Das slowenische Gesicht: Literarische Reportage über Auswandereridentitäten The Slovene Face: a Literary Reportage on Emigrant Identities ❦ LiDija rezoničnik ▶ lidija.rezonicnik@gmail.com DOI ▶ 10.13137/2283-5482/22387 175 SLAVICA TERGESTINA 20 (2018/I) ▶ Literary Theory in Bulgaria Brina svit, Das slowenische Gesicht (slovenski obraz), WitolD GoMBroWicZ, arGentinische sloWenen, eMiGration, iDentitÄt, autoBioGraphischer Diskurs, literarische reportaGe Brina svit, the slovene face (slovenski obraz), WitolD GoMBroWicZ, arGentines oF slovene Descent, eMiGrants, iDentity, autoBioGraphical Discourse, literary reportaGe Der Beitrag befasst sich mit dem Werk Das slowenische Gesicht (Slovens- ki obraz) der slowenischen Autorin Brina Svit. Einleitend wird auf die Problematik der hybriden Form des Werkes hingewiesen und das Werk als eine literarische Reportage definiert. Anschließend widmet sich der Beitrag dem Hauptthema der Auswanderer- identität. Die Frage der Auswande- reridentität, vor allem aber deren Bewahrung, wird im Slowenischen Gesicht aus drei Perspektiven darge- stellt, und zwar aus der Perspektive der Erzählerin, der argentinischen Slowenen und des polnischen Schrift- stellers Witold Gombrowicz. Dem letzteren weist die Erzählerin eine wichtige Rolle zu, da er als Außen- stehender dem Slowenentum nicht unmittelbar verbunden ist, dafür aber das Emigrantenschicksal mit den ausgewanderten Slowenen teilt. Sie fasst die Gedanken aus Gombrowicz’ Tagebüchern und dessen Briefwechsel zusammen und kommentiert sie, um abschließend ein polyphones Konzept von Identität hervorzuheben. This contribution is focused on The Slovene face (Slovenski obraz), a literary reportage written by the Slovene writ- er Brina Svit. Having defined Slovenski obraz as “literary reportage”, this article especially takes into considera- tion the challenges of genre hybridity and focuses on emigrant identity as the main topic of Svit’s work. The reportage namely looks at the question of identity – especially the preserva- tion of its components – from three different perspectives: the point of view of the narrator; of the Argentines of Slovene descent; and that of the Polish writer Witold Gombrowicz. The latter is given an important role in the reader’s perception of the entire story. He is an “outsider”, not ravelled into web of the Slovene identity, yet still has the experience of emigrant life and can therefore relate to many of its aspects. The narrator quotes and comments on his thoughts – as he voiced them in his diaries and correspondence – in order to support a final realization about the polyphonic character of identity. 176 LIDIJA REZONIČNIK ▶ Das slowenische Gesicht Die slowenische Schriftstellerin Brina Švigelj-Mérat (1954), die unter dem Pseudonym Brina Svit schreibt, lebt seit Anfang der 80er Jahren in Paris. Sie schreibt vor allem Romane wie April (1984), Gewöhnliche Verhältnisse (Navadna razmerja, 1998, in Koautorenschaft mit Peter Kolšek), Con brio (1998),1 Der Tod der slowenischen Primadonna (Smrt slovenske primadone, 2000), Moreno (2003),2 Überflüssig das Herz (Odveč srce, 2006), Coco dias oder Goldene Tür (Coco dias ali Zlata vrata, 2008), Nacht in Reykjavik (Noč v Reykjaviku, 2013), und Essays bzw. Kurzprosa, z. B. Loblied auf die Trennung (Hvalnica ločitvi, 2011) und Das slowenische Gesicht (Slovenski obraz, 2014). Silvija Borovnik (38–45) stellt in ihrer Analyse fest, dass die wiederkehrenden Haupthemen der Prosawerke von Brina Svit Identität, Multikulturalität und Interkulturalität sind. Die Themen entspringen der eigenen Migrationserfahrung und den Übergängen zwischen den Kulturen und Sprachen. Das ist charakteris- tisch nicht nur für die biographische Realität (zwischen Frankreich und Slowenien) und ihre literarischen Topoi, sondern betrifft auch ihren Sprachgebrauch: Nach dem langjährigen Aufenthalt in Frankreich ist das Slowenische nicht mehr die ausschließliche Sprache, in der sie schreibt. Mit dem Roman Tod der slowenischen Primadonna (2000) beendete die Autorin die Phase, in der sie sich ausschließlich in der Muttersprache ausdrückte. Seit dem Jahre 2003, mit der Veröffent- lichung des Romans Moreno, der sich auch inhaltlich mit dem The- ma des Wechsels der Sprachidentität befasst (Rožič: 89–96), verfasst Brina Svit ihre Werke zuerst in Französisch und überträgt sie dann ins Slowenische. Das Buch Das slowenische Gesicht ist das sechste Werk, das die Au- torin in Französisch geschrieben und in Frankreich veröffentlicht hat (Visage slovène, 2013), um es dann erneut zu bearbeiten bzw. ins Slowenische zu übertragen (2014): „Was wiederum bedeutet, dasselbe 1 Der Roman wurde auch ins Deutsche übersetzt: Con brio: ein Liebesroman. Aus dem Slowenischen von Astrid Philippsen und Nadja Tomšič über- setzt. Wien: P. Zsolnay, 1998, Nachdruck 2002. 2 Der Roman wurde auch ins Deutsche übersetzt: Moreno: eine richtige Liebesgeschich- te. Aus dem Französi- schen von Judith Klein übersetzt. München: C. H. Beck, 2005. 177 SLAVICA TERGESTINA 20 (2018/I) ▶ Literary Theory in Bulgaria Buch noch einmal zu schreiben, es aus einer Sprache in die andere zu übertragen mit der Freiheit der Gestaltung, die die Autorenschaft bietet, die Dinge auf Slowenisch doch etwas anders auszudrücken, wie man es sonst auf Französisch zu tun pflegt” (Svit: 9). hyBriDe LiterariSche gattung Das slowenische Gesicht besteht aus 15 nicht nummerierten Kapiteln. Das erste Kapitel besteht aus dem Vorwort, im zweiten schildert die Autorin die Vorbereitungen und Begleitumstände des Schreibens, in den anschließenden dreizehn Kapiteln werden die literarisierten per- sönlichen Erzählungen der Slowenen über die Emigration nach Argen- tinien wiedergegeben. Jede Geschichte wird mit einem Porträtfoto des Informanten, der berichtenden Person oder deren Verwandten bzw. Freunden, ergänzt, die der Erzählerin von dem Lebensweg und der Lebenseinstellung berichten. Die biographischen Ausschnitte in der Beschreibung der argentini- schen Slowenen sind im Slowenischen Gesicht mit den Beobachtungen der Erzählerin und derer subjektiven Wahrnehmung der beschrie- benen Personen und deren argentinischer Lebensräume sowie der Problematik von Emigration und Identität verflochten. Darüber hinaus enthält die Erzählung auch persönliche Erfahrungen der Erzählerin/ Autorin (z. B. der Tod ihrer Mutter) und metanarrative Elemente: Im Vorwort (Vorwort über die Treue) und im ersten Kapitel (Wo soll man beginnen?) erläutert die Erzählerin die Idee zum Schreiben, das Zusam- mentragen des Materials und die Entstehung des Buches, das Haupt- thema und die Struktur des Werkes. Einzelne Erzählungen werden mit Kommentaren über das Zusammentragen der Informationen, den Treffen mit den Informanten und der Schilderung der Entstehung 178 LIDIJA REZONIČNIK ▶ Das slowenische Gesicht der Porträtfotos ergänzt. Die dritte Erzählebene betrifft die Figur, die von der Erzählerin Gombro genannt wird, und bezieht sich auf die außenliterarische Persönlichkeit, den polnischen Schriftsteller Witold Gombrowicz (1904–1969).3 Alle drei narrativen Ebenen sind eng mit der außenliterarischen, historischen Realität der argentinischen Slowenen, die mit tatsäch- lichen Namen genannt und mit Porträtfotos gezeigt werden, der Be- zugnahmen auf Gombrowicz‘ Tagebücher und dessen Korrespondenz sowie mit Tatsachen aus dem Leben der Autorin/Erzählerin verbunden. Allerdings wird dies alles nicht dokumentarisch und objektiv, sondern aus der Perspektive der Erzählerin dargeboten. Darum geht es auch nicht primär um eine (Auto)Biographie bzw. ein Werk, das auf dem sog. autobiographischen Pakt beruht. Die Geschichten der argentinischen Slowenen werden fragmentarisch und nicht chronologisch dargestellt; sie stellen Einträge der Erzählerin dar, die sich mit den einzelnen Per- sonen zumeist nur einmal und auch nur für eine begrenzte Zeit traf. Die Erzählerin notiert deren persönliche Aussagen entsprechend ihrer subjektiven Perzeption und vermittelt sie in literarisierter Form, mit Gedankendigressionen bzw. essayistischen Einlagen, und kommen- tiert sie anhand ihrer eigenen Lebenserfahrungen oder übernimmt Ansichten aus Gombrowicz‘ Werken. Der Bezug auf die außenlitera- rische Realität auf allen drei narrativen Ebenen ordnet das Werk in den autobiografischen Diskurs ein, der in der Literaturwissenschaft als ein Geflecht von Realität und Fiktion definiert wird und auf keine bloße dokumentarische Präsentation der Tatsachen beschränkt bleibt (Čeh: 23–27; Zlatar Violić: 24–28). Im autobiografischen Diskurs gibt es keinen autobiographischen Pakt, der nach Philippe Lejeune (On autobiography, 1989) von der Identität des Erzählers bzw. Autors und des Protagonisten ausgeht. 3 Wenn sich der Beitrag auf die außenlitera- rische Person Witold Gombrowicz bezieht, benutze ich den Nach- namen des Schrift- stellers. Wo es sich um die innenliterarische Person handelt, wird die von der Erzählerin verwendete Bezeich- nung Gombro benutzt. 179 SLAVICA TERGESTINA 20 (2018/I) ▶ Literary Theory in Bulgaria Das slowenische Gesicht kann aus oben genannten Gründen nicht als (Auto)Biographie oder als eine traditionelle literarische Form wie z. B. Roman oder Kurzgeschichte bezeichnet werden. Ebenfalls unzutref- fend ist die Bezeichnung als eine halbliterarische Form wie z. B. Essay, oder als nicht literarische Form, wie z. B. Reportage oder Reisebericht. Nach der Aussage von Brina Svit handelt es sich um ein Geflecht von literarisierten Zeugnissen, Geschichten, Essay und Fotoreportage (vgl. Interview, Šučur, 2015). Die Erzählerin des Slowenischen Gesichts be- zeichnet das Werk als „ein Gruppenporträt mit Gombro” und meint, dass es sich um einen „Text (handelt), bei dem das Genre schwierig zu bestimmen” und der „im Entstehung begriffen sei” und der „eine Geschichte der Vertriebenen und Auswanderer erzählt und über deren Identität nachdenkt” (Svit: 113). In der Literaturkritik und Publizistik wird das Werk folgendermaßen bezeichnet: Eine Reisebeschreibung der Lebensgeschichten slowenischer Auswanderer in Argentinien, eine Porträtsammlung mit den Fotos der Autorin (Rugelj: 105, 106), ein Buch der Gesichter (vgl. Radaljac, 2015), ein Roman und Essay über die Identität (vgl. K. M., 2013), eine literarische Reportage mit essay- istischen Elementen (Kolšek: 15), eine literarische Ethnobiographie (Potisk: 108). Die letzte Bezeichnung entstammt der Anthropologie und bezeichnet die Schreibform, in der der Forscher und/oder der Erzähler ein immanenter Teil der Erzählung ist, wobei er sich der Doppelrolle der Akteure, die er beschreibt, und seiner selbst als Forscher bewusst ist. Die Ethnobiographie bezieht sich im nichtliterarischen Sinne so- wohl auf die autobiographische Erzählung des Ethnographen über seine eigene Arbeit als auch auf die Arbeit eines Anthropologen, der eine Gruppe erforscht, der auch er selbst angehört. Im literarischen Sinne schließlich stellt aber die Ethnobiographie einen Erinnerungs- text dar, der auch ethnographische Elemente des Erzählerumfeldes 180 LIDIJA REZONIČNIK ▶ Das slowenische Gesicht miteinbezieht (Reed-Danahay 2017: 145). Die Erzählerin des Sloweni- schen Gesichts erforscht die Gruppe, der sie zwar indirekt angehört (Slowenen, Auswanderer), obwohl sich ihr Emigrationsmotiv sehr von dem, das die slowenischen Emigranten nach Südamerika vertrieb, unterscheidet. Sie interessiert sich für die Menschen, ihre gesellschaft- liche und geistige Kultur. Die Erzählung darüber vermittelt sie aber in literarisierter Form, die von Martina Potisk nach D. Reed-Danahay mit dem Terminus „literarische Ethnobiographie” bezeichnet wird. Im wissenschaftlichen Diskurs, z. B. in der Studie über die auto- biographische Erfahrung in den Werken slowenischer Schriftstellerin- nen (Rožič: 104), wird für Das slowenische Gesicht die literarische Form des Romans gewählt, während Niko Jež (2017) die Bezeichnung Essay mit Merkmalen der literarischen Reportage benutzt. Zmago Šmitek (377–381) gibt bei der Definition der literarischen Reportage folgende Merkmale an: In der literarischen Reportage werden der objektive Weg und die Ereignisse mit den subjektiven Erlebnissen konfrontiert; beide Bilder sind Spiegelungen der Subjekterlebnisse; genauso ist die Auswahl der beschriebenen Ereignisse und deren Rekonstruktion persönlich bedingt und durch die literarisierte Beschreibung wider- gegeben. Die Erzählerin des Slowenischen Gesichts fokussiert in ihrer Reportage auf die Problematik der Wahrung von Identität, sei es der slowenischen oder der polnischen, und versucht auf diese Weise ei- nen übergeordneten Blick auf die verschiedenen Zugehörigkeiten zu gewinnen. iDentität Das Thema der Identität, vor allem deren Verständnis und Bewah- rung bzw. Suche wird im Slowenischen Gesicht aus drei Perspektiven 181 SLAVICA TERGESTINA 20 (2018/I) ▶ Literary Theory in Bulgaria beleuchtet: aus der Emigrantenperspektive der Slowenen in Argen- tinien, der Perspektive der Erzählerin und aus einer dritten Perspek- tive, die durch Gombrowicz‘ Identitäts- und Nationalitätsauffassung bestimmt ist, die in dessen Tagebüchern und dessen Briefwechsel zum Ausdruck kommt. Alle drei Perspektiven sind durch die persönliche Erfahrung der Emigration geprägt, allerdings sind die Erzählungen und Überzeugungen der argentinischen Slowenen und Gombrowicz nicht unmittelbar aus deren Sicht, sondern aus der Perspektive der Erzählerin wiedergegeben, die Akzente setzt und kommentiert. Migrationen werden in theoretischen Studien als eine Ortsver- änderung der Einzelpersonen oder Gruppen verstanden, wobei die Ortsveränderung dauerhaft oder vorübergehend sein kann. Impliziert sind dabei Veränderungen des sozialen Umfelds, der Gesellschaftsbe- ziehungen, der Kultur, Identität, zwischenmenschlicher Interaktion, der Normen, des Wertsystems, der Bedürfnisse, Institutionen usw. (Moric 2016: 36, 37; Klinar: 15–49). Die Gründe für die Ortsveränderung sind entweder extern (wirtschaftlich, politisch, sozial) oder entstam- men innerer Entscheidung.4 Die Erzählerin des Slowenischen Gesichts entschied sich für Umsiedlung aus Slowenien nach Frankreich freiwil- lig. Sie hält Kontakte mit der Heimat weiterhin regelmäßig aufrecht. Zugleich aber hat sie das Leben in einer multikulturellen Stadt über- nommen und sich in die neue Umgebung dermaßen integriert, dass sie bei ihrer Arbeit, dem literarischen Schaffen, nicht mehr nur die slowenische, sondern auch die französische Sprache benutzt. Während ihre Migration individuell und freiwillig ist, war die Umsiedlung der Slowenen, die im Werk auftreten, großenteils erzwungen. Slowenen emigrierten nach Argentinien in größerer Zahl (Gruppenemigration) entweder zwischen den beiden Kriegen wegen der Armut und des Fa- schismus (vor allem aus der Region Primorska bzw. Küstenland) oder 4 Es bestehen verschie- dene Klassifizierungen und Definitionen der Migration. Klinar (32–49) teilt die Migra- tionen z. B. in innere und internationale, und diese wiederum in wirtschaftliche, politische, perma- nente und temporäre, organisierte und nicht organisierte, freiwil- lige und erzwungene, konservative und innovative Migratio- nen und Braindrain. Die Haupttheorien der erzwungenen und frei- willigen Migrationen fasst z. B. Moric (2016: 38–46) zusammen 182 LIDIJA REZONIČNIK ▶ Das slowenische Gesicht sie wanderten nach Südamerika nach dem zweiten Weltkrieg aus, weil sie wegen ihrer antikommunistischen Haltung in der Heimat verfolgt wurden. In Argentinien bauten sie ihr neues Zuhause auf, wenngleich sie weiterhin eine starke Zugehörigkeit zum Slowenentum bewahrten. Sie bilden eine sog. Diaspora, eine nationale Gemeinschaft, die sich auf dem Gebiet einer anderen Nation niedergelassen hat. Das wesentliche Element ihrer Identität bleibt dabei nach wie vor die starke Erinnerung an die „verlorene Heimat” und folglich das Festhalten an der nationa- len Identität. Während die traditionellen Definitionen der Diaspora voraussetzen, dass die Diaspora-Mitglieder sich nicht gänzlich in die neue Umgebung integrieren, schreiben die neuen Auffassungen der Diaspora eine Hybridität von Kultur zu, also eine Möglichkeit der In- tegration, bei der aber die ursprüngliche Kultur aufrechterhalten und immer wieder erneuert wird (Moric 2014: 83). Die Art und Weise, wie die Identität der Angehörigen der sloweni- schen Diaspora in Argentinien bewahrt und verstanden wird, vermit- telt die Erzählerin durch die Erzählungen der auftretenden Gestalten. Für die erste Generation der slowenischen Einwanderer in Südame- rika ist die Identität einer der wichtigsten Werte, der bedingungslos bewahrt werden muss: „Denn man musste zusammenbleiben, sich helfen, die Ärmel hochkrempeln, in die Hände spucken. Gesangscho- re, Schulen, Klubs und Kirchen gründen. Sprache, Kultur, Religion bewahren und – sehr wichtig – ihre Wahrheit bezeugen, ihre Version der Geschichte. Sich nicht assimilieren lassen, ein Slowene bleiben, eine auf die andere Seite der Welt verpflanzte Linde, die neue Wur- zeln schlägt, ergrünt, wächst, aufblüht…” (Svit: 34). Mit dieser Absicht gründeten die Slowenen in Argentinien slowenische Gemeinschaften, ließen sich in den slowenischen Nachbarschaften nieder, wo es bereits slowenische (Samstags)Schulen, Geschäfte, Gasthäuser, Klubs gab, wo 183 SLAVICA TERGESTINA 20 (2018/I) ▶ Literary Theory in Bulgaria also die slowenische Infrastruktur festen Bestand hatte. Sie sprachen mit den Kindern ausschließlich slowenisch und erwarteten später von ihnen die Bewahrung der „reinen” slowenischen Abstammung, mit der Überzeugung, dass „die beste Argentinierin nicht besser als die schlechteste Slowenin ist” (Svit: 90). Die Identität richtet sich bei ihnen großenteils nach dem sog. primordialistischen Konzept von Ethnizi- tät. Dieses Konzept basiert auf den Natur- bzw. Verwandtschaftsver- bindungen und meint, dass man in eine Ethnie hineingeboren wird, die etwas Unveränderliches und Geschlossenes für die Angehörigen anderer Ethnien darstellt (vergl. z. B. Van der Berghe 1991). In Unter- schied zum Primordialismus behandeln die instrumentalistischen Konzepte die ethnische Identität als ein politisches und kulturelles Phänomen. Nach diesem Konzept ist die Ethnizität nicht angeboren, sondern wird von den Menschen entsprechend ihren politischen und wirtschaftlichen Zielen hervorgebracht (vergl. z. B. Cohen 1969). Das konstruktivistische Konzept berücksichtigt aber auch die psycholo- gischen Aspekte, betont die Zufälligkeit und Fluidität der Ethnizität. Die Gemeinschaften stellen die Kriterien der Ethnizität selbst auf und haben als solche bestand, so lange sie die Verschiedenheit gegenüber anderen umgebenden ethnischen Gruppen aufrechterhalten. Die In- teraktionen mit anderen Gemeinschaften stellen für sie keine Bedro- hung, sondern eine Existenzbedingung dar. Ihre Entscheidung für eine Ethnizität ist in hohem Maße freiwillig, voluntaristisch (vergl. z. B. Barth 1998). Der Erzählerin im Slowenischen Gesicht kann eine konstruktivistische Sicht der Ethnizität zugeschrieben werden; sie kommt besser mit Multikulturaliät als mit hermetischen Gemeinschaf- ten zurecht. Primordialistisches Verständnis der ethnischen Identität ist in der Erzählung vorwiegend den Vertretern der ersten Generati- on der Slowenen in Argentinien zu attestieren, den politischen bzw. 184 LIDIJA REZONIČNIK ▶ Das slowenische Gesicht wirtschaftlichen Emigranten, den Eltern der Informanten, mit denen sich die Erzählerin getroffen hat, und die ihre Heimat unfreiwillig verlassen haben. In der neuen Umgebung wollen sie die Erinnerung an ihre Heimat, das Slowenentum und die Katholizität bewahren. Diese übertriebene Geschlossenheit der slowenischen Gemeinschaft konfrontierte deren Kinder mit erheblichen Problemen. So sprachen sie nur Slowenisch, was ihre Integration beim Eintritt in die argenti- nische Schule sehr erschwerte. Sie mussten „das Schicksal ihrer Väter teilen und deren hartnäckige und sture Träume von dem Slowenen- tum auf der anderen Seite der Erde verwirklichen. Sie wurden nicht gefragt, ob sie Fremde sein bzw. eine Sprache, die niemand versteht, sprechen wollen. Nicht mal, ob sie glühende Katholiken sein wollen, die Identität als einen Kult praktizieren, konservativ und politisch streng rechts sein wollen […]” (Svit: 94, 95). Eine offenere Sicht auf das Slowenentum wiesen die Emigranten auf, die nach Argentinien freiwillig kamen (z. B. Bojan Mozetič). Einige Vertreter der zweiten Generation der Slowenen in Argentinien (z. B. Tone Mizerit, Jani Gris) widersetzten sich ihren Eltern, der erzwungenen Identitäts- bewahrung und dem Mythologisieren der Heimat. Sie verließen die slowenische Gemeinschaft, kommunizierten nicht mehr auf Slowe- nisch, heirateten die Partner anderer Nationalitäten, brachten ihren Kindern die slowenische Sprache nicht mehr bei. Sie wurden sich der Multikulturalität als eines Wertes erst nach Jahren des Lebens außerhalb der slowenischen Gemeinschaft bewusst, als sie sich er- neut für das Slowenentum, die Sprache und Kultur zu interessieren begannen, einige (Andrej Rot) kehrten sogar in die Heimat zurück. Vor allem bei den Vertretern der dritten Generation (Fran Mozetič, Julia Sarachu) werden die Fluidität der Identität und Multikulturalität als Bereicherung begriffen. 185 SLAVICA TERGESTINA 20 (2018/I) ▶ Literary Theory in Bulgaria Die Erzählerin beschreibt die Ansichten einzelner Auswanderer subjektiv und nimmt zur geschlossenen Identität der Slowenen in Argentinien keine neutrale Haltung ein. Ihr Verständnis der Nationa- lität nach der voluntaristischen Sichtweise als auch ihre persönliche Geschichte sind diametral entgegengesetzt zu den Geschichten der slowenischen politischen und wirtschaftlichen Emigranten in Ar- gentinien: „Mein Vater war ein Partisane, seiner war ein Domobranec [Mitglied der slowenischen Heimwehr im 2. Weltkrieg; Bem. L. R.]. Ich wuchs im Schoß der Mutter Heimat auf, trug das rote Pionierhalstuch um den Hals, in der Schule grüßte ich mit »Für die Heimat, mit Tito vorwärts« und sang Partisanenlieder. Währenddessen lief er durch die Pampa, spielte Fußball und betete in der Kirche für den Gott und die Heimat, aber nicht für dieselbe, als es die meine war” (Svit: 145). Gegenüber diesen beiden Ansichten über Nationalität und Identität vermittelt die Erzählerin eine dritte Perspektive – die Geschichte des polnischen Schriftstellers Witold Gombrowicz bzw. Gombro, wie ihn die Erzählerin nennt. Gombro kommt bereits im Vorwort über die Treue und auch in allen vierzehn weiteren Kapiteln vor. Zentrale Informati- onsquellen über Gombro, die die Erzählerin anführt und die Grundlage für die Auseinandersetzung mit dem Hauptthema der Identität und Auswanderschaft bilden, sind Gombrowicz‘ Tagebücher, eine Sammlung von Briefen an seinen Freund Juan Carlos Gómez bzw. Goma und an Rita Gombrowicz, die Ehefrau des Schriftstellers. Sie vermittelte der Erzählerin wertvolle Informationen und übergab ihr das auf Spanisch selbst verfasste „Buch der Zeugnisse all jener Menschen, die Gom- bro in Buenos Aires traf ” (Svit: 31). Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um das Buch Gombrowicz in Argentinien. Berichte und Dokumente (Rita Gombrowicz: Gombrowicz en Argentine. Témoignages et documents 1939–1963). Die Erzählerin erwähnt die genannten Quellen, 186 LIDIJA REZONIČNIK ▶ Das slowenische Gesicht fasst zusammen, interpretiert und zitiert den Schriftsteller, wobei die Zitate durch Anführungszeichen gekennzeichnet und mit Begleittext versehen sind. Gombro, die Slowenen in Argentinien und die Erzählerin sind durch die Migrationserfahrung und die Problematik der Identitätsbewah- rung verbunden, indirekt aber auch durch die Tatsache, dass man in Argentinien die Einwanderer, die aus Mitteleuropa immigrierten, Polacos nannte; also waren auch Slowenen für sie „Polen” (Svit: 19). Jedoch unterschied sich Gombrowicz‘ Ankunft in Buenos Aires in man- cher Hinsicht von der Ankunft der Slowenen: Gombro, Mitglied der polnischen Aristokratie, kam im Hafen von Buenos Aires mit einem Luxusschiff an, als „Ehrengast der Eröffnung der neuen Schiffslinie von Danzig nach Buenos Aires” (Svit: 19). Bald danach brach der zweite Weltkrieg aus, das Schiff musste zurückkehren, Gombro entschied aber, in Argentinien zu bleiben, obwohl er nunmehr praktisch besitzlos war. Im Unterschied zu den Slowenen pflegte Gombro in Argentinien kaum Kontakte mit seinen Landsleuten: „Er blieb für sich allein als ein von der Herde getrenntes Schaf. Es befand sich keine Kirche, keine Gemeinschaft, kein nationaler oder nationalistischer Traum in seiner Kreislinie. In Buenos Aires […] gönnte er sich vierundzwanzig Jahre Freiheit von der Geschichte” (Svit: 81). Wichtige Akzente (nach subjektiver Beurteilung der Erzählerin) aus dem Leben des Schriftstellers sind linear gesetzt, sie beziehen sich auf die außenliterarische Realität bzw. historische Tatsachen und werden durch die Jahreszahlen abgesichert: Im Jahre 1939 kommt Gombrowicz in Argentinien an und entscheidet sich nach dem Ausbruch des zweiten Weltkriegs in Europa, nicht mehr in seine Heimat zurückzukehren; er fristet in Buenos Aires sein Leben ohne ein gesichertes Einkommen; Ende des 1941 beginnt er das Kaffeehaus Rex zu besuchen, übersetzt 187 SLAVICA TERGESTINA 20 (2018/I) ▶ Literary Theory in Bulgaria dort mit seinen Bekannten den Roman Ferdydurke, der im April 1947 veröffentlicht wird, allerdings ohne Erfolg; im August 1947 bereitet Gombrowicz den Vortrag Gegen die Dichter vor; im selben Jahr wird er in der Bank Banco Polaco angestellt, verfasst den Roman Trans-Atlantik und beginnt die Tagebücher zu schreiben; 1955 kündigt er die Stelle in der Bank; nach der Krankheit im Jahre 1957 zieht er sich in das Städt- chen Tandil zurück, um vollständig zu genesen; hier schließt er sich der sog. Gruppe aus Tandil an; 1963 kehrt er nach Europa zurück, lebt zuerst in Berlin, zieht später nach Paris; 1964 lernt er seine künftige Ehefrau Rita Gombrowicz kennen, zieht zusammen mit ihr nach Vence in Südfrankreich, wo er nach fünf Jahren stirbt. Gombrowicz als reale, außenliterarische Person wird zu einem immanenten Teil der Erzählung über die argentinischen Slowenen. Gombro spielt mit seinen Ansichten über Nationalität und Identität, die durch seine persönlichen Erfahrungen mit dem polnischen Nati- onalismus, Polentum und Antipolentum geprägt sind, die Rolle eines Vermittlers zwischen der primordialistischen Sicht der Ethnizität der ersten Generation der Slowenen in Argentinien einerseits und der offenen, konstruktivistischen Sicht der Erzählerin und einiger anderen Figuren andererseits. Auch bei Gombrowicz‘ Landsleuten aus Polen, vor allem bei den Bauern und weniger gebildeten Bevölke- rungsschichten, die nach Argentinien am Ende des 19. Jahrhunderts nach den erfolglosen polnischen Aufständen und in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts während der Wirtschaftskrise (politi- sche und wirtschaftliche Emigration) auswanderten, überwiegt die ethnonationalistische Sichtweise der Identität. Sie schließen sich zu Gemeinschaften zusammen (z. B. im Jahre 1940 gründen sie den Polni- schen Klub in Buenos Aires), pflegen nationale und katholische Werte und fühlten sich überlegen gegenüber den Einheimischen (Margański: 188 LIDIJA REZONIČNIK ▶ Das slowenische Gesicht 116–122). Gombrowicz kann sich in einer solchen Gemeinschaft nicht assimilieren. Im Brief an Julian Tuwim schreibt er, dass „die hiesige polnische Kolonie ein trostloses Bild der Trivialität und Dummheit ohne Vergleich bietet” (zit. n. Margański: 119). Erst nach 1945 emigrierten nach Argentinien auch Vertreter der polnischer Intelligenz, unter denen Gombrowicz auch nur wenige Leser finden konnte. Die Erzählerin benutzt Gombrowicz‘ Ansichten, um die sloweni- sche Diaspora in Argentinien zu kommentieren. So zielt sie z. B. mit Gombrowicz‘ Witz vom Unterschied zwischen Sardinenkonserve und Emigration und dessen Clou, dass „hermetische Konservierung schänd- lich für die Emigration sei” (Svit: 90) auf die Isolation der slowenischen Diaspora, die die jüngere Generation erst recht von der slowenischen Identität abbracht hat. Gombro als eine „Außenfigur” bewahrt im Slowenischen Gesicht im Verhältnis zu argentinischen Slowenen und Slowenentum eine neutrale Haltung. Er ist mit den Slowenen nicht direkt verbunden, seine Emigrationserfahrung und Ablehnung der geschlossenen Anschauung über die polnische Identität ermöglichen aber der Erzählerin, dass sie ihn als einen äußeren Kommentator ein- führt. Über die Rolle des polnischen Schriftstellers im Slowenischen Gesicht schreibt sie: „Er ist mein Spiegel, der besser als irgendjemand die Identitätsproblematik reflektiert: alles was er über die Polen sagt, gilt auch für die Slowenen” (Svit: 146). SchLuSSfoLgerung Das Slowenisches Gesicht thematisiert durch die Geschichten der argen- tinischen Slowenen die Problematik der Emigration und Identitäts- bewahrung. Im Gegensatz zu den Autoren, wie z. B. Zorko Simčič in Mensch an beiden Seiten der Wand, der über die slowenische Diaspora 189 SLAVICA TERGESTINA 20 (2018/I) ▶ Literary Theory in Bulgaria und deren Vertreter in Argentinien in Form eines Romans schreibt, aber auch im Unterschied zu anderen Werken von Brina Svit, berichtet das Slowenische Gesicht über das Leben der Emigranten faktografisch. Durch die Ich-Erzählung, die zudem mit den Porträtfotos der Angehörigen der slowenischen Diaspora in Argentinien versehen ist, verbindet die Erzählerin die Ereignisse aus dem Leben der slowenischen Diaspora mit der eigenen Lebensgeschichte und mit der Geschichte des dritten Emigranten, des polnischen Schriftstellers Witold Gombrowicz. Mit der Anbindungen an reale, außerliterarische Personen und Ereignisse be- fördert die Autorin eine (auto)biografische Rezeption des Textes. Gerade dies löste negative Reaktionen aus, vor allem bei der Behandlung pro- blematischer Kapitel der slowenischen Geschichte (zweiter Weltkrieg, Emigration als Konsequenz der Feindschaft zwischen Domobrancen und Partisanen). So bezichtigte einer der Informatoren die Schriftstellerin, seine Geschichte nicht objektiv dargestellt und keine klare Grenze zwi- schen Realität und Fiktion gezogen zu haben, und dass darüber hinaus das Werk „eine Karikatur der argentinischen Slowenen” sei (vgl. Eiletz, Offener Brief an Brina Svit). Gerade das Überschreiten der Grenzen zwi- schen Realität und Fiktion ordnet das Werk in den autobiografischen Diskurs ein, für den charakteristisch ist, dass der (auto)biografische Pakt nicht berücksichtigt wird und die objektiven Tatsachen mit den fiktiven Einlagen bzw. subjektivem Berichten vermengt werden. Fragmentari- sches und episodenhaftes Geflecht von außenliterarischen Tatsachen, fotografischen Material, Paraphrasen von Texten anderer Autoren (vor allem Gombrowicz‘, stellenweise auch Hannah Arendt), essayistischen Überlegungen und metanarrativen Elementen lassen es nicht zu, das Slowenische Gesicht klassischen literarischen Formen, z. B. dem Roman, zuzuordnen. Das Slowenisches Gesicht ist eine literarische Reportage, eine in Gombrowicz‘ Heimat durchaus verbreitete literarische Form (z. B. 190 LIDIJA REZONIČNIK ▶ Das slowenische Gesicht Ryszard Kapuściński), die faktographisches Material über ein Land, ihre Menschen und Kultur durch eine literarisierte Beschreibung subjektiv und durch fiktive Elemente angereichert präsentiert. Im Rahmen der drei Erzählungsebenen befasst sich Das Slowenische Gesicht mit dem Thema der Identität und denkt über sie in zwei radikal gegensätzlichen Richtungen nach. Die Erzählerin, die aus Slowenien freiwillig auswanderte, sieht das Leben in einem anderen Land und unter anderen Menschen als eine Bereicherung, als eine Möglichkeit für die Multikulturalität und Mehrsprachigkeit, die der Einzelperson eine andere Sicht auf die eigene Herkunft und die Kultur vermittelt. Ihrer konstruktivistischen Perzeption der ethnischen Identität ist die im Werk dargestellte Ansicht der ersten slowenischen Einwanderer in Argentini- en entgegengesetzt. Diese schöpfen die Identität aus der geschlossenen ethnonationalistischen Sichtweise, also aus einem primordialistischen Konzept von Ethnizität. Ihre Emigration war vorwiegend erzwungen. Sie begreifen ihre Auswanderung als etwas Tragisches und verleihen ihrer Heimat in der Erinnerung mythische Züge. Die dritte Ansicht und vermittelnde Position ist Gombrowicz‘ Sicht auf Identität. (Es ist interessant, dass Gombrowicz als Vermittler mit seinen ausgeprägten Überzeugungen auch noch im Werk eines weiteren slowenischen Autors, und zwar im philosophischen Essay von Ivo Urbančič über Dilemma des Europäertums, fungiert, vgl. Jež 2017). Letztlich macht die Erzählerin Gombro zu ihrem Verbündeten, er ist ihr „Alter Ego, Antiheld, graue Eminenz, Kontrapunkt” (Svit: 31). Gombro ist es, der davon zeugt, dass „die Identität nichts mit dem reinen Blut zu tun hat” (Svit: 111) und dass das »Gesicht«, wie die Erzählerin Identität metaphorisch nennt, ein Ausdruck von Umfeld, Kultur und Sprache ist, der Lebenserfahrungen, Geschichten und Überzeugungen wiedergibt, und der eben keine Maske darstellt, die durch Zwang bewahrt werden kann. ❦ 191 SLAVICA TERGESTINA 20 (2018/I) ▶ Literary Theory in Bulgaria Quellen und Literatur Barth, FreDrik, 1998. Introduction. Ethnic groups and boundaries: the social organization of culture difference. Red. Fredrik Barth. Illinois: Waveland press. 9–38. BerGhe van Den, pierre l., 1991: Biologija nepotizma: etničnost kot sorodstvena selekcija. Študije o etnonacionalizmu. Red. Rudi Rizman. Ljubljana: Knjižnica revolucionarne teorije. 79–107. Borovnik, silviJa, 2016: Literarno-jezikovna polifonija in jezikovni pristop v literaturi Brine Svit. 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Fragmentarno prepletanje zunajliterarnih dejstev, fotografskega gradiva, parafrazi- ranja besedil drugih avtorjev, esejističnih razmišljanj in metanarativ- nih elementov onemogoča žanrsko umestitev dela v okviru klasičnih literarnih vrst, na primer opredelitev z literarno vrsto romana. Slo- venski obraz je literarna reportaža, v Gombrowiczevi domovini dobro poznana literarna vrsta (npr. Ryszard Kapuściński), ki objektivno pot in raziskovanje dežele ali ljudi in njihove kulture predstavi subjek- tivno, skozi literariziran opis, ta pa vsebuje tudi elemente fikcije. V okviru treh pripovednih ravni Slovenski obraz predstavlja in razmišlja o identiteti v dveh radikalno nasprotnih pogledih. Pripovedovalka, ki je emigrirala prostovoljno, življenje v drugi državi in med drugačnimi ljudmi vidi kot obogatitev, možnost za večkulturnost in večjezičnost. Njeni konstruktivistični percepciji etnične identitete je nasproten pogled v delu predstavljenih prvih slovenskih priseljencev v Argenti- ni, ki identiteto pojmujejo z zaprtega etno-nacionalističnega vidika, torej po primordialistični teoriji etničnosti. Njihova emigracija je bila 195 SLAVICA TERGESTINA 20 (2018/I) ▶ Literary Theory in Bulgaria neprostovoljna, dojemajo jo kot tragično, domovina v njihovem spo- minu dobiva mitske razsežnosti. Tretji pogled na vprašanje identitete je Gombrotov pogled. Slednji s pripovedovalko in Slovenci v Argentini ni neposredno povezan, njegovo razumevanje narodnosti pa je blizu pripovedovalkinemu. Zaprtost v skupnosti, kot je to v primeru Sloven- cev v Argentini, je podobna zaprtim skupnostim poljskih emigrantov v Argentini, te pa Gombro kritizira. Pripovedovalka iz Gombrowiczevih Dnevnikov in korespondence, ki jih bere kot avtobiografski dokument, izbira posamezne misli in jih interpretira v obliki razmislekov ali ko- mentarjev ob zgodbah intervjuvancev. Z njimi podkrepljuje svoj pogled na identiteto, Gombro dobi vlogo posrednika, zunanje instance, ki ni vpletena v slovenstvo, zaradi česar njegovi argumenti delujejo verodo- stojneje. Gombrowiczev zunanji pogled in izkušnja z drugo identiteto kot je slovenska, torej s poljskostjo, univerzalizira pripoved Slovenskega obraza v sklep, da preveč nacionalizma ubija identiteto, ter podpira končno spoznanje o polifoničnem karakterju identitete. Lidija Rezoničnik Lidija Rezoničnik concluded study of German and Polish philology at the Faculty of Arts, University of Ljubljana. At the Department of Slavistics at the same Faculty she achieved her PhD with the dissertation The Polish and Slovenian Literary Canon from the Period of Modernism as Film Adaptation. In her researches, she mainly deals with Modernism in Polish and Slovenian literature, as well as interdisciplinary relations between lit- erature and film (film adaptations). She presented results of her research at conferences for Slavists in Salzburg, Budapest, Basel and Ljubljana and in the articles published in the scientific journals Primerjalna književnost and Jezik in slovstvo.