Wiener Medizinische Presse. Organ fUr praktlsche Aerzte. BcgrOndel *on Prof. Dr. Job. Schnitzler. Redigirt von Dr. Anton Bnm. Orbzn ® Separat-Abdruck aus Nr. 5. 1890. Soli den Hebammen der Gebrauch des Mutterrohres in der geburtsbilflichen Praxis verboten werden? Von Regierungsrath Prof. Dr. Alois Valenta in Laibach. Dle .Vlener UedizInUche Preši«' erscbelnt teden 6nnuia| « bi« s Bogeu Grosa-Ouart-Format stark. Hiezu «ine Kcihs auaserordeutlither Bailsgen. Als reeclmlsiirr Belluge. alier iiigleicli auch selbsutkudtg. erscheiul dle .Wicner Klinik*, allnioiiatlicb ein Hrfi im durclischnlttllcben Oiutange von » Boem Daaikon-Ponnat. — Abounrmenls- >Ind Insertion* anhisee uhd »n dis Admlnlsirauon der ..Medli. Press«" In Wlen. I.. M&zlmlllnnsmsse Nr 4. tu rlebten Kur dis Redsction bestimmie Zuscbnfien smd zu sdrsssirsn aa Hsrrn Dr. Anion Buru. Wien. I.. Karnlnorrmg Nr. 3. Wiencp Inland: Ji....,.... _... _ Ftir daa Dcutachs Reich, sile Buebhindler und PosUmtiir: Jhhrl. zo Mrk., halhj. 10 Mrk., vleneij. 6 Mrk. FhrdieStaaten de* Weltpoetverolnos: Jahti, r« Mrk., balbj. IZ Mrk. „Wiener Klinik"eeparul: Inland Jthrl.«“ ''—■■- *—- Medizinische Presse. Organ ftir praktlsche Aerzte. Bfgrflndel »on Prot Dr. Jota, Schoitzlcr. Redigirt von Dr. Anton Bnm. Verlag run Orban h SchwarzonberE fa ^len. Separat-Abdruck aus Nr. 5. 1890. Soli den Hebammen der Gebrauch des Mutterrohres in der geburtshilflichen Praxis h , \ - \ iut "J®-*"!, verboten werden? 1 Giritti 7 jj.it / Von Regierungsratli Prof. Dr. Alois Valenta in Laibaoh. Wien 1890. In neuester Zeit wird vielseitig mit Recht und Unrecht gegen den Hebammenstand losgezogen. Al les TJnheil komme von den Hebammen, heifit es, und man miisse daher thunlichst bei diesen Personen der Moglichkeit, Ungliick zu stiften, auf Sohritt und Tritt entgegentreten, und von diesem Standpunkte wird sogar dafiir plaidirt, den Hebammen den Gebrauoh des Mutterfohres zu verbieten. *) Ieh mufi mich offen dahin aussprechen, die Annahme eine solchen Verbotes ware ein Riickschritt, nie und nimmer ein Fortschritt zu nennen; kurz und blindig gesagt — sine ira et studio — ein soleher Antrag beruht entweder zum Mindestens auf nicbt ganz richtiger Erkenntnifi oder Unter- schatzung der wirklichen Sachlage. In grofieren Stadten wiirde dieser Antrag moglicher- weise (?) durchfuhrbar sein, keinesfalls jedoch am flachen Lande oder gar in Gebirgsgegenden, z. B. insbesondere in Tirol oder Karnten, Krain u. s. w. Woher soli der Arzt am Lande die physische Zeit her- nebmen, eine aufier seinem Standorte wohnende kranke Woeh- nerin 1-, 2-, bmal taglich auszuspritzen ? Er eriibrigt ja sehr oft nicbt einmal die geniigende Zeit zum einmaligen taglicben Besuche; soli also eine solcbe Wocbnerin, immerhin die heilbringende Notliwendigkeit einer Ausspritzung vorausgesetzt, tagelang gar nicht ausgespritzt werden? Ehrendorfer hilft sich in solchen Fallen durch leihweise Ueberlassung eines reinen Mutterrobres an die Hebamme; — natiirlich beim weiteren Gebraucbe eines geliehenen Mutterrohres durch eine unreine, auch dann diesbeziiglich ungelibte Hebamme kann keine Infection eintreten! *) Ehbendorfer: Ein Mittel zur Verhutung des Puerperalfiebers. „Wr. klin. AVochenschrift“, 1888, Nr. 16. 1 * 4 Was soli die Hebamme iiberhaupt, und die Landhebamme insbesondere, ohne Mutterrohr bei heftigen Blutungen thun, wenn ein Arzt absolut molit, oder wenigstens nicht zu reehter Zeit zu erlangen ist? -- Die Thatsache, dafi im jiuflersten Falle zw.eckmafiig ausgefiihrte intrauterine kalte oder keifie Injectionen von iiberrast-hendem Erfolge begleitet sind, steht wohl unangefocliten da, nnd nun soli d er Besitz des Instru- mentes zur Anvvendung eines solclien lebensrettenden Ein- griffes, i. e. der Gebrauch des Mutterrobres, verboten sein oder werden, ja gar nicht gelehrt werden? Eurendorfer leugnet derartige dringlielie Blutungsfalle, behauptend, es sei stets moglich, einen Arzt rechtzeitig (sic!) zu rufen. Die Hebammen existiren einmal und sind ein nicht ab- zuleugnender, fiir den Sanitatsdienst wichtiger Faetor, dessen man bei den jetzigen Verhaltnissen iiberhaupt und bei der dermaligen allgemeinen Volksbildung insbesondere nicht ent- behren kann. Wir geplagten Hebammenlehrer kennen den Werth der Hebammen am besten; ich genieCe lieuer das be- sondere Vergniigen, bereits den 64. Hebammenlehrcurs dureh- zumachen! Welehe Frauen widmen sich diesem schwierigen Berufsstande ? Durchweg arme Frauen, um sich dadurch einen Nebenverdienst zu verschaffen, aus wirklicher Neigung nicht 2—3% j vom Lande werden die armsten Bauerinnen zum Hebammenlernen beredet, und zwar nur durch Verleihung von Staatsstipendien; unter circa 20 Schiilerinnen alljahrlich haben hierzulande 12 solche Stipendien, denn es kann ja iiber¬ haupt mit 25—30, hochstens 50 Gulden Jahresremuneration nur eine einheimische, dort ohnehin domicilirende Hebamme in einem Dorfe leben, nebenbei geburtshilfliehe Praxis und diese in 90% unentgeltlich ausiibend. Wie steht es mit der geistigen Tauglichkeit der meisten Hebammencandidatinnen ? Gewohnlich haben sie mindestens das 30. Lebensjahr iiberschritten und aufier ihrem Gebetbuche niemals ein anderes Buch gelesen, es ist daher sehon ein Wunder, wenn eine bauerische Candidatin gelaufig lesen kann. Die in neuerer Zeit geforderte sogenannte KenntniB des Schreibens besteht darin. dafi eine solche Person in der Hegel zum unortho- graphischesten Eintragen einer Geburt in die vorgeschriebenen Tabellen stundenlang braucht, von dem AVie des Eingetragenen gar nicht zu reden! 2 ) Die Hebammenlehrcurse dauern bei uns in Oesterreich verschieden lang, in Prag z. B. nur 4 Monate, meistens 2 ) Thatsaohlich sollten die hierliindigen Hebammen-Sehiilerimien einen Voreurs im Lesen nnd Schreiben nehmen miissen. 5 5 Monate, jedoch auch 6 Monate. Ein Monat vergeht, bis die Candidatin das Gelesene im Lehrbuehe nicht mehr mechaniscb liest, ein zweiter Monat, bis ihr die technischen Ausdriicke mundgerecht verstandlich werden, nnd in vveiteren 2—3 Mo- naten soli sie schon fix und fertig so dastehen, dafi man ihr das Leben von Miittern and Kindern anvertrauen kann! Die Krainerinnen sind fiirwahr von Haus aus intelligent, nnd es ist stets eine Freude fdr mich, wie richtig selbe gcgen den SchluG des 5monatliohen Lehreurses zn antworten be- ginnen, nachdem ihnen, wie man zu sagen pflegt, der Knopf aufgeht und sich allmalig eine Neigung zum Gegenstande in ihnen entwicke.lt; siehe da! — statt nun auf dieser Basis erst recht vortheilhaft weiterbauen zu konnen — werden sie mit dieser aufdammernden fachlichen Bildung als voll- kommen ausgebildete Hebammen (sie!) zur Ausubung der Praxis entlassen! Was fiir Krain zutrifft, diirfte im grofien Ganzen alliiberall auch fiir die iibrigen Hebammenschulen in Oesterreich-Ungarn zutreffen, wozu noch der immer greller zu Tage tretende Uebelstand kommt, dafi seit Aufhebung der Findelanstalten das praktische Lehrmaterial, i. e. die Geburten- anzahl, colossal abgenommen hat und noch abnimmt; an meiner Anstalt kommen in den Winterlehrcursen kaum 5 Geburten auf eine Candidatin. Nicht im Verbieten des Gebrauches an und fiir sich zweckmaGiger Instrumente, z. B. des Mutterrohres, von Seite der Hebammen, weil dieselben moglicherweise Schaden an- richten konnen, sondernimGegentheil, imrichtigen,zweck- dienlichen, vor Allem praktische n Erlernen der Hebammen kunst liegt das Heil — das anzustre- bende Endresultat der Hebammenschulen! Wenn man den bisherigen Grad der Ausbildung der Hebammen nicht ausgiebig bessert, dann wiirde ich eher sogar weiter gehen und statt fiir das unlogische Verbieten einzelner Handlungen von Seite derselben, am einfachsten und sichersten fiir die ganzliche Aufhebung der jetzigen Heb- ammenlehranstaltenplaidiren, nur die Ausbildung sogenannter Wickelfrauen miteinem schr beschriinkten Wir- kungskreise befiirwortend. Da jedoch diese utopische Mafi- regel schon einfach 'ob des ohnehin herrschenden Mangels an Landarzten nicht ausfiihrbar ist, so bleibt uns schliefilich doch nicht Anderes iibrig, als ohne Rast und Ruhe energisch auf einen einheitlichen, den Anforderungen der Antiseptik anpassenden Hebammenunterricht zu dringen, i. e. durch eine Enquete die Hebammenlehranstalten ehethunlichst zweck- 6 — dienlicher zu gestalten und wirklich branchbare theoretisch- praktische Hebammen heranzubilden. In dieser Ricbtung ware in erster Linie der Hebammen- unterricht in- nnd extensiv radical umzuwandeln, vor Allem miiflten die Lehrcurse auf mindestens 10 Mo n ate verlangertund sogenannte periodischeUeberpriifungen der prakticirenden Hebammen eingefiihrt werden, dann wird das Mutterrohr in den Handen der Hebamme sieherlich keinen Schaden verursachen, sondern nur Nutzen bringen. Bis dieses Utopien derartiger Lehranstalten erreicht werden wird, diirfte immerhin noeh einiges Wasser in’s Meer fliefien , bis dabin heifit es mit dem Gegebenen reehnen, und nieht mit solchen Antriigen, so zu sagen „das Kind mit dem Bade ausgieflen“. Ist eine Hebamme im wahren Sinne des Wortes reinlich, dann wird eine solehe auch ihr Mutterrohr reinlich halten, wenn dasselbe noch iiberhaupt aseptisch rein zu halten ist; da liegt des PudeR Kern, es ist dies namlieh leider bei den bisher meistens in Gebrauch stehenden Mutterrohren, insbe- sondere bei den elastischen, nicht absolut mbglieh; selbe werdcn sowolil durch den Gebrauch allcin, als auch durch das exacte Reinigen mit Carbolwasser in Balde rauh und dadurch wahre Infectionstrager, somit ware nicht der Gebrauch von Mutter- rohren iiberhaupt zu verbieten, sondern nur der Gebrauch von leicht untauglich werdenden, und ich wiirde den Antrag stellen, dali geeigneten Ortes, z. B. durch den obersten Sanitats- rath, beantragt werden mbge, „den Hebammen ist nur der Gebrauch von vorgeschriebenen glase men Mutterrohren gestattet 11 . Solehe glaserne Mutterrohre miiliten namlieh solid im Fleische sein und diirften, um leicht und exact gereinigt werden zu konnen, nur am Endc eine Oeffnung haben. Wcnn man den Gebrauch der Mutterrohre als Infections- trager den Hebammen verbietet, dann warc es naturgemaBer, denselben iiberhaupt die geburtsliilllichc innere Untersucbung zu untersagen, denn eine unrcinliche Hebamme bringt zweifel- los haufiger mit ihren schmierigen Handen, als durch das Mutterrohr jede sich ihr anvertrauende Gebarende in Gefahr — — daher die Hauptsache ist und bleibt, mit thunlichster Sti'enge durch die Amtsiirzte darauf zu sehen, d a C die Heb¬ ammen sich in jeder Beziehung der grofiten Reinlichkeit be- fleiBen, und daB ihnen nach Bcdarf auf bffentlichc Kosten das 7 Desinfectionsmaterial fiir die Praxis beigestellt werde s ), nicht aber wegen einzelner unreinlicher Hebammen allen iibrigen den Gebrauch eines so segensreichen Instrumentes, namlich des Mutterrobres, za verbieten. In der ganzen Frage handelt es sich, meines Eracbtens nocbmals gesagt, um eine ungerechtfertigte Einschrankung der Wirksamkeit der Hebammen, welche sehr bedauerlich wiire im Interesse der Gebarenden — per parenthesim miifite aucb logisch der Gebrauch des Katheters verboten werden u. s. f. Nicht einschranken soli man unter den jetzigen Ver- haltnissen die Thatigkeit der Hebammen, sondern dieselben durch einen ausgiebigeren Unterricht zu wirklich brauchbaren Sanitatspersonen heranbilden, und auf dafi sich auch Frauen besseren Bildungsgrades diesem Stande widmen mochten, solite staatlich fiir eine bessere Existenz der Hebammen ge- sorgt werden; die dermalen gebrauchliche staatliche sowohl, als pri vate Entlohnung der Hebammendienste ist derartig, dafi man sich hochlich wundern mufi, daB es noch iiberhaupt Heb¬ ammen gibt! 8 ) Valenta : Wie soli an den Heliammenschulen die Antiseptik gelelirt und deren Anwendung in der Praxis gefiirdert werden? „Centralblatt fiir Gynakologie“, 1888, Nr. 48. -oO>«Ko-o- Druck von Gottlieb Gistel & Corap., Wien, I.. AngUBtine.rst.ra0e fel 1 Verlag von Urban & Schvvarzenberg in VVien und Leipzig. Abonnements-Einladung auf den MF" XXXI. Jahrgang 1890 der Organ fUr oraktlsche Aerzte. '•'Of In J.ih Schnitzler Redicirt von Dr. Anton Bnm. Ortan • Scbviarznuhftrg in Wic«. mit der Monatsbeilage: ,, TV IE N E It K L 1 N IK“, XVI Jahrgang 1890 . Inland : Jahrl. iofl., halbj. 5 fl., viertelj. 2 fl. 50 kr. - Ausland : FUr das deutsche Reich alle Buchhandler und Postamter: Jahrl. 20 Mark, halbj. 10 Mark, viertelj. 5 Mark. — FUr die Staaten des Weltpostvereines : Jahrl. 24 Mark, halbj. 12 Mark. — „Wiener Klinik" separat: Inland: Jahrl. 4 fl.; Ausland: « Mark. Man abonnirt bei allen Buchhandlern und Postamtern. Im Inlande durch Einsendung des Betrages per Postanweisung an die Administratlon der „Wiener Medlz. Presse in Wlen, I., Maxlmllian8tra88e 4. Medicin.-chirurgische Rundschau. Dr. Jok. liaaz (Graz), Dr. Freiherr von Iiusc/nnun (Wien), Doc. Dr. Englisch (Wien), Prof. Eppinger (Graz), Doc. Dr. Finger (Wien), Reg.-R. Prof. A. v. Frisch (Wien), Prof. Dr. Glax (Graz), Doc. Dr. Grunfeld (Wien), Dr. Uajeli (VVien), Oberstabsarzt a. D. 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