremdet war, obgleich
Taufen mittelst Untertauchen im Sprengel von Aquileja noch
im Laufe des XV. Jahrhunderts vorgekommen sein sollen,
in ziemlich gutem Zustande; da nahm die gänzlich herunter¬
gekommene Gemeinde, von finanziellen Nöthen gedrängt, ihre
Zuflucht zu den eisernen Klammern, die das uralte Gebäude
zusammeuhielten, um durch den Verkauf einiges Geld zu ge¬
winnen, und seiner Stützen beraubt, brach es in sich zusammen.
Dasselbe Geschick hatte zugleich die anstoßende Ostissg,
äei kuANiU getroffen. Der untere Raum, in den man vom
Baptisterium tritt, dient dermalen als Aufbewahrungsort
mehrerer antiker Funde und an den Wänden sieht man noch
Spuren von Malereien, die in gleicher Weise wie jene,
welche die Bastlica schmückten, durch barbarische Restau¬
ratoren übertüncht wurden. Ober diesem Erdgeschosse erhob
sich vordem ein Stockwerk, von welchem nur mehr weniges,
einige Fuß hohes Mauerwerk übrig ist und das in früheren
Zeiten als Capelle gedient zu haben scheint. Dieses enthielt
ebenfalls einige kunstlos gemalte Bilder, welche Bertoli noch
gesehen und in seinen beschrieben hatte. Eine
zwischen Christus, Maria und den vier Evangelisten darauf
dargestcllte Frauengestalt deutete er auf Gisela, die Tochter
33
Ludwig des Frommen, Gemahlin Herzog Eberhards von
Frianl und Mutter Berengars I.
Wenn wir weiters erwägen, daß von dem durch Poppo
an der Südseite der Basilica aufgeführten, zum Wohnsitze
der Patriarchen bestimmten Palaste, von welchem der oft
erwähnte Bertoli noch bedeutende Ruinen gesehen hatte, nur
mehr zwei hoch gegen den Himmel ragende Säulen für die
Herrlichkeit des alten Prachtbaues Zeugenschaft ablegen, so
müssen wir mit Beschämung gestehen, daß die aufgeklärte
Sorglosigkeit der jüngst verflossenen hundert Jahre in ihren
Folgen der wilden Zerstörungswuth der Epoche der Völker¬
wanderung an die Seite gestellt zu werden, würdig ist.
Zu den ältesten Theilen der Kirche rechnet man das
Querschiff, die Krypta und die Abfis, während die Verlän¬
gerung des Langhauses auf Poppo zurückgeführt wird; ihre
heutige Gestalt verdankt die Basilica dem Patriarchen Mar-
gnard von Randeck, der im XIV. Jahrhunderte das Mittel¬
schiff bedeutend erhöhte und die Kuppel auf das Kreuz setzte.
Einige höchst merkwürdige Fragmente roher Sculpturen,
welche den Meißel der noch ganz in den ersten Anfängen
sich bewegenden langobardischen Kunst verrathen, sind uns,
allen diesen architektonischen Revolutionen zum Trotze, er¬
halte» geblieben, da man sie zur Einfassung der Peters-
Kapelle im südlichen Arme des Querschiffes benützte.
Die Gemälde an den Wänden des Chores sind des
Ortes, den sie zu zieren bestimmt sind, ganz unwürdig; sie
traten an die Stelle von Malereien, deren absoluter Kunst¬
werth kaum ein höherer gewesen sein dürfte, die aber von
um so größerem kunstgeschichtlichen und allgemein historischen
Interesse waren. Sie bezogen sich auf den Bau unter Poppo
und wiesen nebst verschiedenen auf die Kirche Bezug haben¬
den Heiligen, Kaisen Konrad II., seine Gemahlin Gisela,
AquNeja. o
34
Tochter Herzog Hermanns von Schwaben und Witwe
seines Nachfolgers des Babenbergers Ernst, Heinrich des
Kaisers Sohn und endlich den Bauherrn selbst, der an diesen
erinnerungsreichen Stätten von Begeisterung ergriffen, sich
die ruhmvolle Aufgabe gestellt hatte, der Wiederhersteller von
Aguileja's Größe zu werden.
Daß wir aber dennoch die Züge dieses bedeutenden,
im Andenken des Volkes noch fortlebenden Mannes betrachten
können, danken wir einem glücklichen Zufalle, der ein höl¬
zernes Standbild desselben, das bis zu der letzten, leider nur
über beschränkte Mittel verfügenden Restauration der Jahve
1845 und 1846 nebst mehreren anderen, vollständig von
Würmern zernagten Schnitzwerken an der Decke angebracht
war, vor dem gänzlichen Verderben rettete.
Was der unerbittliche Zahn der Zeit nicht zu zerstören
vermochte, haben die Menschen der von ihren Hirten früh
verwaisten Kirche geraubt. Vergebens sucht man hier archiva¬
lische Schätze, kostbare Rituale, reiche Meßgewänder oder
werthvolle Kirchengeräthe; alles dieses findet man in Cividale
und Udine, wohin es mit dem Sitze der Kirchenfürsten über¬
tragen wurde.
Nur die Gebeine ihrer Patriarchen, die es nach be¬
wegtem, an andern Orten verbrachten Leben gelüstete, unter
dem Dache der Kirche, durch die sie ihre Würde bekleideten,
den letzten langen Schlaf zu thun, sind ihr geblieben, und ob
sie auch lange schon vermodert und zu Staub zerfallen sind,
ihr Geist wohnt immer noch in diesen geweihten Hallen, und
wenn wir sinnend an ihren Grüften stehen, so fühlen wir
uns von ihrem Odem angeweht; ja ihre eigenen Gestalten
glauben wir daraus entsteigen zu sehen, um uns Kunde zu
geben von den Ereignissen, die bald von ihrer thatkrästigen
Hand die eingeschlagene Richtung vorgezeichnet erhielten, bald
35
die Widerstrebenden mit sich fortreißend oder über ihr ohn¬
mächtiges Sträuben rücksichtslos hinwegschreitend den großen
weltgeschichtlichen Zielen zueilten.
Das Gepräge des höchsten AlrerthumS trägt die Krypta,
in die nur mattes Zwielicht durch die kleinen, eng vergitterten
Fenster zu dringen vermag; zwei uralte Ampeln heidnischen
Ursprungs hängen von der niederen Decke und hatten einst
die Bestimmung, in dieser feuchten Grabeslust einige Helle
zu verbreiten. Der Volksglaube hält diese Zelle für das
Gesängniß, welches Hermagoras, der erste Bischof Aquilcja's
die letzten Tage vor seiner Hinrichtung bewohnte und durch
Wunder verklärte*). Ist dies auch wenig wahrscheinlich, so
darf man ihre Entstehung doch in keine spätere Zeit verlegen,
als jene des schon mehrmals erwähnten Baues unter Fortu¬
natianus. In einem steinernen Sarkophage, der mitten in
dem Gewölbe durch eine Einfassung von starken Eisenstüben
gesichert steht, befinden sich — der Tradition zufolge —
nebst vielen anderen Reliquien die Gebeine des heiligen Her¬
magoras, seines Diakons Fortunatus, seines ersten Nach¬
folgers des Bischofs Hilarius, der vier Jungfrauen Dorothea,
Thekla, Euphemia und Erasma, der ersten Opfer aus der
Bevölkerung Aqnileja's, welche die neue Lehre aus dem
Morgeulande mit ihrem Blute besiegelten, endlich jene der
Geschwister Cantius, Cantianus und Cantianilla, aus dein
vornehmen römischen Geschlechte der Anicier, welches der
Kirche außerdem noch zwei so hervorragende Männer, wie
den heiligen Ambrosius, Bischof von Mailand und Papst
Gregor den Großen lieferte.
*) Der Heide, welchem der Heilige zur Bewachung anvertraut
war, sah einmal des Nachts das dunkle Gemach durch ein übernatür¬
liches, van dein Gefangenen ausgehendes Licht glänzend erleuchtet,
bekehrte sich bei diesem Anblicke zum Christenglauben und ließ sich mit
seiner ganzen Familie taufen.
3*
36
Cantian und seine Genossen sollten nach Aquileja
gebracht werden, nm auf der dortigen Richtstätte für den
Abfall vom Heidenthnme gemeinsam den Tod zu erleiden;
als aber bei gruclatns, wo mehrere Wasseradern
Plötzlich aus dem Boden hervorquillen, eines der vorge¬
spannten Maulthiere störrisch wurde und jeden weiteren
Dienst versagte, hieß man jene den Wagen verlassen und
schlug ihnen auf einer Wiese, knapp an der Straße die
Häupter ab. An derselben Stelle, zwischen Monfalcone und
Aquileja steht heutigen Tages ein Dorf, zur Erinnerung an
jenes Ereigniß, S. Canziano*) genannt.
In bedeutend späterer Zeit wurde zu jenen Reliquien
noch das aufgefangene Blut des Patriarchen Bertrand gelegt,
der das Leben wohl nicht für seinen Glauben, aber für die
weltliche Machtstellung seiner Kirche hingegeben hatte.
Einige Malereien, die für Werke des V. Jahrhunderts
gehalten werden, behandeln die ersten Schicksale desChristen-
thumes in Aquileja und namentlich jene des ersten Ober¬
hirten Hermagoras. Der Evangelist Marcus, der — so
berichtet darüber die Legende — mit den Aposteln Petrus
und Paulus nach Rom gezogen war, den neuen Klauben zu
predigen, erhielt von jenem den Auftrag, denselben zuerst
nach dem hochwichtigen Aquileja zu tragen. Noch bezeichnet
eine einsame, seinem Namen geweihte kleine Kapelle außer¬
halb der Stadt, am Strande der Lagune, den Ort, an dem
er gelandet, gewohnt, den ersten Gottesdienst gehalten und
*) Diesen Namen finden wir in den nahen Ländern öfter an
solchen Orten wieder, wo Gewässer in ungewöhnlicher Weise ans
dem Boden dringen oder in demselben verschwinden, indem jener
Heilige dnrch seinen Tod zu solchen Naturerscheinungen in ein ähn¬
liches Verhältnis trat, wie der heilige Johann von Nepomuk zu den
Brücken.
37
sein Evangelium niedergeschrieben haben soll. Nachdem er
einige Jahre hier mit dem besten Erfolge gewirkt hatte, sehnte er
sich darnach, seinen Meister Petrus wieder zu sehen; er empfahl
die neue Gemeinde der Obhut seines Schülers Hermagoras,
dem er durch Auflegen der Hände seine Gewalt übertrug,
und kehrte um das Jahr 49 nach Rom zurück. Aus dieser
Erzählung ersieht mau, daß auch das Patronat des heiligen
Marcus erst durch die Flüchtlinge Aquileja's nach dem Rialto
verpflanzt wurde.
Wie allenthalben hatte auch in Aquileja die Begei¬
sterung der neuen Jünger Christi die Ohnmacht der heid¬
nischen Götterlehre siegreich dargelegt; selbst die grausamsten
Verfolgungen waren nicht im Stande dem Wachsthume der
üppigen Saat Einhalt zu gebieten, die gerade aus dem Blute
zahlreicher Märtyrer die reichste Nahrung sog. Das schon
durch ihr Alter und ihren Stifter hohe Ansehen dieser christ¬
lichen Gemeinde, welche bereits in der Mitte des zweiten
Jahrhunderts in Pins I. eines ihrer Glieder zum Nachfolger
Petri berufen sah, war indessen durch die harten Kämpfe, die
sie zu bestehen hatte, so sehr gestiegen, daß schon eine im
Jahre 381 zu Aquileja versammelte Synode seinem Bischöfe,
dem heiligen Valerian (st 389) die Metropolitan-Rechte
einräumte.
Patriarch aber nannte sich zuerst Paulinus I. (557
bis 569) aus eigener Machtvollkommenheit. Da der¬
selbe als Schismatiker die Oberhoheit des Bischofs von Rom
nicht anerkannte, liegt die Vermuthung nahe, daß dieser ehr¬
geizige Römer es in der Absicht gethan habe, sich selbst als
das kirchliche Haupt des Abendlandes, in welchem Niemand
sonst jenen stolzen, eine höhere Würde andeutendeu Titel
führte, im Gegensätze zum römischen Primate aufzuwersen.
Dieser angemaßte Titel überlebte übrigens den Usurpator,
38
da er sowohl von den orthodoxen Prälaten von Grado bei-
behalten, als auch jenen von Aquileja um den Preis der
Unterwerfung durch den Papst nachträglich bestätigt wurde.
Trotzdem wollten die occidentalischen Metropoliten dem
Patriarchen von Aquileja niemals mehr als die erste Stelle
unter ihnen, etwa einen höheren Rang zugestehen. Als Pa¬
triarch Berthold im Jahre 1245 aus der Kirchenversammlnng
von Lyon seinen Sitz dem Papste gerade gegenüber an der
Spitze der gejammten Geistlichkeit neben den Patriarchen
von Jerusalem und Antiochien einnehmen wollte, entstand
eine heftige Aufregung unter den versammelten Vätern,
welche damit endigte, daß Bertholds Stuhl umgestürzt und
in die zweite Reihe neben jene der übrigen Erzbischöfe ver¬
wiesen wurde.
Des Paulinus hochfliegende Plane gingen — wenn
sie überhaupt wirklich gefaßt worden waren — indeß nicht
in Erfüllung. Die Zeit des Schisma's war zugleich eine
Epoche harter Prüfungen für die Patriarchen, welche seit
dem Beginne des VII. Jahrhunderts sich in das feste Schloß
von Cormons zurückziehen mußten, bis Patriarch Calixtus,
dem es bei dem „gemeinen Volke" dort nicht mehr gefallen
wollte, im Jahre 737 den Bischof Amator von Julium Car-
nicum (Zuglio) ans Voruin (der Oivitns Vustwins
der Langobarden, dem heutigen Cividale) vertrieb und seine
Residenz dorthin »erlegte. Herzog Pemmo von Friaul er¬
griff zwar Amators Partei und vergalt Gewalt mit Gewalt,
indem er den Patriarchen nach dem festen Schlosse Pontium
(Dnino?) bringen ließ; König Luitprand aber entschied für
Calixtus und entsetzte den Herzog, an dessen Stelle sein
Sohn, der spätere König Ratchis mit der Verwaltung Friauls
betraut wurde.
39
Beiläufig sei hier bemerkt, daß beide Gegner Cividale
interessante Denkmale hinterließen; der Altar in der Mar-
tinskirche ist eine Widmung Pemmo's, während das Baptiste¬
rium der Hauptkirche unter Calixtus angeferligt wurde.
Der zweite Nachfolger dieses Patriarchen war Pau¬
linus II. Grammaticns (776 — 802), der Freund und
Liebling Carl des Großen, der Zeitgenosse des Geheim¬
schreibers des Königs Desiderius Pauls, des Sohnes War-
nefrieds, gleich diesem ein Schrifsteller und in Friaul ge¬
boren *). Paulinus, den Carl schon damals, da er an der
Gelehrtenschule zu Cividale Vorträge über Grammatik —
daher sein Beiname — hielt, reich beschenkt und durch seine
ununterbrochen fortdauernde Gunst sich so sehr verpflichtet
hatte, daß der Patriarch beispielsweise im Namen der unter
seinem Vorsitze gehaltenen Synode von Altino (799) erklärte,
die daselbst gefaßten Beschlüsse hinsichtlich ihrer Durchführung
vollständig dem Willen Carls unterordnen zu wollen, galt
bei diesem so viel, daß derselbe auf sein Zureden allein von
einer beabsichtigten, erneuerten Divisio, das ist einer theil-
wcisen Einziehung des Kirchengutes, wie sie Pipin und Carl
der Hammer schon mehrmals vorgenommeu hatten, nicht nur
abstand, sondern auch feierlich für alle Zukunft darauf ver¬
zichtete. Abgesehen von mehreren Schenkungen und Vorrechten,
die er während feines Amtes der Kirche von Aguileja von
Carls Wohlwollen erwarb, muß man es hauptsächlich seinem
wcrthgehaltcncn Andenken znschreiben, daß dieser neun Jahre
nach des Paulinus Tode, als er die Grenze zwischen Aqui-
*) Die Tradition läßt Paulinus ans Prcmariacco und ein
Glied der Familie Saccavini sein, welche thatsächlich noch immer den
Festtag dieses Heiligen in der feierlichsten Weise begeht und deren
Grundstücke durch uralte patriarchalische Privilegieu vom Zehente be¬
freit waren.
40
leja und Salzburg, das der dem Kaiser ebenfalls eng be¬
freundete Arno regierte, ziehen sollte, es in einem für ersteres
so günstigen Sinne that.
Paulinus Zeitgenossen, dem Patriarchen Johann I.
von Grado, dagegen sollte die Freundschaft der Franken, zu
denen auch er, wahrscheinlich durch den Zauber von Carls
gewaltiger Persönlichkeit angezogen, hinneigte, verhängniß-
voll werden. Die mit den Byzantinern haltenden Vene-
tianer, welche keine, eigene Wege wandelnde Politik ihres
geistlichen Oberhauptes dulden wollten, zogen mit ihrer
Kriegsmacht (802s nach Grado, das sie gewaltsam besetzten,
und des Dogen Johann Galbajo Sohn ließ den schon
schwer verwundeten Patriarchen von einem hohen Thurme
herunterstürzen.
Der älteste Patriarch, über dessen Beisetzung in der
Basilica wir Kunde haben, ist, einer in Cividale befindlichen
Chronik nach, Friedrich I., dessen Grabschrift von derselben
Quelle folgendermaßen angegeben wird:
Oouäitur inlorius niticio Batrisrolla lapillo,
Braeolarum nomsn —- zwar nach, bekam aber nur Balduin
von Avesues und sieben andere Edelleute, die zurückgeblie¬
ben waren, in seine Gewalt, während Richard mit seinen
übrigen Begleitern über Cividale nach Kärnthen entkam.
Obgleich nun der Graf seinem Schwager Friedrich von Pet-
tan unverzüglich von allen diesen Vorfällen Kenntniß gab
und dieser die weitere Verfolgung mit allem Eifer über¬
nahm, sollte den König erst in der Nähe Wiens das Mi߬
geschick ereilen.
An Gottfrieds Stelle trat im Februar 1195 Pil¬
grim II., der Erzdiakon des Stiftes und Probst von Civi¬
dale, von dessen Herkommen wir keine gewisse Kunde haben,
lieber sein Eingreifen in die großen Angelegenheiten des
Reiches ist uns eine einzige bedeutendere Thatsache bekannt.
Nach Heinrichs VI. Tode hatten die deutschen Fürsten die
seinem noch nicht dreijährigen Sohne Friedrich gelobte Treue
gebrochen und, je nach dem sie der hoheustanfischen oder wel-
fischen Partei angehörten, Heinrichs VI. Bruder Philipp
oder Otto, den zweitgebornen Sohn Heinrichs des Löwen
62
zum Könige ausgerufen. Beide Parteien wandten sich, mit¬
ten im Deutschland verheerenden Bürgerkriege, um Bestäti¬
gung ihrer Wahl schriftlich an Papst Jnnocenz III., dem
sie dadurch das von den Päpsten jederzeit angestrebte von
allen Königen aber bisher beharrlich verweigerte Schieds¬
richteramt in deutschen Angelegenheiten freiwillig anboten.
Indem der bei Abfassung des betreffenden Schreibens abwe¬
sende Pilgrim sich jenen Prälaten und Fürsten nachträglich
anschloß, welche sich für Philipp verwendet hatten, bekannte
er sich als Ghibelline.
Mehr Beschäftigung scheinen ihm seine unruhigen und
schwierigen Nachbarn verursacht zu haben, obgleich wir ihn
in der Fehde der Ortenburger und der Auersperge des Jah¬
res 1200 ausnahmsweise mit den Görzern im Bunde ans
Seite der ersteren stehen sehen. Treviso, anfangs der Pa¬
triarchen Stütze gegen Venedig, wurde um diese Zeit den¬
selben selbst durch die Unterstützung gefährlich, welche alle
Feinde des Hochstiftes, vor allen dessen eigennützige Vögte
dort fanden. Nach einem den 5. Juli 1201 von den Trevi-
fanern am Tagliamento über das patriarchalische Heer er¬
fochtenen Siege beschloß Pilgrim sich die venetianische Bür¬
gerschaft und damit den Schutz des Inselstaates zu erkaufen.
Wahrscheinlich geschah dies unter den damals gewöhnlichen
Bedingungen, nämlich unter der Verpflichtung, ein Haus
in der Stadt zu besitzen und mindestens 30 Tage jedes
Jahres darin zuzubringen.
Die nächste Folge der nun zu Gunsten des Patriarchen
geänderten Verhältnisse mag der Friede gewesen sein, welcher
unter der Bürgschaft der Herzoge von Oesterreich - Steier¬
mark, Kärnthen und Meran zu S. Quirin nächst Cormons
am 27. Jänner 1202 zwischen dem Patriarchen und den
Söhnen Engelberts II. von Görz, den Grafen Meinhard II.
63
und Engelbert III. HP 1220) zu Stande kam. Letztere ver¬
sprachen, kein Bündniß mehr mit den Trevisanern eingehen
zu wollen, wogegen ersterer ihnen die Schlösser Görz und
Moosburg nebst allen sonstigen Besitzungen als männliche
und weibliche Lehen zusprach. Am 13. December desselben
Jahres erfolgte noch die Entscheidung der von den Vertra¬
genden erwählten Schiedsrichter Dietrich von Fontebono,
Herbord von Pertenstaine, Wolfger von Doremberg und
Pilgrim Glokkeldelt, durch welche die Orte, in welchen den
Grafen die Vogteirechte zustanden, bestimmt wurden.
Darüber, ob Patriarch Gottfried in Aquileja begra¬
ben wurde, liegen uns keine Nachrichten vor, doch haben
wir Ursache es anzunehmen, nachdem es damals das Ge¬
wöhnliche war. Bon Pilgrim II. wird es mit dem Znsatze
erzählt, daß er nach seinem am 15. Mai 1204 in Cividale
erfolgtenTode dahin übertragen wurde*); von dessenNachfol-
*) Wenn man in Betracht zieht, daß das mit ?sl6xrinus
knt,r>n,rekn bezeichnete Grab von einigen für jenes Pilgrims II. ge¬
halten wird, daß dieser beinahe gewiß in der Bafilica von Aquileja
begraben liegt, daß die Herkunft dieses Patriarchen strenge genommen
unbekannt ist, nachdem der öfter ungenaue Palladio mit der in seiner
Geschichte Friauls vorkommenden Behauptung, er wäre aus Brescia
gewesen, ganz vereinzelt dasteht, und daß der, jene Inschrift tragende
Stein mit einem Wappen geschmückt ist, welches man ohne allen Zwang
für das der Familie Dornberg ausgeben könnte; wenn man ferner im
Zusammenhänge damit erwägt, daß dieses aus Frauken stammende,
erst zu Ende des XVIll. Jahrhundertes erloschene Geschlecht vor
Pilgrim II. in Friaul ganz unbekannt war; im Jahre t2l)2 aber von
diesem Patriarchen durch die Berufung eines seiner Glieder zu dem
ebenso wichtigen als ehrenvollen Amte eines Schiedsrichters in dem
Streite mit dem Grafen von Görz ausgezeichnet wurde, und seit jenem
Zeitpunkte unter den angesehensten und begütertsten des Landes genannt
wird, so dürste man es kaum zu gewagt finden, wenn wir jenes in
der Regel Pilgrim l zugcschricbcne Grab für Pilgrim II. in Anspruch
nehmen und "die Vermnthung hinzufugcn, daß letzterer der Familie
Dornberg angehörtc und die Veranlassung zur Ansässigmachung der¬
selben im Gebiete des Patriarchates geworden ist.
64
ger aber wissen wir es mit aller Gewißheit, da uns seine dor¬
tige Grabschrift durch Aufzeichnung erhalten blieb. Sie lautete:
Voloüsrius
Ltabilita katriaroiiaii ckiZnitats
J.tgus anctoritats
Intsr oastsra, gnas Asssit sapisntsr,
kavavinos st ^arvisinos popnlos
Vonstas Rsipublioas oonoiliavit.
Die Stelle indeß, an welcher diefe Worte einst zu lesen
waren, kennen wir nicht; vielleicht ruht Wolfger von Leu-
prechtskirchen in jener Gruft, die sich genau dem Grabe
Ulrichs II. gegenüber im nördlichen Seitenschiffe befindet,
und von der man nicht weiß, wem sie angehört.
Vor feiner Wahl zum Patriarchen im Jahre 1204
hatte Wolfger durch mehrere Jahre dem Bisthume Paßau
vorgestanden. Diese Würde war ihm bereits zugedacht ge¬
wesen, noch ehe er die Weihen empfangen hatte. Erst un¬
mittelbar vor ihrem Antritte wurde er an einem Samstage
zum Priester und am Sonntage darauf zum Bischöfe gesalbt.
Er war ein Mann von hohen Tugenden, bedeutendem
Geiste und vieler Thatkraft, der mit feinem Verständnisse
und richtigem Gefühle die vielen Klippen, welche damals
jedem zu öffentlicher Thätigkeit Berufenen verderblich droh¬
ten, glücklich zu umschiffen wußte, und der, ohne Charakter¬
schwäche an den Tag zu legen, von Jnnocenz III. wie von
Philipp dem Hohenstaufen, von Otto IV. wie von Fried¬
rich II. hochgeachtet blieb. Leistete er auch den Anordnungen
des römischen Hofes nicht allein in geistlichen, sondern auch
in weltlichen Dingen genaue Folge, wozu er fick eidlich ver¬
pflichten mußte, als er von Jnnocenz III. im Jahre 1204
nur unter dieser Bedingung das Pallium zugeschickt erhalten
65
hatte; stand er auch mit seinem Herzen, die Vaterstadt Köln
nicht verläugnend, den Welfen näher als den Hohenstaufen,
so vergaß er doch niemals das Reich über der Kirche, nie¬
mals die allgemeine Wohlfahrt über seinen Parteiinteressen.
Wir glauben seine politische Gesinnung am kürzesten und tref¬
fendsten zu kennzeichnen, indem wir sagen, daß er in Deutsch¬
land wohl ein Guelfe, in Italien aber ein Ghibelline war.
Mit Vorliebe benutzten ihn der Papst und König Phi¬
lipp als Vermittler bei ihren Unterhandlungen, weßhalb
wir ihm in den Jahren 1206, 7 und 8 oft auf dem Wege
zwischen Rom und Deutschland begegnen. Bei seiner ersten
Sendung nach Nürnberg zu Philipp im Jahre 1206 geschah
es, daß dieser den Patriarchen aufforderte, die Regalien
des Hochstiftes von ihm zu Lehen zu nehmen. Wolfger wies
jedoch darauf hin, daß die Fürsten Italiens nicht gehalten
seien, hiezu in Germanien zu erscheinen, und ließ sich nur
unter dem urkundlich ausgefertigten, ausdrücklichen Vorbe¬
halte zur Belehnung bereit finden, daß dieser vereinzelte
Fall unter keiner Bedingung später als Präjudiz angerusen
werden könnte. Es ist dieß seit Otto dem Großen wohl wie¬
der das erste Mal, daßAquileja und dessen Landschaften soent-
schieden als zu Italien gehörig behauptet und anerkannt wurden.
Als Otto's IV. Ansprüche auf den Thron nach Phi¬
lipps Tode von keiner Seite mehr bestritten wurden, stieg
das Ansehen Wvlfgers, der sich der Gunst dieses Königs im
vollsten Maße erfreute, noch weit höher. Aus dem im Be¬
ginne des Jahres 1209 zu Augsburg gehaltenen Reichstage
bestätigte Otto nicht allein alle Privilegien des Capitels
und des Patriarchen von Aquileja, sondern verlieh diesem
überdies, nebst dein unbeschränkten Blutbanne auf allen sei¬
nen Gebieten, nach des zuerst damit belehnten Herzogs
Ludwig von Baiern Verzicht die Markgrafschafr Istrien,
Aquileja. 8
66
welche Heinrich von Andechs bei seiner Aechnmg wegen der
Mitschuld an Philipps Morde verloren hatte. Ferner wurde
Wolsger als Bevollmächtigter des Königs nach Italien vor¬
ausgesendet, dem beschlossenen Römerzuge die Wege zu
ebnen. Der Patriarch entledigte sich dieses Auftrages auf
das beste; rasch rückte er in Mittel-Italien vor, stellte al¬
lenthalben die königliche Gewalt wieder her, zwang Bologna
die widerrechtlich an sich gerissenen Reichsgüter zurückzustel¬
len und eine hohe Steuer zu zahlen, legte den widerspensti¬
gen Florentinern eine Strafe von 10.000 Mark auf, und
sah endlich seine Bemühungen durch den glänzendsten Erfolg
gelohnt, indem Otto am 4. October 1209 in der Peters-
kirche zu Rom vom Papste die Kaiserkrone empfing. In
dankbarer Anerkennung seiner Verdienste erklärte aber auch
Otto im März des darauffolgenden Jahres zu Ravenna,
die Kirche von Aquileja in seinen ganz besonderen Schutz ge¬
nommen zu haben.
Von dem Augenblicke an, in welchem Otto die Kai¬
serkrone aus seinem Haupte sicher fühlte, schlug er die Bah¬
nen der hohenstaufischen Politik ein, zu welchen jeder
deutsche König durch die Macht der Verhältnisse hinge¬
drängt wurde, und stand bald dem Papste eben so feindlich
gegenüber wie seine Vorgänger. Da wandte sich Jnno-
cenz III., über solchen Undank, wie er es nannte, schmerz¬
lich betroffen, von ihm ab, und zog seinen Mündel, den
sechzehnjährigen Sohn Heinrichs VI., Friedrich Roger und
mit ihm die demselben schon vor 14 Jahren von den Reichs¬
fürsten geschwornen Eide aus der Vergessenheit hervor.
Während Friedrich die ihm dadurch gestellte Ausgabe mit
jenem ehrgeizigen Feuereifer und jenem kühnen Heldensinne
erfaßte, die das Erbtheil des in seinen Adern rollenden
Blutes der Hohenstaufen und der Altaville waren, und
67
durch die Gunst des Glückes den Nachstellungen Otto's ent-
gangen, in Deutschland die alten Freunde seines Hauses um
sich sammelte, büßte dieser durch sein Benehmen mehr und
mehr von seinen Anhängern ein, bis endlich der gegen Phi¬
lipp August von Frankreich unternommene durch die Schlacht
von Bouvines so unglücklich beendete Krieg ihm den letzten
Rest seiner Macht raubte, und seinen jugendlichen Gegner
von Erfolg zu Erfolg bis nach Aachen zur Krönung führte.
Auch Wolfger scheint — vielleicht den Weisungen aus
Rom gehorchend — Friedrich II. anerkannt zu haben; we¬
nigstens bestätigte dieser schon am 22. Februar 1214 zu
Augsburg die Rechte und Freiheiten der Kirche von Aquileja.
Nirgends aber finden wir, daß er gegen seinen ehemaligen
Freund und Wohlthäter handelnd aufgetreten wäre.
Als Jnnocenz im Jahre 1215 eine Kirchenversamm¬
lung nach Rom berief, faßte Wolfger den Entschluß, die¬
selbe nicht zu besuchen, da er das Verbleiben in seinem
Sprengel, der Wirren an dessen Grenzen wegen, nicht mit
Unrecht für nothwendig hielt. Die nur mühsam uiedergehal-
tene Flamme der Zwietracht zwischen Venedig und Padua,
welche übrigens einen sehr materiellen Hintergrund in der
nur mit Verletzung der Interessen eines Theiles zu lösenden
Frage hatte, ob die Geschiebe der von den Alpen herab¬
strömenden Gewässer die Felder der ackerbauenden Paduaner
durch Ueberlagerung ihrer Fruchtbarkeit berauben oder durch
Versandung und allmälige Ausfüllung der Lagunen die Le¬
bensbedingungen der handeltreibenden Venetianer vernichten
sollten, war im vorhergehenden Jahre bei ritterlichen Spie¬
len zu Treviso um geringfügiger Ursachen willen wieder em¬
porgelodert. Der Patriarch konnte um so weniger hoffen,
diesen Verwicklungen ganz fremd zu bleiben, als er bereits
68
im Jahre 1206 das Bündniß seines Vorgängers mit Beue-
big erneuert hatte.
Nachdem aber Jnnocenz die Gründe seines Nicht-
kommens, unter welchen er insbesondere die hohen Kosten
angeführt hatte, nicht als triftig gelten ließ, sondern aus
Anagni am 9. December 1214 die wiederholte Aufforde¬
rung, zu erscheinen, an ihn richtete, begab sich Wolfger,
wenn auch widerstrebend, nach Rom.
Seine Befürchtungen trafen ein. Die Grafen von
Görz hatten sich wohl gleich im Beginne auf das beste mit
Wolfger gestellt und sich nicht ausgeschlossen, da ganz Friaul
sein Erscheinen freudig begrüßte. Bei Gelegenheit eines der
ersten von ihm zu Aqnileja abgehaltenen Kirchenfeste, am
Tage Mariä Reinigung des Jahres 1205, war das beste¬
hende gute Einvernehmen in offenkundiger Weise zu Tage
getreten, indem der Patriarch die Waffen weihte, mit wel¬
chen Meinhard II. und Engelbert III., sodann Wolfger von
Dornberg, Johann von Portis, Gallucio Galluci, Heinrich
von Villalta, Dietrich von Fontebono, Friedrich von Capo-
riacco, Arnold von Brazzano, Conetto aus Udine und Her¬
bord von Pertenstaine zu Rittern schlugen. Jetzt aber hiel¬
ten die Grafen den Zeitpunkt für geeignet, ihre nur zeit¬
weilig aufgegebene kirchenfeindliche Haltung wieder aufzu¬
nehmen. Meinhard II. benützte die Abwesenheit des Kir-
chenfürsteu, der überdieß nicht mehr so glänzend wie ehe¬
mals von der Sonne kaiserlicher Huld beschienen war, im
Jahre 1216 einen Einfall in dessen Gebiet zu thun und
mindestens zweifelhafte Rechte darin auszuüben. Der deß-
halb auf Befehl des Papstes von Bischof Jordan von Padua
über ihn gesprochene Bann bewog ihn jedoch sein Unrecht zu
bekennen und vollen Ersatz zu leisten. Auch die anderen Ge-
waltthätigkeiten nahmen ein baldiges Ende, da es Wolfger
69
nach seiner Heimkehr von Rom gelang, unter päpstlicher
Autorität im Jahre 1217 den Frieden zwischen Benetianern,
Paduanern und Trevisanern wieder herzustellen. Dies war
wohl seine letzte bedeutendere That, die aus diesem Gründe
und weil sie in ihren wohlthätigen Folgen in Friaul die
fühlbarste sein mochte, allein in seiner Grabschrift Erwäh¬
nung fand.
Er starb am 23. Jänner 1218 im Rufe der Heilig¬
keit, welche sich nach der Bolkssage an seiner Leiche durch
Wunder offenbarte.
Da seine Mutter Gisela an des Verblichenen marmor¬
nen Sarg, welcher durch längere Zeit frei über dem Boden
schwebte, tretend die klagenden Worte sprach: „Was gibst
du mir, mein Sohn, auf daß ich es mit mir nehme?"
streckte die entseelte Hülle einen Arm der tief bekümmerten
Frau entgegen, welche dieses letzte Vermächtniß ihres Soh¬
nes dankbar entgegennahm und sorgsam bewahrte.
Als Bischof von Passau hatte er im Jahre 1195 mit
mehreren deutschen Fürsten zu Worms das Kreuz genommen und
war im Sommer des folgenden Jahres in Palästina angelangt,
wo er an der Eroberung von Berytus, sowie an der darauf
gefolgten Besetzung von Byblus, Gibellum und Laodicea
theilgenommen und sich den Wenigen zugesellt hatte, welche
auch dann noch, als die Kunde von Heinrichs VI. Tode in
das Morgenland gedrungen war, durch längere Zeit daselbst
ansharrten. Nachdem er dann noch dem am 16. April 1198
verstorbenen Herzoge Friedrich I. von Oesterreich auf dem
Todtenbette beigestanden, und mit Meinhard II. von Görz
seine letztwilligen Verfügungen als Zeuge bekräftigt hatte,
war er einer der letzten gewesen, welche sich auf die Rück¬
reise begaben.
70
Die Angelegenheiten des heiligen Landes blieben ihm
anch späterhin stets am Herzen und als Patriarch stiftete er
im Jahre 1210 für heimkehrendc Pilger, die bei Aquileja
landeten, in dem, heutigen Tages S. Nicolo di Ruda ge¬
nannten Orte Camarcio — dem Campus Martins des rö¬
mischen Aquileja, wie man vermuthet, oder vielleicht auch
dem Märzfelde der Langobarden — eine Herberge, aus der
mit der Zeit eine Maltheserordens-Commende wurde.
Die ältesten aquilejefer Münzen, die wir besitzen,
sind vom Patriarchen Wolfger. Gewiß ist es nicht zufällig,
daß gleichzeitig die ersten Triestiner Münzen des Bischofs
Giobardo (1203—1212s so wie die ersten Görzer Münzen
der Grafen Meinhard II. und Engelbert III. auftreten.
Wahrscheinlich hatte sich im Beginne des XIII. Jahrhun¬
derts einer der fahrenden, meist aus Florenz gebürtigen
Münzmeister, die damals gewöhnlich als Pächter ihr Ge¬
schäft für die hierzu Berechtigten ausübten, in Aquileja
niedergelassen, wo die Patriarchen wie die Bischöfe von
Triest jederzeit und wohl auch anfangs die Grafen von Görz
bis zu dem Zeitpunkte prägen ließen, in welchem sie die
eigene Münzstätte zu Lienz im Pusterthale errichteten.
Das Capitel von Aquileja konnte sich über die Wahl
von Wolfgers Nachfolger nicht einigen, indem die Stimmen
zum Theile dem Domherrn Ulrich von Cividale zufielen,
zum Theile dem Erzbischöfe Berthold von Kalocsa, welcher
in Friaul nicht unbekannt sein konnte, da wir ihn auf in
Gemona ausgestellten Urkunden des Jahres 1217, nament¬
lich in dem zwischen Wolfger und Herzog Leopold VII. von
Oesterreich am 9. Juli eingegaugenen Tauschvertrage über
Glieder ihrer Ministerialfamilien Ragogna und Bisenstain
als Zeugen angeführt finden. Die Entscheidung mußte in
Rom gesucht werden, wo man sich durch die öftere Wieder-
71
holung solcher Vorkommnisse allmälig daran gewöhnte, ohne
Rücksicht auf das seit dem Beginne des IX. Jahrhunderts
ansgeübte (angeblich im Jahre 792 verliehene) Wahlrecht
des Capitels, frei über den Patriarchenstuhl zu verfügen,
und Papst Honorius III. ernannte mittelst einer im Lateran
am 27. März 1218 erlassenen Bulle Berthold zum Pa¬
triarchen.
Berthold aus dem vornehmen und mächtigen, in
Baiern, Franken, Burgund und der Pfalz, in Tirol, Krain,
Istrien, Croatien und Dalmatien reich begüterten, von den
altbaierischen Huosiern abstammenden Geschlechte der An-
dechse, war der Sohn Herzog Bertholds IV. und Agnesens,
der Tochter Dedos des Feisten von Wettin. Zwei seiner
Schwestern haben königliche Throne bestiegen, nämlich Marie
Agnes die Gemahlin Philipp August's von Frankreich und
Gertrude von Ungarn, während eine dritte Schwester, Hed¬
wig, die Gemahlin Herzog Heinrichs des Bärtigen von Bres¬
lau und Liegnitz, eine hehrere Krone erlangte, da sie nach
ihrem Tode ihrer seltenen Tugenden wegen von der Kirche
heilig gesprochen wurde.
Noch eine große Frau stand ihm nahe, denn durch
Gertrude nannte er seine Nichte die hochgefeierte Landgräfin
Elisabeth von Thüringen, von welcher Berthold zwei kost¬
bare, mit Miniaturen und Initialen verzierte, Codices für
das Capitel von Cividale zum Geschenke erhielt. Beide wer¬
den dort noch immer sorgfältig aufbewahrt und es sind die¬
selben das sogenannte Gebetbuch der heiligen Elisabeth, ein
Breviarium, und ein Psalterium seiner Mutter.
Bertholds Name ist mit einer blutigen Katastrophe der
ungarischen Geschichte so enge verknüpft, daß wir dieselbe
nicht mit Schweigen übergehen können, obgleich sie eben kein
72
vortheilhaftes Licht auf den nachmaligen Patriarchen zu wer¬
fen vermag.
Seine Schwester Gertrude übte auf ihren Gemahl
Andreas II. von Ungarn — wir folgen hier ungarischen
Quellen -— einen mächtigen, aber wenig glücklichen Einfluß,
und wußte es bald nach dessen Thronbesteigung im Jahre
1205 dnrchzusetzen, daß Berthold, welcher Probst zu Bam¬
berg war, zum Erzbischöfe von Kalocsa gewählt wurde.
Jnnocenz III. hatte ihm zwar anfänglich wegen mangelnder
Wissenschaft und noch nicht erreichten gesetzlichen Alters (er¬
zählte noch nicht volle 25 Jahre) das Pallium versagt, was
Berthold jedoch nicht hinderte, die bedeutenden Einkünfte
des Erzstiftes zu beziehen, ihn aber später doch auf des
Königs inständige Bitten in dieser Würde bestätigt. Statt
jene Mängel durch ein bescheidenes und gewinnendes Beneh¬
men vergessen zu machen, verletzte der junge Mann durch
unberechtigten Hochmuth häufig die Edlen des Landes, welche
einen tiefen Haß gegen denselben faßten und auf die Köni¬
gin, seine Beschützerin, übertrugen. Daß diese Gesinnungen
nicht allein durch Bertholds Eigenschaft als Fremder, son¬
dern durch seine eigene Schuld hervorgerufen waren, beweist
ein Schreiben des Papstes an Andreas, worin er diesem
klagt, daß er sich habe verleiten lassen, Berthold „der kaum
der Schüler der Schüler zu sein verstehe, als Meister der
Meister, als Bischof der Bischöfe zu bestätigen."
Dieser Mahnung und dem allgemein herrschenden Un¬
willen zum Trotze ernannte der König indeß seinen Schwager
im Jahre 1209 zum Ban von Crvatien, welche Würde bis
dahin Benedict Both , kurzweg Bank-Ban genannt, inne
gehabt hatte, im Jahre 1212 zum Woywoden von Sieben¬
bürgen und verlieh ihm das Jahr darauf noch das überaus
73
einträgliche Amt eines Grafen der Gespannschaften Bncs
und Bodrogh.
Als nun die Haliczer im Jahre 1213 des Königs
fünfjährigen Sohn Coloman zum Fürsten begehrten, und
Andreas, bevor er mit demselben nach deren Lande zog, die
Reichsverwaltung Gertruden und Berthold übertrug, wäh¬
rend der zum Palatin erhobene preßburger Graf Bank-Ban
wie auch Erzbischof Johann von Gran von derselben gänz¬
lich ausgeschlossen blieben, stieg der Uumuth der Feinde
Bertholds so sehr, daß sie ihn überfielen, beraubten und
mißhandelten. Junocenz beauftragte zwar in Folge der dar¬
über geführten Klage den Primas, gegen die Schuldigen den
Bann zu verkünden, und gewährte dadurch dem Erzbischöfe
von Kalocsa den Schutz der Kirche; aber ein von einem sei¬
ner Brüder verübter Frevel brachte die schon lange in den
Herzen genährte Rache gegen das Haus der Königin zu
Plötzlichem noch weit heftigeren Ausbruche.
Außer Berthold befanden sich damals am ungarischen
Hofe noch dessen Brüder Egbert, der Bischof von Bamberg,
Otto von Meran und Heinrich von Istrien. Letzterer*) ent¬
brannte in heftiger Liebe zu Banks schönem Weibe, einer
von Gertrudens Begleiterinnen, und nahm, mit seinen An¬
trägen abgewiesen, seine Zuflucht zur Gewalt. Da das Ver¬
brechen im Vorzimmer der Königin geschah, fiel auch auf
diese der Verdacht der Mitschuld. Der schwer beleidigte Pa¬
latin trat nun offen zur Partei der Verschwornen über und
Gertrude, von deren Seite mit dessen Gattin ein versöhnen-
Wir haben den leidenschaftlichen Heinrich, der sogar vor der
Theilnahme an einem Kaisermorde nicht zurückschreckte, als den Schul¬
digen dargestellt, obgleich anch Otto als solcher genannt wird, und
man ehedem Berthold selber — gewiß mit Unrecht — diese Unthat
zur Last gelegt hatte.
74
der Schutzgeist gewichen war, fand am nächsten Morgen
durch Ban Simon und Peter Grafen von Bihg,r gemordet
einen gewaltsamen Tod.
Ihren Brüdern rettete nur schleunige Flucht das Leben.
Dem Papste mag es keine geringe Genugthuung ge¬
währt haben, als Andreas sich bei ihm bitter darüber be¬
schwerte, daß Berthold den auf etwa 7000 Mark sich be¬
laufenden Schatz der Königin, welcher von ihr bei einem
Bürger hinterlegt worden war, vor feiner Flucht zu erheben
und mit sich zu nehmen gewußt hatte *).
Von jener Zeit an mied Berthold Ungarn beständig;
wir finden ihn nicht einmal wie feine Brüder Otto und Eg¬
bert im Gefolge des Königs Andreas, als dieser im Jahre
1217 seinen Kreuzzug unternahm.
Daß es ihm mittlerweile gelungen war, die Gunst des
heiligen Stuhles zu erwerben, können wir aus feiner Er¬
nennung zum Patriarchen von Aquileja mit Sicherheit schlie¬
ßen; um so mehr überrascht es uns aber in Berthold, die
weit größere Hälfte seiner Verwaltung hindurch, eine Haupt¬
stütze der hohenstaufischen Partei zu finden.
Ein Vierteljahrhundert lang blieb er ein ergebener An¬
hänger feines großen Zeitgenossen Friedrichs II., der im sel¬
ben Jahre, in welchem Berthold den Patriarchenstuhl bestieg,
durch seines Gegners Otto's IV. Tod die unbestrittene Herr
sckaft in Deutschland erlangt hatte, und den der bedeutend
ältere Berthold noch um fünf Monate überleben sollte.
*) Minder bekannt als obige Thatsachen dürfte der Umstand
sein, daß Ungarn eines seiner köstlichsten Erzeugnisse mit jenem Pa¬
triarchen zu danken hat, indem König Bela IV., wohl nicht ohne seines
Oheims Berthold Znthnn, die Tokayer Rebe aus Friaul nach seinem
Reiche verpflanzt haben soll.
Ueber die Motive, welche Berthold bei seiner Hand¬
lungsweise leiteten, können wirnurVermnthungen aussprechen.
Vielleicht folgte er blind den Neberliefernngen seiner
stets ghibellinisch gesinnten Vorfahren. Vielleicht erblickte er
nicht ohne geheime Befriedigung den römischen Hof, von
dem er einstens so viele Zurücksetzungen erfahren hatte, in
den mißlichen Lagen, welche der Kaiser demselben bereitete.
Vielleicht empfand er das Bedürsniß, durch treue Hin¬
gebung das von seinem Hause an den Hohenstaufen began¬
gene schwere Unrecht zu sühnen. Zwei seiner Brüder näm¬
lich, Egbert und Heinrich, hatten aus Gründen, die wohl
nimmer genügend aufgeklärt werden dürften, als Mitschul¬
dige an König Philipps Morde theilgenommen, und sc einen
kaum weniger schwarzen Undank als der eigentliche Thäter
Pfalzgraf Otto von Wittelsbach verrathen, nachdem die ruch¬
lose That am Abende desselben Tages geschehen war, an
welchem der König seine Richte Beatrix von Burgund Ber¬
tholds drittem Bruder Otto in die Arme geführt und damit
das gesammte Geschlecht der Andechse an Macht und Anse¬
hen erhöht hatte.
Vielleicht gehorchte Berthold nur dem Zuge der mate¬
riellen Interessen, welche bisher beinahe ausnahmlos die
Patriarchen an die Sache der Kaiser gekettet hatten, vielleicht
aber auch ließ er sich dabei von den edelsten und reinsten
Gefühlen einer Freundschaft leiten, die er für des Kaisers
eben so schöne und liebenswürdige als geistvolle Persönlich¬
keit, deren Zauber uns noch nach sechs Jahrhunderten nicht
kalt läßt, wohl empfinden mochte.
Allerdings hieße es, Friedrichs Zeitalter, dem er in
so manchen Stücken weit voraneilte, gänzlich verkennen,
wenn man annehmeii wollte, daß ihn seine Zeitgenossen mit
76
demselben Maße, welches wir unwillkürlich an ihn legen,
gemessen haben oder auch nur hätten messen sollen.
Ohne unsere Augen vor seinen Fehlern zu verschließen,
und abgesehen von den ritterlichen Tugenden, die ihn in
hervorragender Weise zierten, nöthigen uns die, wir möch¬
ten sagen modernen Grundsätze, für die er kämpfte, die auf¬
geklärte Duldung, welche selbst Saracenen in seinem Reiche
fanden, die weisen Gesetze, die er gab, die richtigen volks-
wirthschaftlichen Anschauungen, die er durch seine Verfügun¬
gen auf einem damals nicht einmal dem Namen nach be¬
kannten Gebiete an den Tag legte, und die Pflege, welche
Künste und Wissenschaften an seinem heiteren Hofe fanden,
staunende Bewunderung ab *).
Dagegen müssen wir aber auch einräumen, daß seine
in ihren Zielen und den dafür aufgebotenen Mitteln ebenso
wenig kleinlichen Gegner ihre Zeit besser begriffen hatten.
Aus Berthold und seine Amtsführung zurückkommend,
haben wir zuvörderst zu berichten, daß er gleich beim An¬
tritte derselben mit Vasallen und Nachbarstädten vollauf zu
thun bekam. Als er im Laufe des Jahres 1218 in Friaul
anlangte, fand er dieses Land durch einen tief gehenden Riß
in den socialen Verhältnissen in zwei feindliche Lager gespal¬
ten und von dem mit größter Erbitterung geführten Kampfe
schwer heimgefucht. Die ungewöhnlichen Reize eines Weibes
hatten zum Ausbruche desselben den unmittelbaren Anstoß
Daß auch in Italien eine vornrtheilslosere Beurtheilung
dieses ehedem einstimmig verurtheilten, gewaltigen Ghibellincn, über
den, streng genommen, Deutschland weit mehr Ursache zu klagen ge¬
habt hätte, allmälig Platz greift, beweist unter anderen eine unlängst
erschienene Schrift des bekannten italienischen Deputirten Petruccelli
della Gattina, in welcher dieser Victor Emanuel, den conventionellen
Abgott der heutigen Italiener, mit Friedrich II. vergleicht; eine Schmei¬
chelei, welche in Wahrheit ungleich größer ist, als sie wohl gemeint war.
gegeben. Artico's von Strassoldo schöne Tochter Ginevra
war hinter dem Rücken ihres Verlobten Friedrich von Cuea-
nea dem Odorico von Villalta angetraut worden. Cucanea
schwur dem Beleidiger Rache und mit ihm griffen alle Mi¬
nisterialen zu den Waffen, weil sie sich durch den Schimpf, den
einer unter ihnen durch die Bevorzugung eines freien Man¬
nes erfahren hatte, in ihrer Gesammtheit verletzt fühlten.
Um Strassoldo und Villalta hingegen schaarten sich die
Freien des Landes. Vergeblich suchte der bis zur Ankunft
des neuen Patriarchen mit der obersten Gewalt bekleidete
Graf Engelbert III. von Görz dem Blutvergießen und den
Verwüstungen Einhalt zu thnn. Seine Macht genügte nicht
dazu; viele der angesehensten friaulischen Herren hatten sich
im Sommer 1217 dem nach dem Morgenlande ziehenden
Herzoge von Oesterreich angeschlossen und befanden sich bei
dem von König Andreas II. von Ungarn geführten Kreuz¬
zuge; alle Zurückgebliebenen aber hatten Partei ergriffen.
Berthold fiel somit gleich bei seinem ersten Erscheinen
die überaus schwierige Aufgabe zu, den Braud einer der
heillosesten Fehden, welche dieses daran nicht arme Land
verheerten, zu dämpfen. Ebenfalls zu ohnmächtig, um bei¬
den Theilen seinen Willen vorzuschreiben, blieb ihm nichts
übrig, als einem derselben zum Siege zu verhelfen, indem
er das ganze Gewicht seiner Autorität in dessen Wagschale
legte. Es kann um so weniger auffallen, daß er sich aus
Seite seiner Ministerialen schlug, als er ans diese Weise
hoffen konnte, den hochfahrenden Trotz der gegnerischen Gro¬
ßen zu brechen, welche sogar, ihre Besitzungen nicht von der
Kirche von Aquileja zu Lehen zu haben, behaupteten. Auch
letztere blieben indeß nicht ohne gewichtigen Rückhalt.
Am 15. September 1219 sagten sich Strassoldo und
Villalta nebst noch zwölf der mächtigsten Edlen Friauls zu
78
Treviso, gewiß mit Zuthun der zur Bürgerschaft der Stadt
gehörenden Grasen von Görz, welche wahrscheinlich immer
diese dem Patriarchen gefährlichere Partei begünstigt hatten,
feierlich von Berthold los und leisteten in Gegenwart Ezze-
lins III.. da Romano und Rambalds von Collalto, jener
Feindin des Patriarchats, um den Preis ihres Beistandes
die Huldigung nebst dem Gelöbnisse der Einbürgerung und
Heeresfolge.
Berthold gelang es trotz dessen theilweise, diese pflicht¬
vergessenen Lehensträger zum Gehorsam zurückzuführen, und
wirklich schwuren ihm am 5. Mai 1220 zu Caporiacco in
seiner Gegenwart sieben davon erneuert den Eid der Treue
und versprachen überdies, der Bürgerschaft Padua's beizu¬
treten, mit welcher Berthold ein Bündniß einzugehen auch
schon durch anderweitige Verhältnisse bewogen worden war.
Es hatten nämlich die Benetianer, befürchtend, daß
das ihnen noch immer nicht freundlich gesinnte Padua an
dem damals vielumworbenen Treviso einen mächtigen Bundes¬
genossen gewänne, diesem eine Verbindung angeboten. Die
Trevisaner nahmen bereitwillig diesen Antrag an und hiel¬
ten sich hierauf für so stark, daß sie die Bisthümer Ceneda,
Feltre und Belluno mit Krieg überzogen und sogar in den
beiden letzteren Städten die Bischöfe erschlugen. Berthold,
der sich überhaupt noch wenig sicher fühlte, empfand unter
diefen Umständen so lebhafte Besorgnisse, daß er bei Padua
die vom deutschen Könige erfolglos erbetene Hilfe suchte.
Sie wurde ihm auch zu Theil; denn als die Trevisaner,
denen er anfänglich einigen Schaden zugefügt hatte, mehrere
patriarchalische Orte angriffen, rückten die Paduaner bis
Castelfranco und zwangen jene dadurch zum Rückzüge.
Das Jahr 1221 brachte diesen Gegenden wieder den
Frieden. Der Patriarch, welcher hatte schwören müssen, in
79
Betreff des Streites mit Treviso den Anordnungen des
päpstlichen Legaten unbedingte Folge zu leisten, schloß im
Monate Juli mit jener Stadt einen Vertrag ab, in welchem
ihm zwar der niemals angefochtene Besitz des Landes zwi¬
schen der Liquentia (Liveuza) dem Herzogthume Meranien
(den an der Ostküste des adriatischen Meeres -—- Meer-an
— liegenden Besitzungen der Andechse), dem Meere und
dem Gebirge zugestanden, zugleich aber dafür die drückende
Bedingung auferlegt wurde, von seinen widerspänstigen Va¬
sallen, diejenigen, welche er zum Vertrage von Caporiacco
genöthigt hatte, von demselben zu entbinden und Treviso
zu überlassen, die Gefangenen freizugeben und nicht blos
alle die eben Genannten, sondern selbst das von den Pa¬
duanern bei Gelegenheit der ihm geleisteten Unterstützung
verwüstete Castelfranco zu entschädigen.
Berthold, der in den Bestimmungen dieses Friedens
nicht die Bürgschaften einer langen Dauer desselben zu er¬
kennen vermochte, erneuerte unmittelbar darauf am 11. Sep¬
tember das Bündniß mit Padua, dessen Bürger er nun
förmlich wurde, nachdem er schon vorher den Bau einiger
Paläste daselbst angeordnet hatte.
Nicht minder ließ er es sich angelegen sein, die Be¬
ziehungen zu Venedig in befriedigender Weise zu regeln. Zu
diesem Behufe begab er sich im Frühlinge des nächstfolgenden
Jahres in seines Vogtes Meinhards II. von Görz Begleitung
selbst dahin, die Verträge seiner Vorgänger mit der Repu¬
blik wieder zur Geltung zu bringen. In der darüber am
23. Juni ausgefertigten Urkunde erkannte Berthold auch
die von Ulrich II. eingegangene Verpflichtung an, alljähr^
lich 12 Schweine und 12 Brote kostenfrei im Dogenpalast
abzuliefern.
80
Kleinere Fehden abgerechnet, trat nunmehr in diesem
Theile Italiens wirklich eine längere Ruhe ein, welche um
so gesicherter erschien, als unter den Städten, welche im
Jahre 1226 mit Beiseitesetzung jedes inneren Haders den
beinahe vergessenen lombardischen Bund wieder ins Leben
riefen, auch Padua und Treviso, die streitsüchtigen Nach¬
barinnen sich befanden. Ezzelin IV. aber, der sich in seines
Mönch gewordenen Vaters Ezzelins III. Erbe mit seinem
Bruder Alberich getheilt hatte, und der seiner Grausamkeit
eine so traurige Berühmtheit verdankt, schleuderte schon im
Jahre 1A27 von neuem die Fackel des Krieges in diese hart
geprüften Landschaften.
Bon den ghibellinisch gesinnten Montecchi berufen, be¬
mächtigte er sich Verona's und verschaffte hierauf seinem
Bruder die Herrschaft Vicenza's, nachdem er die den aller¬
orts unterliegenden Guelfen zu Hilfe eilenden Paduaner ge¬
schlagen hatte. Im folgenden Jahre ließ sich Ezzelin unter
die Bürgerschaft Trevifo's aufnehmen, die er alsbald durch
seinen Einfluß, wenn auch wohl ohne große Mühe, zu wei¬
teren Unternehmungen gegen Feltre und Belluno bewog.
Die Paduaner nahmen sich der Bischöfe dieser Städte, ihrer
Verbündeten, warm an, erhielten aber auf ihre Vorstellun¬
gen nur höhnische Antworten, worauf sie die Unterstützung
des Patriarchen und Azzo's VII. Markgrafen von Este, des
hervorragendsten Führers der Guelfen in Ober-Italien, an¬
riefen und mit bedeutender Macht bis unter die Mauern
Trevifo's vordrangen. Durch Vermittlung des päpstlichen
Legaten und der Rectoren des lombardischen Bundes wurde
indeß der Streit beigelegt, nachdem Treviso in die Räu¬
mung Feltre's und Belluno's eingewilligt hatte, und im
Jahre 1229 konnten die übrigen Theile Italiens mit Neid
auf die tiefe Stille blicken, welche in der Mark Verona oder
81
Treviso, wie sie auch damals genannt wurde, ausnahms-
weise herrschte.
Treffen wir auch Berthold in diesen untergeordneten
Fragen nothgedrungen oftmals mit Guelfen im Bunde an,
so handelte er doch in allen großen Angelegenheiten seiner
ghibellinischen Gesinnung gemäß. Im Jahre 1220 hatte er
Friedrichs Römerzug mitgemacht und in Rom seiner Krönung
durch Honorius III. beigewohnt, bei welchem Anlasse der
Kaiser zur Wahrung der Hoheitsrechre des Patriarchen ver¬
fügt hatte, daß die demselben unterworfenen Srädte ohne
seine Zustimmung keine Obrigkeiten wählen sollten.
Zehn Jahre später befand sich Friedrich, vom Kreuz¬
zuge heimgekehrt, wegen dessen Verzögerung er im Jahre
1227 gebannt worden war, bereits in vollem Kampfe mit
des milden und versöhnlichen Honorius Nachfolger, Papst
Gregor IX., den bei aller Heftigkeit und Finstecheit des
Gemüthes doch 'der Geist seines großen Oheims, Jnno-
cenz III. erfüllte und leitete. Nm die Fortschritte zu läh¬
men, welche der Kaiser in Unter-Italien gegen die zum ersten
Male mit den Schlüsseln Petri bezeichneten päpstlichen Streiter
machte, versuchte es Gregor, die Absetzung König Heinrichs,
Friedrichs Sohnes, in Deutschland anzuregen. Berthold
schloß sich jenen Fürsten an, die dieses Vorhaben strenge
mißbilligten; ja er folgte sogar, nicht ohne deßhalb vom
Papste zurecht gewiesen zu werden, mit Leopold VII. von
Oesterreich, Bernhard von Kärnthen, Otto von Meran,
Eberhard von Salzburg, dem Bischöfe von Regensburg und
anderen eiligst dem Rufe des Kaisers nach Neapel, um ihm
seine volle Unterstützung angedeihen zu lassen.
Die bald darnach mit Gregor angeknüpfteu Unterhand¬
lungen führten zu einem gedeihlichen Ende. Am 28. August
1230 wurde Friedrich vom Banne losgesprochen, und zu-
Aquileja. g
82
gleich der Friede von S. Germano geschlossen nnd beschwo-
ren. Als des Kaisers Bürgen erschienen dabei Berthold und
die übrigen eben genannten Fürsten mit Ausnahme Leopolds,
der genau einen Monat vor dem Abschlüsse des Vertrages,
an dessen Zustandekommen er einen hervorragenden Antheil
genommen hatte, von einem bösartigen Fieber hinweg gerafft
worden war. Am 1. September zog dann Friedrich nach
Anagni, wo er vier Tage mit Gregor im freundschaftlichsten
Verkehre zubrachte. Ohne Zweifel weilte damals auch Bert¬
hold mit dem Kaiser an jenem Orte.
In diese Zeit allgemeiner Freude und Aussöhnung
fällt noch die endgiltige Ordnung einer das Patriarchat nahe
berührenden Angelegenheit. Kaiser Otto's IV. Schenkung
Istriens an dasselbe war beinahe ganz ohne Folgen geblie¬
ben, da Otto von Meran, des geächteten Heinrichs Bruder,
dagegen Widerspruch erhoben hatte und es Wolfger, der
zwar im Jahre 1211 das neu erworbene Land besucht haben
soll, so wie Berthold trotz der wiederholten kaiserlichen Be¬
stätigungen der Jahre 1214 und 1228 an der nöthigen
Macht, Berthold überdies, seinem Bruder gegenüber, wohl
auch am ernsten Willen gebrach, ihre Ansprüche nachdrück¬
lich geltend zu machen. Wahrscheinlich in Berücksichtigung
eben dieses Umstandes, daß einer seiner Brüder den Pa¬
triarchenstuhl inne hatte, verzichtete nun Otto zu Aquileja's
Gunsten auf alle Rechte, die er auf die Mark Istrien zu
besitzen behauptete. Dennoch blieb die dortige Herrschaft der
Patriarchen nicht ungetrübt, sondern bald thatsächlich auf
das Innere des Landes allein beschränkt, da ihr gefähr¬
liche Nebenbuhler in den Benetianern erwuchsen, welche
bereits Pola und Parenzo besetzt hielten und im Laufe des
XIII. Jahrhunderts sich Umago, S. Lorenzo bei Pisino,
Mvntona, Capvdistria, Jsola und Pirano unterwarfen.
83
Die in der trevisanischen Mark neuerdings ausgebrv-
chenen Wirren, die zahllosen darin geführten Fehden zwi¬
schen Städten und Adelsgeschlechtern, lenkten nach Beendi¬
gung aller dieser Geschäfte die Aufmerksamkeit des Kaisers,
welche längere Zeit schon ausschließlich durch das Morgen¬
land, Unter-Italien und den Streit mit dem Papste gefes¬
selt gewesen war, wieder auf die lombardischen Verhältnisse,
welche ein kräftiges Eingreifen dringend forderten.
Um dieselben zu ordnen, hatte Friedrich eine Ver¬
sammlung auf den 1. November 1231 nach Ravenna aus¬
geschrieben, zu welcher auch sein Sohn Heinrich, der seine
Stelle in Deutschland versah, und andere Fürsten von dort¬
her geladen waren. Die Lombarden mißtrauten aber —-
diesmal gewiß mit Unrecht -— den Absichten des Kaisers,
sammelten ein Heer, mit dem sie die Alpenpässe besetzten,
zwangen dadurch, wie schon einmal im Jahre 1226, König
Heinrich mit seinen Begleitern zur Umkehr und zeigten sich
überhaupt so ungefügig, daß Friedrich sich veranlaßt sah,
im Jänner 1232 die Acht über die ungehorsamen Städte
zu sprechen.
Da aber eine Berathung mit den deutschen Fürsten
ein unaufschiebbares Bedürfniß geworden war, das unbe¬
dingt ermöglicht werden mußte, bestellte der Kaiser dieselben
nach Aquileja, wohin sie ungehindert und nnbelästigt gelan¬
gen konnten. Er selbst bestieg nach dem zweiten Fastettsonn-
tage in Ravenna ein Schiff, berührte im Vorüberfahren
Venedig, wo er mit allen Ehren empfangen wurde, und
gelangte endlich zur See nach der Patriarchenstadt (1232).
Hier, in Udine und an anderen Orten Friauls verbrachte
er die Monate April und Mai, sich nicht allein mit allge¬
meinen, insbesondere deutschen Reichsgeschäften, sondern auch
mit Angelegenheiten von nur örtlicher Bedeutung befassend.
6*
84
Gewichtige Klagen wurden vor allein über Heinrichs
Verfahrungsweise in Deutschland vorgebracht, jedoch nach
ernsten Ermahnungen von Seite des Vaters dahin erledigt,
daß die Herzoge von Sachsen, Kärnthen und Meran, Pa¬
triarch Berthold und andere Kirchenfürsten für des scheinbar
reumüthigen Königs künftiges Wohlverhalten, mittelst einer
im April zu Sibidacum (Cividale) ausgestellten Urkunde, die
Bürgschaft übernahmen und dadurch demselben die Verzei¬
hung erwirkten. Im Monate Mai schloß Friedrich zu Por-
tenau ein Bündniß mit Ludwig IX., dem Heiligen, von
Frankreich, und im selben Monate verkündete er zu Udine,
wie er es vor seiner Abreise zu Ravenna gethan hatte, zwei
neue, hauptsächlich städtische Rechte betreffende Gesetze,
welche in verschiedenen Exemplaren ausgefertigt wurden,
deren eines sonderbarer Weise aus Aquileja im Monate
April datirt ist. Dem Patriarchen verlieh der Kaiser ver¬
schiedene Jurisdictionsrechte, indem er zugleich den Vene-
tianern, gewiß im Hinblicke auf die Verhältnisse in Istrien,
verbot, von den Unterthanen desselben den Eid der Treue
zu fordern, die Anordnungen des Jahres 1220 über die
Wahl der städtischen Obrigkeiten in Erinnerung brachte, und
Pola, das in seinem Ungehorsam gegen Berthold verharrte,
mit der Reichsacht belegte.
Unter den um den Kaiser versammelten Fürsten war
auch Friedrich II. von Oesterreich erschienen, den Berthold
bei diesem Anlasse persönlich mit der Grafschaft Portenau
belehnte, welche die Babenberger mit Steiermark erwor¬
ben hatten.
Meinhard III. (s- 1258) von Görz, der im vergan¬
genen Jahre bei des Kaisers Heere in Italien gedient hatte
und ebenfalls mit demselben in Aquileja verweilte, ergriff
diese feierliche Gelegenheit, die Stiftung der Deutsch-Ordens-
85
Commende Precinico, welche von seinem unlängst verstorbe¬
nen Oheime Meinhard II. herrührte, in Friedrichs und der
anderen anwesenden Fürsten Gegenwart zu bestätigen.
Auch Bertholds Bruder Egbert, der schon seit vielen
Jahren in sein Bisthum wieder eingeführt worden war, ob¬
gleich es nicht bekannt ist, daß er sich vom Verdachte der
Mitschuld an König Philipps Morde förmlich gereinigt
hätte, fehlte nicht im Kreise der Reichsfürsten ^). Während
er sich am kaiserlichen Hoflager zu Udine befand, gerieth er
wegen des zu Bamberg gehörigen Ortes Tarvis mit Her¬
zog Bernhard von Kärnthen in Fehde. Von feinen Brü¬
dern Berthold und Otto unterstützt, drang Egbert mit Völ¬
kern aus Friaul, Kram und Istrien in Kärnthen ein, wurde
aber vom Herzoge geschlagen und gefangen genommen. Erst
des Kaisers Vermittlung, der mittlerweile im Monate Mai
nach Apulien unter Segel gegangen war, verschaffte ihm die
Freiheit wieder.
Ein gar seltenes Schauspiel bot sich das Jahr
darauf (1233) in Ober-Italien den Augen der erstaunten
Zeitgenossen dar. Der Beredsamkeit eines Predigermönches
Johann Schio aus Vicenza war es an vielen Orten gelungen,
die streitenden Parteien zu versöhnen. Gregor glaubte in
diesem ungewöhnlichen Manne ein brauchbares Werkzeug
gefunden zu haben, den ebenso lang entbehrten als heiß er¬
sehnten Frieden in der Lombardie wieder herzustellen. Johann
unterzog sich dieser Aufgabe mit redlicher Begeisterung und
berief, nachdem mehrere vorbereitende Schritte glücklichen
») Der andere mit dem Wittelsbacher geächtete Bruder Heinrich
von Istrien soll im Jahre 4232 in Aquilcja gestorben sein. Mochte er
nicht etwa, um durch Bertholds Fürbitte Gnade zu erflehen, des
Kaisers Anwesenheit daselbst benützt und in der Thal persönlich Ver¬
zeihung erhalten haben?
86
Erfolg gehabt hatten, eine große Versammlung auf den
27. August nach der unweit Verona gelegenen Ebene von
Paquara. Nebst einer unabsehbaren Menge Volkes — man
berichtet wohl mitUebertreibung von 400.000 Menschen —
hatten sich die Abgesandten von Verona, Mantua, Brescia,
Vicenza, Padua, Treviso, Feltre, Belluno, Bologna, Fer¬
rara, Modena, Reggio und Parma zum Theile mit ihren
Fahnenwagen, Berthold und die Bischöfe jener Städte,
Azzo VII. von Este, Ezzelin und Alberich da Romano, die
Herren von Camino und viele andere Adelige dabei einge¬
funden und horchten der Rede Johanns, der über die Worte
des Heilandes: „Ich gebe euch meinen Frieden, ich hinter¬
lasse euch meinen Frieden" in hinreißender Weise sprach. Als
er geendet hatte, waren alle Anwesenden tief ergriffen; erbit¬
terte Feinde sanken sich mit Thränen der Rührung gegen¬
seitig in die Arme und zur Besiegelung des Friedens, der
wirklich in alle Herzen eingezogen schien, reichte Rinaldo
Azzo's von Este, des Hauptes der Guelfen Sohn, seine
Hand Adelhaiden, der Nichte Ezzelins, des Mächtigsten
unter den Ghibellinen.
Die Hoffnungen, die man auf diesen Tag gebaut hatte,
erwiesen sich indeß als trügerisch. Johann selbst, der sich die
Gewalt in seiner Vaterstadt übertragen ließ und auch in
Verona darnach strebte, erregte Argwohn und gab zu neuen
Kämpfen Anstoß. Diese gingen zu seinen Ungunsten aus
und da er doch der übernommenen Rolle nicht gewachsen
war, verfiel er unter dem Spotte seiner nunmehr kühner ge¬
wordenen Feinde schließlich dem Fluche der Lächerlichkeit.
Während der Kaiser um diese Zeit versöhnlich gestimmt
schien und einen Beweis davon gab, indem er im September
1234 Berthold, den König von Böhmen, den Landgrafen
von Thüringen, den Markgrafen von Brandenburg nebst
87
mehreren Edlen zu Schiedsrichtern über alle zwischen seinem
und dem welsischen Hause obschwebenden Streitfragen er¬
wählte, wiesen die Lombarden ohngeachtet der ernstlichsten
päpstlichen Vorstellungen jede Verständigung zurück. Sie
wußten wohl schon um die Empörung König Heinrichs,
die dieser, der in Aquileja geübten Milde uneingedenk, im
Sinne trug.
Auf die erste Kunde von ihrem Ausbruche verschaffte
sich Friedrich zunächst die Gewißheit, daß Gregors Hand
dabei nicht im Spiele war, und schlug dann im Mai 1235
mit seinem zweitgebornen Sohne Konrad über Ravenna und
Aquileja den Weg nach Deutschland ein. Heinrich stellte sich
zwar am 4. Juli zu Worms dem tief gekränkten Vater, der
ihm zum zweiten Male verzieh; als aber jener mit der Er¬
füllung der eingegangenen Bedingungen zögerte und sogar
verdächtig wurde, dem Kaiser nach dem Leben zu trachten,
mußte dieser der Stimme seines Herzens Stillschweigen auf¬
erlegen. Heinrich ward in Haft genommen, von Berthold,
seinem Bruder Egbert und dem Erzbischöfe von Salzburg
im Jänner 1236 über die Alpen nach Italien geführt und
hier dem Markgrafen Lancia übergeben, der ihn in das feste
Schloß S. Felice nach Apulien brachte.
Im Winter 1236-—-37 machte Berthold den Zug des
Kaisers gegen den bereits im vorhergehenden Jahre geäch¬
teten Friedrich II. von Oesterreich mit, welcher dem Pa¬
triarchen gewiß besondere Ursache zur Beschwerde durch die
Art gegeben hatte, auf welche er mittelst der von Freisingen
angekauften Besitzungen in Krain, die patriarchalische Herr¬
schaft in diesem Lande beeinträchtigte. Wie wir allen Grund
zu vermuthen haben, befand sich Berthold ferner im Jahre
1238 nebst Meinhard III. von Görz bei der erfolglosen
Belagerung von Brescia, wo das Glück des Kaisers, welches
88
nach der am 27. November 1237 gegen die Lombarden sieg¬
reich geschlagenen Schlacht von Cortenuova den Höhepunkt
erreicht hatte, jenem wieder den Rücken wandte. Im Lager
vor Brescia, im October, wenige Tage also vor seinem
am 9. dieses Monats erfolgten Abzüge verbot der Kaiser den
istrianischen Lehensleuten des Patriarchen durch einen dem¬
selben ausgestellten Freibrief, die peinliche Gerichtsbarkeit
auszuüben und über ihre Unterthanen ohne des Ober-
Lehensherrn Einwilligung körperliche Strafen zu verhängen.
Obgleich nun Berthold nach dem am Palmsonntage
und Gründonnerstage des Jahres 1239 von Gregor über
den eben in Padua vom Volke mit Huldigungen und Festen
gefeierten Kaiser gesprochenen Banne offen auf des Letzteren
Seite trat, obgleich Berthold noch im Jahre 1242 zu Fried¬
rich hielt und von demselben die angesuchte Bewilligung er¬
langte, einige Brücken über die Livenza abzutragen, welche
feinen Unterthanen zum Nachtheile und nur den feindselig
gestimmten Trevisanern zum Vortheile gereichten, trat Plötz¬
lich in seinen Gesinnungen ein vollständiger Umschwung ein.
Er erschien auf der Kirchenversammlung von Lyon im Jahre
1245, von der sich doch etwa die Hälfte der deutschen Bi¬
schöfe, und von denen aus Friedrichs Landen alle bis auf
einen ferne gehalten hatten. Er war gegenwärtig, als Jnno-
cenz IV., Gregors noch entschiedenerer und rücksichtsloserer
Nachfolger, am 17. Juli den Kaiser und seine Anhänger, zu
denen er als Cardinal selbst gezählt hatte, nochmals bannte,
aller Würden und Ehren entsetzte, dessen Unterthanen des
Eides der Treue entband und die Deutschen aufforderte, zu
einer neuen Königswahl zu schreiten. Mit den anderen Prä¬
laten senkte auch Berthold nach diesem Fluche seine Fackel zu
Boden, bis sie erlosch, zum Sinnbilde, daß also seines kaiser¬
lichen Herrn und Freundes Hoheit erlöschen möge.
89
Es widerstrebt uns, die Ursache dieser Sinnesänderung
in jener gemeinen, kalt berechnenden Denkungsart zu suchen,
die dem Instinkte, welcher die Ratte vom sinkenden Schiffe
hinwegtreibt, so nahe verwandt ist. Gewiß aber wurde der
Wechsel der Ueberzeugung durch äußere Gründe wesentlich
unterstützt. Das rücksichtslose Vorgehen der eng verbündeten
Ghibellinen-Häupter Ezzelins da Romano und Meinhards
von Görz, welche sich offen zu den Lehren Arnolds von
Brescia bekannten und alles Kirchengut für sich begehrten,
war unstreitig nicht das letzte der Motive, welche Berthold
den Guelfen auf so unerwartete Weise in die Arme trieben.
Ezzelins Nachstellungen war Berthold im Jahre
1244 (?) bei Sacile nur mit Mühe entgangen und Mein¬
hard, der doch im Jahre 1226 gelegenheitlich einer mit
dem Patriarchen getroffenen Vereinbarung keinen Anstand
genommen hatte, mit feinem Oheime Meinhard II. dem
Aelteren, zu erklären, daß alle Besitzungen der Görzer Lehen
der Kirche von Aqnileja wären, und für den Berthold noch
am 30. April 1241 zu Patriarchsdorf bei Lienz den Frieden
mit Egno von Eppan, dem Erwählten von Brixen vermittelt
hatte, mußte jetzt ein noch furchtbarerer Gegner als jener
genannt werden. Abgesehen von dem Umstande, daß er das
Vertrauen Friedrichs besaß, dessen langjähriger Waffen¬
gefährte er gewesen und von dem er auch als Reichsverweser
in Steiermark bestellt worden war, konnte er stets die bedeu¬
tende Macht feines gleichgesinnten Schwiegervaters Alberts,
des letzten Grafen von Tirol mit in seine Wagschale legen.
Noch am 1. April 1249 versuchte Berthold einen friedlichen
Ausgleich mit Meinhard. Sie übertrugen den bei einer Zu¬
sammenkunft in Manzano erwählten Schiedsrichtern Ulrich
von Reiffenberg, Johann von Cucanea und dem Markgrafen
Otto, dem Prvbste von Udine, die Schlichtung aller zwischen
90
ihnen obschwebenden Streitigkeiten und, behufs der zu lei¬
stenden Entschädigung, die Ermittlung des nach dem Gefechte
bei Görz gegenseitig zugefügten Schadens.
Dessen ungeachtet glaubte Berthold volle Sicherheit
nur in der Gewinnung starker Freunde finden zu können.
Einen Monat später schon, am 11. Mai, schloß er zu
Udine mit Azzo von Este, Richard von S. Bonifacio, mit
Brescia, Mantua und Ferrara zu seinem, Treviso's, so wie
Bianquini's von Camino Schutze, ein Bündniß, welches
vornehmlich gegen Ezzelin gerichtet war, aber kaum weitere
Folgen hatte, als daß dieser viele seiner Widersacher in
Padua dem Henker überlieferte. Es hinderte ihn nicht einmal,
so wie er es unmittelbar vorher (1249) durch Ulvins von
Sbrogliavacca Verrath begünstigt versucht hatte, das fol¬
gende Jahr erneuert in Friaul einzufallen, und diesmal, so¬
gar im Einverständnisse mit zwei einflußreichen Priestern,
dem Probste von S. Peter in Carnien und dem Pfarrer von
Fagagna, sich dieses letzteren wichtigen Schlosses, allerdings
nur vorübergehend, zu bemächtigen. Ebenso wenig er¬
reichte die mit Ulrich, dem Sohne Herzog Bernhards von
Kärnthen im September 1250 eingegangene Verbindung,
welche Meinhards rastlosen Unternehmungsgeist hätte zügeln
sollen, vollständig ihren Zweck. Sie beseitigte nicht einmal
die zu öftern Reibungen mit dem Patriarchate Veranlassung
gebenden Ansprüche der Sponheimer auf Kram.
Rach einer 33jährigen Regierung starb Berthold, über
70 Jahre alt, der letzte seines Stammes am 23. Mai 1251,
nachdem er noch im Monate Jänner zu Tolmein zur Sühne
der Gewaltthaten, die von ihm als Anhänger Friedrichs durch
seine Mannschaften gegen die päpstlich Gesinnten in Steier¬
mark und Kärnthen und namentlich gegen das Kloster Arnold-
öl
stei» verübt worden waren, diesem die Kirche S. Johann an
der Gail geschenkt hatte.
Das Volk hat niemals aufgehört sein Andenken zu
segnen. Er war nicht allein seinem Klerus, den Klöstern,
dem Capitel und insbesondere seiner mit dem Schlosse Win-
dischgrätz beschenkten Kirche gegenüber großmüthig, sondern
er bewährte sich auch bei den Plagen, die wiederholt Friaul
unter seiner Verwaltung schwer heimsuchten, bei dem furcht¬
baren Erdbeben des Jahres 1222 und der darauf folgenden
Hungersnoth, so wie während der Seuchen der Jahre 1234
und 1245, durch Mildthätigkeit und Freigiebigkeit als für¬
sorglicher Vater seiner Unterthanen. Für die Reinheit feines
Lebenswandels und für die Frömmigkeit seiner Gesinnung
spricht das Freundschaftsband, das ihn an den heiligen Fran;
von Assisi geknüpft haben soll und seine menschenfreundliche
Denkungsart erscheint durch den Umstand im glänzendsten
Lichte, daß er die Besitzergreifung seiner Patriarchenwürde
nicht schöner zu feiern wußte, als durch Freigebung aller in
Friaul ansässigen leibeigenen Familien des Andechs'schen
Hauses, welche er nach damaligem Gebrauche der heiligen
Jungfrau zum Geschenke machte.
Auf seine Thätigkeit als Landesfürst übergehend, müssen
wir hervorheben, daß die bleibende und geregelte Herbei¬
ziehung des ?ur1nm6nto jstiulnno, welches sich unter
andern im Jahre 1251 auf der Ebene von Campoformido
zu Pferde versammelte, zur Theilnahme an den öffentlichen
Geschäften auf Berthold zurückzuführen sein dürfte, wenn
auch bereits aus der Zeit von Patriarch Wolfgers Regie¬
rungsantritte über ein Colloquium —- so wurden die Be-
rathungen jener aus allen Ständen zusammengesetzten Körper¬
schaft genannt — mit einiger Bestimmtheit berichtet wird.
92
Berthold folgte dabei, Angesichts der meist oppositionellen
Haltung der Mehrzahl seiner Vasallen, ebenso sehr einem
Gebote der Klugheit als den von Kaiser Friedrich späterhin
bestätigten Wormser Verfügungen des Jahres 1231, durch
welche König Heinrich, nm sich im Hinblicke auf seine beab¬
sichtigte Empörung die deutschen Fürsten geneigt zn machen,
deren Rechte auf Kosten städtischer Freiheiten maßlos erwei¬
terte, zugleich aber, mit dieser Absicht scheinbar im Wider¬
spruche, ihrer Willkür eine wohl hauptsächlich gegen seinen
eigenen Vater aufgerichtete Schranke gezogen hatte, indem
die zwar altgebräuchliche, bisher jedoch dem Belieben an¬
heimgestellte Befragung der Vornehmsten des Landes über
dessen Angelegenheiten von ihm zum Gesetze erhoben ward.
Zum größten Danke aber bleibt diesem Patriarchen Udine
verpflichtet. Dieser Ort, dessen Name uns zum ersten Male
im Jahre 983 begegnet, da Kaiser Otto II. zu Verona
dem Patriarchen Rodoald die ältere Schenkung der Schlösser
Buja, Fagagna, Groang, Udine und Bratta bestätigte, hatte.
Dank seiner glücklichen Lage, einen raschen Aufschwung ge¬
nommen und muß zu Bertholds Zeiten bereits nicht mehr
allein der geographische, sondern auch schon der mercantile
und sociale Mittelpunkt Friauls gewesen sein, da er, das
Augenmerk desselben auf sich ziehend, im Jahre 1238
zur Residenz und damit zugleich zum politischen Centrum des
Landes erhoben wurde. Selbstverständlich mußte dieser Um¬
stand die Blüthe dieser Stadt noch bedeutend steigern. Um
aber die Ansprüche Aquileja's, seines eigentlichen Sitzes
nicht zu verletzen, nahm Berthold seine Zuflucht zu einer
Fiction und erklärte Udine und Aquileja für ein einziges,
vereinigtes Gemeinwesen und folgerichtig die Bewohner
beider Orte aller von einem derselben besessenen Vorrechte
gegenseitig für theilhaftig. Die Umschrift eines Siegels
93
der Sladt Udine ans jener Zeit leiht diesem eigenthümlichen
Verhältnisse Ausdruck, indem sie lautet:
Lst 86(168 1l60 Ur1>8 IItilI6N8i8.
Bertholds Leichnam wurde im Mittelschiffe seiner Ba-
silica unweit des Haupteinganges begraben. Die äußerst
kostbare Platte von Vorä6 uirtieo, unter der er ruhte, soll
angeblich im vorigen Jahrhunderte nach Wien gebracht und
durch die jetzt vorhandene aus rothem Veroneser Marmor,
welche allerdings im Style ihrer Verzierungen einen jüngeren
Ursprung verräth, ersetzt worden sein. Keine Inschrift ver¬
kündet den Inhalt dieses Grabes, dessen Kenntniß nur durch
die Ueberlieserung erhalten blieb. Berthold soll diese Stelle
selbst als seine letzte Ruhestätte bezeichnet haben, indem er,
als er die Kirche zum ersten Male betrat, an derselben aus¬
gleitend in die Worte des königlichen Sängers ausbrach:
8l6 r6HUI68 M6U ill 8U66u1urn 8U66U1Ü
UI.
während die ghibellinisch gesinnten Patriarchen im Lang¬
hause der Basilica zerstreut umher liegen, haben jene, welche
vorzugsweise Guelfen waren und dem Guelfismus in Friaul
dauernd das Uebergewicht zu verschaffen, das meiste bei¬
trugen, sich in eine abgesonderte Grabkapelle zurückgezogen
und so im Tode noch, jede Gemeinschaft mit Andersdenkenden
fliehend, den feindseligen Trotz nicht verläugnet, den sie im
Leben gegen dieselben zur Schau trugen.
Das nach Friedrichs II. Tode triumphirende Papstthum
hatte zwar nicht gesäumt, wie überall auch in Friaul, das
für die Beziehungen zwischen Deutschland und Italien von
der höchsten Wichtigkeit war, sich aber bisher noch immer
erfolgreich seinem Einflüsse entzogen hatte, die Früchte seiner
Siege zu sichern und Berthold einen fanatischen Guelfen
zum Nachfolger zu geben. Gregor von Montelongo (1251
bis 1269) war jedoch nur ein einzelner Mann und seine
Persönlichkeit bei aller Entschiedenheit der Gesinnung, die
er auf das rücksichtsloseste zur Geltung zu bringen bestrebt
war, wenig geeignet, der Sache, der er diente, Freunde zu
gewinnen. Daß er alle Eigenschaften eines unternehmenden
95
Condottiere in sich vereinigte, wissen wir; denn er hatte sie
in der Lombardie an den Tag gelegt, wo er seit dem Jahre
1238 die Seele des Widerstandes gegen den Kaiser gewesen
war und sich dabei die Verdienste gesammelt hatte, welche
durch die Erhebung auf den Patriarchenstuhl von Aquileja
belohnt wurden. Er hatte mit Kühnheit und Geschick, mit
Glück und Ausdauer kriegerische Unternehmungen jeder Art
geleitet, Schlachten geschlagen und Städte ebenso Wohl bela¬
gert als vertheidigt. In seiner Eigenschaft als Priester aber
dürfte er kaum ähnliches Lob verdient oder gerechten An¬
spruch auf die allgemeine Achtung erworben haben, obgleich
er von Schriftstellern seiner Partei hoch gepriesen wurde,
und seine Thaten an einem, wahrscheinlich dem päpstlichen
Hofe zu Avignon angehörenden provenzalischen Dichter so¬
gar einen Sänger fanden. Wenn wir — um nur eine der
gegen ihn gerichteten Anklagen hervorzuheben — lesen, daß
er sich niemals ohne weibliche Begleitung befand und dies
durch den leichtfertigen Ausspruch: „si rioir 6N8t6 tuna
zu rechtfertigen suchte, so urtheilen wir mit weniger
Strenge über das Verfahren seines beständigen Widersachers,
des Grafen Albrechts II. (f 1304) von Görz, des jüngeren
Sohnes Meinhards III., der ihn während einer Fehde im
Jahre 1267 in Villanova bei Rosazzo überfallen, gefangen
und barfuß auf schlechter Mähre reitend nach Görz ge¬
führt hatte.
In dem auf Gregor folgenden Zeiträume erst, in wel¬
chem innerhalb 92 Jahre (1273 —1365) vier Söhne des
urguelfischen mailändischen Geschlechtes der della Torre*)
*) Die Glieder dieses in den heutigen Grafen von Thurn fort¬
lebenden Geschlechtes, wurden damals gemeiniglich, wie auch jetzt noch
deren Nachkommen Torriani oder Turriani genannt, wohl mit zum
96
48 Jahre lang den Patriarchenstuhl inne hatten, ging Friaul
den Ghibellinen unwiderruflich verloren. Das Land wurde
der Zufluchtsort der guelfischen Flüchtlinge aus allen
Städten, in welchen die Gegenpartei die Oberhand ge¬
wonnen hatte, und die zweite Heimat jenes zahlreichen
Hauses nach den wiederholten in der Lombardie erlittenen
Schicksalsschlägen.
Zum Beweise, daß wir den damaligen Einfluß der
della Torre nicht überschätzen, führen wir an, daß sie größten-
theils mit einem Gefolge, viele gewiß nicht ohne Reich¬
tümer nach Friaul gekommen waren und daß sich zum Bei¬
spiele schon zu Patriarch Pagano's Zeiten außer diesem
selbst noch 48 urkundlich erwähnte männliche Mitglieder
dieser Familie zum Theile in hervorragenden und ein¬
träglichen geistlichen oder weltlichen Stellungen oder mit
Lehen der Kirche von Aquileja ausgestattet in deren Gebiete
befanden.
Ein schweres, kunstvoll gearbeitetes, eisernes Gitter
trennt die Kirche von der an das südliche Seitenschiff stoßen¬
den Ambrosius-Kapelle, in welcher vier große marmorne
Sarkophage die Gebeine der drei Patriarchen Raimund,
Pagano und Ludwig I., so wie auch jene Rainalds della
Torre enthalten, des Dekans und Schatzmeisters von Aqui¬
leja, welcher das Patriarchat für seinen Bruder, den Pa¬
triarchen Gastone, als General-Vikar verwaltet hat. Ein an
die Wand gelehnter Grabstein zeigt die Umrisse einer weib¬
lichen Gestalt und dabei zwei Wappenschilder mit den ge¬
kreuzten Lilienszeptern der della Torre und dem Rade des
Unterschiede von der längst ansgestorbenen görzer Familie della Torre
(s. turei goritin,«), welche vor Zeilen in den Zweigen Hungerspach,
Flojana und Madrisio blühte.
97
gleichfalls mailändischen Geschlechtes Rho oder Rnota nebst
einer Inschrift, welche folgendermaßen lautet:
8ie saost uollilis Ona. ^.IsArs-imia
Natu 3. kauäo ä. Noäiolano uxor
Nodilis viri Oni. Nusos ä. la llurs
Natsr Oni. Oastonis dono möio.
Oatriaros ^guiloZsnsis.
Bis zur Restauration des Jahres 1846 befand sich
dieser Stein in den Fußboden eingefügt; da aber derselbe
erneuert wurde, zog man es im Interesse seiner Erhaltung
vor, ihn nicht wieder an seine alte Stelle zu setzen. Mehrere
andere bei dieser Gelegenheit entdeckte Gräber gestatten mit
einiger Wahrscheinlichkeit die Annahme, daß auch noch andere
Glieder des Hauses della Torre in dieser gemeinsamen Gruft
bestattet wurden.
Patriarch Raimund soll es gewesen sein, der diese
Kapelle mit der Bestimmung, ihm als Begräbnißstätte zu
dienen, erbaute und dem Schutzheiligen seiner Vaterstadt
weihte. Haben wir auch keinen Grund, an dieser mit aller
Bestimmtheit austretenden Angabe zu zweifeln, so können
wir es doch ebenso wenig unerwähnt lassen, daß das Motiv
des Rundfensters, welches sich ober dem aus dem Innern
der Basilica herführenden Eingänge befindet, dem Wappen
von Gastone's und Rainalds Mutter, der in der eben ange¬
führten Grabschrift erwähnten Allegranza de Rhü entnommen
zu fein und daher auf eine etwas spätere Zeit hinzu¬
weifen scheint.
Die ursprünglich adelige Familie della Torre hatte
sich von ehrgeizigen Absichten getrieben unter die Bürger¬
schaft Mailands aufnehmen lassen und war durch den zum
Onjsttuno äsl ^opolo gewählten Pagano della Torre zu
Aquileja.
98
hohem Ansehen gelangt, nachdem dieser im Jahre 1241 mit
dem bewaffneten Volke die Paveser, denen der Mailänder
Adel kurz vorher beiGinestre unterlegen war, so entscheidend
geschlagen hatte, daß sie alsbald den Frieden ansuchten.
Pagano starb zwar noch im selben Jahre; der von ihm be¬
gründete Glanz seines Hauses aber überlebte ihn. Stets
an der Spitze des Volkes für Kirche, Papst, municipale
Freiheit nnd nebenbei auch für sich gegen Kaiser und Reich
und deren oberherrliche Rechte kämpfend, wußten seine Nach¬
kommen ihre Macht fortwährend zu steigern.
Martin (ff 1263), Pagano's Neffe, hatte die mailän¬
dischen Adeligen ohne Rücksicht auf die Verbindung, welche
er bei Gelegenheit eines Versöhnungsversuches mit der
Schwester Pauls von Soresiua, des Vornehmsten unter ihnen
eingegangen war, wiederholt gedemüthigt, und nachdem er
auch seinen gefährlichsten Gegner Ezzelin an den bei Casiano
erhaltenen Wunden, im wilden Grimme über seine Gefan¬
gennahme die Binden von denselben reißend, sich verbluten
gesehen hatte (1259), gab es in der Lombardie wohl keinen
mächtigeren Mann mehr als ihn. Das daraus entspringende
Gefühl der Sicherheit mochte ihn auch zu jener damals so
seltenen und deßhalb vielfach bewunderten Großmuth ge¬
stimmt haben, mit der er im Rathe zu Mailand für das
Leben feiner gefangenen Feinde eiutrat.
Sein Bruder Philipp (si 1265) nannte sich bereits
Liquors dkl ^o^olo und nach ihm herrschte Pa¬
gano's Sohn Napoleone (si 1278) außer in Mailand in
Lodi, Bergamo, Brescia, Novara, Vercelli und anderen lom¬
bardischen Städten. Pagano's jüngster Sohn Raimund aber
sollte die Veranlassung werden, welche die della Torre und
mit ihnen Mailands ganze Volkspartei — wohl nur auf
kurze Zeit — in ein freundlicheres Verhältnis zu den
99
Ghibeilinen treten machte. Als im Jahre 1263 das dortige
Erzbisthum durch Leone's da Perego Tod erledigt Ivar, hatte
der Papst nicht den an dessen Stelle gewählten Raimund,
welcher das Erzpriesteramt an der Kirche von Monza beklei¬
dete, und wohl ebensowenig den Canditaten der Adeligen,
Hubert von Settala bestätigt, aber doch in Otto Visconti
einen Mann aus den Reihen der Gegner des Hauses della
Torre zum Erzbischöfe ernannt. Es wurde zwar im Laufe
der nächsten Jahre eine Verständigung mit Rom angebahnt,
Raimund mit dem Bisthume Como entschädigt und sein
Bruder Napoleone durch Bann, Jnterdict und die laute
Sprache der Interessen endlich bewogen, sich dem päpst¬
lichen Stuhle, der in der Frage des Mailänder Erzbis-
thums indeß unbeugsam blieb, zu unterwerfen und Carls
von Anjou Partei zu ergreifen. Dessenungeachtet konnten
die della Torre noch im Jahre 1268 ihrer Verstimmung
gegen den Papst so wenig Meister werden, daß sie zu
dessen höchlichster Ueberraschung Konradin von Hohen¬
staufen keinerlei Hindernisse in den Weg legten, als dieser
von Verona, wo ihn sein Stiefvater Meinhard IV. (f 1295)
von Görz und sein Oheim Herzog Ludwig der Strenge von
Baiern verlassen hatten, durch den Abfall dieser ihm zu¬
nächst stehenden Männer in seiner Zuversicht nicht erschüt¬
tert, dem Verhängnisse seines Hauses folgend, durch die
Lombardie seinem Verderben entgegen nach dem Süden zog.
Jede Spur eines Mißverständnisses scheint jedoch be¬
seitigt gewesen zu sein, als Gregor X., welcher, obgleich
ein Visconti, schon lange vor seiner Papstwahl sich zu den
guelfischen Anschauungen bekehrt hatte, im Herbste des Jah¬
res 1273 auf der Durchreise zur Kirchenversammlung von
Lyon Mailand berührte und durch Napoleone's Benehmen
bewogen wurde, Raimund auf den schon längere Zeit leer
7*
100
stehenden Patriarchenstuhl von Aquileja zu erheben. Die
förmliche Ernennung erfolgte am 21. December desselben
Jahres. Raimund hielt sich aber noch ein halbes Jahr in
der Lombardie auf und verließ Mailand erst am 19. Juli
1274, nachdem ihn der Papst ausgefordert hatte, ohne wei¬
tere Zögerung sich in seine Diöcese zu begeben. Wahrschein¬
lich legte der Papst darauf einen höheren Werth als auf
Raimunds Erscheinen in Lyon; und auch dieser mochte wohl
wenig Lust verspüren, aus der dortigen Kirchenversammluug
entweder den Rechten seiner neuen Würde etwas zu verge¬
ben oder zu einer Wiederholung jener Auftritte, welche vor
nicht ganz zwanzig Jahren durch die Ansprüche des Patri¬
archen Berthold am nämlichen Orte hervorgerufen worden
waren, Anlaß zu geben. In Begleitung eines äußerst glän¬
zenden und zahlreichen Hofstaates, in welchem man 60 auf
das kostbarste gekleidete mailändische Junker, 50 Ritter,
600 Reiter und 100 Cremoneser Fußknechte mit zusammen
über 1000 Pferden zählte, traf der neue Patriarch am
2. August in Sacile, am 3. in S. Odorico del Tagliamento
und am 4. in Udine ein. Von da begab er sich nach drei¬
zehntägigem Aufenthalte nach Cividale, wo er durch persön¬
liche Begegnung mit Albrecht II. von Görz, den von seinen
Vorgängern ererbten Streit mit demselben ans eine für seine
Kirche vortheilhafte Weise zu schlichten hoffte*).
*) Es dürfte nicht ganz ohne Interesse sein, die Namen jener
Herren zu kennen, welche im Auftrage Albrechts noch vor Raimunds Ein¬
treffen mit dessen Abgesandten Rainald, Marlin und Tiberius della
Torre, Castellino Malacrida und Milan von Pavona in Verhandlung
getreten waren. Es waren dies: Friedrich von Ortenburg, Herbord von
Auersperg, Rüdiger von Wippach, Wolfger von Reiffenberg, Raul von
Wipelsach (Bipulzano), Konrad von Hungerspach und Medea, Pilgrim
von Ebcrstein, Ulvin von Gotinich, Friedrich und Georg von Dorn¬
berg, Heinrich von Orzon, Arnulf von Visnovich und Ritisberg, end¬
lich Gebhart von Drauburg und Albana.
101
Bevor wir jedoch darüber weiter berichten, erscheint
es nothwendig, einen Blick auf die im Patriarchale jüngst
stattgehabten Ereignisse zu werfen.
Die bereits erwähnte Gefangennahme des Patriarchen
Gregor hatte Ottokar II. von Böhmen die erwünschte Gele¬
genheit geboten, durch ein Eingreifen in die Angelegenhei¬
ten des Patriarchats seinen Einfluß nach Südwesten vorzu-
schicben und zugleich durch den Gregor gewährten Schutz ein
erhöhtes Anrecht auf das feinen ehrgeizigen Plänen so för¬
derliche Wohlwollen des römischen Hofes zu gewinnen. Er
wußte es zu fügen, daß ihm bei jener Veranlassung und im
folgenden Jahre wieder, als Bischof Albert von Concordia,
Gregors Bicedom, von Albrechts Leuten bei Medea erschla¬
gen worden und vom Patriarchen deßhalb ein erfolgloser
Rachezug gegen Görz unternommen worden war, von den
streitendenParteien das Schiedsrichteramt übertragen wurde.
Nach Gregors am 8. September 1269 zu Cividale
erfolgtem Ableben zeigte es sich, wie vielvermögend der Wille
des Böhmenkönigs, der das Patriarchat nunmehr förmlich
in seine Obhut genommen hatte, dort bereits geworden war.
Am 14. desselben Monats übertrugen die Friauler Ottokars
unbedingtem Anhänger, dem Herzoge Ulrich III. von Kärn-
then, als ihrem Generalcapitän die weltliche Verwaltung
des Patriarchats auf die Dauer der Sedisvacanz. Wenige
Tage später, am 23. erwählte das Capitel von Aquileja
einstimmig des Letzteren Bruder Philipp, den Erwählten von
Salzburg, zum Patriarchen und erfüllte so einen Wunsch
des Königs, der durch eine glänzende geistliche Versorgung
Philipps Ansprüche auf die Besitzungen seines Bruders zum
Schweigen zu bringen vermeinte.
Es sollte nicht so kommen. Am 27. October starb
Ulrich III. in Cividale ohne Nachkommenschaft und Philipp,
102
der nicht mit Gewißheit auf die Bestätigung seiner Wahl
rechnen konnte, und für den der Herzogshut überhaupt mehr
des Verlockenden hatte als die Mitra, machte sein Erbrecht
geltend, indem er die Verfügungen seines Bruders, welche
Ottokar die Nachfolge in Kärntheu sicherten, für ungiltig
erklärte. Philipps Kräfte waren indeß jenen seines Gegners
bei weitem nicht gewachsen. Bon den Friaulern ohne genü¬
gende Unterstützung gelassen und in Kärnthen wenig Anhän¬
ger findend, so wie in seinen Hoffnungen auf König Stephan
von Ungarn, mit dem er ein Bündniß geschlossen hatte, be¬
trogen, mußte er im Herbste des Jahres 1270 Ottokars
Gnade anrufen. Während der König, aus diesen Verwick¬
lungen siegreich hervorgehend, nicht allein Kärnthen behaup¬
tete, sondern noch den einst babenbergischen Besitz Portenau
und die Herrschaft selbst in Cividale erwarb, wo wir noch
im Jahre 1274 den Probst Heinrich von Verden als Otto¬
kars Verweser finden, wurde Philipp nach Krems verwiesen,
wo er eine letzte Enttäuschung erfuhr, als Papst Gregor X.
ihm wegen seines anstößigen Lebenswandels, wegen der
Ueberschätznug, mit der er seiner Freunde Rathschläge un¬
beachtet ließ, und wegen willkürlichen Schaltens mit Kir¬
chengute die Bestätigung seiner Wahl zum Patriarchen ver¬
sagte. Die drückende Lage, in welche Philipp gerathen war,
erlitt selbst dann keine Veränderung, als König Rudolf ihn
im Jahre 1275 mit Kärnthen, Kram und der Mark be¬
lehnte, da die Verwaltung dieser Länder ohne alle Rücksicht
darauf dem Grafen Meinhard IV. von Tirol und Görz,
dem hingebenden Freunde Rudolfs, übertragen wurde, und
nahm erst mit seinem Tode (1279) ein Ende. Philipps
gänzliche Ohnmacht äußerte sich noch nach demselben, indem
die in seinem Testamente zu Gunsten Aquileja's enthaltenen
Verfügungen ohne alle Wirkung blieben.
103
Kaum in Friaul angelangt, hatte Patriarch Raimund
mit Ottokar Unterhandlungen angeknüpft, bei welchen er
den doppelten Zweck im Auge hatte, einestheils von dem
häufig unbequemen Beschützer die Einsetzung in alle patri¬
archalischen Rechte zu erlangen und anderentheils sich doch
auch diesen mächtigen Bundesgenossen gegen die Grasen von
Görz zu erhalten. Die hochgespannten Forderungen des
Königs, welcher Portenau, alle von Herzog Ulrich in Kärn-
then, Kram und der windischen Mark besessenen Vogteien
und Güter, so wie alle Lehen der einstigen Herzoge von
Oesterreich, Steiermark und Kärnthen für sich forderte, lie¬
ßen dieselben nicht zu einem Abschlüsse gedeihen. Für Rai¬
mund hatte dies jedoch keine ungünstigen Folgen, da die
Beziehungen zum Reiche seit Rudolfs von Habsburg Königs¬
wahl Ottokars ganze Kraft und Thätigkeit in Anspruch nahmen.
In demselben Maße, in welchem Ottokar, dem auch
die Gönnerschaft des durch Rudolfs Nachgiebigkeit in allen
kirchlichen und italienischen Angelegenheiten gewonnenen rö¬
mischen Hofes allmälig verloren ging, an Wichtigkeit für
das Patriarchat einbüßte, trat die durch denselben auf einige
Zeit in den Hintergrund gedrängte Bedeutung der görzer
Grafen wieder mehr hervor. Festigkeit und Stetigkeit nah¬
men nun die Stelle der schwankenden, oft ganz unerklär¬
lichen Haltung ein, welche ein bezeichnendes Merkmal ihres
Verhältnisses zum Böhmenkönige war, gegen dessen ihnen
unbezwingbar scheinende Macht sie allein nicht offen auszu¬
treten wagten, obgleich sie sich allzu gerne seines beengen¬
den Einflusses entledigt hätten.
Am 11. November 1269 hatten sie in S. Quirin
bei Cormons einen durch Ottokar, dem sie zu jener Zeit
ganz ergeben schienen, vermittelten Frieden mit Artvico da
Castello, dem Generalcapitän Friauls, dem Capitel und
104
der Kirche von Aquileja geschlossen und im Kampfe zwischen
Philipp und Ottokar sich im Widerspruche mit ihrer natür¬
lichen Politik auf des Königs Seite gestellt. Im Jahre
1271 hingegen riefen sie zur Schlichtung der immer wieder
von neuem ausbrechenden Zwistigkeiten mit Aquileja die
verbündeten Gegner Ottokars, Stephan von Ungarn und
Heinrich von Nieder-Baiern, als Schiedsrichter an. Bei den
alsogleich ausführlicher zu erzählenden Unterhandlungen des
Jahres 1274 zwischen Raimund und Albrecht erfreute sich
letzterer dessenungeachtet abermals der gewiß durch Gegen¬
leistungen erkauften, gewichtigen Unterstützung Ottokars und
dennoch gehörten Meinhard und Albrecht zu den ersten,
welche sich gegen ihn für Rudolf erklärten; wie sie denn
auch beide an den Kämpfen des deutschen Königs wider jenen
einen hervorragenden Antheil genommen haben. Sie waren
es, welche im Jahre 1276, diesmal durch den Patriarchen,
um dessen Freundschaft sich Rudolf vielfach beworben hatte,
und dem dieses Verhalten gewiß außerdem von Rom vorge¬
schrieben worden war, unterstützt, die böhmische Herrschaft
in Kärnthen und Kram vernichteten, und in der zwei Jahre
später am Marchfelde geschlagenen Entscheidungsschlacht strit¬
ten die Brüder von Görz-Tirol an der Spitze ihrer Mann¬
schaften wacker mit. Raimund hatte es übrigens bei seinen
Reibungen mit den Görzern vorzugsweise mit Albrecht zu
thun, dem bei der am 4. März 1271 im Schlosse Tirol
mir seinem älteren Bruder vorgenommenen schließlichen
Theilung des väterlichen Erbes der alte Hausbesitz im
Pusterthale, die Pfalzgrafschaft in Kärnthen, Görz, die
Güter in Kram, Istrien und der windischen Mark, die
Lehen im Cadore'schen, jene von Aquileja und damit die
vielen, fortwährend zu Mißverständissen Anlaß gebenden
Berührungspunkte mit diesem Hochstifte zugefallen waren.
105
Die sämmtlichen Vogteirechte hatten sich zwar die Brüder
gemeinschaftlich Vorbehalten; in der Ausübung derselben
aber machte sich die territoriale Scheidung fühlbar, indem
Aquileja gegenüber Albrecht die Rolle des Drängers über¬
nahm, welche Meinhard in seinen Beziehungen zu den Bis-
thümern Trient undBrixen mit so glänzendem Erfolge durch¬
zuführen verstand.
Am 17. August 1274 war Raimund in Cividale ein¬
getroffen und Tags darauf schon begann er persönlich mit
Albrecht über alle jene Fragen zu verhandeln, welche seit
jeher Stoff zu Streitigkeiten geliefert hatten.
Anfangs ging alles nach Wunsch. Jacob von Ragonea
übergab, der schon beider ersten Besprechung getroffenen
Uebereinkunft gemäß, dem Patriarchen in des Grafen Na¬
men eine Urkunde, in welcher derselbe den Schaden be¬
kannte, welchen er mit seinem Bruder Meinhard und den
anderen Bundesgenossen, den Städten Capodistria, Pirano
und Jsola, den Herrn von Ortenburg, Caporiacco, Stey-
berch, Tybein (Dnino), Grifenvelse und Villalta dem Pa¬
triarchate in den letzten Jahren zugefügt hatte. Die von bei¬
den Theilen ebenfalls schon am ersten Tage erwählten
Schiedsrichter Gottfried della Torre, Raimunds Neffe und
Podestu von Padua, Ulrich von Täufers und Gerhard von
Camino hatten auch bereits die meisten Vertragsbestimmun¬
gen zur allgemeinen Zufriedenheit festgestellt, als Albrecht
über des Patriarchen beharrliche Forderung, daß ihm Cor-
mons zurückgestellt werde, so mißgestimmt wurde, daß er
sich aus dem Berathungszimmer plötzlich entfernte, als
wollte er sich irgendwo Raths erholen, und, ohne wiederzu¬
kehren, Cividale mit seinen Begleitern heimlich verließ.
Diese verletzende Handlungsweise unterbrach nicht al¬
lein für den Augenblick das Friedenswerk, sondern legte
106
auch für alle Zukunft einen Keim zu Feindschaft und gegen¬
seitigem Mißtrauen zwischen dem Patriarchen und dem Gra¬
fen. Von beiden Seiten wurden alsbald Kriegsvölker auf¬
geboten, zugleich aber doch neue Unterhandlungen ange¬
knüpft, denen es wohl zuzuschreiben ist, daß es zu keinen
Thätlichkeiten, sondern nach wenig Wochen auf Andringen
der Abgesandten König Ottokars zu einem Waffenstillstände
und am 26. Februar des folgenden Jahres in Cividale zu
einem Vergleiche kam, an den sich ein Bündniß Albrechts
und Raimunds mit den der Venetianer noch sich erwehren¬
den Städten Capodistria und Pirano reihte.
Wie wenig Bestand trotz der am 19. März 1275
bei Gelegenheit des zu Summerekke erfolgten Abschlusses
der Ehepakten zwischen Albrecht II. von Görz und Euphemia
von Ortenburg, verwitweten Gräfin von Hardeck und
Plaien *), geschehenen Bekräftigung der vorhergegangenen
Verabredungen die dadurch geschaffenen Verhältnisse hatten,
ersehen wir aus dem Umstande, daß ein am 9. Juni 1277
zu Cividale abgeschlossener Vertrag den neu ausgebrochen
gewesenen Hader hätte dadurch beenden sollen, daß er, dem
Schiedssprüche Johanns von Zuccula, Walter Bertholds
von Spilimbergo, Hugo's von Tybein und Heinrichs von
Mitterburg zufolge, die Schlösser Cormons, Arispergo
Die Brüder Otto und Konrad von Hardeck und Plaien, die
letzten ihres Stammes, waren am Vorabende der Schlacht bei Kressen¬
brunn (12. Juli 1280), die Vorhut von König Ottokars II. Heer
führend, im Kampfe mit den Ungarn heldemnüthig gefallen. Beider
Witwen traten durch ihre Wiedervermählung in ein nahes Verhältniß
zu den Ländern, mit welchen wir uns hier beschäftigen. Von Euphemia,
welche schon vor ihrer ersten Ehe sich mit Albrecht verlobt, dann aber
Konrad von Hardeck, so wie Albrecht Euphemia von Glogau geheiratet
hatte, ist oben die Rede. Otto's Witwe aber, Wilbirgis von Helfen-
steiu, wurde die Gattin Heinrichs von Tybein.
107
(Anis) und Barbana (in Ecken), so wie die im Gebirge ge¬
legenen Ortschaften Tamai und Dietendorf dem Grafen, dem
Patriarchen hingegen die volle Jurisdiction von der steiner¬
nen Brücke zwischen St. Johann am Timavo und Monsal-
cone an bis zum Jsonzo und von diesem bis zum Meere zu¬
wies. Derselbe erreichte jedoch sein Ziel so wenig wie der
frühere in mehr als nur vorübergehender Weise. Während
Raimund sich im September darauf jenseits der Alpen be¬
fand, dem deutschen Könige zu huldigen, suchten Albrecht
und seine Anhänger Randulf von Villalta, Friedrich von
Caporiacco, Matthäus von Glemona und die Herren von
Tricanv mit dem Erzfeinde des torrianifchen Hauses, dem
Erzbischöfe Otto Visconti von Mailand eine Verbindung
auzubahnen. Raimund entdeckte zu seinem Glücke den Ver-
rath noch bei Zeiten, beschleunigte seine Rückkehr und strafte
ihn an dem einzigen Schuldigen, der seinem gerechten Zorne
erreichbar war, indem er dem Notar Norrando di Fagagna,
der sich zur Mittelsperson hergegeben und die Briefe an
Visconti geschrieben hatte, die rechte Hand abhauen ließ.
Ueber die ohne Zweifel daraus gefolgten Zerwürfnisse wis¬
sen wir nur, daß es im April des Jahres 1278 den Leuten
des Grafen gelang, das Schloß Tolmein durch List zu
überrumpeln. Bald nachher sehen wir aber die beiden
Gegner nicht allein ausgesöhnt, sondern sogar zur Wie¬
dereroberung von ganz Istrien gegen die Venetianer ge¬
meinsame Sache machen. Es fanden wirklich im Laufe
desselben Jahres noch dort Gefechte statt, bei welchen
Albrecht gegenwärtig war.
Es mochte Raimund um so willkommener sein, Al¬
brecht auf diese Weise beschäftigt zu wissen, als er selber
durch die seinem Herzen weit näher stehenden lombardischen
Angelegenheiten ganz in Anspruch genommen und durch per-
108
sönliches Einschreiten die tief gesunkene Macht seines Han¬
fes wieder herzustellen eifrig bemüht war.
Weder die durch eine Gesandtschaft an König Rudolf
erwirkte Anerkennung als Reichsverweser in der Lombardie,
noch die Gunst des römischen Hofes, welche Napoleone na¬
mentlich seit Gregors X. ans der Heimreise von Lyon Mai¬
land gemachten zweiten Besuche (November 1276) in vol¬
lem Maße genoß und an deren unzweideutigen Beweisen
auch der zur Begrüßung des Papstes von Aquileja dahin
geeilte Patriarch sich zu erfreuen in der Lage gewesen war,
hatten jenen gegen die schweren Unfälle sicherstellen können,
welche er durch die unermüdliche Thätigkeit des vertriebenen
Erzbischofes Otto Visconti und dessen eben so tapferen als
schlauen Neffen Matteo erleiden sollte.
Am 21. Jänner des Jahres 1277 war es bei Desto
zum Entscheidnngskampfe gekommen. Der Heldenmuth,
mit welchem 60 Torriani dort sich schlugen, war nicht ver¬
mögend, den Sieg an ihre Fahnen zu fesseln. Napoleone's
Bruder Franz blieb auf dem Platze; ihn selbst rettete nur
das Dazwischentreten Otto's aus den Händen des die ver¬
triebenen Mailänder Adeligen befehligenden Grafen Richard
von Lomello, der, um sich für seines Bruders Tod zu
rächen, den Gefangenen mit seinem Speere durchbohren
wollte. Napoleone wurde aber dadurch nur einem noch
fürchterlicheren Lose aufbewahrt; gleich seinem Sohne Kon¬
rad, genannt Mosca, seinem Bruder Caverna und seinen
Neffen Lombardo, Heinrich und Guido ward er im Schlosse
Baradella in einen hölzernen Käfig gesperrt, aus dem ihn
erst der Tod erlöste. Mau kann sein trauriges Geschick in-,
deß nicht ganz unverdient neunen, da er als Herr von Mai¬
land — seinem Vetter Martin darin unähnlich — Gran-
109
samkeiten verübt und die in seine Gewalt gefallenen Gegner
nicht minder hart behandelt hatte.
Napoleone's Sohn Gastone, der eine von König Ru¬
dolf jenem gesandte deutsche Reiterschaar befehligte, und dem
es am Tage von Desio unmöglich geworden war, die Wahl¬
statt zu erreichen und vielleicht das Waffenglück zu seines
Vaters Gunsten zu wenden, hatte auf die Kunde von den
dortigen Ereignissen sich auf Mailand zurückgezogen, in
welches er sich mit Gewalt den Eingang erzwingen mußte,
nm es mitanzusehen, wie das Volk die Paläste derjenigen
plünderte, denen es noch vor wenig Tagen zugejubelt hatte.
Genöthigt, Mailand zu verlassen, war er an Lodi, das die
Thore bei seiner Annäherung schloß, vorbei zuerst nach Cre¬
mona und auf die Bitte der vor den Siegern zitternden
Bürgerschaft dieser Stadt nach Parma gezogen, während
Otto Visconti von den Mailändern als Gebieter be¬
grüßt wurde.
Die Hoffnungen der Torriani und ihrer Parteigänger
waren nunmehr auf Raimund gerichtet, der durch jene Be¬
gebenheiten tief erschüttert, sogleich den Entschluß faßte, die
von ihm erwartete Hilfe zu bringen. Sobald es ihm seine
heimischen Verhältnisse gestatteten, brach er mit einem nicht
unbedeutenden Heere von Friaul auf und traf im Juni
1278 noch rechtzeitig vor Lodi ein, um den darin einge¬
schlossenen Gaftvne, welcher seit Beginn des Frühjahres
wieder im Felde erschienen war, zu entsetzen.
Gastone und Raimund waren in ihren gemeinschaft¬
lichen Unternehmungen vom Glücke begünstigt, und machten
durch ihre bis an die Thore Mailands sich erstreckenden Züge
den Erzbischof Otto derart besorgt, daß er sich an den mäch¬
tigen Markgrafen Wilhelm von Montserrat um Unterstützung
wandte und ihm dafür die oberste Gewalt in Mailand über-
110
trug. Wilhelm errang zwar einige unerhebliche Bortheile,
konnte aber den mit Crema, Parma, Reggio und Modena
verbündeten Torriani Lodi nicht entreißen und nahm endlich
zur List seine Zuflucht. Er bot Gastone und Raimund einen
Frieden au, der von diesen angenommen und im März
1279 abgeschlossen wurde. Kaum hatten aber jene alle Be¬
dingungen desselben erfüllt und insbesondere ihre zahlreichen
Gefangenen frei gegeben, als Wilhelm treuloser Weise wie¬
der zu den Waffen griff und, an die eingegangenen Verpflich¬
tungen gemahnt, höhnisch erwiederte, er hätte wohl Verspre¬
chungen gethan, nicht aber gelobt, dieselben zu halten.
Unter diesen Umständen wurde der Kampf mit gestei¬
gerter Erbitterung fortgeführt, ohne deßhalb größere Ver¬
hältnisse anzunehmen. Erst im Frühjahre 1281, als Rai¬
mund neue Hilfsvölker aus Friaul herbeigeführt hatte, ver¬
suchten die Torriani am 25. Mai bei Vaprio einen entschei¬
denden Schlag. Wieder war das Glück den Visconti gün¬
stig; Gastone entging durch den Tod dem Schmerze, Zeuge
der vollständigen Niederlage der Seinigen zu sein und Rai¬
mund kehrte bestürzt nach Hause zurück.
Die nächste Folge davon war, daß Lodi sich von der
Partei der della Torre lossagte und mit den Visconti aus¬
söhnte. Dagegen gewannen jene einen Bundesgenossen an
dem Markgrafen Wilhelm, dessen Regiment dem Erzbischöfe
Otto zur Last geworden war, seitdem er des Schutzes des
Markgrafen weniger nothwendig zu bedürfen glaubte. Durch
die Vertreibung des von diesem eingesetzten Podestu em¬
pfindlich verletzt, ließ sich Wilhelm nach Erhalt eines be¬
deutenden Geldbetrages bereit finden, mit Raimund im
Jahre 1284 einen Freundschaftsvertrag abzuschließen, der
den noch lebenden bei Desto gefangenen Gliedern des Hau¬
ses della Torre die Kerkerpforten öffnete, da Como, welches
111
dieselben in Verwahrung hatte, immer noch Wilhelm an¬
hing. Von nun an bekriegten die Torriani von Como ans
die Visconti mit wechselndem und unentschiedenem Erfolge
bis zum Jahre 1286, in welchem es Otto Visconti
gelang, die Comascher zu einem Vertrage zu bewegen, wel¬
cher den Torriani zwar ihre Güter sicherte, sie selber aber
über die Grenzen des Gebietes von Como verwies. Von
allen Freunden verlassen und aus allen Städten vertrieben,
ließen sie sich zum größten Theile in Friaul nieder, wo sie
eine feste Stütze an dem Patriarchen besaßen, der es sich zur
Ausgabe machte, sie auf das beste zu versorgen und für das
erlittene Ungemach möglichst reichlich zu entschädigen.
Nachdem Raimunds Unternehmungen in der Lombar-
die dieses Ende genommen hatten, konnte er seine Tätig¬
keit nunmehr ausschließlich dem Kriege gegen Venedig wid¬
men , den er unkluger Weife zugleich mit jenen begonnen
hatte, und der schon längere Zeit matt und thatenlvs in
Istrien geführt wurde. Die von Raimund erneuerten Ver¬
träge seiner Vorgänger mit Venedig waren diesem keine ge¬
nügende Veranlassung gewesen, die bisher in Istrien be¬
folgte Politik, welche durch meist unscheinbare, aber häufig
wiederkehrende Erfolge das Gebiet der Republik unaus¬
gesetzt vergrößerte, auszugeben. Kurz vor Raimunds erster
Ankunft in Friaul hatten die Venetianer unangefochten
Dnino gegenüber auf einem dem Meere entsteigenden Felsen
die Veste Belforte erbaut und so auch an diesem Theile der
Küste festen Fuß gefaßt. Obgleich es noch in den letzten
Jahren versucht wurde, die Grenzen der in Istrien sich viel¬
fach berührenden patriarchalischen, venetianischen und görzi-
schen Besitzungen endgiltig sestzustellen, und somit auf güt¬
lichem Wege den Uebergriffen Venedigs ein Ziel zu setzen,
so hatte sich doch der Patriarch genöthigt gesehen, dem im
112
Spätherbste des Jahres 1277 nach Cividale berufenen Par¬
lamente die Unzulänglichkeit dieser Schritte darzulegen und
es zurBeschließung kriegerischer Maßregeln zu bestimmen*).
Wie bereits erwähnt, war es schon im Jahre 1278
zur theilweisen Ausführung derselben gekommen, ohne daß
das angestrebte Ziel erreicht worden wäre. Venedig blieb
im Vortheile und gewann Capodistria und Montona. Es
räumte zwar auf die Aufforderung Raimunds, alle istrifchen
Küstenstädte herauszugeben, im Jahre 1279 Triest, aber
nur um beinahe jedes Jahr zu, allerdings erfolglosen Bela¬
gerungen vor dieser Stadt zu erscheinen.
Der Krieg erlahmte ganz, als der, in Raimunds Ange¬
legenheiten ohnehin laue Albrecht, welchem in Abwesenheit
des in der Lombardie kämpfenden Patriarchen die Führung
desselben hauptsächlich überlassen war, mit Raimund im
Jahre 1281 neuerdings zerfiel und erst durch seinen Bru¬
der Meinhard und Gerhard von Camino wieder ausgesöhnt
werden mußte. Mittlerweile hatten die Venetianer jedoch
Jsola ihren Erwerbungen hinzugefügt.
Im Jahre 1282 nahm Raimund in Ermanglung an¬
derer feine Zuflucht zu geistlichen Waffen. In alsogleicher
Anwendung der von einer im December zu Aquileja abge¬
haltenen Provinzialsynode, an welcher die Bischöfe von
Trient, Vicenza, Triest, Capodistria, Parenzo, Ceneda, Cit-
tanuova, Piben sPedena), Verona, Padua, Pola, Treviso,
Concordia, Feltre und Belluno nebst den Aebten von Ro-
sazzo, Beligna und Osiach, theils durch Bevollmächtigte,
größrentheils aber persönlich sich betheiligten, insbesondere
*) Wohl um die Bereitwilligkeit zur Zahlung der voraussichtlich
zu bewilligenden Kricgssteuern zu erhöhen, hatte das Parlament schon
im Monate Mai beschlossen, daß alle binnen 15 Jahren nicht gefor¬
derten Schulden zu Gunsten des Schuldners verjährt sein sollten.
113
über Schmälerung und Beschädigung des Kirchengutes ge¬
faßten Beschlüsse belegte er Istrien mit Bann und Jnterdict,
was indeß auch keine erhebliche Wirkung hervorbrachte, wie¬
wohl das dortige Volk heutigen Tages noch jede das Land
heimsuchende Plage jenem vor beinahe 600 Jahren ausge¬
sprochenen Fluche ihres bischöflichen Oberhirten zuzuschrei¬
ben geneigt ist.
Das Jahr darauf versuchte es Raimund, der Krieg¬
führung mehr Nachdruck zu geben. Die Häfen des Patri¬
archats wurden den Venetianern verschlossen, die Trevisaner
zu ähnlichen Maßregeln bewogen, durch das Parlament ver¬
schiedene den Krieg fördernde Beschlüsse gefaßt und neue
Steuern ausgeschrieben. Der Patriarch verband sich mit
Albrecht, Triest und Muggia zu einem Angriffe auf Capo-
distria, das er zwar in seine Gewalt brachte, aber bald
nachher wieder an die Venetianer verlor, denen sich auch
das benachbarte Pirano ergeben mußte. Im Monate Juli
versammelte sich von neuem das Parlament in Cividale, um
weitere Mittel zum Kriege zu bewilligen. Es faßte die be¬
züglichen Beschlüsse durch einen bevollmächtigten Ausschuß
von 24 Mitgliedern, von welchen je sechs durch die in ihrer
Vereinigung das Parlament bildenden Gruppen der Geist¬
lichen, freien Edlen, Ministerialen und Städte-Abgeordneten
gewählt worden waren. Da der Chronist diese späterhin
immer beobachtete Erledigungsweise nur bei diesem Anlasse
ausdrücklich bemerkt, darf man wohl annehmen, daß sie in
diesem Falle das erste Mal zur Anwendung kam.
Aus den nächsten Jahren haben wir keine irgendwie
erwähnenswerthen kriegerischen Ereignisse zu berichten, da¬
gegen eine im März 1285 abgeschlossene und im darauf¬
folgenden Monate Januar durch ei« weiteres Uebereinkom-
Aquileja. s
114
men in ihren Bestimmungen ergänzte Waffenruhe, an deren
Stelle nach zweijähriger Dauer neue Fehden traten.
Wahrscheinlich bei Gelegenheit einer um Allerheiligen
des Jahres 1285 in Cividale abgehaltenen Versammlung,
der nebst Albrecht und Gerhard von Camino mehrere Bi¬
schöfe und viele Herren Friauls beiwohnten, wurde das
gegen Venedig gerichtete Bündniß des Patriarchen mit dem
Grafen enger geknüpft, obgleich die bei jeder noch so gering¬
fügigen Veranlassung zu Tage tretende, zwischen beiden
waltende gereizte Stimmung sich auch damals äußerte. Auf
einer unweit der Stadt gelegenen Wiese ertheilte Albrecht
nämlich Johann von Zuccola und Franz von Orzon in
heraussordernder Weise den Ritterschlag, nachdem Rai¬
mund wegen der Betheiligung an dem im vorigen Jahre ver¬
übten Morde seines Seneschalls ihnen die gleiche Gunst ver¬
sagt hatte.
Durch die gänzliche Erfolglosigkeit des Kampfes um
Mailand zum Aufgeben desselben veranlaßt, konnte Rai¬
mund nunmehr seine Anstrengungen gegen Venedig verdop¬
peln. Der Sommer des Jahres 1287 wurde zu einem durch
umfassende Vorbereitungen, denen ein zweiter im Laufe des
vorhergehenden Jahres König Rudolf in Deutschland abge¬
statteter Besuch des Patriarchen beizuzählen fein dürfte,
wohl eingeleiteten Zuge nach Istrien benützt, der indeß in
feinen Resultaten weit hinter den gehegten Erwartungen zu-
rückblieb. Am 8. Juli brach das patriarchalische Heer von
Monfalcone auf, schlug und zerstreute die Haufen Albrechts
von Schwarzenegg und Pankraz von Jama, die sich ihm in
den Weg gestellt hatten, brach die Burgen dieser meineidi¬
gen Vasallen und drang bis Capodistria vor; da aber des¬
sen Einwohner nicht, wie es von einem derselben in Aus¬
sicht gestellt worden war, etwas für die Uebergabe der Stadt
115
unternahmen, mußte es sich mit der Verwüstung der der¬
selben angehörenden Felder und Weingärten begnügen und
war nach vergeblicher Belagerung des Schlosses Mocco
(Montecavo), deren Leitung Raimund seinem kriegskundi¬
gen, das Amt eines Markgrafen von Istrien *) bekleidenden
Neffen Gottfried anvertraut hatte, schon am 21. Juli wie¬
der in Monfalcone eingetroffen. DieBenetianer beschränkten
sich nicht darauf, die Angriffe Raimunds zurückzuweisen,
sondern sie berannten in der Zwischenzeit den Ort Marano,
verließen ihn jedoch nach der Einnahme wieder aus freien
Stücken, nachdem sie ihn geplündert hatten. Das im Okto¬
ber wieder zusammengerufene Parlament berieth über die
Mittel, dem Kriege eine glücklichere Wendung zu geben,
und gab seine Einwilligung zur Erhebung neuer Steuern.
Auch im Jahre 1288 war das Glück dem Patriarchen nicht
günstiger. Gleich im Beginne desselben finden wir ihn im
Streite mit Meinhard IV., dessen wesentliche bei Ueberwin-
dung Ottokars von Böhmen geleistete Dienste König Rudolf
durch Verleihung des Herzogthums Kärnthen gelohnt hatte.
Dieser bedeutende Machtzuwachs der Görzer Grafen schien
eine Zeit lang eine den voraussichtlichen Folgen desselben
geradezu entgegengesetzte Wirkung hervorbringen zu sollen,
da er die bisher immer einträchtig handelnden Brüder zu
entzweien drohte. Meinhard hatte nämlich an seinen Bru¬
der das Verlangen gestellt, von ihm als dem nunmehrigen
Herzoge von Kärnthen das dortige Pfalzgrafenamt zu Lehen
zu nehmen, während Albrecht sich lange diesem Ansinnen
hartnäckig widersetzte und erst auf Hugo's von Tybein und
*) So wurden die Verweser der Patriarchen genannt, welche
Istrien in deren Namen verwalteten und ihren Sitz abwechselnd in den
Schlössern von Albona und kietrn pslosg, hatten.
8»
116
Julians von Seeburg, der gemeinschaftlichen Freunde, drin¬
gendes Zureden dazu verstand.
Auch mit dem Patriarchen gab es für Meinhard, der
mit Tirol vollauf beschäftigt den friaulischen Angelegenhei¬
ten bisher ferne geblieben war, seit der Erwerbung Kürn-
thens Anlässe zu ernsteren Meinungsverschiedenheiten. Rai¬
mund begehrte vom Nachfolger Ulrichs III. die Schlösser
Laibach und Nascenvuaz (Nassensuß), welche Aquileja, das
erstere durch Schenkung, das zweite pfandweise von dem
letzten Kärnthnerherzoge erworben hatte, ferner die Vesten
Lichtemberg, Weldheneck und Nideck, sowie den Zehent in
Creyla (Crauglio), Alba Ecclesia und Treven, welches alles
Ulrich unrechtmäßiger Weise besessen haben sollte und end¬
lich die Zahlung von 2000 Veroneser Pfunden Schaden¬
ersatz, zu welcher sich derselbe verpflichtet hatte. Meinhard
wies die Erfüllung dieser am 17. Februar zu Cividale in
öffentlicher Versammlung an ihn gestellten Forderungen ohne
alle Umschweife zurück und erwiederte schlagfertig, Laibach,
das er vom Könige habe, könne er ohne dessen Vorwiffen
niemandem anderen ausliefern; Lichtemberg, Weldheneck und
Nideck, welche Orte er dem widerrechtlichen Besitzer Berthold
von Sarphimberg (Schärsfenberg) für den Patriarchen ab¬
genommen, fei er gerne bereit, demselben zurückzustellen,
falls auch die bei deren Uebergabe eingegangene Bedingung,
daß Berthold von Raimund wieder in Gnaden ausgenom¬
men werde, zur Erfüllung käme. Ob Ulrich einiges wirklich
unrechtmäßig besessen, wisse er nicht und müsse er sich daher
die Entscheidung in Betreff dieses Punktes bis nach darüber
gepflogener Untersuchung offen halten. Bezüglich des letzten
Ansinnens aber verpflichte er sich anstatt der 2000 Verone¬
ser Pfunde 4000 Mark — den achtfachen Betrag — dem
Patriarchen zu zahlen, wenn dieser ihm das gesammte Erbe
117
des Herzogs Ulrich verschaffen könne und wolle. Diese un¬
gelösten Streitfragen führten übrigens offenbar kein tieferes
Zerwürfniß herbei, da uns berichtet wird, daß der Patriarch
schon am zweitfolgenden Tage nach jener Unterredung Mein¬
hard mit dem von diesem um 1500 Mark gekauften Ven-
zone belehnte und dadurch denselben Albrecht gegenüber be¬
vorzugte, indem dieser Kauf bereits früher von letzterem
abgeschlossen und der verweigerten oberlehensherrlicheu Be¬
stätigung wegen wieder rückgängig gemacht worden war.
Darüber gereizt, ließ sich Albrecht durch die Rückgabe
S. Lorenzo's von Seite der Venetianer ohne Mühe bestim¬
men, in diesem Jahre in Istrien eine strenge Neutralität
zu beobachten, welche für die Republik von um so höherem
Werthe sein mußte, als Capodistria, den derselben geleiste¬
ten Schwur vergessend, sich gegen die Herrschaft Venedigs
erhoben und noch andere istrische Städte zum Abfalle ver¬
leitet hatte.
Mit gewohnter Raschheit ergriffen die Venetianer die
wirksamsten Gegenmaßregeln. Sie entsendeten überlegene
Streitkräfte, welche Capodistria, Jsola und Parenzo zu Land
und zur See bedrängten und zur Unterwerfung zwangen.
Unter Marino's Morosini Führung erschienen sie hierauf
vor Triest, das nach einem am Timavo blutig zurückge¬
schlagenen Ausfälle der Bürgerschaft enge eingeschlossen
wurde. Schloß und Ort Muggia, die gleichzeitig belagert
wurden, fielen alsbald in die Gewalt des Feindes; die
Triestiner aber widerstanden — wie bei früheren und späte¬
ren ähnlichen Anlässen — mit rühmenswerlher Tapferkeit
und Ausdauer ^s.
*') Die Wahrheit, dass eine Verbindung mit den Nachbarn jen¬
seits der Adria den Verfall ihrer unter solchen Umständen zur aller¬
letzten unter den italienischen Städten herabsinkenden Vaterstadt unfehlbar
118
Durch die Erfolge der Venerianer aufgeschreckt und
schon durch die Rücksicht auf sein eigenes Interesse angewie¬
sen, Triest, seiner treuesten Bundesgenossin, Hilfe zu brin¬
gen, traf Raimund alle Anstalten, um im künftigen Früh¬
jahre den Feldzug mit einem starken, wohl gerüsteten Heere
eröffnen zu können. Das im Monate November versam¬
melte Parlament ermächtigte ihn, zu diesem Behufe von
jedem Manso (ein Feldmaß), von jedem Mühlrade und von
jeder Mark beweglichen Vermögens für Kriegszwecke 7 So¬
lidi an Steuern zu erheben * *). Die größtmögliche Zahl an
zur Folge hatte, während dieselbe alles Heil von dem innigen Zu¬
sammenhänge mit ihrem Hinterlande zu erwarten berechtigt ist, mochte
in jener Zeit schon den Bewohnern Triests, wenn auch noch dunkel,
vorgeschwebt haben. Diese Ueberzeugung verlieh ihnen damals die
Kraft, der Erhaltung ihrer Selbstständigkeit die größten Opfer zu
bringen, und führte sie endlich, da ihr Widerwille gegen Venedig in
demselben Maße stieg, in welchem dort das Verlangen nach dem Be¬
sitze der Rivalin (um sie zu verderben) heftiger wurde, nach den Er¬
fahrungen noch eines Jahrhunderts Rettung suchend den Habsburgern
in die Arme.
*) Wenn wir die im Jahre 1310 vom Patriarchen Ottobuono
zur Bestreitung der durch die Reise zum Concile von Vienne bedingten
Auslagen geforderten 8 Denare von jeder Feuerstelle und jedem Mühl¬
rade ebenfalls in Betracht ziehen, so finden wir während der Epoche,
mit welcher wir uns beschäftigen, in Friaul bereits vier verschiedene
Formen der directen Besteuerung in Uebung, nämlich Haus-, Grund-,
Gewerb- und Vermögenssteuer. Letztere würde uns einen ungefähren
Maßstab zur Beurtheilung der Höhe der Steuern überhaupt an die
Hand geben, wenn es möglich wäre, den damals üblichen Zinsfuß
auch nur annähernd zu bestimmen. Wir müßten eine sich auf 7 Solidi
belaufende Abgabe von jeder 170 Solidi enthaltenden Mark des Ver¬
mögens für nicht unbeträchtlich und nach einem ganz modernen Steuer¬
ausmaße bemessen erklären, wäre es uns nicht bekannt, daß, obgleich
das Zinsennehmeu überhaupt und namentlich von den Kircheugesetzen
grundsätzlich verdammt, wie auch mit strengen Strafen belegt, es doch
nichr ungewöhnlich war, für geborgtes Geld die Zahlung von 30- bis
LOprocentigen Interessen zu bedingen. Ja, die toscanischen Wucherer,
welche die meisten Geldgeschäfte vermittelten, forderten nicht selten 60
und 63 vom Hundert, sie machten sich aber dadurch so verhaßt, daß
Raimund im Jahre 1L98 alle Toscaner aus dem Lande wies und
119
Mannschaften wurde aufgeboten, indem die Bevölkerung
der Städte und Burgen für je sechs, jene der Dörfer aber
für je zehn in dem Alter zwischen 18 und 70 Jahren ste¬
hende Männer einen bewaffneten Fußgänger stellen mußte.
Endlich wurden auch Albrecht und Meinhard an ihre Vasal¬
lenpflicht gemahnt").
ihr Name in manchen Gegenden Friauls noch heutigen Tages als
ein Schimpf gilt.
Wir bemerken übrigens, daß Raimund im Jahre 1283 von
jedem Manso 20 und im Jahre 1287 von jedem Manso und jedem
Mühlrade gar 22 Solidi des Krieges wegen hatte einheben lassen.
Zu den fiscalischen Einnahmsquellen des Patriarchen gehörten
ferner die Veränderungen oder vielmehr Verschlechterungen der Patriar¬
chalischen Münzen, welche wir in den Jahren 1277, 1281 und 1287,
also stets unmittelbar vor größeren kriegerischen Unternehmungen ver¬
zeichnet finden. Die ersten unter Raimund geprägten neuen Münzen
waren am 23. November 1274 in Umlauf gesetzt worden.
Die gesummten Einkünfte des Patriarchates betrugen übrigens
nach der Schätzung des Notars Benvenuto Missitini zu Ende des Llll.
Jahrhunderts 1200 Mark.
*) Das auf diese Weise zu Stande gebrachte patriarchalische
Heer soll nach des Domherrn Julian Chronik 35.000 Streiter gezählt
haben. Uns erscheint selbst die weit bescheidenere Angabe von 36.000
Mann noch immer übertrieben. Wir haben zwar in Betreff dieses
Gegenstandes keine gleichzeitigen bestimmteren Nachrichten, aber aus
einem um weniges späteren Zeiträume besitzen wir Urkunden, welche
uns über die Menge in Friaul für einen Krieg verfügbarer waffen¬
fähiger Mannschaft Aufschluß geben. Das Parlament verordnete im
Jahre 1327, daß die ganze friaulische Miliz alljährlich am Feste
Mariä Reinigung auf den Feldern von Campofoimido gemustert
werden solle, indem es zugleich der Geistlichkeit, den Castellanen und
Stadtgemeiuden des dem Patriarchen unmittelbar unterstehenden Ge¬
bietes zusammen die auf die einzelnen Verpflichteten genau vertheilte
Beistellung von 406 Reitern und 119 Armbrustschützen auferlegte, und
im folgenden Jahre ermittelte es die Zahl der „Oseennae^ des Land¬
volkes, aus deren jeder in der Regel ein Mann, im Nothfalle aber
zwei Mann ausgehoben wurden, und setzte sie mit 2015'/^ fest, was
2015 oder höchstens 4031 Fußknechte und sogar mit Hinzurechnung
der Reiter und Schützen nicht einmal 5000 Mann gibt. Es hätten
also die Hilfsvölker aus Kärnthen, Kram, Istrien n. s. w. 30.000 bis
30.000 Mann betragen müssen!
120
Als mm Albrecht im März des Jahres 1289 von
Kärnthen kommend mit seinen und seines Bruders Mann¬
schaften gegen die Ebene hinabzog, bedurfte es der versöhn¬
lichsten Stimmung von Seite Raimunds, um nicht neuer¬
dings mii dem Grafen in Streit zu gerathen, da Albrechts
Leute sich allerlei Unordnungen zu Schulden kommen ließen.
So steckten sie zum Beispiele Tricesimo am 14. März aus
bloßem Muthwillen in Brand und Albrecht selber besetzte
später eigenmächtig Cervignano, das umliegende Land und
selbst Aquileja unter dem Vorwande brandschatzend, daß die
Erhaltung und Beherbergung der im Dienste des Patriarchen
stehenden Leute ausschließlich dessen Gebiete zur Last fallen
müßten. Raimund ließ sich, kluger Weise die Hauptsache un¬
verwandt im Auge behaltend, durch diese verhältnißmäßig
untergeordneten Vorfälle nicht irre machen und fühlte sich
wohl zufrieden gestellt, daß Albrecht mit seiner nicht unbe¬
deutenden Macht zu ihm stieß, als er am Tage des h. Mar¬
cus, des gemeinsamen Schirmheiligen, dessen Schutz die
Aquilejeser so gut wie die Veuetianer bei ihren Kriegszügeu
anzurufen pflegten, von Aqnileja herkommend in Monfal-
cone anlangte.
Nach feierlichem in des Patriarchen Namen durch Al¬
brecht mehreren Edlen ertheilten Ritterschläge und nachdem
das Heer in Haufen getheilt und über jeden ein Befehls
Haber gesetzt worden war, rückte es zum Entsätze von Triest
vor. Die vereinzelnten Kämpfe mit den Venetianern blieben
aber unentschieden, und als Albrecht eines Tages plötzlich
verschwunden war, zog sich Raimund, Verrath besorgend,
am 6. Mai nothgedrungen zurück. Zeitgenossen beschuldigen
Albrecht, daß er durch ein Geschenk der Venetianer von
20.000 Goldgulden bestochen, sich dieser unrühmlichen Hand¬
lungsweise schuldig gemacht habe, und fügen durch die so
121
rasch auf dem Fuße folgende Vergeltung befriedigt, hin¬
zu, daß sich das für den Treubruch erhaltene Geld als
gefälscht erwiesen hätte *). Vielleicht ist dies nur ein Ver¬
such , einen Beweggrund für das sonst ganz unbegreifliche
Benehmen des Grafen aufzustnden, welcher doch wieder am
13. desselben Monats bei einem Colloquium in Cividale
zugegen war, wo in Gegenwart Brissa's di Toppo, des
Bischofs von Triest, die Art und Weise berathen wurde, in
welcher jener Stadt, in der die Bedrängniß auf das höchste
gestiegen war, geholfen werden könnte.
Am 7. Juni befand sich Raimund mit seinem Heere
und dem Kriegsvolke der Grafen von Görz, welches diesmal
Albrechts Sohn Heinrich II. anführte, wieder in Monfal-
cone und zehn Tage später räumten die Benetianer, bei
Annäherung desselben von plötzlichem Schrecken ergriffen, in
Eile und Unordnung ihr wohlbefestigtes Lager, welchem sie
im Laufe ihrer langen Anwesenheit ein städtisches Aussehen
gegeben und Terra di Romagna genannt hatten. Dieser
leicht errungene Sieg hatte die alsogleiche Besetzung Mug-
gia's durch das patriarchalische Heer im Gefolge; die
Mauern Capodistria's jedoch, an welchen wieder alle An¬
griffe scheiterten, hemmten seine weiteren Fortschritte.
Die Triestiner hatten sich mittlerweile nicht unthätig
der Freude über ihre Befreiung hingegeben, sondern ihre
Schiffe bestiegen und, ihren abziehendenFeinden nacheilend, um
für die viele erlittene Unbill Rache zu suchen, deren eigenes
Gebiet sengend und plündernd betreten. Bei diesem Zuge,
der sich sogar bis nach Malamocco in Venedigs nächste
*) In Berichten über Begebenheiten des Mittelalters treten
ähnliche meist unbegründete Erzählungen wiederholt auf.
122
Nähe erstreckt hatte, war Caproli (Caorle) am härtesten
mitgenommen worden.
Die von allen Betheiligten angerufene Vermittlung
des Papstes Nicolaus IV. machte endlich den Feindseligkei¬
ten ein Ende. Bischof Bernhard von Tripolis forderte im
päpstlichen Auftrage Raimund auf, mit der Republik einen
zweijährigen Waffenstillstand einzugehen und gab am 2. No¬
vember die Bedingungen bekannt, unter welchen ein für
beide Theile annehmbarer Friede geschlossen werden könnte.
Der Abschluß desselben verzögerte sich aber noch durch zwei
volle Jahre bis zum 11. November 1291, an welchem
Tage dessen feierliche Verkündigung erfolgte. Es sollten,
seinen Bestimmungen zufolge, Muggia und Mocco, ersteres
dem Patriarchen, letzteres den Triestinern zurückerstattet, die
Häfen dem Handel wieder geöffnet, alle alten Verträge er¬
neuert, die Eingekerkerten entlassen und die des Landes
Verwiesenen wieder ausgenommen werden, wenn sie binnen
einem Monate zurückkehren und Treue schwören wollten.
Die von den Venetianern in Istrien besetzten Landstriche
verblieben denselben bis zur Entscheidung des Papstes, wel¬
cher späterhin dem Patriarchen zur Entschädigung dafür eine
jährliche Abgabe von 1068 Dukaten zuerkannte.
Triest bewahrte dem Patriarchen wie auch dem Grafen
Albrecht von Görz für die wiederholt gewährte Hilfe auf¬
richtige Dankbarkeit und legte sie durch die Uebertragung
des Podestn-Amtes an Angehörige seiner Befreier an den
Tag. Im Jahre 1292 fiel die bezügliche Wahl auf Al¬
brechts Sohn Heinrich, im nächstfolgenden auf Mosca della
Torre und im Jahre 1296 abermals auf einen Neffen des
Patriarchen, auf Heinrich della Torre. Ebenso dürfte der
Bischof von Triest nur von dem Bestreben, einen Theil der
Dankesschuld an Raimund abzutragen, geleitet gewesen
123
sein, als er am 13. Februar 1296 den für letzteren gewiß
vortheilhaften Tausch einging, durch welchen er dem Pa¬
triarchen gegen Abtretung der Hälfte des Ortes Mnggia die
Pfarre S. Cantian am Jsonzo überließ.
In dem, dem Friedensschlüsse unmittelbar vorherge¬
henden Jahre hatte der Bußeifer der Flagellanten Friaul er¬
griffen. Im Frühlinge 1290 waren zuerst in Cividale ein¬
zelne Personen aufgetreten, welche sich zur Sühne für die
allgemeine Sündhaftigkeit die strengsten Bußübungen auser¬
legten. Während Frauen und auch Männer, die das Auf¬
sehen vermeiden wollten, sich Nachts in den Kirchen geißel¬
ten, zogen andere barfuß und mit entblößtem Oberleibe im
Lande umher, durch Wort und Beispiel zur Nachahmung
ermunternd. Der Dekan Asquinus von Aquileja führte eine
solche Schaar, welche am Andreastage in Cividale einzog,
sich dort acht Tage lang aufhielt und nachdem sich ihr
50 Personen jener Stadt angeschlossen hatten, ihre Wande¬
rungen fortsetzte.
Diese schwärmerische, ursprünglich tief religiöse Be¬
wegung, welche der Reihe nach beinahe alle Theile Mittel-
europa's erfaßte, hatte sich bekannter Weise schon im Jahre
1260 nach einigen zu Perugia an den Visionen eines Kin¬
des oder eines Einsiedlers, nach anderen an der unmensch¬
lichen Rache entzündet, welche von dem Volke von Treviso
an Alberich von Romano und seiner schuldlosen Familie ge¬
nommen worden war. Da man füglich nicht annehmen kann,
daß sie dreißig Jahre gebraucht habe, um von ihrem Ent¬
stehungsorte sich nach Friaul fortzupflanzen, so dürfte man
kaum mit der Behauptung irre gehen, daß sie hier im Jahre
1290 erst durch die von Papst Nicolaus IV. in Anbetracht
der Ptolemais, dem letzten Bollwerke der Christen in Palä-
124
stina drohenden Gefahren, wie allerwärts, auch im Patriar¬
chate angeordneten, den Sinn für Religiosität weckenden,
aber keine weiteren Erfolge mehr erzielenden Kreuzpredigten
zum Ausbruche kam. Die verschiedenartigen Ausschreitungen,
welche sich die Geißler zu Schulden kommen ließen, riefen
indeß Verbote der geistlichen und weltlichen Obrigkeiten, ja
selbst den Unwillen des Volkes hervor, so daß bei dem Ein¬
tritte der auf jede heftige Erregung naturgemäß folgenden
Abspannung der Gemüther, diese merkwürdige Erscheinung
ein verhältnißmäßig schnelles Ende nahm.
Während der langjährige Krieg mit Venedig zu Ende
ging wäre Raimund beinahe mit Albrecht I. von Oesterreich
und dessen Verbündeten Meinhard von Kärnthen in Fehde
gerathen. Die gegen Albrecht empörten steierischen Herren
hatten eine Stütze an Erzbischof Konrad von Salzburg ge¬
funden, den der österreichische Herzog durch Anmaßung der
Vogtei über Admvnd und Rastadt am Tauern, so wie durch
verschiedene die Einkünfte des Erzbisthums schmälernde
Maßregeln gereizt hatte. Raimund wurde aus verschiedenen
Ursachen mit in diese Angelegenheit verwickelt. Erstens hatte
er ebenfalls einige Veranlassung zu Klagen gegen Albrecht;
außerdem war Konrad sein natürlicher Bundesgenosse aus
dem Grunde, weil der Patriarch, vom Papste aus Viterbo
am 10. November 1291 beauftragt, in der strittigen Wahl
des Capitels von Salzburg zu entscheiden, dies zu Konrads
Gunsten gethan hatte. Endlich mußte Albrechts Verbindung
mit Meinhard, dem alten Widersacher Aquileja's, dieses in
das entgegengesetzte Lager treiben. Obgleich sowohl Konrad
als auch Ulrich von Heunburg am 14. August 1292 sich
urkundlich als Raimunds Verbündete erklärten, blieb dieser
der mit den Waffen in der Hand unternommenen Austragung
des Streites und damit den Folgen ferne, welche durch
125
Albrechts Glück und entschlossenes Handeln Konrad und
namentlich dem Heunburger daraus erwuchsen.
Raimund wußte die Ruhe, welche ihm ein günstiges
Geschick vergönnen zu wollen schien, nicht zu schätzen; der
ererbte kriegerische Sinn seines Hauses war durch seine
geistliche Würde nicht unterdrückt, kaum gemäßigt worden;
sein rastlos arbeitender, vom Ehrgeize gestachelter Geist
drängte ihn immer wieder zu neuen Unternehmungen. Den
Verlust Mailands hatte er noch nicht verschmerzen gelernt,
und so benützte er denn die Muße, welche er den im Augen¬
blicke in seiner nächsten Nähe stiller sich gestaltenden politischen
Verhältnissen abgewann, dazu, seine Thätigkeit neuerdings
der Wiedererwerbung seiner Vaterstadt zuzuwenden. Der
dortige Stand der Dinge ließ ihn allerdings etwaige darauf
gerichtete Bemühungen nicht ganz aussichtslos erscheinen,
besonders seit Crema und Lodi sich gegen die Herrschaft der
Visconti erhoben und die Torriani herbeigerufen hatten
(1294). Diesem Rufe folgend brach Raimund ohne Verzug
mit einem Heere auf, begab sich über Padua, wo es ihm
gelang, den zur Schwächung der ganzen guelfischen Partei
beitragenden Streit zwischen den Brüdern Azzo VIII. und
Aldobrandino von Este und ihrem beiderseitigen Anhänge
noch im Keime zu ersticken, in die Lombardie und unterstützte
jene beiden Städte so nachdrücklich, daß alle auf ihre Be¬
zwingung abzielenden Entwürfe Matteo's Visconti scheiterten.
Allein ebenso wenig wollte es den Torriani, denen
sich auch unzufriedene Adelige aus Mailand angeschlossen
hatten, irgendwie gelingen, einen nachhaltigen Erfolg davon
zu tragen, worauf der im September des folgenden Jahres
zwischen Mailand und Lodi geschlossene Friede ihren Bestre¬
bungen wieder allen Boden entzog.
126
Mittlerweile war Friaul dem jeder Ordnung hohn-
sprechenden wüsten Treiben seiner unbotmäßigen Adeligen
ohne genügenden Schutz preisgegeben. Wir finden nur zu
zahlreiche Beweise dafür. Im Jahre 1281 hatten Mein¬
hard IV. und Gerhard von Camino bei Gelegenheit ihrer
Vermittlung zwischen dem Patriarchen und dem Grafen
Albrecht Hugo von Tybein ermahnen müssen, die von Mon-
falcone an seinem Schlosse vorbei nach Triest ziehenden
Kaufleute ungekränkt zu lassen. Im Jahre 1289 war Leon¬
hard von Savorgnano durch Glieder seines eigenen und des
Geschlechtes der Cncanea ermordet worden, und hatte man
auch bisher immer noch das Rachegefühl seiner nächsten An¬
gehörigen und Freunde zu beschwichtigen vermocht, so war
doch ein plötzlicher Ausbruch desselben jederzeit zu befürchten.
Auch die Häuser Manzano und Gramogliano standen sich
feindlich gegenüber. Bei der Menge des solchergestalt ange¬
häuften Zündstoffes bedurfte es nur eines kleinen Funkens,
um einen gewaltigen Brand anzufachen. Er kam von Seite
zweier Brüder aus einer stets auf das übermüthigste auf¬
tretenden Familie. Matthäus und Johann von Villalta ver¬
fielen im Jahre 1293 in Folge der unternommenen Raub¬
züge in Raimunds Acht und verwickelten Gemona, das sie
ausgenommen hatte, und die von Prampergo mit in ihr
Geschick. Die Geächteten leisteten Widerstand und griffen
sogar das Schloß des Patriarchen in Gemona an, zuversicht¬
lich darauf rechnend, viele Anhänger zu finden. Denn, wenn
es galt der Patriarchalischen Oberhoheit Trotz zu bieten, da
wurden diese sonst so unverträglichen Edlen rasch einig; da
gingen sie so weit, untereinander und mit den allmälig eben¬
falls nach Unabhängigkeit strebenden Städten, Cividale, die
historische Capitale voran, förmliche Bündnisse zur Abwehr
jeder landesherrlichen Einmengung zu schließen, beschworen
127
aber auch dadurch Katastrophen herauf, wie jene, welche das
endlich zur Selbsthilfe getriebene Volk von Artegna im Jahre
1299 seinen ihre Rechte mißbrauchenden Herren bereitete,
indem es die Burg Artegna dem Erdboden gleich machte
und mit allen Bewohnern derselben die darnach benannte
Familie selbst dem gänzlichen Untergange weihte.
Durch die Nachgiebigkeit des Patriarchen, welche im
Sommer 1293 zu einem Vergleiche führte, wäre in Friaul
wieder Ruhe eingekehrt, hätte nicht der Tod Walter Bertholds
von Spilimbergo, auf dessen Erbe Artvico da Castello und
Johann von Zuccula gleiche Ansprüche erhoben, neuen
Samen der Zwietracht ausgestreut und das ganze Land bei¬
nahe wieder wie zu Anfang des Jahrhunderts in den Tagen
Bertholds von Andechs in zwei große Parteien geschieden.
Zuccula, der angegriffene Theil, fand Unterstützung
bei den Herren von Villalta, Prata, Reiffenberg, Prampergo
und Portis, sowie bei der Stadt Triest, welche ihm 200
Söldner zur Verfügung stellte. Mit seinen Gegnern hielten
es dagegen die Herren von Varmo, Cucanea, Pulcinico,
Rivarotta und der mächtige Gerhard von Camino. Nachdem
im November 1294 die ersten Feindseligkeiten vorgefallen
waren, kam am Tage vor Georgi des nächsten Jahres zu
Cormvns in Raimunds und Gerhards Gegenwart ein gür-
licher Ausgleich zu Stande, der den Verwüstungen des Lan¬
des und mindestens scheinbar auch jedem Unfrieden ein Ziel
fetzte. Nebenbei hatte Raimund immer noch so häufig wie ehe¬
dem Zwist und Hader mit den Görzern, nur mit dem ein¬
zigen Unterschiede, daß an des bejahrten Albrecht Stelle
dessen älterer Sohn Heinrich die von jenem ersonnenen An¬
schläge auszuführen bekam, und daß Gerhard als Verbün¬
deter des Grafen meistens im Westen des Patriarchates des¬
sen Grenzen bedrohte, wenn Albrecht im Osten drängte.
128
So lesen wir, daß Heinrich im Jahre 1292 bei Bel¬
grade die Leute des Patriarchen überfiel, ohne daß uns
Veranlassung oder Ergebniß dieses gewaltsamen Vorgehens
näher bekannt wäre. Raimunds Zug nach der Lombardie
und die heimischen Verlegenheiten der Jahre 1294 und 95
blieben nicht unausgenützt und trugen Albrecht in Istrien
den dem Patriarchen entrissenen Besitz von Albona, Fianona
und Pinguente ein (1295). Der zu Ende des Jahres 1295
zwischen den Kriegführenden geschlossene Friede, in welchen
auch Gerhard nach Zurückstellung des widerrechtlich besetzten
Sacile an die Kirche von Aquileja eingeschlossen wurde, hin¬
derte nicht, daß Heinrich im Jahre 1297 den Patriarchen
neuerdings befehdete. Diesmal scheint die Versöhnung
bald erfolgt zu sein, da Heinrich nebst anderen deutschen
und friaulischen Herren im December desselben Jahres von
Raimund persönlich zum Ritter geschlagen wurde. Wir
meinen, daß dies aus Anlaß des verwandtschaftlichen Ver¬
hältnisses geschah, in welches Heinrich eben damals zu Rai¬
mund trat, indem er sich mit einer Schwester der von
Dante ob ihrer Schönheit und Sittenreinheit besungenen
Gaja, mit Beatrix, der Tochter Gerhards von Camino und
der Clara della Torre vermählte. Die Aeußerungen von Al¬
brechts feindseliger Gesinnung, welche Raimunds Regierung
vom ersten Anbeginne an unablässig begleiteten, sollten die¬
selbe bis zu ihren letzten Augenblicken verbittern. Kurz vor
deren Ende, am 21. Jänner 1299, fiel das Schloß Tol-
mein, dessen Besitz jederzeit von den Görzern angestrebt
worden war, durch einen eben so schlau angelegten als glück¬
lich ausgeführten Ueberfall in des Grafen Gewalt und gleich¬
zeitig mußte Wolfger von Auersperg, Albrechts Hauptmann
in Belgrads, auf dessen Befehl, um die Aufmerksamkeit von
der Unternehmung gegen Tolmein vielleicht abzulenken, einen
129
Ausfall machen, mehrere Ortschaften niederbrennen und zum
Schluffe die zur Feier der Vermählung Amorosen's von
Barmv mit Heinrich von Attimis in Varmo versammelten
Gäste überrumpeln und gefangen nehmen.
Beinahe ausschließlich sind es nur Kämpfe, über die
wir aus der langen Zeit, während welcher Raimund den
Patriarchenstuhl einnahm, zu berichten haben. Von einer-
friedlichen Thätigkeit ist uns nur wenig bekannt und dieses
Wenige verdient kaum eine Erwähnung. Hieher gehört zum
Beispiele, daß er Tolmezzo, den Hauptort Carniens, des
friaulischen Gebirgslandes, mit Manern umgab, daß er den
Palast des Patriarchen Poppo in Aquileja durch einen präch¬
tigen Zubau vergrößerte und verschönerte oder endlich die
mit der größten Feierlichkeit vorgenommene Gründung eines
Marktfleckens bei Gemona, welchen er Borgo Milano di
Raimondo genannt wissen wollte, wobei er aber seine Ab¬
sicht so wenig erreichte, wie in so vielen anderen größeren
Dingen. Dieser Ort hörte nicht allein niemals auf, seinen
alten Namen Ospedaletto fortzuführen, sondern er nahm
auch nicht den Aufschwung, welchen der Patriarch ihm im
Geiste wohl zngedacht hatte. Wenn wir noch anführen, daß
Raimund sich das Capitel von Cividale im Jahre 1297
durch die Zurückgabe der Pfarre Tolmein verpflichtete*),
welche Patriarch Gregor eigenmächtig in Besitz genommen
hatte, so glauben wir, das Wirken dieses Patriarchen in
dieser Richtung vollends erschöpft zu haben. Von mehr Jn-
Während das Schloß Tolmein mit allen daran hastenden
Rechten dem Patriarchen zustand, gehörte die Pfarre und der Ort
nebst deren Einkünften dem Capitel von Cividale. Ueberhaupt muß
man in damaliger Zeit die Veste (Castello oder bezeichnender Rocca),
den Hof (Villa) und den Ort (Terra auch Pieve) stets wohl unter¬
scheiden, da sie bei gleichen Namen häufig verschiedene Besitzer hatten.
Aquileja. 9
130
teresse, für den Culturhistoriker wenigstens, ist vielleicht der
Umstand, daß sich Raimund an dramatischen Darstellungen
testamentarischer Stoffe, zu welchen sein Klerus die Schau¬
spieler lieferte, erheiterte*). Zum Schluffe müssen wir
noch eine Thatsache herfetzen, welche zugleich mit den Nach¬
richten über Sonnenfinsterniß, Hungersnot!) u. dgl. auf uns
gekommen ist, nämlich, daß unter dieses Patriarchen Re¬
gierung die Straßen von Cividale ein Pflaster erhielten**).
Am 23. Februar 1299 schied Raimund zu Udine
aus diesem Lebe», welches für ihn mehr getäuschte Hoff¬
nungen und verfehlte Ziele enthielt, als es sein ehren¬
hafter, ritterlicher und bei aller Hinneigung zu kriegerischen
Thaten doch frommer und selbst versöhnlicher Charakter ver¬
dient hätte. Der mächtige Sarkophag aus rothem Veroneser
Marmor, der seine Leiche einschließt, zeigt uns auf dem
Deckel in erhabener Arbeit seine ganze Gestalt in vollem
Ornate, einen sich windenden Drachen zu den Füßen und
zu beiden Seiten des Kopfes Engel mit Rauchfässern in den
Händen, im Begriffe ihn einzufegnen.
Den Tod seines glücklicheren Gegners Otto Visconti
(st 1295) hatte Raimund wohl erlebt, nicht mehr aber die
*) Die hier erwähnten Schauspiele (Passionsspiele, „l-näi
Oliristi^ oder „I^rMi wie sie die Chronik des Domherrn Jnlian
nennt), kamen zu Pfingsten des Jahres 1298 im patriarchalischen Pal aste
zur Ausführung. Es werden deren im Jahre 1304 wieder erwähnt,
bei welchen sich Patriarch Ottobuono mit vielen geistlichen und welt¬
lichen Herren unter den Zusehern befand. Sie währten drei Tage,
singen mit der Erschaffung des ersten Mcnschenpaares an und schlossen
erst mit dem jüngsten Gerichte.
Der Chronist verzeichnet gewissenhaft Montag den i 3. August
den Tag, an welchem diese Arbeit begonnen wurde und läßt
dadurch auf die Wichtigkeit schließen, die man derselben beilegte.
131
ersten Unfälle des schon bei Otto's Lebzeiten mit der welt¬
lichen Gewalt bekleideten Reffen Matteo, von dessen Herr¬
schaft Novara, Vercelli und Casale sich im Laufe des Jahres
1299 lossagten. Diese Städte fanden eine so nachdrück¬
liche Unterstützung an Johann von Montserrat, der sie zur
Empörung verleitet hatte, an Azzo VIII. von Este, wie
auch an Bergamo, Ferrara und Cremona, daß der kluge
Matteo sich beeilte, mit ihnen Frieden zu schließen. In den
folgenden Jahren steigerte derselbe noch sein Ansehen durch
die mit unerhörtem Glanze gefeierte Vermählung seines Soh¬
nes Galeazzo mit Azzo's Schwester Beatrix (1300) und
seine Macht durch die Signorie in Bergamo, welche ihm die
Coleoni und Suardi für die bei Vertreibung der Gegenpar¬
tei geleistete Hilfe übertragen hatten (1301). Allein gerade
diese neue Erwerbung und noch mehr die Besorgniß, daß
den vereinigten Kräften der Este und Visconti die Unter¬
jochung der ganzen Lombardie gelingen könnte, erweckte die
Besorgniß der in ihrer Sicherheit bedrohten Nachbarn,
welche sich mit alten und neuen Feinden Matteo's zu dessen
Sturze verbanden. An der Spitze des Bündnisses, welchem
sich auch Matteo's Onkel Peter mit anderen Verwandten
insgeheim anschloß, befand sich Albert Scotto, Herr von
Piacenza, dem Azzo's Schwester früher zum Weibe verspro¬
chen gewesen war.
Die Früchte des Sieges, welcher durch einen in Mai¬
land ausgebrochenen Bolksaufstand entschieden wurde, wäh¬
rend Matteo seinen Feinden im offenen Felde gegenüber¬
stand, fielen den della Torre in den Schooß. Matteo stellte
sich freiwillig dem Scotto und erklärte sich bereit, diesem
die Herrschaft in Mailand abzntreten; allein das Volk
ergab sich den della Torre, welche auf die erste Kunde
von den in der Lombardie sich vorbereitenden Ereignissen
9*
132
aus Friaul herbeigeeilt uud in der Zwischenzeit in Mailand
eingedrungen waren (1302).
So vergeblich blieben alle in den nächsten Jahren
mehrmals wiederholten Versuche Matteo's, welcher an dem
von den Torriani überlisteten Albert einen, wenn auch wenig
zuverlässigen, doch unerwarteten Freund gewann, Mailand
wieder zu erobern, daß er endlich aus jeden weiteren Kampf
verzichtete und sich nach Nogarola bei Mantua zurückzog,
wo er in stiller Einsamkeit die Begebenheiten, von denen
er sich ferne hielt, fcharf beobachtete und den geahnten
Wendepunkt in seinen Geschicken ruhig abwartete.
Nach Mosca's und Martins della Torre in einem
und demselben Jahre erfolgten Tode (1307) ward Guido*),
den man den Reichen nannte, des Hauses nunmehriges
Oberhaupt, auf ein Jahr zum Capitän des Volkes gewählt
und nach Ablauf desselben als lebenslänglicher Herr von
Mailand ausgerufen. Das gleichzeitige Ableben des dortigen
Erzbischofs (1308) verschaffte einem Gliede des torrianifchen
Hauses jene Würde, welche Raimund zu feiner und seiner
Angehörigen tiefen Bekümmerniß unerreichbar gewesen war.
Gastone (auch Cassone genannt), Mosca's Sohn, der von
Raimund im Jahre 1296 durch Verleihung einer Dom-
herrnstelle an der Kirche von Aquileja für den Verlust der
nämlichen an dem Mailänder Metropolitancapüel bekleideten
Würde entschädigt**) worden und seither zum Dekan von
Aquileja vorgerückt war, wurde durch Wahl und nachgefolgte
päpstliche Bestätigung auf den erledigten erzbischöflichen
Stuhl erhoben.
*) Martin war ein Sohn des bei Vaprio im Jahre l28l ge¬
bliebenen Gastone, Guido ein Sohn des bei Desto gefallenen Franz.
.**) Zugleich hatte Nappino della Torre eine Stelle am Capitel
von Cividale und sein Vetter Claudino die kärnthnerischc Pfarre von
S. Michael im Jaunthale erhalten.
133
Das anfänglich gute Einvernehmen zwischen Guido
und Gastone erlitt bald eine empfindliche Störung. Guido,
welcher in der von des hochangesehenen und einflu߬
reichen Mosca Sohne ausgeübten obersten geistlichen
Gewalt eine beständige Gefahr für seine eigene Herrschaft
erblickte, beschuldigte Gastone und dessen Brüder, ihm nach
dem Leben zu trachten, und ließ sie insgesammt nach dem
festen Schlosse Anghiera in Gewahrsam bringen. Der päpst¬
liche Cardinal-Legat that Guido dafür in den Bann und
verhängte das Jnterdict über Mailand. Die Freunde des
torrianischen Hauses aber kamen von allen Seiten herbei
und trachteten, diesen häuslichen Zwist beizulegen, welcher
ihnen um so bedenklicher erschien, als die ghibellinische Par¬
tei in der Lombardie das Haupt wieder zu erheben begann,
und Piacenza nicht nur Guido den Gehorsam aufgekündigt,
sondern auch allen von demselben dawider ergriffenen Ma߬
regeln erfolgreich getrotzt hatte. Den gemeinsamen Bemü¬
hungen, namentlich jenen des Bischofs von Padua, Pagano
della Torre, gelang es, am 28. Oktober 1309 einen Ver¬
gleich zu Stande zu bringen, der Gastone und seinen Brü¬
dern zwar die Freiheit zuriickgab, sie aber auch verpflichtete,
Mailand zu meiden.
Gastone vergaß indeß niemals mehr die ihm ange-
thane Unbill und nährte seit jenem Augenblicke unablässig
Haß und Groll in seinem Herzen gegen den übermütigen
Vetter. In der Hoffnung, ihn gedemüthigt zu sehen, sah
er sehnsuchtsvoll dem Kommen König Heinrichs VII. ent¬
gegen, welches von allen Ghibellinen Italiens als die Mor¬
gendämmerung einer besseren Zukunft begrüßt wurde. In
der romantischen Schwärmerei für die Wiederherstellung der
römischen Kaiserwürde in ihrer ganzen alten Herrlichkeit begeg¬
neten sich übrigens Dante, der größte Ghibelline und einer der
134
größten Geister aller Zeiten, nebst seinen Gesinnungsgenossen,
selbst viele Guelfen, welchen die historisch begründete Ober¬
herrschaft des deutschen Königs weniger fremd dünkte, als
jene der Anjou oder des in Avignon ganz unter französischem
Einflüsse stehenden Papstes und vor allem jener mehr
hochherzige als staatskluge und thatkräftige Luxemburger,
dem seine leicht erregbare Phantasie die verlockenden Vorbil¬
der der hohenstaufischenFriedriche ohne Unterlaß vorgaukelte.
Gastone, der des Königs Römerzug, insoweit es in
seiner Macht lag, eifrig betrieben hatte, war einer der
ersten, welche ihn diesseits der Alpen, in Asti begrüßten.
Dort traf er mit Matteo Visconti zusammen, der sich durch
Vermittlung seines vertrauten Freundes Garbagnate die
Aufforderung, am Hoflager zu erscheinen, verschafft hatte.
Gastone und Matteo, durch den König ausgesöhnt, dran¬
gen nun vereint in denselben, ohne Rücksicht auf die Ab¬
mahnungen der Guelfen, sich nach Mailand zu wenden.
Am 23. December 1310 hieltHeknrich daselbst seinen fest¬
lichen Einzug. Treu dem Grundsätze, alle Parteien durch
Großmuth zu gewinnen und miteinander zu versöhnen, so
wie den Guelfen ein nicht minder gerechter und milder König
zu sein als-den Ghibellinen, ließ erden offenbaren Miß-
muth und hochfahrenden Trotz unbeachtet, den Guido ihm
entgegentrug; ja er ruhte nicht eher, als bis er die erbit¬
terten Feinde Guido und Matteo dahin gebracht hatte, in
Gegenwart des Hofes und des versammelten Volkes sich
den Bruderkuß zu reichen und für alle Zukunft Eintracht
zu geloben. Am 6. Jänner 1311 krönte Gastone —
nicht wie es von Alters her gewöhnlich war zu Monza,
sondern in der Ambrosinskirche zu Mailand — König Hein¬
rich und dessen Gemahlin Margaretha als Beherrscher
Italiens mit einem, zum Ersätze für die in Verlust ae-
135
rathene eiserne Krone, zu diesem Zwecke angefertigten gol¬
denen Lorbeerkranze.
Die Bedrückungen der Vikare, welche der König an
allen Orten eingesetzt hatte, die Sorge der Bürger um ihre
Freiheiten, welche sie durch deren Einfluß gefährdet glaub¬
ten , und endlich die Geldfordernngen, welche jener, an die
Städte zu stellen, sich genöthigt sah, trübten bald durch
einen Mißton den allgemeinen Jubel, welcher Heinrichs
erstes Auftreten begleitet hatte. Guido glaubte diese Lage
denn ausbeuten und sich ohne große Schwierigkeit der verhaßten
Deutschen entledigen zu können. Er zettelte gegen dieselben
eine Verschwörung an, welcher sich auch Matteo, dem er
zwar nicht an Unaufrichtigkeit, aber an Schlauheit nachstand,
wohl nur deßhalb beigesellt zu haben scheint, um ihn in
seinem Vorhaben zu bestärken und desto sicherer seinem Ver¬
derben zuzuführen. Am 12. Februar bekam Heinrich Kunde
von dem Berrathe, den Guido mit Matteo gegen ihn ange¬
sponnen haben sollte. Eine Abtheilung Bewaffneter wurde
abgeschickt, die Häuser der Adeligen zu untersuchen. Visconti
und die Seinigen, rechtzeitig davon unterrichtet, befanden
sich anscheinend unbewaffnet vor ihren Wohnungen, und
luden die Deutschen ein, einzutreten und sich zu erquicken.
Anders in Gnido's Palaste, wo man alle seine Freunde und
Anhänger in Waffen versammelt antraf. Es währte nicht
lauge, so kam es dort zum Kampfe, welcher durch das Zuströ¬
men der Genossen jeder Partei rasch an Ausdehnung gewann
und bald durch die Straßen der Stadt wogte. Es traten
bedenkliche Augenblicke ein; da erschien Matteo, über dessen
Verhalten der König die lebhaftesten Besorgnisse hegte, vor
demselben und versicherte ihn seiner unverbrüchlichen Erge¬
benheit, während zugleich die Meldung eiulief, daß sein Sohn
Galeazzo an der Seite der Deutschen fechte. Der Tapferkeit
i36
der Letzteren, weiche durch das heldemnüthige Beispiel des
jugendlichen Herzogs Leopold von Oesterreich zu den höchsten
Leistungen angespornt wurden, verblieb endlich der Sieg.
Die Paläste der Torriani fielen mit allen darin angehäuften
Kostbarkeiten den Deutschen in die Hände; sie selber aber
mußten Mailand den Rücken kehren, um es als Herren nie
wieder zu betreten.
Sie streckten wohl nicht alsogleich die Waffen, sondern
führten durch mehrere Jahre Krieg mit den Visconti; allein
weder Heinrichs spätere Mißerfolge und Tod, noch das
hierauf eingeganqene Bündniß mit König Robert von
Neapel, dem sie im Jahre 1313 die erst zu erringende
Herrschaft in Mailand antrugen, verschaffte ihnen jemals
mehr als den vorübergehenden Besitz einiger Vorstädte des¬
selben. Die am 4. Juli 1315 an der Scrivia geschlagene
Schlacht, welche Zonfredo della Torre das Leben und 80
vornehmen gnelfischen Edlen die Freiheit kostete, lähmte auf
Jahre ihren Unternehmungsgeist.
König Heinrich hatte anfangs auch den Visconti mi߬
traut und deßwegen nach dem Falle der Torriani Matteo
nach Asti und Galeazzo nach Treviso, wo dieser als Podestfi
regierte, verwiesen. Dank den Bemühungen des ihm treu
ergebenen Garbagnate, der dem Könige vorstellte, wie er
sich durch verleumderische Einflüsterungen eines weisen
Rathgebers hätte berauben lassen, wurde jedoch Matteo
nach wenigen Monaten schon nach Mailand zurückgerufen
und neuerdings in Gnaden ausgenommen.
Gastone, den Guidv's Eifersucht von der Theilnahme
an dem glänzenden Loose seines Hauses ausgeschlossen hatte,
mußte das Geschick desselben theilen, da es galt, das Brot
derVerbannung zu essen. Er nahm seine Zuflucht inAvignon
am Hofe Johanns XXII., der ihn aus König Roberts,
137
des Beschützers der della Torre, Fürbitte am 31. December
1316 zum Patriarchen von Aquileja ernannte *).
Mitte Januar des Jahres 1315 war Patriarch Otto-
buono de Razzi auf dem Wege nach Rom gestorben, woraus
das Capitel von Aquileja eines seiner Glieder, den Erz¬
diakon Gilo von Villalta an dessen Stelle erwählt hatte,
ohne daß diese Wahl von der päpstlichen Curie bestätigt
worden wäre. Des aus der lange anhaltenden Sedisoacanz
hervorgehenden Zustandes überdrüssig, hatte endlich das am
12. September 1316 in Cividale versammelte Parlament
den auf die Dauer derselben zum Generalcapitän ernannten
Grafen Heinrich II. von Görz beauftragt, sich durch Abge¬
sandte an den Papst zu wenden, auf daß das verwaiste
Patriarchat wieder ein Oberhaupt erhalte. Dieser Wunsch
war nun durch die Ernennung Gastone's erfüllt, welche
dieser selber in verschiedenen Schreiben dem Capitel von
Aquileja, dem Grafen Heinrich, dessen Sohne Meinhard VI.
und der Stadt Treviso zur Kenntniß brachte.
Daß übrigens eine Wiederbesehung des Patriarchen¬
stuhles überhaupt nicht nach dem Geschmacke vieler Herren
in Friaul war, zeigt uns die von einigen derselben am
18. Jänner 1317 zu Gemona unter sich und mit Padua
geschlossene Verbindung, welche gegen den zukünftigen Pa¬
triarchen, wer immer es auch werden möge, gerichtet war. Am
allerwenigsten erfreut über Gastone's jenen Herren noch nicht
bekannte Ernennung mochte aber Graf Heinrich sein, der,
nun schon zum dritten Male seit des Patriarchen Raimunds
*) Nachdem man damals das Jahr mit Weihnachten zu zählen
begann, so ist die Ernennungs-Bulle vom Tage vor dem Feste der
Beschneidung unseres Herrn im Jahre 1317 datirt, was mit obigem
Datum nbercinstimmt.
138
Tode Generalcapitän ^), mit um so größerem Widerstreben
die bereits zur Gewohnheit gewordene Herrschaft in Friaul
seinen Händen entgleiten sah, als er dieselbe nicht allein
dem Namen nach, sondern, wie er es bei der blutigen
Unterdrückung eines im Mai 1315 in Udine und Cividale
ausgebrochenen Aufstandes guelfisch Gesinnter bewies, mit
aller Kraft handhabte.
Um den in so hohem Grade unwillkommenen Verlust
der Gewalt mindestens möglichst lange hinauszuschieben,
brauchte Heinrich das allerdings einfache Auskunftsmittel,
die erfolgte Verleihung des Patriarchats an Gastone und
sogar den in Folge davon mit demselben über die Uebergabe
der patriarchalischen Orte in Carpentras bei Avignon einge¬
gangenen Vertrag als nicht geschehen zu betrachten. Ver¬
geblich wandte sich der Patriarch deßhalb wiederholt brieflich
mit Klagen an Heinrichs Gemahlin, die ihm verwandte
Beatrix; vergeblich erinnerte er den Grafen selbst an die
übernommenen Verpflichtungen. Kaum weniger wirkungslos
blieb es, daß der Papst endlich selber für Gastone eintrat
und am 28. September 1317 seinen Cardinal-Legaten in
Italien, Bertrand de Pojet und die Erzbischöfe von Mailand
und Ravenna zu Conservatoren des Patriarchats gegen dessen
Feinde und zu Richtern in allen bezüglichen Streitfragen
mit der ertheilten Ermächtigung ernannte, im Nothfalle den
weltlichen Arm aufzubieten und Zwangsmaßregeln in An¬
wendung zu bringen. Gastone mußte sich meistens herbei¬
lassen, das, was für ihn wirklich in Besitz genommen werden
sollte, zu kaufen, wobei ihm indeß noch häufig Heinrich zuvor¬
kam, der ihm, gerade was verfügbare Geldmittel anbelangt,
*) Zum ersten Male »ach dem Tode Raimunds, hierauf nach
des Patriarchen Peter Gera Ableben (1301) und nun wieder.
139
weit überlegen war. Der Reichthum beider Zweige des
görzischen Hauses war ja damals geradezu die hauptsäch¬
lichste Quelle seiner Macht, so wie seine allmälige Verar¬
mung die Ursache seiner späteren Bedeutungslosigkeit wurde.
Der stets wohlgefüllte Schatz hatte es Meinhard IV. mög¬
lich gemacht, seinen Hausbesitz ansehnlich zu vergrößern und
durch Vereinigung der verschiedenen Alpenthäler das seitdem
als zusammengehöriges Ganzes sich fühlende Land Tirol
gleichsam erst zu schaffen, und ohne das reiche väterliche
Erbe hätte sein Sohn wohl niemals die böhmische Königs¬
krone getragen. Als dasselbe in Folge bedeutender dadurch
bedingter Auslagen, so wie durch eine ungeregelte und un¬
verständige Gebarung aufgezehrt war, büßte der überdies
geistig unbedeutende Heinrich (ch 1335) alsbald fein König¬
reich und den größten Theil seines Einflusses überhaupt ein,
während die an Gold keinen Mangel leidenden Habsburger
ihre Besitzungen fortwährend erweiterten und namentlich im
folgenden Jahrhunderte die Görzer Grafen, welche ihnen
schon Tirol nach dem Aussterben der dortigen Linie hatten
widerstandslos überlassen müssen, durch vorgestreckte Sum¬
men sich beinahe gänzlich dienstbar machten. In ähnlicher
Weise dankte Graf Heinrich II. von Görz, der an staats¬
männischer Begabung zu seinem Oheime Meinhard IV.
hinanreichte und an sittlichem Werthe seinen Vater Albrecht II.
weit überragte, der persönlichen Muth und kühnen Unter¬
nehmungsgeist in vollem Maße besaß, und dem im Gan¬
zen doch auch ritterliche Denkungs- und Handlungsweise
nicht abgesprochen werden kann, ungeachtet dieser glän¬
zenden Eigenschaften, die ihn als die hervorragendste Ge¬
stalt in der ganzen Reihe der Görzer erscheinen lassen,
einen großen Theil seiner Erfolge den Geldmitteln, über
die er gebot.
140
Gastone kämpfte dagegen, wenn auch nicht mit Ent¬
behrungen, so doch mit drückenden Sorgen wegen des großen
Mißverhältnisses zwischen seinen nur spärlich fließenden
Einkünften und den hohen Anforderungen, die man von
allen Seiten an ihn stellte. Papst Johann XHI., der bei
seinem Tode 25 Millionen theils in barem Gelde, theils in
Kostbarkeiten hinterlassen haben soll, war eben nicht leicht
zu befriedigen und seine Cardinäle ließen das ihnen gege¬
bene Beispiel nicht unbeachtet. Am 5. März 1318 schrieb
der Patriarch von Avignon ans an seinen von ihm als
Generalvikar bestellten Bruder Rainald und beauftragte
ihn auf das dringendste, ihm wenigstens noch 18.000 Flo¬
rentiner zu senden, die er nothwendig brauche, um den
päpstlichen Hof verlassen zu können.
Rainald scheint Mittel und Wege gefunden zu haben,
dem Begehren des Bruders zu entsprechen, da dieser Ende
Mai in Marseille um 350 Goldgulden eine Galeere
miethen konnte, welche ihn und sein aus 40 Köpfen beste¬
hendes Gefolge über Genna nach Neapel bringen sollte.
Ohne Zweifel hatte Gastone dabei vornehmlich den Zweck
im Auge, König Robert für das bisher genossene Wohl¬
wollen zu danken und um die Fortdauer desselben zu bitten.
Von Neapel setzte er die Reise in seine Diöcese zu Lande
fort. Am 29. Juli befand er sich zu Siena, an welchem
Tage er dort die Pfarre Circhniviz (Zirknitz) an seinen
Caplan Taddeo da Palude vergab. Von da gelangte er nach
Florenz, wo sein Leben durch einen unglücklichen Zufall ein
unerwartetes Ende nehmen sollte. Am 20. August geschah
es, daß, als er durch die Straßen der Stadt ritt, sein Roß
sich plötzlich bäumte, nach rückwärts überschlug und ihn
selbst im Falle zu Tode drückte. Acht Tage darauf wurde
er in der dortigen Heiligenkrenzkirche bestattet.
141
Die Tradition, welcher bei dem gänzlichen Abgänge
von Inschriften auf den Särgen der torrianischen Patriarchen
in Aquileja in Betreff des Inhaltes derselben ein weites
Feld gelassen ist, schwankt in ihren Angaben bezüglich des
mächtigen, aus einem einzigen Blocke rothen Marmors,
jedoch ohne alle Verzierung gehauenen Sarkophages, welcher
jenem des Patriarchen Raimund zunächst steht. Bald soll er
die sterblichen Ueberreste Gastone's, bald jene seines Nach¬
folgers Pagano enthalten. Wir halten das Letztere für das
Richtige, da wir über Gastone's Begräbniß in Florenz und
seine dortige Grabschrift ^) bestimmte Nachrichten besitzen,
während von einer etwa später erfolgten Ueberführung des
Leichnams nach Aquileja nichts bekannt ist. Möglicher Weise
hat das zu Gastone's Seelenheile in der Ambrosiuscapelle
von Aquileja gestiftete Anniversarium zu dem Jrrthume, als
läge er selbst darin begraben, Anlaß gegeben.
Sobald die Kunde von dem Unfälle, welcher Gastone
betroffen hatte, in Avignon angelangt war, erließ der Papst
(am 4. September) die Erklärung, daß er die Wiederbe¬
setzung der Stelle seinem eigenen Ermessen Vorbehalte.
Nachdem aber beinahe an demselben Tage (6. September)
das nach S. Giovanni di Manzano berufene Parlament
abermals den Grafen Heinrich von Görz zum Generalcapi-
*) Sie lautet:
I>lanA-s tuam äs la lurrs, xarsus äomus iuel^ta, xrolsm:
?IaiiAS tuum tu sols carens, Quiles«,, solem.
8ol rutilaus Oastouus erat, tuus die katriarelia:
8ol rutilaus Nae, soes, säest eoutsctus iu aroda.
Isr ssnis auuis eonsuuctis mills trsesntis
lmx tuit ^ug-usti ssx biua äiss mor!sutis.
(jui lsAis, ut vivas, kutz-s vivsns res tuAitivas:
OuM xatst Nora tu^s, äs Latälons tu^s.
142
täu erwählt und damit auch die Einkünfte des Patriarchats
auf die Zeit seiner Erledigung demselben überantwortet
hatte, so beeilte sich die päpstliche Curie, den Bischof von
Padua, Pagano della Torre, vorläufig zum Administrator
von Aquileja zu ernennen.
Sie hätte, von ihrem Standpunkte ans, keine bessere
Wahl treffen, keine geeignetere Persönlichkeit finden können,
um der in der nordöstlichsten Ecke Ober-Italiens dem völli¬
gen Unterliegen nahen guelfischen Partei neuen Muth und
neue Kraft einzuflößen. Pagano, ein Sohn Caverna's, eines
Bruders des Patriarchen Raimund, war in Friaul nicht
allein durch seine dort schon beinahe heimisch gewordene Fa¬
milie gekannt, sondern auch in Folge seiner einstigen Wirksam¬
keit als Pfarrer von Pozzuolo, als Domherr, Dekan und
Schatzmeister der Kirche von Aquileja geachtet und, von einer
Partei mindestens, geliebt, wie er denn auch im Jahre 1319
bei seinem Erscheinen im Patriarchate von dem friaulischen
Dichter Pace aus Gemona besungen wurde. Wie viele
Anhänger er hier zählte und wie viel Vertrauen er bei diesen
genoß, hatte sich erst jüngst, da ihm das Capitel von
Cividale (am 27. November 1316) die Schlichtung mehre¬
rer obschwebender Streitfragen übertragen hatte, in einem
weit höheren Grade noch aber schon vor einer geraumen
Reihe von Jahren gezeigt, als er an des (1301) verstor¬
benen Peter Gera Stelle zum Patriarchen gewählt worden
war. Damals hatte der Papst sowohl ihm, als dem von der
Minderheit erwählten Otto von Ortenburg die Bestätigung
verweigert*), ihm jedoch zum Ersätze bald darauf (1302)
das durch Ottobuono's de Razzi Erhebung auf den Patri-
*) Der Bischof von Concordia, Jacob Ottonello von Hnnger-
spach, hatte sich mit aller Entschiedenheit der Wahl Pagano's, gewiß
143
archenstuhl von Aquileja frei gewordene Bisthum Padua
verliehen. Als Leiter desselben hatte Pagano sich als vor¬
züglicher Seelenhirt bewährt, in seinem Klerus die gelockerte
Disciplin gefestigt und unter den Bürgern der Stadt den
Frieden wieder hergestellt. Seiner Gelehrsamkeit war von
Seite des Papstes Clemens V. durch die specielle, auf sein
Erscheinen einen besonderen Werth legende Einladung zu
der Kirchenversammlnng von Vienne ein glänzendes Zeugniß
ausgestellt worden. Zudem hatte er schon wiederholt und
selbst mit den Waffen in der Hand seine unerschütterlich
guelfische Gesinnung an den Tag gelegt; so im Jahre 1308
unter den Mauern Ferrara's gegen die Venetianer, welche
in dem Erbstreite nach Azzo's VIII. von Este Tode wider
den heiligen Stuhl Partei genommen hatten; so in Mailand
an dem für sein Geschlecht so verhängnißvvllen Tage, als er
den anstürmenden Deutschen König Heinrichs an der Schwelle
seines Hauses unbewaffnet und im vollen Schmucke seiner
Würde mit kalter Unerschrockenheit entgegen getreten war;
so endlich in dem immer noch währenden Kampfe Padua's
gegen Cangrande della Scala, in welchem er Gelegenheit
gefunden hatte, zu beweisen, daß die allen della Torre
gemeinsame Tapferkeit und Kriegsgewaudtheit ihm unter den
friedlichen Beschäftigungen seines frommen Berufes nicht
verloren gegangen war. Endlich besaß Pagano durch seine
Persönlichen Beziehungen eine ganz besondere Eignung zur
Lösung der Aufgabe, die ihm nunmehr zufiel. Er gehörte
zu den Lieblingen des Königs Robert von Neapel; die
Grafen von Görz nannte er seine Verwandten und selbst
mit Friedrich dem Schönen vonOesterreich stand er im schrift¬
lichen Verkehre.
nur dessen guelfischer Gesinnung wegen, widersetzt und Otto von
Ortenburg in Vorschlag gebracht.
144
Wir glauben, an diesem Orte einer angeblich aus der
mündlichen Ueberlieferung geschöpften Nachricht, welche erst
durch viel spätere Geschichtschreiber in Umlauf gesetzt wurde,
Erwähnung machen zu müssen. Durch dieselbe wird dem
Patriarchen Pagano eine ganz ungewöhnlich vorurtheilslose,
über Parteileideuschaft erhabene Sinnesart zugemuthet, für
deren Annahme wir in seinem Charakter keinen genügenden
Anhaltspunkt finden, und welche übrigens Zeitgenossen
gegenüber, namentlich wenn sie politische Gegner sind, nur
höchst selten an den Tag gelegt wird. Dante, der heimatlose
Ghibelline, soll ihr zufolge im Jahre 1319 an Pagano's
Hofe eine Zufluchtsstätte gefunden und unter dessen Schutze
theils in Udine, theils mitten in der erhebenden Alpennatur
Tolmeins einige Gesänge seiner göttlichen Comödie gedichtet
haben. Obgleich in der Nähe Tolmeins eine Höhle und ein
Fels, auf welchem der Dichter gesessen haben soll, immer noch
seinen unsterblichen Namen führen, so sprechen doch wieder
zahlreiche, nicht zu widerlegende Gründe dafür, diese unver¬
bürgte Erzählung, so wie die Angabe, daß Dante zur selben
Zeit auch Hugo von Tybein — allerdings einen Gleichge¬
sinnten — in dessen Schlosse besucht habe, aus dem Be¬
reiche der Geschichte in jenen der Sage zu verweisen *).
Das Landvolk von Tolmein erzählt, daß der Dichter die
Nachte im dortigen Schlosse mit Rittern und edlen Frauen bei fröh¬
lichen Festen verbracht, die Tage über jedoch sich in der nach ihm be¬
nannten Höhle verborgen gehalten habe. Auch versichert es, daß ältere
Leute, welche ihr Tagewerk an jenem schauerlich schönen Orte in der
Dämmerung vorüberführte, seine ehrwürdige Gestalt in rothe Ge¬
wänder gehüllt, davor sitzen sahen.
Mehr über das Thatsächliche dieses Gegenstandes ist in lZiunollfi
s,ueü>,
Oosumellti II. 280.
166
anderen Ghibellinen, welche besorgten, Cane möchte seine
Drohung, zu den Guelfen überzugehen, wahr machen, sich
um eine Versöhnung bemühten, kam unter des Königs Ver¬
mittlung an demselben Tage, an welchem er Trient nach
Italien aufbrechend verließ, am 13. März ein zehnjähriger
Waffenstillstand zwischen Heinrich von Kärnthen, dem Gra¬
fen von Görz und den Städten Padua und Treviso einer¬
seits und Cane, dem Markgrafen von Este nebst Verona
und Vicenza andererseits zuwege. Daran schloß sich ein
gesondertes Abkommen Heinrichs von Kärnthen mit dem
Patriarchen, über welches wir jedoch nur wissen, daß letzterer
am 20. Juni dem Notar Odorico von Udine Vollmacht zur
Durchführung desselben gab. Wie gewöhnlich, verzögerte
sich diese ungebührlich lange, denn noch im Spätherbste war
man über bloße Versprechungen, die vereinbarten Bedin¬
gungen auch halten zu wollen, noch nicht hinausgekommen.
Am 13. November verpflichteten sich Konrad von Äuffen-
stein und Peter von Liebenberg dem Patriarchen gegenüber,
dahin zu wirken, daß die Zusagen Heinrichs und des Grafen
von Görz in allen ihren Theilen erfüllt würden, und zu¬
gleich versprach Liebenberg, das in seiner Hut befindliche
Schloß Arispergo, um das schon so lange gestritten wurde,
dem patriarchalischen Dienstmanne Bernhard von Strassoldo
zu übergeben.
Dennoch behielt in den gegenseitigen Beziehungen eine
gewisse Feindseligkeit die Oberhand. Im Februar 1328
trat das Parlament in Udine zusammen, um über die Ma߬
regeln , welche der in nächster Aussicht stehende Durchzug
des Herzogs von Kärnthen nothwendig machte, zu berath-
schlagen und zu beschließen. Es hatte nämlich Heinrich am
19. Jänner zu Meran den Abgeordneten von Padua die be¬
stimmte Zusicherung ertheilt, ihrer Stadt gegen alle Feinde
167
beizustehen und zu diesem Zwecke am nächsten Georgitage
dort selbst einzutreffen; da aber seine Unternehmungen er¬
fahrungsmäßig seinen Gegnern gewöhnlich weit weniger ver¬
derblich waren, als den befreundeten oder neutralen Land¬
schaften, die er auf seinem Wege berührte, Pagano außerdem
die Neutralität nicht strenge beobachtet, sondern in seiner
gegen Heinrich gereizten Stimmung oder vielleicht auch nur,
weil er zu einer erfolgreichen Weigerung sich nicht stark genug
wußte, hingegen durch seine Einwilligung das Wohl des Landes
am sichersten zu wahren hoffte, im Monate März dem, Cane
zu Hilfe ziehenden Grafen Friedrich von Veglia und Modrusch
den Durchzug gestattet hatte, hegte man nun in Friaul
allenthalben die größten Besorgnisse. Udine traf im Laufe
des Sommers die umfassendsten Vorkehrungen, um die Herren
von Ortenburg und von Auffenstein, deren Ankunft aus
Kärnthen und Padua man entgegensah, kräftigst abzuweisen.
Die Befestigungen der Stadt wurden in Vertheidiguugsstand
gesetzt, Kundschafter nach allen Richtungen ausgesandt, Männer
in Dienst genommen, welche Tag und Nacht auf dem Glocken-
thurme ausspähen und im Nvthfalle Sturm läuten sollten,
und den Einwohnern von Sacile auf ihre Bitte 15 bewaffnete
Fußknechte zugeschickt. Trotz der durch diese Anstalten der
Gemeinde erwachsenen Auslagen, konnte dieselbe, wie der
gleichzeitige Bericht selbstgefällig hinzufügt, zur Behauptung
ihres alten Glanzes 37 Ellen grünen und rothen Tuches
kaufen, um damit ihre Herolde neu zu kleiden. Alle diese
Befürchtungen erwiefen sich jedoch als ebenso unbegründet,
wie die auf Heinrichs Kommen gebauten Hoffnungen der
Paduaner, welche endlich des langen Widerstandes müde, sich,
hauptsächlich durch Marsilio's von Carrara Zuthun, dem
Schicksale, welchem sie schließlich doch nicht entgehen konnten,
freiwillig ergaben und im Monate September den nun am
168
Ziele eines seiner heißesten Wünsche stehenden Cane zur
Uebernahme der Herrschaft in ihre Stadt luden.
In Istrien erlitt das Patriachat in demselben
Jahre neuerliche Verluste, da Pola und Valle sich förmlich
unter venetianische Hoheit begaben und Pagano in kluger
Würdigung der obwaltenden Machtverhältnisse, wie bei dem
um zwei Jahre später erfolgten Abfalle Rovigno's, diesen
Vorgang nachträglich durch einen Vertrag sauctionirte, nach¬
dem er, durch das Beispiel seines Oheims Raimund wahr¬
scheinlich gewitzigt, wohl erkannt haben mochte, wie wenig
er Venedig mit dem Heere, welches er anfänglich zum
Kriege gegen dasselbe aufgestellt hatte, etwas anzuhaben im
Stande wäre.
Der kleinliche Hader mit Heinrich von Kärnthen dauerte
dabei ohne Unterbrechung fort. Am 15. März 1329 klagte
derselbe aus Gries bei Botzen bei dem Patriarchen, daß dessen
Leute einen seiner Unterthanen erschlagen hätten, worauf aber
Pagano mit vollem Rechte ebenfalls klagend entgegnete, daß
nur durch des Herzogs Leute, welche so viele Orte in Friaul
unrechtmäßiger Weise besetzt hielten, die beabsichtigte Be¬
strafung der Uebelthäter verhindert worden sei. Daß Heinrich,
dessen Sache rasche Entschlüsse und kräftiges Handeln über¬
haupt nicht waren, es in dieser unbedeutenden Angelegenheit
bei jenem Austausche von Beschwerden bewenden ließ, kann
uns nicht überraschen; wohl aber die Unthätigkeit, mit der
er zusah, wie Cane von Padua aus Treviso, das immer
noch seinem Mündel Johann Heinrich gehorchte, ernstlich
gefährdete. Dieses werthvolle Besitzthum ging den Görzern
unwiederbringlich verloren, als es sich am 18. Juli nach
vierzehntägiger tapferer Vertheidigung, während welcher es
von dem Herzoge von Kärnthen nichts als unerfüllt bleibende
Versprechungen erreichen konnte, an Cane ergeben mußte,
169
welcher indeß dort drei Tage nach seinem Einzuge, wie es
ihm vorhergesagt worden sein soll, am Gipfel seines Ruhmes
und seiner Macht angelangt, eines plötzlichen Todes starb.
In der Zwischenzeit waren insbesondere in Istrien im
Namen des Grafen von Görz durch die ihm ergebenen Herren
Hugo von Tybein und Peter von Pietra pelosa auf patriar¬
chalischem Gebiete gewaltthätige Handlungen verübt worden,
über welche der Patriarch bei seinem Parlamente wiederholt
Klage führte, als es zu Udine im Monate Juni zur Be-
rathung verschiedener Gegenstände, und einen Monat später
ein zweites Mal zu einem Colloquium znsammentrat, durch
welches zur Hintanhaltung einer drohenden Hungersnoth ein
strenges Getreide-Ausfuhrverbot erlassen wurde. Daß Pagano
ein Heer sammelte und daß es wirklich zu Feindseligkeiten
mit dem Grafen von Görz kam, wissen wir durch zwei, diese
Umstände erwähnende Urkunden und durch die im folgenden
Herbste stattgefundenen Friedensunterhandlungen, ohne über
die einzelnen Vorfälle genauer unterrichtet zu sein. In dem
ersten dieser Documente verleiht der beim Heere anwesende
Patriarch am 12. September zu Monfalcone seinem Ge¬
treuen Conrad, genannt Ungnad von Wippach, zur Belohnung
für die Dienste, die er in dem Kriege mit Görz bereits ge¬
leistet und noch ferner zu leisten versprochen harte, das Ga-
staldat von Wippach auf ein Jahr. Das zweite ist aus Gemona
vom 15. desselben Monates datirt, und enthält den Auf¬
schub der Entscheidung in einer Streitsache bis nach der Rück¬
kehr des Patriarchen vom Heere.
Dem, wie es scheint, ereignißlosen Streite folgte bald
der Friede, dessen Zustände sich übrigens damals in den Ge¬
genden, von welchen wir reden, kaum von jenen des Krieges
zu unterscheiden pflegten. Raul von Eberstayn, der Bevoll¬
mächtigte des Grafen Albrechts IV. von Görz, den der Vor-
170
mund Johann Heinrichs oor kurzem mit 2000 Mark Be¬
stallung und unter der Bedingung, als Vikar den Schutz
Treviso's zu übernehmen, zum Verweser in Görz, Friaul,
Istrien und am Karste ernannt hatte, kam am 8. October mit
den - Bevollmächtigten des Patriarchen in S. Giovanni di
Manzano zusammen. Vorläufig kam nur ein Waffenstillstand
zu Stande, für dessen Einhaltung sich am folgenden Tage
Johann von Villalta und Friedrich von Savorgnano bei dem
Patriarchen und gleichzeitig andere Herren in Monfalcone bei
dem Grafen eidlich verbürgten. Zur eigentlichen Schlichtung
der Streitfrage compromittirte man auf Guido von Man¬
zano, Artico von Prampergo, Griffo von Reutemberg und
Collouus von Ulasperg, deren Bemühungen die Herstellung
eines guten Einvernehmens gelungen sein muß, nachdem
Pagano am 16. August 1330 bei Predemano rips,
torreirtm, 6t 8uk urstore nrrors zum Schiedsrichter ge¬
wählt wurde, um den lange schon andauernden Streit zwischen
der Gräfin Beatrix und mehreren Gemeinden Istriens zum
Austrage zu bringen.
Die Art, in welcher das Parlament sich an dem Ab¬
schlüsse dieses Friedens betheiligte, zeigt uns die große Ge¬
walt, welche es unbestritten ausüben konnte. Sich nicht damit
begnügend, daß es vorher über denselben zu Rathe gezogen
worden war, unterzog es ihn dann noch seiner Bestätigung,
indem es einen eigenen Bevollmächtigten zur Unterzeichnung
des Friedensinstrumentes abordnete. In noch auffallenderer
Weise tritt die ungewöhnliche Bedeutung, welche dem Parla¬
mente zukam, aus den Thatsachen hervor, daß es in Streit¬
sachen Berufungen von der patriarchalischen Curie anzunehmen
berechtigt war, daß es im Jahre 1330 seinen Mitgliedern,
deren unabhängige Stellung hiedurch eine grelle Beleuchtung
erfährt, jede dem Patriarchate zum Schaden gereichende Per-
171
bindung mit Fremden so gut wie dem Patriarchen selber zu
untersagen für nothwendig erachtete, ja daß es sogar Anord¬
nungen dieses Letzteren, wie es aus der nachfolgend zu erzäh¬
lenden, an sich ganz untergeordneten Begebenheit unzwei¬
deutig hervorgeht, auszuheben wagen durfte.
Im Gegensätze mit dem Geiste unserer, alle Vorrechte
vernichtenden Zeit suchte das Mittelalter dem Streben nach
Gleichheit, welches der menschlichen Natur niemals fremd
war, durch möglichst ausgedehnte und zahlreiche Verleihungen
oft höchst sonderbarer Privilegien gerecht zu werden. So besaß
das damals durch seine Handelsbeziehungen wichtige, und in
Folge dessen durch Ansehen und Reichthum hervorragende
Gemona, welches im Jahre 1204 die inseinen Mauern ge¬
feierte Vermählung Azzo's VI. von Este mit Alisia, der
Tochter Rainalds von Antiochien, durch prunkvolle Feste ver¬
herrlicht hatte, und in welchem hohe Reisende gemeiniglich
länger zu verweilen pflegten, schon im Jahre 1277 das
Recht, daß alle über die Alpen gehenden oder kommenden
Maaren eine Nacht daselbst verbleiben, bestimmte Abgaben
zahlen und ausschließlich mit Gespann und Wagen seiner
Bürger weiter gefahren werden mußten. Als nun die Stadt
Villach in Kärnthen, gewiß als Repressalien für diese, zu
häufigen Reibungen Anlaß gebenden Vorrechte Gemona's,
im Jahre 1331 ähnliche Bevorzugungen für ihre Einwohner
in Anspruch nahm, antwortete Pagano darauf mit dem
strengen Befehle, daß keine Fuhrwerke aus Villach sich in
Friaul, von Gemona und Venzone abwärts, blicken lassen,
sondern alle Maaren in jenen Orten auf, der Controle
wegen mit einem Stempel zu versehende Wagen des Landes
umgeladen werden sollten. Das Parlament verrieth einen
freieren Blick, als der Patriarch, und verfügte, die erwartete
Gegenseitigkeit in dieser Angelegenheit mit Nachdruck betonend,
172
daß die Gefährte der Villacher im ganzen Lande frei verkehren
und insbesondere durch die Bewohner von Venzone, Gemona,
Latifana und Aquileja in keiner Weise belästigt werden dürften;
ja es ging iu feinen freihändlerischen Tendenzen noch weiter
und hob die in Venzone und Ospedaletto neu eingeführten
Mauthen wieder auf. Pagano konnte diesen Maßregeln, wenn
auch nach einigem Widerstreben, seine endliche Genehmigung
nicht versagen.
Das Jahr 1331 brachte überhaupt dem Patriarchen
die verschiedenartigsten Geschäfte und Tätigkeiten. Am 17.
April kündigte er im Auftrage des apostolischen Legaten
Bertrand „seinem lieben Freunde, dem erlauchten Herrn
Franz Dandolo, Herzoge von Venedig, Dalmatien und Cro-
atien, so wie auch Herrn des vierten Theiles und der Hälfte
des ganzen römischen Reiches nicht gerne, sondern zu seinem
Bedauern" den Bann an, welchen sich derselbe in der An¬
gelegenheit „jenes Grafen" (wahrscheinlich des Markgrafen
von Este) zugezogen hatte.
Tags darauf sehen wir den Patriarchen, die beinahe
alljährig wiederkehrenden Beschwerden über Bedrückungen des
Grafen von Görz und des Herrn von Pietra pelvsa dem Par¬
lamente in Udine vorbringen. Wenn wir auch über diese
Sache keine ausführlicheren Nachrichten besitzen, so glauben
wir doch nicht irre zu gehen, wenn wir die Anwesenheit eines
patriarchalischen Heeres unter Carlevario della Torre zu
Slavina in der Poik im Monate August damit in Zusammen¬
hang bringen.
Mit den Herren von Camino, welche im verflossenen
Jahre jedes Bündniß mit den Feinden der Kitche von Aquileja
abgeschworen und das widerrechtlich besessene Meduna der¬
selben zurückgestellt, dagegen von Pagano dessen Nichte Leo-
nardina für Rizzardo's von Camino Sohn Tolberto, und
173
das Gastaldat Meduna auf die Zeit eines Jahres von Georgi
1331 an zugesichert erhalten hatten, ging das werthvolle
Einverständniß wieder verloren. Am 24. April forderte der
Patriarch von den Brüdern von Camino, daß, wie es ausbe¬
dungen war, entweder die Republik Venedig oder zehn Herren
aus den friaulischen Familien Prata, Porciliis, Castello,
Cucanea, Spilimbergo, Valvasono, Colloredo, Mels und
Villalta für die Zurückgabe Meduna's nach einem Jahre sich
verbürgen sollten. Nachdem aber diese Bürgschaft nicht ge¬
leistet wurde, behielt Pagano das Gastaldat einstweilen in
seiner Hand und trug dem Morando de Porciliis, der es bis
nun verwaltet hatte, auf, dasselbe nach Ablauf des, den
Herren von Camino zur Bürgenstellung gewährten verlängerten
Termins zuversichtlich niemandem anderen als den von ihm
selber zur Uebernahme Beauftragten zu übergeben.
Das merkwürdigste Ereigniß dieses Jahres bleibt aber
das am 24. April zu Udine abgeschlossene, und durch eine
bald darauf zu Campardo stattgefundene persönliche Zu¬
sammenkunft bekräftigte Bündniß Pagano's mit Cane's Söhnen
Albert und Mastino.
Wir können kaum mehr als ein nur äußerliches Zu¬
sammentreffen darin erkennen, daß der demselben zu Grunde
liegende Vertrag das Datum jenes Tages trägt, an welchem
der Patriarch durch sein Vorgehen in dem Handel wegen
Meduna die Feindschaft der Caminesen heraufbeschwor, und
höchstens zngeben, daß die Besorgniß vor deren Wiederaus¬
bruche sein Zustandekommen beschleunigt habe. Zugleich sei
es aber ausgesprochen, daß wir uns über die eigentlichen Be¬
weggründe, welche Pagano bei diesem überraschenden Schritte
leiteten, nicht volle Rechenschaft abzulegen vermögen. Aller¬
dings lag es im Interesse der Herren della Scala, sich um
Freunde umzusehen, seit sie durch die ungewöhnlichen Erfolge
174
des von den Guelfen ursprünglich nur zum Schutze Brescia's
gegen Mastino gerufenen Königs Johann von Böhmen, der
bereits über einen großen TheilOberitaliens gebot, in ihrem
vom Vater ererbten Besitze Verona's sich bedroht fühlten. Wie
kam es aber, daß sie einen solchen an dem Guelfen Pagano
fanden; wie kam es, daß dieser sich zu einer Verbindung
herbeiließ, deren Spitze gegen Johann gerichtet war, welcher
doch, wie alle Böhmenkönige als der mächtigste, nach Unab¬
hängigkeit vom Reichsoberhaupte strebende Fürst Deutsch¬
lands, es auch gerade jetzt durch sein Auftreten wieder be¬
weisend, der natürliche Bundesgenosse der guelfischen Partei
in Italien und überdies mit dem gehaßten Baiern Ludwig
ganz zerfallen war, feit derselbe jüngst die Habsburger durch
die Aussicht auf Kärnthens Erwerbung gewonnen, und da¬
durch Johanns Pläne für die Vergrößerung seiner Hausmacht
zerstört hatte. Sollte Pagano ganz allein seinem Wider¬
willen gegen Heinrich von Kärnthen dabei nachgegeben haben,
welcher damals durch die unlängst vollzogene Vermählung seiner
Tochter Margarethe, genannt Maultasche, mit dem gleich¬
namigen Sohne König Johanns, diesem enge verbunden und
wie dieser gegen den Kaiser höchst aufgebracht war, weil die
den Habsburgern gemachten Zusagen in Betreff Kärnthens und
Ludwigs eigene, auf Gewinnung Tirols gerichtete Absichten,
eine gänzliche Nichtbeachtung jenes am 6. Februar 1330 zu
Meran ertheilten, später von Herzog Rudolf IV. von Oester¬
reich gegen die Erbrechte der Görzer in Tirol angerufeuen kaiser¬
lichen Privilegiums in sich begriffen, welches in Ermanglung
männlicher Nachkommen Heinrichs Töchtern und Bruders¬
töchtern die Nachfolge in allen Reichslehen zugestand. Beinahe
unerklärlicher noch ist es aber, daß Pagano's Bündniß mit
den della Scala im Sommer des Jahres 1332, da König
Johann sich mit Ludwig vollkommen ausgesöhnt, dagegen unter
175
den italienischen Gneisen viele Feinde erweckt hatte, bereits
gelöst erscheint, indem wir um diese Zeit in Friaul alle Vor¬
kehrungen gegen einen Einfall der Herren von Verona treffen
sehen. Ja noch mehr; in denselben Tagen, in welchen die
Scaligeri, die Este, die Visconti und die Gonzaga gegen den,
Guelfen wie Ghibellinen gleich gefährlich werdenden könig¬
lichen Abenteuerer zu Ferrara einen in Italien noch nicht er¬
lebten Bund mit Florenz und König Robert von Neapel ein¬
gehen (16. September), schließt Pagano zu Udine (am 6.
September) mit der Gräfin von Görz ein enges Schutz-
und Trutzbündniß gegen die della Scala. Vielleicht läßt sich
diese letzte Wandlung in des Patriarchen Parteistellung auf
Ränke des päpstlichen Legaten Bertrand zurückführen, der in
Verfolgung seiner eigennützigen Ziele — er hatte beim
heiligen Stuhle bereits die Betrauung mit dem Grasenamte
in der anconitanischen Mark für sich durchgesetzt — und im
geheimen Einverständnisse mit König Johann, die Markgrafen
von Este und die Florentiner, welche ihm im Wege standen,
auf jede mögliche Weise anfeindete.
Ein empfindlicher Verlust für Pagano muß es gewesen
sein, als des Patriarchen Gastone Bruder Rainald, an dein
er gewiß jederzeit einen ebenso ergebenen als erfahrenen
Freund und Rathgeber gefunden hatte, gegen Ende des Jahres
1331 das durch eine lange Reihe von Jahren bekleidete
Amt eines Schatzmeisters der Kirche von Aquileja, der mit dem
Alter sich einstellenden körperlichen Gebrechen wegen, nieder¬
legte, und sich aus der Oeffentlichkeit zurückzog, um bald
darnach, am 1. Mai 1332 ganz aus diesem Leben zu scheiden.
Noch zweier, trotz ihrer nur nebensächlichen Bedeutung
nicht ganz uninteressanter Vorfälle desselben Jahres haben
wir zu gedenken. Während in Cividale gegen die, mit der
ihrem Volke eigenen Zähigkeit an ihren alten Gewohnheiten
176
sesthaltendeii slavischeu Bewohner des Hochgebirges von
Karfreit (Caporetto), welche einem Baume und der an
dessen Wurzeln hervorsprudelnden Quelle abgöttische Ver¬
ehrung zollten *), das Kreuz gepredigt, und mit der, au den
alten Stamm gelegten Axt ein letztes Ueberbleibsel längst
entschwundener Tage ausgerottet wurde, hielten die Vorläufer
der anbrechenden neuen Zeit dort ihren lärmenden Einzug. Bei
einem am 15. September auf die Brückenvorstadt Cividale's
in räuberischer Absicht unternommenen Ueberfalle der Herren
von Zuceula und Villalta fanden, wie es den Anschein hat,
in Friaul zum ersten Male Feuerwaffen eine Anwendung.
Wir stehen jetzt am Ende von Pagano's Laufbahn, und
haben vom Abende seines bewegten Lebens wieder nichts als
Krieg zu berichten. Die Befürchtungen vor den, durch König
Johann und seinen Sohn Carl beschäftigten della Scala
waren nicht zur Wahrheit geworden; dafür hatte es ein alter
Verbündeter ihres Hauses übernommen, den Patriarchen zu
beunruhigen. Graf Friedrich von Beglia sandte seinen Sohn
mit einem Heere, bei dem sich auch Heinrich von Ortenburg
befand, über Görz nach Friaul, wo noch Nicolaus von Castello
mit anderen Mißvergnügten zu denselben stieß, während von
Kärnthen aus der Auffensteiner die Landesgrenze bedrohte.
Ende November 1332 lagerten die -Feinde vor Udine, worauf
ein Friede zu Stande kam. Mit Unmuth mag es den in der
Stadt eingeschloffenen Patriarchen, so oft das Getöse des
Kampfes zu seinen Ohren drang, erfüllt haben, daß er nimmer
*) Der Analogie halber erwähnen wir hier, daß ungefähr zwei¬
hundert Jahre früher der heil. Otto, Bischof von Bamberg, da er
für die Verbreitung des Christenthums unter den nordischen Wenden
thätig war, in Stettin eine von denselben heilig gehaltene Eiche, an
deren Fuße eine Quelle entsprang, zertrümmert hatte. Einer der vier
dortigen Heidentempel war dem Triglav geweiht, dessen dreiköpfiges
Götzenbild nach Rom gesendet wurde.
177
sein Roß besteigen und das Schwert schwingen konnte, wie
ehedem. Das Alter hatte seine Rechte geltend gemacht; ein
heftiger Gichtanfall hielt ihn an das Krankenlager gefesselt.
In der Nacht vom 18. auf den 19. Dezember erlöste ihn der
Tod von seinen Leiden.
Tags darauf forderte Gerhard von Cucauea, daß ihm
die Siegel des Verstorbene» ausgefolgt würden, um sie, wie
es seines, in seiner Familie erblichen Amtes war, in Stücke
zu schlagen. Ein großes und ein kleines Siegel, beide von
Silber und an silbernen Kettlein hangend, fanden sich vor.
Alles sonstige Geräthe des Sterbezimmers gehörte nach altem
Gewohnheitsrechte denen von Cucauea; eswarnicht viel davon
vorhanden: eine Matratze, zwei Tragbetten, einige Bänke und
eine leere Truhe; das war alles. Pagano war es bestimmt,
auch nach dem Tode noch eine schwere Unbill zu erfahren.
Als seine entsellte Hülle von Udine zur letzten Ruhestätte
nach Aquileja überführt wurde, lauerte ein ehemaliger Kriegs¬
mann des Dahingeschiedenen mit seinen Spießgesellen dem
Tranerzuge auf und raubte, nachdem er die schwache Be¬
deckung durch ungestümen Angriff in die Flucht gejagt hatte,
die kostbaren Gewänder und Geschmeide, mit welchen die
Leiche angethan war. Daherkommende Laudleute fanden die¬
selbe sogar des Hemdes entblößt an dem Wege liegen und
brachten sie an ihre Bestimmung.
Die bereits in einer Note erwähnte Sammlung Bianchi's
liefert durch die mitgetheilten Urkunden in ihrer Gesammtheit
ein ziemlich vollständiges Bild der, in manchen Beziehungen
betrübenden Zustände, welche inFriaul unter den Regierungen
der Patriarchen Gastone und Pagano herrschten. Beim Durch¬
blättern der zwei stattlichen Bände, aus denen sie besteht,
erstaunt man zuvörderst über die Gattung und die Unbedeu¬
tendheit vieler Geschäfte, über welche notarielle Acte unter
Aquileja. 42
178
ängstlicher Beobachtung der bei ihrer Aufnahme gewöhnlichen
Formalitäten und mit Hinzufügung aller nur denkbaren, zur
Verhütung allfallsigerUebervortheilungen bestimmten Klauseln
und Vorsichten ausgefertigt wurden, und es werden Zweifel
dabei rege, ob Treue und Glaube damals in Wahrheit, wie
man so häufig behaupten will, um so vieles allgemeiner ver¬
breitet waren, als jetzt. Daß zwei Barbiere ihren Geschäfts-
Vertrag in Gegenwart vieler Zeugen durch die Hand eines
Notars auf Pergament schreiben lassen, mag uns noch be¬
greiflich erscheinen, obgleich das gemeinsame Betriebscapital
nur aus vier Schüsseln, vierzehn Messern, zwei Scheeren,
zwei Zangen zum Ausziehen von Zähnen und noch einigen
Kleinigkeiten bestand; wozu alle diese Förmlichkeiten beim
Verkaufe eines über Medicin handelnden Buches, dessen
Preis — zwei Mark — übrigens für die Seltenheit und
Gesuchtheit ähnlicher Werke spricht, dienen sollten, vermögen
wir schon gar nicht einzusehen; wahrhaft ungeheuerlich aber
finden wir seines Inhaltes wegen einen Vertrag, welchen
zwei Männer, überdies im Franciscaner-Kloster zu Cividale
— allerdings an einem sonst Rechtsgeschäften nicht gewid¬
meten Orte — vor mehreren Zeugen zu dem Zwecke schlossen,
um Kaufleute aus Villach in Gemeinschaft zu ermorden und
zu berauben.
So verlockend es auch wäre, müssen wir es uns doch
versagen, aus den achthalbhundert Urkunden, namentlich aus
den interessanten Statuten (Städte- und Gemeindeordnungen)
von Udine, Cividale, Spilimbergo und Cladrezis oder aus
den zahlreichen Verfügungen über Zölle, Gerichtsbarkeit,
Polizei u. dgl. weitere Einzelnheiten herauszulesen, da uns
dies weit über die selbst gesteckten Grenzen hinausführen
würde. Einiges nur, welches den Patriarchen Pagano selbst
betrifft, sei uns hervorzuheben gestattet.
179
Ueber seine Einkünfte, welche einen bestimmenden, in
der Regel hemmenden Einfluß auf seine Entschließungen
und Handlungen übten, entnehmen wir einer, im Jahre
1330 vorgenommenen Schätzung, daß er von seinen stimmt-
lichen Präbenden und Beneficien jährlich 3712 Mark bezog,
von welchem Betrage ungefähr der fünfzehnte Theil(233Vz
Mark) unter dem Titel „Prvcuration" unmittelbar in die
Casse des päpstlichen Legaten floß. In Bezug aus die patri¬
archalische Münze erfahren wir, daß dieselbe im Jahre 1321
an Meister Lapuccio aus Florenz, im Jahre 1330 aber au
Meister Thomas de Anellis aus Parma verpachtet wurde
und daß jede Münzveränderung dem Patriarchen einen nam¬
haften Gewinn abwarf, da er dem Pächter gegenüber keine
anderen Verpflichtungen übernahm, als diesem selber und
dessen Leuten ausgiebigen Schutz zu gewähren, die alten
Münzen außer Umlauf zu setzen und die Ausfuhr edler Me¬
talle zu verbieten, dagegen aber für jede geprägte Mark
Denare vier Solidi, für die Mark kleiner Scheidemünze
einen Solido als Abgabe einhob.
Ueber den Klerus im Allgemeinen bekommen wir eine
gar üble Meinung, da wir nicht selten Geistliche und selbst
Domherren wegen Schulden, Wuchers, Spielens oder gar in
Thätlichkeiten ausartender Streitigkeiten in Kirchenbußen ver¬
fallen sehen *), so daß Pagano's mit unbestreitbaren Vor-
*) Schon Patriarch Raimund hatte es im Jahre 1278 noch-
wendig befunden, seine Geistlichen durch strenge Anordnungen und An¬
drohung von Strafen an die Pflichten ihres Standes zu mahnen. Vor
allem schärfte er ihnen die Abhaltung und den Besuch des Gottes¬
dienstes ein. Wer die Frühmette versäumte, erhielt kein Brot; wer auch
zur Messe zu spät kam, überdies keinen Wein und wer sogar noch bei
der Vesper fehlte, an diesem Tage gar nichts. Ferner verbot er jede
unehrbare Kleidung und den Besuch der Schenken. Auch sollten die
Domherren zu ihren Regeln zurückkehren, die Pfründner in der Nähe
12»
180
zügen und Tugenden ausgestattete Persönlichkeit in der theil-
weisen Verderbtheit seiner Umgebung eine sie in um so
hellerem Lichte strahlen machende Folie erhält.
Einen Augenblick müssen wir noch bei der in zahl¬
reichen Urkunden uns entgegentretenden Leibeigenschaft ver¬
weilen, welche wohl überhaupt zu den bedauerlichsten Merk¬
malen jenes Zeitalters gehörte, aber in Friaul eine ganz
außergewöhnliche Ausdehnung gewonnen hatte nnd über alle
gesellschaftlichen Verhältnisse desselben seine tiefen Schatten
warf. Es gibt kaum eine Art von Handelsgeschäften, welche
wir nicht damals über Menschen, wie über willenlose Sachen
geschlossen verzeichnet fänden. Am empfindlichsten aber viel¬
leicht fühlen wir uns in unseren heutigen Anschauungen über
Menschenwürde durch jenes, die menschliche Natur im Leib¬
eigenen gänzlich verläugnende Document verletzt, mittelst
dessen ein Herr von Varmo seiner neuvermählten Gattin
einen Mann zu dem von der Sitte geforderten und Dis-
montadur genannten Geschenke machte, mit welchem jede junge
Frau beim Eintritte in das Haus ihres zukünftigen Ehege¬
mahls — nach der Etymologie des Wortes eigentlich bei dem
Absteigen vor dem Hause — von demselben begrüßt werden
mußte.
Ein Vierteljahrhundert nach Pagano's Tode bestieg
der letzte della Torre den Patriarchenstuhl von Aquileja.
Ludwig, ein Sohn Raimunds della Torre aus dessen
Ehe mit Anfonisia von Villalta, einer Friaulerin, ein Enkel
des bei Desio in Gefangenschaft gerathenen und in den
Kerkern des Schlosses Baradella an den Leiden und Ent¬
behrungen der strengen Haft gestorbenen Lombardo, hatte
ihrer Kirchen wohnen, sowie endlich Kebsweiber und deren Kinder
binnen acht Tagen für immer ans dem Hanse geschafft werden.
181
schon frühzeitig eine Domherrnstelle an dem Capitel von Ci-
vidale erhalten und sich mehrfacher Aufträge Pagano's an
dem päpstlichen Hofe mit Glück und Geschick entledigt. Im
Jahre 1347 war er auf den bischöflichen Sitz von Triest
erhoben, schon drei Jahre später jedoch nach Olenos und dann
nach Koron versetzt worden.
Als Papst Jnnocenz VI. am 10. Mai 1359 dem
am 29. Juli des verhergegangenen Jahres zu Belluno aus
dem Leben geschiedenen Patriarchen Nicolaus I. einen Nach¬
folger gab und sich dabei für Ludwig entschied, befand sich
dieser eben, gewiß nicht blos zufällig, zu Avignon. Tags
darauf schon setzte der neue Patriarch selber die Stadt Udine
schriftlich von der getroffenen Wahl in Kenntniß. Bis zum
Eintreffen in seiner Diöcese verstrichen indeß noch mehrere
Monate; denn erst am 5. September nahm er, in Aquileja
feierlich einziehend, von seiner Kirche Besitz.
Ludwigs Bemühungen, die vielseitig geschmälerten
Gerechtsamen und Besitzungen des Patriarchates in ihrem
vollen Umfange wiederherzustellen, führten bald zu, beinahe
seine ganze Regierungszeit ausfüllenden, Verwicklungen der
ernstesten Art nicht allein mit vielen seiner Vasallen und mit
seinen Schirmvögten, sondern auch mit einer noch weit ge¬
fährlicheren Macht, deren maßgebendes Eingreifen in die
friaulischen Angelegenheiten übrigens aus der jüngsten Zeit
herstammte. Vor nicht ganz hundert Jahren hatte die dem
Patriarchen Gregor von Montelongo von Seite Albrechts II.
von Görz widerfahrene unwürdige Behandlung Ottokar II.
von Böhmen den erwünschten Vorwand geliefert, seinen Ein¬
fluß über die südlichen Abhänge der Alpen vorzuschieben.
Wieder war es ein Act roher Gewalt, diesmal aber ein
scheußliches, an einem als Priester wie als Regent gleich hoch
stehenden Manne verübtes Verbrechen, welches unlängst einen
182
fremden Fürsten, ein fremdes Heer als Gebieter ins Land
gerufen hatte.
Durch den Mord des Patriarchen Bertrand von S.
Ginnes (1334—4350), der am 6. Juni 1350 am Ri¬
chenvelde nächst Spilimbergo, durch Leute der Görzer und
empörte Vasallen unter Führung der Herren von Spilim¬
bergo und von Villalta angegriffen, unter des Letzteren
Streichen seinen Tod gefunden hatte, war den Habsburgern,
auf welche mit den babenbergischen Herzogthümern auch die
der Gründung eines großen Ostreiches geltenden Pläne ihres
im Kampfe gefallenen Gegners übergegangen schienen, die
ohne Zaudern ergriffene Gelegenheit geboten worden, einen
Versuch zur Ausdehnung ihrer Herrschaft über das Patriarchat
zu unternehmen. Die Umstände waren überaus verlockend;
reichte ja die österreichische Machtsphäre feit der nach Hein¬
richs von Kärnthen Ableben im Jahre 1335 erfolgten Unter¬
werfung dieses Landes bis auf den Kamm der Friaul um¬
säumenden Alpen, und hatte sie ja in dessen Jnnerm an der
von Alters her mit Steiermark verbundenen Grafschaft Por-
tenau ohnedies einen höchst brauchbaren Stützpunkt.
Alle Bemühungen Heinrichs III. von Görz (ch 1363)
nach Bertrands Tode zum General - Capitain erwählt zu
werden, scheiterten an dem Abscheue, welcher sich beinahe ein-
müthig gegen die Mörder des geliebten, von dem Volke als
Heiligen verehrten Patriarchen in der unzweideutigsten Weise
kundgab. So mußten denn die Görzer die Vortheile, welche
sie aus jener Frevelthat ziehen zu können hofften, sich ent¬
gleiten lassen, als das Parlament die oberste Gewalt
auf die Zeit der Sedisvakanz Albrecht II. von Oesterreich
anbot, dem auch König Carl IV. die Schlichtung der friau-
lischen Wirren übertrug. Schon in Juli 1350 befanden sich
183
Friedrich mrd Konrad von Auffenstein, dann Ulrich von Wal¬
see mit einem zahlreichen Heere in Friaul und besetzten für
den Herzog von Oesterreich Udine, Gemona, Venzone, S.
Daniele und ganz Carmen. Im August erschien Albrecht
selbst. Er hielt sich durch acht Tage in Venzone aus, wo er
zu Gerichte saß, unter den Edlen des Landes Eintracht stiftete
und manchen werthvollen Besitz, wie z. B. das von der
Stadt Gemona ihm übergebene dortige Schloß für sich ge¬
wann. Allerdings waren dies zum größten Theile nur vor¬
übergehende Erwerbungen.
Die Bereitwilligkeit, mit welcher der deutsche König
Carl IV. bei verschiedenen Anlässen sogar unbestrittene
Reichsrechte zu Gunsten der Kirche geopfert hatte, mußte ge-
legenheitlich durch, wohl minder bedeutungsvolle, Zugeständ¬
nisse des päpstlichen Hofes erwiedert werden, und so geschah
es, daß dieser, seit einem Jahrhunderte znm ersten Male
wieder, einen Deutschen, Carls natürlichen Bruder Nicolaus
auf den Patriarchenstuhl von Aquileja berief (1350). Das
luxemburgische Haus, dessen Eifersucht durch die unaufhalt¬
sam wachsende Macht der Habsburger rege erhalten wurde,
hatte dadurch einen augenblicklichen Sieg errungen; Albrecht
jedoch war keineswegs gesonnen, die Früchte dieses Sieges
bedingungslos auszuliefern. Nicolaus mußte sich dieselben
erst am 1. Mai 1351 zu Budweis von dem Herzoge durch
einen Vertrag erkaufen, welcher Albrecht die Belehnung mit
Venzone, St. Michaelsberg, dem oberen Schlosse von Wip-
Pach und außerdem auf zwölf Jahre die Chiusa (Klause) von
Venzone nebst der dortigen Mauth sicherte. Die Vermehrung
der Berührungspunkte des Patriachates mit den Oesterreichern
wurde jenem verderblich. So lange Nicolaus regierte, machten
sich die daraus hervorgehenden Uebelstände wenig bemerkbar.
Er hatte einen zu kräftigen Rückhalt an Carl IV., der das
184
Ausehen des Patriarchen durch Gunitbezeugungen jeder Art
zu heben suchte. So hatte bespielsweise Carl auf seines
Bruders Bitte im Jahre 1353 der Stadt Cividale die Be¬
willigung zu der schon vom Patriarchen Bertrand (1339)
beabsichtigten Gründung einer Universität ertheilt, auf welcher
die Jünglinge aller benachbarten Nationen — „Deutsche,
Ungarn, Slavonier und Wälsche" — studiren könnten, und
ihm selber im Jahre 1355 das Reichsvikariat über Feltre
und Belluno verliehen.
Ganz anders aber gestalteten sich diese Verhältnisse,
nachdem beinahe gleichzeitig mit Nicolaus Albrecht II. (am
20. Juli 1358) gestorben war und des Ersteren Nachfolger
Ludwig, der auf sich allein angewiesene Sohn eines verbann¬
ten Adelsgeschlechles, dem Herzoge Rudolf IV. von Oester¬
reich gegenüberstand, welcher jung, reich, thatkräftig und von
brennendem Ehrgeize, dabei in der Wahl seiner Mittel mehr
glücklich als gewissenhaft, die Bedeutung seines Geschlechtes
zu erhöhen, seine Herrschergewalt von allen beengenden Fes¬
seln, von jedem fremden Einflüsse zu befreien und daher auch
dem ihm in den Mund gelegten Ausspruche gemäß, „daß er
in seinen Landen selbst Papst, Bischof und Dechant sein wolle,"
die in denselben bestehenden Hoheitsrechte von Aquileja zu
beseitigen bestrebt war.
Gewiß durchschaute Ludwig diese Sachlage mit voller
Klarheit; gewiß unterschätzte er nicht die Schwierigkeiten,
die sich ihm entgegenthürmten: dennoch betrat er alsbald ohne
Zagen den ihm von seiner Pflicht vorgezeichneten Weg.
Es war eine seiner ersten Handlungen, die Rechte seiner
Kirche ausdrücklichst geltend zu machen. Noch in Avignon
klagte er dem Papste, daß Rudolf von Oesterreich, so wie
Meinhard VII. von Görz (s- 1385) viele dem Patriar¬
chate zugehörige Besitzungen, dieser namentlich Tolmein, jener
185
aber Ober- und Nieder-Wippach, Venzone, die Chiusa mit
der Mauth, Treffen und Tiefen in Kärnthen, endlich Win-
dischgrätz, zu dessen Uebergabe sich schon Albrecht II. ver¬
pflichtet hatte, nebst mehrerem Anderen unrechtmäßiger Weise
inne habe * **) ). Jnnocenz VI. wandte sich unverzüglich um Ab¬
hilfe nicht allein an die zunächst Betheiligten, sondern auch
an König Ludwig von Ungarn und an Carl IV., der sich
sogleich mit diesem Gegenstände beschäftigte und zum Theile
dadurch veranlaßt wurde, zu Leitmeritz am 13. October
1359 jenen Majestütsbrief zu erlassen, in welchem er die
geistlichen Güter gegen die Uebergriffe der weltlichen Fürsten
in Schutz nahm.
Nachdem Patriarch Ludwig indeß die Fruchtlosigkeit
aller dieser bisherigen Schritte an sich erfahren hatte, scheint
er Gewaltmaßregeln angewendet oder mindestens bei den in
Friaul immer vorkommenden Reibungen entschieden gegen
Rudolfs Leute und Anhänger Partei genommen zu haben.
Es ist uns darüber nichts Näheres bekannt, wohl aber, daß
Ludwig im folgenden Jahre noch einmal es mit Unterhand¬
lungen versuchte, sich persönlich zu Rudolf, der sich eben in
Kärnthen huldigen ließ, nach St. Veit begab, wo auch die
Brüder Albrecht IV., Meinhard VII. und Heinrich III.
von Görz weilten, und am 14. März 1360 dort für sich
und seinen Bundesgenossen, den ebenfalls durch den Herzog
in seinen Rechten gekränkten Bischof von Bamberg, bis zum
nächsten Weihnachtsfeste einen Waffenstillstand abschloß
*) Wir können nicht umhin, bei Erzählung der Zerwürfnisse
zwischen dem Patriarchen Ludwig und dem Herzoge von Oesterreich
uns vorwiegend an die vortreffliche Darstellung in Hubers Geschichte
des Herzogs Rudolf IV. von Oesterreich zu halten.
**) De NubeiS meint, daß die im Lckckit. I. uck Lliroii. 6ortus.
erzählte, im März 1360 zu Citadella stattgehabte Zusammenkunft des
Patriarchen mit Fran; von Carrara in die Zeit nach Ludwigs Rück-
186
Rudolf benützte denselben, den Papst auf seine Seite
zn ziehen, was ihm durch Absendung von hundert Helmen
nach Bologna zur Unterstützung des Legaten Albornoz gegen
Barnabo Visconti so sehr gelang, daß'Jnnocenz sich nicht
darauf beschränkte, den friaulischen Händeln ferne zu bleiben,
sondern am 28. April 1361 Rudolf sogar aufforderte, gegen
die Herren von Prampergo, welche dem Bischöfe von Con¬
cordia Castel Cusano entrissen hatten, einzuschreiten. Ein um
so erwünschterer Vorwand zur Betheiligung an den im Pa¬
triarchate gerade wieder ausgebrochenen Fehden dieser Auf¬
trag dem Herzoge auch sein mochte, als die Herren von Pram¬
pergo sich stets durch österreichfeindliche Gesinnung hervor-
gethan hatten; es hätte dessen nicht erst bedurft.
Rudolfs Rache gegen die von Prampergo war nämlich
dadurch schon heraufbeschworen worden, daß dieselben in Ge¬
meinschaft mit den Bürgern von Gemona ") die Chiusa ge¬
nommen, Venzone und dessen Umgegend verwüstet und öster¬
reichische Kaufleute beraubt hatten. Aehnliche Dinge wurden
auch den Einwohnern von Cividale und S. Daniele zum
Vorwurfe gemacht. Letztere legten endlich die Lunte an den
allerwärts angehäuften Zündstoff, indem sie am 2^. März
1361 das untere Schloß Varmo des Diethalm von Varmo,
kehr aus Kärnthen falle. Da, wie wir wissen, jene Besprechung ohne
alle Resultate blieb und Carrara's Haltung während der nachfolgenden
für ^en Patriarchen unglücklichen Periode sogar das Mißtrauen der
Friauler, wenn auch nur vorübergehend, erregte, wären wir im Gegen-
theile zur Annahme geneigt, daß in Ludwig dann erst der Entschluß
zu persönlichen Unterhandlungen mit Rudolf zur Reife kam, nachdem
Carrara in Citadclla den gehegten Erwartungen nicht entsprochen hatte.
*) Gemona, das sich überhaupt ganz wie eine freie Stadt be¬
nahm, und eigene Abgesandte (zwei Herren von Prampergo oder Pram-
Pcro und Fanton Pini) zu Rndolf wegen Unterhandlung des Waffen¬
stillstandes nach St. Veit geschickt hatte, behauptete nur Repressalien
dafür zu üben, daß der Gras von Ortenburg einen seiner angesehensten
Bürger, Christoph Dati, ohne Grund in den Kerker geworfen hatte.
187
eines nahen Verwandten des zu den Freunden Oesterreichs
zählenden Hauses derer von Spilimbergo, überfielen und
plünderten. Das Parlament beauftragte den Patriarchen,
dem Beleidigten volle Genugthuung zu verschaffen. Da aber
Ludwig bei der Ausführung dieses, feinen heimlichen Gegnern
Vorschub leistenden Beschlusses sich säumig zeigte, traten die
Brüder Walter-Berthold und Heinrich von Spilimbergo
offen wider ihn auf, indem sie gegen die patriarchalischen
Orte Gajo und Bacile einen verwüstenden Rachezug vollführten,
und trieben ihn dadurch zum völligen Bruche mit Rudolf.
Die Kunde von allen diesen Ereignissen bewog den
Herzog von Oesterreich, der im Begriffe war, den vor wenig
Monaten beigelegten Streit mit seinem Schwiegervater zu
erneuern, diesem gegenüber zu einer versöhnlichen Haltung,
deren Folge das im Monate Juni bei einer Zusammenkunft
in Budweis zwischen Carl IV. und Rudolf geschloffene
Bündniß war. Kurz vorher hatte Rudolf, jeder Rücksicht¬
nahme auf den Patriarchen nunmehr ledig, einen Schritt
gethan, welcher ihn feinem Ziele, der unbeschränkten Aus¬
übung feiner Landeshoheit merklich näher brachte. Auf fein
Zuthun hatten die Auffensteine am 15. Mai die nicht gering¬
fügigen Lehen, die sie von der Kirche von Aquileja besaßen,
(die Vesten Waldeck, Treffen am Ossiacher See, Buchenstem
bei Unter-Drauburg und den Thurm zu Windischgrätz), dem
Patriarchen aufgesendet, und zugleich das Ansuchen gestellt,
diese Güter ihren Landesfürften, den Herzogen von Oester¬
reich zu verleihen, von welchen sie dieselben sodann als After¬
lehen wiedererhalten sollten. Dasselbe thaten sie mit ihren
bambergischen Lehen.
Während Rudolf seinem ergebenen Landeshauptmanne
in Kärnthen Friedrich von Auffenstein die Sorge um Samm¬
lung von Mannschaften überließ und überhaupt die letzten
188
Vorbereitungen für den bevorstehenden Kriegszng nach Friaul
getroffen wurden, eilte er selbst nach Prag, um sich der freund¬
lichen Gesinnungen des Kaisers persönlich zu versichern. In
einem am 1. August unterzeichneten Vertrage wurden die
Budweiser Verabredungen neu bekräftigt und erweitert, und
am folgenden Tage erließ Carl IV. einen Fehde- und Ab¬
sagebrief an die Unterthanen des Patriarchen, worin er ihnen
seine Freundschaft und feinen kaiserlichen Schutz auskündigte,
weil sie wider den im Jahre 1351 mit ihm auf 12 Jahre
abgeschlossenen Waffenstillstand gehandelt, die Besitzungen der
Herzoge von Oesterreich angegriffen und wehrlose Kaufleute
beraubt hätten.
Der Patriarch trachtete weislich, der auswärtigen Ein¬
mischung bei Bezwingung seiner einheimischen Feinde zuvor¬
zukommen. Seine gegen die Herren von Spilimbergo ausge¬
sendeten Kriegsleute erlitten jedoch am 12. August bei
Barbeano eine Schlappe, welche sie zum Rückzüge auf S.
Daniele nöthigte. Zwei Tage später schon trafen in Villa¬
nova bei Carpacco 800 Oesterreicher ein, welche sich durch
den Anschluß der Herren von Spilimbergo, Ragogna und
Prata, sowie durch Zuzug aus Pordenone ansehnlich ver¬
stärkten, S. Daniele fünf Tage lang durch Brand und Ver¬
wüstung der außerhalb seiner Mauern gelegenen Theile arg
bedrängten und hierauf die befestigten Orte Turrida, Sede-
gliano und Gradišča (am Tagliameuto) durch Uebergabe in
ihre Gewalt bekamen.
Diese verhältnißmäßig unbedeutenden Begebenheiten
traten indeß vor dem drohenden Unwetter, das sich gleich¬
zeitig im Osten des Patriarchates über demselben zusammen¬
zog, gänzlich in den Hintergrund. In den letzten Tagen
August langte Rudolf in Begleitung seines Bruders Friedrich
und mit einem 4000 Reiter zählenden Heere, bei dem sich
189
auch böhmische Hilfsvölker befanden, in Görz an, von wo
aus er in einem, vom 28. des Monates datirten Schreiben
der venetianischen Regierung erklärte, ihren Besitzungen
und Unterthanen keinerlei Schaden zufügen, auch die ange¬
kündigte Gefandschaft bereitwilligst empfangen zu wollen.
Unmittelbar darauf wurden die Feindseligkeiten eröffnet.
Rodolf rückte über Cormons vor, und lag am 7. September
vor Manzano *), das jeden ferneren Widerstand schon am
folgenden Tage ausgegeben haben muß, da an demselben
fünf Glieder des Hauses Manzano dem Herzoge Treue
schwuren. Die Veste Butrio fiel ebenso rasch. Es unterwarfen
sich auch der Abt von Rosazzo und im Lager vor Udine am
9. September die Herren von Cucanea und Pertenstein
(Partistagno). Rudolf hoffte auch die Hauptstadt, in welcher
sich der Patriarch eingeschlossen befand, wie die übrigen Orte
im Fluge zu nehmen, da er mit einigen ihrer Bewohner Ein¬
verständnisse angeknüpft hatte. Die verrätherifchen Anschläge
wurden aber vor ihrer Ausführung offenbar; Odorico Clu-
desto, das Haupt der Verschworenen, riß der ergrimmte
Pöbel in Stücke und seine Mitschuldigen fielen dem Beile
des Henkers anheim. Wie nahe die Gefahr jedoch gewesen
war, ersieht man aus dem Umstande, daß der Patriarch zur
Erinnerung anderen glückliche Abwendung eine Denkmünze*'*)
mit der Umschrift: „Deelssiu rsstituim sx ulto" prägen
ließ. Nach viertägiger, erfolgloser Belagerung Udine's ent¬
schloß sich Rudolf dieselbe aufzuheben (12. September) und
*) Er urkundete an diesem Tage „im Felde vor Manson in
Friaul."
**') Numismatiker halten sich durch das Materiale und die Präge
dieser vom Namen des Patriarchen nur den Anfangsbuchstaben t,. tra¬
genden Münze berechtigt, dieselbe im Widerspruche mit Palladio's be¬
stimmter Angabe dem Patriarchen Ludwig lll. Scarampo Mezzarota
(1439 — 1465) zuzuschceiben.
190
den bereits früher erwähnten Streitkräften, welche amTaglia-
mento standen, die Hand zu reichen. Diese Vereinigung mag
wohl Anfangs der Woche, welche der Herzog vor den Mauern
Fagagna's zubrachte, bewerkstelligt worden und nicht ohne
Einfluß auf die Entschließungen Ludwigs geblieben sein, der
am 15. September zu einer Zusammenkunft mit Rudolf,
welche in Savorgnano stattfand, und zum Abschlüsse eines
vorläufigen Friedensvertrages feine Zustimmung gab. Nach
seinen, für Ludwig sehr drückenden Bestimmungen sollte dieser
in Begleitung von 12 Edlen Friauls, deren Wahl den Her¬
zogen von Oesterreich überlassen war, alsogleich nach Wien,
und nach deren Heimkehr mit denselben zum Kaiser sich ver¬
fügen, dessen Schiedssprüche unbedingt Folge zu leisten,
Ludwig und fein Capitel zugleich sich verpflichten mußten.
Zum Pfände für die gewissenhafte Ausführung dieser Be¬
stimmungen wurde die Chiusa sogleich den Oesterreichern
übergeben. Rudolf begnügte sich nicht mit dem glänzenden
Erfolge dieses kurzen aber entscheidenden Feldzuges. Unab¬
lässig mit der künftigen Größe seines Hauses sich befassend
und den Blick unverwandt nach vorwärts gerichtet, glaubte
er aus seiner Anwesenheit in diesen Gegenden einen weiteren
Nutzen ziehen und die freundschaftlichen Beziehungen, welche
seit den Tagen König Rudolfs I. und der Vermählung seines
Sohnes mit Elisabeth von Görz zwischen den Habsburgern
und den Görzern bestanden und bereits in den gegen die
Luxemburger gerichteten Bündnissen der Jahre 1339, 1342
und 1345 entsprechenden Ausdruck gefunden hatten, so enge
knüpfen zu sollen, daß ihm daraus eine Anwartschaft auf die
görzischen Lande erwüchse. Diese zahlreichen und beinahe
überall an österreichisches Gebiet stoßenden Besitzungen be¬
fanden sich damals in den Händen von Albrechts III. Söhnen,
Albrecht IV., Meinhard VII. und Heinrich III., welche das
191
Erbe ihres ohne Nachkommen verstorbenen Vetters Johann
Heinrich mit jenem ihres Vaters vereinigt, und anfänglich
auch gemeinschaftlich verwaltet hatten. Bei der Theilung des
Jahres 1342 waren die Güter in Istrien und in der Mark
Albrecht, jene auf dem Karste, in Friaul, in Kärnthen und
im Pusterthale hingegen den beiden anderen jüngeren Brüdern
zusammen zugefallen. Obgleich fämmtliche Brüder sich
vermählt hatten, fehlten männliche Erben, nachdem Albrecht
und Heinrich kinderlos und aus Meinhards Ehe mit Katha¬
rina von Pfannberg nur Töchter hervorgegangen waren.
Die Thatsache schon, daß die Schlösser von Manzano
und Butrio nach ihrer Einnahme den Grafen von Görz über¬
geben wurden, ließe uns mit Grund darauf schließen, wie
wesentlich dieselben Rudolfs letzte kriegerische Unternehmungen
in Friaul gefördert hatten; selbst wenn wir nicht wüßten,
daß die Grafen damals zu den zuverlässigsten Anhängern
des Herzogs zählten, an dessen Hofe zu Wien sie seit einigen
Jahren beinahe ununterbrochen als Gäste weilten. Auch
hätte Rudolf sich im entgegengesetzten Falle doch schwerlich
*) Albrecht bekam in Jsterreich Mitterburch (Pisino), Mcrenvels
(Marenfels),Wessenstain (Wachsenstein), Rekel (?), Poymont (Picmonte?),
Pyben (Pedena), Galian (Galignana), Lauran (Lovrana), Brischetzz
(Versetz), Terveis (Terviso), Tingnan (Antignana), Barban (Barbana),
Memlan (Momiano?) und an der March Mcichaw (Michon), New-
marcht (Möttling?), Schernomel (Tschernembl), Sewsenwerch (Seifen¬
berg), Wehchselwerch (Wcichselburg) und Schönnwerch (Schönberg).
Seine Brüder erhielten Görz, Schwarzenek, Venchenwcrch (?), Rats-
Purch (?), da; Newhaus ze der Alben (?), allez daz di Grafschaft hat
auf dem Charst, in Friaul Cremawn lCormons), Belgrad (Belgrads),
Portlansan (Latisaim), Newnburch (Castelnovo bei Spilimbergo), bei
der Geil Lessach, Weidenwerch, Sand Machor, dann in Chernden und
im Pusterthal Sand Michelspurch, Resen, Welsperch, Hewnvels,
Chlans, Pruk, Lünz, Birg, Rotenstein, Traburch, zway Valchenstein,
daz uider und daz ober, Belach, Stein, Mosburch, Eberstein und
Horenwerch.
192
veranlaßt gesehen, während sein Bruder Friedrich, von dem
Patriarchen auf dem Fuße gefolgt, sich auf den Weg nach
Wien machte, unmittelbar aus dem Feldlager nach Görz zu
eilen, und für seinen anderen Bruder Leopold um die Hand
von Meinhards Tochter Catharina anzuhalten. Diese Wer¬
bung konnte nur die günstigste Aufnahme bei Meinhard finden,
welcher in dem Eheversprechen sogleich eine Anweisung auf
den, für das Eingehen dieser ebenso ehrenvollen als vor-
theilhaften Verbindung wahrscheinlich geforderten Preis aus¬
stellte. Die am 22. September zu Görz unterzeichnete Ur¬
kunde enthielt nämlich nebst mehreren Bestimmungen über
die Mitgift der Braut und die Versorgung ihrer unver¬
heiratet bleibenden Schwestern eine Schenkung, welcher zu¬
folge die Herzoge von Oesterreich, wenn Meinhard ohne
eheliche Sohne stürbe, alle seine Besitzungen erben sollten.
Nachdem Rudolf auch diese Angelegenheit dem er¬
wünschten Ziele zugeführt hatte, stattete er noch Venedig
einen Besuch ab, bevor er in seine Länder zurückkehrte. Er¬
hielt es für nützlich, mit den Machthabern der Republik in
persönlichen Verkehr zu treten und sich in jener hervorra¬
genden Stadt Oberitaliens, die er in den Kreis seiner poli¬
tischen Berechnungen zu ziehen begann, als Sieger über den
dort mit den schadenfrohen Blicken natürlicher Gegnerschaft
angesehenen Patriarchen zu zeigen; abgesehen davon, daß
seiner bekannten Eitelkeit die glänzende Aufnahme, deren er
in der Lagunenstadt eben deßhalb sicher war, nicht werthlos
erscheinen mochte. Am 25. September verpflichtete sich Ru¬
dolf in Portlansan (Latisana) Meinhard gegenüber zur Er¬
wirkung der für die Vermählung Leopolds mit Catharina
der Verwandschaft wegen nöthigen päpstlichen Dispens; am
Michaelstage landete er in Venedig, das er nach einer, untcr
ihm zn Ehren gefeierten Festen verlebten Woche wieder ver-
193
ließ, um über Görz und Cividale, wo er zwei Tage rastete,
den Heimweg einzuschlagen.
Obwohl der Patriarch sich dem Vertrage gemäß sogleich
nach Wien begeben hatte, beeilte sich Rudolf auch jetzt noch
nicht, ihn daselbst einzuholen, um die bedungene gemeinsame
Reise zu Carl IV. anzutreten, sondern hielt sich bis Mitte
November in Kärnthen und Steiermark auf. Die Behand¬
lung, welche er außerdem den Patriarchen erfahren ließ, war
eine höchst unwürdige. Ludwig und mit ihm, vielleicht im
Namen der übrigen Edlen, Franz von Savorgnano und
Simon von Valvasone hatten bei ihrer Ankunft in Wien
schwören müssen, es ohne Wissen und Willen des Herzogs
nicht zu verlassen. Trotzdem wurde ersterer in einem Ho-
fpitinm gefangen gehalten, und von seinem Gefolge, welches
Mölk zum Aufenthaltsorte angewiesen erhielt, getrennt; ja
als Rudolf in Folge eines vor Beginn des Krieges geleisteten
Gelübdes in Enns eine tägliche Messe stiftete, ward Ludwig
zur Demüthigung gezwungen, als Zeuge seinen Namen
unter den Stiftbrief zn setzen, in welchem jener sich glücklich
pries, den friaulischen Krieg so erfolgreich geführt und den
Patriarchen ganz in feine Gewalt bekommen zu haben.
Daran, die Entscheidung in den mit dem Patriarchen
obschwebenden Streitfragen von dem Urtheile seines Schwie¬
gervaters abhängig zu machen, dachte übrigens Rudolf längst
nicht mehr. Es wäre jetzt gewiß zu seinen Ungnnsten ausge¬
fallen, da die, durch die Verträge vou Budweis und Prag
angebahnten guten Verhältnisse zwischen beiden in Folge
eines der bei Rudolf häufig vorkommenden Wechsel in der
Politik einer tiefen Verstimmung gewichen war, welche in
dem am 31. Dezember dieses Jahres zu Preßburg gegen
Carl IV. eingegangenen Bündnisse des Herzogs mit Ludwig
Aquileja.
194
von Ungarn, Casimir von Polen und Meinhard III. von
Tirol-Baiern gipfelte.
Unter solchen Umständen erachtete man sich auch in
Friaul nicht mehr au die Bestimmungen des Vertrages von
Fagagna gebunden. Die Stimmung im Lande war wieder-
zuversichtlicher geworden, besonders seit man der Besorguiß,
auch noch einen zweiten, kaum minder gefährlichen Gegner
bekämpfen zu müssen, ledig geworden war. Streitigkeiten
zwischen der Gemeinde Saeile und dem dortigen patriar¬
chalischen Hauptmanne Federighinv della Torre hatten näm¬
lich in jüngster Zeit dahin geführt, daß letzterer die wider¬
spenstige Bürgerschaft mir Gewalt zum Gehorsam zurückzu¬
führen genöthigt worden war. Selbst dem Herrn von Padua
enge befreundet, hatte er dabei die Unterstützung Tolberto's
von Prata, eines Vetters Carrara's aus einem dem Patri¬
archen feindlich gesinnten Hause in Anspruch genommen. Da
nun Saeile mit carraresischen Söldnern, welche Tolberts zur
Verfügung standen, angefüllt war, konnte man sich nicht des
Argwohnes erwehren, als sollte die herrenlose Zeit im Pa¬
triarchate benutzt werden, jenen Ort in unauffälliger Weise
davon loszureißen. Carrara beeilte sich indeß, alle derlei
Gerüchte zu widerlegen. Er fertigte einen Abgesandten, Bar-
tolino de Ruini, mit den beruhigendsten Versicherungen an die
Stadt Udine und an des Patriarchen Vizedom Carlevario
della Torre ab, dem Saeile nach Entfernung des padua-
nischen Kriegsvolkes durch Bartolino förmlich übergeben ward.
Das Zeichen zur Erneuerung des Kampfes wider die
Oesterreicher und ihre Verbündeten gaben Gemona, Cim¬
bale, das vorher zu Rudolf gehalten hatte, und wie immer,
wenn es für das Vaterlandeiuzustehen galt, vor allen Udine,
welches sogar die Arbeiten am Baue seiner Hauptkirche unter¬
brach, um die Werkleute und die Werksteine zur Vermehrung
195
und Verstärkung seiner Bollwerke zu verwenden. Ebenso
schnell, als sie an Rudolf verloren gegangen waren, wurden
die Besten Manzano — am 2. März 1362 durch Feuer
bezwungen — und Butrio — das zerstört wurde — wieder¬
gewonnen. Cormons leistete wohl kräftigen Widerstand und
erlitt nur geringen Schaden durch den Brand einiger Häuser;
im Westen aber mußten sich Quadrivio und Rivalta den
Friaulern ergeben.
Das Chronicon Spilimbergense irrt, wenn es die
Theilnahme des Patriarchen an diesen Unternehmungen be¬
hauptet. Er befand sich immer noch in Wien. Blos Savor-
gnanv und Valvasone hatten dasselbe unter dem Vorwande,
daß Rudolf ihnen nach dem Leben trachte, insgeheim ver¬
lassen. Sie erschienen unmittelbar nach den oben angeführten
Ereignissen in Friaul, und ihrer Einwirkung wird man es
wohl zuzuschreiben haben, daß die Anhänger des Patriarchen,
durch die bisherigen Erfolge kühn gemacht, in das Gebiet
der Görzer einfielen. Am 14. März zogen sie gegen Duino
und verwüsteten den Ort und die Kirche S. Giovanni am
Timavo, wurden aber auf dem Rückzüge von Winter von
Tybein, und dem zu dessen Unterstützung aufgebotenen Ulrich
von Reiffenberg ereilt. Das Fußvolk, von der Reiterei im
Stiche gelassen, erlitt dabei empfindliche Verluste. 400Todte
blieben am Platze und die in Gefangenschaft gerathenen Ver¬
wundeten starben unter den Mißhandlungen der Weiber des
Karstes, welche damit für erlittene Unbilden grausame Wieder¬
vergeltung übten.
Da Rudolf gerade damals einen Krieg mit Böhmen
ernstlich in's Ange faßte, konnte er seine Kräfte nicht zur
Behauptung der im verflossenen Jahre in Friaul gemachten
Eroberungen verwenden. Er überließ es daher feinem neuesten
Verbündeten, dem Könige von Ungarn, vermittelnd aufzn-
13*
190
treten. König Ludwig forderte Franz von Carrara, mit dem
er seit seinen italienischen Kriegen aus dem besten Fuße
stand und den er sich unlängst erst durch die Abtretung von
Feltre und Belluno (1360) verpflichtet hatte, auf, sich seinen
Bemühungen anzuschließen. Die im Vereine wirkenden Ab¬
geordneten des Königs und des Carraresen brachten es auch
wirklich dahin, daß zwischen den Friaulern und den Oester¬
reichern eine Waffenruhe, welche mit dem nächsten Mariä-
Himmelfahrts Tage ablaufen sollte, zu Stande kam, welcher
auch die Gräfin Catharina von Görz, nach eingeholter Zu¬
stimmung ihres abwesenden Gatten Meinhard, in dessen
Namen nachträglich beitrat.
Um die Lage des Patriarchen etwas trostreicher zu ge¬
stalten, kam noch hinzu, daß der Kaiser die auf einem, in
der zweiten Hälfte März zu Nürnberg abgehaltenen Reichs¬
tage um sich versammelten Kurfürsten durch seine Klagen über
Rudolf bewog, an denselben wegen seines ganzen Verhaltens
Mahnungen zu richten und ihm namentlich die ungesäumte
Entlassung des gefangen gehaltenen Patriarchen, der doch ein
Reichsfürst sei, aufzutragen. Dessenungeachtet waren es
überaus harte Bedingungen, welchen sich dieser, um nur seine
Freiheit wieder zu erlangen, in dem am 21. April zu Wien
abgeschlossenen Frieden unterwarf. Der Herzog erhielt darin
nebst den bisher strittigen Schlössern von Windischgrätz und
Laas alle Lehen der Kirche von Aquileja in Steiermark,
Kärnthen, Kram, der Mark und auf dem Karste, welche jedoch
als Afterlehen den damaligen Besitzern verbleiben sollten,
und das, die Unabhängigkeit des Patriarchen in Frage stel¬
lende Recht, auf die Zeit von dessen Regierung einen eigenen
Hauptmann in Friaul zu halten. Nicht genug an dem; ein
durch den König von Ungarn beliebig fürzuwählendes Schloß
sollte dem Hauptmanne des Herzogs und seinen Leuten —
197
50 Mann, nach Umständen auch mehr oder weniger —über¬
geben und sogar die Erhaltungskosten dieser fremden Be¬
satzung durch das Land Friaul getragen werden. Ferner ver¬
sprach der Patriarch, die Chiusa, Manzano und Haunberg
(sollte dies etwa das Schloß von Butrio sein?) binnen
Jahresfrist dem Herzoge in demselben Zustande, in welchem
er es früher besessen, zu übergeben, und für das laufende
Jahr eine Entschädigung von 1000 Mark zu leisten. End¬
lich sagten sich Rudolf und der Patriarch gegenseitige Hilfe
wider jeden Feind zu, mit Ausnahme der Grafen von Görz
und des Königs von Ungarn, welchem zugleich in der Friedens¬
urkunde das Recht Vorbehalten blieb, an dem Inhalte der¬
selben Abänderungen vorzunehmen.
Aus dieser letzten Bestimmung wird es klar, warum
sich Rudolf, der Patriarch und zugleich Abgesandte aus Friaul
nebst Earrara's schon dort für den Frieden thätig gewesenen
Bevollmächtigten, Messer Simone Lupo aus Parma, kurz
nachher in Croatien, wo König Ludwig gerade Hof hielt,
einfanden. Einer vom Patriarchen am 2. Mai zu Kopreinitz
ausgestellten Urkunde entnehmen wir, daß der König von der
ihm eingeräumten Befugniß zu des ersteren Gunsten einen
umfassenden Gebrauch machte. Rudolf mußte nicht allein auf
das Recht, einen Hauptmann in Friaul einzufetzen, und auf
alles, was daran hing, sondern auch auf die Zahlung der
1000 Mark verzichten; weiters wurde festgesetzt, daß die
Chiusa mit der Mauth anstatt für beständig nur auf 24
Jahre als Entschädigung für die Kriegskosten österreichisch
werden sollte.
Bei den eben geschilderten Ereignissen hatte der Pa¬
triarch gleich so manchem seiner Vorgänger es auf das bitterste
erfahren müssen, wie viele der eigenen Vasallen, ihrer Lehens¬
pflicht nneingedenk, sich stets bereit finden ließen, den nicht.
198
selten von ihnen selbst herbeigerusenen Feinden die Hand zu
bieten, Fürst und Vaterland auf diese Weise verrathend und
verderbend. Deßhalb war es auch, kaum heimgekehrt, seine
erste Sorge, zur Steuer dieses Uebels, an welchem das Pa¬
triarchat seit langem kränkelte, geeignete Mittel zu ergreifen.
Das Parlament, in welchem der störrifche Adel eine ge¬
wichtige Stimme besaß, zeigte wenig Neigung, thätig dabei
mitzuwirken, und der Patriarch konnte nur unbedeutende Zu¬
geständnisse erlangen, darunter das gewiß nicht strenge ge¬
handhabte Verbot des Wiederaufbaues aller in dem letzten
Kriege zerstörten Burgen.
Weit mehr als diesen unzureichenden Maßregeln hatte
er es dem in den allgemeinen Politischen Verhältnissen des
südöstlichen Deutschland eingetretenen Umschwünge zu danken,
daß seine Stellung minder bedroht erschien, als im Jahre
1363 die durch den Frieden von Wien vorübergehend beige¬
legten Zerwürfnisse mit Rudolf zum Wiederausbruche der
Feindseligkeiten führten und dadurch jene kurze Periode wohl
nur scheinbarer Ruhe abgeschlossen ward, in welcher das
Wenige, was uns von einer friedlichen Zwecken gewidmeten
Thätigkeit Ludwigs bekannt ist — die Wiederherstellung des
durch ein Erdbeben beschädigten patriarchalischen Palastes
zu Udine und der Mauern von Tolmezzo — gefallen
sein dürste.
Die in Tirol im Jahre 1363 sich vollziehenden Ver¬
änderungen wurden auch für die Zustände im Patriarchate
von der weitreichendsten Bedeutung. Am 13. Jänner starb
Plötzlich auf Schloß Tirol, kaum 20 Jahre alt, Meinhard III.
von Tirol-Baiern, der einzige über die Kinderjahre hinaus
gelangte Sprosse aus Margarethens (der Maultasche) zweiter
Ehe mit Ludwig von Baiern-Brandenburg, und dadurch trat
die Frage über die Nachfolge in jenem wichtigen Alpenlande,
199
welche schon seit mehr als zwei Jahrzehnten einen so be¬
stimmenden Einfluß auf alle deutschen Verhältnisse genommen
hatte, unerwarteter Weise ganz in den Vordergrund.
Margarethe, um deren Gunst, der damit verbun¬
denen Aussicht auf Ländergewinn willen, die damals
mächtigsten Fürstengeschlechter Deutschlands, die Luxem¬
burger, die Wittelsbacher und zuletzt die Habsburger der
Reihe nach gebuhlt hatten, war nun wieder alleinige
Herrindes Gebietes, das sie schon im Jahre 1359 für den
Fall, als sie selbst, ihr Gatte und ihr Sohn ohne Nach¬
kommen sterben sollten, den Herzogen von Oesterreich ver¬
macht hatte. Als Herzog Rudolf, um Meinhards Tod für
seine Zwecke auszubeuten, schon wenige Tage später in Tirol
eintraf, kostete es ihm keine übergroße Mühe, die hilflos
dastehende Fürstin, welche sich der Regierung des, eine starke
Hand benöthigenden Landes selbst kaum gewachsen fühlte,
die bereits fünfundvierzigjährige Frau, welche die Huldigun¬
gen des in der vollen Jugendblüthe seiner Jahre stehenden
hochangesehenen Herzogs bestechen mußten, gänzlich für sich
zu gewinnen. Margarethe leistete sogleich vorläufigen Ver¬
zicht aus Tirol zu Rudolfs Gunsten, und vollzog die Ueber-
gabe dieses Geschenkes im darauffolgenden Monate September.
Diese offenbare Verletzung der dem görzer Grafenhause
durch den Theilungsvertrag vom Jahre 1271 zweifellos zu¬
stehenden Erbrechte fand bei dessen Gliedern eine verschieden¬
artige Ausnahme. Von Heinrich III. ist nicht mehr die Rede.
Wie daraus und aus Rudolfs, die eventuelle Beerbung Al¬
brechts IV. betreffender Urkunde vom 27. April 1363 un¬
zweideutig hervorzugehen scheint, war er wahrscheinlich schon
im Beginne dieses Jahres gestorben. Dem kinderlosen Al¬
brecht IV. war die Beseitigung seiner Ansprüche auf Tirol
kein genügender Anlaß, den Habsburgern seine Freundschaft
200
zu künden. Er hielt sogar gerade diesen Zeitpunkt für ange¬
messen, um dem zwischen Meinhard VII. und Rudolf am
22. September 1361 geschlossenen Vertrage beizutreten und
(im April 1363) die Herzoge von Oesterreich zu Erben auch
seiner Besitzungen unter den gleichen Bedingungen einzusetzen.
Er blieb iudeß nicht dabei stehen. Am 6. Jnni 1364 ent¬
sagte er allen seinen Rechten auf Tirol und schloß mit dem
österreichischen Herzoge einen Erbvertrag, durch welchen er
demselben, mit Uebergehung seines Bruders Meinhard, den
Besitz aller seiner Herrschaften nach seinem Tode zusicherte.
Wenn ferner Meinhard vor ihm ohne Leibeserben stürbe,
sollte er zwar auf Lebenszeit die Besitzungen feines Brnders
erhalten, sie jedoch nur gewissermaßen im Namen der Herzoge
verwalten, welche sich dafür verbindlich machten, Albrecht zu
dem ihm zukommenden Theile von seines Bruders Heinrich
Vermächtniß zu verhelfen und seine Schulden bei den Juden
zu bezahlen. Diese letzte Bestimmung läßt es uns errathen,
was Albrecht sich immer inniger an die Habsburger anzu¬
schließen hauptsächlich bewog. In der That erfolgte nicht
lauge nachher (am 14. September zu Mitterburg) zwischen
Meinhard und Albrecht die Theilung der von ihrem Bruder
hinterlassenen „Herrschaft und Grafschaft Lienz." Nachdem
diese Bedingung erfüllt und es späterhin zum offenen
Bruche mit Meinhard gekommen war, mochten die Herzoge
mm auch Bürgschaften für die pünktliche Einhaltung der
Zusagen Albrechts fordern, weßhalb dieser am 30. April
1365 erklärte, noch vor dem 24. Juni einen Hauptmann
über Istrien zu setzen, der sich, wie jeder andere Hauptmann
in Zukunft, durch einen Eid verbindlich machen sollte, nach
Albrechts Tode dessen Güter nur allein Rudolf und seinen
Brüdern oder deren Erben zu überliefern. Unmittelbar vor¬
her hatte aber Albrecht noch einen Beweis von Fürsorge
201
gegen seine Unterthanen gegeben, indem er, gleichsam zum
Abschiede von ihnen, alle alten Privilegien, deren sie sich in
Istrien, der Mark Mettling und der windischen Mark er¬
freuten, durch Freiheitsbriefe bestätigt hatte. (Gegeben zu
Neumarkt in der Mettling am 23. April 1365.)
Meinhard VII. hingegen, welcher mit mehreren Töch¬
tern gesegnet war, und die, in einer zweiten Ehe in der That
verwirklichte Hoffnung auf männliche Nachkommenschaft noch
nicht aufgegeben hatte, legte alsbald eine entschiedene Kälte
gegen Rudolf an den Tag. Wien, wo er so gerne, zum letzten
Male noch im December 1362 geweilt hatte, mied er von
nun an. Die unverzüglich eingeleiteten Unterhandlungen mit
dem Patriarchen führten durch Catharina's, des Grafen Ge¬
mahlin, Vermittlung zu einem am 14. December 1363 in
Görz abgeschlossenen Vergleiche, der den mit dem Patriarchen
und dem Capitel von Cividale schwebenden Streit über den
Bezug des Zehentes in Tolmein beilegte. Im Beginne der
kriegerischen Begebenheiten, deren Verlauf wir alsogleich
schildern werden, verhielt sich Meinhard noch neutral, als
aber Rudolf es für zweckmäßig erachtete, feinen Verspre¬
chungen vom Jahre 1361 untreu zu werden und, um die
neue Bundesgenosfenfchaft mit Barnabo Visconti fester zu
knüpfen, um dessen Tochter Viridis für seinen Bruder Leo¬
pold zu werben, betrachtete der, durch die seiner Tochter zu¬
gefügte Kränkung nun auch persönlich beleidigte Meinhard
sich von jeder Verpflichtung gegen Rudolf frei. Daß Carl IV.
in jener Zeit (zu Prag am 2. Februar 1365) Meinhard
zu seinem Hofgesinde, Rathgeber und Diener ernannte, ihn
aller Rechte und Freiheiten derselben theilhaftig machte
und versprach, ihn als seinen und des römischen Reiches
Fürsten und Getreuen bei allen Gütern und Rechten zu
schützen, können wir mit des Kaisers damaliger großer Ge-
202
neigtheit für Rudolf nur durch die Annahme reimen, daß
dies ein im Interesse des Letzteren unternommener, jedoch
nutzloser Versuch war, Meinhard durch diese Gnadenbezeu¬
gung für den Entgang der von der Verbindung seiner Tochter
mit Leopold von Oesterreich erwarteten Vortheile zu ent¬
schädigen und so für die Partei der Oesterreicher wieder zu
gewinnen. Am 3. April 1365 schloß Meinhard zu Udine
vor dem feierlich versammelten Parlamente ein Schutz- und
Trutzbündniß mit dem Patriarchen und am 30. des folgenden
Monates ging er zu Hof-Gastein eine ähnliche, in erster
Linie gegen Oesterreich gerichtete Verbindung mit dem Her¬
zoge Stephan von Baiern-München und dessen Söhne ein,
durch welche alle einst zu Gunsten der österreichischen Her¬
zoge gethanen Schenkungen thatsächlich widerrufen wurden.
Meinhard erklärte an diesem Tage urkundlich, daß er seine
Tochter Catharina (Leopolds von Oesterreich ehemalige Ver¬
lobte) Stephans Sohne Johann zum Weibe gegeben und
dieselbe nebst ihrem Gatten und beider Kindern, falls er
ohne Söhne mit Tode abginge, zu Erben aller seiner Güter
eingesetzt habe, wiedenn auch von seinen Rittern und Knechten,
Städten und Märkten den zukünftigen Landesherrn bereits
gehuldigt worden sei. Außer Meinhard von Gör; und den
Herzogen von Baiern war anfänglich auch der Kaiser über die
Besitzergreifung Tirols durch Rudolf sehr aufgebracht und sogar
entschlossen gewesen, sich derselben mit den Waffen in der
Hand zu widersetzen. Es lag ganz in der Natur der Sache, daß
Carl IV. unter diesen Umständen Partei für den Patriarchen
genommen und ihm unter anderen am 5. April 1363 aus
Nürnberg geschrieben hatte, daß er alle Verzichte, Entsagungen
und sonstigen von ihm während seiner Gefangenschaft einge¬
gangenen unerlaubten und unwürdigen Verpflichtungen aus
kaiserlicher Machtvollkommenheit für null und nichtig erkläre.
203
Während nun die Baiern ihr Vorhaben aussührten und dem
Patriarchen dadurch einen Dienst leisteten, indem die Vor¬
bereitungen zum Kriege nm Tirol und dessen wirklicher Aus¬
bruch im Herbste 1363 und im Sommer 1364 auf Ru¬
dolfs anderweitige Unternehmungen uvthwendig lähmend
einwirken mußten, fand zwischen Carl und Rudolf am Schluffe
des Jahres 1363 eine vollständige Aussöhnung statt. Dem
Patriarchen erwuchs jedoch daraus kein Nachtheil. Der Kaiser
hätte keinesfalls mehr als sein Ansehen für denselben einge¬
setzt. Sein gutes Einvernehmen mit Rudolf aber führte in
seinen Folgen dem Patriarchen einen nicht zu verachtenden
Bundesgenossen zu.
Indem der Kaiser, jetzt bemüht, seinem Schwiegersöhne
in allem zu Willen zu seiu, demselben am 9. Mai 1364
auch Feltre, Belluno und die Grafschaft Tschimell (Zumalle)
verlieh, verfügte er über Orte und Landschaften, welche sich
in der Gewalt des Herrn von Padua, Franz von Carrara
befanden, und machte diesen um alle seine in den oberen
Thälern der Piave und Brenta gelegenen Besitzungen besorgt.
Da ferner die Festsetzung des österreichischen Einflusses in
Friaul Carrara in jeder Beziehung nur höchst bedenklich er¬
scheinen konnte, trat er mit Entschiedenheit auf die Seite
des Patriarchen, den er vorerst nur mit Geld (1000 Dukaten
zur Anwerbung von Mannschaften) späterhin aber auch mit
ansehnlichen Streitkräften unterstützte, und trug damit wesent¬
lich zu den siegreichen Erfolgen bei, welche die, diesmal vom
Glücke begünstigten patriarchalischen Waffen wiederholt da¬
vontrugen. Nebstbei hatte Carrara noch besondere Be¬
schwerden gegen die Spilimbergo, zu deren Demüthigung der
Krieg des Patriarchen bei erwünschtem Verlaufe führen
mußte. Sie hatten einst der Republik Venedig ihre Dienste
gegen Carrara angetragen, und jetzt verweigerten sie die
204
Zahlung der bedeutenden Summen Geldes, welche sie diesem
schuldeten. Was den Werth der engen Verbindung mit dem
Herrn von Padua noch besonders erhöhte, war der Umstand,
daß sie für die Freundschaft des Königs von Ungarn, der im
Jahre 1358 Carrara seine Hilfe gegen jedermann zugesagt
hatte, eine sichere Gewähr bot.
Holen wir nun die Erzählung der einzelnen kriegerischen
Vorfälle nach, der wir mit unseren Betrachtungen über die
Beziehungen des Patriachates zu seinen Nachbarländern
weit vorausgeeilt sind.
Die friedlichen Zustände Friauls müssen schon im
Frühjahre 1363 eine Störung erfahren haben. Am 9. Mai
dieses Jahres gab der Kaiser allen Bewohnern des Patri¬
archates den mit Herzog Rudolf abgeschlossenen viermonat¬
lichen Waffenstillstand mit der Aufforderung bekannt, sich
während derselben ebenfalls jeder Feindseligkeit gegen des
Herzogs Leute zu enthalten; fügte aber die Zusicherung hinzu,
niemals ein Abkommen treffen zu wollen, durch welches die
Kirche von Aquileja, der Patriarch oder dessen getreue Unter-
thanen irgendwie in ihren Rechten verkürzt werden könnten.
Rudolf hielt sich nicht an jene ausbedungene Frist, sondern
erneuerte den Kampf vor ihrem Ablaufe. Unter dem kaum
grundlosen Vorwande, daß die Bestimmungen des Vertrages
von Wien nicht vollständig erfüllt worden seien, vermehrte
er sein Kriegsvolk in Friaul, indem er es zugleich zu Ge¬
waltmaßregeln ermächtigte. Auch seine Anhänger, deren er
im Patriarchate nicht wenige zählte, griffen zu den Waffen.
Außer den Bürgern von Venzone und den Herren von Ra-
gogna, welche vermöge ihrer Lehenspflicht Rudolfs Banner
folgten, waren die hervorragendsten darunter Andreas von
Pulcinico, Plebanus von Strassoldo, Facina von Partistagno,
Johann von Uruspergo-Villalta, Tolberto von Prata, der
205
um Weiber willen mit Carrara verfeindet, diesmal dessen
Gegnern sich beigesellte, und namentlich die Brüder Walter-
Berthold und Heinrich von Spilimbergo, welche im vorher¬
gehenden Jahre mit Einwilligung der Herzoge von Oester¬
reich das, Jgnolf und Bello von Lisca um 8000 Dukaten
verpfändet gewesene Pordenone durch Bezahlung dieses Be¬
trages an sich gebracht und so ihre ohnedies schwer in's Ge¬
wicht fallende Macht noch ansehnlich vergrößert hatten. Durch
alle diese Adeligen unterstützt, konnten die Oesterreicher, trotz
ihrer wahrscheinlich geringen Stärke, dem Lande vielfachen
Schaden zusügen. Sie streiften über den Tagliamento hin¬
über und drangen nach bewirkter Bereinigung mit den Leuten
der Herren von Spilimbergo bis vor S. Vito, wohin sich
der Patriarch mit den Seinigen zurückgezogen hatte. Da
dieser sich jedoch nicht aus seiner dortigen festen Stellung
hervorlocken ließ, wandten sie sich gegen Valvasone, ver¬
heerten dieses Besitzthum des dem Patriarchen mit unerschüt¬
terlicher Treue ergebenen Simon von Valvasone und steckten
es schließlich in Brand (am 7. September).
Der Patriarch gab nunmehr den Befehl zu Repres¬
salien, welche vorerst an den Herren von Spilimbergo ge¬
nommen wurden, da dieselben als die Häupter der Abtrün¬
nigen Ludwigs Rache ganz besonders herausgefordert hatten,
und sich eben jetzt eine günstige Gelegenheit darbot, sie em¬
pfindlich zu treffen. Alljährlich feierte man im Herbste bei
S. Daniele ein Fest, an welchem beinahe die ganze Bevöl¬
kerung des benachbarten Spilimbergo theilzunehwen Pflegte.
Bei diesem Anlasse sollten alle Leute aus Spilimbergo durch
Bewaffnete ergriffen werden, um unverzüglich darauf Spi¬
limbergo selbst zu überfallen und zu nehmen. Es scheint
indeß die Sache nicht ganz geheim gebieben zu sein; der Be¬
such des Festes aus Spilimbergo war in diesem Jahre ein
206
außergewöhnlich spärlicher und der Anschlag gelang daher
mir zum Theile.
Einige Zeit noch, nachdem auf diese Weise von beiden
Seiten die Feindseligkeiten eröffnet worden waren, beschränkten
sich dieselben auf einzelne Raubzüge, bis durch das Erscheinen
der Paduanischen Hilfsvölker auf dem Kriegsschauplätze die
Kriegführung einen entschiedeneren Charakter annahm. Car¬
rara hatte bei Abschluß des Vertrages mit dem Parriarchen den
Vorbehalt gestellt, daß nichts unternommen werden dürfe,
bevor nicht eine zustimmende Antwort des Königs von Un¬
garn auf die Anzeige dieses Schrittes eingetroffen wäre, und
wollte daher noch mit seiner Hilfeleistung zögern. Die nicht
mehr zu zügelnde Ungeduld der Friauler, welche trotz dessen
unmittelbar nach Unterzeichnung des Bündnisses losschlugen,
nöthigte Carrara noch vor dem ausgemachten Zeitpunkte zur
Betheiligung an dem Kampfe, welcher zu Ende des Jahres
1364 an verschiedenen Punkten des Landes mit gesteigerter
Heftigkeit entbrannte.
Ein Theil der carraresischen Truppen unter Gerhard
von Rubbiera griff, mit den Bürgern von Udine vereint,
die Besitzungen der Spilimbergo am Tagliamento an und be-
rannte, allerdings vergeblich, deren gleichnamigen Stammsitz.
Gleichzeitig fielen die Cividaleser über die nahe Burg Urus-
Pergo (auch Grusbergo) her, welche einst den Herren von Vil-
alta gehört hatte, später von diesen den Herzogen von Oester¬
reich abgetreten worden war und nun durch einen Haupt¬
mann des Grafen Friedrich von Cilli, der es pfandweise inne
hatte, befehligt wurde. Cividale war diesem Schlosse beson¬
ders gram, weil es durch letzteres nicht allein in allen Kriegen,
sondern selbst in friedlichen Zeiten, da Falschmünzer und
Wegelagerer dort eine Zuflucht fanden, häufigen Abbruch
erlitten hatte. Als es in Cividale bekannt wurde, daß Urus
207
pergo mil Kriegsknechten und Mundvorrath nur mangelhaft
versehen wäre, zogen die Bürger aus der Stadt hinaus,
legten sich davor und bedrängten es mit Wurfmaschinen aller
Art. Der gehoffte Entsatz traf binnen der gewährten Frist
nicht ein. Da ergab sich die Besatzung am 22. September
und das Schloß ward vom Grunde aus zerstört. In einer
der vorhergehenden Nächte aber war es Walter-Berthold von
Spilimbergo gelungen, aus Uruspergo *), wo er sich gerade
anfgehalten hatte, zu entkommen und nach vielen Beschwer¬
lichkeiten Cucanea zu erreichen, von wo er sich auf den Weg
nach Deutschland machte, von Herzog Rudolf rasche Hilfe zu
begehren.
Ein gleiches Schicksal wie Uruspergo ereilte auf des
Patriarchen Geheiß am 24. November das den Spilimbergo
gehörige, gleichfalls bei Cividale gelegene Schloß Zuccula,
das nie wieder aus seinem Schutte erstehen sollte.
Die im offenen Felde stehenden Truppen des Patri¬
archen, denen sich eine Schaar Paduaner unter Bertuccio
von Montemilone anschloß, waren der bewährten Führung
Franz von Savorgnano anvertraut, eines um das Patriarchat
verdienten Mannes, dem Udine in Anerkennung der dem
Vaterlande geleisteten Dienste das vor Zeiten von seinem
Hause schon besessene Vorrecht wiederverliehen hatte, von
allen seinen Stadtthoren je einen Schlüssel zu verwahren.
An der Spitze der Feinde stand ein kaum weniger berühmter
Kriegsmann, Walter-Berthold von Spilimbergo, der von
Carl IV. am Tage der Kaiserkrönung auf der Engelsbrücke
zn Rom nebst den Friaulern Gerhard von Cucanea, Pagano
*) Da es uns ganz unmöglich war, irgend eine Spur von
einem friaMischen Schlosse Umsbergo zu entdecken, so halten wir dafür,
daß dies im .L66it. l. Olwou. tiorku». nur eine fehlerhafte
Schreibart für Uruspergo ist.
208
und Frau; von Savorgnano nnd unzähligen anderen Herren
eigenhändig zum Ritter geschlagen worden war.
Walter-Berthold näherte sich über Görz mit den 800
von Herzog Rudolf gesendeten Lanzen. Savorgnano ver-
muthete, daß jener Spilimbergo auf dem kürzesten Wege ;u
erreichen trachten würde, und bewachte den Tagliamento-
Uebergang an der Straße von Strassoldo nach Valvasone.
Walter-Berthold wich jedoch geschickt aus und zog am Fuße
des Gebirges durch Wald uud Hügelland hin. Schon war
er seinem Ziele nicht mehr ferne, da beging er die Unvor¬
sichtigkeit unweit Fagagna einige Häuser in Brand stecken zu
lassen. Der von denselben aufsteigende Rauch, der ein ver¬
abredetes Zeichen für seine Nachhut war, verrieth seine Ge¬
genwart.
In stürmischer Eile kam Savargnano herbei und
stürzte sich auf die Oesterreicher, welche, zweimal gesprengt,
zweimal ihre Reihen wieder schlossen. Vergeblich war alle
ihre Tapferkeit, ein drittesmal zurückgedrängt, vermochten sie
sich nicht mehr zu sammeln. 100 Oesterreicher, darunter 20
vom Adel bedeckten den Kampfplatz, 100 andere sielen mit
200 Pferden und vielen reich beladenen Saumthieren den
Siegern in die Hände. Dank der Ausdauer und Schnellig¬
keit seines Pferdes, das ihn nach Spilimbergo getragen hatte,
war Walter-Berthold abermals dem Verderben entronnen,
um seiner Heimat neues Unheil bereiten zu können.
In diesem kritischen Augenblicke trug die Republik
Venedig, welche Rudolf befreundet war und, den Spilim¬
bergo ihren Schutz angcdeihen zu lassen, ein besonderes In¬
teresse hatte, den Kriegführenden ihre Vermittlung zur Her¬
beiführung des Friedens au Carrara erwiederte der deß-
*) Rudolf hatte am 8. November 1363 von Hall in Tirol
aus dem Dogen in Bcamwortnng eines Schreibens desselben die Ber-
209
halb an ihn abgeschicktrn Gesandtschaft, daß er dem Könige
von Ungarn ganz allein das Recht zur Vermittlung zuge¬
stehen könne, daß er aber, falls dieser keinen Gebrauch davon
machen wollte, sich dann an die Republik wenden würde.
Auch der Patriarch gab nur Ausflüchte zur Antwort, und
Rudolf selbst war wenig geneigt, auf Unterhandlungen ein¬
zugehen. Walter-Berthold war es, der nach Rache dürstend,
vom Herzoge unablässig Mittel zur Fortsetzung des Kampfes
forderte.
In der Thal schickte Rudolf eine Abtheilung Oester¬
reicher, bei welcher sich 80 Ritter und Reisige (notabili
uoinini) befanden, nach Friaul. Als man hier erfuhr, daß
dieselben bereits über Laibach hinausgelangt sei, trennten sich
die Verbündeten, nm ihr gewisser zu begegnen. Die Paduaner
zogen gegen Spilimbergo, die Friauler gegen S. Daniele.
Am 10. Januar 1365 entdeckten letztere die Oesterreicher
unweit S. Pellegrino. Von Friedrich und Johann von Sa-
vvrgnano geführt, gingen die Friauler ohne Rücksicht auf
ihre Minderzahl unverzüglich in so ungestümer Weise znin
Angriffe über, daß die Oesterreicher trotz der muthigsten,
wahrhaft verzweifelten Gegenwehr beinahe gänzlich ver¬
nichtet wurden. Von jenen 80 geriethen 20 in Gefangen¬
schaft; von den Uebrigen entkamen nur 7 mit dem Leben.
Diese Katastrophe entschied über den Ausgang des Krieges.
Trus, eine der ältesten und anhänglichsten Besitzungen der
Spilimbergo ergab sich, an deren Glückssterne verzweifelnd,
ohne Schwertstreich dem Patriarchen, der es sogleich einem
sicherung ertheilt, daß er zur Sicherung der Person und des Eigen-
lhumes des seinem Schutze empfohlenen, in Friaul begüterten venc-
tianischcn Bürgers Franceschino de Turris, welcher sich an dem gegen¬
wärtigen Kriege, so wenig wie an dem früheren betheiligen wolle,
die nöthigen Anordnungen erlassen hätte. Den Spilimbergo hatte
Venedig das zum Ankäufe Pordeuone's nölhige Geld vvrgestreckt.
Äquileja. 14
210
anderen Geschlechte zu Lehen gab. Damit hatten die Spi-
limbergo das Letzte, was ihnen außer Spilimbergo selbst ge¬
blieben war, auch verloren. Rubbiera besetzte am folgenden
Tage Cordenone, bezwang das dortige Schloß und bedrohte
Pordenone, bis an dessen Thore die verwüstenden Strei¬
fungen der wieder vereinigten Friauler und Paduaner reichten.
Rudolfs Verbindung mit Carrara's erbittertem Geg¬
ner Barnabo Visconti ließ ungeachtet ihrer feierlichen Be¬
siegelung durch Leopolds von Oesterreich am 23. Februar
zu Mailand erfolgten Vermählung mit Barnabö's Tochter
Viridis die friaulischen Angelegenheiten ziemlich unberührt.
Die unmittelbar darauf nach der Valsugana zur Bekämpfung
der carraresischen Truppen gesendeten 300 mailändischen
Fußsoldaten blieben durch eine dort eben zu Stande ge¬
kommene und später wiederholt verlängerte Waffenruhe zu
völliger Unthätigkeit verurtheilt.
Da wandte sich Rudolf an König Ludwig mit der
Bitte, mit dem Patriarchen und Carrara einen Waffenstill¬
stand herbeizuführen, der bis zum nächsten Martinstage
dauern und zu Verhandlungen über einen abzuschließenden
Frieden benützt werden sollte. Bereitwillig unterzog sich der
König dieser Aufgabe. Im Monate März traf Graf Johann
von Veglia, der als MeinhardsVII. Schwiegersohn mit Geschick
zu des Königs Unterhändler fürgewählt worden war, in
Friaul ein, ohne daselbst eine für die Besorgung seiner Auf¬
träge günstige Stimmung vorzufinden. Der Patriarch und
Carrara schoben sich gegenseitig die Initiative bezüglich der
zu fassenden Entschlüsse zu; sie besorgten, Rudolf möchte
die Einstellung der Feindseligkeiten nur dazu benützen, seine
zu keinem Widerstande mehr befähigten Burgen mit frischen
Mannschaften und Proviant zu versehen, während sie bestimmt
wußten, daß gerade jetzt nichts die Fortschritte ihrer Waffen
211
zu hemmen vermöchte; namentlich seit Meinhard von Kürz
die Sache des Patriarchen ganz zur seinigen gemacht und
in Folge davon den Oesterreichern die meisten Zugänge aus
ihren Landen nach Friaul versperrt hatte.
Von der Erfolglosigkeit aller seiner Bemühungen schnell
überzeugt, entschloß sich der ungarische Bevollmächtigte zur
Rückreise. Noch weilte er auf italienischem Boden, da fielen
Anfangs April die österreichischen Vesten Castel Cusano und
Zoppola. Die einheimischen Gegner des Patriarchen hatten
bereits vordem ohne Ausnahme zu Boden gelegen und jetzt
wehten sogar die österreichischen Fahnen nur mehr von den
Zinnen des von Feinden rings umschwärmten Pordenone.
Eine höhere Macht führte zuletzt den Frieden herbei,
indem sie mit den unversöhnlichsten Haupt-Widersachern die
vornehmste Ursache des Streites aus dem Wege räumte. Am
27. Juli erlag Herzog Rudolf zu Mailand, wohin er sich
begeben hatte, um in der möglichsten Verwerthung des Bünd¬
nisses mit Visconti für die in Friaul erlittenen Mißgeschicke
eine Entschädigung zu suchen, nach längerem Siechthume den
Folgen der beschwerlichen Gebirgsreisc über die Alpen, die
er, nm das Gebiet Meinhards von Gör; zu meiden, zum
Theile in der Verkleidung eines Schildknappen und zu Fuße
auf unwegsamen Pfaden zurückgelegt hatte. Beinahe gleich¬
zeitig, am 30. Juli, starb plötzlich zu Udine Patriarch Lud¬
wig auf dem Zenithe seines Glückes stehend, in einer so glanz¬
vollen Stellung, wie sie schon lange kein Patriarch inne
gehabt hatte. Denn, war auch durch Rudolf den patriarcha¬
lischen Hoheitsrechten in allen der österreichischen Herrschaft
unterstehenden Ländern unwiderruflich ein Ende gemacht
worden, so hatte doch Ludwig dem Herzoge in so lange einen
zähen Widerstand entgegengestellt, bis es ihm durch die am
Schluffe seiner Regierung seine Unternehmungen nnunter-
14*
212
brocheu krönenden Erfolge gelungen war, Rudolfs darüber
hinausgehende Ansprüche und damit dessen ganze italienische
Politik zum Falle zu bringen, und überdies bei diesem An¬
lasse die bereits schwankend gewordene patriarchalische Auto¬
rität über die zum eigentlichen Gebiete der Kirche von Aquileja
gehörigen Vasallen zu befestigen.
Wie hätte Ludwig ein anderes als ein ruhmvolles An¬
denken hinterlassen können!
Seine Leiche wurde neben den anderen Patriarchen
seines Hauses in der Ambrosius - Capelle der Basilica von
Aquileja bestattet. Sein Sarkophag aus weißem Marmor
steht mit jenem Rainalds den Grabmalen Raimunds und
Pagano's gegenüber und trägt nur an seiner vorderen
Längenseite ziemlich werthlose Sculpturen, welche nebst dem
Erlöser und einigen anderen religiösen Vorwürfen die
gekreuzten Lilienscepter der della Torre darstellen.
Stumm wie die Särge aller torrianischen Patriarchen
verkündet auch der Ludwigs nicht durch eine Inschrift den
Namen dessen, den er umschließt.
f. N. 600I.XXXI. 8i munu men zrroziria Tillie ab incurnuto Verbo,
dlillesimo trsesntsoimo guingun^esimo quinto (offenbar ein
Fehler anstatt guarto) in Vissilin owiiium Sa-nctorum Rsxnorum
meurum Lnno neue. Unmittelbar darunter ist in einer weit weniger
schönen Handschrift als jene des Königs zu lesen: Lt sZo Llnrguur-
Nu8 äsi Arnein sziiocopus unAuotenoio in teotimonium veritatio
prsmi88nrum ownium manu wen xroxria ine 8ub8crip8i. Das
Datum ist vom 31. October, an welchem Tage Ludwig von Hohenlohe
mit dem kostbaren Geschenke und einem Briefe Carls an den Erz.
bischof und das Capitel von Prag abging. Dieses Schreiben enthielt
die Mittheilung, dass bereits ein Einband aus Gold und Perlen im
216
Name auf der, durch den Palriarchen Nicolaus am 3. No¬
vember zu Padua über die von dem Kloster S. Giustina
dem Könige gemachte Schenkung des Hauptes des heiligen
Lucas ausgestellten Urkunde. Wir bemerken übrigens hier
gelegenheitlich, daß in königlichen oder kaiserlichen Urkunden
Marquard nur höchst selten unter den Zeugen aufgezählt
erscheint.
Am 5. April 1355 hielt Carl feinen Einzug in die
ewige Stadt, zu welchem Behufe fein zahlreiches Heer in
verschiedene Haufen getheilt war, von welchen Patriarch Ni¬
colaus den vordersten führte. Ihm zunächst kam der Erz¬
bischof Ernst von Prag mit Marquard und den Bischöfen
von Olmütz und Leutomischl. Zwei vom Papste hiezu bevoll¬
mächtigte Cardinäle fetzten Carl die Kaiserkrone auf das
Haupt.
Durch die demüthigenden Zugeständnisse, welche der
Kaiser der päpstlichen Curie gemacht hatte, um zu diesem
Ziele zu gelangen, durch sein ganzes Auftreten in Italien,
wo er nur Reliquien sammelte und für Geld unzählige Frei¬
heitsbriefe erließ, denen er jedoch die gebührende Achtung
nicht zu verschaffen vermochte, waren dem kaiserlichen An¬
sehen tiefe Wunden geschlagen worden. Während Petrarca
seinem Kommen so entgegengejubelt hatte, wie vor mehr als
einem Menschenalter Dante seinem Großvater Heinrich VII.,
mußte er, nachdem er den eingegangenen V rpslichtungenge¬
mäß Rom noch am Tage seiner Krönung den Rücken gewandt
hatte, vielfache Kränkungen erdulden. Ueberall regte sich mit
Werth? von 2000 Ducaten dafür bestellt sei, und die Anordnung, daß
die Geistlichen der Prager Städte und Vorstädte, insbesondere aber
sämmtliche Diacone bei der Uebernahme des Evangeliums gegenwärtig
zu sein hätten, daß ferner dasselbe alljährlich am Ostersonntage in
feierlichem Umzüge hernmgetragen und dann beim Hochamtc das
Evangelium durch einen Domherrn daraus gelesen werden sollte.
217
Macht der altitalienische Geist des Widerstandes und als die
meisten Deutschen Carl bereits verlassen hatten, erhob sich
am 21. Mai zu Pisa ein Aufruhr, der die Sicherheit des
in der Stadt anwesenden Kaisers in hohem Grade gefähr¬
dete. Marquard und Heinrich von Neuhaus waren die ersten,
welche zur Vertheidigung des Kaisers herbeicilten und, sei»
Banner entfaltend, ein Vereinigungspunkt für alle seine An¬
hänger wurden, nachdem sie mit den Waffen in der Hand
und mit einem Verluste von 150 Mann sich den Weg über
die Arno-Brücke und bis zu dem von Carl bewohnten Palastc
gebahnt hatten. Die eigentlichen Anstifter des Tumnltes,
die Raspanti, welche durch das ihnen anhängende niedere
Volk zuerst jene zum Schutze des Kaisers sich sammeln¬
den Deutschen hatten angreifen lassen, fanden esbaldvor-
theilhaft, alles der Gegenpartei der Gambacorti in die
Schuhe zu schieben und mit den Deutschen auf den ko^olo
Zru88o eiuzudringen. Den Kaiserlichen blieb der Sieg, um
den Marquard vom frühen Morgen bis zum Abende gleich
dem Patriarchen mit gerühmter Tapferkeit gekämpft hatte.
Marquard blieb als des Kaisers Statthalter in Pisa
zurück und hielt über die Ueberwundenen das Strafgericht.
Die Stadt zahlte eine Buße von 13.000 Goldgulden; die
Vornehmsten unter den Schuldigen, sieben an der Zahl, da¬
runter drei Brüder Gambacorti, starben auf der Richtstätte.
Später wurde das Reichsvikariat über ganz Toscana
Marquard anvertraut, der es rasch au sich selbst erfahren
mußte, wie wenig nachhaltig die von Carl in Italien schein¬
bar errungenen Vorlheile waren. Als die alte Liga der Este,
Gonzaga, Carrara, della Scala und der Markgrafen von
Monferral nach Carls Abzüge im Beginne des Jahres 1356
wieder gegen die Visconti anftrat, erachtete der Kaiser den
Augenblick für geeignet, um an den Herren von Mailand
218
dafür, daß sie ihm auf der Heimkehr von Rom die Thore
versperrt hatten, Rache üben zu können. Er schloß sich jener
Verbindung an und Marquard mußte die Visconti auf
einen bestimmten Tag zur Reinigung von allen wider sie
erhobenen Anklagen vorladen. Da letztere nur Hohn zur
Antwort darauf hatten, ward die Entscheidung der Waffen
augerufen. Nach mehreren glücklichen Gefechten erlitten die
Verbündeten am 13. November durch Leodrisio Visconti
eine schwere Niederlage, aus welcher selbst der schwäbische,
als Condottiere berüchtigte Graf Lando, der den Oberbefehl
führte, nur mit Mühe sich rettete. Unter den zahllosen Ge¬
fangenen befand sich auch Marquard, der dem Heere ge¬
folgt war.
Er gewann wohl seine Freiheit bald wieder (1357),
scheint aber seitdem, vielleicht in Folge der letzten Unfälle
entmuthigt oder in der Gunst seines Herrn gesunken, aus¬
schließlich den Pflichten seines geistlichen Amtes gelebt zu
haben, da wir von einer sonstigen Thätigkeit nichts verzeichnet
finden, als daß er Carls Reichstagen, und auch dies nur
zeitweise, beiwohnte. Die Erhebung auf den Patriarchenstuhl
von Aquileja führte darin eine wesentliche Aenderung herbei.
Von den in Friaul gemeiniglich herrschenden Zuständen
genau unterrichtet, offenbarte Marquard anfänglich mehr
Neigung, die ihm zugedachte Würde abzulehnen, worüber
man im Patriarchate, wo Marquard feit des Kaisers Römer¬
zuge kein Fremder mehr, und daher nicht allein seines Rufes
wegen, sondern auch persönlich hochgeehrt war, in nicht geringe
Bestürzung gerieth. Nicolaus von Maniago, Marquard seit
längerem wohlbekannt, wurde beauftragt, diesem die Wünsche
des Landes zu überbringen, und die Annahme des neuen
Amtes zu erbitten. Maniago entledigte sich seiner Sendung
mit Glück. Die Hoffnung, gestützt auf das ihm entgegenge-
219
brachte allgemeine Vertrauen, die durch des Patriarchen Lud¬
wig letzte Erfolge geschaffene, augenblicklich günstigere Lage
zur Begründung einer besseren Ordnung der Dinge benützen
zu können und, wie wir vermuthen, des Kaisers Wunsch
mögen ihn bewogen haben, die schwere Bürde der patriar¬
chalischen Geschäfte auf seine, unter der Last der Jahre schon
sich beugenden Schultern zu nehmen. *)
Wie wenig schnell sich Marquard zu diesem Entschlüsse
hatte bestimmen lassen, geht aus dem Umstande hervor, daß
er erst am Tage vor Weihnachten des Jahres 1365 in Udine
eintraf.
Udine Pflegte seinen Landesherrn, wenn er die Stadt
zum ersten Male betrat, überaus festlich zu empfangen. Bon
der gesammten Geistlichkeit, den städtischen Vorstehern und
Patriziern, den Bürgern und Zünften eingeholt, zog der
neue Patriarch auf einem weißen Maulthiere ein, welches
er, wenn er bei der Kirche abgestiegen war, mit der reichver¬
zierten Reitdecke, dem Kopf und Brustschmucke aus edlen Me¬
tallen und den vergoldeten Bügeln der Gemeinde Udine zum
Geschenke machte.
Die Besitzergreifung der kirchlichen Würde geschah stets
in der Basilica von Aquileja. Nachdem der Patriarch, eines
bestimmten Steines vor der Kirchenthüre sich als Stufe be¬
dienend, seinen Zelter verlassen hatte, geleitete ihn die Geist¬
lichkeit in die Mitte der Kirche und nahm ihm dort, während
er auf den Knien liegend den Segen des Decans empfing,
das Barett ab. Die eigentliche Installation erfolgte abwech¬
selnd durch zwei dieses Vorrecht sich gegenseitig streitig ma¬
chende Körperschaften. Bald waren es die Domherren von
*) Im Jahre 1378 wird sein hohes Greisenalter — «rxtrema
— hcrvorgehoben.
220
Aquileja, bald die Träger der erblichen obersten Landesämter,
der Kämmerer aus dem Hause Cucanea, der Mundschenk und
Kellermeister aus dem Hause Spilimbergo, der Marschall
und Bannerträger aus dem Hause Tricano oder Arcano und
der Truchseß und Küchenmeister aus dem Hause Pram-
pergo *), welche den Patriarchen auf den, wie es noch jetzt
zu sehen ist, hinter dem Hauptaltare befindlichen Patriar¬
chenstuhl aus weißem Marmor setzten. Am 19. April 1366
celebrirte Marquard in Aquileja sein erstes Hochamt, zudem
er nach der bestehenden Gewohnheit seine Suffraganbischöfe,
den ganzen ihm unterstehenden Klerus, befreundete Fürsten,
sonstige Persönlichkeiten und Gemeinden, seine Vasallen und
die friaulischen Städte geladen hatte. Ohne Ausnahme folgten
sie seiner Einladung und brachten ihm, wie es das Her¬
kommen erforderte, kostbare Gaben dar, welche theils in barem
Gelde, Wachslichtern und Fackeln, theils aber auch in gol¬
denen Ringen, in krystallenem, silbernem und goldenem Altar-
geräthe bestanden **).
Es war der versöhnende Abschluß der glorreichen Kämpfe
des Patriarchen Ludwig, ein wahrhaftes Friedensfest, das
Marquard an jenem Tage zu Aquileja beging. Abgesehen
von den Geistlichen, welche aus erklärlichen Gründen nicht
wegbleiben durften, waren alle hervorragenderen Fürsten des
östlichen Oberitaliens, ja selbst aus ToScaua die zwei vor¬
nehmsten Städte Florenz und Pisa dabei vertreten; von den
Adelsgeschlechtern des Landes, welche Marquards Vorgängern
so viele Sorgen verursacht hatten, fehlte nicht eines. Sie be¬
kannten damit feierlich, daß sie, losgesagt von allen Feinden
*) Dies waren die friaulischen Landesämter. An dem eigentlich
Patriarchalischen Hofe bekleideten die Herzoge von Kärnthen das Schenken-,
die Herzoge von Oesterreich als Besitzer Pordenone's das Trnchsessenamt.
Nicolans della Torre spendete ein großes Pferd.
221
ihrer Heimat, zur Lehenspflicht zuriickgekehrt waren»). Nur
Pordenone, jetzt wieder das einzige österreichische Besitzthnin
in Frianl, hielt sich noch grollend ferne.
Allein schon wenige Wochen später, am 30. Mai, kam
mit den Herzogen von Oesterreich ein zwischen deren Haupt¬
manne zu Pordenone, Conrad Craizer, und Nicolaus von Ma-
niago verhandelter, den Frieden bedeutender Waffenstillstand
») Es werden als dabei theils persönlich gegenwärtig, thcils
durch Abgesandte vertreten genannt: die Bischöfe und Domcapitel von
Trient, Padua, Verona, Triest, Como, Vicenza, Capodistria, Concordia,
Emona (Oidtfi uuova), Pola, Parenzo, Treviso, Piben, Ceneda, Man¬
tua, die Bischöfe von Feltre nnd Belluno, der Doge und die Stadt
Venedig, die Herren von Mailand, Padua und Verona, der Markgraf
von Este, die Städte Florenz und Pisa (nach einer anderen Lesart
Pesaro), die Grafen von Croatien (wahrscheinlich von Veglia), Görz
und Mitterbnrg (darunter ist wohl Albrecht IV. von Görz gemeint),
die Herren von Collalto,- Camino und La Motta, die Stadt Triest
nnd die Gräfin von Görz, von deutschen Prälaten die Erzdiakone in
Kärnthen, Krain, der Mark und im Sangaue (Grafschaft Cilli), die
Aebte von Ortenburg, Victring, Arnoldstein, Sittich und Millstadt,
der Propst vom Jaunihale und der Prior von Uscnivitz (Freudenthal?),
vom Diocesanklerus die Capitel von Aguileja, Cividale und Udine mit
ihren Dekanen, die Aebte von Beligna, Sesto, Rosazzo, Moggio und
Suniaga, die Capitel von St. Stephan und St. Felix in Aguileja,
dann von St. Peter in Carmen mit ihren Pröpsten, die Aebtissinuen
von Aguileja und Cividale, endlich die Pfarrer von S. Daniele, Tri-
ccsimo und Versa, von frianlischen Gemeinden Aguileja, Udiue, Cividale,
Gemona, Marano, Monfalcone, S. Vito, Sacile, Meduna, Venzone,
Portogruaro und Caueva, Tolmezzo mit ganz Carmen und Cadore
mit seinem Gebiete, ans Istrien die Orte Muggia, Buje, Portale,
Pingnente, Rovigno, Colino, Due Castelli, Albona und Fianoua, von
frianlischen Edlen d-c Herren von Prata, Porcia, Pnlcinico, Villalta,
Castello oder Frangipani, Strassoldo, Spilimbergo, Aviano, Mauiago,
La Frattina, Salvarolo, Lanrenzago, Sbrojavacca, Valvasone, Azzano,
Vanno, Toppo, Tricano oder Arcano, Colloredo, Mels, Pers, Capo
riacco, Dioruzzo, Cergnfiu, Ziacco, Brazzacco, Fontanaboua, Fagagua,
S. Daniele, Tricesimo, Prampergo, Partistagno, Attcmps, Cucanea,
Butrio, Manzano, Vendojo, Ragogna, Zoppola, Savorguano, die della
Torre, die Udineser Patrizier Lisoni, Monticuli, Burli und Orbiti, der
Prior von St. Anton in Venedig, der Podestfi von Aguileja mit seiner
Gemahlin und der Podest» von Marano.
222
zu Stande. Die wichtigsten Bestimmungen dieses, wie Mar-
quard in der Urkunde darüber sagt, auf Carls I V. dringenden
in Briefen und durch eigene Lendboten mit Hinweisung auf
des Patriarchen Pflichten gegen Kaiser und Reich geäußerten
Wunsch mit den in Udine eingetroffenen österreichischen Be¬
vollmächtigten Friedrich von Stubenbergh und Conrad von
Cynndekk geschlossenen Abkommens waren, daß die Krieg¬
führenden alles, was sie gerade in Besitz hätten, behalten,
die Gefangenen gegen ein billiges Lösegeld freilassen, alle
Straßen unter Beibehaltung der früheren Mauthen, Zölle
und sonstigen Abgaben dem freien Verkehre wiedergeben
nnd alle aus diesem Vertrage etwa sich ergebenden Zweifel
dem Kaiser zur Entscheidung vorlegen sollten.
Es übte daher Marquard die ihm als Patriarchen zu¬
stehenden landesherrlichen Rechte unbestritten und im vollsten,
ungeschmälerten Maße aus, als er sich im Monate Juni
nach Cividale begab, um in althergebrachter Weise in der
einstigen Capitale des langobardischen Herzogsthums den
Besitz der weltlichen Herrschaft anzutreten. Dieser feierliche
Act ging in dem dortigen Dome und in Gegenwart Franz
von Savorgnano und Walter-Bertholds von Spilimbergo,
welche sich hier nun friedlich zur Seite standen, dann des
patriarchalischen Kanzlers und Notars Odorico von Susans
aus Udine, vieler anderer vornehmer Zeugen und einer großen
Menge Volkes vor sich. Der die Stelle des Decans vertre¬
tende Domherr Matthäus de Regio trat an den, auf einem,
wie in Aquileja angebrachten und bis heute aufbewahrten,
Marmorsitze thronenden Patriarchen heran, und überreichte
ihm das entblößte Staatsschwert, welches dem neuen Landes¬
fürsten bei seinem Einzuge stets ein Glied der cividaleser
Familie Bojani vorantrug. Während der ambrosianische Lob¬
gesang angestimmt wurde, steckte der Patriarch das Schwert
223
in die aus einem weißen Stoffe verfertigte Scheide und ließ
hierauf, das Evangelium zur Hand nehmend, die Prälaten,
die Castellane und die Gemeinden in der Reihenfolge, nach
welcher sie im Parlamente saßen, auf dasselbe den Eid der
Treue leisten *).
Um sich der Uebertragung der persönlich genossenen
kaiserlichen Gnade auf das nunmehr seiner Leitung anver¬
traute Patriarchat vollends zu versichern, folgte Marquard
der Gesandschaft, durch welche er es hatte Carls IV. Schutze
anempfehlen lassen, nach Frankfurt a. M., wo eben die
Reichsfürsten versammelt waren. Er empfing dort die Inve¬
stitur, erlangte am 7. September ein umfassendes Diplom,
worin alle Rechte und Freiheiten der Kirche von Aquileja,
sowie alle von früheren Kaisern und Königen derselben ge¬
machten Schenkungen bestätigt wnrden, und erhielt außerdem
zum Geschenke die Summe Geldes, welche die Stadt Florenz
gerade damals als Reichssteuer an die kaiserliche Kammer
abgeliefert hatte. Wenn auch diese letzte Guustbezeuguug bei
Carls Denkungsart nicht zu geringe angeschlagen werden
darf, so war damit aber auch das Maß der materiellen Un¬
terstützung, welche Marquard von jener Seite zu hoffen be¬
rechtigt war, erschöpft und er erkannte ganz richtig, daß er
seine hauptsächlichste auswärtige Stütze in der sorgsamen
Pflege der schon unter seinem Vorgänger bestandenen freund¬
schaftlichen Beziehungen zu Carrara suchen müsse.
*) Die Ceremonie der Barettabnahme verlegte Patriarch Ma¬
rinus Grimani im Jahre t52L, nachdem Aquilcja sich schon im Besitze
der Oesterreicher befand, in den Dom von Cividale. Es sollte dadurch
in symbolischer Weise daran erinnert werden, daß Cividale, nm den
Patriarchen einen bequemeren Wohnsitz zu biecen, der Auszeichnung
eines eigenen Bischofs beraubt worden war, als Patriarch Calixtus
den Bischof Amator daraus vertrieben hatte.
224
Es spricht übrigens für seine erleuchteten Ansichten,
daß er die sicherste Gewähr für den Bestand der in
Friaul nach einer langen Unterbrechung wieder eingezogeneu
befriedigenderen öffentlichen Zustände in der Ordnung der
Rechtsverhältnisse des Landes erblickte, worauf der Umstand,
daß er, selbst ein Rechtskundiger, als Domherr einst zu Augs¬
burg das Kirchenrecht gelehrt hatte, nicht ganz ohne Einfluß
geblieben sein mag. Er setzte sich ein unvergängliches Denk¬
mal durch Schaffung eines seinen Namen tragenden Gesetz¬
buches, welches nicht bloß in Friaul, sondern auch in den
anderen der aquilejesischen Oberlehensherrlichkeit unterste¬
henden Gebieten, wie in Istrien, Kram, der Mark nnd Görz
überall dort zur Geltung kam, wo besondere Ortsstatute,
deren es allerdings in Friaul allein über 100 gab, nicht
bestanden ^). Die Grundlagen des Straf- und Privatrechtes
in Friaul bildeten die Edicte der langobardischen Könige
Rotharis (v. I. 643), Grimoald (v. I. 668), Luitpraud
(aus den Jahren 713—724), Ratchis (v. I. 746) und
Aistulf (v. I. 754) Daneben finden wir jedoch immer das
römische Recht ebenfalls in Uebung, was deßhalb besonders
merkwürdig ist, weil die Langobarden, dem von den übrigen
germanischen Völkern bei Besetzung römischer Gebiete einge¬
haltenen Verfahren gerade entgegengesetzt, sonst überall in
Italien den Besiegten mit ihrer Herrschaft auch ihre Gesetze
auferlegt hatten. Fremde hielten sich wohl auch an ihre heimat¬
lichen Rechte. So erklärten zum Beispiele in zwei Urkunden
*) Manuscripte von Marquards Lonstitutionss putrias tH-
.jutii befinden sich in den Archiven von Udine, Sacile und anderen
Orten. Eines in deutscher Sprache wird in Görz aufbcwahrt. Im
Drucke erschienen sie zuerst 1484 italienisch in Udine durch Meister
Gerhard aus Flandern, dann 1497 lateinisch in Venedig mit den durch
den venetianischen Statthalter in Friaul Marcus Dandolo im Jahre
1429 daran vorgenommeuen Reformen.
225
des XII. Jahrhundertes der in Friaul begüterte schisma-
tische Erzbischof vou Salzburg, Berthold von Moosburg,
dann seine Schwägerin Acica (Azzica), Witwe des Mark¬
grafen Burkhard, und Wilhelm von Puzolo, einer ihrer An¬
gehörigen, nach baierischen Gesetzen zu leben, da sie baierischeu
Stammes seien; doch fügte Berthold hinzu, als Geistlicher
für seine Person das römische Recht anzuerkennen. *) End¬
lich hatten, wie überall im Mittelaller, ja vielleicht mehr
noch als anderswo in Friaul die allen Gewohnheiten, deren
theilweise Aufzeichnung Patriarch Wolfger veranlaßt haben
soll, volle Gesetzeskraft.
Der Nothwendigkeit, alles was in dieser Beziehung
noch immer Giltigkeit hatte, niederzuschreiben und zu sam¬
meln, verschloß sich auch das Parlament nicht; auf des Pa¬
triarchen kurz nach seiner Ankunft gestellten Antrag beauf¬
tragte es aus seiner Mitte mehrere Männer, den mit der
Abfassung der Gesetzsammlung betrauten Rechtsgelehrten und
patriarchalischen Vikaren Johann Monticoli aus Udine und
Jacob della Porta aus Gemona helfend beizustehen. Es
waren dies aus dem geistlichen Stande Doctor Raimund Pa-
vona, Domherr aus Udine, ans den Adeligen Simon von
*) Die im Schlosse Atteus im Jahre I MO (?) ausgefertigte
Urkunde der Markqräsin Acica, über deren Herkunft ein noch unani-
geklärtcs Dunkel herrscht, ist wegen der Formel merkwürdig, mit der
sie verschiedene Besitzungen im Königreiche Italien, in Baiweria (An-
trudorst), in Carintania (Wilar und Jnfnic) und in Ostric Mer-
scanswert) ihrer Tochter Mathilde und ihrem Schwiegersöhne Konrad
übergibt. Sie lautet: Lt inender eultsllum st ks8tum enm notn-
tuna JVantonem (ksstuonm nockat.nn, cvs,ntonem), et vrsonem
tsrrs, ntgue rrrmum nrboris tVa.rpi vivi (varpivi) et ex^uliri
ms sxincks koras, et awr-snte, kaosrs voUis, et vestri» Uers-
N8, <^nos 6onrnrlu8 st IknotilN insimul neguisierit, IsAitimnnr
investituram, vsl suri^äivtionem, gare proprietnrio nomine,
gniäc^uiN volneritis, 8ine omni msa st IrersNum nieornm menrum
eontrnNioions.
Aquileja. 15
226
Cucanea und Andreas von Attimis, für die Städte Mar-
gherito d'Adalgerio aus Aqnileja, Doctor Augustin Gubertini
und Hector Miuliti aus Udine, Francesco Notajo und Jacob
Fabbro aus Cividale und Meinhard Savio aus Gemona.
Die Arbeit muß mit dem größten Fleiße und mit unermüd¬
licher Ausdauer geführt worden fein, da Marquard sie bereits
am 11. November 1366 dem nach Sacile berufenen Par¬
lamente zur Sanction vorlegen konnte.
Nicht ohne Genugthuung mochte Marquard aus sein
erstes an mannigfacher Thätigkeit reiches Regierungsjahr, in
welchem Udine noch eine namhafte Vergrößerung um die
oberen Vorstädte und den dadurch bedingten Bau einer neuen,
annoch bestehenden Ringmauer erfuhr, zurückblicken und mit
allem Rechte durfie er sich freuen, es in würdiger Art mit
der Kundmachung seiner Constitutiones abzufchließen. Den
wichtigen Gegenstand selbst hielt er indeß damit nicht für
abgethan, sondern er beschäftigte sich noch wiederholt mit
demselben.
Die Form, in welcher damals in Straf- sowohl, als
in Privatrechts - Angelegenheiten in Friaul verhandelt und
entschieden wurde, wardie altgermanische des Schöffengerichtes
(die Beisitzer hießen in Friaul Arrenghi oder Astanti), welches
sich hier in feiner ganzen Ursprünglichkeit erhalten hatte. Es
versammelten sich die Genossen desjenigen, der oder in dessen
Sache gerichtet werden sollte, an deren Stelle erst mit der
Zeit in Folge der allgemein werdenden Anwendung des
römischen und canonischen Rechtes rechtskundige Geschworne
traten, und gaben auf die Frage des Vorsitzenden, der, mochte er
auch der Patriarch selber oder dessen Stellvertreter sein, außer
bei Stimmengleichheit kein entscheidendes Votum hatte und nur
den Urtheilsspruch vollziehen ließ, friris? durch Auf¬
hebung der rechten Hand — späterhin durch Kugelung —
227
ihre Meinung ab. Da die Kirche das römische Recht für sich
als maßgebend angenommen hatte und auch iu solchen Dingen
nach Gleichförmigkeit strebte, stimmte sie den Patriarchen bei,
welche jenen durch das Alter geheiligten Gebrauch als eine
Beeinträchtigung ihrer Rechte ansahen. Schon Patriarch Pa¬
gano hatte sich hl 330) deßhalb klagend nach Rom gewandt
und die Abschaffung dieser Art der Rechtsprechung verlangt.
Unvermögend, sich von den kirchlichen, während seines ehe¬
maligen Lehramtes noch besonders groß gezogenen Anschau¬
ungen darüber loszusagen, richtete Marquard das gleiche Be¬
gehren an Urban V., der seinen Wünschen willfahrte und am
20. Juli 1367 aus Viterbo ein Breve folgenden Inhalts
an ihn erließ. Der Papst schrieb darin, wie es ihm zu Ohren
gekommen sei, daß sich in den der patriarchalischen weltlichen
Gerichtsbarkeit unterworfenen Städte Aquileja, Udine, Civi-
dale, Gemona, Venzone, Marano, Monfalcone, Sacile, S.
Vito und Meduna, in anderen Orten, Dörfern, Schlössern,
Vesten und Gastaldaten des zur Diözese Aquileja gehörigen
Friauls in der Ausübung der Criminal- und Civil - Rechts¬
pflege arge Mißbräuche eingeschlichen hätten, welche der Fäl¬
lung gerechter Urtheile höchst verderblich wären. Er befahl,
dieselben abzustellen, verordnete, daß jeder mit den canoni-
schen Satzungen im Widerspruche stehende Gebrauch unberück¬
sichtigt bleiben, jedes nicht von dem zuständigen Richter ge¬
sprochene Urtheil ungiltig sein sollte, und verlieh dem Patri¬
archen die Befugniß, sowohl persönlich als durch seine
Beamten in allen Rechtsfragen der Unlerthanen, bei ein¬
dringlich gepflogener Untersuchung alleiniglich nach guten
Gründen zn entscheiden. Marquard schaffte zwar in Folge
dieses päpstlichen Erlasses die Gerichtsbeisitzer ab; diese
volkstümliche Institution wurzelte jedoch zu fest, um sich
gänzlich ausrotten zu lassen, und 30 Jahre später sah sich
tö*
228
Patriarch Anton I. genöthigt, sie gesetzlich in Friaul wieder
einzuführen. *)
Im Jahre 1371 erhielten Marquards Constitutiones
noch einen Zusatz, indem das Parlament, auf dessen Vorschlag
den bisher von jedem Erbrechte ausgeschlossenen Frauen
dasselbe in demselben Maße, als es die Männer besaßen,
einräumte; eine Bestimmung, welche über die von den Ver¬
tretern Udine's erhobene Einsprache nachträglich einige Be¬
schränkungen erlitt.
Der Gleichartigkeit des Gegenstandes wegen erwähnen
wir an dieser Stelle einer zweiten auf Marquards Veran¬
lassung entstandenen Sammlung. In seinem Auftrage ordnete
der Notar Odorico von Susans, der unter drei Patriarchen,
Ludwig, Marquard und dessen Nachfolger Philipp an der
Spitze ihrer Kanzleien stand, das Archiv der Kirche von
Aquileja, und verfaßte ein Verzeichnis aller darin ent¬
haltenen Privilegien, Schenkungen und sonstigen auf die
Lehen derselben Bezug habenden Urkunden, welche im kurzen
Auszuge mitgetheilt werden. Odorico nannte seine verdienst¬
liche Arbeit, die uns einen Blick in die einstigen archivalischen
Schätze Aquileja's thun läßt, ihrem Werthe ganz entspre¬
chend Hissuriri oluritus nnd ergänzte sie (1386) nach
Marquards Tode durch einen kurzen Anhang — I^uoiksr
^-dilejtznsis — in welchem alle der Person des Patriar¬
chen zukommenden Ehren und Rechte, seine vornehmsten Va¬
sallen, seine nicht friaulischen Herrschaften und seine gewöhn¬
lichen Einkünfte aufgezählt sind. **)
Die betreffende Urkunde vom 26. April 1397 zählt die zum
Richteramte berufenen Beamten (Ot'Lcialss) des Patriarchen auf,
nämlich: Nnrssenlcum, V^onrinm in tsm^ornlibus, llsnsrnlss,
Uotsstntes, (inpitnnsos st <7n8tg,I6ion8.
**) Die patriarchalischen Einkünfte beliefen sich nach dem Lucifer
auf mehr als 5850 Mark aquilejeser Denare, etwa 80.000 Gulden
229
Die Entstehung des Haupttheiles fällt in jene Zeit
der Muße und Unthätigkeit, welche Marquard mit seinem
Kanzler zurückgezogen in Aquileja verlebte (1376), um jede
Berührung mit seinen Unterthanen aus Udine, Cividale,
Gemona und Venzone zu vermeiden, welche dem Banne und
Jnlerdicte verfallen waren, weil sie die von Gregor XI. auch
außerhalb ihrer, den Eroberungsgelüsten des Cardinallegaten
Wilhelm von Noellet an der Spitze der toscanischen Städte
Trotz bietenden Vaterstadt gebannten Florentiner nicht —
wie es die päpstlichen Bullen gestatteten, — ihres Eigen¬
thumes beraubt und sogar als Sclaven verkauft, sondern
die Pflichten der Gastfreundschaft dessen ungeachtet fortwäh¬
rend geübt und selbst durch eigene Abgesandte beim Papste
für ihre Gäste Fürsprache eingelegt hatten. * *)
Marquard wurde ein zweitesmal in italienischen Reichs¬
geschäften verwendet, als Carl IV. Italien im Jahre 1368
wieder besuchte. Am 21. April traf der Kaiser in Beglei¬
tung seiner Gemahlin, einer Tochter, des Hochmeisters des
deutschen Ordens, des Prager Erzbischofs Johann Oczko von
Wlassim mit seinen Brüdern, der Bischöfe von Speyer, Augs¬
burg und Metz, der Markgrafen von Mähren und Meissen,
des Burggrafen von Nürnberg, der Grafen von Görz und
Heunburg, vieler deutscher und böhmischer Herren und eines
nach unserem heutigen Gelbe (darunter 3000 Ducaten von der Mauth
in der Chinsa bei Venzone, 3000 Pfunde aus dem Gebiete von Cadore
und -1300 Mark Denare von dem Gestaldate Carnien), die in die
Kammer des Patriarchen fließenden Strafgelder und die bedeutenden
Naturalabgaben an Getreide, Wein und Oel nicht gerechnet.
*) Aus dem obigen Anlasse richtete Florenz im Jahre 1378
eigene Danksagnngsschreiben an die vier friaulischen Gemeinden, welche
gegen seine Söhne so großmüthig gehandelt hatten, während an vielen
Orten durch die päpstlichen Bannflüche förmliche Judenverfolgungen
gegen die, des meist von ihnen betriebenen Wuchers wegen, wenig be¬
liebten Florentiner hervorgernfen worden waren.
230
großen Troßes in Udine ein, wo sich zu seiner Begrüßung
aus Italien Amadeus VI., der grüne Graf von Savoyen,
Franz von Carrara, venetiauische Abgesandte und mit den:
Bischöfe von Padua auch Petrarca eingefunden hatten. Mar-
quard bereitete seinem hohen Gaste einen glänzenden Em¬
pfang. Am aquilejesischen Thore harrte seiner der Haupt¬
mann der Stadt Udine, der nach einer feierlichen Ansprache
ihm einen Purpurmantel über die Schultern hing, auf welchem
das kaiserliche Wappen reich in Gold und Perlen gestickt
war. Dann spendete der Hauptmann Namens der Stadt für
die Bedürfnisse der kaiserlichen Hofhaltung 200 Star Haber,
120 Pfund weißen Wachses, 6 Fässer des besten Weines und
10 gemästete Ochsen. Die Kaiserin und ihre Tochter waren
durch die Frauen vom Adel begrüßt worden. Franz und Pa¬
gano von Savorgnano stellten sich mit Simon von Valvasoue
der Person des Kaisers gänzlich zur Verfügung, wahrend
die angesehensten Bürger sich herbeidrängten, den kaiserlichen
Baldachin zu tragen und den Damen des Hofes ihre Dienste
anzubieten. So lange Carl in Udine weilte, folgte Fest auf
Fest. Bei den Turnieren und ritterlichen Spielen fand der
friaulische Adel Gelegenheit, sich hervorzuthun; des meisten
Beifalles jedoch erfreuten sich die öffentlichen Tänze, welche
zur Kurzweil des Hofes veranstaltet wurden.
Nach siebentägigem Aufenthalte setzte Carl seine Reise
mit bedeutend angewachsenem Gefolge fort, da die Mehrzahl
der Adeligen bis an die Landesgrenze, einige aber, wieMar-
quard selber, noch darüber hinaus ihm das Geleite gaben.
In kurzen Tagreisen zog Carl gegen Rom; am 5. Mai war
er noch in Conegliano, wo Nicolaus von Este ihm huldigte,
am 24. August erst in Modena. Hier geschah es, daß Ab¬
geordnete aus Pisa und Lucca die Unterwerfung dieser beiden
Städte aukündigteu, worauf der Kaiser den Patriarchen zur
231
Besetzung derselben und namentlich zur Besitznahme der
Herrschaft in Lucca, welche der Pisanische Doge Johann
d'Agnello in vertragswidriger Weise bis dahin ausgeübt
hatte, mit 700 Lanzen voraussandte. Carl folgte diesmal
rascher nach und betrat Lucca am 4. September. Während
er sich in Lucca aufhielt (bis 30. September) und daun
langsam über Pisa und Siena (Mitte October) Rom näherte,
führte Marquard in Toscana als Reichsverweser das Re¬
giment. Von Lucca und S. Miniato del Tedesco, das er
ebenfalls zur Anerkennung der kaiserlichen Autorität geuö-
thigt hatte, suchte der Patriarch die florentinischen Ort¬
schaften mit Raub und Plünderung heim, um auf diese Art
von der spröde thuenden Stadt Florenz für Carl ein Geschenk
zu erzwingen, wie es andere, des Reiches Oberherrschaft nicht
bestreitende toscauische Städte gutwillig zu geben pflegten.
In der That zahlte Florenz am 4. März 1369 50.000
Goldgulden an den Kaiser.
Da wir im Jahre 1369 Marquards Namen auf den
in Italien ausgefertigten Urkunden Carls nicht mehr be¬
gegnen, so vermuthen wir um so mehr, daß der Patriarch
im Beginne dieses Jahres heimgekehrt war, als der Kaiser
schon im vorhergegangenen Herbste das Vikariat über Pisa
und Lucca dem Bischöfe Walter von Augsburg übertragen
hatte. Ein weiteres Zeugniß für unsere obige Behauptung
liefert uns die Dispens vom canonischen Ehehindernisse der
Verwandschaft im vierten Grade, welche Marquard am 26.
März 1369 an des Papstes Stelle dem Grafen Johann
von Cilli und der Erbgräfin Margarethe von Pfannberg er-
theilte. Dagegen erklärt es sein früherer Aufenthalt in Italien
zur Genüge, warnm er dem am 10. Mai 1368 au ihn ge¬
stellten Ersuchen der Braut und ihrer Mutter, von der ihm
am 10. Jänner desselben Jahres hiezu verliehenen Vollmacht
232
Gebrauch zu machen, beinahe nach einem vollen Jahre erst
Folge gab.
Auf der Rückreise nach Deutschland berührte Carl
Udine im August 1369 wieder. Bei diesem Anlasse zeichnete
er Odorico von Susans, der in Marquards Gefolge dem
Kaiser Dienste geleistet hatte, Franz von Savorgnano, die
Herren von Spilimbergo, Cucanea und die Gubertini durch
Verleihung der Hofpfalzgrafenwürde aus, mit der das Recht,
Notare zu bestellen, Wappenbriefe zu ertheilen und uneheliche
Kinder mittelst sogenannter eiserner Briefe zu legitimireu,
verbunden war. Auch erscheint die Quittung über die
100.000 fl., mit welchen die Luechesen die Befreiung von
jeder anderen Hoheit als der von Kaiser und Reich Carl be¬
zahlen mußten, um dieselbe Zeit in Udine ausgefertigt.
Es mochten wohl die heftigen im Winter 1368—69
um das nahe Triest tobenden Kämpfe sein, welche den Pa¬
triarchen zu beschleunigter Rückkehr bestimmt hatten.
Nur mit Widerwillen ertrug Triest seit der Mitte des
Jahrhunderts die venetianische Herrschaft. Da ereignete sich
im Dezember 1368, daß die im Hafen Wache haltende
venetianische Galeere ein schmuggelndes Schiff aus Triest
aufbrachte. Der daraus entstandene Znsammenlauf des
Volkes, das für seine Mitbürger Parteiergriff, nahm immer
größere Verhältnisse an und endete mit offener Empörung.
Zur See und zu Lande schickte Venedig namhafte Streit¬
kräfte ab, um die Stadt zur Botmäßigkeit zurückzuführen.
Vergeblich blieben lange Zeit hindurch die Anstrengungen
der Belagerer und die ferneren Maßnahmen der Republik,
welche im Frühjahre 1369 Verstärkungen nachsandte und
den Oberbefehl an Paul Loredano und Thaddäus Giusti-
niano übertrug. Der Heldenmuth der von ihren Frauen
wacker unterstützten Triestiner war um so schwerer zu er-
233
schüttern, als ihnen aus Friaul und von den Herren von
Duino einige Hilfe ward. Selbst eine blutige Schlacht vor
den Mauern der Stadt führte noch keine Entscheidung her¬
bei. Endlich mußten aber die Kräfte der Triestiner doch er¬
lahmen; in ihrer Noth suchten sie durch die Unterwerfung
unter einen Fürsten Venedigs verhaßtem Joche zu entgehen.
Die Venetianer nahmen indeß keine Rücksicht darauf, daß die
Banner des Königs von Ungarn, Barnabo's Visconti und
Franz von Carrara der Reihe nach von den Wällen der be¬
drängten Stadt flatterten, sondern verdoppelten die Gewalt
ihrer Angriffe. Zuletzt wandte sich Triest an Herzog Leo¬
pold III. von Oesterreich, der die dargebotene Herrschaft
frendig annahm. Nachdem die Stadt ihm am 31. August
gehuldigt hatte *) und die durch Carls IV. Vermittlung Ve¬
nedig angebotenen Friedensunterhandlungen in schroffer Weise
abgelehnt worden waren, sammelte Leopold ein Heer von
10.000 Streitern, um die neue Erwerbung zu behaupten.
Anfangs November erschien der Entsatz. In dem daraus her¬
vorgehenden Kampfe waren die Venetianer bereits im Zu¬
rückweichen begriffen, als Giustiniano, mit seinen Armbrust¬
schützen in der Flanke der Oesterreicher landend, den Tag zu
deren Ungunsten entschied. Der Widerstand der Belagerten
währte nach diesem, ihre letzten Hoffnungen vernichtenden
Schlage nicht mehr lange. Am 18. November zog Loredano
durch die geöffneten Thore in die überwundene Stadt.
Da die Venetianer einerseits in Triest kluge Milde
walten ließen und anderseits im Frieden zu Laibach (30.
*) Wie Leopolds Bruder, Herzog Albrecht IN. von Oesterreich,
in einer Urkunde vom IS. September 1369 den Triestinern Vorwersen
konnte, daß sie in früheren Zeiten seinen Ahnen die Treue gebrochen
und ihm selbst die schuldigen Abgaben vorenthalten hätten, ist uns
ganz unerkärlich.
234
October 1370) den Habsburgern alle Ansprüche aus Triest
um den Preis von 75.000 Goldguldeu abkauften, war der
Braud, welcher den ganzen Nordosten Italiens zu ergreifen
gedroht hatte, im Keime zwar erstickt, jedoch nur um in einige»
Jahren neuerdings emporzulodern und dann auch das Patri¬
archal mit in den Bereich seiner Verheerungen zu ziehen.
Rings um dasselbe gab es nichts alsZwist und Hader und die
drohenden Vorzeichen des nahenden Sturmes mehrten sich.
Noch blieb aber Marquard eine Spanne Zeit, welche er theils
zu Arbeiten des Friedens, theils zur Steigerung seiner
und seiner Kirche Macht auf friedlichem Wege weise benützte.
Im Jahre 1370 ordneten sich ihm Partogruaro, dessen
Verwaltung geregelt wurde, und Muggia, das sich zu be¬
trächtlichen Leistungen in Wein, Oel und Geld herbeiließ,
freiwillig wieder unter.
Ueber das, was Marquard in den folgenden Jahren
noch leistete, lassen wir ihn selbst reden. Als es sich im Jahre
1379 darum handelte, Geldmittel für den Krieg mit Venedig
zu beschaffen, sah sich Marquard genöthigt, mit Zustimmung
des versammelten Parlaments, des Dekans und des Capitels
von Aquileja für 6000 Mark Solidi das Gebiet und das
Gastaldat Tolmein mit allen seinen Gerechtsamen und Ein¬
künften, mit Jurisdiction und Garictum (Gericht?) aus 6
Jahre der Stadt Cividale zu überlassen, zu deren Sicherheit
der patriarchalische Hauptmann von Soffumbergo einen feier¬
lichen Eid schwören mußte, daß er im Falle einer im Lause
dieser Jahre aus welch immer für einer Ursache sich erge¬
benden Sedisvacanz das ihm anvertraute Schloß unverzüg¬
lich Cividale übergeben und so lange in dessen ungestörtem
Besitze belassen würde, bis die Bestimmungen des vorste¬
henden Vertrages die Bestätigung des neuen Patriarchen,
235
des Capitels von Aquileja und des Parlaments, oder aber
des Papstes selbst erhalten hätten.
In der davon handelnden Urkunde vom 16. Mai gesteht
Marquard, daß alle seine Cassen erschöpft seien, obgleich die
Einkünfte der Gastaldate Carmen, Antro und Fagagna für
das laufende, so wie für das kommende Jahr bereits ver¬
pfändet wären. Gewissermaßen zu seiner Rechtfertigung zählt
er hierauf die seit seinem Regierungsantritte gehabten außer¬
ordentlichen Ausgaben auf und berichtet, daß er seine und
seiner Vorgänger Schulden an die Kammer des heiligen
Stuhles im Gesammtbetrage von 24.000 Dukaten bezahlt,
daß er für die Rücklösung des vom Grafen von Görz be¬
sessenen Schlosses, Hofes und Gebietes von Tolmein, für
den Neubau des Schlosses in Portogruaro, für Herstellungen
an den Schlössern von Sacile, S. Vito, Monfalcone und
Tolmein, an seinem Palaste in Monfalcone, an dem Hofe
in Tolmein und für andere Bauführungen zusammen mehr
als 34.000 Dukaten verwendet, bei Restaurirung der durch
ein Erdbeben stark beschädigten Basilica von Aquileja end¬
lich mehr als 9000 Dukaten verausgabt hätte.
Unvorbereitet überraschten die kriegerischen Ereig¬
nisse Marquard nicht. Er hatte volle Muße, vortheilhafte
Verbindungen einzugehen und befand sich außerdem, darin
glücklicher als die früheren Patriarchen, in voller Ueberein-
stimmung mit seinen, auch unter sich in Eintracht lebenden
Unterthanen und in ungetrübtem Einvernehmen mit den
Herzogen von Oesterreich und den Grafen von Görz.
Rudolfs IV. Tod war in dieser Hinsicht von den
wohlthätigsten Folgen gewesen. Auch die Beziehungen der
Herzoge von Oesterreich zu Meinhard VII. von Görz hatten
sich alsogleich nach demselben freundlicher gestaltet, was den
Interessen der Habsburger selbst nur förderlich wurde. Gleich-
236
zeitig mit Marquard hatte auch Meinhard im Jahre 1366
einen Waffenstillstand mit Rudolfs überlebenden Brüdern
geschlossen. Wir wissen über denselben nicht mehr, als daß er
am 15. August 1368 zu Ende gehen sollte, aber wenige Tage
vorher (8. Aug.) bis zum nächsten St. Michaelstage und
thatsächlich noch darüber hinaus verlängert wurde. *) Einen
förmlichen Frieden konnte Meinhard noch immer nicht ein¬
gehen, da ihn daran das noch fortdauernde Bündniß mit den
Herzogen von Baiern hinderte, welche erst am 29. Septem¬
ber 1369 nur einige Tage vor dem Ableben Margarethens
der Maultasche (ff zu Wien am 3. October), welche durch
ihr Auftreten zu so vielen Erschütterungen den Anstoß gegeben
hatte, im Frieden zu Schärding allen ihren Ansprüchen auf
Tirol zu Gunsten der Oesterreicher entsagten.
Obwohl die Ehe zwischen Meinhards Tochter Catha¬
rina und Johann von Baiern noch nicht vollzogen worden
war, mußten die baierischen Herzoge damals, wie schon in
einem früheren Präliminarvertrage (die Zustimmungsurkunde
ist vom 21. Februar 1366 aus München) dennoch aus¬
drücklich auf alle Rechte verzichten, welche in Meinhards
Schenkung vom 30. Mai 1365 begründet sein könnten und
sich sogar verpflichten, bei Catharina dahin zu wirken, daß
sie ihre eigenen Anrechte auf Tirol niemals geltend mache.
Damit war das letzte Hinderuiß, das einer Wiederan¬
näherung Meinhards an die österreichischen Herzoge entgegen
stand, aus dem Wege geräumt. Die eigenen Ansprüche ans
Tirol gab er zwar nicht ans, doch konnte es ihm nicht ver-
*) lieber den ersten Abschluß im Jahre 1366 ist keine Urkunde
vorhanden; jene auffallend kurz gehaltene vom 8. August 1368 sagt
nur: „Der Frid gelenget bis Michelslag in allen den gelübden vnd
Puntnußen als dH Frid vormalen zwischen vns herchomen vnd ver-
v an gen sind."
— 237 —
borgen bleiben, wie wenig Aussicht auf ein erfolgreiches Her¬
vorkehren derselben er jetzt mehr hatte. Das Geld der Habs¬
burger, dessen Zauber schon Albrecht IV. nicht hatte wider¬
stehen können, lieferte ihnen nunmehr auch Meinhard bald
gänzlich in die Hände. Im Jahre 137V treffen wir letzteren
wieder in Wien an, wo er am 13. October mit jenen ein
Schutz- und Trutzbündniß, dessen Spitze hauptsächlich gegen
Venedig gekehrt war, auf vier Jahre einging. Diesem zufolge
sollte Meinhard namentlich allein seiner Gewalt befindlichen
Straßen gegen Venedig und Wälschland überhaupt auf den
Wunsch der Herzoge vonOesterreich sperren und gegen Bezah¬
lung von 1000 Gulden monatlich stets 100 Mann mit Hauben
zu deren freier Verfügung haben, wogegen Meinhard alle
aus einem Kriege entstehenden Schäden ersetzt werden würden.
Gegen die Kirche von Aquileja, den Erzbischof von Salzburg
und die Herzoge von Baiern, sollten zwar die Oesterreicher
Meinhards Dienste nicht fordern, wenn es aber wider Er¬
warten doch zum Kriege mit Baiern käme, die durch das
görzer Gebiet über Lienz nach dem Etschthale führende Straße
für ihre Zwecke frei und anstandslos benützen dürfen. Die
Ansprüche, welche die vertragenden Theile gegen einander
hätten, wurden schließlich ausdrücklich gewahrt; doch sollten
sie während der vier Jahre ruhen. Meinhard sah daher ganz
ruhig zu, wie die österreichischen Herzoge im Jahre 1374
seines verstorbenen Bruders Albrechts IV. Erbe in Istrien
(Mitterburg, Piken, Bellay und Castelnuovo), Krain
(die Poik und den oberen Karst), der windischen Mark und
Mettling ihren Ländern einverleibten und sich von ihren
neuen Unterthanen (Albrecht III. am 26. März, Leopold III.
im Juli), die von Albrecht von Görz verliehenen Privilegien
bestätigend, in Laibach huldigen ließen, bei welchem Anlasse
der für Oesterreich gewonnene Hugo von Tybein, der auf
238
dem niederen Karste gebot, ebenfalls den Basalleneid schwor
nnd erklärte, den Patriarchen nicht länger als seinen Lehens¬
herrn anerkennen zu wollen *).
Von der Huldigung in Laibach scheint sich Herzog Leo¬
pold unmittelbar zu Meinhard nach Lienz begeben zu haben,
da diese beiden Fürsten dort am 18. Juli eine Verlängerung
des Uebereinkommens oom Jahre 1370 aus zwei weitere
Jahre verabredeten. Die Bestimmungen dieses zweiten Ver¬
trages entsprechen im Ganzen jenen des älteren; jedoch sind
nebst den Herzogen von Baiern und dem Patriarchen auch
der Kaiser und der König von Ungarn ausgenommen und
an die Stelle der Verpflichtung zur Zahlung von 1000
Gulden für die 100 Mann, deren Leopold wahrscheinlich
nicht mehr bedurfte, tritt Leopolds und seiner Bürgen Hem¬
ricks von Rothenburg, Hofmeisters in Tirol, Peters von
*) Das Vasallenverhältniß zwischen den Patriarchen und den
Herren von Tybein war immer ein ziemlich lockeres und Hugo von
Tybein vielleicht der Einzige gewesen, der sich Marquard nicht sogleich
halte fügen wollen. Am 10. Juni l366 von diesem aufgefordert, die
Schlösser Tybein und Prem, so wie alles, was er sonst noch in Mera-
nien oder Croatien besäße, von ihm zu Lehen zu nehmen, weigerte sich
anfänglich Hugo mit dem Vorgeben, daß dies seinen, den Herzogen
von Oesterreich gemachten Zusagen widerstreite, versprach aber, es nach
zuholen, sobald der Patriarch sich mit den Herzogen vertragen hätte;
nur eine leere Ausflucht, da bereits am 30. Mai der Waffenstill¬
stand mit den Herzogen geschlossen worden war. Im folgenden Winter
klagte man bei Marquard, daß Hugo die von Monfalcone nach Triest
ziehenden Kaufleute zwinge, die gewöhnliche Straße zu verlassen und
Dnino zu berühren, wo sie für sicheres Geleite das Doppelte und Drei¬
fache von dem zahlen müßten, was an der Mauth von Monfalcone
erhoben werde. Marquard ließ hierauf Hugo an den durch Meinhard IV.
von Görz-Tirol und Gerhard von Camino in einem ähnlichen Streite
zwischen dem Patriarchen Raimund und einem älteren Hugo von
Tybein im Jahre 1281 gefällten Schiedsspruch mahnen. Hugo von
Tybein genoß das Zutrauen Leopolds lll., der ihm die Grafschaft
Mirterburg pfandweise überließ; er wurde sein Hauprmann in Treviso
(138!) und der erste österreichische Hauptmann von Triest (1382).
239
Aarberg und Caspars von Gnfidaun Erklärung, Meinhard
5000 Goldgulden zu schulden, welche zur Hälfte am 24.
April, zur anderen Hälfte am 24. Juni des kommenden
Jahres gezahlt werden sollten. Selbst die Bemühungen der
baierischen Herzoge, welche seit Johanns endlich im No¬
vember 1372 erfolgter Vermählung mit Catharina von
Görz Ansprüche auf deren Oheims Albrechts IV. Besitz
erheben zu können glaubten und namentlich im Jahre 1376
die Sperrung der görzer Alpenpässe für die Oesterreicher
zu Venedigs Vortheil durchzusetzen suchten, vermochten Mein¬
hard nicht mehr der Sache der Habsburger zu entfremden.
*) Im Jahre 1382 (Knittelfeld am 14. October) wurde eine
Heirat zwischen Meinhards VII. sechsjährigem Sohne Heinrich IV. und
Elisabeth, der Tochter Leopolds III. von Oesterreich beschlossen. Sie
kam jedoch nicht zu Stande, da die Braut schon im Jahre 1392 starb.
Heinrich IV. erhielt nach seines Vaters Tode von den Herzogen von
Oesterreich eine Anleihe von 74.144 ungarischen Gulden, um den
Wittelsbachern alle ihre Erbrechte (sic sprachen in Friaul ein Drittheil
von Cormons, Latisana und Castelluto an) abzukaufen und schloß zu¬
gleich (1394) mit jenen eine, mit Herzog Friedrich von der steierischen
Linie (143k) erneuerte gegenseitige Erbeinigung, nach welcher die Görzer
beim Erlöschen des habsburgischen Mannsstammes Kram, M.'tt-
ling und Istrien, die Habsburger im entgegengesetzten Falle Görz,
Lienz und die Pfalzgrafschaft Kärnthen erben sollten. Eine letzte Trü¬
bung erfuhren die Beziehungen der Görzer zu den Habsburgern nach
Ulrichs, des letzten Grafen von Cilli, Tode (143k), da Heinrichs IV.
ältester Sohn Johann (ch 1462) auf einen Theil der Erbschaft An¬
spruch erhob. Den ohnmächtigen Versuch, sie Kaiser Friedrich III.
gegenüber mit den Waffen in der Hand zur Geltung zu bringen,
büßte er mit dem Verluste seiner Besitznngen^in Kärnthen. Lienz
rettete er durch Zahlung einer bedeutenden Summe Geldes. Auf
Johann folgte, da ein anderer Bruder, Ludwig, schon um das Jahr
1436 verstorben war, Heinrichs jüngster Sohn Leonhard. Dieser erhielt
vom Herzoge Sigismund von Oesterreich-Tirol die Bewilligung testa¬
mentarisch über 1000 Ducaten zu verfügen und dieselben auf dem,
Sigismund zukommcnden Antheilc seiner Herrschaften zu versichern,
bestätigte (1474 am Reichstage zu Augsburg) die Erbverträge mit den
Habsburgern, erklärte im Jahre 1490 nochmals ausdrücklich, daß
Maximilian von Oesterreich sein Nachfolger sein sollte, trat ihm, um
240
Da Leopold III. von Seite des Patriarchen und der
Görzer nichts zu besorgen hatte, konnte er, wie es seiner
Kriegslust und seinem ungezügelten Ehrgeize zusagte, unge¬
hindert sich in die Händel mengen, welche, anfänglich nur
zwischen der Republik Venedig und Carrara, allmälig zu
einem großen Kriege führten, in dem schließlich auch Mar-
qnard nothgedrungen Partei nehmen mußte, obgleich dies
ganz geeignet war, alle im Beginne seiner Regierung seinem
Laude gebrachten Vortheile wieder in Frage zu stellen.
Der Berührungspunkte zwischen Padua und Venedig
gab es seit jeher so viele, die Interessen dieser beiden Städte
kreuzten sich so vielfach, daß es niemals an Veranlassungen
zu gegenseitigen Anschuldigungen, an Borwänden zum Frie¬
densbruche mangelte. So kam es im Dezember 1371 wieder
einmal zu Feindseligkeiten zwischen Venedig und Padua,
weil letzteres bezüglich des Salzhandels nicht länger von
Venedig abhängig sein wollte und freie Schiffahrt auf der
Brenta forderte, was indeß nicht gewährt wurde, und
dann Carrara sich empfindlich dafür rächte, indem er jenen
Fluß bei Oriago und Moranzano durch neu gezogene Kanäle
ans seinem alten Bette ableiten ließ.
Während der Krieg das Jahr 1372 hindurch mit
wechselndem Glücke geführt wurde, waren beide Theile be¬
müht, Leopold III. für sich zu gewinnen. Venedig war dabei
minder glücklich als Carrara, der durch den in seiner Eigen¬
schaft als Reichsvikar in Italien gethanen Verzicht aus Feltre
und Belluno (6. Februar 1373) den Beistand des Herzogs
erkaufte. Bereits Ende Januar 1373 war Leopold felbst
den Streitigkeiten mit Venedig auszuweichen noch bei Lebzeiten
(1497) Cormons, Belgrads, Castelnuovo, Codroipo nnd Latisana ab
und starb im Jahre 1500 ohne Nachkommen. Beilage ll. bringt die
vollständige Genealogie der Görzer.
241
mit 1200 Helmen in der trevisanischen Mark erschienen
und am 9. März gelangte ein förmliches Bündniß zwischen
Carrara, den österreichischen Herzogen und König Ludwig von
Ungarn zum Abschlüsse. Am 1. Juli erfochten die Veuetianer,
welche einige Wochen früher bei einem nicht unbedeutenden
Gefechte im Nachtheile geblieben waren, einen so entschie¬
denen Sieg über die vom Woywoden Stephan angeführten
vereinigten ungarischen und paduauifchen Truppen, daß Car¬
rara, durch die gleichzeitigen Anschläge seines Bruders Mar-
silius aus die Herrschaft von Padua erschreckt, sich beeilte,
einen schmählichen Frieden mit der Republik einzugehen
(21. September).
Nicht ohne Sorgen hatte Marquard diese an den
Grenzen seines Landes geführten Kämpfe aufmerksamen
Blickes verfolgt. Nachdem er sich dei dem eigens zu diesem
Zwecke berufenen Parlamente Raths erholt hatte, war er bei
den Streitenden durch Gesandte für den Frieden thätig ge¬
wesen. Friaul hatte es ihm zu danken, daß es nicht ans
andere Weise noch in Mitleidenschaft gezogen wurde, als
durch die Durchzüge der Ungarn, welche wohl ihren Weg über
dasselbe genommen haben mochten.
Die Ungarn verließen Italien kurz nach ihrer Nieder-
lage; Herzog Leopold aber traf alle Vorbereitungen, den
Krieg auf eigene Faust fortzusetzen; ein Entschluß, dem ins¬
geheim ausgeübte Einflüsse Carrara's sicherlich nicht fremd
waren. Vorerst suchte Leopold neue Bundesgenossen zu ge¬
winnen. Am 18. Januar 1374 verband sich Marquard zu
St. Veit in Kärnthen, ohne Zweifel nach einer mit einem
der Herzoge gehabten Zusammenkunft, mit Leopold und Al¬
brecht von Oesterreich wieder jedermann, den Papst und den
heiligen Stuhl zu Rom, den Kaiser und seine Kinder, den
König von Ungarn und den Grafen Meinhard von Görz
Aquileja. 16
242
ausgenommen. Der ehedem zwischen Marquard und den
Herzogen geschlossene Friede wurde bei diesem Anlasse neu
bekräftigt und der Patriarch übernahm es, bei der Letzteren
Heere in jedem Kriege, insbesondere wenn er im Inn- oder
Etschthale (gegen Baiern oder Venedig also) geführt würde,
50 Mann mit Spießen drei Monate lang auf seine Kosten
zu erhalten. Weitere Verträge mit Herzog Stephan von
Nieder-Baiern (Hall am 2. März) und, wie bereits erwähnt,
mit Meinhard von Görz (Lienz am 18. Juli) sollten Leo¬
polds Rücken während der beabsichtigten Unternehmungen
gegen Venedig sichern. Dem Plane, mit den Visconti neue
Familienverbindungen anzuknüpfen, war der Papst mit Hin¬
weis auf Galeazzo's Visconti *) kirchenfeindliche und ketze¬
rische Gesinnungen hindernd entgegengetreten. Eine im Chro-
nicon Spilimbergense zu demselben Jahre verzeichnete
Episode bringt uns auf die Vermuthung, daß Marquard im
Spätsommer eine zweite Begegnung mit Leopold gehabt
haben dürfte. Als der Patriarch am 24. September aus den
östlichen Gegenden — nicht von einem ganz bedeutungslosen
Ausfluge, wie wir aus dem Empfange schließen — heim¬
kehrte, gingen ihm viele Adelige zur Begrüßung entgegen.
Bei Tricesimo — an dem ans Kärnthen herführenden Wege
— traf des verstorbenen Heinrichs von Spilimbergo Sohn
Nicolaus mit dem von Udine daherkommenden Bianquino
von Porcileis (Porcia), dem Mörder seines Großvaters Bar¬
tholomäus zusammen. Heftig ergrimmend rief er Bianquino
zu, sich zur Wehre zu setzen, und durchbohrte ihn im Zwei¬
kampfe mit dem Schwerte.
*) Bruder Barnabü's und Vater Biolantens, der Witwe Lionels
Herzogs von Clarence, welche Albrecht III. von Oesterreich zu ehelichen
gedachte.
243
Die Motive, aus welchen Marquard das Bündniß mit
den Oesterreichern einging, und damit der bisher eingehal-
tenen Politik des Friedens untren wurde, sind uns um so
weniger klar, als er dadurch mit den Anschauungen vieler
seiner Unterthanen in Zwiespalt gerieth. Selbst Franz von
Savorgnano, der erprobt treue und hingebeude Diener des
Patriarchen, neigte mehr zu Venedig hin; Walter-Bert-
hold von Spilimbergo konnte die in seinem Hause traditio¬
nelle Oppositionslust nicht ganz bemeistern und verdiente sich
den Dank der Republik durch die Aeußeruugen freundlicher
Gesinnungen und den Anbot von Rathschlägen, deren Befol¬
gung ihm zugesagt wurde; die Herren von Prata und Porcia
endlich wurden von Venedig förmlich als Verbündete ange¬
nommen.
Es kam jedoch nirgends zu offener Auflehnung gegen
den Patriarchen und Savorgnano sammelte Mannschaften,
um jedem Zwifckenfalle begegnen zu können, als Herzog
Leopold im Frühjahre 1376 plötzlich ohne vorhergegangene
Kriegserklärung mit 4000 Reitern über Friaul sengend und
brennend in die trevisanische Mark cinfiel. Rasch brachten
die Venetianer Truppen auf die Beine, mit welchen sie die
Oesterreicher von den Wällen des belagerten Treviso bis an
die Chiusa di Quero im Piavethale zurückdrüngten, zum
Verlassen der dortigen Verschanzungen zwangen und schließ
lich in Feltre einschlossen. Ende Juli begab sich Leopold
ans Italien In seine Erblande, aus welchen er im Monate
November über Cividale (er befand sich daselbst am 2. No¬
vember) zurück nach Belluno reiste, um mit Venedig, das
eine bei Feltre unlängst erlittene Schlappe der Vermittlung
des Königs von Ungarn zugänglich gemacht hatte, einen
Waffenstillstand auf die Dauer von zwei Jahren abzuschließen
(7. November).
16»
244
Sobald die, der unmittelbaren Nähe des Kriegsschau¬
platzes wegen, für das Patriarchat zu befürchten gewesenen
Gefahren geschwunden waren, entließ Savorgnano die friau-
lifchen Milizen. Er hatte sie zum letzten Male befehligt, denn
kurz nachher raubte ihn der Tod seinem Fürsten und seiner
Heimat, welche gerade in der nächsten Zukunft, in der
Ereignisse der ernstesten Art über dieselbe hereinbrachen,
seiner vortrefflichen Dienste so sehr bedurft hätten.
Den Keim jener Ereignisse müssen wir im fernen Orient
suchen. Venedig und Genua, welche aus dem einträglichen
Handel in der Levante ihren Reichthum, die vorzüglichste
Quelle ihrer Macht und ihres Ansehens zogen, bewachten
gegenseitig voller Scheelsucht und Argwohn alle ihre dortigen
Schritte. Daß die bei der Krönung des Königs Peter von
Cypern im Jahre 1372 entstandenen Rangsstreitigkeiten
zwischen den Vertretern Genua's und Venedigs zu Gunsten
der Letzteren entschieden worden waren, genügte, um Genua
gegen die bevorzugte Rivalin aufzubringen. Kaum war die
Kunde davon nach Genua gelangt, als eine genuesische Flotte
auslief, die Cyprioten zu bestrafen. Die Sache führte jedoch
auch zum Kriege mit Venedig selber, da die Veranlassungen
dazu sich im Oriente häuften. Weil der griechische Kaiser Jo¬
hannes V. den Venetianern wohl wollte, standen die Genuesen
seinem Sohne Andronicus bei, da er im Jahre 1376 die Krone
nsurpirte. Als sie sich um den von AndronicuS dafür verspro¬
chenen Lohn betrogen sahen, indem der griechische Befehls¬
haber der Insel Tcnedos in der schuldigen Treue gegen
Johannes beharrte, und die Insel nicht allein nicht den Ge¬
nuesen, sondern bald darauf im Gegentheile den Venetianern
übergab, wurde der Krieg, den Genua bisher nur gegen
Cypern geführt hatte, auch zwischen Genua und Venedig un¬
vermeidlich.
245
Zur selben Zeit, in welcher der venetianische Admiral
Victor Pisani mit einem unweit Porto d'Anzo erfochtenen
glänzenden Seesiege über die Genuesen unter Ludwig Fiesco
die Feindseligkeiten eröffnete (30. März 1378), erfolgte zu
Padua auf Grundlage eines zwei Jahre vorher (Vissegrad
am 21. Juni 1376) zwischen Ludwig von Ungarn, Carrara
und Marquard zu des Letzteren Schutze geschlossenen Ver¬
trages die Unterzeichnung eines engeren Bündnisses, welches
Venedig an den Rand des Verderbens bringen sollte. Unter
dessen Theilnehmern befand sich neben Ludwig von Ungarn mrd
Carrara, den unversöhnlichen Feinden der RepublikWenua,
Marquard, welcher, ohne Aussicht auf Behauptung einer
Neutralität und durch die Hoffnung auf die Wiedererwerbung
von ganz Istrien angelockt, so wie in Ansehung seiner Ver¬
pflichtungen gegen den König und Carrara, der auf 50 Jahre
geschlossenen Verbindung beitrat. Die Bestimmungen der¬
selben waren, insoferne sie den Patriarchen betrafen, die
Folgenden. Ludwig versprach, den Patriarchen, seine Nach¬
folger, sein Gotteshaus und seine Lande wider jeden Feind,
den Papst und den Kaiser ausgenommen, auf des jeweiligen
Patriarchen oder in Ermanglung eines solchen auf des Vitz¬
thums oder der Mehrheit im Parlamente Aufforderung zu
beschirmen. Carrara machte sich desgleichen verbindlich, über
des Königs Auftrag in allen jenen Fällen die Waffen gegen
die Feinde des Patriarchates zu ergreifen. Alle eroberten
Städte sollten, wenn sie jemals zum Patriarchate gehört
hatten, Marquard übergeben, die Uebrigeu unter den Ver¬
bündeten gleichmäßig vertheilt, mit den Gefangenen und
aller Beute sollte nach denselben Grundsätzen verfahren,
auch in jeden von Seite des Königs eingegangenen Frieden
Marquard mit einbegriffen werden. Marquard schwur da¬
gegen im eigenen, seiner Nachfolger und des Patriarchates
246
Namen, dem Könige, seinen Kindern und Nachfolgern, in
jedem Kriege, ohne Unterschied ob er inner- oder außerhalb
Frianls geführt würde, nur nicht wider Kaiser und Papst,
beizustehen, auf des Königs Wunsch alle Pässe zu sperren,
allen Verkehr zu untersagen und endlich ohne Ludwigs Zu¬
stimmung weder einen anderen Krieg als zu seiner Verthei-
digung zu unternehmen, noch einen Waffenstillstand oder
Frieden abzuschließen.
Unerfüllt blieb vorläufig noch das Verlangen der Ver¬
bündeten nach dem Beitritte Leopolds von Oesterreich, der
am 28. September zu Wien einen Frieden mit der Republik
einging.
Die Macht ihrer Gegner war indeß auch ohne denselben
der ihrigen weit überlegen, da sie keine anderen Freunde be¬
saß, als den König von Cypern und Barnabo Visconti,
dessen Herrschaft Genua in jüngster Zeit abgeschüttelt hatte.
Am 12. Juni sandte Carrara für sich und seine Bun¬
desgenossen der Republik den Fehdebries und beinahe gleich¬
zeitig Marquard in das Trevisanifche eine Abtheilung, welche
außer der Verwüstung des Landes noch den erheblicheren
Erfolg hatte, daß Gerhard und Guecello von Camino sich
gegen die Republik erklärten. Ende Juni schon traf der Woy-
wode Johann, des Königs Hofmeister, mit vielen ungarischen
Edelleuten und 5000 Pferden in Friaul ein. Bei Godega
(zwischen Sacile und Conegliano) bewerkstelligte er seine
Bereinigung mit den carraresischen und den von Jacob von
Porcia befehligten friaulischen Truppen. Da Treviso alle
Angriffe kräftigst abwies, zogen die Verbündeten daran vor¬
bei bis vor Mestre, das ebensowenig bewältigt werden konnte,
obgleich am 9. Juli der Borgo S. Lorenzo ihnen in die
Hände siel. Die Verluste, die sie beim Sturme auf das Schloß
durch die tapfere Vcrtheidigung erlitten, bewogen sie zum
247
Rückzüge auf Padua, wo Carrara vou Seite des Königs vou
Ungarn drei mit Silbermünzeu beladene Wagen zur Bestrei¬
tung der Kriegsbedürfnisse übergeben wurden.
Mittlerweile hatte Baldo Galutio, der venetianische
Befehlshaber von Conegliauo, mit 100 Reitern einen Ein¬
fall in das friaulische Gebiet gethan, war aber durch Ger¬
hard von Camino mit von Carrara abgeschickten Ungarn
beim Rückzüge angegriffen und im Gefechte getödtet worden.
Die Hälfte der Venetianer war dabei in Gefangenschaft ge-
rathen und die gesammte, von denselben in Friaul gemachte
Beute ihnen wieder abgenommeu worden. Dafür hatten aber
die Bewohner von Caorle, ohne sonderliche Belästigung zu
erfahren, die Gegend um Concordia verwüstet.
Zur See hatte Pisani Mitte Juli Cattaro erobert,
dann die genuesische Flotte an den Küsten Unteritaliens ver¬
geblich ausgesucht und auf der Rückkehr nach den heimischen
Gewässern die ganze dalmatinische Küste verheert und nament¬
lich Zara, Sebenico (24. October) Trau und Arbe (10.
November) theils durch grobes Geschütz, welches in diesem
Kriege bereits allgemein zur Anwendung kam, in Brand
geschossen, theils zur Unterwerfung unter die Republik ge¬
zwungen.
In gewissenhafter Ausführung der im Vertrage mit
seinen Bundesgenossen übernommenen Verbindlichkeiten sperrte
Marguard die damals stark benützte, durch das Gebiet van
Cadore aus dem oberen Piavethale über den Kreuzberg (M.
Croce) in das Pnsterthal führende Straße für die unter öster¬
reichischer Herrschaft und daher zu den Venetianern in freund¬
schaftlichen Beziehungen stehenden Bellunesen; auf drin¬
gendes Bitten der durch diese Maßregel hart betroffenen
Stadt Belluno, und deren Versprechen, den Feinden des
Patriarchen keinen Vorschub mehr zu leisten, eröffnete
248
er sie im Beginne des Jahres 1379 dem Verkehre wieder.
Als es aber durch aufgefangene Briefe und die Aus¬
sagen der Gefangenen bekannt wurde, daß dessenungeachtet
Treviso auf der Piave aus Belluno Verstärkungen und Vor-
räthe bezog, ließ Marquard die alte Strenge walten. Bel¬
luno wandte sich nun um Abhilfe an Herzog Leopold, dessen
Dazwischentreteu nicht mehr nothwendig wurde, da die Stadt
ihre Wünsche erfüllt sah, nachdem sie einem patriarchalischen
Abgeordneten, der ihr über das vertragswidrige Benehmen
Vorstellungen machen sollte, volle Genugtuung gewährt
hatte. Sie entschuldigte sich nämlich wegen der Vergehen,
welche nur einzelne ihrer Bürger sich hätten zu Schulden
kommen lassen, und erneuerte ihre Zusagen mit dem Beifügen,
alle dawider Handelnden künftig strengstens bestrafen zu
wollen. Uebrigens änderte sich die ganze Sachlage, als auch
Leopold III. gegen Venedig zu den Waffen griff.
Das für Venedig verhängnißvolle Jahr 1379 begann
mit neuen Seeunternehmungen der Genuesen, welche nach
dem Unfälle von Porto d'Anzo ihren Dogen Domenico von
Camposregoso gestürzt, und Nicolaus Guarco an dessen Stelle
gesetzt hatten. Am 5. Mai überraschte Lucian Doria Pisani's
Galeeren bei Pola, während einige derselben, der notwendigen
Ausbesserungen wegen, noch nicht gerüstet waren, und erfocht
einen entscheidenden, mit dem eigenen Leben erkauften Sieg,
der alle Küsten des adriatischen Meeres den Genuesen preis¬
gab. Zu Pfingsten erschienen sie vor S. Niccolo am Lido.
Ein Theil derselben schritt sogleich zur Berennung der um
Venedig liegenden befestigten Punkte, insbesondere Chioggia s;
der andere Theil eroberte und plünderte, von der Landseite
durch patriarchalische Truppen unterstützt, die venetianischeu
Küstenstädte Grado, Marano und Caorle (13. Augusts,
nahm auch gelegentlich Truppen der Verbündeten an Bord,
249
um sie auf dem Lido zu laudeu. Am 16. August gerieth das
tapferund hartnäckig vertheidigteChioggia durch einen Sturm,
derdenVenetianeru über 4000Todte und Gefangene kostete,
in die Gewalt der Verbündeten. In rascher Aufeinanderfolge
traf ein ähnliches Geschick Loreo, Cavarzere und den die Etsch
sperrenden Thurm Le Bebbe, so daß auf der Südseite Vene¬
dig vom Festlande gänzlich abgefchnitten war. Ungestraft
konnten die Feinde bis Poveglia und S. Lazzaro streifen und
sogar ihr Hauptquartier nach dem von den Einwohnern
wie von der Besatzung verlassenen Malamocco verlegen.
Auf die Nachricht von diesen unverhofft glücklichen Er¬
eignissen war Carrara in's genuesische Lager geeilt und hatte
eindringlich gemahnt, sich mit denselben zu begnügen und
Venedig gegenüber, das auf die härtesten Bedingnisse einzu¬
gehen bereit schien, Mäßigung walten zu lassen. Allein Peter
Doria verwarf diesen klugen Rath Carrara's, so wie er dessen
früherem Vorschläge, ohne alle Rücksicht auf Chioggia mit
vereinter Macht auf das beinahe wehrlose Venedig lvszu-
gehen und den Krieg mit einem einzigen Schlage zu Ende
zu führen, entgegengehandelt hatte. Verstimmt verließ Car¬
rara hierauf den genuesischen Befehlshaber, aber auch ent¬
schlossen,fernerhin ganz unabhängig von dessen Entschließungen
seine eigenen Kriegszwecke zu verfolgen.
Die Landtruppen der Verbündeten unter Carrara's
Schwager Buzzacarino und Gerhard von Monteloro hatten
in der Zwischenzeit einen zweiten gleich erfolglosen Versuch
zur Bewältigung von Mestre gemacht, anderseits aber Schloß
Romano trotz Jacobs von Medicina wackerer Gegenwehr für
Carrara gewonnen (17. Juni); jetzt sollten sie mit 10.060
Ungarn, welche Herzog Carl von Durazzo herbeigeführt
hatte, Treviso belagern. Venelianisches Geld lähmte indeß
Durazzo's Unternehmungsgeist; er ließ nach Treviso und ver-
250
schiedenen anderen von den Beneüanern besetzten Orten un¬
gestört Mundvorräthe gelangen, so daß Carrara es bald vorzog
die sichtlich nutzlose Belagerung, welche auch seines Sohnes
Francesco Novello Gegenwart nicht wirksamer zu gestalteu
vermochte, gänzlich aufzuheben.
Venedigs Lage wurde fortwährend bedrohter. Die öster¬
reichischen Herzoge, welche im Vorfahre alle Anerbietungen
der Verbündeten abgelehnt hatten, konnten in diesem Jahre
der Versuchung nicht widerstehen, Venedig, ohne besondere
Gefahren zu laufen, Verluste zuzufügen. Schon am 25.
Mai gab Herzog Albrecht III. feinem Landeshauptmanne in
Steiermark, Rudolf von Walsee, die Versicherung, daß ihm
jeder im Dienste der Herzoge für den König von Ungarn
gegen die Venetianer erlittene Schaden vergütet werden würde,
und am 23. Juni schrieb Leopold III. seiner Stadt Belluno,
daß er fein Kriegsvolk mit jenem des Königs von Ungarn
vereinigt habe.
Wie es so häufig zu geschehen pflegt, dankte Venedig seine
Rettung den maßlosen Forderungen der Sieger und dem
Großes zeugenden Heldengeiste, den herbe Prüfungen des
Geschickes in jedem noch nicht entnervten Volke wecken. Alle
Stände wetteiferten darin, Gut und Blut dem Vaterlande
zu opfern, und in der kürzesten Frist schwamm eine neu ent¬
standene, Ehrfurcht gebietende Flotte auf den Lagunen; die
öffentliche Stimme berief Pisani aus dem Kerker, in welchen
man ihn nach dem Tage von Pola geworfen hatte, zum
Oberbefehle und der Doge Andreas Contarini bestieg selbst
das Admiralschiff, welches die herzogliche Flagge trug. Er
verkündete es laut durch diese That, daß Venedigs Schiffe
dessen ganze Zukunft trugen, wie sie seine bisherige Größe
geschaffen hatten.
251
Bald gaben die Genuesen alle Versuche, durch die
mittelst versenkter Schiffe unfahrbar gemachten Kanäle von
S. Spirito und S. Clemente gegen Venedig vorzudringen,
auf; ja sie zogen sich sogar von Malamocco zurück; da faßte
Pisani, der kampfbereit einer Schlacht mit der genuesischen
Flotte entgegen gesehen hatte, den kühnen Entschluß, selbst
zum Angriffe überzugeheu. In der Nacht von: 23. auf den
24. Dezember steuerte er in lautloser Stille mit allen seinen
Galeeren am Lido vorbei auf Chioggia zu. Die beabsichtigte
Ueberraschung gelang vollständig. Die Genuesen, welche alle
ihre Schiffe im Innern des Hafens geborgen hatten, sahen
sich am Morgen des 24. von allen Seiten umringt und be¬
lagert. In diesem entscheidenden Zeitpunkte erhielten die
Streitkräfte der Venetianer einen werthvollen Zuwachs. Ani
Neujahrstage des Jahres 1380 traf Carl Zeno, der das
Banner des h. Mareus in den Gewässern der Levante mit
Ehren entfaltet und selbst an der Riviera von Genua
Schrecken verbreitet hatte, von seinen glücklichen Fahrten
mit 14 Schiffen in Venedig wieder ein. Zeno feierte auch
jetzt nicht. Bald sahen sich die Genuesen geuöthigt, ihre
Schiffe im Stiche zu lassen und sich auf die Verteidigung der
Basteien von Chioggia zu beschränken, von welchen drei schon
am 18. Februar durch die stürmenden Venetianer unter Zeno s
eigener Führung genommen wurden. Loreo hatten die Ge¬
nuesen schon vorher verloren; dennoch ließ Chioggia's Be¬
satzung den Muth nicht sinken. Um einem zu raschen Aufzehren
der Nahrungsmittel vorzubeugen, wurden Weiber, Greise
und Kinder aus der Stadt gewiesen und alle sonstigen Ma߬
regeln für eine kräftige Vertheidigung getroffen. Mit Sicher¬
heit rechnete man in Chioggia auf Entsatz, der auch versucht
wurde. Am 14. Mai gelang es jedoch Pisani, die von Zara
herübergesegelie Flotte der Verbündeten auf der Höhe von
252
Brondolo so empfindlich zu schlagen, daß sie sich nach einem
angeblich erlittenen Verluste von 1000 Todten und 3000
Gefangenen eiligst nach dem, von den Genuesen zu einem
Hauptstapelplatze umgewandelten Marano zurückzog, wo sich
große Vorräthe jeder Art, zu welchen Udine allein 5000
Star Weizen *) beigesteuert hatte, durch Marquards Für¬
sorge angehäuft befanden. Am 5. Juni konnte dieselbe Flotte
sich von neuem vor Chioggia zeigen; da sie so wenig etwas
auszurichten vermochte, als das erste Mal, entschloß sich
Tizio Cibo, welcher dem durch den Schuß einer Bombarde ge-
tödteteu Peter Doria im Commando gefolgt war, am 21.
Juni zur Uebergabe von Chioggia. Die Vertheidiger, noch
immer 4000 an der Zahl, darunter nicht wenige Friauler,
blieben Kriegsgefangene.
Mit mehr Glück fochten die Truppen des Patriarchen
in Istrien, das beinahe ganz von denselben besetzt wurde.
Triest, welches nach der Niederlage von Pola sich neuerdings
(am 24. Mai 1379) gegen die venetianischeHerrschaft em¬
pört, Marquard zum Herrn ausgerusen, und zum Zeichen
seiner Unterwerfung das Panier des h. Justus einem Hof¬
beamten des Patriarchen übergeben, so wie sich zu einer
jährlichen Abgabe von 100 Mark und 100 Arn (Orne) des
besten Weines von Prosecco verbindlich gemacht hatte, dann
aber durch Venedig nach hartnäckigen Kämpfen wieder über¬
wältigt worden war, kam zum zweiten Male in die Gewalt
des Patriarchen. Matthäus Marnffo, der Admiral der Ge¬
nuesen, nahm die unglückliche Stadt den Venetianern wieder¬
ab und stellte sie in einem durch die Heimsuchungen des Krieges
herbeigeführten trostlosen Zustande dem vorigen Besitzer zu¬
rück. Am 26. Juni (1380) empfing nun Marquard, der zu
0 Der Preis eines jeden Stars war ein halber Ducaten.
253
diesem Zwecke nach Triest gekommen war, in der Dornkirche
mit den Schlüsseln der Stadt den Lehenseid des Bischofs
Angelus und der gejammten Bürgerschaft und schwur dafür,
die Statuten der Stadt beobachten zu wollen und einen
Hauptmann über sie zu setzen.
Dieselbe genuesische Flotte, welche Triest den Beneti-
anern entrissen hatte, war es wahrscheinlich, welche Pola den
Flammen überlieferte, Parenzo und am 1. Juli auch Ca-
podistria zum Falle brachte. Da die venetianischen Truppen
unter Rizziolino Azzoui sich jedoch nicht ergaben, sondern nur
die offene Stadt räumten und sich in die Beste zurückzogen,
war der Besitz Capodistria's, welches den bestehenden Ver¬
trägen gemäß dem Patriarchen zukam, keineswegs ein ge¬
sicherter. Als der von Marquard dahin geschickte Podestu.
Nicolaus von Spilimbergo am 1. August einen Angriff
der Venetianer unter Pisani kräftig zurückschlug und dabei
gezwungen wurde, die Zugänge von der Landseite schwächer
besetzt zu lassen, fielen die in der Veste eingeschlossen ge¬
wesenen Venetianer ihm in den Rücken und bewirkten die
Einnahme von Capodistria; Spilimbergo und mit ihm Simon
von Prampergo nebst 400 Friaulern geriethen in Gefangen¬
schaft. Von Capodistria wandte sich Pisani an Triest und
Parenzo, die ihm erfolgreich Widerstand leisteten, vorbei nach
Pola, das er in Brand steckte, nach Arbe und endlich nach
Manfredoma, wo ein plötzlicher Tod am 13. August sein
ruhmreiches Leben schloß. Ludwig Loredauo führte an seiner
Stelle die Flotte zurück, überrumpelte Zengg (am 29. August)
brachte Veglia und Parenzo (am 8. September) zur Unter¬
werfung und trat dann den Oberbefehl an Carl Zeno ab,
der um jeden Preis sich Marano's, dieses vorzüglichsten,
bald auch letzten Stützpunktes der Genuesen an der Nordküste
des adriatischeu Meeres zu bemächtigen trachtete. Nach
254
mehreren fruchtlosen Versuchen beantragte er jedoch selbst im
Senate zu Venedig, von dieser Unternehmung abzustehen,
und zog sich hierauf mit seinen Schiffen in die Bucht von
Pirano zurück. Unerheblich und mit unbeständigem Glücke
geführt waren die diesjährigen Kämpfe Carrara's, der seit
dem Abzüge Carls von Durazzo, den es nach Neapel und
dessen Krone zog, und seiner Ungarn nur mehr über geringe
Kräfte gebot. Seine im Monate Mai gegen Treviso gerich¬
teten Angriffe waren abgewiesen worden, dagegen unterwarf
er sich in den Monaten November und Dezember mehrere
weniger bedeutende Orte, wie Noale, Castelfranco und Porto
Buffaledo.
Sobald die Verhältnisse der Verbündeten sich minder
glänzend gestaltet hatten, gaben sie Venedig ihre Bereitwillig¬
keit, über den Frieden zu unterhandeln, zu erkennen und bestell¬
ten ihre Bevollmächtigten schon im Monate Juni 1380 nach
Padna. Venedig erklärte sich ebenfalls dazu bereit und schickte
seine Vertreter nach Cittadella. Das bald den Einen, bald
den Anderen lächelnde Glück des Krieges übte nothwendiger
Weise eine ungünstige Rückwirkung auf die Verhandlungen,
welche sich unverhältnißmäßig in die Länge zogen. Aus der
im Herbste erfolgten Verlegung derselben nach Udine schließen
wir, daß Marqnard sich die Herbeiführung des Friedens be¬
sonders angelegen sein ließ. 70 Tage lang besprachen sich
dort die Vertreter der Kriegführenden, denen sich päpstliche
Gesandte als Vermittler angeschlossen hatten, ohne zu irgend
einem Ergebnisse zu gelangen. Daß im Jahre 1381 Triest den
Venetianern wieder in die Hände fiel und diese schlau genug
waren, Treviso dem Herzoge Leopold von Oesterreich abzu¬
treten und ihn dadurch von seinen Verbündeten zu trennen,
mag diese zu größerer Nachgiebigkeit gestimmt haben, wenn
auch Carrara von heftigem Unmuthe gegen Leopold erfaßt
255
ward, daß er dem Herzoge eine, wie er glaubte, schon gewisse
Beute überlassen, und, vor dessen überlegener Macht weichend,
die Belagerung Treviso's in dem Augenblicke aufheben mußte,
in welchem sein Fall in der allernächsten Zeit zu erwarten
stand. Da nahm sich Graf Amadeus Vl. von Savoyen des
Friedens an. Seine Bemühungen hatten guten Erfolg, denn
am 8. August 1381 kam ein allgemeiner Friede, dessen
Theilverträge an verschiedenen darauffolgenden Tagen unter¬
schrieben wurden ^), in Turin zu Stande. Nur zwischen Leo¬
pold und dem durch ihn um seine besten Hoffnungen gebrachten
Carrara dauerte der Kriegszustand noch sort.
Im Ganzen brachte der Krieg keine wesentlichen Ver¬
änderungen hervor, da die Friedensbestimmungen zumeist den
vor dem Kriege bestandenen Verhältnissen Rechnung trugen.
Die zwischen dem Patriarchate und der Republik getroffenen
Vereinbarungen, welche am 8. September in Venedig öffent¬
lich verkündet wurden, enthielten folgende Punkte: 1. sollte
aller gegenseitig zugefügte Schaden vergessen, 2. der Aus¬
tausch der Gefangenen bewerkstelligt, 3. Triest mit den
Schlössern Mocco und Moccolano gegen Leistung der in
Folge älterer Verträge dem Dogen zukommenden Regalien
und Gewährung ungehinderten Handelsverkehres für die Ve-
uetianer vollständig frei* **) ***) ^*) und endlich 4. jeder zwischen dem
Patriarchate und Venedig entstehende Grenzstreit dem SchiedS-
*) Daher die verschiedenen nicht übereinstimmenden Angaben
über den Tag des Friedensabschlusses.
**) Leopold vermochte nicht Treviso nachhaltig zu behaupten,
sondern verkaufte es im Jahre 1384 nebst Ceneda, Conegliano, Feltre und
Belluno um 60.000 (nach anderen 100.000) Goldgulden an Carrara.
***) Schon im folgenden Jahre entäußerte sich Triest seiner
Freiheit, indem es sich am 30. September 138L dem Herzoge Leopold
III., welchem bei den mit seinem Bruder Albrecht vorgenommenen Thei-
luugeu alle umliegenden österreichischen Lande zugefallen waren, gegen
Gewährleistung aller seiner alten Gerechtsame freiwillig unterwarf.
256
spruche des Papstes zur Entscheidung vorgelegt werden. Die
bezügliche Urkunde unterzeichneten Georg de Tortis aus Pavia,
Doctor und Dekan der Kirche von Aquileja, Friedrich von
Savorgnano und Nicolaus Gambini ans Udine als „Ge¬
sandte und Vertreter seiner Herrlichkeit, des ehrwürdigen
Herrn, Friedrichs Grafen von Porcia, General-Vizedoms
in Friaul während der Sedisvacanz, der Räthe, des Parla¬
mentes, der Prälaten, Edlen, Gemeinden und Capitel des
Landes Friaul." *)
Marquard hatte nämlich das Ende des Krieges nicht
erlebt. Er war am 3. Januar 1381 zu Udine aus dem
Leben geschieden und am 7. desselben Monates in der Ba-
silica von Aquileja bestattet worden.
**) Katrins k'orjjuNi, wie die eigenthümliche officielle Be¬
nennung des Landes lautete. Die Vollmachten Porcia's waren noch
nicht erloschen, obgleich im Spätsommer ilj81 Marqnards Nachfolger
bereits seit mehreren Monaten ernannt war.
.Earquard ist der letzte Patriarch, der in Aquileja sein
Grab fand. Seinen Nachfolgern scheint der Sinn liebevoller
Anhänglichkeit an ihre Kirche verloren gegangen zu sein. Ihr
ganzes Thun und Lassen berechtigt uns zu dieser Auffassung;
weßhalb hätten sie denn nach dem Tode jene heilige Stätte
aufsuchen sollen, der gegenüber sie sich im Leben als Fremde
gefühlt hatten. Mit raschen Schritten ging das Patriarchat
unter ihnen seinem Verfalle entgegen. Nnr noch wenig mehr,
als ein Menschenalter, und von dessen weltlicher Macht und
einstiger Herrlichkeit war kaum ein blaßer Schatten mehr übrig.
Nach Marquards Tode verlieh Papst UrbanVI. (Rom
am 11. Februar 1381) das Patriarchat als Pfründe dem aus
französischem, königlichen Blute entsprossenen Cardinal Philipp
von Alen^on, der dadurch von der Verpflichtung, darin zu
residiren, enthoben war. In Friaul erregte dieses Vorgehen
gewaltige Stürme, die selbst Philipps Entschluß, sich in seinen
Sprengel zu verfügen, nicht zu beschwören vermochte. Den¬
noch ergriffen einige Orte, dem Beispiele Cividale's folgend,
Philipps Partei, während Udine und andere Theile des Landes
sich offen gegen ihn auflehnten. Der Adel befand sich zur
Hälfte in dem einen, zur Hälfte in dem and'eren Lager. Zu
dem Bürgerkriege gesellte sich die Einmengung Venedigs und
Carrara's, die ihre alten, stets von neuem wieder ausbre-
Aquileja. 17
258
chenden Fehden nunmehr zum Theile auf friaulischem Boden
aussochten. Keiner der Gräuel des Krieges blieb dem Lande
erspart und Aquileja selbst erduldete von Seite der für den
Cardinal kämpfenden Truppen Carrara's am Charfreitage
des Jahres 1387 die empörendste Behandlung. Sie drangen
mit stürmender Hand in die Stadt, badeten sich im Blute
der Einwohner und verschonten beider Plünderung nicht ein¬
mal die Heiligthümer der Kirchen.
Udine konnte Philipp niemals betreten und selbst aus
den Orten, die ihre Thore ihm nicht verschlossen, mußte er
wiederholt nach Treviso oder Padua zu Carrara flüchten. Er
hatte nur Flüche für das Patriarchat, gegen das er Carrara
durch die Zusicherung einiger seiner Gebiete die Waffen in
die Hand drückte. Von Padua aus, wo er sich in der Nähe
seines Beschützers völlig sicher wußte, schlenderte er gegen
dasselbe Bann und Jnterdict und widerrief er alle seine
Verleihungen von Lehen, Gerichtsbarkeiten, Aemtern und
Vorrechten (30. August 1385), nachdem er bei verschiedenen
Anlässen des Landes Freiheiten mit Füßen getreten hatte.
Die zahlreichen, bis nach Rom dringenden Nothrufe
fanden endlich ein geneigtes Gehör bei dem Papste, der wohl
das Bedürfniß fühlend, den durch Philipps Ernennung zum
Commendator und Administrator von Aquileja gethanen Fehler
wieder gutznmachen, Philipp entsetzte und ihm in der Person
Johanns, eines Sohnes des Markgrafen Johanns von
Mähren, Margarethens der Maultasche verstoßenen ersten
Gemahls, wieder einen Patriarchen zum Nachfolger gab
(Perugia am 27. November 1387).
Diese Wahl war eine noch weit weniger glückliche und
Patriarch Johann V. der Mann nicht, die unter seinem Vor¬
gänger dem Lande geschlagenen schweren Wunden zu heilen
und seine Unterthanen der Segnungen einer weisen Regie-
259
rung theilhaftig zu machen. Als Priester Pflichtvergessen, als
Herrscher grausam und voller Willkür, sonst ein Wüstling
und Verschwender erpreßte er die Habe seines Volkes für
den Unterhalt von Dirnen, Gauklern und Possenreißern, in
deren Gesellschaft er sich die Zeit vertrieb, so wie von zahllosen
Falken und Hunden, deren er zur Jagd, seiner Lieblingsbe¬
schäftigung, bedurfte. Am 13. October 1394 endigte er
fein unwürdiges Leben unter den Dolchen Tristans Savor-
gnano und feiner Mitverschworenen, welche den —wie man
glaubt — auf Johanns Anstiften durch diesem nahestehende
Höflinge an Tristans Vater Friedrich verübten Mord auf
diese Weise blutig rächten.
Patriarch Anton I. ans der vornehmen römischen Fa¬
milie der Gaetani, der hierauf von Rom nach Friaul ge¬
schickt wurde (27. Januar 1395), war zwar mit reichem
Wissen und redlichen Absichten, jedoch nicht mit genügend
starker Willenskraft ausgestattet, um mit einem schwachen und
siechen Körper allen Beschwerlichkeiten seines Amtes Trotz
bieten zu können. Außerdem hielt er seine Sendung für er¬
füllt, als er die zur Bezahlung des Cardinalshutes nöthigen
Summen durch Ersparnisse zusammengebracht hatte, und
er begab sich darauf (1400), das Patriarchat einem Gene¬
ralvikar und seinem Schicksale überlassend, zur Betreibung
seiner persönlichen Angelegenheiten nach Rom, wo er anlä߬
lich seiner Ernennung zum Cardinal der Patriarchenwürde
entsagte (1402).
Das große Schisma, welches am Schlüsse des XIV.
und im Beginne des XV. Jahrhundertes so viele Verwir¬
rung über die ganze katholische Welt brachte, wurde auch dem
Patriarchate, trotz der einem Papste vorübergehend darin ge¬
währten Freistätte, unheilvoll, indem es den Eintritt jener
vielleicht unausbleiblichen Katastrophe, welche es von der
17»
260
Höhe seiner geschichtlichen Bedeutung herunterstürzte, minder
stens wesentlich beschleunigte.
Patriarch Anton II. Panziera aus Portogruaro, den
Bonifaz IX. (27. Februar 1402) Anton I. mit Zustim¬
mung des ganzen Landes zum Nachfolger gegeben hatte,
wurde bald nach seinem Regierungsantritte von dem Adel
jenseits des Tagliamento und später namentlich von Civi-
dale angefeindet, das, sich in seinen unter Marquard auf
Tolmein erworbenen Rechten gekränkt glaubend, sogar beim
Papste Klage wider ihn erhob. Auf Grund dieser und anderer
— wie es scheint — ungerechter Beschuldigungen erklärte
Gregor XII. den Patriarchen, welcher der Vorladung nicht
gefolgt und, nebenbei bemerkt, ein säumiger Zahler war, unge¬
hört seines Amtes für verlustig (Lucca, 13. Juni 1408)
und ernannte einige Zeit darnach, dem Wunsche der Cividalesen
entsprechend, seinen Landsmann, den Veuetianer Anton da
Ponte, bisher Bischof von Concordia, znm Patriarchen
(März 1409).
Udine, welches, wie wir es schon zu Philipps von
Alentzvn Zeiten gesehen haben, damals sich mit Cividale in
Widerspruch zu setzen liebte, hielt es hingegen mit Panziera
und legte unter Hinweisung auf dessen vorzügliche Eigen¬
schaften für denselben bei Gregor vergebliche Fürbitte ein.
Von den Cardinälen wieder, welche in Opposition mit Gregor
das Conzil von Pisa ausschrieben, erhielt Panziera selbst
ein Anerkennungsschreiben (Livorno, 23. Juni 1408) voll
des Bedauerns über seine willkürlich erfolgte Absetzung und
mit der Aufforderung, darum unbekümmert seines Amtes
auch fernerhin ununterbrochen zu walten.
Inzwischen hatte auch Gregor eine Kirchenversammlung
in Aussicht genommen, welche er anfänglich entweder in der
Romagna oder in der Diözese von Aquileja abhalten zu
261
wollen verkündete und schließlich (Rimini, 19. Dezember
1408) nach Udine und Cividale mit dem Bemerken berief,
daß diese beiden Orte ihrer großen Nähe wegen füglich für
einen einzigen gelten könnten. Nachdem jedoch Udine diesem
allerdings beinahe kindischen Versuche, beiden in Friaul strei¬
tenden Parteien gerecht zu werden, wie auch, ungeachtet eines
Mahnschreibens des Gregor begünstigenden deutschen Königs
Ruprecht von der Pfalz (Heidelberg, 14. Februar 1409),
dem ganzen bevorstehenden Conzile gegenüber sich völlig
ablehnend verhielt und, den Weisungen der in Pisa versam¬
melten Väter nachkommend, in Treue und Gehorsam gegen
Panziera verharrte, blieb Gregor keine andere Wahl, als
seinen Sitz in Cividale aufzuschlagen, welchem Ruprecht auf¬
trug, für Papst und Conzil in würdiger Weise Sorge zu
tragen (Heidelberg, 19. Juni 1409).
In Cividale traf Gregor in den ersten Tagen des
Monates Juni 1409 kurz nach dem Grafen Friedrich von
Ortenburg ein, der als Reichsverweser in ganz Carmen, in
Tolmezzo, Gemona, Spilimbergo, Balvasone, S. Vito, Bru-
gnera, Porcia, Marano und über dem Tagliamento drüben
Anerkennung fand, so daß Pauziera's Autorität auf Udine,
Sacile, Castel Porpetto und noch einige unbedeutende Orte
beschränkt wurde. Es war ein mehr als bescheidenes Gefolge,
welches Gregor mit sich führte. Darunter befand sich auch
sein und der Cividalesen Patriarch da Ponte, als solcher von
denselben empfangen und ausgenommen.
Am 6. Juni erfolgte die Eröffnung der äußerst spär¬
lich besuchten Synode, etwa einen Monat darauf die zweite
Sitzung, in welcher Clemens VII., Benedict XIII. und
der am 26. Juni in Pisa jüngst gewählte Alexander V. als
unrechtmäßige Päpste erklärt wurden, am 5. September end-
262
lich die dritte und letzte Sitzung, in der Gregor das gänzliche
Fehlschlagen seiner Bemühungen durch den Antrag einge¬
stand, die Beilegung des Schismas ausschließlich weltlichen
Händen, nämlich Ruprecht und den Königen Sigismund von
Ungarn und Ladislaus von Neapel auzuvertrauen. Gregors
Ohnmacht offenbarte sich noch deutlicher, als er es schon
wenige Tage später (8. September) gerathen fand, Cividale
wieder zu verlassen und er auf seiner, einer Flucht gleichenden
Reise nach Latisana, wo er sich einzuschiffen gedachte, nur
verkleidet und mit Mühe den Söldnern Udine's und Pan-
ziera's entging, welche dafür seinen mit den päpstlichen Ge¬
wändern angethanen Beichtvater nebst mehreren anderen
seiner Begleiter in ihre Gewalt bekamen, beraubten, und
übel zurichteten.
Als Gregors XII. Widersacher war Panziera der
Gönnerschaft Alexanders V. gewiß. Deßhalb schrieb auch
Alexander an den von ihm immer noch als deutschen König
angesehenen Wenzel von Böhmen, er möchte den Grafen von
Ortenburg aus Friaul zurückberufen, (Bologna, 28. Januar
1410), und gleichzeitig (31. Januar) gebot er den Unter-
thanen des Patriarchates, Panziera zu gehorchen und sich von
dem Ortenburger loszusagen, selbst wenn sie die mit dem¬
selben eingegangenen Verbindlichkeiten beschworen, durch An¬
hängen von Siegeln oder auf was immer für eine sonstige Art
bekräftigt hätten. Da indeß alle diese Schritte keinen Erfolg
hatten, und im Gegentheile Ortenburg in seiner Eigenschaft
als Reichsverweser durch König Sigismund bestätigt worden
war (1. Januar 1411), beschäftigte man sich in beiden
Lagern ernstlich mit dem Gedanken, durch Entfernung der
beiden, sich das Patriarchat streitig machenden Männer und
einstimmige Wahl eines neuen Patriarchen der immer
weiter um sich greifenden Anarchie ein Ziel zu setzen.
263
Johann XXIII., den des verstorbenen Alexanders V.
Partei an seiner Statt erwählt hatte, lieh hiezu seine Unter¬
stützung. Für ihn gab es umsoweniger einen Patriarchen da
Ponte, als dessen eigene Anhänger keine besondere Rücksicht
auf ihn zu nehmen gesonnen waren, nachdem er nur in einem
höchst enge begrenzten Theile des Landes Anerkennung ge¬
funden, und in einem zu Anfang des Jahres 1409 mit
Panziera geschlossenen, übrigens niemals zur Ausführung
gekommenen Vertrage durch die Erklärung, sich mit Cividale
und den damit verbundenen Einkünften begnügen zu wollen,
die Geringhältigkeit seiner Ansprüche zngestanden hatte; er
außerdem beinahe immer in Venedig sich aufhielt. Den Pa¬
triarchen Panziera räumte Johann XXIII. aus dem Wege,
indem er ihn durch Verleihung des Cardinalates (6. Juni
I4II) zum Verzichte auf die Patriarchenwürde bewog.
Der Patriarcheustuhl konnte somit als erledigt ange¬
sehen werden und durch die Wahl Ortenburgs zum General¬
vikar der Kirche von Agnileja in töm^orulibris (10. Fe¬
bruar 1412) gelangte diese allgemein gewordene Anschauung
zum Ausdrucke. Gerade diese Wahl aber war nur unter dem
Drucke der Ereignisse möglich, welche in den letztverflosseuen
Monaten über Friaul gerade in dem Zeitpunkte gekommen
waren, in welchem die sehnlichen Wünsche nach einer Bes¬
serung der heimischen Verhältnisse ihrer Erfüllung nahe ge¬
rückt schienen. Johann XXIII. hatte im Vereine mit der
auf Tristans Savorgnano Rath von Udine nm Beistand er¬
suchten Republik Venedig durch wiederholt vermittelte Waf¬
fenstillstände die zwischen den Parteien des Landes wüthenden
Fehden zu unterbrechen gesucht. Am 30. September 1411
war die letzte Waffenruhe zu Ende gegangen und niemand
zweifelte an deren Erneuerung, als die Cividalesen durch das
Eintreffen der Vorläufer eines ungarischen Heeres ermuthigt
264
am 31. unerwartet zu Feindseligkeiten schritten und den
Udinesen großen Schaden zufügten.
Es hatte nämlich Venedig, von König Sigismund um
Gewährung freien Durchzuges für die Römerfahrt ange¬
gangen, denselben zwar zugestanden, aber in der Besorgniß,
daß die bereits gestürzten Familien der Carrara und della
Scala bei diesem Anlasse zu neuer Macht gelangen könnten,
die Bedingung daran geknüpft, daß König Sigismund ohne
Heer käme. Darüber aufgebracht hatte Sigismund veraltete
Beschwerden Ungarns gegen Venedig hervorgesucht, ins¬
besondere die Rückgabe Zara's und anderer unter veneti-
anischer Hoheit stehender Städte Dalmatiens begehrt und so
den Krieg herbeigeführt. Die früher erwähnten, iu Cividale
angelangten Ungarn waren die Spitze eines aus diesem
Grunde den Grenzen Friauls sich nähernden, ansehnlichen
ungarischen Heeres.
Udine, das wegen seiner innigen Beziehungen zur Re¬
publik das Aergste zu befürchten hatte, unterwarf sich in
dieser Bedrängniß am 2. November 1H11 auf die Zeit bis
zur Ankunft eines neuen Patriarchen den mit Venedig damals
gerade in gutem Einvernehmen stehenden Herzogen Ernst und
Friedrich von Oesterreich, die jedoch die erwartete Hilfe nicht
leisteten, so daß, als König Sigismunds Feldhauptmann, der
Florentiner Philipp degli Scolari, gemeiniglich Pippo Spano,
in Ungarn auch Philipp von Ozera genannt, am 28. des¬
selben Monates mit 11.000 Mann in Cividale eintraf,
jeder Gedanke an Widerstand aufgegeben wurde. Am
6. Dezember hielten die Ungarn in Udine ihren Einzug.
Was half es dem Lande, daß nun — dem Anscheine nach
— Friede und Eintracht wiedergekehrt waren, wenn es nun¬
mehr den Kämpfen zwischen Benetianern und Ungarn als
265
Schauplatz dienen und den Geboten der Letzteren unbedingte
Folge leisten mußte.
Sigismunds Einfluß war allmächtig; er hatte Orten¬
burgs Wahl zum Generalvikar herbeigesührt; er wurde auch
bei der Wahl des neuen Patriarchen maßgebend, wenngleich
das Capitel von Aquileja seit langer Zeit wieder zum ersten
Male dabei sein durch die Päpste verkümmertes Wahlrecht
ausübte.
Es compromittirte auf drei seiner Mitglieder, und
diese gaben ihre Stimmen sam 6. Juli 1412) Ludwig, dem
letzten männlichen Sprossen des hochangesehenen schwäbischen,
dem Stamme der Zähringer angehörenden Geschlechtes der
Herzoge von Teck, einem Günstlinge Sigismunds und nahen
Verwandten Ortenburgs, dem letzten Deutschen, der den Pa¬
triarchenstuhl von Aquileja überhaupt bestieg. Ludwig, der
erst die niederen Weihen erhalten hatte, war seit einer Reihe
von Jahren unter den Bewerbern um die Patriarchenwürde.
Schon nach Antons I. Entsagung hatte er bedeutende Geld¬
beträge zu diesem Zwecke nach Rom geschickt, sein Bevoll¬
mächtigter aber, der damalige Bischof von Concordia, Anton
Panziera, wie man erzählt, es für angemessener erachtet, mit
diesem Gelde seine eigenen Wünsche zu betreibe». Als
Gregor XII. dann den Entschluß faßte, Panziera im Pa¬
triarchate zu ersetzen, gedachte er zuerst Teck's. Es erscheint
uns demnach auch glaubwürdig, daß Teck die Triebfeder und
die Seele aller, namentlich der von Seite Ortenburgs gegen
Panziera gerichteten Unternehmungen gewesen war.
Er muß als einer der unglücklichsten Patriarchen be¬
zeichnet werden, nicht blos weil unter seiner Regierung die
ganze Herrlichkeit des Patriarchates zusammenbrach, sondern
mehr noch deßhalb, weil er rühmlos seinem widrigen Geschicke
unterlag. Die Investitur empfing er schon wenige Tage nach
266
seiner Wahl ^am 10. Juli) zu Cividale in des deutschen
Königs Auftrage durch Heinrich IV. von Görz (ch 1454);
die kirchliche Bestätigung ward ihm erst am 25. Februar
1418 durch Martin V. und das Conzil zu Kostnitz, auf
welchem — beiläufig gesagt — ein Friauler, der Bischof
von Concordia, Heinrich von Strassoldo, Johann Husz das
Todesurtheil vorgelesen hatte (1415).
Im selben Jahre entbrannte neuerdings der Krieg
zwischen Ungarn und Venedig, den ein am 17. April
1413 zu Triest auf fünf Jahre abgeschlossener Friede unter¬
brochen hatte.
Zu seinem Verderben, wenn auch erklärlicher Weise,
kämpfte ihn Patriarch Ludwig II. im Heere der Ungarn mit.
Dort befand sich auch Heinrich IV. von Görz, an Sigis¬
munds Sache durch die Herrschaft in Feltre und Belluno
gefesselt, welche dem Grafen anfänglich als Reichsverweser
(Feltre, am 23. Juni 1413), später aber in Folge der Un¬
zufriedenheit der Bellunesen, welche den König selbst zum
Herrn wollten, als Sigismunds Statthalter (Kostnitz 1.
April 1417) übertragen worden war. So führte denn der
Vogt des Hochstiftes von Aquileja wenigstens in dessen
letztem Entscheidungskampse die Waffen für die Rechte der
seinem Schutze befohlenen Kirche.
Seit geraumer Zeit schon warf Venedig lüsterne
Blicke auf das Patriarchat und seit den Tagen Philipps von
Alen^on suchte es unter der Maske uneigennütziger Sorge
für dasselbe es in seine Netze zu verstricken. Während es
über die blutenden Leichen der Carraresen hinweg nach dem
Besitze Padua's und Verona's griff, ging es in Friaul weni¬
ger gewaltthätig als schlau, aber nur umso sicherer vor.
Der Adel des Landes, der es nicht, wie anderswo, unter dem
Krunimstabe gut wohnen fand, war durch allerlei Gunstbe-
267
zeiguugen leicht zu gewinnen. Der wärmste und durch Reich-
thum, Ansehen, Einfluß und persönliche Vorzüge auch werth¬
vollste Parteigänger der Republik war Tristan Savorgnano,
der durch den Mord des Patriarchen Johanns V. in eine
nicht mehr auszugleichende Gegnerschaft mit allen patriarcha¬
lischen Regierungen gedrängt, bei der Uebergabe Ndine's an
Sigismund als Rebell geächtet worden und in seine neue
Vaterstadt Venedig geflohen war, um derselben später bei
Eroberung seiner einstigen Heimat durch Kühnheit im Felde
wie durch Klugheit im Rathe gleich hervorragende Dienste
zu leisten.
Bereits unter den Wirren des Jahres 1411 hatten
die meisten patriarchalischen Lehensträger jenseits des Ta-
gliamento und, ihrem Beispiele folgend, auch Saeile vor
den drohenden Unwettern in der Unterwerfung unter Venedig
einen schützenden Hort gesucht (14. und 26. Mai). Die Re¬
publik büßte zwar diesen MachtznwachS in dem unmittelbar
darauffolgenden Kriege mit Sigismund zum größten Theile
ein; als aber im April des Jahres 1418 die im Frieden
von Triest ausbedungene fünfjährige Frist abgelaufen war,
gewannen die von andauerndem Glücke begünstigten Heere
der Veuetianer unter Thaddäus von Este, Philipp von Ar-
celli und Tristan Savorgnano alles Verlorne im Fluge wieder
zurück und pflanzten, unaufhaltsam vorrückend, auf die Zinnen
aller friaulischeu Städte den geflügelten Löwen des heiligen
Marcus. Gleich im ersten Kriegsjahre s1418) wurde Aqui-
leja, wohin viele Kostbarkeiten aus dem ganzen Laude in
Sicherheit gebracht worden waren, eine Bente der Veuetianer;
im folgenden Jahre gerieth der ganze Westen und Süden des
Landes in deren Gewalt und auch Cividale ergab sich, von
plötzlicher Mutlosigkeit erfaßt, ohne drängende Veranlassung
der Republik (11. Juli 1419). Udine, dessen Freundschaft
268
für Venedig und die Familie Savorgnano sich alsbald in
Haß verkehrt hatte, sowie die auf Unterjochung des Landes
gerichteten Absichten uuverhüllt hervorgetreten waren, blieb
davon unerschüttert und hielt die Fahne der Unabhängigkeit
beinahe ein volles Jahr noch hoch. Erst als ein im Herbste
des Jahres 1419 neu angekommenes, mächtiges ungarisches
Heer unter dem Ban Dionys von Slavonien, Marsilius von
Carrara und Friedrich von Ortenburg gar keine Erfolge er¬
zielte, und die Kriegführung der Ungarn in Folge dessen er¬
lahmte, 2) als ringsum alle Orte und Vesten gefallen waren,
alle Adelsgeschlechter der Republik den Eid der Treue ge¬
leistet hatten und jede Hoffnung auf wirksame Unterstützung
mehr und mehr schwand, beugte Udine seinen Nacken und
öffnete es den venetianischen Truppen am 6. Juni 1420
die Thore. Die unmittelbare Folge davon war die Unter¬
werfung der gebirgigen und unwegsamen Theile des Landes,
welche allein noch einigen Widerstand hätten leisten können,
Carniens, des Gebietes von Cadore und der letzten noch
unbezwungenen Schlösser von Gemoua und Monfalcone.
Auch in Istrien fielen im selben Jahre alle patriarchalischen
Besitzungen den Venetianern in die Hände. Am 10. Juni
trat der erste venetianische Statthalter in Friaul, Robert
Morosini, in Udine sein Amt an.
Um die weltliche Hoheit des Patriarchates war es da¬
mit für immer geschehen. Selbst das Dazwischentreten des
Papstes vermochte daran nichts mehr zu ändern. Des Pa¬
triarchen fernere Versuche, seine Rechte zur Geltung zu
*) Die Hussitenkriege gestatteten den Ungarn nicht, ihre Ange¬
legenheiten in Friaul mit Nachdruck zu verfechten. Es folgten nur
mehr vereinzelte, durch den Patriarchen veranlaßte Unternehmungen,
ohne daß aber auch ein förmlicher Friede zu Stande gekommen wäre.
Während seines Aufenthaltes in Italien erst (1431-1433) söhnte sich
Sigismund mit Venedig aus.
269
bringen, endeten kläglich; sie brachten allerdings dem Lande
noch einiges Ungemach, ohne jedoch mehr, als einen Auf¬
schub in dem Beginne jener Aera allgemeinen geistigen und
materiellen Aufschwunges zu bewirken, welche die ebenso
überraschend schnell als fest begründete venetianische Herr¬
schaft dem ehemaligen Patriarchate unläugbar erschloß.
Ludwig II. konnte sich indessen in die neue Ordnung
der Dinge nicht fügen und starb ferne von Aquileja im
Jahre 1439 in freiwillig aufgesuchter Verbannung. Seinem
Nachfolger, dem Paduaner Ludwig III. Scarampo Mez-
zarota blieb es überlassen, der vollzogenen Entwelilichung
des Patriarchates die eigene, als einem Unterthan der
Republik kaum schwer gewordene Zustimmung zü ertheilen
und bei dem Papste, dem Venetianer Eugen IV., dessen Leib¬
arzt er einst gewesen war, für die nachträglich auch wirklich
ertheilte Sanction der Kirche zu wirken *).
Lange vorher schon hatten die Görzer die vollendete
Thatsache anerkannt. Am 1. November 1424 empfing
Meinhards VII. Sohn, Heinrich IV., kniend, in der Linken
gleichsam als des Dogen und der Republik oberster Mar¬
schall in Friaul einen Stab, in der Rechten eine weißrothe
Fahne haltend, für sich und für feinen Bruder Johann Mein¬
hard (si 1429 oder 1430) auf dem Marcusplatze zu Ve¬
nedig aus den Händen des Dogen Franz Foscari die Lehen,
welche das görzer Grafenhaus von der Kirche von Aquileja
gehabt hatte, und welche sich nunmehr in dem von der Re¬
publik besetzten Gebiete befanden. **)
*) Beilage I. enthält die vollständige Reihenfolge der Patriarchen.
«*) Die Belehnung mit den Lehen von Aquileja geschah sonst
mittelst dreizehn weißrother Fähnlein und wegen dieser Lehen führten
die Grafen von Görz die untere Hälfte ihres schrägerechts getheilten
Schildes unter dem goldenen Löwen im blauen Felde, ihrem Haus-
— 270 —
Ebenso hielten es noch Heinrichs IV. Söhne. Der
am 12. April 1500 zu Lienz erfolgte Tod des jüngsten
unter ihnen, des kinderlosen Leonhard, zerriß diesen Zusam¬
menhang, indem er, den wiederholten Erbverträgen gemäß, das
Haus Habsburg zur Nachfolge in allen Besitzungen und
Herrschaften der Görzer berief. Friaul und Görz sind seitdem
ganz verschiedene Wege gewandelt.
Wappen, von roth und weiß mehrmals (nicht immer gleich oft) quer
getheilt. In neuerer Zeit erscheinen die Theilungen nicht mehr quer,
sondern schräge nach links.
II.
Wir haben uns vornehmlich mit den Schicksalen der Vor¬
steher der Kirche von Aquileja beschäftigt, deren Gebeine in
den Grüften derselben modern. Bevor wir von dem Gegen¬
stände uns gänzlich trennen, sei es uns noch gestattet, einiger,
diesem Gotteshause und dessen Sprengel angehörender Eigen-
rhümlichkeiten mit kurzen Worten zu gedenken.
Aquileja besaß eine besondere, unter dem Namen
Rutom ?g,tminrcliinu8 bekannte Liturgie, wie dies in den
ältesten Zeiten wohl in den meisten Kirchen der Fall war.
Es bewahrte dieselbe aber ungewöhnlich lange, da man bei¬
spielsweise, wie schon anderwärts berührt, die altchristliche
Form der Taufe durch Untertauchen — allerdings nur bei
Kindern — hier sogar noch im XV. Jahrhunderte anwandte.
Rufinus, ein aus dem aquilejesischen Klerus hervorge-
gaugeuer, wahrscheinlich auch in Friaul geborener, angesehener
kirchlicher Schriftsteller des V. Jahrhunderts brachte mit
der Schilderung der an ihm selber im Jahre 370 vollzo¬
genen Taufhandlung das Glaubensbekenutniß auf uns,
welches damals in Aquileja allgemein in Anwendung war
und sich von dem römischen und dem nicäniscken Glaubensbe¬
kenntnisse nicht unwesentlich unterschied. Die hauptsächlichsten
272
Abweichungen bestanden darin, daß im Beginne Gott nicht
allein allmächtig, sondern auch unsichtbar und unem¬
pfindlich genannt wurde und daß der dasselbe Ablegende,
am Schlüsse sich mit dem Zeichen des Kreuzes bezeichnend,
seinen Glauben an die Auferstehung dieses Fleisches be¬
kannte, und damit, ohne etwas von dem ewigen Leben zu
erwähnen, endigte. In ähnlicher Weise unterschieden sich das
Sündenbekenntniß, das Brevier und das Missale von Aqui-
leja von jenen anderer Kirchen.
Aus dem XII. Jahrhunderte, aus der Zeit des Pa¬
triarchen Pilgrim I. sind uns merkwürdige Litaneien oder
richtiger Acclamationen erhalten worden. Sie beginnen mit
den Ausrufe: Ostri8tr>8 vineit, Ostri8tu8 röANLt, Ostri-
8tri8 Irnp6rg,t, der sich im Verlaufe derselben öfter wieder¬
holt. Dazwischen werden jene Heiligen, welche der Kirche von
Aquileja selbst entstammten oder darin besonders verehrt
wurden, um ihre Fürbitte angerufen, auf daß dem Papste,
dem Kaiser und der Kaiserin, dem Könige' und der Königin,
dem Patriarchen, der ganzen Klerisei, den Richtern und den
christlichen Kriegern Heil und Leben zu Theil werden. Son¬
derbar ist es, daß außerdem für die Kaiserin und die Königin
allein das ewige Leben, dagegen aber für die Fürsten und die
Krieger auch Sieg erfleht wird.
In den Kirchen der sriaulischen Gebirge, namentlich
Carniens hört man noch heutigen Tages während des Gottes¬
dienstes rohe, theilweise im Laufe der Zeiten auch ganz ver¬
derbte Melodien, welche zumeist langobardischen Ursprungs
sind. Im Dome von Cividale werden diese, in kunstgeschicht¬
licher Beziehung höchst merkwürdigen Kirchengesünge mit
liebevoller Sorgfalt gepflegt und bei gewissen Anlässen in
unverfälschter Ursprünglichkeit ausgeführt.
273
Das weltliche Element, welches nur zu oft den geist¬
lichen Charakter des Patriarchates in den Hintergrund treten
machte, drängte sich sogar in die heiligsten Handlungen ein.
Zur bleibenden Erinnerung an einen glücklichen Kriegszug,
den Patriarch Bertrand im Jahre 1341, durch den ihm zu
Dank verpflichteten Markgrafen von Mähren, Carl von Lu¬
xemburgs), an der Spitze von Hilfsvölkern unterstützt, gegen
die Grafen von Görz unternommen und auf welchem er im
Lager vor Görz die Christnachtsmesse mit dem ihm assistiren-
den Abte Guibert von Moggio in den Kriegsgewändern ab¬
gehalten hatte, pflegten die Patriarchen seither bei der Christ¬
mette mit einem ihrer Assistenten in voller Rüstung zu er¬
scheinen. Auch saug der die Stelle des Diakons versehende
Domherr bei demselben Anlasse das Evangelium mit gezück¬
tem Schwerte, welches er am Schluffe nach allen Weltge¬
genden über den Köpfen der andächtigen Menge segnend
*) Im Frühjahre-1337 war nämlich der Markgraf, späterhin als
Kaiser Carl kV., ans einer Reise von Böhmen über Ungarn, Croatien, Dal¬
matien und Italien nach Tirol begriffen gewesen.. Er hatte kaum in
einem dalmatinischen Küstenorte ein Fahrzeug bestiegen, um über das
adriatische Meer zu setzen, als er sich von venetianischen Schiffen umgeben
und scharf bewacht sah. Am neunten Tage vor Grado angelangt,
entkam er dennoch durch eine List. Während sein Gefolge in Unter¬
handlungen mit den Venetiamrn trat, ließ er sich mit dem Grafen
Bartholomäus von Veglia und Johann von Lippa vom Hintertheile
seines Schiffes unbemerkt in das Boot eines bereits gewonnenen Fischers
hinab, der seine werthvolle Ladung unter Netzen vor den Augen der
Späher verbarg und glücklich bis an das Festland brachte. Zu Fuße
kam Carl nach Agnileja, wo er dessenungeachtet vom Patriarchen bestens
ausgenommen wurde. Patriarch Bertrand sorgte dafür, daß auch Carls
am Schiffe zurückgebliebene Begleiter unbehelligt entlassen wurden,
beherbergte seinen Gast durch vier Wochen und gab ihm endlich mit
seinen Kriegsleuten das Geleite bis Tirol. Carls Bruder Johann
aber hatte unmittelbar vorher bei Bertrand eine Zufluchtsstätte ge¬
funden, als er im November 1341 von seiner Gemahlin, Margaretha
der Maultasche, im Einverständnisse mit den tirolischen Landhcrren von
Haus und Hof und endlich aus dem ganzen Lande vertrieben worden war.
Aquikeja.
274
schwang. Dieser Gebrauch vererbte sich bei dem Aufhören
des Patriarchates auf die beiden Metropolitankirchen von
Görz und Udine.
Im Dome von Cividale ist am Tage der Erscheinung
eine ähnliche Gewohnheit seit den ältesten Zeiten in un¬
unterbrochener Uebung; doch ist der das Evangelium singende
Diakon nicht allein mit einem Schwerte umgürtet, sondern er
trägt auch auf dem Haupte einen mit langen in den Farben
Cividale's weiß und roth wallenden Federn geschmückten Helm.
Am Feste Mariä Reinigung aber liest der Erzdiakon des
Capitels während des Gottesdienstes ein, in den Archiven der
dortigen Kirche aufbewahrtes, nur in den ältesten Zeiten von
den Ergebnissen der historischen Forschungen etwas abweichen¬
des Verzeichniß aller Patriarchen seit dem Evangelisten Marcus
mit lauter Stimme dem Volke vor.
Daß die Basilica von Aquileja die eigentliche Quelle
der weltlichen Macht der Patriarchen war, kam in recht un¬
zweideutiger Weise zum Ausdrucke, wenn einer derselben starb.
Sobald die Gruft über der Leiche sich geschlossen, des Grab¬
geläutes dumpfe Klage ausgeklungen hatte und die letzten
Töne der Trauergesänge verhallt waren, riefen die Glocken
der Basilica alle Glieder des Capitels zusammen, um dem
Lande auf die Zeit des erledigten Patriarchenstuhles einen
Herrn zu geben. Dem Capitel, in welchem auch die Kaiser
und, als Vögte, die Grafen von Görz, durch Vikare vertreten,
Sitz und Stimme hatten, standen nämlich in jenem Falle
„alle und jede Gerichtsbarkeit und Gewalt und deren Aus¬
übung in geistlichen und weltlichen Dingen zu; genau so,
wie sonst dem Patriarchen selber." Die in der Kirche zu¬
sammentretende Versammlung übertrug indeß stets durch
Wahl alle die ihr zukommenden weltlichen Rechte dem Ge¬
neralvikar, meist einem der angesehensten unter den Edlen
275
des Landes, der dessen Verwaltung bis zum Eintreffen des
neuen Patriarchen zu führen hatte.
Nachdem die Besorgung der weltlichen Angelegenheiten
Friauls dem Oberhaupte der Kirche von Aquileja abgenom-
men worden war und da die venetianischen Patriarchen der
letzten drei Jahrhunderte vor dem gänzlichen Erlöschen des
Patriarchates mit ihren unabhängigen Vorgängern nichts
mehr gemein hatten, als den Namen und die Befugnisse
ihres Kirchenamtes, konnte auch das Geschick des Ortes
Aquileja, welches mit seinem Verfalle dem Sturze seiner
Fürsten wohl vorangeeilt sein mag, nur mehr ein beklagens-
werthes sein. Es gerieth beinahe ganz in Vergessenheit. Um
die Mitte des XVI. Jahrhunderts, da es bereits unter
österreichische Herrschaft gelangt war, tauchten die ersten Vor¬
schläge zur Urbarmachung des umliegenden Sumpfbodens
auf, ohne daß aber auch nur der geringste Versuch zu ihrer
Durchführung gemacht worden wäre. Um so mehr muß es
uns überraschen, daß eine kleine französische Abtheilung
während des spanischen Erbfolgekrieges sich im Jahre 1703
versucht fühlte, an diesem Punkte zu landen, und Aquileja
zum Ziele seiner Unternehmung zu wählen (23. Juli). Da
es nur auf Raub und Plünderung abgesehen war, mögen die
Franzosen, welche vielleicht noch ein römisches Aquileja zu
finden erwartet hatten, arg enttäuscht wieder abgezogen sein,
wenn auch der durch sie der Bevölkerung verursachte Schaden
für dieselbe empfindlich genug war.
Dieser an sich ganz untergeordnete Zwischenfall dürfte
mit dazu beigetrageu haben, daß Aquileja und dessen stolze
Vergangenheit in den leitenden Kreisen des Reiches zur
Sprache kamen, als Kaiser Carl VI. im Beginne seiner Re¬
gierung auf den weisen Rath des großen Prinzen Engen
und anderer nicht minder scharfblickender Staatsmänner den
in »
276
Vorsatz faßt«, seinen Ländern durch Schaffung eines öster¬
reichischen Seehandels mit der Theilnahme an dem großen
Weltverkehre neue Quellen der Macht und des Wohlstandes
zu eröffnen. Einer der Orte, welche zu dem durch venetia--
nisches Gebiet in beträchtlicher Ausdehnung wiederholt unter¬
brochenen kurzen, damals schon österreichischen Küstenstriche
zwischen den Mündungen der Zermagna und der Aussa ge¬
hörten, sollte zum Freihafen erklärt werden. Alle die Gründe,
welche Aquileja für diesen Zweck empfahlen, wurden durch den
Umstand zum Schweigen gebracht, daß dasselbe knapp an der
Grenze lag, nur durch eine schmale, leicht zu unterbrechende
Verbindung mit den rückwärtigen Ländern zusammeuhing und
überdies zwischen dem Hafen und der offenen See sich die
im Besitze der Republik befindlichen Lagunen mit Grado und
anderen, die Kanäle sperrenden Befestigungen ausdehnten.
Eine Erhebung der in der Oertlichkeit gelegenen technischen
Schwierigkeiten fand gar nicht statt, da schon ans den vorste¬
henden Ursachen Aquileja sowie das gleichfalls im Vorschläge
gewesene Duino unberücksichtigt blieb, während die, die freie
Schifffahrt verkündenden kaiserlichen Patente der Jahre 1717
und 1719 den Grund zur späteren, die kühnsten Hoffnungen
weit hinter sich lassenden Blüthe Triests legten.
Carls VI. großer Tochter war es Vorbehalten, das erste
Dämmerlicht einer besseren Zukunft über den trostlosen Ge¬
filden Aquileja's leuchten zu lassen. Diese hochherzige Fürstin,
deren gesegnetes Andenken bei allen ihrem Scepter unter¬
worfen gewesenen Völkern noch ununterbrochen fortlebt, so
zwar, daß man selbst in Ländern, denen jede sonstige Erin¬
nerung an ihre einstige Zusammengehörigkeit mit Oesterreich
völlig abhanden gekommen zu sein scheint, ihr Bild in den
Palästen der Großen wie in den Hütten der Armuth an be¬
vorzugter Stelle findet, gedachte in mütterlicher Fürsorge auch
277
jener Unglücklichen, welche in den Niederungen von Aquileja
ein Dasein voll Elend und Siechthum führten.
Einen grellen Gegensatz dazu bietet das selbstsüchtige
Borgehen der eigenen Landsleute, welche, weit entfernt, an
die Bekämpfung der dortigen verderblichen klimatischen Ein¬
flüsse sich zu wagen, dieselben nur für ihre Sonderzwecke
auszubeuten trachteten. Es war nämlich einer der ersten, von
der im Jahre 1765 in's Leben gerufenen görzer Ackerbau-
Gesellschaft ausgehenden Anträge, dem Ueberhandnehmen
des Felddiebstahles durch die auf dieses Vergehen zu verhän¬
gende barbarische Strafe der Verweisung nach Aquileja zu
steueru. Dagegen erschien am 7. Mai 1766 das Decret Maria
Theresia's, welches die Vornahme umfassender Entwässerungs¬
arbeiten anordnete, die über 12.000 Acker Landes dem Feld¬
baue wiedergebeu und damit zur Salubrität der ganzen Ge¬
gend wesentlich beitragen sollten.
Der erste Anstoß hiezu war indeß von einem Bürger
Aqnileja's ausgegangen, der mit seinen geringen Mitteln
derartige Arbeiten versucht und durch Ausdauer nicht ganz
unerhebliche Erfolge davongetragen hatte. Davon in Kennt-
niß gesetzt, hatte der Graf von Puebla, der zu jener Zeit als
Landeshauptmann der Verwaltung der vereinigten Graf¬
schaften Görz und Gradišča Vorstand, die Sache mit Eiser
und Liebe erfaßt und durch persönliche Bemühungen in
Wien von der Kaiserin und ihren Räthen das Eingehen auf
seine Ansichten erwirkt. Einerseits wurde gesundes Trink¬
wasser aus ziemlicher Entfernung nach Aquileja geleitet,
anderseits entstanden zahlreiche Kanäle mit Schleusen, welche
den Zuflüssen der Gewässer und den meteorischen Nieder¬
schlägen raschen Ablauf gewährten und zugleich das Eindringen
des Brackwassers ins Land verhinderten. Im Jahre 1778
wurden 15.000 Gulden zur Bertheilung an Colonisten
278
ausgewogen, welche ein Levantiner in seiner Heimat zu
wcrbeu sich verbindlich gemacht hatte. Diese Zusage ward
nicht eingehalten, allein die auf Staatskosten unternom¬
menen Arbeiten unterbrachen erst im Jahre 1790 jene
Ereignisse, welche unseren Welttheil ein Vierteljahrhundert
lang erschütterten.
Nuläugbar ist es, daß die gesundheitlichen und ökono¬
mischen Zustände der Gegend von Aquileja einigermaßen
sich schon gebessert haben, und gewiß, daß dort noch vieles
mit Aussicht aus lohnende Ergebnisse geschehen könnte. Da
drängt sich auch uns die häufig schon gestellte Frage un¬
willkürlich auf, ob denn Aquileja jemals wieder einen an
seine glorreiche Vorzeit mahnenden Aufschwung zu nehmen,
hoffen darf. Wir gestehen, daß wir gewichtige Zweifel dar¬
über hegen, indem, unserem Dafürhalten nach, die an den west¬
lichen Gestaden des adriatischen Meeres unter unseren Augen
unaufhaltsam, wenn auch unscheinbar, sich vollziehende geolo¬
gische Veränderung, welche eine ganze Reihe einstiger Küsten¬
städte, wie z. B. Adria, Ravenna u. a., ihres belebenden
Elementes beraubte, nicht den geringsten Theil an dem Unter¬
gänge Aquileja's hat.
Andere knüpfen die kühnsten Erwartungen an den
Durchstich der Landenge von Suez und meinen, daß derselbe
den großen Weltverkehr wieder in seine ulten Bahnen lenken
und die Adria in Verbindung mit dem rothen Meere als
die kürzeste natürliche Handelsstraße zwischen den Brenn¬
punkten des menschlichen Gewerbfleißes im Zentrum Europa's
und den mit den kostbarsten Schätzen dieser Erde verschwen¬
derisch ausgestatteten Ländern des südlichen Asiens neuerdings
zur Geltung bringen werde. Es mag sein, daß der erhabene
Kreislauf der Natur, welche die eigenen überlebten Schö¬
pfungen in Stücke schlägt und ans den Trümmern neue,
279
jugendfrische Gebilde formt, auch hier nur au das Ende eines
Zerstörungswerkes gelangt ist, um einen Wiederaufbau ;u
beginnen.
Sicherlich aber trennen uns unberechenbare Zeiträume
von einer Wiedergeburt Aquileja's, denn immer noch ist es
nur ein weites Grab, trotz der üppigen Fluren, welche es
bedecken und daraus wie alle, einen Leichenhügel überwu¬
chernden Pflanzen die darin angehäuften Bedingungen ihres
Gedeihens ziehen, und der heutige Anblick der Ruinen von
Aquileja ruft dieselben Empfindungen in uns wach, welche
vor mehr als einem Jahrtausende den Patriarchen Pauli¬
nus II. ein Klagelied anstimmen ließen, in dem er, das
furchtbare Schicksal der geliebten Stätte beweinend, in die
Worte ausbricht:
lianclos tmos, ^guileja, oineres
Non nübi uilas suüieiant, laorimas,
Uesunt sormonss, ckolor sonsum abstmlit
6vräis aniari.
B e i l a g e n.
I.
Reihenfolge der Bischöfe, Erzbischöfe und
Patriarchen von Aquileja.
Bischöfe.
42 (?) H. Marcus der Evangelist, kehrte nm das Jahr 49 nach
Nom zurück.
49 (?) H. Hermagoras, ein Deutscher, nach anderen ein Grieche, 7 6^r
90 (?) H. Hilarius aus Pannonien (?)
286 (?) Lhrysogonus l. aus Byzanz.
293 (?) Chrhsogonus II. aus Dalmatien.
300 (?) Agapitus aus Aquileja.
3! Theodor, ein Thracier.
332 l?) Benedict, ein Römer.
347 Kortunatianus, ein Africauer.
Erzbischöfe.
369 H. Balcrian, ein Gallier.
389 H. Cromatius aus Aquileja, nach anderen ein Spanier.
407 Augustin I. aus Beuevent.
434 (?) AdclphuS oder Dclphinns aus Altino.
443 (?) Maximus.
444 Januarius aus Pola.
431 Sccundus, ein salischer Franke.
434 H. Ricctas, ein Grieche.
483 (?) Marceliianus aus Tessalonich.
284
600 (?) Marcelliuus, ein Römer.
613 (?) Stephan aus Mailand.
639 Macedonius ein Macedonier.
Schismatische Patriarchen.
687 Paulinus I-, ein Römer.
569 Probinus von Benevent aus dem anicischen Geschlechte.
571 Elias, ein Grieche.
586 Severus aus Ravenna, ch 606.
607 Johann I. aus Aquileja (?).
623 (?) Marcianus aus Pirano.
628 Fortuiiatus.
6L9 (?) Felix.
663 (?) Johann II-
684 (?) Johann III.
Orthodoxe Patriarchen.
698 Peter I. aus Pola (?).
711 Serenus, -s- 716.
716 Calixtus aus Cividale, Erzdiakon von Treviso.
762 Siegwald von Cividale ans dem Hause der Herzoge von Bene¬
vent, P 776.
776 H. Paulinus II. Graminaticus aus Premariacco, 4 802.
802 Ulsus l., -p 811.
811 Maxentius.
834 (?) Andreas, ein Friauler (?).
843 (?) Penantius aus Italien (?).
850 Theodemar, ein Deutscher.
856 (?) Lupus I.
875 Mlpert.
901 (?) Friedrich l.
922 (?) Leo, ein Friauler (?), im Jahre 928 durch den Langobarden
Rodoald ermordet.
928 Nrsus II.
931 Lupus II.
944 (?) Engclfred, ein Deutscher, f zu Nom 963.
963
984
4049
4042
4049
4060
4068
4077
4 084
4088
4422
4432
4462
4 482
4 493
4204
4218
4254
4 273
285
Rodoald, ein Deutscher, -s 984.
Johann IV. aus Ravenna, -f 4049.
Poppo (auch Wolfgang?), ein Deutscher, P 28. September 4042.
Eberhard, Domherr von Augsburg, ein Langobarde, -f 4049.
Gotepold, Propst von Metz, ein Verwandter des salischen
Kaiserhauses.
(?) Ravanger, ein Deutscher, -f 4068.
Sieghart Graf von Plenen, ch zu Regensburg 12. August 4077
Heinrich, Domherr von Augsburg, ein Deutscher, ch 4084.
Friedrich II-, ein Slave von vornehmer Abkunft; im Jahre 4083
durch die eigenen Unterthemen ermordet.
Ulrich l. von Eppenstein, Abt von St. Gallen (Sohn Herzog
Markwarts von Kärnthen), ch 2. April 1422.
Gerhard genannt von Premariacco (Sohn Meinhards I. (?) von
Görz, nach anderen ein Friauler), entsetzt 4428.
4428 Engelbert, Dekan von Bamberg erwählt, aber
nicht investirt.
Pilgrim I. von Sponheim (Sohn Heinrichs, des ersten Herzogs
von Kärnthen ans diesem Hause), ch 8. August 14 61.
Ulrich II. Graf von Treffen in Kram (Sohn des Grafen Wolf¬
rath), -f zu Aquileja 1182.
Gottfried, Abt von Sesto, ein Verwandter der Hohenstaufen,
s- 1194.
Pilgrim Ik. fvon Dornberg (?), aus Bresciaf(?)j, Erzdiakon der
Kirche von Aquileja und Propst von Cividale, -f zu Aquileja
15. Mai 4204.
Wolfger von Lenprechtskirchen aus Köln, Bischof von Passau,
-f zu Aquileja 23. Januar 4248.
Perthold von Andechs, Erzbischof von Kalvcsa,-f 23. Mai 1251.
Gregor von Montelongo aus Campanien, 's zu Cividale 8. Sep¬
tember 1269.
1270 Philipp von Sponheim, Erwählter von Salzburg
(Bruder Herzog Ulrichs III. von Kärnthen), gewählt,
aber vom Papste nicht bestätigt.
Raimund della Torre aus Mailand, Bischof von Como, -f zu
Udine 23. Februar 1299.
1299
1302
1316
1319
1334
1330
1389
1365
1381
1387
1398
1402
286
1299 Konrad von Polen gewählt, aber nicht bestätigt (?).
Pcter II. Gera ans Fercntino, Erzbischof von Capua, P zu Udine
13. Februar 1301.
1301 Pagano della Torre von der Mehrheit, Otto von
Ortenburg von der Minderheit des Capitels gewählt;
keiner vom Papste bestätigt.
Ottohuono Robario oder de' Razzi aus Piacenza, Bischof von
Padua, P auf dem Wege nach Rom 14. Januar 1315.
1315 Gilo von Villalta, Erzdiakon des Hochstiftes, gewählt,
aber nicht bestätigt.
Gastonc della Torre, Erzbischof von Mailand, -s zu Florenz
20. August 1318.
Pagano della Torre, Bischof von Padna, P zu Udine 19. De¬
cember 1332-
Bertrand von S. Ginnes aus Languedoc, den 6. Juni 1350
am sogenannten Nichenvelda bei Spilimbergo durch empörte
Vasallen unter Führung der Herren von Spilimbergo und
Villalta und zwar von des Letzteren Hand gctödtct.
Nicolaus I. von Luxemburg, Bischof von Neuburg (natürlicher
Sohn König Johanns von Böhmen), P zu Bellnuo 29.
Juli 1358.
Ludwig I. della Torre, Bischof von Koron, P zu Udine 30.
Jnli 1365.
Marquard von Randeck aus Baiern, Bischof von Augsburg,
P zu Udine 3. Januar 1381.
Philipp Cardinal von Alenyon, Erzbischof von Sabina, entsetzt
1387, P zu Rom 1397.
Johann V. von Luxemburg, Bischof von Leutomischl (Sohn des
von Margarethe Maultasche verstoßenen Markgrafen Johann
von Mähren aus dessen zweiter Ehe mit Margarethe von
Troppau), durch Tristan Savorgnano und seine Mitver-
schwornen zu Udine am 13. October 1394 ermordet.
Anton I. Gaetano aus Nom, verzichtet 1402, ch zu Rom 1412.
Anton II. Panziera aus Portogruaro, Bischof von Concordia,
unrechtmäßiger Weise abgesetzt 1408, verzichtet aber erst
1411, st zu Nom 1431.
287
1409 Anton III. da Ponte aus Venedig, Bischof von Con¬
cordia, findet nicht allgemeine Anerkennung.
1412 Ludwig II. Herzog von Teck, 1439.
1439 Ludwig III. Cardinal Scarampo Mczzarota ans Padna, ch zn
Rom 27. März 1468.
1468 Marcus I. Cardinal Barbo, zu Rom im März 1491. (Von
diesem Patriarchen an sind sie alle ohne Ausnahme Venetianer.)
1491 Hermolaus I. Barbaro, Bischof von Nimosa, P zu Rom 1493.
1493 Nicolaus II. Douato, ch in Cividale ö. September 1497.
1497 Dominik Cardinal Grimani, Bischof von Alba und Porto, ver¬
zichtet 1317, st zu Rom 27. August 1323.
1317 Marinus Cardinal Grimani, verzichtet 1529.
1329 Marcus II. Grimani, verzichtet 1533, P 1544.
1533 Marinus Cardinal Grimani (zum zweiten Male), verzichtet aber¬
mals 1545, f zu Civitavecchia 28. September 1546.
1545 Johann VI. Grimani, verzichtet 1550.
1550 Danici I. Barbaro, -s 12. April 1570.
1571 Alois Giustiniani Coadjutor, P 1585.
1585 Johann VI. Grimani (zum zweiten Male), st zu Venedig
3. October 1593.
1593 Franz Barbaro, im April 1616.
1616 Hermolaus II. Barbaro, ch zu Venedig 22. Dezember 1622.
1622 Anton III. (IV.) Grimani, st zu Venedig 26. Januar 1628.
1628 Augustin II. Gradenigo, zu Padua im September 1629.
1629 Marcus III. Gradenigo, 16. Februar 1656.
1656 Hieronymus Gradenigo, Bischof von Famagosta, ch 1657.
1657 Johann VII. Cardinal Delfino, f 19. Juli 1699.
1699 Dionys Delfino, f zu S. Vito 13. August 1734.
1734 Daniel II. Cardinal Delfino, seit der Unterdrückung des Patri¬
archats im Jahre 1751 Erzbischof von Udine und daselbst P
13. März 1762.
II.
Stammtafel der Grafen von Gör^ der Vögte des Hochstistes Aquileja.
Taf. 1.
Othwrn
Graf von Lurn und Pusterthal (von Istrien und Görz?). verm. I. m. Glica (st 970), n. m. Wichburg von Sponheim (st 1017)
Stifterin des Klosters St. Georgen am Längsee in Kärnthen.
Engelbert st 1045 Gerloch Hartwik st 1048 Heinrich Bolcold Hildburg Percunta
Gf. von Lurn u. Pusterthal um 1035 Bischof v. Brichsen Stifter des Klosters Sonnenburg 1. 2.
___ im Pusterthale Aebtissin von St. Georgen
Engelbert um 1080 Heinrich um 1102 Meinhard um 1102
Gf. im Pusterthal Gf. in Istrien Gaugraf von Lurn
Meinhard n. st 1231 od. 1232
Stifter der Deutsch-Ordens-
Commende Precinico
Meinhard i. von Görz Engelbert i- von Görz
Vogt der Propstei St. st zwischen 1147 u. 1150
st um 1150 '
Heinrich i. st 1150 Engelbert n st 1187
Vogt der Propstei St. Gf. v. Görz, Vogt des Hochstiftes
Stephan in Aquileja Aquileja, verm. m. Mathilde,
Podesta v. Triest um 1150 Tochter Bertholds ll. v. Andechs
Markgrafen v. Istrien, Witwe
Friedri chs v . Hohenburg
Engelbert m,
' st 1220
Gerhard (?) Tochter
leja 1122-1128, v.Rechperg
Stifter der Abtei
Rosazzo
Hirmengarde od. Hirmilo
Aebtissin des Marien- 'Klosters in
Aquileja
"Meinhard rv. (ll.) st 1295
Herzog v. Kärnthen, Gf. v. Tirol u. Görz,
Vogt d. Gotteshäuser zu Aglar, Trient
u. Brichsen, 1262—1270 Hauptmann
des Volkes in Triest; verm. 1259 m.
Elisabeth (st 1273) Tochter Otto's des
Erlauchten v. Baiern, Witwe König
Konrads i v.v. Hohenstaufen, Stifterin
des Klosters Stams in Tirol
S. Tas. 2.
Meinhard m. (I.) st 1258 Albrecht i st 1250
Gf. v. Görz u. Tirol verm. m. verm. m. Hhppolita Nera Tochter-
Adelheid (st 1275) Erdtochter Rambalds von Collalto.
Alberts d. letzten Gfn. von Tirol
Bertha Adelheid st 1291 Albrecht n st 1304 Meinhard v
verm. m. Konrad verm. m. Fried- Graf v. Görz und Tirol, Pfalzgraf in st 1318 od. 1319
v. Wuellenstetten rich v. Ortenburg Kärnthen, Vogt d. Gotteshäuser zu Aglar,
u. Kirchberg (st 1304) Trient u. Brichsen: verm. 1.1266 ni.
Euphemia Tochter Konrads Herzogs v.
Glogau; n. :--75 m. Euphemia Töchter
Hermanns v. Ortenburg, Witwe Konrads
von Plaien u. Hardeck; (in. Diomunda od.
Diemoth Tochter Azzo's v. Belgrads?)
S. Taf. 3.
1295
Albrecht
j Ho¬
ll. Ulrich ?)
(i.Friench?)
(I. Georg?)
(l. Sigismund?)
verm
Ursu
1-13;
Ludwig
-j- 1305
luna
Brunoro
igero.
Euphemia
1-1330
1. Leopold
-j- als Kind
lil. Heinrich m.
f 1362 oder 1363,
verm. m. Ziliola
Tochter Jakobs v.
11. Catharina
verm. m. Ulrich
Grafen v. Täu¬
fers (-j-1337)
n. Elisabeth
verm. I. 1310 m.
Hermann Sohn
d. Grafen Ulrich
v. Heunburg,
II. m. Wilhelm v.
Schaumburg
l Heinrich v
gen. d. Jüngere wird i. J.
1412 erwähnt.
verm. 1.1283 (nur verlobt?) m.
II. ."IT Ih "..h'.' ?
lil. m. Euphemia Utehild
I. Anna
verm. 1352 m.
Johann Stephan
Frankopan Gfn. v.
Veglia u. Modrusch
I Ursula
verm. 1362 m.
Heinrich von
Schaumburg
II. Johann
-s 1461
verlobt oder verm. m. Elisabeth
Tochter Ulrichs II. v. Cilli.
Albrecht
(nat. Sohn geb. um 1330)
II. Ludwig
s 1456 oder 1457.
Taf. 3.
Albrecht n -s 136
Taf. L.
Meinhard >v. (
ll, Clara Euphemia
verlobt 1286 m. Andreas Herzog v. Slavonien
(nachher als König v. Ungarn Andreas III.)
I. Heinrich i, f ^ggg
Podesta von Triest (IMS), Reichsverweser ! Treviso (1322),
verm. 1.1297 m, deatnx (h lgzi> Tochter Ghards v. Camino,
II. lS2l m. Beatrix (t »SS?) Tochter Hergs Stephan v.
Nieder- Baieru
(Gretha
nat. Tochter, verr.
m. Nikolaus v. Pra-
Pergo?)
III. Meinhard vii.
1' 1385; verm. i. um 1347 m.
Catharina Tochter Ulrichs v.
Pfannberg (lebte noch 1365),
II. m. Utehild Tochter Ulrichs
v. Matsch (wiederverm. m.
Johann Burggrafen v. Maid¬
burg)
lil. Albrecht iv.
1374, verm. 1.1342
?) m. Helene, II. 1353
i. Catharina Tochter
riedrichs I. v. Cilli
viederverm. m. Jo-
ann, Truchseß von
Waldburg).
(Elisabeth
nat. Tochter, verm.
m. Oliviero Forza?)
l. Meinhard vi
-r- um 1318; verlobt 1.1300
m. d. Tochter d. Banus v.
Kroatien, Subm Grafen v.
Berbir, (H. m. Mathilde
Tochter Rudolfs i. v. d.
Pfalz, welche sich 1316 m.
d. Grafen v. Sponheim
vermählte?)
I Catharina -f 1391
verlobt 1361 m. Leopold m.
Herzog v. Oesterreich, der sich
1365 m. Viridis Tochter Bar-
nabo's Visconti vermählte;
verm. 1372 m. Johann I. Her¬
zog v. Baiern-München
s- 1292, verm. 1281 m. hnes
Tochter Albrechts, Groin v.
Hohenburg u. Haigerich
Anna Elisabeth
1- 1331 1- 1347
verm. 1327 m. Rudolf II. v. d. verm. 1323 m. Peter II. v. Ara-
Pfalz (-s- 1335) gonien u. Sicilien (t 1342)
ll. Johann Meinhard
-s-1429 oder 1430;
verm. 1.1403 m. Magdalena
Tochter Friedrichs Herzogs v.
Baiern-Landshut, ll. 1422 m.
Agnes Tochter Friedrichs v.
Pettau (wiederverm. m. Leu¬
thold v. Stubenberg)
II. Heinrich
geb. 1376, -f 1454;
verlobt 1382 m. Elisabeth
(-s 1392) Tochter Leopolds III.
Herzogs v. Oesterreich; verm.
I. um 1417 m. Elisabeth
(s-1426) Tochter Hermanns II.
Grafen von Cilli; H-1443 m.
Catharina (-H nach 1471) Toch¬
ter des Palatins v. Ungarn
Nikolau s Gara (?)
II. Leonhard
-j- 1500
verm. 1.1475 m. d. Tochter des
Banus v. Slavonien Nikolaus
v. Jllok (n. a. Tochter des Kö¬
nigs Nikolaus v. Bosnien);
II. 1477 m. Paula (s- vor 1500)
Tochter Ludwigs m. von
Gonzaga-Mantua.
ii. Wdeinhard m. II. Tochter ll. Hermann
geb. um 1343, s-1363, verm. 1358 verm. > 349 m. Mastino . -r- als Kind,
m. Margarethe (f 1366) Tochter , della Scala.
Albrechts n. Herzogs v. Oester-
reich (wiederverm. 1364 m. Johann ' 7
Heinrich v. Mähren, dem versto-
ßenen Gemähte Margarethens der , ' .
Niaultasche und Witwer Marga¬
rethens, der Tochter des Herzogs
Nikolaus v. Troppau).
Margarethe
verm. m. Friedrich iv. .
henzollern, Burggrafe wn
Nürnberg
I. Agnes II. Johann Heinrich
verm. m. einem -f 1338
Herrn della verlobt 1335 m. Beatrix
Scala Tochter Königs Peter II.
v. Aragonien u. Sici-
lien; 'verm. 1336 m.
Anna (-s 1343) Tochter
Friedrichs d. Schönen
v. Oesterreich
ll. Albrecht »i. oder I. nn Albrecht 1- 1327
ierm. 1.1283 (nur verlobt?) m. Tochter Ulrichs v. Heunburg,
II. 1299 m. Elisabeth Tochter H richs Landgrafen v. Hessen,
III. m. Euphemia Utehild nach 1350) v. Matsch
I Elisabeth I. Euphemia
verm. 1373 m.
irman Grafen v.
Cilli
Otto -s- 1310
verm. um 1290 m. Euphemia
('s 1347) Tochter Heinrichs, Her¬
zogs von Breslau, Stifterin der
Clarisserinnen zu Meran
(I. Barbara?) I Margarethe
verm. m. Johann Gfn.
v. Oettingen.
Heinrich -s- 1335 Elisabeth Agnes -f 1293
König v. Böhmen u. Polen; verm. I. geb. 1263, -f 1313, verm. 1276 verm. 1285 m. Friedrich d. Ge-
1306 m. Anna (-f 1313) Tochter Wen- m. König Albrecht I. (-f 1308) bissenen (-j-1324) Landgrfn. v.
zels ii. Königs v. Böhmen; ii. 1315 m. v. Habsburg Thüringen und Markarfn. v.
Adelheid (s-1320) Tochter Heinrichs I. i Meißen.
Herzogs v. Braunschweig - Gruben¬
hagen; in. 1327 m. Beatrix (-j- 1331)
Tochrer d. Gfn. Amadeus V. v. Savoyen. . , .
II. Adelheid ii. Margarethe
-f 1375 genannt die Maultasche, geb. 1316, -s 1369;
verm. l. 1330 m. Johann Heinrich v. Lu¬
xemburg (-P 1375) Markgrafen v. Mähren,
Sohn König Johanns v. Böhmen (ver¬
stoßen 1341), II. 1342 (rechtmäßig getraut
erst 1359) m. Ludwig (-f 1361) Markgrafen
v. Brandenburg. Sohn Kaiser Ludwigs iv-
des Baiern.
III. (?) Catharina m. (?) Clara m. Margarethe
verm. 1330 m. Ul- verm. m. Herdegen verm. m. Rudolf
rich v. Walsee Grfn. v. Pettau v. Ortenburg
('s 1329) '
Im Berlage
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W. Bramnüller, k. k. Nvk- «nd Nn!lierr!tlitsbllchhiindskr in Wien
sind erschienen:
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zur Kunde des heidnischen Alterthums
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Dr. Cd. Freiherr« von Zacken
Lullos des lt. li. Münz- und Anliken-Caliinels.
Mit 4 in den Text eingedruckten Holzschnitten.
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In diesem Buche werden die Ergebnisse der interessanten, aber vielfach zer¬
streuten neueren Forschungen über die vorrömischen Culturepochen Mitteleuropas,
zumal Oesterreichs, zum ersten Male in einer klaren und gedrängten Uebersicht
nach ihrem heutigen Staude zusammengefaßt uud auf die große Bedeutung der
archäologischen Funde aufmerksam gemacht. Besonders willkommen dürfte dem
Leser die treffliche und eingehende Darstellung der drei Cultur¬
epochen (Stein-, Bronce- und Eisenzeitalter, mit Benützung zahlreicher, meist
inländischer Fundobjekte in 84 gelungenen Holzschnitten), ferner die sorgfältige
und vorsichtige Behandlung der Beobachtungen über das Vor¬
kommen von Geräthen aus Stein neben Resten ausgestorbener
Thiergattungen, über Pfahlbauten und andere keltische und
germanische Monumente sein. Hieran schließt sich eine Darstellung der
römischen Alterthümer in unfern Ländern und eine Anleitung über den Vor¬
gang bei Ausgrabungen und die Behandlung der Alterthümer,
welcher die Ergebnisse langjähriger praktischer Erfahrungen mittheilt.
Dadurch eignet sich der „Leitfaden" in hervorragender Weise als Handbnch
sowohl für den Archäologen von Fach, als auch für den weitern Kreis der Freunde
des Alterthums, und entspricht somit einem wahren Bedürfnisse der Zeit.
Von demselben Verfasser:
Das keltische Grabseld
bei H a l l st a t t in O b e r ö st e r r e i ch
mid dKsr« Mkrtziimrr.
Mit 26 z inlo ar afirtcn Tafeln.
gr. 4. (Unter der Presse).
C NÄermUer'lche Vuchinackem tM. Salzer).
näkvML M vmvLkrrrLDiz
SSSSSS2721S