Theologische M »2. Verantwortlicher Redacteur und Verleger: I>r. Johann Chrys. Pogazhar. Samstag den 2». Dezember 18/19. Gemeinsinn. (Eingesendel.) „Unitis viribus“ so lautet der Wahlspruch des wieder-gebornen Oesterreichs, welches nun so viele Volker, so viele Zungen in der Einheit des Grundgesetzes und der Ver-sassung verbinden, das politische Leben von mehr als 35 Millionen Staatsbürgern durch den kräftige» Pulsschlag aus dem Herzen des Monarchismus vermitteln soll. Die Grundbedingung dieser Einheit, die der Gewalten ist bereits hergestellt uud repräsentirt durch jenes Kriegsherr, welches deren physische Elemente in sich ausnehmend, durch den siegreichen Kampf gegen die äußeren Feinde des Reiches, durch die Niederwerfung der Revolution im Innern den Bestand des Reiches wieder gesichert hat. Nur im Heereslager war in jener Zeit, wo man sich in der Hauptstadt wie in den Provinzen selbstmörderisch zerfleischte, Oesterreich zu finden, jenes Oesterreich, dem Italiener, Ungarn und Deutsche bereits den Grabessang anstimmten, dem sein Herrscher in den Zeiten einer kaum minderen Zerrüttung, ergriffen von einer höheren Inspiration, das „Austria erit in orbc ultima“ vorhergesagte, dem eine Stimme von Oben in nicht minder gefahrvollen Augenblicken in seinem frommen Regenten das „Ferdinande te non deseram“ zurief und cs einem späten gleichnamigen Enkel bei kaum geringerer Noth zu Olmütz verwirklichte. »Ich vertraue« sprach bei seiner Thronbesteigung unser Monarch zu den Völkern Oesterreichs, auf Gott, der den Thron meiner Väter stets beschützet hat,« und diese Worte fanden den lautesten Wiederhall in allen Herzen, in denen noch der alte Glaube wohnt. Aber wie steht cs wohl mit diesem alten Glauben, wehen seine Fahnen ebenso siegreich, wie die des Heeres, wirken seine Vcrtheidiger eben so kräftig einig und aufopfernd zusammen, wie dort in Italiens Ebenen uud vor den Mauern Wiens die Söhne so vieler Völkerstämme freudig ihr Blut für ihren Monarchen vergossen und keiner Zurückbleiben wollte in dem Kampf für das einige Vaterland? Diese Frage ist weit gebieterischer, als die der Juden an Johannes: »Wer bist du?« es ist die Lebensfrage des Bestandes der katholischen Kirche in Oesterreich, deren Boden durch bereits ein Jahrhundert, seit den Tagen eines Eibel und Sonnenfels, Afterphilosophismus, roher Cynismus und kirchenseindliche Aufklärerei so aufgewühlt haben, daß jene Länder der Monarchie, die man noch katholisch nennt, nur einer vulkanischen Oberfläche gleichen. Als man in Oesterreich die Freiheit verkündete, als man alte das Regime, die sogenannte Polizeiherrschast unter lautem Jubelgesaug des Proletariats einscharrte, da gab man auch kirchlicher Seits demselben, wie ein Kind seiner Amme, alle Schuld jedes auf dem Acker des Reiches Gottes wuchernden Unkrautes. Nun was that man, um diese Dornen- und Distelsaat auszurotten, den von der Bü-reaukratie zertretenen kirchlichen Boden aufzulockern uud neu zu bepflanzen? Man begnügte sich, über das alte Zopfthuni uud das in die Kirche eingefchlichene Beamteu-thum zu schimpfen, man zog pharisäisch den Splitter ans fremdem Auge, die Demokratie stachelte den nieder» Clerus gegen den höheren, versprach ihm reichliche Antheile bei der Theilung des Kirchengutes uud sieh da der Veitstanz des Demokratismus ergriff viele der Geweihten, und sic drehten sich wie Derwische im bunten Reigen. Die Aussicht auf Aufhebung des Cölibats, die vorgebildete Volks-souveräuität bei Vergebung der Pfründen regten den jünger» Theil des Clerns auf; doch es sei zur Ehre des Standes gesagt, nur einen kleinen Theil desselben. Der besonnene Theil sah die Gefahren für Glauben und Kirche riesengroß einherschreiten; aber mit der Gefahr wnchs nicht auch derMuth, man krümmte sich — und cs geschah nicht selten — unter diesem Samnm zusammen uud glaubte, wen» man sich recht still verhalte und geduldig niederlege, er würde ohne Schaden vorüberziehen. Armseliger Wahn, der nur immer auf höhere Hülfe allein baut und alles rein von der Zeit hofft! Was empfahl entgegen der Heiland seinen Jüngern? wie tadelte Er Muthlosigkeit und Trägheit und sendete sie in die Welt die Streiter des Lichtes, ihnen Marter uud Tod vorhersagend. Als Cäsar die gegen ihn angesponnene Verschwörung aus unzweideutigen Zeichen ahnte, und man ihn benachrichtigte, er solle sich vor Antonius und Dolabella in Acht nehmen, antwortete er: »Diese fetten, wohlgepflegten, zärtlichen Leute sind es nicht, die ich zu fürchten habe; es sind die magern und blaßen«; Worte die so richtig auf Brutus und Cassins paßten, die er aber zu seinem Schaden nicht achtele. So hatte auch der Heiland an den hagern Pharisäern weit größere Feinde als an den lebenslustigen Sadnzäern. Und sollen diese Leute auch in uusern Tagen in die Scene treten? Sicher! Die Zeit des plumpen Epiknräismns uitd Cynismus, wo man mit Blumauer und Konsorten auf Kirche und Pf — n, auf Pietisten und Papisten Reime schmiedete, sind vorüber; man will nicht gestehen, daß man keine Religion habe, sondern entgegen behaupten, daß, weil die katholische Religion für die Menschen nicht mehr tauge, eitel Lappelei sei, man eine Religion der Ver-nunft, der Humanität, der sich wieder gegebenen Menschheit gründen und durchführen wolle, nicht ohne mit den Templern auf das Kreuz zu treten. In diesem Sinne nannte man das Unchristenthum. Deutschkatholizismus, als allen anpassend, und als Blum, der es mit Ronge übernahm, Oesterreich politisch und kirchlich zn resormiren, gefallen, da gelobten es für ihn so viele seiner Gesin-nungs- und Fachgenossen durch Schriften und Brochüreu den Glauben an die Erlösung durch Jesu allenthalben ab- und entgegen die Religion der Zukunft anzukünden. Dadurch sollten die zerstreuten Kinder des Unglaubens, und wie groß ist nicht ihre Zahl deutscher, magyarischer, und tschechischer Zunge, absonderlich in Städten und unter den sogenannten Honoratioren wieder Halt bekommen und die große Einigung vorbereitet werden unter dem Panier des Widerchrists. Was glaubte man diesem schleichenden Feinde, dieser, wie der Apostel sagt, in geheim wirkenden Bosheit entgegen zu setzen? Das Gchcnlasscn! Sv müßte es denn sich bestätigen, was der populäre Hansjörgel sagte: Die konservativen besitzen keinen Mnth, ernähren der Anssprnch des geistreichen Neith, daß unter den österreichischen Katholiken kein Sinn für Aufopferung herrsche, ohne welchen sich auch ein Gemeinsinn nicht denken lasse; und Sepp iii der bayerischen Kammer bezeichnet diese Leute als konservative Schlafmützen, die von ihrem Lotterbettlein nur aufftehcii, um üu den politischen Himmel hinaus-zublicken und wenn es da nicht eben donnert und blitzt, ihre Fensterläden schließen und sprechen: »Es ist schon gut! Diesen mag man mit dem Heiland znrnfen: Ihr schlafet nun 'und ruhet, sehet die Stunde ist herbeigekommen. O ja sie ist nahe und vielleicht näher als wir glauben, wo unser Glaube, unser Mnth ans eine empfindliche und verhängnißvolle Art geprüset werden soll. Darum heißt es: Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet. Ergreifet den Schild des Glaubens, nehmet den Helm des Heikes und das Schwert des Geistes. (Paulus an die Epheser (i, 16.) Nie soll unser Wort kräftiger von der Kanzel ertönt haben, als jetzt, nie ist die Aufforderung größer gewesen, im Beichtstühle, in der Schule und am Krankenbette eifriger zu sein, als in diesen Tagen drohender kirchlicher Auflöfittig. Besonders ist das Krankenbett, von dem die Welt scheu ent- flieht, der Ort, wo man uns noch Stich hält, wo Leiden und Todesfurcht das Herz für die Tröstungen des Glaubens vorbereiten, wo selbst auf Religionsfeinde noch ein wohlthätiger Eindruck gemacht werden kann. Wodurch errang unser Kriegsheer den Sieg? Durch Tapferkeit, Diseiplin, Vertrauen in die Anführer, durch den Gemeingeist, espril tlc corps, durch den Wetteifer für die Standesehre. Machen wir die Anwendung auf uns, die wir im Heere Christi unter der Kreuzesfahne streiten, die nun entbunden von dem drückenden Schutze der Büreaukratie auf die eigenen Kräfte angewiesen sind, die sich selbst stehen und fallen. Was machte die Jesuiten so stark, und daher von den Feinden der Kirche so gehasset weil gefürchtet, als ihr innerer enger Zusammenhang, als das Motto: Einer für Alle, Alle für Einen! Das „devide et inipcra“ hat die Welt leider nicht ohne Erfolg an uns versucht; was soll das werden, wenn die hie und da bereits sichtbar gewordenen Klüfte zwischen dem Episkopat und dem Presbyterium noch weiter ausklafeu und sich wenn nicht zum formellen Schisma doch zur tatsächlichen Entzweiung der Gemüther erweitern sollen? Die Welt wird sich freuen, wir aber zuletzt, vielleicht zu spät, trauern und weinen. Nichts ist in der Kirche gefährlicher als Ehrsucht. Sie hat von jeher Ketzer geschaffen, wie die Frage: quis sit niajor schon int Anbeginn die Jünger entzweite. Wie traurig ist das Geständniß des heiligen Vaters Ambros: „Quod si invidia ctiam sanctos adussit, quanlo rnagis cavenduni, ne inllainrnet peccalorcs.“ Wie nvthwcndig ist es, daß besonders in jetziger Zeit, wo jeder solche Brand das Haus Gottes zu ergreifen droht, diejenigen welche der heil. Geist gesetzet hat, die Kirche Gottes zu regieren, darauf sehen, die Leidenschaften zu beherrschen und sich nicht von dem Geiste menschlichen Wohlgefallens bei Ausheilung der Aemter Gottes beschleichen zu lassen. Nie hat wohl der Apostel der Heiden mehr nothwendig gehabt vor Neophy-ten zn warnen, die der Geist des Hochmuthes aufbläsr, nie lag in der Stimmung der Zeit mehr Mahnung, die Worte der Terte: Super omnes docentes nie — super senes intellexi zu sprechen, ohne den Nachsatz wohl zu Überdenken „quia testirnonia Ina nieditatio rnea est; quia rnandata tua quaesivi.“ Nie war wohl mehr Veranlassung des berühmten Muratori Werk: de mode-rainine ingeniorum mit mehr Selbstprüfung zu lesen als gegenwärtig. Die alte Mönchsinariine, es sei nur die der weltklugen gemeint: Officium suuni facerc taliler qualiler, inundum sinere vadere sieut vadit, ast bene loqui de P. Guardiano mag ihre Richtigkeit für Knigges »Umgang mit Menschen« haben, aber für Schüler Christi taugt sie nicht, besonders jetzt wo der Satan Verlangen trägt, uns zu würfeln wie Spreu, und wo die Mahnung des göttlichen Meisters, »die Kinder der Welt sind klüger in ihrem Geschlechte als die Kinder des Lichtes«, die leidige Anwendung in unserer Lauheit und Unbefließenheit findet, beit Verführern durch entsprechende gleiche aber gerechte Mittel entgegen zu wirken. Wie traurig wenn man, nach obigem so gangbaren Klugheitsgrundsatze, sieht, wie die Söhne des Lichtes, die Kampfer der Wahrheit oft in so enger Verbindung im täglichen Umgange mit jenen sind, welche sich offenbar als Feinde der Religion bekennen. Was hat Christus, muß man mit dem Apostel rufen, mit Belial? Wer nicht mit mir ist, mit dein Meister sprechen, ist wieder mich! Wie heilig ist dem Soldaten seine Standesehre. Welcher Profane dürfte ungestraft die Ehre eines Anführers, einer Waffengattung, ja die dcs Portepee's eines Einzelnen verunglimpfen? und wir sollen es zusehen, wie man unser» Stand mit Koth bewirft, oder wohl selbst mithelfen und schadenfroh das enge euge! rnfen, wenn einem aus uns was Menschliches begegnet. Wir selbst müssen für einander einstehen und wie ehrliebende Krieger, sei cs catch mit scharfer Waffe — den Streit nnter uns ausmachen, den Ehrvergessenen vor das Gericht der Gleichen rufen und ihm mit Ausfchießung drohen, wenn er seinen Stand zu beschimpfen fortfährt. Da erübrigt man jede Spizelei jenes schandvollen Pharisäismus, der schadenfroh die mala fama zu seinem Vortheile ausbentet. Darin liegt die chronique scandaleuse unseres Standes. Wenn schon der Apostel klagte: Quilibet quaerit quae sua sunt, non quae Jesu Christi — wer darf sich ärgern, wenn der Spiegel der Wahrheit uns vorge-halten nicht vorteilhafter spricht. Wie nothwendig also seine Warnung: Nolitc conformari huic facculo, sed reformamini in novitatc sensus vestri. Diese heilsame Reform gebietet uns die Neuzeit und wenn je Augustins Bekanntes: ln neccssariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus cliaritas die Ucbcrfchrift an allen Thüren der Horsäle, Collegien, Offizien und Pfarr-Hofe bilden sollte, thitt cs gegenwärtig am meisten Roth, wo die Anforderung des Zusammenhaltens so gebietend, die Uebertreibung der Freiheit in dem zu Wenigen und zu Vielen so gefahrvoll ist. Wie sehr theilte nicht dieses große Kirchenlicht mit seinem Clerus Mühen und Lasten, Tröstung in Glauben und selbst den nothwendigen physischen Lebensgenuß, so wie das ganze christliche Alterthum bis weit in die Neuzeit herauf darin die größte Schntzwchr gegen Separatismus und die Anfälle des allzeit fertigen wie ein Löwe im Dunklen herum gehenden Feindes fand, den Clerus in Kapiteln ober in größeren Communitäten an Pfarreien beisammen zu halten. Kaiser Josephs Errichtung so vieler kleiner Stationen hat weder dem Clerus noch dem Volke genutzt, sondern ist mir die Veranlassung manches bedauerlichen Unglücks geworden. Doch wenn diese Einigung nicht mehr thunlich, soll sie doch im Geiste bestehen; in oratione, lectionc, eonsolationc, in mutua cliaritate et lide non ficta! Wie traurig, wenn nun nach so kurzer Zeit, wo auch wir die ausgehende Sonne kirchlicher Freiheit mit solcher Begeisterung begrüßten, wo nene Ideen, Vorschläge, Ansprache und Ausrufe, man vergebe den trivialen Ausdruck, wie Pilze aufschossen, kaum nach einem Erdenumlaufe die meisten Blätter wieder entgehen und auch diese Zeilen den Schwanengesang eines Blattes mitanstimmen, welches mit solchen Kräften und Hoffnungen begonnen, nun aber unter die Sichel der Zeit fällt, weil ein schweres Verhängniß das weitere Erscheinen nicht möglich macht. Weil wir einmal schon unsere tapfere Armee zum Schema genommen, so sei es erlaubt den Geist der Brüderlichkeit, der Kameradschaft in derselben, nicht tut Sinne der Barnkadenhelden in Erwägung zu ziehen. Unstreitig hatte dieser Geist großen Antheil an dem Siege und der Ehrentitel: Vater Radetzky, krönt den ruhmwürdi-geu Greis mehr als jene Siege. Er war Mensch, Vater der Seinen, er sorgte für ihre Bedürfnisse, und dieser Antrieb, wirkte auch auf das Gemüth des Gemeinsten. Es war als fpräche der Apostel: (Juis infirmatur, et ego non infirmor, es war als hörte man den Heiland die Seinen noch beim Abschiede fragen: Quando misi vos sine sacculo, et pera et calceamentifc, numquid ali— quid defuit vobis; at illi dixerunt: Nihil. O väter-terlichc Sorgfalt, o theilnehmende Liebe! würdest Du alle Nachfolger Christi beseelen. Wie rührend und trostvoll war cs, als man in öffentlichen Blättern las, jener .Kirchenfürst, welcher zu Kremsier seine Gäste gewiß nicht kurz hielt, habe den weltlichen Gebietern, welche seit 70 Jahren den kirchlichen Säckel in Verwahrung ,’nahntctt, vorgestellt, wie ein Seelsorger, der doch der Armen Vater sein müsse, in diesen Zeiten mit den nach dem ^Einstens« bemessenen 300 fl. nicht leben könne. Wie hoch ist jetzt das tägliche Brod in der Höhe schwebend, und wie viele macht die Sorge um das Zeitliche ja doch nur um das Nothigste — nicht schwach, absonderlich in jenen Gegenden, wo der Unglaube und die Häresie Herz und Säckel verschlossen haben. Es sei verziehen hier von dem zu reden, was der Apostel au so viele» Stellen seiner Briefe so kräftig vertritt. So fei den» festes Zufat»me»wirken, inniges Mitgefühl, gegenseitige Tröstung die Aufgabe für uns, Geliebte Brüder! in dieser furchtbare», harten Prüfnngs-zeit. Jeder ertrage den Ändern, und erfülle so Christi Geboth und wenn der, so dieses schrieb weniger anpaf-send, weniger gelehrt, vielleicht zu offen zu Ihnen, Ehrwürdige! gesprochen hat, so war es Niemand zu Liebe noch Jemand zum Nachtheil; er hat es aus tiefem Herzensgrund gethan, und wen» wir von diesen Blättern scheiden, so wolle» wir im Geiste auf besseres Wiederfinden uns trennen, beten und fo herzlich uns umarmen, wie Paulus und seine Epheser, als er sic verließ. Amen. Geist und Natur. (Schluß.) Es muß der Günther'fchcu Weltanschauung schon die Aufmerksamkeit znweuden, daß sie von allen bisherigen, welche die Menschheit in der That nicht befriedigte, sich unterscheidet. Treten wir aber mit Günther noch ein Mal zu der Reihe der großen Denker hin, so werden wir überall Anknüpfungspunkte finden. Jeder von jenen edlen Männern, dünkt mich, wird sich bestätigt, ergänzt, zur ungetrübte» Klarheit erhoben sehen. Die Vernunft des Aristoteles, welche sich keiner Organe bedient und darum vom Körper getrennt allein unsterblich und selig sein soll, ist das nicht der selbstbewußte sich von der Natur verschiede« wissende Geist? Muß das, was so ganz für sich besteht, nicht weseuhaft verschieden von der Seele sein, welche die blosse Form des Körpers (formelles Leben der Natur) ist, die vom Körper nicht getrennt werden kan», mit ihm vergeht, ohne ihn nichts ist? Eben so wenig kann das intellec-tive Prinzip des Thomas von Aquin ein Theil der Seele sein, da er von demselben sagt, cs sei etwas für sich Bestehendes. Und das ist nicht zn denken ohne die Idee, ohne den Gedanken von der lebendigen Substanz. Aber Thomas ist sich der Idee »och nicht klar bewußt, deßhalb beherrscht ihn noch der Begriff, unter welchem er im Wesen Verschiedenes zusammen faßte, weil es in der Erscheinung Ähnlichkeit hat. — Wie gnt stellt er jedoch die Ansichten der alten Philosophen zusammen, und wie liegt ihm Günther's Lösungswort bereits auf der Zunge! »Die alten Weltweife,i«, sagt er bei der. Frage, ob die Thicrseclen etwaS für sich Bestehendes seien, »die alten Weltweisen machte» keinen Unterschied zwischen der Sinnlichkeit und der Vernunft, n»d fchriebe» Beide den« körperliche» Prinzipe zu. Plato dagegen unterschied zwischen Vernunft und Siiinlichkcit, doch stellte er Beide dem »»körperliche» Prinzipe anheim, indem er behauptete, wie das vernünftige Denken, so komme auch das Empfinden der Seele a» sich zu. Daraus folgte, daß auch die Seele» der »»-vernünftigen Thiere etwas für sich Bestehendes wären. Aber Aristoteles stellte den Satz auf, das vernünftige Denke» allein unter den Thätigkeiten der Seele werde ohne ein körperliches Organ geübt. Das Empfinden hingegen und die ähnlichen Acte der empfindenden Seele geschehen offenbar mit einer Veränderung des Körpers. Sv sei ersichtlich, daß die empfindende Seele nicht eine eigene Thätigkeit für sich habe, sondern all' ihre Tätigkeit ist eine zusammengesetzte; somit si»d die Seele» der unvernünftigen Thiere, die für sich allein nichts thuii, auch nichts für sich Eristirendes.« — Also das vernünftige Denken wird allein ohne körperliche Organe geübt, ist allein von, Körper zu trennen; das vernünftige Denken ist ein Act, welcher ein agirendes Wese» voraussetzt; und dicß für sich bestehende Wesen ist dieß nicht — der Geist? Die sinnliche Seele, die an sich nichts ist, und immer zugleich mit einer körperliche» Veränderung erscheint, ist als Erscheinung eines anderen Wesens anzuerkenuen, und zwar des nämlichen, welches als Körper erscheint; ist das nicht — die Natur? Aber so tief geht Thomas nicht; und so fällt er wieder zu Plato zurück, und schreibt das Empfinden, das sinnliche Leben, wenigstens zum Theile dem unkörperlichen Principe zu. Plato brachte ein kräftiges Moment in die Selbst-erkenntniß. Um zu beweisen, daß die Seele nicht bloß die Harmonie (die aristotelische Form) des Körpers sei, beruft er sich auf die Selbstbeherrschung. »Das vernünftige Handeln bestehe nicht darin, daß die Seele den Leidenschaften, die anf den Körper sich beziehen, nachgebe, sonder» daß sie denselben widerstehe; wie wäre das möglich, wenn die Seele nur die Uebereinstimmnng körperlicher Thätigkeiten, wenn sic nicht etwas viel Göttlicheres wäre?« — Vortrefflich! Die freie Willensthat beurkundet und bekräftigt hanptfächlich die Autonomie des Geistes gegenüber dem Natnrleben. Ich will frei, also bin ich, uud bin weseuhaft verschiede» von all' de», unfreien Leben in und außer mir —ist der potenzirte Satz: ich denke, also bin ich. Aber wie Thomas so richtig bemerkt hat, Plato trübt sich diese Erkenntniß dadurch, daß er alles innere Leben dem unkörperlichen Princip, welches er Seele nennt, zi,schreibt. Dadurch vernichtet er sein Argument. Die Seele soll verschieden sein vom Körper, weil sie über die körperlichen Stimmungen herrscht; da nun aber diese Stimmungen selbst Thätigkeiten der Seele sein sollen, so folgte, daß die Seele verfchieden von fich felbst fei. Und fo ist es wirklich. Ein großer Theil desjenigen, was man Seele nennt, ist wesenhaft verschieden von dem, was in uns herrschen soll, ist Lebensäußerung desselben Princips, welches als körperlicher Organismus erscheint. Seele und Leib stehen sich nur im Thiere gegenüber, doch nicht als zwei Wesen, sondern als Erscheinungen eines Wesens. Da ist richtig keine Selbstbeherrschung, da ist die Seele nur Stimmung, Uebereinstimmnng, Harmonie, Form des Körpers. Aber im Mensche» sind zwei Wesen geeint, und der selbstbewußte freie Geist soll herrschen über das lebendige Naturgebilde. Hiefür steht die ganze Beweisführung Plato's in ungetrübter Kraft. Augustin, in Plato's Schule gebildet und hierauf Jünger und Lehrer in der christlichen Kirche, ist besonders unschlüssig über die Entstehung der Seele; daß sie sich wie der Körper sortpflanzt, dafür fcheiiit ihm viel zu sprechen; nicht nur die Ähnlichkeit in dcn Scclen-fähigkeiten der Kinder mit denen der Aeltent, sondern vorzüglich auch die Erbsünde; und doch wenn die Seele mit dem Körper sich fortpflanzt, liegt es allzu,iahe, daß sic auch mit demselben vergeht. Deshalb wünschte er oft und lebhaft, einen Aufschluß zu bekommen, wie die Lehre von der Erbsünde und jene Erscheinung an den Kiudern damit zu vereinigen sei, daß die Seele nicht durch die Zeugung entstehe (non sit ex traducc). Einstweilen sucht er sich die Begriffe ins Reine zu setzen: »es > stehe fest, daß Etwas in der Seele fei, was eigentlich Geist heiße; nehme man dieß hinweg, fo heiße das Uebrigc Seele im eigentlichen engeren Sinne; somit sei über die Sachen selbst kein Streit.« — Also Seele ist nur ein Begriff, unser inneres Leben znsainmenfassend; in der Sache aber sind Geist und Seele im engeren Sinne zu unterscheiden; was in der Sache unterschieden ist, ist nicht bloß zu unterscheiden, sondern ist Verschiedenes. Augustin blieb bei der bloßen Unterscheidung stehen, weil er noch nicht tief genug drang und namentlich, weil ihm die lebendige Naturanschauung fehlte. Diese würde sogleich die gewünschten Aufschlüsse geben. Die Seele im eigentlichen Sinn wird durch die Zeugung fortgepflanzt; der Geist ist unmittelbar Setzung des Ewigen. Augustins Unschlüssigkeit erscheint so glänzend gerechtfertigt, denn es ist wirklich beides wahr: der Tra-ducianismus und der Creatianismus. Wolle man sich dazu erinnern, wie dem heil. Augustin der Gedanke auf-dämmerte, die Seele könne vielleicht nicht Geist, sondern Körper sein; er mußte diese Vorstellung freilich fallen lassen, weil sie so unvollkommen war, die Seele als einen Körper im Körper zu denken; aber da er von einer Fortpflanzung des Körpers mit der Seele sprach, wie nahe lag es ihm, Körper und Seele im engem Sinn ohne den Geist, als Lebenserscheinung eines Wesens zn erkennen. — Das ist das Verdienst des Spinoza und besonders Schelling's und Göthe's; ihr Mangel aber und zugleich die Ursache, warum sie vom Christenthum nicht anerkannt werden können, besteht darin, daß sie das Natnr-leben für alles Leben und alles Leben für Naturleben nahmen, die Geister als von der Natur verschiedene Wesen nicht erkannten, und die Natur verabsolutirten. Was Spinoza von der Substanz und ihren beiden Attributen sagt, und wie Schelling und Göthe so tief, so lebendig das Leben schauen, ist alles wahr und treffend — für die Natur. Aber die Geister mit ihrem Selbstbewußtem und ihrer Freiheit sind in jenen Systemen nicht begriffen, lassen sich in denselben nicht begreifen. Während hier die Geister vom Naturleben verschlungen sind und in ihrem selbstständigen Sein nicht erkannt werden, wurden von Leibnitz und Herbart die Kategorien der Geister auf die Natur übergetrageu. Die Geister sind Monaden (Cinzelnwesen), lebendige, selbstständige Reale (Wirklichkeiten); aber die Natur besteht nicht aus viele» Monade» oder Realen, sondern sie ist eine große Monas, eine mächtige Reale. Die Probe aber in der äußere» Ersahru»g zeigt die Richtigkeit des ersten Ansatzes; in dieser Natur außer uns finden wir richtig all' das Seelenleben, was wir in unserem Selbstbewußtst» von unserem eigentlichen geistigen Wesen unterscheiden und einem ändern Lebensgrunde zuschreiben mußten. So reicht Günther allen vorhergehenden Würdeträgeru int Reiche des freien Denkens die Hand, und wir rufen der Gegenwart Göthe's Wort zu: »Suchet in euch, so werdet ihr Alles finden, und erfreut euch, wenn da draußen, wie ihr es immer heißen möget, eine Natur liegt, die Ja und Amen zu Allem sagt, was ihr in euch selbst gefunden habt.« — Wie groß muß aber die Freude sein, wenn noch eine andere Autorität, die der Geschichte, ihre Zustimmung nicht versagt. Indem wir nun bei dieser ändern Autorität, der Autorität der Geister, anfragen, muß ich erinnern, daß die Lehre» des Christenthums durch die spekulativeErkeuntniß nicht erst begründet werden sollen, so wenig als wir bei dem Spekuliren auf jene Lehre» uus berufe» habe». Wir sind vor aller Specnlation durch große und viele Thatsacheu überzeugt und glauben, daß Jesus von Nazareth der ewige Sohn des Ewige» ist. Somit steht uns Alles als Wahrheit fest, was er gelehrt, und das finden wir wieder nicht durch Specn-lircit; denn ein geschichtliches Faktum — imd das sind die Thaten und Lehre» jenes uuscrcs Herr» — kann man nicht erdenken. Wir erfahren mit aller Sicherheit, was er gethan und gelehrt, durch das alle Zeiten umfassende, aller Orten wiederholte, ununterbrochene, unveränderte historische Zengniß der allgemeinen Kirche. Auch nicht etwa eine Prüfung der geoffenbarten Wahrheit ist unser Speculiren; denn was ich so als geoffen-barte Wahrheit erkannt habe, kann ich nicht mehr prüfen wollen. Aber Bestätigung, Bekräftigung und innere Einheit alles meines Denkens und Wissens gewährt die spekulative Erkenntniß, so wie auf der ändern Seite unsere philosophische Ueberzengnng nicht Begründung, wohl aber Zustimmung bei dein Glauben sucht und — findet. Der Herr drückt sich stets ganz eract so ans, wie es die dargelegte Spekulation nur verlangen kann: »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.« Die Jünger haben dort nicht gerade etwas Böses, Begierliches sich zu Schulden kommen lassen, also ist Fleisch nicht etwa die Begierlichkeit, sondern das, was schläft und wacht und begehrt; das ist aber lauter Leben, Natur-leben. »Fleisch« sagt der Herr, nicht Körper; dieser ist eben nur die äußere Erscheinung des Naturlcbcns ohne das innere Leben, aber Fleisch ist die äußere Erscheinung mit dem inneren organisirtcit und orgaiusircitdcn Leben; es ist der treffendste Ausdruck in der ureinfacheit hebräischen Sprache für das, was wir lebendige Natur *) nennen. — »Meute Seele ist betrübt bis in den Tod<, sprach er, als das Naturleben in ihm, nicht sei» Geist, vor dem Schmerz und dem Tode zurückschaudertc; aber beim Sterben ries er aus: »Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist!« Der allein lebt fort, wen» das psysische Leben des physischen Gebildes erlischt. — »Geist ist Gott«, ei» selbstbewußtes, wollendes, persönliches Wesen; Etwas, was ist, ohne Materie zu sein. Es kann durchaus nicht heißen, es wäre himmelweit verschieden: Seele ist Gott. — Wäre aber, wie matt sichs zu denken pflegt, der Geist ein Theil der Seele oder die Seele ein Theil des Geistes, so folgte, daß auch *) Natura naturans. Gott eilt Theil des Weltlebeus und das Weltleben ein Theil des göttlichen Lebens wäre, was wirklich die zwei Grundformen aller dem Christenthuinc entgegenstehendeii Weltanschauungen sind. — Fortan findet man bei den Aposteln immer den Gegensatz: Fleisch und Geist. Der Heiden-Apostel, der erste Repräsentant der christlichen Wissenschaft, spricht denselben, wie sich erwarten läßt, am schärfsten aus. «Das Fleisch begehrt gegen den Geist, der Geist aber gegen das Fleisch.« Der Geist begehrt, das Fleisch begehrt; es müssen Zwei und zwei Lebendige sein, die begehren. Daß man nur ja nicht Abstraktes dabei denke. — Paulus unterscheidet »den Geist und die Seele und den Körper.« (1. Thess. 5, 23.) Da er so oft das Fleisch dem Geiste, nicht der Seele gegenüberstellt, so kann kein Zweifel sein, wie er sich die drei Dinge zusammendenkt; das begehrende, das leidenschaftliche Fleisch kann nicht der Körper allein sein, sondern Körper und Seele zusammen; und wie diese beiden sich von selbst gruppiren, so scheidet er auf der ändern Seite ausdrücklich den Geist von der Seele: »Das Wort Gottes ist schärfer schneidend, als irgend ein zweischneidiges Schwert; es dringt bis zur Theiluug (“XP1 pfpttrpov) von Seele Geist.« Im ersten Briefe an die Korinther stellt er zudem Seele und Geist ganz so einander gegenüber, wie im Brief an die Galater Fleisch und Geist. »Der seelische Mensch (er'iptvirof -4‘,;c»to0 nimmt das, was des Geistes Gottes ist, nicht auf, der geistige aber, der beurtheilt Alles.« Ist cs nicht überraschend, so klar diese Ideen ausgesprochen zu finden, während ringsum vorher und lange nachher selbst mit diesen Aussprüchen vor Augen, alle Welt mit schiefen Ansichten sich trug! Ehe wir nach der Bewahrung dieser göttlichen Lichtstrahlen in der Kirche die folgenden Zeiten hindurch schauen, müssen wir noch einen Augenblick auf die erste Urkunde der Offenbarung zurückgehen. Merkwürdig! Kein Wort von der Schöpfung eines tobten Stoffes! Nein, im Anfang schuf der Ewige, der im Anfänge schon war, ein wundervolles Wesen, welches zuerst in Licht und Finsterniß, formelles Offenbarwerden und Materie auseinander ging und dann in all die Gebilde ciiiauirte, welche die sichtbare Welt ausmachen. Es heißt immer: »die Erde brachte hervor«; nicht etwa bloß die Pflanzen, auch die Thiere. Denken Sie sich doch, was das heißen will: ein Thier Hervorbringen! — Der Mensch ist auch von dieser lebendigen cmanircnden Erde genommen; aber mit dem Natnrgebilde wurde ein Hauch des Ewigen, ein unmittelbar geschaffenes Wesen geeint. So ward der Mensch nach dem ältesten Denkmal der Geschichte; so muß er geworden sein, nach den Einsichten, gewonnen am Schlüsse des sechsten Jahrtausend. Auch das ist doch eine eigene Sache, daß diese Urkunde und der Icsus von Nazareth so rein zusammen# stimmen! Viel Millionen Menschen haben jene Urkunde auch gekannt; aber keiner hat so mit ihr harmomrt, und ist zugleich so weit in Klarheit und Bestimmtheit und Tiefe über sie hinausgegangen. Daran schließt sich eine nicht weniger auffallende Erscheinung. Man hat gesehen, die ganze alte Zeit ist in platonischen, das Mittelalter in aristotelischen Begriffen befangen. Die größten Lehrer der Kirche selbst nehmen an dieser Befangenheit Theil; aber wo die Kirche die Offenbarung ihres Herrn darlegt, läßt sie jene so allgemein geltenden Ansichten liegen und kommt richtig immer wieder auf seine und seiner Apostel eigentümliche Ausdrücke zurück. Wir glauben — eine Wiederbelebung der Leiber? Mit Nichten — wir glauben eine Auferstehung des Fleisches. Das ist etwas ganz Anderes; da ist nicht an Wiederbelebung todtett Stoffes zn denken, sondern darin ist die Idee eines sich reprodnzirenden Lebendigen niedergelegt. Als es sich darnin handelte, die von den Aposteln allgemein niedergelegte Lehre von der Person des Herrn in bestimmten Ausdrücke«, gegenüber selbstgebildcten Vorstellungen festzusctzen, da kam die bewunderungswürdige Fassung heraus: »die göttliche und menschliche Natur sind in Christus geeint wie die vernünftige Seele mit dem Fleische im Menschen.— Wie die vernünftige Seele und das Fleisch ein Mensch sind, so ist Gott und Mensch der ciitc Christus.« 2» dem Ausdruck »vernünftige Seele« sehen die subjektiven Begriffe der Kirchenlehrer heraus; um so merkwürdiger ist cs, daß sie ans einmal so eigenthümlich davon abgehen und nicht sagen: in Christus ist Gott und Mensch geeint wie Seele und Leib. Es ist das eine der Thatsche», in welchen ganz sichtbar das Walten des göttlichen Geistes erscheint. Dabei ist die Vortrefflichkeit der katholischen Glaubensgrundsätze zu beachten; nicht wie die Gemeinde und auch nicht wie die Bischöfe sich die Sachen denken, sondern die Lehren und Anordnungen des Herrn, wie sie immer und überall iu der ganzen Kirche überliefert wurden, sind katholischer Glaubens-iiihalt. Das ist etwas ganz anderes, als der sens commun. Die katholische Allgemeinheit ist die Allgemeinheit des geschichtlichen Zeugnisses über die Offenbarung, nicht Allgemeinheit der Vernunft. Was würde bie zuletzt genannte Fassung für Folgerungen gehabt haben! Hätte man sich beit Körper als beit an sich tobten, burch die Seele erst zu belebenden Stoff gedacht, so wäre der Menschheit in Christus alles selbstständige Leben abgesprochen gewesen; sie mußte, wenn anders der Vergleich festgehalten wurde, ganz passiv, wie todt, ohne Erkenntniß und willenlos der Gottheit gegenüber stehen. Sollte aber die Seele als die Form, die Thätigkeit des Körpers gelten, so war die Gottheit nur die höhere Form, die höchste Thätigkeit der Menschheit. Im ersten Falle ergab sich die Irrlehre des Apollinaris und noch größere Irrung; im ändern Fall mußte Christus ganz so aufgefaßt werden, wie ihn der Pan> theismus gebacht hat. Christus war ber Vernunft, Geist, Gott gewordene Mensch, wie der Mensch gewordene Gott, d. H. die ewige Weltsubstanz in ihrer vollendetsten Form. Die Kirche würde hierdurch mit allen ihren sonstigen Ueberlieferungen über die Person des Herrn in Widerspruch geratheil sein; der ganzen Weltanschauung hätte Vernichtung gedroht! Ans jener auffallenden Wendung dagegen ergeben stch nach verschiedenen Seiten große Konsequenzen. Die »vernünftige Seele« steht aus der einen Seite; das ist doch der Geist! Da nur das vernünftige Seelenleben auf der einen Seite steht, so gehört das übrige auf die andere Seite, und iu der That kann unter Fleisch nicht todter, roher Stoff, sondern nur organistrtes Naturge-bilde voll Leben, voll Seele verstanden werden. Der Mensch besteht aus zwei lebendigen Wesen. Noch mehr, lieber die Einigung der beiden Naturen in Christus sind die überlieferten Lehren sehr scharf begrenzt worden. Die Einigung ist ohne Vermischung, ohne Veränderung, untheilbar und unzertrennlich; jede Natur ist in ihrer Eigentümlichkeit unangetastet, aber sie bilden eine Person, ein Selbstbewußtem, so daß Christus mit gleicher Wahrheit sagen konnte: »Ich dürste,« und »ich thne den Willen dessen, der mich gesandt hat,« und »wie Abraham war, bin ich.« Nun soll in Christus Gott und Mensch geeint sein, wie im Menschen Geist und Natur, also bilden den Menschen ein wahrer Geist und ein wahres Naturgebilde, beide unvermischt in unverändertem eigentümlichen Leben, doch so, daß beide ein Selbstbewußtsein, ein Ich bilden: ich esse und ich begehre, so wie ich frei will. Der Mensch ist also auch nach der Glaubenswissenschaft nicht, wie man sichö sonst gewöhnlich verstellt, ein Geschöpf, das weder wahre Natur noch wahrer Geist; er ist nicht eine Art Mittel- oder Ueber-gangsstufe. Umgekehrt folgen alle Bestimmungen der Kirche über die Persönlichkeit Christi ans der vorgelegten speculativen Anschauung vom Menschen. Folgen sie auch daraus, wenn man den Menschen schlechtweg als Leib und Seele denkt? Die persönliche Einigung des Menschen mit Gott in Christus ist vermittelt durch die vernünftige Seele, sagten die Väter. Freilich, denn persönliche Einheit ist die Einheit des Selbstbewusstseins. Daraus folgt aber, wenn der Mensch Vorbild jener Vereinigung ist, daß in ihm auch zwei Bewußtsein sich einen müssen, daß also das »Fleisch« eine Art bewußtes Leben haben muß und das trifft ganz mit der Spekulation zusammen. Das psychische Leben ist physisches Lebe», die Seele ist Naturbe-wußtsein. Das Naturbewußtseiu und des Geistes Selbstbewußtem vereint, das bin Ich, der Mensch. Die Philosophie findet also in diesen Anssprüchen alle erwünschte Bestätigung und läßt hinwieder die tiefe Wahrheit der kirchlichen Lehre in ihrer ganzen Strenge erkennen und bewundern. Muß nicht, wer den Gang der geistigen Entwicklung unseres Geschlechtes überschaut, von Staunen ergriffen werden, daß dieser Jesns und seine Kirche Wahrheiten so bestimmt ausgesprochen haben, zu denen die Menschheit Jahrtausende zuvor nicht gelangte und die ihr wieder Jahrtausende hindurch nicht klar wurden, nachdem sie doch bereits ausgesprochen waren! Müssen wir Christen nicht hierin eine neue, große und würdige Bestätigung für unsere Ueberzengung von Christus finden? 2m Mittelalter war es ein [geniale nahe daran, daß die herrschenden aristotelischen Begriffe in die Darlegung der Offenbarung sich eiudrängten. Daß es nicht geschehen ist, daran hat menschliche Klugheit und Einsicht wahrhaft keinen Theil; denn man hat es in allem Ernste versucht. Durch die Verbindung platonischer und christlicher Ideen mit jenen Begriffen entstand die Kategorie von getrennt ertsttreiidcn Formen; man dachte sich die Seele als ein den tobten Stoff belebendes Wesen, nicht mehr rein aristotelisch als die Thätigkeit des Körpers, und nannte sie dennoch die Form des Körpers, mehr im aetiven Sinne, als das sormirende Prinzip. Hielt man nun die vernünftige Seele in strenger Gefchiedenheit als selbstständiges Wesen sest, *) so blieb auf der ändern Seite für jenen Standpunkt die tobte Materie, und es war noch ein drittes, diese belebendes und formirendes Prinzip nothweudig. So erhielt man drei Wesen als Bestandteile des Menschen: die vernünftige Seele, die körperliche Seele und die Materie. Das führte zu alten guostischeu Jrrthümern in neuer Form, wonach der Mensch zwei geistige Prinzipe in sich trägt; zwei Seelen nannten es die antiken Gnostiker, zwei Formen die Schnlsprache des Mittelalters. Es lag nahe, die eine als die himmlische und gute, die andere als die irdische und an sich schlimme auszusprechen, und anf solche falsche Weise das Böse zu erklären. Dergleichen Ansichten widersprechen dem ganzen christlichen Glauben, und indem der Mensch aus drei Wese» zusammengesetzt werden wollte, wäre die ganze Lehre von ber Erlösung und ber Person des Erlösers in Verwirrung und Auflösung gerathen. So lange die lebendige Natnranschanung mangelte, was konnte die Schule entgegenhalten? Die kanonische Bezeichnung: Der Mensch ist Geist und Fleisch? Die Schule hatte von der Tiefe, von der Wahrheit dieser Bezeichnung keine Ahnung. Sie konnte sich nicht anders helfen, sie mußte entgegensetzen, die vernünftige Seele selbst, obschon etwas für sich Bestehendes, ist zugleich die Form des Körpers. Damit war aber der Zrrthnrn ber aristotelischen Philosophie firirt; ber christliche Glaube, besonders von der Person Christi, war in schweren Widerspruch mit den Schnlbegriffen gesetzt; denn ist von der Natur außer dem Menschen nur der tobte Stoff, nicht ein ganzes lebenbiges Gebilbe mit bem Geiste verbunden, und übernimmt dieser die animalische Belebung desselben, so mußte auch in Christus nicht ein ganzer Mensch mit *) Zum Beispiel ein gewisser Petrus Johannes behauptete im Mittelalter: die vernünftige Seele sei nicht die Form des menschlichen Körpers. Gott verbunden feilt, und der Logos die Stelle der vernünftigen Seele vertreten, wie die vernünftige Seele im Menschen die Stelle der thierischen; eine verworfene Irrlehre mit einer ganzen Reihe verwerflicher und verworfener Folgerungen. Jene Schulformel war zudem dem Selbstbewußtfein, der Naturaiifchauung und sich selbst zuwider; ich weiß unbedingt, daß ich, der selbstbewußte Geist, meinen Körper nicht organistrte und überhaupt nicht belebe; in der Natur kann man nach unseren Erfahrungen nimmermehr bloß tobten Stoff finden, oder den Stoff an sich als Wesen denken; und wie sehr die Schulbestimmung mit sich selbst im Widerspruch steht, hat sich in der Speculatiou des heil. Thomas klar genug gezeigt. Von dem Allen ließ sich aber in jener Zeit kein Mensch etwas träumen, und doch blieb die fatale Entscheidung glücklich außerhalb des Dogma. Auf dem allgemeinen Concil zu Vienne sollte in dieser Schulsorm der Glaube ausgesprochen werden, aber cs kam nicht zu einem förmlichen Beschluß, und ein später förmlicher Canon, in welchem die schiefen Schnlausdrücke ausgenommen sind, ist nicht von einer als allgemein anerkannten Kirchenversammlung. — Wenn man eine offenkundige Thatsache von dem Walten des göttlichen Geistes über die Kirche zur Erhaltung der Wahrheit und zur tieferen Einführung der Menfchheit in dieselbe verlangt — hier ist ein solches Factum, von großen Folgen, auffallend, unverkennbar. Bei dem tiefen durchgreifenden Zusammenhänge der Wahrheit, die nur eine sein kann, ist schon im Voraus zn erwarten, daß der Glaube und dieß Wissen nicht in dem behandelten Punkte allein Zusammentreffen können. Die Wissenschaft muß in ihrer weiteren felbstständigen Entfaltung auf gleiche Weife die übrigen Thatfachen und Lehren der Offenbarung ergründen, bestätigen, rechtfertigen. Wir dürften in der That nur einen Schritt weiter gehen, fo träte uns mit der unbedingten Gewißheit des Selbstbewnßtfeins die Erkenntniß entgegen, daß der Ewige eine Persönlichkeit, ein selbstbewußtseiendes Wesen in drei Personen, in drei wirklichen und ewig erestirenden, vollkommen gleichen Factoren ist. Das Wesen, das durch sich selbst ist, setzt sich selbst ewig für feine Eristenz, wie für fein Selbstbewußtfein voraus. Das Wefen, was im Anfang fchou ist, und im Anfänge muß fchon eines sein, weil Nichts nicht anfangen kann — diefes Wefen ist durch sich selbst; was aber durck sich selbst ist, muß immer vor ihm selbst schon da fein, weil es sonst nicht durch sich selbst sein könnte. Das ist die Idee von dem wahrhaft Ewigen, fo fchwer, fo erdrückend zu denken und doch so unumgänglich nothwendig. Ich der geschaffene Geist schaue mich nicht selbst, ich kann mich nur denken, weil ich nicht durch mich selbst bin; wäre ich durch mich selbst, so würde ich auch mich selbst schauen können, weil ich vor (im doppelten Sinn) mir sein müßte. Das Wesen also, das aus und durch sich ist, muß auch durch sich selbst sich erkennen, muß sich selbst schauen, was nur sein kann, wenn es sich selbst wesenhaft gegenüber steht. Die Natur steht sich wohl auch wesenhaft gegenüber, aber nie als Totalität, sondern immer nur als einzelnes Gebilde, als Theil; so kann sie nie zum Selbstbewußtsein kommen, obgleich sie sich schaut; während der geschaffene Geist sich nicht schaut, obgleich er selbstbewußt ist. Daraus folgt, sowohl daß die Natur nicht durch sich selbst, somit nicht ewig, sondern Geschöpf ist, als auch daß der Ewige sich als ganz gleiches Wesen gegenüber stehen muß. Liegt es aber im Wesen des Ewigen, sich selbst zu schauen, so müssen das Urwe-sen und sein vollkommen gleiches Gegenwesen in einem dritten mit ihnen gleich ewigen, als ganz dieselben sich finden. So und nur so ist das Selbstbewußtst» des Ewigen zu denken. — Sowie in dieß höchste Mysterium des Christenthums, so würden wir auf demselben rein spekulativen Wege zu tiefer Einsicht in die erhabenen Lehren der Erlösung, der christlichen Moral, Afcefe und Mystik, fowie in die Geschichte unseres Geschlechtes überhaupt, gelangen. Alle großen Entdeckungen, alle Fortschritte der Menschheit finden in dieser Speculatiou ihre Stelle, ihre Anerkennung, und sie ist nur möglich geworden durch dieselben. Der Gedanke, daß sie Natur emanirt und denkt, durch und durch lebendig ist, war eine Coiisequeuz der grandiosen Erkenntniß, daß die Erde sich bewegt. Die bewunderungswürdigen Erfahrungen des metallischen und animalischen Magnetismus, der Elektrizität in der Lust und in den Nerven, des Galvanismus und Chemismus und Organismus sind einerseits die Grundlage unserer Anschauung von dem wundervollen Einen Naturleben, während auf der anderen Seite die Philosophie jene Erfahrungen wieder durchleuchtet, verbindet und sie weiter führen wird. Und vorzüglich durch diese Naturkenntniß wird manches Problem sich lösen, mancher Begriff sich klarer und bestimmter stellen, mancher Zweifel sich heben. Der Pantheismus und seine Kritik ist hiermit vollkommen überwunden, indem das, was wahr an ihm ist, die Anschauung von der Einheit alles sichtbaren Weltlebens, erkannt und anerkannt, aber zugleich darüber hinausgegangen wird. Was der Pantheismus Gott nennt, ist die Natursubstauz, und Alles, was er Großes und Begeisterndes davon zu sagen weiß, bewundern wir an dem herrlichen, mächtigen Geschöpfe. Wir sehen mit dem consequentcsten Pantheisten ein, die Weltsubstanz ist an sich nichts, ist nur tu ihren Gebilden da; aber dadurch wird jene Thatsache unseres Selbstbewußtseins neuerdings bestätigt, daß dieses Wesen, welches nur in Bruch-theilett von ihm selbst eristirt, nie zum Selbstbewußtseilt gelangen kamt, daß also wir, in feferne wir selbstbewußte Wesen sind, weder Produkte noch Theile der Natursubstanz sind, daß am allerwenigsten jenes in blinder Nothwcndigkeit gebundene, für sich nicht eristirende Wefen aus und durch sich, das Ewige, fein kann. Um fo erhabener steht über dem majeflätifchett Titanenbau des Pantheismus die Idee des wahrhaft Ewigen, des allmächtigen, selbstbewußten, dreipersönlichen Schöpfers.« Dr. G. C. Mayer. Gedruckt bei Joses Blasuik in Laibach»