Semilasso in Afrika. Z w r i t c r Theil. Semllaffo i« Afrika. Indem wir den Anfang machen mit der Versendung eines Werkes, auf welches in diesem Augenblick die gebildete Lcsewclt die gespannteste Erwartung richtet, und von dem es gewiß ist, daß es dieselbe in jeder Beziehung, sowohl um des höchst interessanten Gegenstandes" als der" geistreichen und glänzenden Darstellung willen vollkommen befriedigen wird, glauben wir, daß eine kurze Uebersicht des Inhalts nebst der dazu gehörenden artistischen Beilagen hier eine passende Stelle finden werde. Der erste Theil enthält: Algier. Der zweite Theil enthält: Algier, Vugie, Bone. Der dritte Theil enthält: Viserta, Tunis. Der vierte Theil enthält: Reise in das Innere des Königreichs Tunis, Sauwan, Keruan, Sfax, Susa. Der fünfte Theil enthält: Land der Beduinen. Die alten Städte Sufetula, Colonia Scillitana, Hydrah, Thugga, Sicca Vencria u. ft w., Tunis, Schluß. Jeder Band kostet 3 Thlr. oder 3 fl. 30 kr. Dir artistischen Beigaben sind: Semilasso u, Afrika. (Gemilassos vorletzte« Weltgang. II. 2H. 2te Abth.) \, *££*& v rfi ä Semilasso i n A f V i k a. Zweiter Theil-Algier, Bougie, Volle. Ans dcn Papieren dcs "—----- /<1MW^X Hiezu dir Abbildung: ^7^1 NiM WM Bivouac in Khraschna. > ^^^^W^? M!t Königl. Württemb. Privilegium. V ^MM ^/^ Stuttgart. HalIbcrgcr' schc Vcrlagsha » dluuq. 18 3 6. InhaltS'lirrzeichnils zum zwcitcn Theil. Dritt - r Brief. Seite 1. Französische Generale. Französisches Manöver. Unnütze Uebung auf dem Exercierplatz. Gefährlicher Gebrauch. Fremdenlegion. Baron Schaumburg. Der Deutsche mit dcn Streitäxten. Galgencandidat. Wilhelm Tell zu Pferde. Der Sohn von I^e Vllilluut. Die Vl schöne Nariua. Die Vai von 8^N ^rru^,. Guter Dienst der Opposition. Nuinen von ^urrl: ^eiiika. Grabmal des heiligen Ni»^l>ut8. Der zum Türken bekehrte Spanier. Die wunderthätigen Sandalen. Wilde Kinder, ^e dms .^ L^r^u^«^. ^so lwi« K llt «!lnt6. Riesenaloe. Sichere Pferde. Schluchten des ^ll.ol. Altes Fort von Barbarossa. Erplosion dcs Pulvermagazins. General Kru. Das schönste Schau> spiel auf Erden. Erwünschtes Avancement. > Vierter Brief. Seite 34. Hortsehttna, von Iuffufs Geschichte. Afrikanisches Vlut. Mädchen - n. Tänzcrinncnfestc des Pascha. Galanterie: den Schönen Goldstücke auf das Gesicht zu kleben. Mundlcim dazn, oder Rosen- und Iasminessenz. VN Eifersucht: keine andere Frau anzurühren, oder den» Balle zuzusehen. Xalidurka's Lager. Französische Psyche. Der schwarze Eunuch. Mord um Rettung. Begräbniß des ermordeten Papa Bernus. Affen-Seelenruhe nachher. Nachsicht eines Generalerbcn. kuäui». Verschwörung. Geheime Gesellschaft der Uissuviak. Gebräuche derselben. Zugänglichkeit derselben für Europäer. Erklärung des Namens. Personlficirtes Thier. Freiheit: alle Thiere nachzuahmen bis auf den Ochsen. Ein Löwe, wer will; ein Esel — wer muß. Noduin's Tod. Die gefangene Hochzeit. Die Eroberung Bone's. Herr d'Armandp. Von Hi«»». Beste Weise Spione zu vermeiden. VIII Ohroui k. Seite 65. Ali Am Khasnadschi. Seine Kriegsiracht und sein Gefolge. Nakinkx; der Belgische Major und Herr Bellart. Neiseverfuch auf cigne Hand. Frühstück mit dem einäugigen ^lnll. Eselsgeduld im Sterben. Heimach des aristokratischen Princip's. Erste Pflicht der Reisenden. Willkommner Empfang bei den Beduinen. Deren Freimüthigkeit. Kunst ('ulli««« zu speisen. Barbarische Flöhe. Beitrag zur Naturgeschichte derselben. Die Wüste Sahara. Semilasso's Schlauheit. Arabische Reitcrkünste. Das Abschieds. mahl in Nällrali. Der devote Maräkut. Erklärung des Wortes: Mai-äbut. Säbelhandel und Säbelprobe. Reise auf den kleinen Atlas. Semilasso empfindet Gewissensbisse, ^i-lvd^ als Typus dcr Beduinen-Nationalität. Das transparente Nachtquartier. Ehrwürdigkeit der arabischen Küche. Mäjiigkeitsvttein «I der Beduinen. Guter Rath kömmt übrr Nacht. Gelbe und graue Würgengel. Politil und Ueber-rebungskunst. 8uk rl v8cl,e»im!i. Zuvorkommenheit der Kabplcn. Der Ilammal. Unart dcr wilden Schweine. Das Thal von Moment-Nu5t. Der colossale vseiloi-ll^clwrli. Die Ebene dcrNoticlsclii». Modell zum Herkules. Afrikanischer Abscheu vor Douceurs. Hyänenaugen als Zielscheiben. Nektar aus Champagner zu machen. Thränen dcr Gastfreundschaft. Das (iuiproqno. Ein Nachtstück. Ur-bestand der Pferde und Pftrdediät. Scnnlasso als Segenbringer. Cardinaltugcnden eines Domestiken. Eine Carrikatur zu Esel. Cap Matafu. Coloni« sationsvorschläge: lla, t im^^i.i. Ruincu Von I^u«tl)Nlum. Reminiscenz an Carl V. Dona und Cortez. Probe dcr besten Heilmcthrdc. Das Modell zu Abraham in der Bilderbibel. Vorrang der Esel. Semilasso ruft um Hülfe. Dcr mit Fäusten zuschlagende RcttungScngrl. Dcr nngli'cklicl'c X Freitag. Die große Kanone. I^H mal»m, ;<.'. Wirkliche Chamäleons im Busen. Gang über den Aratsch. Arabische Manier Geschenke zu empfangen, Semilasso im Verdacht der Schatzgräberei. R e i s e j o u r n a l. ^Fortsetzung.) Seite 158. Reise des Herrn Klimerath im Auszug. Die bettelnde Escorte. Die Ebene von I^dr». Kameele als Waldrepräsentantcu. Die Residenz N»»l:ll,'ll. ^dl^l-Xäck'l. Krieg: ein Handwerk der Bcdmnen. Arabische Stplprobe. Andicn; l'ci Hbcil-l-Xälll!^. Reflexionen iiber Alterthuntsforschuns,. Aufklärung über den Stammbaum voll Carl dcö Zweiten Hengsten. Das XI Königreich ^alilo«. Pferde « I>^ Münchhausen. Afrikanische Hyperbel. Abschied von ^Kclei.«,^»'. Herr Dorn ans Stettin. Die jetzigen Arbeiter an der Ausgrabung von Pompeji. Der englische republikanisch - römische Bürger. Fingerzeig für Rc-doutenfreunde. Semilasso's Selbstanklagc. OI,umI»ro l1o8 ?llir8 — l!Unm1>,'e äo« mi !'^n»«'i,nn<>. Der Berg Lu-Nnm>'«!>. 5Ueiner Krieg ohne großes Blutver- »IN gießen. Immer vorwärts. Erster April. Die Spahis platzen gcru. Neueste Anwendung der Sol" daten zu Ochsentreibern. Der Esel zu Pferde. Der See Ntxaru. Ein wunderschöner Vlumenocean. Der endlich gefundene General. Lopale Behandlung des französischen Militärs. Omoletto» aufzubewahren. Kunst Kaffee zu brennen. I^e» e!,Ä88eur» cl'^frici»«?. Der Cavallerist, wie er sepn soll. Vergoldete Hügel. Merkwürdiger römischer Canal. Unterhaltungen am Caminfeuer. Bereicherung der deutschen Sprache. Eine Dame für drei Ochsen und ein Kalb. Reize Persicns. Der russische Eunuch. Semilasso entwirft neue Neisepläne. Herrn von Armandp's erste Tiger» jagb. Eine afrikanische Sauhetze. Skizze zu einem Liebesroman. Iussuf's Villa. Semilasso's Hang zur Unabhängigkeit. XIV V e ch ft t e r Brief. Scite ^65. Semilafso's luxuriöse Wohnung in Uuno. Eine Bergpartie en ß','U8. Die einem Tulpenbeet vergleichbare Escorte. Vlumencatalog. Die graziös einander beißenden Pferde. Iagdabcnteuerliches. Gefährlicher Aufenthalt in Vone. Unzulänglichkeit von Constau-» tine. Der Berg mit vier Höckern. Conjecture« über die Nömcr. Ein ncuentdecktes Marädut-Grab. Seml-lafso begeht ein Sacrilegium. Unglaublich mäßige Menschen. Das türkische Gefolge agirt eine Iuden-schule. Stürzende Pferde auf pittoresken Wegen. Werth der Romantik. Waghalsigkeiten. Die blau gefleckten Christen. Die furchtbar schönen Kohlenbrenner. Kostbarkeit einer guten Mahlzeit. Verlorene« vollunä, verlorene Ferne. Semilasso gibt Stoff zum Nachdenken. NeueS System der Zoogome. Nechtcr Urmensch ist der Araber. Aus dein Araber kann jede Menschcnraec producirt werden. Parallele zwischen Menschen und Pferden. Die Race der Vücherschreibcr steht dcm Typus des Menschengeschlechts nicht am nächsten. Semilasso muß wie ein primitiver Heide leben. Rechtfertigung gegen die Beschuldigungen einer Berliner Dame. Processen in der Gastronomie. Neues Kaffeereglement, Die wahre Diplomatie soll man in der Kochkunst suchen. Merkwürdiges Duell in Hcmde-ärmeln. Semilasso inclinirt zum Fatalismus. Napoleon: ein Held der Mpthe im Orient. Feier des großen Vairamfestes. Auffallendes französisches Kriegsschiff. Erpedition nach dem <ü»i, rou^e. Großer altrömischer Marmorbruch. Grabmal des »Ikrädut 8il!» H'is«.-». Berücksichtigung guter Hausordnung. Väterlicher Rath an seinen Neffen. XVR R e i s e i o »l v n a l. Seite 30». Abschieb von Lone. Wahl: zu scheitern obcr geschlachtet zu werden. Lethargie. Die leere Küche und der schöne Türke. Die Insel Tabarka. Mystischer Strauch in der Nuine einer christlichen Kirche. Zierliche Felsen. Ungestillte Ncugicr. Die verrufenen Beduinen. Ein rcspectablcr Bart. Vcrkchr in einem maurischen 6»jlö<>. Der negocirendc Barbier. Genuß in Betrachtung ausdrucksvoller Kahltöpfc. Der halbe Koch. Der Mensch denkt, Gott lenkt. Unfreiwillige Diät oder: Hunger ist der beste Koch. Der contraire Zephir. Verwünschte Mameluckenbosen. Gebuldübungen. Unmuthige Neisenachbarschaft. Glückliche Fahrt nach Dritte« Brief. An den K P. Obersten, Grafen von «p z« P Algier, bcn 22. Februar 1835. Licbcr Frcund! Wic militärischen Vckanntschaftcn machcn hicr cine grosic Annchmlichkcit für mich aus. Der Gouverneur und dcr commandircnde, General, Baron Rapatcl, mit sehr gebildeten und unterrichteten Adjlttanturen, die Generale Trczel und Vro; der Commandeur dcr Suavcn La Morissi^re, dcr Oberst Verncllc, Befehlshaber dcr Freiuden-legion, noch eins dcr Gardckinder Napoleons, Semilasso in Afrika, ll. 1 2 der auch als militairischcr Schriftsteller rühmlich bekannte Oberst dcr (.'Imss^u,-« ä'^Vtli^uu, Baron Schaumburg; dic Commandeure dcr Spahis, Oberst Marey, Aga dcr Plaine, und dcr famosc Türke Iussus, nebst noch mehreren Andern, haben mich 5lllc mit so vicl Artigkeit und Zuvorkommcnhcit bchaudclt, dasi ich Algicr nur voller Dankbarkeit für sie verlassen kann. Die hiesige französische Infanterie (das 67. Linicnrcgimcnt und 10. und 13. Inlanwri« lö^öro) besteht größtenthcils aus Conscribirten, und da die Truppen (in gewisser Hinsicht sehr zweckmäßig) auch viel zu Straßenarbeitcn vcr, wcndct werdeu, so läßt ihr Manbvrirm für cin an preußische Genauigkeit gewöhntes Auge aller, dings Einiges zu wünschen übrig, besonders fand ich ihre Bewegungen sehr laugsam. Am meisten wich ihre Chargirung von dcr unsrigcn ab. Die Handgriffe wurden mit weniger Pünktlichkeit und Schnelle ausgeführt, wobei denn auch Stellung und Richtung, was weniger wesentlich ist, sehr 3 aus der Acht gelassen wird. Ebeu so uugenirt ist das Marschiren. Doch um auf dic Chargirung zurückzukommen, s» verliert man hier bei dieser durch Niederknieen und Wiederaufstchen des ersten Gliedes, durch das Aufschütten des Pulvers auf die Pfanne, Drehung des Ladestockes und zweimaliges Hinuntcrsiosien desselben anf dic Ladung, welches Alles (bis auf das einfache Himlntcrsioßen dcr Ladung) bei uus wegfällt, grade die doppelte Zeit, dcrcn cin gut cinercrcirtcr preußischer Soldat zu demselben Zwecke bedarf. Mau sagte mir, im Felde mache mau es einfacher; warum aber dann diese unnütze Uebung auf dem Erercirplalz? Ucbrigcns müßten dann auch Gewehr und Ladcstöckc gleich den unsrigen vrganisirt seyn. Ein sonderbarer Gebrauch scheint, ich weiß nicht, ob allgemein oder nur bci einzelnen Regimentern , im Lager zu herrschen. Ein Offizier, aus deutschem Dienst herübergekommen, erzählte mir, daß cr im August vorigen Jahres, bei 4 einem Bataillon der Frenidenlegioi^ in 'lu1«,'ä Nnuliil) die gcladncn Gewehre, je drei zu drei, 15 bis 30 Schritt von dcn Zelten der Soldaten entfernt, vor dcr Front aufgestellt sah, welche nur durch zwei fno^ionuail«» bewacht wurden. Wie höchst unzweckmäßig cine solche Einrichtung in cincm ganz freien Lager, rings herum von Feinden umgeben, ist, springt in die Augen. Ohne Zweifel hat man seitdem einen so gefährlichen Gebrauch ganz abgeschafft; daß er aber mehr als einmal statt gefunden, weiß ich mit Bestimmtheit. Dic erwähnte Fremdenlegion, bei dcr viel alte Soldaten sind, besieht aus 6 Bataillonen, wovon 4 aus Deutschen, l aus Polen und 1 aus Italienern zusammengesetzt sind. Das siebente, aus Spaniern, ist zurückberufen worden. Die Truppe soll sich sehr gut schlagen, birgt aber Abenteurer aller Art, ohne Zweifel auch viele Verbrecher, in ihrem Schooß. Wenigstens werden häufig Individuen daraus von den Behörden wicdcrvcrlangt nnd zuweilen in Ketten fort- 5 transports. Ein eigenthümlicher Vorfall trng sich vor einiger Zeit hierbei zu. Ein deutscher Cavallerist, der, wie cs scheint, schwere Handlungen auf seinem Gewissen hatte, sich hicr aber so gut anssührtc, nnd so oft iiu Felde auszeichnete, daß ihm seine Oberen sehr wohl wollten, ward plötzlich mit beigeschicktem genauen Signalement von eincr deutschen Regierung, wegen erwiesener todeswürdigen Schuld, zur sofortigen Auslieferung reclamirt. Das Signalement schilderte den armen Teufel vollkommen richtig, es blieb nur noch übrig zu ermitteln, ob er auch, wie dies besagte, und besonders auf diesen Umstand appüyirte, auf dem rechten Arm zwei Säbel mit Pulver eingegrabcn habe. Durch einen jener Glücksfallc, die einen Menschen noch unter dein Galgen retten, hatte sich aber unser Delinquent, weil er jetzt als Sapeur diente, vermöge einer neuen schmerzhaften Operation, die Säbel in zwei stattliche Strcitärte umgewandelt. Dieser an sich so geringfügige Umstand rettete ihm Leben und Ehre, denn da 6 seine Vorgesetzten ihn als einen vortreffliche, Militair nicht gern verlieren wollten, so benntzte man schnell den günstigen Zllfall und antwortete kurz: Das übcrschicktc Signalement passe nui unvollkommm und lheilweise auf das hiesige Individuum. Schr intclcffant warcn mir dic Manöver dcr Spahis, die Obcrst Marcy vor mir im Fcucr crcrcircn licß. Ihr Tiraillircn war in dcr That bewundernswürdig. Dic SäMlliglvit und Sicher, hcit dcr Pferde, die Kühnheit und Geschicklichkcit dcr Reiter, ihr ruhiges Schießen mit dcr Flinte im vollen Lauf, und die Gewaudheit, mit der sic sich in dcr stärksten Carriere spielend auszuweichen und bcizukommen wissen, beschämte unsere Eaval-lcrie. Ein Einziger stürzte, ohue sich jedoch den mindesten Schaden zu «hun, noch sein Pferd los zu lassen und war im Augenblick wieder im Sattel. Am meisten zeichneten sich zwei Schwarze aus, beide Deserteurs von den Trnppcn dcs Bey von Constantine. Beim schnellsten und gehaltensten 7 Lauf ihrer Pferde, halb in dm kurzen Bügeln stehend, und mit der Flinte im Anschlag, machte ihr Körper nicht mehr Bcweguug, als wenn er von Marmor gewesen wäre. Im Vorbcijagen drückten sie ihre Gewehre uns fast auf der Vrust ab. Es gab, sagte mir der Oberst, einen so geschickt ten Chef in der Plaine, daß er einem seiner Leute, mit einer Pfeife in die Bcrnns gesteckt, welche nur sechs Zoll über dessen Kopf hervorragte,' vor sich herrcnncn ließ, und ihn verfolgend selten die Pfeife mit der Flinte fehlte. Einmal soll jedoch dieser Wilhelm Tell zu Pferde, mit aller Pcrfidic der Araber, seinem Lieutenant, dem er nicht mehr traute, mit scheinbarer Ungeschicklichkeit auf diesc Weise den Kopf zerschmettert haben. Die Art der Attaque beim Tirailliren ist folgende. Sie nehmen das Gewehr in die linke Hand, setzen ihr Pferd in vollen Lauf, lassen den langen Zügel fallen und halten ihn nnr noch am Ende mit dem kleinen Finger derselben Hand fest. Dann schlagen sic an und sind, halb in den kurzen 8 Bügeln stehend, wie ich schon erwähnt, fertig, nach vorn, nach der Scite oder hinter sich, mit Sicherheit zu schießen. So wie sie abgedrückt, greifen sie mit dcr rechttn Hand in ven Zügel um das Pferd anzuhalten, werfen die Flinte wieder über die Schulter oder unter den linken Arm, nehmen den Zügel ebenfalls schnell in die linke Hand und ziehen mit dcr jetzt freien Rechten den Säbel, der links unter dem Sattel am Pferde anliegt, nicht wie bei uns um den Leib geschnallt getragen wird. Auch diese Wassc führen sie mit großer Gcschicklichkeit und Energie. Die Pistolen tragen sie in einer goldgestickten Tasche links, so daß die Griffe an dcr Brust hervorragen. An diese ist eine dünne um den Hals geschlungene Schnur befestigt, damit sie, wenn sie abgeschossen, die Pistolen sogleich über die Schulter werfen mögen, ohuc sie verlieren zu können. Rechts hangt die Patrontasche. DicS scheint mir ungleich zweckmäßiger, als unsre Art die Pistolen am Sattel zn tragen, wo sie dem 9 Reiter beim Verlust des Pferdes mit verloren sind. Eben so halt»: ich ihre Sattel zum Kampf weit besser eingerichtet, und sicherer in vielerlei Gefahr, als die unstigcn. Die geschlossenen Manöver sind freilich die Sache dieser Truppen nicht, doch ging cs damit weit leidlicher als ich erwartete. Die Araber selbst haben eine fast unbesiegbare Antipathie dagegen, während sie das Tirailliren, besonders wenn sie dabei losschießen dürfen, (was immer etwas bedenklich ist, wcil cs oft vorkommt, daß sic in dcr Distraction Kugeln einladen) mit wahrer Leidenschaft auszuführen scheinen. Ueber ihre Tracht wollen sich die Spahis keine allgemeine Vorschrift gefallen lassen. Jeder kleidet sich nach Belieben in den bunten Schmuck, der ihm am besten ansteht; nnr eine rothe Vcrnus sollen sic zur Unterscheidung von den Beduinen tragen, ich fand aber auch damit kaum die Hälfte verschen. Einige artisicielle Araber waren trotz des nachgeahmten Costumes leicht zu erkennen. Hcrr von La Morissi^re hatte sich gütig erboten, mich nach dcm Landungsplätze der französischen großen Expedition zn begleiten, und mir auf dem Terrain ihres Vorrückens und der verschiedenen daranf folgenden Gefechte znm Cicerone zu dienen. Fürchte nicht, lieber Freund, daß ich die Gelegen, bcit benutze, um Dir hicr eine dcr unzähligen Relationen dieses Fcldzngs abznschrcibcn oder aufzuwärmen, nur die Erzählung cincs Spazicr, rittes und hie und da cinc verlorene Bemerkung will ich Dir zumuthcn zu lcsen. Um acht Uhr früh verließ ich mit einer Escorte der (5lm88our8 ll'^sl-i^u«, und in Gesellschaft des Herrn von Sarccllc, Adjutant des General Rapatcl, dcs belgischen Consuls und des gescheiterten Major Stockmann, die Stadt, um mich zuerst nach Nl Il)s»Iiim zu begeben, wohin uns der Commandeur dcr Suavcn zum Frühstück cin-geladen hatte. Schon cinc Viertelstunde vom Oawp? das in einer öden und wilden Gegend liegt, empfing uns der Hanptmann Manucl, cm 11 eleganter Ossizier, der gleichfalls der Eroberung Algiers beigewohnt hat, jetzt aber eben von Paris znrückkam; ein Contrast, der in dicstr uuwirthbarcn Wildniß frappant seyn mochte, denn man kaun sagen, daß die Herren hier fortwährend nur bivonakiren. Dcnnmgeachtet war unser Frühstück, in einer ziemlich geräumigen Varake servirt, so reichlich als gnt, und vor Allem ungcmcin heiter. Auf das Angenehmste überrascht ward ich noch überdies dadurch, daß ich erfuhr, mein zweiter Tischnachbar sey ein Sohn dcs berühmten Reisenden Le Vaillant, der von seinem Vatcr die Liebe zur Naturgeschichte und Jagd in gleichem Grade geerbt zu haben scheint. Wie er mir sagte, widmete er alle Zeit, die ihm dcr Dienst übrig laßt, mit dem besten Erfolg diesen beiden Gegenständen, und die Danm, Algiers, meinte er, pflegten jeden neugeschosscnen Vogel des Sohnes mit eben so vielem Interesse in Augenschein zu nehmen, als weiland die schone Nanna dic Iagdleutc sciucs unermüdlichen Vaters. 12 Nach Tisch begab man sich in eine andere Barakc, I« «al« «.lu «»inz>, wo wir den Moka gemächlich schlürfend, Billard spielten, bis unsre Rosse gesattelt waren. Herr llo Ia Hlm-i^im-u hattc dic Großmuth, nur statt mcincs (diesmal detestabcln) Miethgauls eines seiner besten Pferde zu geben, und bald sah man unsre stolze Cavalcade durch Palmira's und Arbutus dcu Abhang hinab, galoppircn, der wüsten und kahlen Ebene von 8l,anuo1i und 8M IVrrul-ll zu. Leider war das Wctttr nichts weniger als günstig. Früh hattc es sogar etwas gefroren, denn nach dem Sturm, den wir ausgehalten, ist die Witterung ungewöhnlich rauh geworden, und ciu scharfer eisiger Wind durchzog unsre Kleider mit empfindlicher Kälte. Für mich war dies um so unangenehmer, da ich, eher aus Hitze rechnend, wcdcr Ueberrock noch Mantel mitgc-uommcn hatte, und ich fühlte mich daher ernstlich unwohl, als wir in '1'urro 'l«oluk») dem Tempel des heiligen >lm-akul, ankamen. Doch stellten mich 53 einige Schluck des, von Trelawney als dic Pauacec für allc Uebel angepriesenen Gcncvre, nebst freundlicher Darleihuug einer wärmenden Beruus, glücklicherweise bald wieder her. Die Bai von 8i(!i V^n-ucli war allerdings ein vortrefflich gewählter Platz zur Landung, mit der weit in die See vortretenden engen Landspitze, welche so schnell durch cincu tiefen Grabet, mit Brustwehr, einigen Rcdonten und Pallisaden au den Eudeu bis ins seichte Meer hinein, zu einem, für Araber unnehmbaren Lager umgeformt werden konnte. Schwer zu begreifen bleibt es abcr immer, da der Dcy dm Plan der Franzosen durch alle Zeitungen vorher kannte, daß er gar keine Anstalten getroffen hatte, die Landnng zn verhindern, wobei ihn die Localität genng begünstigte, um sie zu einer sehr schweren Aufgabe zn machen. Ich möchte sasi der von Vielen gehegten Meinnng beipflichten, daß das unverständige Betragen der damaligen Opposition lner dcm Gouvernement einen unerwarteten Dienst geleistet batte. Es soll l4 nämlich im Rath dcs Dcy der Verdacht allgcmeiil gewesen seyn, daß diese Aufdeckung des Operations-planes in den öffentlichen Blattern, bei einer so schlauen Nation wie die Franzosen wären, nur eine Kriegslist seyn könnte, und sic daher gewiß dem Wcge Carls des Fünften folgen, oder bei dap Natiloux debarkircn würden, nach welcher Voraussetzung dann dic Vertheidigung von dcn Türken berechnet wurde. Vei allcdem ist es sonderbar genug, daß dic französische Flotte, ehe noch ein großer Theil dcs Geschützes, bcr Lebcnsmittel und fast alle Pferde ausgeschifft waren, cin eben so heftiger Sturm als wic Carl dcn Fünften überfiel, der, wenn cr sich nicht uach wenigen Stunden gelegt, ohne Zweifel der neuen Expedition cin ähnliches Ende, wie der älteren bereitet haben würde. Wir ruhten einige Zeit in den Ruinen von 'I'ari-o ^'«eluka aus und besahen dic dortigen Reliquien nebst dcn Grabmählern dcs hciliqcn Hlarkwil's und seines Freundes, des Spaniers l5 dcn cr daselbst bekehrte. Die Geschichte dieser Begebenheit ist folgende. Der spanische Schiffs-Herr war mit dem Murälmt, den er hierher gebracht, ans Land gegangen, wo Bcidc, von der Hitze ermüdet, sich dem Schlafe überließen. Als der Spanier zncrst wieder erwachte, blendete ihn der Böse, dcn noch immer tiefen Schlaf seines Gefährten zu benutzen, nm unterdesi heimlich mit seinen Effecten abzusegeln. Er stach in die See, doch nie konnte er aus der Vai herauskommen, ein Zaubcrwind trieb ihn vicruudzwanzig Stunden lang fortwährend darin im Krcisc nmhcr, und warf ihn zuletzt an derselben Stelle aus Land, wo der HlarNkm noch ruhig dasaß und ihn freundlich bcgrüsite. Voll Reue gestand dcr Spanier sein vcrratherischcs Beginnen, und lieferte die entführten Habseligkcitcn ans; worauf er, durch die Verzeihung des Heiligen gestärkt, sich von Neuem einschiffte. Doch dasselbe Schicksal erwartete ihn noch einmal, und nach vicrundzwanzig Stunden trieben ihn die Wogen wieder auf den 16 Strand. Lächelnd empfing ihn der ^!»,üdul. Verzeih, sagte er, dn hattest meine Sandalen noch im Schiffsräume vergessen, die liesien dich nicht fort. Dies letzte Wnndcr erwachte des Ungläubigen Herz. Er sank zu des ^larädul's Füßcn nicdcr, bat um seinen Scgcn, n^ard ein Muselmann, und starb als fromiucr Einsicdlcr an dcr Scitc dcs Heiligen auf dersclbcn Stelle. Wir nahmen uns dic Freiheit von dem bereits zerbrochenen und morschcn, einst vergoldeten Git-tcnvcrk dcs gefeierten Grabes, noch einige Stückchen mehr abzulösen und mitzunehmen, ohne daß uns der Raub so übel bekam, als weiland dem untreuen Spanier. Das Land, welches wir auf dieser Enursion passirtcn, bestand größtcnthcils ans einer mit verschiedenen Hügclrcihcn durchzogenen Ebene, die zwar wüst, aber keineswegs unfruchtbar, dicht mit Gestrüpp bedeckt war. Eine Unzahl von Oleaudcr, Arbutus, Granaten, Myrtben, Lavendel und vielen »7 Blumm übcrklcidcn sic im Frühjahr mit dem buntesten Gcwandc, und grüne Wicstn wechseln anmuthig mit den Gebüschen ab. Einige römische Ucbcrbleibscl machen sich hie und da bemerkbar, doch sind sie von wcnig Bedeutung. Kurz vor NI IbralnM) wo die Franzosen nach der ersten gewonnenen Schlacht Position nahmen, ändert sich die Gegend und zeigt ein coupirtes Terrain mit Bäumen, Hecken und höherem Gebüsch im Ucbcrfluß vc>schcu. Seitwärts liegen einige arabische Dörfer, dic ersten, welche ich sah. Sie bestehen theils aus sehr ärmlichen Schilfhüttcn, theils aus schmutzigen Zelten von Camcelhaar, m denen sich halbnackte Kinder zusammen drängten, die uns mit Furcht und Schrecken anstaunten, und in Mienen und Gebehrdcn ganz als Wilde erschienen. Obgleich wir ihnen Geld zuwarfen, wollte sich doch keins derselben herauswagen um es zu holen, dagegen uahmcn die Erwachsenen nur wenig Notiz von uns. Auf einer Wiese daneben lag unter einem Baum, von zwei stehenden Kammer- Sennlasso in Afrika. II. Z 18 Herren begleitet, der Chef der ^rilni», dcr Schech üou Omar ein uralter Mann mit langem, schlohweißen Vart. Er und sein Hofstaat waren gleich zerlumpt. Dennoch versicherte man mich, daß dcr alte Geizhals ein Vermögen von mehr als3l)0M)0 Franken besäße. Uebcrdics schien er sehr übler Laune und machte nicht die mindesten Umstände mit den ihn umgebenden Respectspersonen. Die Gegend, wo mau schon wieder einige verfallene Landhäuser sieht, bietet viele malerische Plincte, namentlich zeichnete sich eine herrliche Schlncht mit einem frischen Vache aus, angefüllt mit ^oui'oubioi-8) Orangen und andern, von Lianen umrankten, Bäumen, nebst einer Art Schilf, dessen Stengel hier bis 30 Fuß Höhe erreichten. Dem Vorrücken dcr Truppen muß dieses Terrain in einem ganz uubekanntcn Lande mancherlei Schwierigkeiten entgegengesetzt haben, auch zeigte man mir ein Olivenwäldchen, in dem die Araber, verborgen und geschützt, mit ihren weit reichenden Flinten den Franzosen viel Leute getödtet haben sollen, und weiterhin auf dem rechten Flügel einen l9 Ravin, in dcm cine ganze Compagnie zusammen-gehauen wurde, weil sic auf die unglückliche Idee gckommcn war, ihre Gewehre zu putzen. Mit untergehender Sonne erst kamen wir in N1 Idralüm an, wo wir uns sogleich zum lustigen Mahle der gastfreien Suavcu niedersetzten, das heilte uns zu Ehren bis tief in die Nacht verlängert wurde. Viele der Offiziere übten beim Dessert die hübsche und gesellige Sitte der Franzosen, ernste und leichtfertige Lieder beim sprudelnden Schaume dcs Champagners zu singen. Sie wußten deren nicht wenig von allen Arten auswendig, fehlte es aber ja an einem neuen, so dichtete dies der Consul, dcm man zu diesem Endzweck Feder und Tinte gebracht hatte, mit ebcu der Leichtigkeit, wie man eine Adrcffe uiederschreibt. Eiu solches Talent der Improvisation ist mir seit Italien nicht wieder vorgekommen, und erschien mir um so auffallender, da diese Productioncn auch bei näherer Prüfung einen bleibenden Werth behaupten. so Hier Eins zur Probe, was zwar hentc nicht gemacht wurde, sondern schon einige Monat alt ist, aber das doppelte Interesse gewahrt, daß es eine lwch unedirte sehr graeiense Antwort Verengers hervorrief, dcm einer der Zuhörer es heimlich zugeschickt hatte. Ich füge diese gleichfalls hinzu, und hoffe, daß Du Dich eben so wenig als ich darüber scandalisircn wirst, uns in der crsicu Chanson als Wandalen aufgeführt zu finden. Ma»l muß dcm gekränkten Nationalstolz der Franzosen Einiges verzeihen. Mr. Lecoq a Berenger. II cst un dlcu ! devant Iui qu'on s'incline* Amis, ce dieu vous Ic connaisscz tous. La France l'aiine et l'histoire burine Son nom cheri de sages et des sous. Quand des tyrans pesaient sur la palric, Ses vers magiques ont su nous consoler; Que de nectar ma coupe soit remplie, Je bois a Berenger, (bis.) n J'ai vu Ic nord vomissant ses vandalcs De nos hameaux oscr troubler la paix Et du Volga les poudrcuses cavales Fouler 1'or pur dc nos riches guerets; Lc tri plaintif dc la Fiance asservie Reveille alors lc lath du Chansonnier 5 Qne de nectar ma coupe soit rcmplie, Je bois ä Bercnger. (bis.) Libre ct poiHe, aux nutels de l'empire II n'alla point briiler un vil encens; Mais un jour vint qu'il suspeutlit sa lyre Sur le tombeau tic ccs mänes-geants, Du labourcur la famillc attendrie Redit scs chants a l'cntour du foyer (lue dc nectar ma coupe soit remplie, Jc bois h Ečrcnger, (bis.) Reponse de Berengeii. L'A'i brillait, et ton tendre delirc En doux accents a salue mon 110111 -, Ces chants heureux echappes ä ta lyre Un vent lčgcr m'en a porte le son. 22 Grace aux accords de ta lyre badine J'aime sourir a ma divinite ; Tu m'as fait dieu; devant toi je m'inclinc; Sans t'en vouloir je bois ä ta sante. (bis.) Oui, j'ai pleure sur notre independance Quand du Volga les coursicrs vagabonds Osaicnt fouler le beau sol do la France, Un saint transport inspira mes chansons. Mon luth ulors sous mes doigts en dclirc Kendit des sons chers ä la libertö; Mais jc suis vieux, je te Itgue ma lyre ; Sans t'en vouloir je bois ix ta sante, (bis.) Cclui qui dort aux rocs de St. Helene Do sa grandeur effraya mes travaux; Mais il n'est plus et sa dernierc baleine Vint en mourant efHcurer mes pipeaux. Point ne pare de sa croix noble ct fierc Ce pauvre habit qu'ai si long temps porte ; Une autre croix brille k ta boutonnierc, Sans t'en vouloir jc bois ä ta sante. (bis.) Die Nacht war wärmer geworden. Mi hellem Mondschein, dcr die wcißcn Villen grcll bestrahlte,, und das Meer bis an den Horizont versilberte, kehrten wir, vor jedem Luftzngc durch die dichten Bernus unsrer gütigen Wirthe geschützt, erst spat nach Mitternacht heim. Glücklicherweise befreite uns cine Ordre des Gouverneurs von dcr Vcsorgniß, am Thore Uada-Au» eine ähnliche Quarantaine halten zu müssen, wie mir vor cinigcr Zeit in Toulon zn Thcil ward. Hcitcrc Gespräche verkürzten uns den langen Weg, und immer werde ick den liebenswürdigen Suavcu für diesen Tag vergnügter Erinnerung verschuldet bleiben. Auch allein und ohne Escorte, oder nur von I.... begleitet, mache ich häufig kleine Ausflüge in die Umgegend, die immer Manches, ciucm Europäer Neues und Fremdartiges darbieten. Doch sind in dieser Jahreszeit die ganz hellen Fernen, wo keine Nebel das Gebürge decken, ziemlich selten, und man darf nicht säumen sie sorgsam zu benutzeu. 34 AIs wir nculich alt einem solchen günstigen Tage auf dcm abscheulichsten Stcindamm, vielleicht der Nest ciuer römischen Strasie, lange dnvch ein undurchdringliches Gcnistc von Ricscn-Aloe's, Binsen und Dornen uns durchgewunden hatten, wandten wir uns in eine tieft Bcrgschlucht, deren Charakter mir wilder als die bisher gesehenen, und fast schwcizcrartig erschien. Wir holten eine hübsche Italiäncnn mit ihrcr Schwester ein, welche Vcidc mit vielem Mtthc und Gcschicklichkeit ihro kleinen Pferde jene, in Europa gewiß für Damen als unpassirbar geltenden, Wege hinauftrieben, die nach ihrem Landhanse führten. Dort fanden wir den Ehegemahl in einer Blouse vor dcm Thore stehend, einen Orangenbaum sintzend, und überhaupt, wie es schien, der Landwirthschaft sehr ernstlich obliegend. Die Villa war sehr reizend gelegen, und bot von ihrer Terrasse cincn reizenden Anblick auf mehrere bcbuschtc Bergthäler, mit einem Vach im Grunde, an dcm ganz neuerlich Europäische Colonisten vaterländische Mühlen auf- N gebaut hatten. Dergleichen sicht man nie in der weiten Fremde ohne cm eignes, halbwcheo, halbsüßes Gefühl. Mühlen sind aber ohnedies meine wahre Leidenschaft von jeher gcwcseu, und da die meines Begleiters sich im Gegentheil auf die Italiancrin zn richten schien, so benutzte ich Vei^ dcr lebhafte Unterhaltung, um unterdeß nach einer dcr genannten Mühlen hinabzureitcn. Der gute Ehemann hatte zwar die Gefälligkeit mich bis auf den rechten Weg zu bcglcitcn, als ich aber nachher an dm jetzt ziemlich wasserreichen Waldsirom kam, mußte- ich dennoch cine falsche Direction eingeschlagen haben, denn ehe ich mir es versah, befand ich mich auf einem, in der Regel wohl nur Ziegen zugänglichen, Fußpfade, und an einer so gefährlichen Stelle, daß dcr mindeste Fehltritt mich unvermeidlich einige Fnnfzig Fuß in den Bach hinab crpedirt haben würde. Das Fatalste war, dasi eine Felsenwand zur Seite mich auch am Hcrabspriugen vom Pferde hinderte, und ich ohnedies befürchten mußte, durch jede Bewegung 36 dem Thiere das ihm so nöthige Gleichgewicht zu rauben. An Umdrehen war gar nicht zu denken; es blieb also nichts übrig, als mich dcm Kl«moc zu überlassen, und zugleich zum Fallen zurecht zu machen. Glücklicherweise war die bedenkliche Stelle nur wenig Schritte lang, cin paar Sekunden brachten mich hinüber, nnd gleich dahinter verbreiterte sich dcr Felscnpfad bedeutend. Ich siieg hier ab, um mir die halsbrechcnde Passage noch einmal zn besehen, nnd kann versichern, daß neben der, in herabgcschwcmmten Lehm eingedrückten, Hufspur des Pferdcs kaum cinigü Zoll fester Grund auf beiden Seiten übrig blieben. Aber cin hiesiges Pferd, das man, ohnc cs zu hindern, sich selbst überläßt, wird sicher über Wege klettern, die viele Menschen nicht zu Fuße zu passircn im Stande sind. Dagegen war keine meiner Reiter-tünsie vermögend, das sonst so willige Thicrchen an das ihm unbekannte, und seiu starres Entsetzen erregende Europäische Mühlenrad zu bringen. Schnarchend und am ganzen Lcibc zitternd drchtc 27 es um und machte Miene dcn Berg in grader Linie zu cscaladiren, so, dasi ich mich genöthigt sah, die idyllische Sccnc, die ich in der Mühle vorausfttztc, aufzugeben, und aus cinem Umwege der italienischen Villa wieder zuzueilen. Nachdem ich I..<. hier abgeholt, irrten wir uoch eine ziemliche Zeit in den verschiedenen Schluchten des Hakol (allgemeiner Name des Vcrgtnotcns um Algier) umher, bis wir wieder uach Westen au das Meer gelangten, und längs diesem unsern Weg uach der Mnw äo I'^scaao, dem äußersten französischen Posten uach dieser Seite hin, fortsetzten. Dies ist eine höchst romantische Gegend, deren einsame, ernste Ufer mich dnrch ihre schwarzen, vom Meer zernagten Fclsen, ihre jähen Abstürze mit Höhlen und Grotten, in denen dic Fluthcn fortwährend brauseu uud zischen, lebhaft an die mir so thcurcu, unvergeßlichen Irländischen Küsteu erinnerten. Auch sah ich hier zum erstenmal wieder solche baumwollenartigc Flocken trockcueu Schaumes, die der Wind wie 28 im heitern Spiel bis auf die Berge herausführt. Die Ruinen des alten Fort's anf einer weit ins Meer vordringenden schmalen Fclsenznngc, von dem berühmten Barbarossa erbaut, gewähren eine cbcn so schöne Ansicht, als von seinen verfallenen Zinnen eine großartige Aussicht. Noch herrlicher ist diese jedoch noch eine halbe Stnnde weiter, wo ein Heer wunderbar gestalteter Klippen, gleich einem zauberischen Secpallast, aus den Wellen hervortanchen. Unsere Pferde an einen einsamen Fcigcnbanm bindend, der cin Grab beschattete, kletterten wir zn Fusi bis an die schwindlichstcn Stellen, und ergötzten uns an den Schanmwil'bclli, die sich aus untcrminirten Felsen-gcwölbcn donnernd hervorstürzten, oder sich ans engen Oeffmmgcu, wie Springbrunnen empor hoben. Ueberall kochte das Meer, im schönsten Grün schimmernd, wie in vielen Kesseln, und betäubte das Ohr mit einem seltsamen, bald pfeifenden, bald krachenden Getöse. Hoch über diesem Gewühl bildeten Barbarossa's blendende s5 Schloßmauern, auf gradaufsicigcnder, schwarzer Felseuwaud, den Mittelgrund, und noch hdhcr darüber erschien, mit dcn Wolken verschwimmcnd, jenseits der weiten Wasserfläche, wie anf seinem Throne sitzcnd, dcs Gebürgcs stolzer Konig, der wcißgcschcitclte vsolim-tisciwra. Vis hierher, wohin man ohne Besorgniß vor dcn Beduinen gelangen kann, sieht man immer noch einige Villen am Abhang der Küste zcrsircnt, und sorgfältige Cultur in ihrer Nähe. Wir beobachteten clncn alten Mauren, der mit seinem Sohn cine Hecke um seinen Garten pflanzte. Wie bequem hat man das hier! Er steckte nur abgebrochene Vlattzweige dcr indianischen Feige in die Erde, die dcr Knabe mit einer Gießtanne etwas befeuchtete. In zwei Jahren bilden diese schnell fortwachscndcn Blatter schon cinc undurchdringliche mannshohe Befriedigung. Von dcn Klippen an ändert sich, wie abgeschnitten, die Gegend, zwar immer romanlisch bleibend, aber wild und unwirthbar, Berg nnd 3« Thal mit dichtem Gcsirüpp von Palmita's bedeckt, der Boden steinig, und kein deutlicher Weg mehr aufzufinden. Wir wagten uns dennoch in dieser Wildniß eine Stunde mühsam weiter, cincn eigenthümlich gestalteten Berg in großer Entfernung vor uns, auf dem etwas Thurmartigcs zu sichen schien. Da ich indeß jetzt nicht allzuweit zwischen dem Gebüsch cincn auf uns zukommenden arabischen Reiter zu erblicken glaubte, uud nicht wnsitc was ihm nachfolgen konnte, so hielt ich cs für das Gerathcnste, schleunig unsern Rückweg anzutreten. Wir nahmen ihn seitwärts durch das Gcbürge, und beschlossen unsere lange Promenade mit näherer Besichtigung des kort Illinporoui', um die Zerstörung zu betrachten, welche hier, durch Iu-dlcluftsprcngung dcs Pulvermagazins, damals der Occupationsarmcc ein so schönes Schauspiel gab. Der Oberst Marcy hat noch cinen Tcppich vor scincm Bette liegen, der diese Luftrcisc mitmachte und, bis auf einige Brandlöcher, die man natürlich 3t sorgfältig conscrvirt, unversehrt wicdcr die Erde erreichte, obgleich in großer Entfernung von seinem Ausflüge. Die Franzosen haben das Fort zum Theil wieder in Stand gesetzt, cs ist indeß, da cs von mehreren nahen Höhen dominirt wird, nur wenig zur Vertheidigung Algiers, sondern mehr, um die Stadt selbst im Zaum zu halten, geeignet. Wir fanden den Commandanten unpaß im Schlafrock, und die Offiziere im bcqucmcn Ncglig« oemt« spielend; cm Sergeant führte uns umher, nnd ein prächtiger Sonnenuntergang über der erhabenen Aussicht blieb als letzter Gewinn der heutigen reichen Ernte in nnserm Gedächtniß zurück. Etwas spät kam ich noch eben zu einem clinö beim General Vro znrecht, dessen Gemahlin, eine in jeder Hinsicht ausgezeichnete Dame, zu meinen angenehmsten Bekanntschaften in Algier gehört. Der General, welcher, beiläufig gesagt, mit 15 Vlcssurcn bedeckt das Schlachtfeld von Waterloo verließ, hat viel von der Welt gesehen und in 32 ihr erfahren. Als ich über Tisch die erwähnte Scene auf dcm Fort beschrieb, sagte cr: „Ja diese Momente sind die höchsten in der Natur, aber man muß noch weiter gchen, um zu wissen, welchc Eindrücke sie zu gcbcn fähig sind. Nic wcrdc ich das sprachlose Staunen vergessen, in wclchcs mich, als ich sie zum erstenmal sah, zwei Schauspiele meines Lebens versetzten, die dennoch nur alltäglich wiederkehrende sind — ich meine dcn Aufgang dcr Sonne über die in tausend Vlüthcnmassen glühenden Wälder Columbiens, vom betäubenden Lärm unzähliger Thiere begleitet, die jubelnd dcs Tages Gestirn begrüsitcn — nnd ihren Untergang über dcn himmlischen Festen der Anden, das blendende Weiß dieser Colossc bis zur Hälfte ihrer Höhe herab in tiefes Kupferrot!) getaucht. Dies," setzte cr hinzu, „lasit Alles weit hinter sich, was Europa und Afrika's Küsten zu bieten im Stande sind<" Nun auch dies hoffe ich, wollen wir einst sehen, in der Erwartung nimm fürlicb mit dem, 3s was das bescheidene Algier reicht. Am Potsdamer Ofen bat es immer seinen Werth, und ich darf mir schmeicheln, die darbringende Freundeshand verringert diesen nichf. Der Himmel behüte Dich, und schenke Dir Frohsinn und — Avancement. Agnes und Deinen Kindern tausend Schönes'. Dein aufrichtig ergebene» Vemilasso in Afrika. >i. s Vierter Brief. An den Prinzen L. . . Algior, den A>, Februar <^,' 5. Sic haben, verehrter Prinz, an der Mittheilung der Fata meines eben so anmnthigen als furchtbaren Türken so viel Gcfallm a.'fnnden, dasi ich Sic sclbsi noch cinmal, und zwar ziemlich ausführlich von scinen Adenthcncrn nnterhalten will. Manche augenehme Stunde habe ich nm ihm vcrplanden, und hier wandrc denn ein Theil davon übers Meer. „Sie haben," sagte eines Abends Iussnf zu mir — während eine hübsche Jüdin die kleine 35 glühende Kohlc, mit silberner Zange, eben langsam auf seinen Pfeifcnkopf gedrückt hatte -^ „Sie haben meine schone lvttddu^,-u bishcv nur als girrende Taube kennen gelernt; aus dem, was ich Ihnen jetzt zu erzählen im Begriff bin, werden Sie aber bald sehen, daß auch in Ihren Adern Afrikanisches Blut rollte." «Der Pascha gab uns Mamelucken zuweilen glam zende Feste, zu denen viele hübsche Mädchen und Tänzerinnen ans der Stadt eingeladen wurden, denen wir dann anf dieselbe Art, wie Sic es hier gesehen, als Galanterie Geld anf das Gesicht hefteten, um mit dem Unterschiede, daß es statt Franken Zechiueu waren, und diese, statt wie hier eckelhaft mit Speichel, dort mit kostbarer Rosen - und Jasmin-cssenz auf ihre Stirnen geheftet wurden. Auch den Damen des Harems ist es vergönnt, diesem Schauspiel, aus wohl vergitterten Logen verschleiert zuzusehen, und in der Regel ist dies ein großes Ergötzen für sie. Doch lvublmni-a, eifersüchtig auf jede Berührung einer andern Frau durch 3« mich, ließ mir schon am Tage vorher bci ihrem höchsten Zorn verbieten, diesem Balle beizuwohnen, anch sic werde sich krank ansagen lassen, fügte sie tnnzn, nnd da ich leicht cinen ähnlichen Vorwand finden würde, mich in ihrem Gartcnsalon die Nacht erwarten, wo wir, während Ailcs auf dem Heste velsannnelt sey, sicher vor Ueberraschung eine gcranme Zeit beisammen bleiben töl^nten," «Ich crschicn zur bestimmten Stunde, und fand l III««« dann sich mitten unter sie mische, den sie nicht von Angesicht zu Angesicht sehen dürfen. „Die Sectc hat drei verschiedene Grade — t) der Schech 2) der Schansch 3) das einfache Mitglied." «Der Grosi-Schech ist unbekannt, soll aber erblich in einer genossen Familie seyn; die übrigen Schechs Gerden durch Stimmenmehrheit erwählt, und gewöhnlich unter den Schansch ausgesucht." „Des Schechs Sache ist cs, die physischen Qualitäten dev Mitglieder zu prüfen, und darnach ihre verschiedenen Thierrollen zu bestimmen oder zu bestätigen — denn es ist nicht Löwe, wer will, und Esel nur — wer musi." Bei der Aufnahme spcit der Schech dcm Aspiranten, welcher vor ihm kniet, im Namen des Stifters in den Mund, als Zeichen vollständiger Vermischung und zugleich Oberherrschaft. »Das Erkennungszeichen der Ni»«nvinl, ist:"—, d. h. zwei kurze und cine lange, welche sie sick mit dcm Inder und Mittelfinger in die hohle Hand durch dcn Druck mittheilen.« „N,litluiu war Löwe in dieser Gesellschaft, und wie ich zn dieser Kenntniß gekommen, bleibe unberührt. Es mochte ihn aber diese immer wiederkehrende Rolle ambitiöse Gedanken cingefidsit haben, und ich zweifle nicht, dast cr thörichten Hoffnnngcn Raum gab. Ehe indcst die Sache noch zu irgend einer Reife gediehen, ward sie dem Pascha verrathen, und dieser, dessen größter Luv- 44 ling ich damals war, unterrichtete mich nicht rnr genau von allen darüber 'erkaltenen Nachrichten, sondern auch von seiner Absicht, sogleich den Uu^t'Il-Nulnolueli rufen zu lassen, um dic'Ver^ schworcr, welche, wie man wnsite, eben zu Vieren in dcm Zimmer dcs Aeltestcn derselben zu cincr ihrcr tollen Ceremonien versammelt waren, sofort festnehmen, und nach Ucberführung ihrer Schuld unsrer schnellen Justiz gemäß, auf der Stelle hinrichten zu lassen. Erschrocken über die nahe Gefahr meines Freundes, übernahm ich es selbst, den Minister zu holen, eilte aber gleich nachher — um N.«ilm„, es kostc was es wolle, zu retten — in grösiter Hast an den verrathenen Ort, wo ich auch die Pantoffeln der vier Unvorsichtigen schon vor der Pforte stehen sah. Ich ließ die meinigcn neben ilmcn, drang hinein, und den tanzenden Löwen bei der Mähne fassend, rief ich ihm zu, auf der Stelle nach seinem Zimmer zu eilen, wenn ihm scin Leben lieb sey, kein Augenblick dürfe verloren werden; für das Uebrige solle er mich sorgen lassen." 45 j,Kaum hatte mein Frennd bestü^l diesct Weisung gefolgt, als ich den Znrückgebliebenen mitteilte, was geschehen sey, und ihnen Rettung versprach, wenn sic mir ihr Wort gäben auf jeden Fall von Nuäuin's Gegenwart und Mitwissenschaft zu schweigen. Dics allcin, sagtc ich/ würdc mich in dcn Stand scheu, die Gefahr noch von ihncn abzuwenden. Kaum hatte ich Zeir sie zu unternchtcn, welche Wendung ich der Sache zu gcbeu gedächrc, und ihnen die nöthigen Vcr-halrungsregeln cinzuschaifen, als der Uu8el^ MlllNtiluck erschien, der, gleich mir, das Zcichcn der Anwesenheit der vier Nadclsjührcr vor der Thm- erblickend, sie sicher zu fassen glaubte, uud nicyr wenig erstaunt war, »nich jetzt mitten unler ihnen i,n ruhigen Gespräch zu finden. Ich nahm ihn sogleich bei Seite, eriiarie, daß ich von Allem, wte er wissc, durch den Pascha in Kenntniß gesetzt, in desselben Interesse hicrscy, und mich jetzt, meiner schon früheren Vermnlhung gemäsi, völlig übcr-z^ugl habe, dast man hinsichtlich des Gegenstandes HO dieser Verschwörung ganzlich im Irrthnm sev. Ich bäte ihn daher inständig, vorlausig nichts Ernstliches weiter zu unternehmen und sich mit der Arretirung dcr Ilngeschuldigten zu begnügen, bis ich den Pascha selbst gesprochen, nnd cr hiernach neue, Befehle von ihm erhalten habe." «Jetzt ciltc ich ohne Zögern zu dem Gebieter, berichtete ihm, daß ich, voll Vesorgnifi für sein theures Leben, nach dem, was er mir vertraut, den Entschluß gefaßt, mich von dem Grunde der Sache personlich zn überzeugen. Ich fty sogar soweit gegangen, mich selbst als gekrankt und nnznftiedeu anzustellen, nm desto sicherer die Verrathcr in die Falle zu locken. Bald habe ich aber die feste Gewißheit gewonnen, dasi es sich keineswegs um eine Verschworung gegen den Pascha, sondern nur um thörichte Ordcnsgcheim-nisse, und zugleich um eine Liebschaft mit einer Dame des Serails handle, (nnd an diescm Umstände war glücklicherweise etwas Wahres), die Ciller der Anwesenden, den ich verschweigen zu 47 dürfen bätc, seit einiger Zeit angeknüpft babe. Ich wisse freilich, fnhr ich fott, daß anch dies schon die härteste Straft verdiene, docb hoffte ich, daß der Pascha diesmal, lim eines so w^f gerinn gcrcn Mrgchcns willcn ^ den Schuldigen Gnadc für Rccht angcdcihcn lassen N'cvdc. Was abcr N,o-nnis0) commandirt von Capitain l'rearä, zu seinem gewagten Unternehmen ein. Mit vielem Mißtrauen erhielt er in Uouo nur die Erlaubuiß, für seine Person allein zu landen und ward auch auf der (^»»ka von Idralüm mit zurückstoßendem Hochmuth und nichts weniger als freundlich empfangen. Doch wnßtc er sich 54 bald durch cm ftsi.'s und noch stolzeres Benehmen mehr Achtung zu verschaffen, wozu besonders dcr glückliche Umstand beitrug, daß cr unter dcr Garnison einige zwanzig Türken antraf, die schon früher unter seinen Befehlen gestanden, und jetzt ihr altes Attachcmcnt für seine Person sehr nachdrücklich bei Idrnlnm geltend machten. Dies, und der immer fühlbarer werdende Mangel an Lebensrnitteln, welcher schon manches Murren der Besatzung veranlaßt, nöthigten daher den Vcy, gelindere Saiten aufzuziehen. Das Endresultat davon war ein schriftliches Abkommen, durch welches Itn-lüilm zugestand, sich fortan nur als cm von den Franzosen abhängiger Befehlshaber in Llmo zu betrachten, und im Fall es verlangt würde, auch die (^sds, französischen Truppen ohne Weigern cinznranmen. Dagegen versprach I'ussnf im Namen des Gouverneurs, die Citadelle mit den nöthigen Lebensrnitteln zu versehen, woran sie allein Mangel litt, und nach dem Wunsche der Stadt einen französischen Konsul 55 für die Handelsverbindungen in Vmw insiallircn zu lassen. Der Herzog von Rovigo ratificirte diesen Vertrag in allen Puncten und sandte sofort ein Schiff mit Proviant ab, cscortirt von der V^niimi«^, welche Iussuf, den Hauptmann Baron d'Armandy und drei Unteroffiziere dem Bey zuführten, um ihn sowohl in seiner Vertheidigung zu unterstützen, als das französische Interesse während des Kampfes der Parteien überall in Obacht zu nehmen. Es ist hier nölhig, einige Worte über Herrn d'Armandy einzuschalten, der, mit 35 Jahren, schon in mehreren Welttheilen das abenteucrvolle Leben ciues Ariosiischcn Helden geführt hattc. Die Restauration fand d'Armandy als Haupt, mann dcr Artillerie. Seine jugendliche Leidenschaftlichkeit und sein unbegrenzter Enthusiasmus für das Idol, dem so lange Europa mit Stanncn und Furcht Weihrauch gestreut hatte, waren Ursach, dast er nicht nur seinen Abschied erhielt, sondern sogar unter dic Aufsicht dcr hohen Polizei gestellt wnrde. 56 Doch wußte er sich ihr bald zu entziehen, und eilte nach Acgyptcn, um dcm dortigcu Vicckonig seine Dienste anzubieten. Da er jedoch diese Lage nicht nach seinem Geschmack fand, begab er sich nach Suez, schiffte sich auf dcm rotbcn Meere ein, und versuchte sein Glück in Indien. Noch immer war ihm dies nicht günstig, denn kaum angekommen ward seines neuen Herrn Macht durch Englands disciplinirten Krieger anf ewig gebrochen. Er kehrte bis nach Maskat zurück, der Hölle Asiens, wo 40 Grad im Schatten eine gewöhnliche Temperatur ist. Der Sultan gab ihm hier das Commando einer Fregatte, mit der er nothgcdrungcn sich in dieses fremde Fach zu finden suchend, ein Jahr lang in dcm persischen Golf mit ziemlich günstigem Erfolge kreuzte. Eine tddtliche Krankheit zwang ihn jedoch, auch dieses Verhältniß wieder zu verlassen, und als er nach langen Leiden kaum halb genesen war, setzte er seine Irrfahrt nach Pcrsicn fort. In Korwmm-ßclmli fand er bei dcm sich fast unabhängig 57 gemachten Sohne des Schachs, Mkmnel! ^Ii Wi-Aa, cine sehr zuvorkommende Ausnahme, und in dicftr Epoche schien ihm das Schicksal am heitersten zu lächeln. Der Prinz behandelte ihn und einige seiner Landslcutc, französische Offiziere die sich ans demftlben Grunde wie d'Armandy hier cingcfundcn hatten, mit der größten Ans? zcichnung und fürstlicher Generosität. D'Armandy hatte als Oberst eines von ihm auf Europäischen Fuß organisirtcn Regiments, ansicr den gclegcut? lichen reichen Geschenken, cincn festen jährlichen Gehalt von 20,000 Franken. Er brachte zwei Jahre hier zu, während denen er mit dem großen persischen Sonncnorden, die Insignicn in Diamanten, dccorirt, znm Khan erhoben wurde, und immer mehr in der Gunst seines Gebieters stieg. Um diese Zcit begann der kurze Krieg Persicns gegen die Türkei; 30,000 Türken wurden in den glühenden Ebenen von Bagdad, durch Hülfe der Europäisch disciplinirten Trnppcn, von einer halb so großen Anzahl Perser total in die Flucht geschlagen. 5s D'Armandy ricth den Prinzen, dcn ersten Schrecken des Feindes zu benutzen, um ohne Verweilen das vcrthcidigungslosc Bagdad zu erobern. Dieser hatte jedoch, nach Art der vornehmen Perser dem Weine zu sehr ergeben, trotz dcr ungeheuren Hitze, die Freuden des Sieges durch eine Orgie gefeiert, an deren Folgen er den andern Morgen im Angcsichte dcr bedrohten Stadt seinen Geist aufgab. Dcr ihm in der Herrschaft folgende Sohn, unkriegerisch und das Gegentheil seines Vaters in jeder Hinsicht, begann sogleich Fricdcnsuntcrhandlungcn, kehrte nach I(oi-mann8oIiÄl! zurück, und verabschiedete bald darauf sämnnlichc fremde Offiziere in seinem Dienst. So von Neuem ohne Asyl, faßt d'Armandy den Plan sich zu kuliK-ol,-8ii>S zu begeben, kühn sich iu die Wildnisse des Orients und unter halb barbarische, uns fast unbekannte Volker wagend. Es bekam ihm übel; von den Sinds am Hiudus bei Hyderabad ausgeplündert, seines Ordens in Diamanten, eines großen Theils seines Geldes 99 und seiner Effecten beraubt, entging cr mit gcnaucr Noth dcm Tode. Er rettete sich über die englischen Grenzen, und da man dort von sciucn früheren Absichten nichts wnßtc, ward er freundlich aufgenommen und verschaffte sich die Mittel nach Europa zurückzukehren. Im Jahre 1823 erreichte cr Marseille, von wo cr den französischen Minister um Pässe bat, welche ihm dieser jedoch, weil cr ohne Autonsatiou des Königs im Auslande gedient, verweigerte. Es blieb ihm daher nichts übrig, als mit seinem persischen Titel und seinen glücklicherweise noch conservirten persischen Passen nach Paris zu gehen, wo sein orir atalisch es Cosiüm, von einer imposanten Gestalt und schönen Gesichts-zügcn gchobcu, damals nicht wenig Anfsehen erregte. Doch war sein Aufenthalt hier nicht von Dauer, da Herr von Chateaubriand, der ihn liebgewonnen, ihm seine Rechte als Franzose wiedergab, und ihn zugleich zum Consular-Agenten in KInKKn, ernannte. Herr von Armandy reiste sogkich ab, überstieg «0 die Alpen und heirathete unterwegs cine junge und liebenswürdige Italiancrin und ombni-yuirlo sich mit ihr für seine neue Bestimmung. Nachdem cr in Nokka mehrere Jahre ruhig gelebt, com-promittirte ihn cm griechischer Corsar im rothen Meer mit den arabischen Autoritäten. Da man ihn offen anzugreifen fürchtete, versuchte man, ihn und seine ganze Familie ncvst dem englischen Consul, der sich ihm angeschlossen hatte, zu vergiften. Durch ihre starke Constitution und schnelle Hülfe entging der Baron und seine Frau dem Tode, doch ihre kleine Tochter unterlag den Wirkungen des Giftes. Er flüchtete sich auf eine englische Fregatte, und wußte von hier aus so energische Maßregeln zu ergreifen, daß ihm das französische Gouvernement dafür durch Verleihung des weit bessern Consulats zu Damicttc belohnte. Doch die Revolution von 1830 war ihm eben so uachthcilig, als die von 1814. Das Consulat von Damicttc ward aufgehoben und Herr von Armandy blieb ohne Entschädigung, 61 bis endlich dcr Marschall Soult sich bewegen ließ, ihn von Neuem in scincm altcn Grade, als Hauptmann dcr Artillerie, anzustellen. So sah er sich denn, nach so viel bestandenen Gefahren und Abenteuern, im fünfnnddrcißigstcn Jahre seines Lebens wieder auf demselben Puncte angelangt, den er im zwanzigsten, am Morgen nach der Schlacht von Montmirail, zum erstenmale eingenommen hatte. Dies war dcr Mann, welcher in Verbindung mit seinem Freunde Iussuf, die als ein Herz und eine Seele handelten, durch eine dcr auffallendsten Thaten tton« für die Franzosen erobern sollte. Ich kehre jetzt zu meiner Erzählung zurück. Als die beiden Freunde in L»88i>» zurücke zuziehen und dort ruhig seine Ankunft zu erwarten. Hierauf setzte er sich mit Inssnf und zwei Kanonieren in einen Kahn; Capitain ^»'ln-ll dot ihm mit Eifer 30 seiner Matrosen zur Begleitung an, doch Herr von Armand», mit jenem ruhigen Hcldcnmuth, der ihn charakterisirt und auf scinen edlen Zügen so deutlich ausgeprägt ist, erklärte, daß, ehe er das Leben so vieler tapfern Franzosen der Gefahr aussttzc, er es für scinc Pflicht halte, sich zuvörderst mit seinem Freunde allein genau von dem wahren Stande derSachm zu überzeugen. Der Kahn stieß ab, und bald sah man das sich dcvonircnde Frcnudcspaar mit schnellen Schritten blos von den zwei Kanonieren gefolgt, den steilen Berg von der Sccseite ersteigen und hierauf in herabgcworfencn Stricken die Mauern hinan-klimmcn. Eine kurze Inspection des Forts zeigte d'Armandy, daß es dort weder an Geschütz noch hinlänglicher Munition, sondern nnr an Lebens-mittcln fchlc. Er bat daher Inssuf, einstweilen 68 das Commando zu übernehmen, und kehrte zum Schiff zurück, um das noch Nöthige selbst herbeizuschaffen. Dort war »wch eine hinlängliche Quantität Reis, Schissszwicback und gesalzenes Fleisch vorhanden, welches Alles ihm der Capitain der Loarimi»o mit Vergnügen auslieferte und ihm zugleich die schon früher angebotenen dreißig Matrosen überwies, um die Besatzung der Onssk» zu verstärken. In zwei Parteien, von denen nur die eine durch einige Plänkler Lou - ^.'i8«a's bemerkt, und ohne Erfolg angegriffen ward, erreichten diese Braven auf einer Strickleiter, die ihnen Iussuf hcrabwcrfcn ließ, mit d'Armandy an ihrer Spitze, und einem Theil der für die Garnison bestimmten Lebcnsmittcl unter sich vertheilt, die Oa»8ba; worauf sogleich die aufgezogene französische Fahne dem erstaunten General des Bey von Constantine die, wie im Traum der Nacht bewerkstelligte Eroberung der Citadelle anzeigte. Im Heftigsien Zorn ließ er d'Armandy sagen, er habe ihn getäuscht und überlistet, aber er solle es bald bercucu; zugleich bcgaun er lnehrere Demonstrationen, dic einen nahen allgemeinen Angriff voraussetzen ließen. Unter andern bemerkte man Truppen, die dic Communication mil der See zu unterbrechen suchten, und sah aus einem Hügcl drei arabische Chefs stehen, welche dort mit einer Recognition beschäftigt schienen. Der Mm-öcka! 85a und Ivlu-a8o1ma vorläufig nur auffordern zu lassen, einen Fremden von Distinction, der unter dem Schutz des französischen Gouvcrucmcuts siehe, durch die Ebene von NoUl^eiliali, im Bereich ihrer respective« I'libu», zu begleiten, und nach besten Kräften für seinc Sicherheit zu sorgen. In Folge dieses Befehls, mit dessen Ausführung der von den Franzosen gesetzte Aga der Plaiuc, der Oberst Mm-ov, beauftragt wurde, — cm fthr verdienter Offizier und schon dadurch ungemcin interessant, dasi cr Sprache und Sitten der 92 Araber, die cr befehligt, auf tauschende Weist sich selbst angeeignet hat, — erschien der (^älä von Uoni-M,»8a mit cincr Escorte scincr Araber an einem Freitag früh, (denn der Zufall will, wie es scheint, Semilasso von allem Aberglauben heilen), um ihn zu dcr vorhabenden Ercnrsiou abzuholen. Unser Freund sing damit an, dem einäugigen t^aic^ nebst seinem Bruder und stinem ersten Lieutenant, ein europäisches Frühstück anzubieten, das durch diese etwas wilden Gäste einen nicht wenig originellen Anstrich erhielt. Die Os-manli's tranken übrigens dabei Champagner, und aßen von einem wilden Schweinökopf, mit aller Zuversicht der besten Christen; waren auch, als nach beendigtem Mahle die ganze Gesellschaft zu Pferde stieg, so animirt, daß sie kaum das Thor hinter sich hatten und auf dem Mccrcssirande angekommen waren, als sie schon, nach arabischer Weise, ihre Pferde, wie im fmgirten Kampf, toll umhcrsprcugten, und es darin Einer dem Andern zuvor zu thun suchten. Der Oberst Marcy hatte 93 die große Gefälligkeit gehabt, Scmilasso sein Streit-roß mit allem orientalischen Schmuck, der dem Aga zukommt, für die Zeit der Erpedition zu leihen, und cr war daher so gut wic irgend Einer beritten. Doch mißbrauchte man nicht zu lauge die Bereitwilligkeit der feurigen Thiere, und bald ordnete sich auf dem schlechten Steinpflaster der alten römischen Straße die Cavalkadc im bedächtigen Schritt. Man zog zwischen so hohen Hecken indianischer Feigen hm, daß sie den Reitern vollkommenen Schatten gewahrten, eine große Wohlthat bei der schon mächtig waltenden Hitze. Nach einigen Stunden gelangte man an die letzten französischen Blockhäuser und den ^v^t8ol,) den man in einer ziemlich tiefen Furt passirtc. Hier wurde einige Minuten Halt gemacht, um die Pferde trinken zu lassen, und auf Einen der Gesellschaft zu warten, der ctwas zurückgeblieben war. Bei die-scr Gelegenheit durchritten von der andern Seite auch mehrere Araber, meist auf kleinen, schwcrbc-packtcn Eseln sitzend, den Fluß, was mit allen 94 diesen verschiedenen Gruppen ein eigenthümliches Genre-Bild abgegeben haben würde; besonders als dcs letzten Beduinen armes Thier mitten im tiefsten Strom unter seiner Bürde erlag, und mit wahrer Engels- oder Esclsgeduld, nur zuweilen, gleich einem Karpfen noch den Kopf über das Wasser streckend, nach Lnst schnappte, dann sich ruhig sinken licß, und ohne einen Lant von sich gegeben zu haben, ersoff. Erst nach vieler Mühe und Zeit gelang es den Arabern, die Effecten aus dem Waffer zu ziehen; den sich nicht mehr rührenden Escl schwemmten die Fluthcn mit sich fort. Vom.4rat8eli an begann die Ebene sich sanft, aber fortwährend, gcgcn die Verge zu erheben, und bot ein durchaus trockenes Terrain dar, zuweilen mit etwas Sand untermischt, aber meistens ans fruchtbarem Lchm oder schwarzer Dammcrdc bestehend, überall entweder mit grünem Gras oder niedrigem Strauchwerk bedeckt. Gegen Abend erreichte die Caravanc wohlbehalten It<:i,i-Uu8«a, zwei Stunden vom Atlas entfernt, wo der Oäiä 95 seinen llaulok, eine Art Hof mit steinernen, sehr elenden, Gebanden umgeben besitzt, die bci seinem früheren Handwerk vielleicht dazn bestimmt warcn, dcn gemachten Naub in Sicherheit zu bringen. Ein schlecht gehaltener Orangcngarten, mit ciner undnrchdnnglichm Hcckc von Aloö umgeben, schloß sich auf der einen Seite an das Gebäude, und nicht weit davon entfernt, breitete sich auf der andern ein hübsches Wäldchen von wilden Olivcndäumen, lüuroudior^ und hohem Strauchwerk aus, iu dem ein Dorf liegt, das jedoch der emporsteigende Rauch allein verrieth. Dieser Vor-gruud, mit dem dunkelblauen Gebürge dahinter, bildete eine zwar wilde, aber anziehende Landschaft. Zwanzig bis dreißig Araber saßen bei Ankunft der Reisenden vor dem Hanse anf dem feuchten Rasen, und neben ihnen lagen ein halbes Dutzend wilde Schweine, die sie so eben erlegt, von denen sie aber nur die Häute gebrauchen, das Fleisch "ber, dessen Gcunsi ihre Religion verbietet, ins nahe Gcbüsch werfen, und dort verfaulen lassen. 96 Sic nahmen von dcn Fremden wenig Notiz, küst-tcn ihrcm <^m ward dcr Weg mit erneuten Kräften durch ein so gut bebautes Land fortgesetzt, daß mau unter andern daselbst ein Feld Bohnen gewahr ward, die bereits drei Fuß Höhe erlangt hatten. Am Ende dieses Landstrichs, und auf dcr andern Seite, dicht au steinige, dürre Berge gelehnt, lag cine Meierei des l>m^ Ilalli-al^ wo er seinen Gaste», das Abschicdomahl hatte bereiten lassen. Dies Ill war ganz europäisch ländlich arrangirt. Teppiche, auf grünen Rasen unter blühenden Mandclbäumcn hingcbrcitet, eine Mattc gegen die Strahlen der Sonne aufgehangen, Schüsseln mit Milch, (5u8-l?u88u (unserer Grütze nahc verwandt) und cine Art trockener Plinsen daneben gestellt; dazu rund umher ein Obstgarten, wovon einige Quartiere mit Gemüse bebaut waren, — man würde sich bei einem unserer Pächter geglaubt haben, wenn nicht die colossalen Aloöhcckcu, und die wilden Beduinen selbst mit dcm t^ini<^ der, obgleich er an 20M0 waffenfähige Männer befehligt, dennoch nicht einmal ein steinernes Hans besitzt, sondern mit seinen Weibern nnr in Zelten wohnt. Für vie Gäste war cinc grosic Hütte, transparent ans Aesien geflochten, bereitet, mit Teppichen ansgclcgt, nnd Semilasso's Lager zur Auszeichnung rund umher mit Strohmatten umhängen, welche den Lnftzng ctwas besser abhielten. Eine große Menge Vcduinen, die sich, gleich ihrem Chef, sehr vorthcilhaft von den Vorigen auszeichneten, empfingen die kleine Cara- vane mit großer Herzlichkeit und freundlicher Neugicr. «Meiner Hütte widerfährt Ehre dnrch Eure Ankunft,« sagte der ^ukl, an seine Vrnst fassend, zn unserm Frcundc; ?,der Hcrr scgne Eucrn Eingang nnd Ansgang, und möge der letzte so spät als möglich erfolgen.« Hierauf ward dcr Kaffee scrvirt, man setzte sich nieder. t17 rauchte, unterhielt sich, und kurz nachher brachten 5 bis 6 Dicncr cm wcit reichlicheres Gastmahl, als das gestrige war, herbeigctragen. Bei diesem zeichnete sich, als der arabischen Küche die größte Ehrc machend, eine Schüssel saftiges Lammfleisch mit dem weichen Theil der Artischocken, in cincr säuerlichen Sauce von Milch, Eiern und Citronen-saft (der russische« Kohlsuppe etwas ähnlich), sehr aus, so wic gleichfalls farcirtcs Kraut mit Reis uud gehackten: Hühnerfleisch, auch uoch ein drittes Gericht gebratenen Hammelfleisches mit Mandeln, Maronen und Rosinen, alle drei gewiß nach Traditionen altromischcr Küche bereitet. Im Uebrigen war alles Ceremonie!! dem früheren gleich, nur mit dem Unterschiede, dasi nichts diesen <^mä und seine Leute bewegen konnte, weder vom angeblichen Acpfel- noch andrem Weine oder Liqueur das Geringste zu sich zu nehmen; eine Psiichtbcobachtung, die immer eine günstige Meinung von dem Charakter derjenigen giebt, die ohne Affectation so gewissenhaft sind. N8 Unser Freund hatte während des Tagcs oft scine Blicke mit Verlangen nach einem majestätischen Verge, Ilammal genannt, gerichtet, der hoch übcr die andern emporstieg, und dessen schön gezackte Form sich schon von Algier aus im ganzen Gcbürgc auszeichnet. Er benutzte jetzt dic trauliche Stunde nach Tisch, um den (^id durch Lieutenant ^daib^ über diesen Verg auszuforschen, und ihn zugleich zu sondireu, ob cr es wohl übernehmen wolle, die Fremden dahin zu führen. Der Oma wies dies jcdoch bestimmt von sich. »Seit Du unsre Schwelle betreten," sagte cr zu Scmi-lasso, „ist die Schmach, die Dir widerfahrt, die lmsrigc, der Schaden, den Du leidest, trifft uns. Dein Wohl ist das mcinigc — ich darf Dich keiner Gefahr aussetzen.« Guter Rath kömmt über Nacht, dachte Scmitasso, und legte sich zur Ruhe; doch die dosen Geister der Ebene in Flohgestalt versagten ihm, so müde cr war, abermals den süßen Schlaf. Es gab hier sogar von diesen Würgengeln ganz neue Arten, nicht nur schwarze, 119 sondern auch gclbe und graue, von denen die gcl-ben die unbarmherzigsten waren. Am Morgen sah jeder Leidende seinen Körper roth gctiegcrt, wie beim Nesselfieber, abcr anch Heute trat mit der Sonne wieder völlige Ruhe cin. Dic Natur ist gütig, stlbst in ihrem Zorn. Der c?ui(i hatte bei seinen Francn geschlafen, und als er früh erschien, mußte ihn Herr ^daid^ von Neuem, hinsichtlich des Verges bearbeiten, doch mit eben so schlechtem Erfolge als am vorigen Abend. «Wir müssen uns in die Nothwendigkeit fügen,« sagte der junge Offizier, Scmilasso Rapport abstattend, „der Omä versichert, wie gestern der von Ueni-Mi88a, dahin könne man nur mit 2000 Mann den Weg unternehmen, nnd er cs daher durchaus uicht verantworten, wenn er sich überreden ließe unserm Wunsche nachzugeben." Doch nnser Freund gab noch weniger nach. Er supponirte ganz natürlich, daß Herr ^dai!,)'-, seine eigene Verantwortlichkeit beim Gouverneur im Auge, nicht allzu ernst in den dunl habe 12tt dringen mögen, und da cr einen Neger mit sich hatte, dcr ebenfalls gclanfig arabisch sprach, so nahm cr sich vor, noch einmal allein mit diesem, sein Heil bei dem l^aiä zu versuchen. Er fing damit an, ihm zu erzählen, daß er in einem Reiche geboren sey, welches einst die Araber erobert nnd lange besessen, so dast sein halbes Vlnt den Arabern angehöre, cr anch die weite Reise nur unternommen, um, so vicl cr könne, mit seinen Vedninischcn Brüdern zu verkehren, und sich ihr schönes Land genau zu betrachten. Aus diesem Grunde wolle cr jetzt auf des Verges Spitze steigen, um weit und breit hinauszuschaucn, und für das Wohl seiner Freunde dort zu Allah zu beten. Deshalb auch fürchte cr keine Gefahr, und was die Verantwortung beim Gouverneur bcträfe, so nehme cr feierlich Alles aus sich selbst, und verbürge dem t^aiä, desscu Weigerung hinlänglich seine gute Absicht bewiesen, bei jedwedem Ansgang dic Anerkennung völliger Schuldlosigkcit. 121 Als er, nach diesen und ähnlichen Ncdcn, den guten ^rad^ schwankend werden sah, bediente cr sich noch einiger magnetischer Mittel, deren Geheimnisse cr uns nicht verrathen hat, die jedoch keineswegs in Gelde bestanden — nnd nach langem Zögern erreichte cr endlich seinen Willen. »Wohlan!« sagte der Chef, „es sey darnm, jedenfalls werde ich vor Dir sterben, wenn es dazu kommen sollte. Indessen fürchte ich weniger einen Angriff feindlicher Krieger in jcncr Gegend obgleich der jnngc Loii-8amü,i (einer der wildesten und blntgierigsien Feinde der Franzosen) ftinc Strcifzügc znwcilcn bis dahin ansdehnt; als vielmehr einzelne Räuber, von denen ich erst kürzlich einige bestraft, nnd die leicht aus den Gebüschen uns einen mörderischen Schuß nachsenden tonnen. Doch Dn willst es, nnd so geschehe es; eile aber mm, dast wir zu Pferde sieigen, denn wir haben einen Marsch von acht Stunden vor uns." In wenigen Minuten war Alles in Ordnnng und dcr Zug sttztc sich in rasche Bewegung. Er l22 bestand aus demselben Personale wie gestern, mit Ausnahme des Banquiers, der nach Algier zurückgekehrt war, und für etwaigen Kampf durch zwei der Escorte noch hinzugefügte Beduinen reichlich ersetzt wurde. Als erster interessanter Punct bot sich 8uk^ v! - vsolionim» (Freitagsmarkt) am Ufer der tlam^so dar, rund von grünen Bergen umgeben, mit dem majestätischen Ilammai im Hintergründe. Nachdem man dcn Fluß zweimal passirt, kam man in immer schwierigeres Terrain, das jedoch an viclcn Ortcn sorgfältig angebaut war. In der Ferne siicg der Rauch aus mehreren Dächern auf und hie und da sah man pflügende Kabylen, die wenig Notiz von dcn Reitern zu nehmen schienen. Ein hoher Berg ward mühsam erklettert und nun zeigte sich den Reisenden ein schbu bewaldetes Thal, mit einem Bcrgbach im tiefen Grunde, das vorne wilde Felsen überragten, und aus dem seitwärts mehrere weite Schluchten sich nach verschiedenen Gegenden hinzogen. Man 123 mußte auf wahren Ziegcnpfadcn bis an das Wasser hinab, und auf der andern Seite noch hdhcr wicdcr hinal'frciten. Dcr Wald bestand weniger ans Stämmen, als aus Sträuchern von 12 bis 15 Fuß Höhe, zum Theil mit rothen Blüthen geschmückt; viele davon waren so gleich und dicht gewachsen, als seyen sie mit dcr Schccre beschnitten, und cincn Theil dcs Strombettes füllte weithin nichts als Oleander von ungewöhnlicher Größc. Auf den einzelnen grünen Abhängen dazwischen weideten zahlreiche Hecrdcn schwarzer Ziegen, die lustig von Fels zn Felsen sprangen; auch viel Geflügel ward aus den Sträuchern gejagt, doch versagte man sich alles Schießen, um keinen unnützen Allarm zu verursachen. Einige Stunden lang behielt das Land ziemlich denselben Anstrich, mit immer beschwerlicher werdenden Wegen, bis man endlich am Fnße dcs Ilkmmai und dcs Eberflusses ankam, wo in eben so furchtbarer, als romantischer Gegend, zwei Dörfer, deren geflochtene Hütten großer und dichter ls4 als die bisher gesehenen erschienen, einander gegen,-über lagen. Hier ward auf einem grünen Hügcl Halt gemacht und vom (Mä die Gastfreundschaft cincs Schechs der Kabylcn angesprochen, der, weit entfernt, sich feindlich zn zeigen, im Gegentheil die Gesellschaft mit der herzlichsten Bereitwilligkeit empfing. Man lagerte sich unter einigen uralten <^arou?>i«i-5, im Rücken das Dorf Uarel-Vmvn^ mit Gärten am Abhang über sich, vorn im Grunde den Fluß, an dessen gegenüber liegender Seite der crsic Absatz des Illunmal sich crhob, mit einer prächtigen Hohle an seinem Fnsi, deren kohlschwarzes Gewölbe gegen die weißen Kalk-fclstn wundersam abstach. Die Türken sollen in dieser Höhle Pulver bereitet haben, und bei ihrer näheren Besichtigung zeigte der Schech eine Art natürlichen, gewundenen Schornsteins in der Ecke, durch den man mit Hülfe einer brennenden Fackel bis zn einem Platz in bedeutender Hohc hinanklimmcu konnte, wo 125 früher cin HIm-ädm als heiliger Einsiedler lebte. Kein anderer Zugang als dieser fühlte zu seiner Wohnung, so dast wohl nie, cinc Einsiedelei zweck> mäßiger angelegt worden ist. Nach kurzer Ruhe schickten sich die Reisenden zur Ersteigung des Verges an, nur von einem Diener des Schechs vom Stamme ^!»moun<1, oder einen der Fremden selbst, zu deren Dienst er mitgenommen worden war. Ein Anderer hatte für ein solches Benehmen leicht Prügel davon getragen, da cr aber allc scmc „Tricks" mit soviel Laune, Schlauheit und Verstand auszuführen wusite, und immer eine drollige Entschuldigung bei der Hand hatte; so brachte cr cs dahin, daß man sich Alles von ihm gefallen licfi, und ihn zur Compensation nur fortwährend neckte und auf allc Weise in den April zu schicken suchte. Besonders bestrebte man sich ihn böse zu machen, was man sogleich erkennen konnte, wenn er mit ganz feiner, heiserer Stimme, UN mit dcn leidenschaftlichsten Gesten, und cnm unglaublichen Volubilitat der Znnge zu Herrn ^dai!)v oder zu dem (M! arabisch zn sprechen anfing. Er sah hierbei cincm Assen so täuschend ähnlich, dasi selbst die ernsten Beduinen sich des Lachens nicht enthalten konnten. Als sein entschiedenster Gegensatz trat dcr Maure auf, dcr den andern Packesel dcr Caravanc besorgte. Dieser Mensch war von einer solchen Unbeholfcnheit und Apathie, daß er unter andern fast zwei Tage lang nichts zu csscn bekam, weil er sich nie weder ctwas selbst genommen, noch etwas verlangt hatte, sondern fortwährend Tabak kauend in einer Ecke saß, wo er endlich gegen Ali erklärte, daß er es nun vor Hnngcr nicht langer aushalten könne. Er trug einen spitzen Strohhnt, wie ein Chinese, dcr vorncsslich zu seinem dnmmen, phlegmatischen Gesichte pasire, und bot so, besonders wenn er mit nntergcschlagenen Beinen mitten anf dem Gepäck seines schwer beladcnen Esels thronte, Scmilasso's Schreibelateme in der Hand haltend, 141 die außerdem noch mit einer Schnur um seinen Leib befestigt war, wirklich eine dcr ergötzlichsten Carikaturcn dar. Man hatte ihn wegen dcr Latcrnc vioKmies getauft, und ^!i erholte sich an diesem Unglücklichen von allen den Neckereien, die er von der übrigen Gesellschaft erdnldcn mnßtc. Man hatte glauben wogen, daß er ihm einen Schlaftrunk beigebracht, denn an einem einzigen Tage fiel dcr Kcrl dreimal im sanftesten Schritt seines geduldigen Esels, wie ein Mehlsack zur Erde, immcr ein andres Glas der Laterne zerbrechend, so daß diese sich am Abend gänzlich außer Dienst gcsetzt befand. Es ist wahr, daß ^Ii, ohngcachtct aller Verbote, die Katastrophe jedesmal, unter wieherndem Gelächter, durch einen Pistolenschuß herbeiführte, den er dem selig schlafenden Mauren hart am Ohre abfeuerte. Die heutige Excursion richtete sich nach dem l^ap HlaM,, der äußersten Spitze einer, mehrere Stunden weit in das Meer hervortretenden, Landzunge dcr Ebene von Hlotüwolnak. Man kam 14s durch anmuthigc Gegenden, welche ungcmcin reizende Wellenlinien dcs Terrains, mit anfthn, lichen Sccn untermischt, bildeten, und dic herrlichsten Gesichtspunttc, sowohl nach dcm Gcbürgc als dcm Mecrc hin, gewährten. Nicht leicht mochte sich irgendwo cinc günstigere Lage für Anlage größerer Landschaftsgartcn finden. Nur weniger Anpflanzungen von Baumgruppcn bedürfte es, um die mannigfaltigsten und zierlichsten Bilder in Menge hervor zu rufen; nnd man muß es bejammern, einen so köstlichen Landstrich in jeder Hinsicht, mir dem vortrefflichsten Boden, der Alles hervorzubringen im Standc ist, nur als eine endlose Wüsic vor sich zu sehen. Dcmohngcachtct ist nicht zu zweifeln, dast einige Hauptcanälc mit vcrschicdncn kleinern Abtheilungen, theils in das Meer, theils in schon vorhandene oder leicht zu bildende Landsten geführt, vorzüglich aber reichliche Vaumpflanzungcn und Anbau, bald dieses ganze unermeßliche Terrain von dcn ungesunden Ausdünstungen befreien würden, die es 143 jctzt, namentlich für Europaer, fast unbewohnbar machen. Theilweise ist allerdings die Ansführnng dieses Planes unmöglich, abcr cin Capital von 10 bis 13 Millionen Franken, würde, wie man nicht ohne Grund annehmen kann, von Anfang an, für das Ganze hinreichend gewesen seyn, und sich später zu ungeheuren Zinsen vcr? intercssirr haben. Es scheint daher sehr unzweckmäßig, daß das Gouvernement, ohne selbst etwas zu thun, bereits den größten Thcil der HloUlisciüuli an Einzelne für ein Spottgeld verkauft bar; denn diese tonnen eben einzeln nichts von Erfolg unternehmen, und sollte es später das Gouvernement oder eine Compagnie noch thnn wollen, so werden die jetzigen Besitzer nicht ermangeln, übertriebene, abcr ganz legale Entschädigungsfor-dcrungcn zu machen. Was dagegen die Unsicherheit, hinsichtlich dcr Beduinen, betrifft, so glauben unsere Reisenden nach den an Ort und Stelle gemachten Erfahrungen mit Bestimmtheit, daß durch ein zweckmäßiges Benehmen dcr Colonisten, 1^4 und einige (vcrhältnißmasiig immer höchst geringe) im Ansang als Geschenk dargebrachte Gcldopfer, dieses Hiudcrnisi sehr schnell ganz und gar verschwinden würde. Da, llivilw ot imporll) sollte dcr Wahlspruch jeder Behörde schn, die mit den Arabern zu thun hat. Ehe man das Mccrufcr erreicht, windet sich ein schmaler Fußsteig durch eine mehrere Stunden im Umfang haltende, fast undurchdringlich dichte Remise niedrigen Strauchwerks, in denen sich eine Menge wilder Schweine und anderes Wild-pret aufhält. Hier giebt es für den Iagdlicbhabcr eine reiche Ausbeute. Schon von weitem erblickt man die Ruinen des alten N,u8wilium oder lius-SuiiM) die zwar einen sehr großen Raum einnehmen, aber nur an manchen Orten lwch, aus dem dornigen Gestrüpp, über den Boden hervorragen; auch haben die bisher gemachten Nachgrabungen nur wenig Ausbeute gegeben. Am malerischsten sind die Reste alter Bcfcstiguugswcrkc am Meere, zwischen dcren hcrabgcfallcncn Mauersiücken sich 145 die Wogen schäumend brechen. Eine Viertelstunde weiter sicht das jetzt verlassene türkische Fort, ein schönes Gebäude, das mit der Menge zerstreut daliegender Kugeln, u»d 23 auf seiner Terrasse umher geworfenen, eisernen Vierundzwauzigpfün, dcrn, die großtenthcils vernagelt sind, cincn höchst auffallenden Eindruck zurücklasit. Das noch immer vom vergangenen Sturmc sehr bewcgtc Meer sä)wcmmtc, währelld die Reisenden an ihm hin, zogcn, mehrere Reste von wahrscheinlich in der vergangenen Nacht gescheiterten Fahrzeugen auf seinen Fluchen heran, und in einer Vucht fand man drei Handclsbarkcn mit ihrer geringen Mannschaft auf den Sand geworfen> die, von Voll!» kommend, sich lneher mit genauer Noth gerettet hatten. Man kann miu--U<üvoliivi, von der "lrüiu IIol!^^l,i>», einem ehemaligen Stallmeister des Dey, bereitet worden war. Man erreichte noch vor Sonnen,-Untergang das dicht nmbuschtc Dorf, welches er bewohnt, und fand cinc ähnliche, noch grössere 147 Hütte als in KKrH8<;Iumll aufgeschlagen, die jedoch hellte außer den Reisenden, welche nur eine Seite derselben einnahmen, auf der andern auch ihre Rosse beherbergen mußte. Das sich stets ziemlich gleiche Abendmahl ward, bei immer genauer sich anknüpfender Bekanntschaft, mit noch größerer Fröhlichkeit als die übrigen eingenommen und bis lange in die Nacht hinausgedehnt. Der arme Ali war dabei wie gewöhnlich das Stichblatt. Da er mit seiner nnnachahmlichcn Sorglosigkeit unterwegs cincu Teppich und eine Vcrnus, au sich nicht wctthlose, jetzt aber doppelt kostbare, Gegenstände verloren, so war er etwas ernstlich dafür angelassen worden, und sogar nahe daran gewesen, eine fühlbare Züchtigung zu erhalten. Halb aus Zorn und halb aus Furcht, oder auch um seine Herrschaft besser zu rühren, fingirtc er krank zu seyn, und bemühte sich auf groteske Weise, ein Fieber darzustellen. Als jedoch das Essen aufgetragen ward, hiclt er es für rathsam, schnell iu eine sichtliche Besserung 1^6 übcr zu gehen; doch der Major, welcher erklärte, früher Medicin siudirt zu haben, fühlte ihm gravitätisch au dcn Puls und entschied, daß er bei Lebensgefahr in 24 Stunden nichts mehr zu sich nebmcn dürft. Dies erschien dem wie vom Donner gerührten Ali außer allcm Spaß, nie hattc er mit eincr dccibirteren Castratcnstimmc arabisch gesprochen als diesmal, nnd sich dcbat, tircnd, und gcsticulircnd, wie cin Wahnsinniger, schwur cr zehnmal bei scincr Ehre, daß sich nie das Fieber bei ihm anders, als durch cinc Art Heißhunger lose, und daß cr gewiß sterben würde, wenn man ihm nicht sogleich zu essen gäbe. Er wnrde langc gequält und von dcn dampfenden Schüsseln mit Gewalt abgehalten, bis er endlich seinen Vortheil ersah, sich mit der Gewandtheit cincr Katze eines gebratenen Huhnes nnd eines halben Dutzend harter Eier bemächtigte, nnd damit schleunig in cinc Ecke flüchtend, dort unter den fortwährenden Sanasmen seiner Peiniger sein Fieber bald gründlich curirt hatte. 1W Eine nene Erscheitluug bei diesem Mahl waren mehrere ausgezeichnet schöne Windhunde, die mail gegcu die kalte Witterung mit vorn auf dcr Brust anschließenden wollenen Decken, wic die der Pferde bci unS, vclfthcn hattc. Man gcwbhut sich an Allcs, anch an dic Flöhe. Znm crstenmal schlicf Scmilass» ungestört und sanft, an scincr rcchttn Seite dcr <^m»l^ an scincr linkcn dcs ftligcn Dcy's Stallmcistcr, cine wahrc Figur d^s Alrcithnms, dem Abraham in dcr. großen Vildcrbibcl zu M.....so täuschend ähnlich, als wenn der Schech dcm Maler dazu Modell gesessen hätte. Der schönste Sonnenschein, dcr klarste Crystall-himmcl begrüßte am ziemlich spaten Morgen dic Langschläfer, worauf dic sicts fertige Pfeife, mit der aromatischen Bohne von Mokka, noch eine andere Stunde hinnahm; und da die letzte Tour der, gern uoch aufgeschobenen, Rückkehr nicht lang war, brach man erst gegen Mittag auf. Man haue die Absicht, dcm letzten <^uä dee Ebene, ""^"i-", der mit einigen hundM.Spahio im 150 Sold des französische Gouvernements sieht, nnd das l'ui-l do 1'oku besetzt hält, einen Vesuch zu machen. Eine Zeit laug dem Mecrc folgend, kam man bald an die vom Gewitterregen in cincn heftigen Strom verwandelte llamv«o. Die Beduinen probiltm geraume Zeic, ehc sic cine sichere Furt anssandcn. Man brachte nun die Esel zuerst hinüber, welche mehrere Araber führten; Einige der Gesellschaft folgten. Die Gegend betrachtend, hatte unser Freund sich noch am Ufer verhalten, und ritt jetzt in der Zerstreuung, ohne Bcsorgnisi unter der Furt in den Fluß. Weiter vordringend hörte er zwar hinter sich den zurückgebliebenen dä'i'll lant rufen, da er aber die Sprachc nicht versteht, glaubte cr, es gälte den übrigm Arabern, als plötzlich sein Pferd in ein Triebsandloch gcrieth, nnd bis an den Sattel versank, so daß es weder mchr vorwärts noch rückwärts tonnte. Da zugleich die Fluth anf das heftigste an das fast bewegungslose 15! Thier anstieß, so fühlte sein Reiter, daß eS im Begriff war, umgeworfen zu werden. Er wollte abspringen, seine beiden Bcruus hatten sich aber so um die Pisiolenhalstcr gewickelt, daß sic ihn festhielten, und cr ware ohne Zweifc! untcr das Pfcrd gerathen, und dann wahrschcinlich vcrlorcn gcwcscn, wcnn dicfts sich nicht hältc längcr aufrecht erhalten können. Hier bewährte sich die treue Gesin, nung des <üm<,l auf cinc wahrhaft rührende Weise. Scmilasso, der sich selbst nichts weniger als in angenehmer Gemüthsbewegung befand, und sich Hülfe herbeirufend umgewendet hatte, erblickie ihn ganz verstört am Ufer, wie er seine Beduinen mit Fäusten schlug, um sie anzutreiben, sich in den Fluß zu werfen und das Pferd am Zügel zu ergreifen. Vier bis fünf befolgten auch augenblicklich dcn energischen Befehl und kamen wahrlich zur gelegenen M, denn sie hatten die größte Anstrengung nöthig, um das geängstete Thier ans dem Triebsand loszumachen, uud wieder iu die n'chte Fnn hineinzubringen. Scmilasso kam auf l52 diese Art mit einem bloßen kalten Bad»: davon, und da eine glücklich überstaudenc Gefahr immer zu den angenehmsten Begebenheiten gehört, glaubte er seinem Ki8mot. nur Dank dafür schuldig zu seyn; doch ermangelte er nicht, diese B.gcbenhcit auf d^'n unglücklichen Frcitag zu schi^bcu, dcsscn unhcilvolk Wirkung sich noch zulctzt geltend machen sollte. Besonders maliciös fand er es aber oou dieser mibekannten Machl, daß sic so ironisch damit begonnen hatte, vor ftincu Augen einen Esel ersaufen zu lassen, und am Endc der Fahrt ihm selbst cin gleichcs Schicksal bereiten zn wollen schien. Man gelangte jetzt in cine lachende, wiesen, reiche Gegend, wo mehrere verfallene Gebäude auf den Hügeln die N,u«5>iw genamu, eine ehemalige Stutterci des,Dey, das Pittoreske der Scene nngce mein vermehrten. Seitwärts lagerte iu schwarze« Zclten , gleich Köhlcrhüttcn < der Stainm der Il^i'l-idv. die sich um die Reisenden versammelten, und ihnen nnentgelllich frische Mllch und seln- 153 guten Rahmkäse anboten. Zugleich langten zwei Spahis von Uvil-^vKri an, und meldeten ^ daß ihr Chef seine Gaste bis gestern mit großer Sehnsucht erwartet, heute aber in Dicnsigeschäftcn yach der Stadt gcrufcn worden scy. Man hielt sich also im lolt llo l'^Nu mcht länger auf, als nöthig war, um es, nebst einer colossalen türkischen Kanone voll arabischer Charaktere, flüchtig zu besichtigen, und setzte dann seinen Weg bis zur muisuil lzuklr^u fort. Dic5 ist ein prächtiges Gebäude in der schönsten Lage, dessen Erbauung, wie man erzählt, dem Aga, der sie unternahm, dcn Kopf kostete, weil man ihn ambitiöser Projecte dabei beschuldigte. Es bildet cin großes Viereck, dcsseu Terrasse die ganze umliegende Gegend beherrscht. Der grostc Hof, mit Soldaten dcr Fremdenlegion ai'gefülll, bot einen imposanten Anblick, und die Promenade auf der erwähnten Terrasse gewahrte den Rück-kehrenden, noch zum Abschied, einen letzten reizenden ^paziergaug. In ^r Nahe von der i»iai«mi 15^ czuai-r^o werden cine große Menge Chamalcons gcflllldcn, welche die Soldaten zähmen und in dcm Vuscn mit sich herumzutragen pstegen. Nachdem der Commandant sehr artig die liolili«ul'8 seines Schlosses gemacht, wandte man sich dann auf dcm Mccresstrandc, halb in den spielenden Wellen reitend, dem von fern her blendend schimmernden, weißen Algier wieder zu. Semilasso hatte den <^ä,ill mit seinem Lieutenant, zu geringer Vergeltung der genossenen Gastfreundschaft, auf einige Tage dorthin eingeladen, während die übrige Escorte sehr reichlich beschenkt von hier aus entlassen ward. Bei dieser Gelegenheit ist zu erwähnen, daß die Araber, Vornehme uud Geringe, alle Geschenke, die ihnen gemacht wcrdcn, auf eine von Europäern fthr verschiedene Art annehmen. Sie bezeigen ernsthaft ihre Zufriedenheit, aber ohne alle Daukbczcugung. Ja ihre Sprache selbst bcsilzt das Wort „danken" gar nicht, nnd statt: ich danke, sagt man: kaNur zikniruli, übersetzt: D^i»t Glück vermehre sich. Sie scheinen also kann, 155 bcn Begriff cineS freleu Geschenks, sondern viel, mehr uur immer dcn eines Dienstes in Verbindung mit dcr Vergeltung, also einen Au stau sä) im Sinne zu haben; cö sty nun im materiellen oder moralischen Bezüge. So war dcun cinc Expedition glücklich zu Ende gebracht, dic in Algier, ihrer gewagten Neuheit wegen, viel Aufsehen machte, dem Unternehmer abcr stets cinc dcr liebsten Erinnerungen seines Lebens blcibcn wird. Doch war die Gefahr derselben keineswegs so imaginair, als Scmilasso und seine Gcsahneu cine Zeit lang glaubten. Dcnn wenig Tage nachher erhielt dcr Oberst Marcy cineu officicllen Rapport, des Inhalts: daß die Besichtigung des llammal durch unbekannte Fremde, schon au demselben Tage die ganze Gegend in Unruhe gebracht habe. Schnell hatte sich die Sage verbreitet, dafi einer der Christen geraume Zeit in einer Höhle des Verges verweilt, nm einen Schatz zu heben (das ewige Mährchcn dcr Araber), und spater, alle Taschen 156 voll Gold und Juwelen, daraus hervorgekommen sey. Vci dieser Nachricht war sogleich der Stamm üo,ii-klin!fuli) 30 Reiter stark, zu Pferde gestiegen, und desselben Abends in Uarol-üarull erschienen, um die Fremden zu fangen, und ihnen den geraubten Schatz, vielleicht mit dem Leben wieder abzunehmen. Zugleich setzt der Oberst hinzu, Scmilasso dürfe sich nicht wundern, im Dorfe bei Uoui-HIuA^a so übel empfangen worden zu seyn, da sich jetzt erst entdeckt habe, daß wenige Wochen vorher sechs Deserteuren der Fremdenlegion dort der Hals abgeschnitten worden sey. Die Leichname lagen noch sämmtlich in einem ausgetrockneten Vrun-ncn', und die Thater fürchteten, daß die Fremden nur deshalb zu ihnen gekommen wären, um diesem Morde nachzuforschen — denn von den Motiven der Ncngierdc europaischer Reisenden haben die Araber wenig Begriff. Uebrigens ist diese Blutgier um so auffallender, da auf die Rückbringung eines Deserteurs die Prämie von 157 25 Franken gesetzt, und dich Barban-n daher das Vergnügen ihrer Mordlnst höher angeschlagen haben müssen, als dcn Gewinn ciner für sie so bedeutenden Summe. n c l s c - 3 o u r n a l. (Fortsetzung,) Algier, den 10. März 1K35. Wahrend ich auf dem llanim»! mit den Arabern des Ostens verkehrte, hat mein guter Freund, Herr Klimcrath, sie auf nicht minder interessante Weise im Westen aufgesucht, nnd dem gcfürchtetcn ^dliol-Kailor seine Ehrfurcht in Hlasom-a bezeigt. Er theilte mir folgenden kurzen Auszug seiner Ncisc mit, der mir des Anfzcichncns werth scheint. Nachdem er sich einige Tage in Oran aufgehalten, welches verfallen nnd in einer baumlosen ,59 Gegend nicht vicl Merkwürdiges darzubieten scheint, ging er mit Herrn LepcNissicr nach Arsoe, dcm alten Arsinana, wo dieser ein Handelshaus zu ctablircn die Absicht hat. Da er zu diesem Vekuf eine Unterredung mit ^d Hlolniseliml! haben soll. Die Reisenden sahen viele schöne Wiesen und vicl gut bebantes Land, doch so wcit das Auge reichte, kaum emeu einzelnen Strauch. Wahrend drei Viertelstunde» musitcu sic mitten durch einen Teich reiten, defscn Wasser oft bis au die Sattelgurte ging, auf welchem sie häufig ganze Schaarcn von Störchen und andrem Geflügel aufjagten. In der Ferne erblickten sie etwas, was sie lange für einen Wald hielten, nachher aber zu ihrer nicht geringen Verwunderung als eine unermeßliche Heerde vou Kameelen cr, kannten. Später indeß führte sie ihr Weg durch cinen wirklichen Wald, der aus ziemlich hohen Bäumen bchand, und, wie es schien, mit großer Unordnung und Holzverwüstung von den Arabern benutzt wurde. Sie wandten sich jetzt in das Gcbürgc, fortwährend in engen Schluchten ansteigend, die sehr dicht mit Buschwerk von mittlerer Hohe bedeckt waren, welches meistens aus Immergrün unter andern vielen Arten Tuja's bestand. Erst um !1 Uhr Abends erreichten sie Mu^al-^ 1S1 die Residenz ^b«^1-Karl's, auf cincr Hoch-plainc liegend, ans einstöckigen Hansern bestehend, und ohngcfahr !)«<»<) Einwohner zählend. Dic cs umgebende crcnclirte Maner wird dnrch sechs Kanonen vertheidigt. Dic Herreu nahmen ihre Wohnung bei dem franzosischen Consul, der sic nut viclcr Gastfreiheit empfing, und anf ihre Anfrage bei Hofe, wurden sie zum andern Morgen um 10 Uhr zu dem Emir oder Sultan, wie cr sich manchmal schon jetzt zu nennen anfängt, bcschicdcn. ^d(!«1-1vmI6r, dcr noch vor Kurzem ziemlich unbedeutende Sohn eines Hlm-ädm, hat sich dnrch cin eben so schlaues als tapferes und festes Benehmen, einen so großen Anhang zu verschaffen gcwnßt, dasi cr in einem Alter von einigen zwanzig Jahren sich zum Häuptling des ganzen Westens dcr Regen«, mit dem einzigen Ansschluß von Oran und Znbehdr emporgeschwungen. Die Franzosen, nachdem sie ihn srüher, nicht lmmer mit Glück, bekriegt, haben cs jetzt vorgezogen, Semilasso in Afrika. «. H 162 ihn als Souverain anzuerkennen, nnd sich mit einer ziemlich nominellen und unbestimmten Schein-superiority üdcr ihn zu begnügen. Er stellt seitdem cine große Anhänglichkeit für dieselben zur Schau, doch ist man seinetwegen nicht ganz ohne Besorg-niß, da er kein Mittel versäumt, seine Macht fortwährend zu vermehren und zu consolidircn. ") Als cr noch mit den Franzosen in ungewissen Verhältnissen lebte, sandte einst der in Oran kommandirendc General ihm ein Schreiben, worin er, im Fall ^Ixlol-I^aäöi- sich nicht den ihm vorgeschriebenen Bedingungen fügen wolle, denselben unverzüglich mit cincm allgemeinen Vertilgungskrieg zu überziehen drohte. «O was denkst Du," schrieb der kühne Araber zurück, „was stellst Du Dir vor, uns mit Krieg als cincm Ungemach zn bedrohen! Wisse, Christ: Krieg ist des Beduinen Handwerk und sein höchstes Glück. Vei dem *) Seitdem hat er bekanntlich den Franzosen bei Oran, unter einem ihrer geschicktesten Generale eine schwere Niederlage beigebracht. 163 Worte Krieg wichcru freudig unstc Rosse, und unsere Weiber und Kinder sehcu ihm jubclnd cntgcgcn. Komm also mit allcn Deinen Söldner,', und dcr Schlachtruf freier Männer wird Dir antworten. Willst Du aber Frieden, so drohe nicht. Ich bin bereit, mich mit Dir zu verständigen, und treu zu halten was ich gelobe, wenn unser beiderseitiger Vortheil sich in Frieden vereinen kann.« Dcr Styl dieser Leute ist überhaupt voller Energie und Kraft. Neulich schrieben dic Araber einer ^ribu hinter volli«, die mchrcrc Schiffbrüchige zu Gefangenen gemacht hatte, in dieser Angelegenheit an den Gouverneur, und adressirrcn ihren Brief folgcndermaaßcn: «An den Gouverneur von Algier, der so weit regiert, als er Herr ist, die freien Leute von voili«, die ihre eigenen Herren sind.« Als die Reisenden sich dem Paläste näherten, der ebenfalls nur einstöckig, aber von großem umfange war, traten sie zuerst in einen geräumigen t64 Hof, in dem abermals sechs Kanonen aufgepflanzt warcn, so daß dic ganzc Artillerie des Sultans aus eincm Dutzend zu bcsichcn scheint. Man führte sie durch einige Vorzimmer, in denen verschiedene Bälden und andere Chefs ehrerbietig auf eine Audienz warteten, und zum Theil etwas mißvergnügt schienen, daß die Fremden zuerst vorgelassen wurden. Diese fanden ^Kll«1-Killlol) ciuen schönen, etwas blassen Jüngling, ohne Bart, ganz in eine violette feine Vcrnus gehüllt, (die er, als ein halber Heiliger und Sultan, zu einer ihn von allen Andern auszeichnenden Tracht gewählt hat) auf einen kostbaren Tcppich gekauert, am Vodcn sitzend. Er begrüsite, ohne eine andere Bewegung zu machen, die fremden nur mit einem freundlichen Kopfnicken, und dcntcte ihnen an, sich auf ein europäisches Sopha zu setzen, welches in seiner Nähe stand. Man begann damit, ihm die üblichen Geschenke zu übergeben, die er selbst im Empfang nahm uud neben sich legte. Die Unterhaltung ward hierauf schr lebhaft. 165 und ohne die geringste ^ön« fortgesetzt, wobei Alle dic Promptheit, Anwnitat und Feinheit der Antworten dcs Sultans bewundert» mußten. Herr Klimerath sagte, dasi ^!^tlo1-lvu6or auf ihn vielmehr dm Effect eines schlauen nnd gewandten cnropäischen Diplomaten, als den eines gcfürchtcten arabischen Kriegers gemacht habe. Ich übergehe seine politischen Aeußerungen nnd das Handelsgespräch. Dagegen frappirte mich Folgendes: vor wenig Tagcu erst, sagte dcr Sultan, habe ihn ein 'l!iu!«d verlassen, dcr sich erboten, wenn bei seiner Wiederkunft ein Franzose sich fände, dcr in jene Gegenden zu reisen wünschte, cr ihn gern mitnehmen, nnd mit seinem Kopfe für stille völlige Sicherheit stehen wolle. Herr Klimcrath bedauerte um so mehr die bereits erfolgte Abreise dieses Mannes, da er überdies geäußert, daß, da die Europaer so begierig nach Alterthümern wären, er ihnen nicht weit vom Wege nach seiner Hcimath, cine uralte Stadt zeigen konue, von einem unbekannten Volke aufgeführt, die mit 1SS Tempeln voll Säulen und andern ansehnlichen Gebäuden sich fast ganz erhalten habe. Ich lasse es dahingestellt seyn, in wiefern diese Aussage Glauben verdient, unbegreiflich bleibt es aber immer, daß die Franzosen ihren hiesigen Aufenthalt nicht besser benutzen, um dergleichen Notizen gründlich anfzuklärcu, oder überhaupt nur irgcud etwas für die Wissenschaft zu thun. Man wacht alle Augenblicke militairische Expeditionen mit mehreren Tausenden um einer befreundeten ^i-ibu einige gestohlene Ochsen mit den Interessen wiederzuholen; wäre es nicht unsrer Civilisation angemessener, auch etwas weniger materielle Gegenstände dabei ins Auge zu fassen? So ist man neulich nahe an dem von mir erwähnten, höchst merkwürdigen, noch ganz unbekannten Monument, dem Oobur-or-Nuuuia ruhig vorbcimarschirt, nnd hat nicht einmal daran gedacht, es näher untersuchen zu lassen. Wie interessant und erfolgreich würde eine Expedition nach dem nur 20 Stunden entfernten vsolwi-clgoilora, dem 167 höchsten Verge dcs kleinen Atlas, styn, die jeden Augenblick mit 1000 Mann nnd einigem Berg-gcschütz ohne alle Gefahr zu unternehmen wärc; und nach dem, wovon ich mich bci meinem Privatzugc nach dcm Hammel überzeugt, müßte man dort ohne Zweifel endlich etwas Gewisses über die Lage dcs großen Atlas zu bestimmen im Stande seyn, denn noch immer die Geographen wie ein Phantasicstück, als anmuthige Arabeske, auf ihren Charten verzeichnen, und ihm mitten in der Wüste seinen langen Lauf anweisen, was doch gcgcn die Analogic aller andern Gebürgskettcn streitet. Eben so bedauernswürdig ist es, daß dic Provinz Constantinc, die in der römischen Zeit so blühend war, daß sie allein zu der Kirchcn-vcrsammlung in Ilippouo 400 Bischdsse sandte, «nd die notorisch voll der wohlcrhaltcnsicn und merkwürdigsten Alterthümer ist, den Franzosen noch immer eine wira iuc0«inla bleibt, obgleich ihre Eroberuug sehr leicht gewesen wärc, einzelnen Reisenden aber der grausame Charakter ^olunot- Ul^'s jetzt ihre Exploration ganz unmöglich macht. Ich mnsi bei dieser Gelegenheit noch cincr Notiz erwähnen, die einem der Reisenden in Hln^ara mitgetheilt ward. Schon einige alte Rciscbcschreibcr, und uenlich wieder der unermüdliche Lander, haben von einer ganz besonders ausgezeichneten und in Europa noch unbekannten Pferdcracc im Innern Afrika's gesprochen, und Einige wollen sogar behaupte«, daß jene berühmten Hengste uno Stuten, welche Carl der Zweite kommen ließ, und dic, wie man gcwisi weiß, wcdcr aus Syrien noch dem glücklichen Arabien hersiammten, sondern auf dem Wege der Barbarei nach England gelangten, von dieser Race sich hcrschriebcn, und so die Stammalrcrn der jetzt vorzüglichsten Pferde Europa's geworden sind. In 1l«mo8«ii) ciner Stadt hinter Naseara, von der die Caravancn nach ^'owbu^w abgehen, und wo, wenn ich nicht irre, Roentgen ermordet wurde, herrscht eine ähnliche Sage, die dort von Niemand bezweifelt wird. Das Königreich Rasslet soll dcr Ort scyn, wo diese Pferde sich vorfinden, von dcrcn Ausdauer und Schnelligkeit man wahre Wunderdinge erzählt. Man geht so weit, zu behaupten, daß einige von ihncn nur gebraucht werden können, wenn die Reise von sehr langer Dauer ist, da man sie, einmal laucirt, nicht eher als nach einigen Tagen in ihrem Laufe aufzuhalten vermag, eine Reiscart, den Mahrchcn Arabiens angemessen, die freilich auch nur in dcr Wüste, wo dem Renner kein Hinderniß in den Weg tritt, ausführbar seyn möchte. Den edelsten dieser Thiere werden Ringe von gediegenem Gold dnrch die Nasenlöcher gezogen, und auch Armbänder an den Beinen befestigt, welches Letztere übrigens die Bewohner von Constantinc bei kostbaren Pferden cbcnfalls zu thun pflegen. Gold ist in ^aülot schr häufig, und die Art es zu gewinnen, wurde folgenderwcisc romanhaft beschrieben. Da angeblich iu Massen Goldstaub im Sande in der Wüste licgt, und am Tage schwer zu uuterschcidcn ist. 170 so rcitct man dcs Nachts, mit einer brennenden Fackcl und einem Sack Asche umher, wo es dem Suchenden im Schein dcs Feuers entgegen blitzt. Sobald cr es bemerkt hat, wirft er ein Häufchen Asche anf den Fleck, bis sein Sack leer geworden isi. Am folgenden Tag findet cr nun leicht die so bezeichneten Stellen wieder und gräbt das Gold gemächlich aus, es in kleinere Säcke von ciuem bestimmten Gewicht füllend. Ein solcher Beutel gilt im Handel mit den Europäern 2t)l) spanische Piaster, hat aber in der Wirklichkeit bald mchr, bald weniger Werth. Die erwähnten Fackeln dienen indeß nicht ganz allein blos, um das Gold zu finden, sondern auch die Voaschlangcn von fürchterlicher Größe abzuhalten, welche diese Gegend verpesten, und nach der hyperbolischen Sprache dieser Neger oft Roß und Reiter miteinander verschlingen sollen. Ich kehre jetzt zur Audienz nach Hlasoartt zurück. Als ^dtlol-Xallor sie beenden wollte, zeigte cr der Gesellschaft mit Würde und Grazie HM durch cincn Wink mit dcr Hand an, daß sie sich jetzt entfernen dürfe, worauf dic vornehmsten dcr draußen Wartenden eingelassen wnrdcn. Da dcr Sultan erfahren hatte, daß die Fremden schon am andern Tage seine Hauptstadt wieder zu verlassen gedächten, ließ cr sie, nachdem cr ihnen ebenfalls cinigc unbedeutende Geschenke gesandt, noch einmal des Morgens zu sich holen, um Abschied von ihncn zu nchmcn. Diesmal fanden sie den Hof mit einer sehr barok aussehenden, und noch barokcre Tone von sich gebenden, sogenannten Ianitscharcn, musik angefüllt, welche dcr dcr Franzosen mit wenig Glück nachgeahmt war. Sie durchschritten cincn Saal, dcr voll Waaren lag, die nur zu Geschenken, dic dcr Sultan macht, bestimmt sind, aus welchem Vorrath auch die, welche sie erhalten hatten, geschöpft worden warcn. Das Ccremvnicl blieb dasselbe wic gestern, mit Herrn Lepcllissier wurden cinigc vorthcilhaftc Handelsverbindungen abgeschlossen, und die Fremden verließen ^.liäol-k»ä«i-, cben so zufrieden mit seiner geistreichen 173 Unterhaltung als mit dcr Herablassung seines Benehmens. Er ließ ihnen zuletzt noch cinc Art von Firman überreichen, und setzte hinzu, daß sie auf Vorzeigung dieses bei jedem Chef, wie in jeder Hütte, die freundlichste Vewirthung finden würden, wclchcs sie auch auf ihrer Rückreise vollständig erprobten. Herr Klimcrath stellte nur bei seinem Besuch einen jungen Herrn Dorn aus Stettin vor, den ich vor zwei Jahren in dem mir immer theuer bleibenden Hamburg gesehen hatte, und mit Freuden dieses liebe Andenken wieder anknüpfte. Er kam aus Neapel, wo, wie cr launig sagte, an dcr Ausgrabung von Pompeji jetzt nur noch 30 Individuen arbeiteten, nämlich 15 Maulesel und 15 Kinder. Ein Engländer hatte sich neulich vom dasigcn Gouvernement die Erlaubniß erbeten und erhalten, 14 Tage in einem dcr von Neuem zum Tageslicht gebrachten altrdmischcn Häuser Pompeji's wohnen zu dürfen, hatte es mit vielen Mcublen und Utcusilicn im antiken Styl (wahr- 173 schcmlich nach Herrn Hope's Zeichnungen) in Stand gesetzt, sich, seine Familie und sämmtliche Dienerschaft streng altrömisch bekleidet, und brachte nun seine 14 Tagc, mit der Küche aus Peregrine Pickle, und dcr Lektüre sämmtlicher Classikcr in guter Ucbcrsetzung, mit dcr ängstlichsten Sorgfalt, als achter republikanisch-römischer Bürger zu. Gewiß, andere Leute können auch auf eine solche geniale Idee kommen, aber nur ein Engländer führt sie iu ihrer ganzen Länge materiell aus. Wie gcrn hätte ich ciucn halben Tag, das römische Mahl mit eingeschlossen, bei dem edlen Märtyrer zugebracht; und recht überlegt, daucht nur, könnte dieser burleske Gedanke vielleicht mit Sucecß bei der Arrangirung irgend eines Festes zu einer interessanteren Maskerade benutzt werden, als die gcwöhulichen sind, welche wegen ihrer zu leeren Abgeschmacktheit leider Niemand mehr besuchen noch geben will. Den N. März. Ich muß mich bci mir selbst anklagen, nie mcin Rciscjournal so nachlaßig als hier geführt zu haben. Es sind sogar der größte Thcil der Dinös, dcncn ich beigewohnt, und alle die, welche ich selbst gegeben, schmählich von mir Übergängen worden! Sie hätten doch manches Envahnungs-werthe dargeboten; jetzt erinnere ich mich nur noch, daß der gute Gouverneur mir einmal die Ehre erzeigt hat bci mir zu speisen, bci welcher Gelegenheit cincr der Gästc den drolligen Einfall hatte, zu behaupten: die c-liamkro äos I'air» würde bei der geringen Mannhaftigkeit die ihre traurige Verfassung jetzt noch verstatte, weit besser thun. 155 künftig den Namen der cliamdr« cl«8 m«r«8 an? zunehmen; ferner ist mir noch gegenwärtig, daß während einer andern Mahlzeit bei mir dcr liebenswürdige Consnl Belgiens vier bis fünf Gedichte mit dcr Schnelligkeit cincs Stenographen heim Schäumen des Champagners niederschrieb, wovon zwei nichts Geringeres als mich selbst zum Gegenstände hatten; und endlich, dast Herr Goussct (ein onnnöserName für einen Wirth) dcr jetzige Gastgeber im käwi ä« ^ari», cm früherer maitro ci'lwwl dcs großen Vanqnicrs Schicklcr in Paris, Alles aufbot, dic schlechte Qualität dcr algicnschcn Eßclcmcnte zu leidlich genießbaren Ragouts zusammen zu brauen. In dcr That ist alles Fleisch ohne Ausnahme, Butter, Milch, selbst Fische und Hummer, hier nnr in höchst mittelmäßiger Qualität anfzntrcibcn, eine sehr schwarze Seite Algiers, deren Erwähnung ich absichtlich bis zuletzt gelassen habc, um meinen geistreichen Lesern nicht zu früh einen Dcgout vor diesem Ort beizubringen. Doch zwingt mich Gercchtigkeitslicbc hinzuzusetzen, daß frische Eicr und Gemüse eine glorreiche Ausnahme von dem bisher Gesagten machen, und die Orangen von Vlitla den besten maltesischen wenigstens gleichkommen. Auch eines splendiden Balles bei Herrn Va«ou«ti wo eine Flora der lieblichsten Damen versammelt war, und Herr Dorn die Gesellschaft mit Gesängen in allen Sprachen erfreute, nebst einem sehr heitern Feste bei dem liebenswürdigen Italiancr tlaiaviui muß ich noch erwähnen. Bei dem Letzteren tranken wir, auf cincr Collection von Löwen- und Tiger-Häuten sitzend, den Kaffee aus einem genuesischen Service vou Fcigcnholz, das so leicht wie Flaumfedern ist, sehr elegant aussieht, und den Vorzug hat, daß man sich bei zu heißem Inhalt nie die Finger daran verbrennen kann. Die mit Stroh bcflochtenen Stühle in dem Salon waren von demselben Holz gefertigt, und ein Dutzend davon hatten kaum das Gewicht eines einzigen der gewöhnlichen Art. Ein anwesender 177 Spanier berichtete verschiedenes mir Neue über den jetzigen Guerilla-Krieg in seinem Vatcrlande, So saglc er uutcr andern, daß Zumalacarreguy, während der früheren so kurzen nnd unglücklichen Invasion Mina's, Adjutant dieses Generals gewesen sey, und sonderbarerweise jetzt Mina grade dieselben Truppen commandirc, und dieselben Leute um sich habe, gegen welche er damals gekämpft; und umgekehrt Znmalacarrcguy wiederum die damaligen Bundesgenossen Mina's unter seinen Fahnen versammelt halte. Wenn Icncr nun cinc Proclamation gcgcn Mina erlasse, so mache cr diese niemals selbst, sondern benutze immer cinc oder die andere, von Mina in jener Zeit eigenhändig verfaßten, nur mit geringer Abänderung der Lokalitäten — welches deu alten Feldherrn von allen ihm gespielten Streichen Zumalacarreguy's am meisten ärgern soll. Das Eigenthümlichste bei dieser factischen Umwcch-sclung scheint mir, daß dennoch weder Mina uoch Zumalacarrcguy im Grunde ihre Principien 178 geändert haben, und gewiß kann ciuc ähnliche Ver-wirrung aller Verhältnisse, nur in ciner so colossal grotesken politischen Zeit, wie die unsre ist, denkbar werden! Unser Wirth, der seit Kurzem amerikanischer Consul geworden ist, und dessen Talent das Glück freundlich lächelt, theilte uns einen seltenen Beweis hiervon mit. Vci dem entsetzlichen Sturm, der neulich Alles im Haftn zu vernichten drohte, und auch wirklich vernichtet habcn würdc, wenn die große Gadarre, In Hlin-n«, sich losgerissen hatte, dic gleich cinem furchtbaren Niesen umherschwauktc und am Ende nur noch an einem einzigen, letzten Kabel hing, der in den Magazinen noch vonäthig gewesen war — befanden sich von Herrn Garavini sechs Schiffe im Hafen, wovon drei leer und hoch assecurilt, drei andere zur Abfahrt frisch beladen, und noch nicht versichert waren. Der Sturm zertrümmerte die Hälfte dieser Fahrzeuge uud das gut gelaunte Glück richtete es so ein, daß dieß grade die leeren warcn, die übngen 179 blicbcn unversehrt; ciu Umstand, der Garavini zn dcm einzigen machlc, wclchcr von dcr allgc-mcinen Calawitat vicllcicht sogar noch einigen Vortheil zoa. Den !4. März. Der ehemalige Vey von 1'itto,^ hatte mich auf sei» Landhaus eingeladen, was ich um so lieber annahm, da ich begierig war, einer ächt türkischen Mahlzeit im höheren Styl beizuwohnen. Oberst Marey, Herr Klimerach, und Herr Bcllart, ncbst cincm jungen, eben angekommenenMarftiller, waren die übrigen Gästc. Der freundliche und biedere Gastgeber empfing uns, von zwei stattlich gekleideten Negern begleitet, am Thor seines Orangengarttns. Ich fand seine Villa sehr artig eingerichtet; besonders reizend war dcr mit Porccllanfiießen gepflasterte, mit Wasserbecken und Fontainen gezierte Hof, den luftige und 18! zierliche Sonnncrsalons von ungcwdhn!i6)cr Grb^e umgaben, und einige schonc Bäume beschatteten. Das geianmigc Zimmer im ersten Stock, wohin „tan uns herausführte, war nut einem in brennenden Farbcu gestreiften Teppich dclcgt, dcsscn sslcichcn, wic cr mir sagl^ nnr in dcr Wüsic vcrftttigr wivd. Nicdrigc Divans, mit zum Tl^'il in Gold gcsiicktcn Kisscn, siaildcn an dcn Wandcu. Einc auscrlcftlic Sammlnnq mit Sillier u»d Stcincn ausgclcgtcr Gaffcn hinq auf dl,'r andern Scitc, und cinigc altctthümlichc vmctianischc Spicgcl, ncbst zwci massivcu Tischcn, vollcndttcn das Amcublcmcnt dcr Stubc. Wir wurden soqlcich mit Kaffc und Pfeifen bcwirthet, ncbst seltsamen Coufirürcn von Kartoffeln und Kürbis. Ein großes silbernes Beck'cu ward vor uns auf den Bodeu gesetzt, um die kleinen Kohlen, welche mau hier fthr zweckmäßig zur Anbrcunung der Pfeifen auf den Tabak legt, nachdem sie ihrcn Zweck erfüllt, darein wieder abzuwerfen. Zm Placirung der Kaffeelassen und Confitüren, setzte l8s man kleine, nur cinen Fust hohe, sehr niedliche Gueridons, aus kostbarem Holz und Perlmutter gefertigt, ncdcn uns. Man unterhielt sich in italiänischer Sprache, welche dcm Bey ziemlich geläufig war. Bei dieser Gelegenheit erzählte uns der Oberst manche pikante Anekdote von dem Kriege mit den Arabern während seines Hierseyns. Nach einem glücklich bestandenen Gcfecht, wo mehrere der feindlichen Beduinen, anscheinend lodl umherlagen, wollte einer seiner Spahis, ein sehr tapferer Neger, dem zunächst Liegenden, einem schönen jungen Mann, dessen gläserne Augen ihn bewegungslos anstarrten, zu größerer Sicherheit den Kopf abschneiden, und zog bereits zu diesem Behuf seinen Iataghan. „Wozu willst du dir die unnütze Mühc machen, dem Todten den Kopf zu nehmen?" sagte einer seiner Camaradcn, verdrießlich anf den Oberst blickend, „man bezahlc uns ja die Köpfc nicht mehr." >,Du hast auch Recht," erwiederte der Neger, steckte seinen Ialaghan wicdcr ein und ritt davon. Nach eincm 163 Iahrc meldet sich be, Marey, als gnade zufällig derselbe Neger wieder bei ihm steht, ein Ueber-läuftr dcs Bey von Constantino, der um Aufnahme unter die französischen Spahis bittet. »Du kömmst mir bekannt vor," sagte dcr Oberst, „warst Du vielleicht früher schon in französischen! Dicnst?^-„Ncin," envicdcrtc dcv Araber lächelnd, »aber dcr da ucben Ihnen wollte mir nmual dcn Kopf absä)nciden, als ich mich todt gestellt hatte; glücklicherweise aber ward er wieder anderes Sinnes." Dcr Negcr konnte sich anfangs kaum darüber zufrieden geben, so angeführt worden zu seyn; »jetzt aber," fuhr dcr Oberst fort, »sind Beide gute Freunde und meine besten Leute. Es sind dieselben, auf deren Geschicklichkeit ich Sie bei dem ncnlichcn Manöver besonders aufmerksam machte." Ein hereingebrachter Tisch, ebenfalls nur von einem Fnß Höhe, mit fremdartigen Speisen beladen, dem noch zwei maurische Gaste von der Familie folgten, unterbrach uns hier, und w«r l84 nahmen ans niedrigen Kissen Platz, alle türkisch auf unsern Vcincn sitzend, wora« ich schon ziemlich gewöhnt bin, was aber den jungen Marseille nach kurzer Zeit in eine wahre Lcidcnsgcstalt verwandelte. In der Mitte des Tisches stand eine große Schüssel Nudeln in Bouillon gekocht, ans der Alle mit schön geschnitzten hölzernen Löffeln supp.'n Müßten. Außerdem befanden sich vor jedem Gast einige kleine Assietten, mit den heterogensten Gegenständen angefüllt, als süßer Rahm, ^Vh<»l> (mit Eiern abgeriebener Knoblauch) sanre Milch mit Zucker, Radieschen, Confitüren, sanre Gurken, in Oel marinirre Sachen u. s. w., in welche, im Verfolg des dii^'s, nach Belieben, bald von Diesem, bald von Jenem mit den Fingern hineingefahren und davon zugelangt wurde. Einc Serviette, lang wie ein Vorhang, reichte um den ganzen Tisch, und diente Allen gemeinschaftlich. Nach der Suppe erschien eine Avt dünner v<»I nu vxt, oder warme Pastete, die ich nie besser gegessen habe. Die An und l85 Weift aber, wic mit den von Fett glänzende!, Fingern, von den unappetitlichste» Fäusten, b^i jcdem Bissco, den mcin nahm, fortwährend darin umhergcwühlt wurde, war für cinen Europäer schwer ohne Eckel zu ertragen. Nun folgte ein ebenfalls vortrefflich zubereiteter gebackner Fisch, zu dem hauptsächlich das erwähnte ^hoü genossen wurde, dann ein schr feiner <^uscu»8u mit Mandeln, Zucker und frischem dicken Rahm; uack dicftm ein safnger Schöpsenbraten mit Knoblauch assaisonirt; dann gebratene Hühner, und zuletzt ein Milchreis mit Confitüren, desseu Dclicalcsse und Zartheit in der That nichts zu wünschen übrig ließ. Das Dessert war gleich vorzüglich; Nosinen von Smyrna, Datteln aus der Wüste, die schönsten grünen Pistazien, süstc Bananen und die herrlichsten Orangen, mit vielen eingemachten Früchten, zierten wüldig den Tisch. Wir waren jedoch Alle froh, als das silberne Waschgeschirr wit wohlriechenden Wassern und feinen Shawl-^ervittten crschicn, um uns von der unbequem 186 gezwungenen Lage unserer Beine zu befreien. Der Marseilles gestand, daß, wenn es noch fünf Minnten länger gcdanett hätte, er ohne Zweifel in Krämpfe verfallen wäre, nnd da cr, mit den hiesigen Sitten noch ganz unbekannt, ans Furcht zn beleih digen, auch von Allem, was der Wirth uns dringend einndthigtt, sehr reichlich gegessen hatte, wozu cs nichts als Wasser und Milch zu trinken gab, so sah cr überdies einer peinigenden Indigestion unfehlbar entgegen. Ich hatte mir die Freiheit genommen, meine Gesundheit vorschützend, eine Vouteille Vordcaur mitzubringen, welche die Andern, wie es mir scheint, ans zu großer Rücksicht, nicht mit mir theilen wollten. Nach Tisch wnrde wieder zum Kaffee und den Pfeifen übergegangen, wobei nns der gefällige Wirth seine beiden wunderhübschen Töchter von 10 und 12 Jahren präsentirte, die in weiten Hoseu nnd Jacken wie Knabe» angezogen waren, und deren schone rabenschwarze Haarzopfe, künstlich geflochten, bis aus die Knöchel hinabreichten. Ein 187 Spaziergang in dcn verschiedenen Gärten beschloß den Tag, worauf wir unS zu Pferde setztcu, und schr zufrieden mit dicftm lLtiKnlUilwn türkischer Gastfreundschaft, in der Abenddämmerung Algicr wieder erreichten. Den 16. März. Die Stadt befand sich dieser Tage in einigein Allarm, weil die Il^üteu mit grosier Frechheit vier bis fünf Leute auf dcr Straße nach vuoili, nur zwei Stunden von Algier entfernt, ermordet hatten. Es war ein komisches Znsammentreffen, daß grade den Tag vorher ein Befehl des Gou? vmiem's erschien, der verbot ohne Autorisation Waffen zn tragen, und zugleich!die Etablirnng ciner Ambulance für die Bequemlichkeit der Reisenden zwischen Algier nnd vu«ra angekündigt worden war, welche jetzt schwerlich vieleWassaqiere zn erwartet, haben möchte. Man kann nicl't leugnen, dasi die Un^ttoi» ihre'Untcrnehmuug mi< 189 vieler List und Kühnheit bewerkstelligt hatten/denn während die Franzosen, 1200 Mann stark, zu cincr Expedition übcr Uullarn K und zur Rccog-noscirung der verschiedenen Fnrthen über den M»2n,t'l'im ausgezogen waren, passmen sie selbst mit 30tt Mann Fußvolk und einigen 80 Reitern durch die nämlichen Furchen den Fluß, attakirten dic vei 5»laoul?!i wohnenden, den Franzosen befreundeten 'l'i-iwis, ranbtcn ihnen 10t) Stück Vieh, todteten ihnen mehrere Leute nebst den unglücklichen Christen, die sie auf der Straße fanden, und waren schon wicdcr auf demselben Weg zurückgekehrt, als die Expedition erst am Flusse ankam. Hatte dies nur um einige Stunden früher geschehen können, was bei richtigeren und schnelleren Nachrichten sehr leicht möglich gewesen wärc, so würden Wenige der Araber entkommen seyn. Es scheint aber, daß dic Spione den Letzteren bei dieser Gelegenheit besser gedient batten, als den Franzosm. Wie ich horte beträgt der Fond, welcher für dieses Departement ausgesetzt ist. monatlich nur 2W Franken, wofür freilich nicht viel Auskunft zu erhalten ist. Von der kaltblütigen Kühnheit der Ilnjmon gicbl folgendes einen Begriff. Zwei französische Gcnsd'armcs ritten an diesem Tage, mit Karabiner, Säbcl und Pistolen bewaffnet, nach vuor». Nur noch 500 Schritt vom (^unp entfernt, bemerkt der Eine, daß ihnen zwci Araber im langsamen Schritt zu Pferde folgen. Er macht scinen Camaraden aufmerksam darauf. „O die sind von nnscrn Spahis;" erwiedert dieser. „Wir wollen sie abcr doch licbcr voransreitcn lassen," meint der Erste. Die Gensd'armes halten an und rufen den Arabern zu, bei ihnen vorbeizureiten. Diese antworteten bejahend, kommen ganz unbefangen heran, und wie sie neben ihnen sind, schiesit der Vorderste mit seiner Pistole den nächsten der Gcnsd'armes nieder. Sein Camarad verliert den Kopf und jagt unangefochten nach vuora herein. Unterdessen ward der Verwundete von den Arabern ganz gemächlich vollends gctbdtct und beraubt. I9l Mein Arzt erzählte nur, dasi vor ohngefabr vier Wochen ein Il^uto mit zerschmetterter Hand zu ihm kam, mid sich dieselbe im Gelenk von ihm abnehmen licß; bei welcher Operation cr kcine Miene verzog, sondern nur fortwährend Gebete aus dem Koran leisc vor sich hinmurmclte. Er sagte aus, daß cr vom Sohne des Marabut von knw» cin paar Pistolen gekauft gehabt habe, die cr sich nachher zu bezahlen geweigert. DerNIurädut machte ihm hierüber die bittersten Vorwürfe, und als dies nichts half, sagte cr zu ihm: Die Strafe wird nicht ausbleiben, und dcr Himmel dir die treulose Hand rauben, welche die eingegangene Verbindlichkeit nicht erfüllen will. Am andern Tage schießt cr mit denselbeu Pistolen bei Gele? gcnhcit eines Festes; die cine zerspringt und zerschmettert ihm wirklich die Hand. Von abergläubischem Schreckcu ergriffen, tilgt cr sogleich seine Echnld, und eilt dann erst, nm Hülfe zu suchen '» die Stadt. Nach einigen Wvcheu cnllicfi ihn d"' Arzt, nachdem cr noch eine künstliche eiserne Hand für ihn bestellt hatte, dic, der Abrede gcmast, der Araber nach bcstinnnter Zcit abholen sollte. Er kam jedoch nicht wieder, und als gestern der Doctor einen der Camaraden desselben, dem cr zufällig in der Straße begegnete, frug, was denn aus ^awü» geworden fty, dasi cr scinc Hand nicht hole, antwortete dieser: O, der braucht Eure Hand nicht mehr, dcnu cr hat seitdem schon wieder niit der andern, zur Sühnc seiner Sünden, drei Cbrisicn in der letzten Affaire umgebracht. Drn 20. Mrz. Wie schwer es ist, Sprachen zu erlernen, wenn die Sonncnscitc dcs Lebens von Einem zn weichen anfängt, empfinde ich jetzt, da ich noch immer nur höchst imperceptible Fortschritte im Arabischen mache, obgleich ich wöchentlich mehrere Stunden bei dem vortrefflichen Professor I'iuuua nehme, cincm sehr wissenschaftlich gebildeten Aegypticr, der, wenn er auch nicht von den Pharaonen abstammt, wenigstens einer sehr guten Familie jenes Landes angehört. Früher lusu-uowur in der Armee des Viceldnigs machte er einen ThcildcrCampagne Ismköl's gegen die Wcchabitcn mit, beseelte spater in Paris hauptsachlich den Unterricht der von dcm Pascha dahin gesendeten jungen Acgypticr, und ist jetzt Secrctair- Scmslasso >n Afrika. «. 13 194 Interpret des Gouverneurs, so wie Professor dcr arabischen Sprache in Algier. Ich habe diese Details hier aufgeführt, weil Herr?I^iao so eben in französischer Sprache ein höchst merkwürdiges Werk über die arabische und maurische Gesetzgebung in Afrika herausgegeben hat, was bisher in der europäischen Literatur so gut wie ganz fehlte, und nach allem, was ich in dem sehr unterhaltenden Manuscripte gelesen, zu urtheilen, auch unsern deutschen Juristen gewiß sehr willkommen seyn wird. Gern hätte ich mir einige Auszüge erlaubt, wenn dcr Gegenstand nicht zu ernst für meine bescheidene Zwecke wäre, und überdies das Ganze bald dem Publikum zur eigenen Ansicht vorgelegt werden soll. Es ist genug hier darauf aufmerksam gemacht zu haben. Da meine Abreise herannaht, und das Wetter ungemein klar war, stieg ich noch einmal auf die höchsten Zinnen der <üa88dn^ von wo die Aussicht, des ganz eigenthümlichen Effekts wegen, welchen diese Hunderte von Terrassen der Stadt darbieten. 195 mir fast noch dcm Panorama, das man vom V'ort I'^mporour erblickt, vorzuziehen zu seyn scheint. Ich pflcgc gcru auf solche Wcise den letzten Abschied von cincm Orte zu nehmen, besonders cincm wie Atgicr, der mir so vielfältige Erinnerungen zurückläßt. Noch cimnal ruhten nun ttttinc Augcn mit Wohlgefallen ans dcm einsamen Vlock'hausc dcs hohen Lul!8eIiHi-iali, wic auf jenem Heere freundlicher Villcn, in deren man6)cn ich die liebenswürdigste Gastfreundschaft genossen; und als mcinc Blicke über dic Ebene schweiften, die ich so vielfach durchgezogen, zeigten sich mir auch der IImumuI noch einmal, so deutlich, dasi ich mit meinem Glase den ganzen Weg bis zu seinem Gipfel, den ich zurückgelegt, genau verfolgen konnte. Ein französischer Hauptmann, der uns begleitete, und den Fcldzug in Griechenland mitgemacht hatte, unterhielt uns während dem mit allerlei drolligen Anekdoten von Ikrakim und seiner Umgebung. Indem ich cinc davon hier nach-erzähle, ersuche ich mit meiner gewöhnlichen 196 Gewissenhaftigkeit alle Damen, denen dies in die Hände fallen sollte, besagte Anekdote sorgfältig zu überschlagen. Thun sie es nicht, so wasche ich meine Hände in Unschuld. Ibrtllnm liebte den Champagner sehr, und wurde dadurch oft bei den Festen, die ihm die französischen Generale nnd die Admirale der vereinigten Flotte um dic Wtttc gaben, in die heiterste Stimmung versetzt. Einmal sagte ihm bei einer solchen Gelegenheit ein fremder Admiral: „Mais votre Altesso a recllement trop dc femmesj il cst impossible quo voiis puissiez toutes les satisfairc." Ibrahim, \vdd)w ctncn französischen Offizier als Dollnmschcr bei sich hat, der ihn überall begleitet und vor dem er kein Geheimniß zu haben scheint, befahl etwas piquirt diesem, dem Admiral zu antworten, yu'ü lui propo89.it uii pari dc 20,000 sequins, qu'en presence de tout les convives, il lui prouverait avec six de ses femmes 1'uno apres lautre, qu'il n'etait pas leur mari de worn sculemcnt. Mais qu'e» 197 suite, l'amiral elevrait faire la memo chose : et quo pour cela, il lui offrait, quoiquc Turc, de choisir parmi toutcs les feinmes do son harem celles qui lui plairaient 1c micux. Et que celui qui reslcrait court dans lc combat. paiorait la ^an'eurs. Da nun dcr Admiral cm so bravcr Sccmann cr auch ist, doch di^fts Anerbieten sich nicht anzunehmen getraute, so mußte er manche Scherze auf seine Kosten erdulden, in welche Idralüui am thätigsten cin-stimmtc. Einer Dame in Algier geschah etwas ähnliches mit einem dortigen vornehmen Türken, der sich jedoch nicht ganz so kühn wie Ibrainm zeigte. Es entfuhr ihr nämlich der naive Ausruf: „Mou <1l«u, Hlontjionr, huo POUV62 VUU8 lnil« av«^: >M»lIumo," antwortete der Türke gravitätisch, )^o l>« lui« MNM8 ljn'üvoe cloux ou Ul>i« l!nn» l)'!)U8« vereinigt und derei, Bette übcrall cmaillirte Wiesen in den blendendsten 230 Farben umschließen. Viele Gruppcn alter Oel-bäume und ^m-oiM«^, bic und da cine einzelne Palme, abwechselnd mit inselartigcn Vosqncts, die man hier Oasen nennt, vermannigfachen nnd beleben die Scene. Lm»«, darüber die <^u.88dii) noch weiterhin das ldrt ^ouoi» am I^a2-o1-Ham,Iia,li, (t^ap rouS«) das II>i»i»i promonwiium der Alten) daneben ein freier Felsen im Meer, dcr Low.' genannt, weil er die Form eines ruhendcn Sphynr tauschend nachahmt, die Rhede mit einigen Dutzend Schiffen und fast einer glcichcn Anzahl gescheiterter Wracks, viele einzelne Blockhäuser nach allen Seiten anf den Höhen zerstreut, drei bis vier Reihen sich übereinander thürmcnder Bergketten, mehrere Zeltlager der Vcduinen in der Ebene und einige N^i-ädut» (weiße domartigc Gräber der Heiligen) bilden, mit einer glänzenden afrikanischen Sunnc, die übrigen Hauptzügc des reichen Gemäldes. Nachdem wir hier eine geraume Zeit verweilt, ritten wir wohl eine halbe Stunde lang cmer em durch einen Sumpf und erstiegen dann, nnter dem Schatten hoher Bäume, einen bedeutenden und sehr steilen Vcrg, auf dessen Gipfel wir, als Zugabe zu der eben beschriebenen Aussicht, noch den bisher verdeckten Theil der großen Ebene und in der Ferne den See Rl^ar» entdeckten. Man überzeugt sich von diesem Punkte aus, wo man das ganze Panorama üono's übersieht, mit wie wenig Schwierigkeiten die Anstrock'nnng dieser Gegend zn bewerkstelligen seyn würde," im Vcr, hältniß zu der unerschöpflichen Fundgrube der solidesten Reichthümer, die nothwendig daraus erwachsen müsiten. Eine leicht ausführbare Verlegung des Flnsibettes der Lu^inm, da, wo sie sich in die 8«M,«o crgiesit, und ein längs des Meeres gezogener Damm von Umw bis zum Klglnmolt),, lsllisipono, nebst den nöthigen kleineren Abzugsgräben, würde vollkommen hinreichen, und kaum mehr als ein Capital von einigen Millionen Franken erfordern. Der Berg, anf dcm wir standen, beisit in der 23s bilderreichen Sprache der Araber Vu-Hkinrliak, in der Ucbcrsctznng: Vater dcs Rothen, weil dcr eisenhaltige Stein dcs Berges diese Farbe hat. Beim Herabstcigen passirtcn wir einige Platze, die mit solchen Massen gelber, rother, violetter und blauer, orange- und rosenfarbiger Vlnmcn in allen Nuancen bcdcckt waren, daß mir kaum in dem schönsten englischen llovvor ^ai-ämi je ein ähnlicher Effekt vorgekommen ist. Wir wandten uns nun den Wiesen zu, und setzten unsre lour am i-ui88«au a'»,-) längs der westlichen Bergkette fort, wo wir zuerst ein hübsches kleines Vorwerk dcs General m,t ci« tloustanlmn an, desscn Erbauung Einige den Römern, Andere 23 j sogar den Carthagern, zuschreiben, der aber wahrscheinlich späteren Ursprungs ist. Hier holten wir die Infanterie und d'Armandy's Artillerie cin, welche einen äußerst beschwerlichen Marsch durch tiefe Lehm- und Sumpflöcher gehabt hatten. Es war mir auffallend, die Infanterie so sorglos und höchst unordentlich, wie es bei uus kaum auf einem Etappcnmarsch im tiefsten Frieden gestattet seyn würde, ohne Bajonetts auf den Gewehren, uud cin Dritthcil als Traincurs über die Ebene zerstreut, marschiren zn sehen. Wären 4t)t> Reiter aus den die Straße bordircndcn Bergen hi.'r hervorgebrochen uud hatten diese drei incomplete« Bataillone mit Schnelligkeit in der Flanke angegriffen, so bin ich überzeugt, sie waren gänzlich zersprengt worden und europäische Caval-l^ric mochte sich dabei sogar leicht auch der Kanonen bemächtigt haben. Von der Escorte war immer noch nichts zn boren und zu sehen. Die Truppen machten jctzs .halt, nnd unsere Begleiter, Herr von Armandy s35 und von 8t. I^ou, wusiten von nun an bei il)ren respektive» Corps dcr Artillerie und Ambulance verbleiben; es fand sich aber unglücklicherweise kein einziger Berittener weiter vor, der den Weg nach dem noch zwei Stunden entfernten Hügel L«ii-^llkuk kannte, wo man den General vermuthete. Ueberdies erklärten mir alle Offiziere, daß ohne Eskorte, besonders in einem Augenblick, wo man die Truppen des Bey von Con-stantinc in der Nahe glaube, und der General einen Angriff beabsichtig?, es durchaus nicht rachsam scy, sich allein so weit in die Plainc zu wagen. Uebcrdem wärc cs ganz ungewiß, ob der General noch auf Nen-,1a1mi!^o in Afrika. Is. lss 242 man kann wohl sagen, fast sämmtliche französische Generale, auszeichnet, machte er mir dic artigsten Entschnldigungcu, und wandte sich sehr crnsi an den Offizier, der den erhaltenen Befehl, dem Anscheine nach, ganz anßer Acht gelassen hatte. Die einfache Vertheidigung desselben, daß er den General mißverstanden, was die Sache abmachte, würde bei uns nicht so leicht durchgegangen seyn; aber man muß gestehen, wenn man nicht schmeicheln will, daß die Subordination in der französischen Armee ungcmein schwach im Vergleich mit den Napolcomschen Zeiten geworden ist. Daß indeß hier nicht einmal ein ernstlicher Verweis erfolgte, konnte mir, als dem einzigen leidenden Theil, nur sehr angenehm seyn. Die Cavalleric hatte in der Nacht ein arabisches vuar (Zeltdorf) angegriffen, ^ in Vrand *) Ein vu.'n' besteht gewöhnlich ans zwanzig bis dreißig (auch mehr oder weniger) schwärzlichr» Zelten von Kamcelhaar, die rumi Krciö fonniren. Der Platz 5U3 gesteckt, und dem im Echlaf überraschten Feinde ohngsfäbr 30 Mann theils getödtet, theils vcr^ wundet. Dcr Verlust ihrerseits bestand nur aus zwei blessirtcu Pferden, und cincm in dic Hand geschossenen jungen Araber von einer befreundeten lrikU) der die Amputation mit vieler Gleichgültigkeit überstanden hat. Bei dcr Fnrth ^Vi?:o3:-«l-rl»88nl (Iu lln propin^w) genat«nt, machten wir Halt um zu frühsiückcu, wobei ich eine neue Fcldindusine erlernte, nämlich sehr gute Omolott^ mix lme» doi-d«8 in cincm ausgehöhlten Brode zu traus-portircn. Wahrend des langsamen Rückmarsches betrachtete ich mir die drei schwachen Schwadronen des Regiments etwas genauer, die mir außcror- in der Mitte ist von Gras und Unkraut gereinigt, und dient des Nachts Pferden und Vieh zum sichern Ruheplatz unter freiem Himmel. In jedem Zelt lebt eine Familie, und ein besonders wcrthvolles Pferd findet znwcilen auch feine» Matz dnrin nebst dcn kleinen sau«?thieicn. 244 deutlich gefielen. Dic 3ente hatten cine frcic, gewandte und kriegerische Haltung, die bloficr Dressur weit überlegen ist; Zanmung und das ganze Pferd eajüstemcnt war wcit bejscr in Ordnung, als wir cs ft^nst bn ftanzosi'schl'r Cavallcric wohl antrafcn; dic Pferde durchgängig, obglcich tlciu, doch siark, fcung, leicht lcnlsam und von dcr, nur dcu Pftrd^'n dicscr Lander cigcnthümlichcn Ausdaucr und Hartt. Nach Allcm, was ich von dicstm Regiment, dcsscn Ofsizi^rcoips cbcnfalls schr ausgczcichnct ist, währcnd mciucs hicsig^, Aufcnlhalts gcsthcn nnd gvhort hab^', haltc ich cs, wic cs jctzt bcschasscn ist, für cins, mit dcm man Allcs unternehmen kann, was irgend ein andcres^ gleicher Stärke, auszuführen im Stande ist; nnd ich wünschte dem tapfern General nnr 1900 solcher <^liÄ88«ui-8 und freie Hand — wir würden bald intcrcssantcrc Nachrichten ans diesem Theile Afrika's in den Zcitnngcn lcscn. Beiläufig muß ich hier doch erwähnen, daß der Oberst der <^!i»,55loui-«) Varon ^i«a„, cin Cavallciisi wic 245 cr seyn sott, dem Grafen Pappenhcim, dcn Sie kennen, so auffallend ähnlich ist, als seyen sie Zwillinge Obgleich durch cincn Sturz schwer verletzt und nur halb hergestellt, war der Obrist dennoch gegenwärtig, und hatte die Attaque der Nacht, wic der General sagte, gleich einem Jüngling commandirt. Es dauerte lange, und wurde in dcr emför-nngen Plainc, trol; aller Pracht dcr Wiesen und der Unermcßlichkeit dcr Blnmenmasscn, welche ost ganze Hügel mit gelbem Glanzc vergoldeten, und die Sümpft mit cinem silberweißen Tnchc übcv-zogen zu haben schienen, dennoch etwas ermüdend, so im langsamen Schritt sechs Stnnden lang durch das nic cndendc Gras zu reiten. Von den wenigen antiken Ueberrcsicn, welche die Ebene noch enthalt, ist das Vettc eines romischen Allstrocknungscanals bemerkenswert!), den der General nächstens wieder herzustellen beabsichtigt, sobald cr Armc genug dazu zu missen vermag. 3l« So schloß, wie Sie sehen, höchst friedlich meine kllrze voucr Campagne. — Wie wünschte ich Sie, dcr Sic ein eben so liebenswürdiger Gesellschafter als Zuhörer sind, Abends mit an unsrem Kamine zu sehen, wenn Herr von Armandy von seinen merkwürdigen Reisen im Orient (die er, wic ich hoffe, nicht immer dcm Publiknm vorenthalten wird) und Herr von 8t. I^'ou von der Wiener Congrcß-Chronik erzählt, wo er zu jener Zeit als Gesandter Nul-iU's hingeschickt worden war. Er sollte damals die Herzogin von S___ hcirathcn, was aus cincr übel verstandenen Delicateffe seinerseits rückgängig ward. Mir thnt dies sehr leid, denn er wäre sonst mein Nachbar in M.....geworden, wo ich dcr liebenswürdigen Nachbarn nicht zu viele habe. Er spricht sehr gut deutsch, und es unterhielt mich ungemeiu, seinc Verwunderung darüber zu vernehmen, daß man in Dentschland so sehr franzosirt sey. „Gleich im Anfange meines Anfenthalts iu Wien," sagte er, „befahl ich einmal V47 meinem Jäger mir den Regenschirm nachzubringen. Da ich bemerkte, daß er in Verlegenheit gerieth, weil cr mich nicht verstand, glaubte ich ein unrechtes Wort gewählt zn haben und zeigte ihm daher den Gegenstand selbst. Ah, rief er vergnügt, jetzt verstehe ich Ewr. Gnaden sehr wohl, d. h. auf deutsch ein Paraplnie.« „Ein andersmal,« fuhr er fort, trat ich in ein Kaffeehaus anf dem Graben und verlangte, nach dem Kellner rufcud, Cassce mit Obbes — denn ich wußte schon, daß das hochdeutsche Wort Rahm hier nicht üblich sey. Dcmohngcachttt sah ich einen Offizier neben mir lächeln. Sie sind gewisi ein Fremder, sing er an, darf ich fragen, ob ein Franzos oder ein Engländer? — Habe ich mich vielleicht nicht ganz richtig ausgedrückt? erwiederte ich verlegen. Nein, nein, nicht falsch, nur nicht ganz deutsch, wenn Sie erlauben. Denn, schauen Sie, unsereins würde blos gerufen haben: Marqueur, Melange!" Von den Wiener Frauen hat er ein sehr zärtliches Andenken behalten, und schlagt sic wahr' 2^8 scheinlich hoher an, als die hiesigen 2lrabcr dic ftanzdsischcn Schönheiten. Diese Naturkindcr führen wirtlich einen originellen Maßstab, denn als neulich cincr ihrcr Schechs die liebliche Frau von D....... sah, gerieth er in cm großes Entzücken über ihre Reizc. „Was gäbst du wohl für diese Dame?" fn-g ihn einer der gegenwärtigen Offiziere. „Beim Propheten!" rief der Schech enthusiastisch, „drei Ochsen und ein Kalb! — " cinc Schmeichelei, welche übrigens die gefeierte Schöne ganz im Ernst bitter und böse machte. Herr von Armandy entwarf uns ein reizendes Gemälde von Pcrsicn, das er allen andern Landern vorzieht. Er kann nicht genug dic Schönheit der Gegenden, die Urbanität der Bewohner und die Annehmlichkeit des dortigen Lebens rühmen; und, meinte er, wenn er auch bei uns die Freiheit liebe, so müsse cr doch gestehen, daß der Fremde unter dem persischen Despotismus unabhängiger, als irgend wo in dem liveralstcn Reiche Europa's sich befinde. Er diente geraume Zeit, unter sehr 249 angenehmen Verhältnissen, beim Prinzen Hlono-niocl ^,11 Hlil-^n in liei'muusoiiall > wo cr zun: Chan erhoben nnd nut dcm großen Sonncn-ordcn decorirt wurde. Ich mußte lachen, als er mir erzählte, daß cr dort schr liirt mit cincm dicken russischen Major gcwesen, dcr d^'n Posten als crsin- Clnulchc b^'i dcr Prmzcssin bekleidete. Di>.'fts ungünsiigc Schicksal war d^m armcn Tcnfcl zn Thcil gcwordcn, wcil cr als Gcfangcncr mit zwolftn scincr Landslcutc die Flucht versucht hattc. Da dic Operation vollständig und ohm- viclc chirurgische Kunst voNzrg'n wurdc, so überstand cr sic nnr allein von allen Dreizehn, und wedcr sein siarlcr Appetit noch scinc gutc Laune wurden dadurch vermindert, ja cv ward zuletzt noch eine Art Liebling des Prinzen, auf dessen Vcfchl cr früher entmannt worden war. Man muß cine gutc Portion Sclavensinn mit auf dic Welt gebracht haben, um cin solches Schicksal crlcbcn zu können. Dcr Wein, dic Roscn und die Weiber von 250 Schiras sollen gleich entzückend, ja selbst die persische Küche nicht zu verachten seyn; Alles aber übertrifft das dortige Iagdvergnügen und die turkomanischcn Pferde — kurz Herr von Armcmdy hat den Plan bei mir zur Reife gebracht, von Acgyptcn nach Syrien, mit dem Neincn Umweg über Bombay, Persien und Bagdad zn rciseu; und da jetzt ein englisches Dampfschiff von lio88^i,- regelmäßig nach Bombay geht, so ist die Ausführung ohne große Schwierigkeit. Ich fürchte blos in die Versuchung zu gerathen, mich von dort im Palankin nach Calcutta tragen zn lassen, wäre es auch nur, nm unterwegs eine Tigcrjagd auf dem Rücken eines Elephanten mitzumachen, oder dem ncucntdccktcn Drachen zu begegnen, den neulich eine englische Zeitnng, als keineswegs fabelhaft, sondern mm im ilwimalajail-Gcbürgc wirklich aufgefunden erklärte. Auf diesem Wege bestand Herr von Armandy seine erste Tigerj:gd auf seltsame Wcise. Er reiste mit einem Freunde, dcr eben so wenig wie cr noch je einm 251 bengalischen Tiger gesehen hatte. Wenig an dicsts Unthier denkend, suchten Beide desto emsiger sich Gegenstände für die Küche zu verschaffen, an denen sie öfters Mangel litten. Eines Abends erblicken sie, schon in der Dämmerung, ein Thier schwerfällig durch die Binsen springen, das sic seiner allu^ nach für ein großes Kalb halten; denn der Tiger zeigt nur ungeheure Kraft und Geschicklichkeit, wenn er sich zusammenzieht, um auf seine Beute zn springen, wo cr Sätze von 30 bis 40 Fuß machen soll; sein gewöhnlicher Galopp ist langsam und unbeholfen. In der Meinung also, es sey ein Kalb, schießt d'Armandy seine Flinte ans das Thier ad, und zerschmettert ihm dic eine Vordertatze; der getroffene Tiger nimmt wüthend seinen Sprnng und stürzt, dnrch die Blcffur gehindert, wenig Schritte vor beiden erschrockenen Jägern nieder. Zn ihrem Heil hatte d'Armandy's Frcnnd die Geistesgegenwart, ihm mit seiner Doppelflinte zwei Kugeln durch den Kopf zu jagen, die ihn aus der Stelle lodteten. 25Z Sic transporlirttn mit vieler Mühe das erlegte Naubthier bis zum Nachtlager, und d'Armand« hat lange das gestreifte Fell seines formidable« Antagonisten als Reiseteppich mit sich geführt. Doch da wir einmal auf das Capitel der Jagd gekommen sind, und ich Ihnen so vornehmes Wildpret nicht vorführen kaun, so will ich Ihnen wenigstens, che ich meinen Brief schließe, eine hiesige, Sauhetze beschreiben, die Sie auch nicht ganz ohne Interesse finden werden. Der gefällige General hatte mir zu derselben wicder 20 Spahis — die diesmal auch wirklich crschieucn — und 3 schöne Hunde überlassen, mit dcncn wir um 11 Uhr früh nach der Plaiuc auszogen. Meine Begleiter waren an diesem Tage, anster meinem Secretair, dem rüstigst.n Jäger, der Commandant li'^kor und der Lieutenant I^aramoittl von den t^1w8«our8 ä'^sriauo, nebst drei bis vier andern Offizieren der Garnison. Nachdem wir Ilippm,« passirt hatten, fttztcn wir unsern Weg längs dem breiten Strome der 253 80)'1>U80 fott, deren hier schloss abgerissene User bis anf dm Wasserspiegel von einem Gestecht üppiger Vegetation überhangen waren; doch nicht früher als ciuc gnte Stunde von der Stadt, hinter der großen Oasis, störten ^vir dic cvsic San ans mmn vciworicncn Pstanzcndick'icht anf, und so schnell die Pferde laufen konnten, folgte mm, imter dem betäubenden Geschrei der Araber, der gauzc Troß, die gespannten Flinten oder Pisiolcn in der Hand haltend. , Ohnc arabische Pfeide, dcren Slch^heit, Aus' daner und Gewandtheit so sehr die der nusrigeu, wenigstens im Allgemeinen übertrifft ist ei»e solche Jagd ganz unmöglich. Ich mnß Ihnen mit wenig Worten das Terrain bezeichnen, das wir vor nns hatten. Denken Sic sich eine im Halbkreis fortlaufende Ebene von zwölf Stunden Länge, und ohngcfahr, nach mittlerem Maaststabe, vier Stunden Breite, die von hohen Vergcn nnd dem Meere eingeschlossen ist. Sie besieht entweder ans Wiescnbodcn oder aus 254 Sumpf, der jedoch, wie ich schon früher erwähnt, überall einen so festen Untergrund hat, dasi die Pferde nie weiter, als höchstens bis zum Knie einsinken können. Diese Sümpfe stehen voller Wasserpflanzen nnd Binsen, die oft die Höhe des Reiters noch überragen, zuweilen sind sie aber auch nur mit niedrigen Schilfblumcn bewachsen. Ebenso sind die Wicsen theils mit schönem blumigen Gras, theils mit Disteln und aus andern aufgeschossenen Pflanzen geformten Dickichten bc-dcckt, welche häufig dieselbe Höhe, als die Binsen erreichen, so dafi man darin nicht fünf Schritte weit vor sich sehen kann, von der Beschaffenheit des Bodens aber über den man reitet, gar nichts erblickt. Wenn Sie nun berücksichtigen, wie unegal dieser durch Locher und Hügel, von Thieren aller Art herrührend, geworden ist, so können Sie sich leicht vorstellen, welche Sicherheit eines Pferdes beim schnellsten Lauf durch diese Wildnisi erfordert wird. Die größte Schwierigkeit liegt aber darin, dasi die hier wohnenden u-iwi8, entweder 255 zu Fallgruben, Mr um ihre Getreide aufzuheben, au verschiedeuen uubckanutcn Orten, Oeffnungen von 6 bis 8 Fusi im O.uarrec graben, die sic sich nic dic Mühe gebcu wieder zuzufüllen. Die so geil wuchernde Vegetation verdeckt sic dcm Auge schuell, uud es ist unmöglich, ciue solche Grubc ehcr gewahr zu werdcu, als bis man schou darin licgt, uud oft hat mau bci ciucm solcheu Sturze sogar vicle Mühe, das Pferd wieder herauszubringen. Es war durch ciueu ähulicheu Unglücksfall, daß sich der Oberst der ..... in Berlin. Vone, dm 10. April 1835. Lieber Louis! Es ist jammerschade, daß die Eisenbahnen und Dampfschiffe noch nicht so weit sind, wie es Perkins von den crsicn versprochen, nämlich 1W englische Meilen damit in cincr Stunde zurückzulegen. Sonst hätte ich Dich zu dm Osierfcrien hierher kommen lassen, wo Du Dich gewiß ganz in Deinem Element befändest, denn wir kommen nicht von den Pferden herab und hier 266 würdest Du Dir ohne Zweifel vergebene Mühe gcbcu, dem nachsichtigen Onkel cincs davon lahm zu reitcn. Ich will Dich jetzt, wenigstens in Gedanken, mitnehmen, nnd Dir erzählen, wie wir hier, trotz einem Brausewind wie Du, auch noch dic jungen Leute spielen. Ich wciß zwar, dast Du gcnug meiner Briefe an die Tante und luui yuauU der Familie liest, Du sollst aber die Ehre meines eigenen haben, lol est n«Uo plaisi,-,, Besuche mich also zuvörderst in meiner Wohnung, ohne Zweifel der besten und bequemsten, die cincm Fremden in Lou« zu Theil werden kann und die dennoch in Europa mein Kammerdiener viel zu schlecht für sich halten würde. Du findest nichts, als eine lange wcißgctünchtc Kammer, ohne Fenster, deren einzige Ocssuung also in der Thüre besteht, die des Lichtes wegen am Tage stets geöffnet bleiben musi. Der Plafond ist unbekleidetes Rohr, durch lauge rohe Knüppel festgehalten. Auf jeder Seite der Kammer befindet sich ein uuangcstrichencr Vcr- 867 schlag von europäischen Kicferbrcttcrn, hinter dcrcn jedcm ein Vctt sieht, das cinc für mich, das andere für meinen Sccrctair. Da es auf der Terrasse über uns zuweilen durchregnet, so ist an manchen Orten die Wand noch fortwährend naß, dcr Fußboden von stark ausgetretenem Kalkmörtel, ist mit drei stattlichen Teppichen bedeckt, die ich, so wie ein Bett und eine portative Küche, in diesen Regionen stets mit mir führe. Eine Menge Koffer und Kisten füllen eine grosic Nische der Thüre gegenüber, und lasscn in dem Rest dcr Kammer noch Raum für zwei ungehobelte Tische, dcrcn eincr zur Toilette, der andere zum Schreiben und Frühstück dient; und auf dcr andern Seite dcr Nische kannst Du Dich ganz bequem auf einer hölzernen Sophabank niederlassen, die mit einer Matratze belegt ist. Stiefel, Kleider, Mäntel u. s. w. finden noch Platz, an den Wänden umher vertheilt. Wie luxuriös ist dieses Appartement gegen das meines Freundes Klimcrath, der bei dem Korrespondenten 868 seines Banquiers in einem kleinen Magazin mit zwanzig Vramttwcinfäffern zusammen wohnt, und statt allcr Mcublm nichts als ein Feldbette, zwei Schemel nnd einen kleinen wackclichm Tisch ans-zuwciftn hat. Dies alles wird euch verwöhnten Muttersbhuen wohl eine grosic Entbehrung scheinen, wie leicht findet man sich aber darein! und cs giebt übcrdem Entschädigung. Denn wenn ich anf die freie Terrasse vor meine Stube hinaustrete, umfängt mich eine milde laue Luft, und über alle dachloscn Hauser hin blicke ich in die reizendste Landschaft. Steige ich hinab, so empfangt mich dcr freundliche Handedruck dcr licbenswetthesicn Wirthe, und verlasse ich das Hans, so erwartet mich jeden Tag cine neue anmuthige Ucbcrraschung. Als Probe nimm die Veschrcibuug des dritten Tages dieses Monats. Wieder war cs ein Freitag, und grade fünf Wochen stit meiner Abreise zum Ilammal verflossen, als ich hicr cine ähnliche Expedition, die Erstei- 269 gung dcs Verges dcr sicben Fontaincn, dcs v8olwd«1 - v«iu^K und des Pik HIerlsclüa, dic höchste Spitze dcs hiesigen Gebürgcs, unternahm. Das Wetter, bisher zwar immer warm, aber unsicher, war heute ohne irgend eine Wolke am Himmel, und demungeachtet eher luftig als heiß. Um sechs Uhr früh verließ ich mit meinem Sccrctair dic Stadt, in Gesellschaft Herrn Klimc-rath's, dcs Hauptmanns äOuäl^a von den ^Ka»»« vielleicht in ganz Afrika auszeichnet, der Tod verborgen lanscht; denn cbcn dic Feuchtigkeit und Ueberfruchtbarkeit dcs Bodens, welche dic einen hervorbringt, scheint auch dcn andern herbeiznlocken. In den heißen Sommermonaten licgt oft die Hälfte der Garnison im Spital, nnd gar viele davon verlassen es nicht lebend wieder, aber die Genesenen selbst tragen noch Jahre lang die Folgen der Krankheit, und oft dcn Keim des spateren Todes, mit sich hcrum. Ein sonderbarer Umstand ist cs, dasi vor der Franzosenzcit Louo gar nicht in dem Nuf cincs ungesunden Clima's stand, und die Eingeborenen sind fest überzeugt, daß nnr dic Oessmmg alter, verschütteter Canälc um den Uurath abzuführen, wie einiger verfallenen Cistcrncn, der Grund der Miasmen sey, dic jetzt dcn Aufenthalt in vouu so gefahrlich machen. In der Richtung von Constantino, das nur 273 3l) Stunden von hier entfernt isi, und das man dennoch wegen dcr Blutgier und Treulosigkeit des jetzigen Bey's, als Reisender nicht besuchen kann, bemerkten wir cincn stltsam gestalteten Berg mit vier Höckern, gleich denen eines Camccls, und weiter rechts zwei Spitzcn, dic regelmäßige Pyramiden zu seyn schienen. Nach dcr Gegend von Algier zu bittet sich, mit schön gesonnten Felsen, das (?up cl« ldl) <^o!lo, das <üap Itngmoni und die Vai von 8wra dar. In dcr Nahe des crstcn Cap's glaubt man, dasi die Römer Eisen-werkc bcsasicn, und wahrscheinlich war zn dieser Zeit dcr größte Theil des hiesigen Gcbürges mit solchen Eichwäldern bewachsen, als wir heute aufgefunden. Zu Brennmaterial ohne Nachpfian-zung benutzt, mögen sie nach und nach verschwunden seyn, wie auch Irland durch die grausame Nachlässigkeit dcr Engländer iu früherer Zeit auf dieselbe Weist aller seiner Wälder beraubt wordeu ist. Eiucr der Offiziere, I.... und ich bestiegen 279 nachher auch noch den hochsicn Pik, der mit wunderbar umher geworfenen Steinmajscn besäet ist, und wo wir ein von den Franzosen noch nicht gekanntes Hilnä^ul-Grab entdeckten, das wir sogar cincn Augenblick für ein römisches hielten, da einige vermoderte Lampen, Lacrimatonen n. s. w. darin, vollkommnc antike Formen zeigten, welche die Handwerker des Landes, wie man sieht, scit 3N00 Jahren durchaus nicht geändert haben. Denn. der ekelhafte, noch nicht einmal ganz verfaulte menschliche Inhalt einiger grbsiercn dieser Gcfasie überzeugte uns bald, daß wir nur etwas Modernes vor uns hatten, und übel dem durch Störung der heiligen Uevcrreste ein großes Sacrilegium begangen, was uns bei einem minder gut cscortirtcn Besuche leicht schlecht hättc bekommen können. Als sich alle Zerstreute, denn die Jäger waren unterdeß auch ihrem Berufe gefolgt, bei den sieben Quellen wieder zusammen gefunden, wo dic Pferde getränkt wurden, und die Türken aus der 88tt Erde gerissene süße Wurzeln ncbst einer Art wilder Artischokcn (das einzige Mahl dicscr un? glaublich mäßigen Menschen am heutigen Tage) gespeist hattcn, äußerte ich dm Wunsch, dcn Rückweg wo möglich seitwärts dnrch dcn 5)vch-.rald zu nehmen, um diesen noch genauer besichtigen zn können. Die Spahis, mit denen wir uns ans Mangel eines Dolmetschers nur sehr unvollkommen verständigen konnten, erklärten sogleich, daß dies unmöglich sey; der eine Jäger, Lieutenant ^nilniut vom Gcniecorps, behauptete aber, er kenne diese Gegend schr genau, die Araber machten zwar ewig Umstände, wenn man nur im Geringsien aus dem gewöhnlichen Gleist weiche, ul,d fürchteten sich wahrscheinlich vor dem uahcn Kabylen, ich möchte ihm nur getrost folgen, ex weide mich den herrlichsten pittoreskesten Weg führen, den ich mir wünschen könne. Ich ließ mich leichtgläubig überreden, die Türken mußten endlich folgen, doch geschah es nur sich weigernd und zögernd, wobei sie wie in einer 2O1 Indenschulc unter sich schrieen und gesiikulirten. Im Anfange ging Alles sehr leidlich, und die Natur ward in der That mit jcdem Schritte schdncr, etwas einen Weg zu Nennendes war aber nirgends zu entdecken, und ost konnten dic Pferde kaum das dicht verschlungene Dorngcsirüpp unter den hohen Bäumen durchbrechen. Immer cnlsehicdencr nahm die Umgcbung den Charakter cincs von Menschen fast nic betretenen Urwaldes an, in dcm sich von dcn verrotteten Stämmen mehrere Fuß hohe, schwarze und lockere Dammcrdc, überall mit Pflanzen bedeckt, nach und nach angehäuft hatte. Wir kamen nun an einen breiten und äußerst steilen Abhang, an welchem ungeheure Bäumc aufgeschossen waren. Die Araber versagten inmn-r energischer weiter vorzudringen, wir blieben aber bei unserm Willen, und begannen, ein Theil noch reitend, der andere seine Pferde führend, gttrost hinabzurutschen. Die weiche Erdc, und die oft von Dornen so übersponnencn glatten Fclscn, daß man ihr Daseyn gar nicht ahncte. 282 verursachten bereits kleine Unglückofälle, unter andern stürzte I....'s Pferd und riß ihn eine Strecke mit sich fort, worauf cr gefährlich darunter zu liegen kam, ohne sich jedoch irqend wehe zu thun. Nach vielen Umständen langten wir endlich unten an, wo ein felsiger Bach mit noch größerer Mühe und einigen von Neuem stürzenden Pfcrdcn passirt wurde. Vor uns lag jetzt cine sumpfige Wildmsi, die sich als ganz impracticabel zeigte, und rechts cm felsiger Abhang, gleich dem eben hcrabgckommencn, den wir nothgedrungen mit immer vermehrter Schwierigkeit erklimmen mußten. Das Reiten wurde nun unmöglich, und die Türken, dercn Kleidung, mit grosten rothen Rittcrstiefcln, sechs Zoll langen Sporspießeu und doppelten Bernus-Mänteln, sehr übel zum Fnsi-gchen eingerichtet ist, verloren gänzlich die Geduld, und schienen uns in ihrer Sprache zu allen Teufeln zu wünschen. Uns hielt die Romantik aufrecht, doch sahen wir sämmtlich von der übermäßigen Erhitzung dunkclroth wie gekochte Krebse 283 aus, und wurden oft zu einem langen Halt genöthigt, um nur wieder zu Athem zu komme«,. So irrten wir noch geraume Zeit anf imd ab, und rechls und links umher, bis wir uns iu eine tieft Slii-A« eingeklammert fanden, nnd einen reißenden Waldsirom vor uns sahen, der zwar zwei schone Wasserfalle bildete, und in jeder Hinsicht unsere Augen erfreute, abcr nirgends cincu Durchgang darbot, den Pscrde passiren zu konncu schienen. Es blicb indefi kein anderer Ausweg übrig, denn die Rückkehr zu versuchen hatte die Zeit nickt zugereicht, und das Unternehmen mnßtc also gewagt werden. Smdcm ich diesen Uebergang gesehen, und selbst mit bewerkstelligt, möchte ich säst glauben, daß arabische Pferde anch Festungswerke erklettern können. In dcr That fielen fast alle der armen Geschöpfe cm- oder mehrcrcmale, aber eins uur, das eines türkischen Schausch, brach den Hals, und blieb unter dem lauten Wehklagen der Araber, die cine halbe Stunde brauchten um es zu entkleiden, auf cinem hervor- 28^ ragenden Fclsen dcs Waldstroms liegen. Die grosien Geier werden cs sich zu Nutze gemacht haben. Wir Christen waren auch nicht ohnc blauc Flecke nud Nitzc geblieben, doch litten die armen Türken wegen ihrer erwähnten unbeholfenen Tracht am meisten. Erschöpft lagerten sie sich, als wir nns wieder zusammen gefunden hatten, neben ihren Pferden auf dem weichen Boden, und nichts konnte sie vermögen, vor einer guten Stunde wieder aufzubrechen. Die Noth war jedoch nun überstanden, denn in Kurzem gelangten wir wieder auf den am Morgen eingeschlagenen Weg, und hatten doch unsern Zweck erreicht: einen afrikanischen Urwald gründlich kennen gelernt zn haben. Viel Zeit war aber darüber vergangen, was mich um so mehr contrariirtc, da mich der General zum Essen erwartete, uud ich die Unthunlichkeit voraussah, mich noch zur rcchteu Stunde dabei cinfinden zu können. Von den hier in der Nähe 'wohnenden femd> lichen 'lril)U8 hatten wir nichts zn sehen bekommen. «85 Erst auf dcnl Rückweg trafen wir dm Individuen derselben an, die, fast ganz nackt gehend, Kohlen bratmtcn. Es warcn schön gebaute große Menschen, - doch von einem häßlichen und grausamen Gesichtsausdruck, und ich zweifle nicht, daß dic Mordthaten, welche man ihnen zuschreibt, gegründtt seyn mögen. Doch attakiren sie nic ohne decidirre Uebermacht und mit höchster Wahrscheinlichkeit dcs Ersolgs, überhaupt nicht leicht gut Bewaffnete. Sobald wir ganz aus ihrem Vcnich waren ^ eilte ich voraus und trieb mein Pferd au, den beschwerlichen Weg durch den Olivenwald im Trabe mehr hinab zu glitschen als zu laufcn, und in der Ebene angelangt liest ich das köstliche und ganz unermüdliche Thier die letzte halbe Stnnde bis zur Stadt im vollsten Rennen zurücklegen. Es bewerkstelligte dies durchaus mit demselben Feuer wie beim Ausmarsch vor dreizehn Stunden, und ich hatte sogar Mühe, es vor dem Thore, wo der Weg voller Löcher und sehr schlecht ist, erhalten zu kouncn. Nnr dic edelsten englischen Pferde sind 2«6 Gleiches zu thun im Stande. Ungeachtet aller dieser Eile und einer eben so hastigen Toilette, hatte der zu gütige General dennoch zwei Stunden mit dem äiil« anf mich gewartet, cinc wahrhaft großmüthige Attention, die ich nm so dankbarer erkennen mußte, da ich ohne sie bei so später Tageszeit in Ii«n« nira/nds mehr etwas einer regelmäßigen Mahlzeit Aehnlichcs hätte vorfinden können; und es ist ohne Zweifel erlaubt, nach einer llUi^uo wie die unsrigc, den gehörigen Wcrlh auf einen solchen Gegenstand zu setzen. Der häßlichste Schatten, den der böse Freitag auf meine heutige Unternehmung warf, war der Verlust eines schönen Dollond, den ich seit 20 Jahren besitze, und welchen künftig entbehren zu müssen, mir sehr nabe gcht! Da Du ein angebender Gelehrter bist, so will ich Dich nicht blos von Allotrien unterhalten, sondern Dir jetzt zu weitcrem Nachdenken mit Deinem vortrefflichen Studiendirector, dem ich mich bei dieser Gelegenheit angelegentlich zu «87 empfebleu bim, die kurze Ansicht cincs ncucn u»d ziemlich auffallenden zoognosisckcu Systems geben, das mein hiesiger Freund, Herr von t5l. 1^«,,, auf langes Studium der Natur gegründet uud iu Kurzem bekannt zu machen dic Absicht hat. Sein gewähltes Epigraph isi folgmdcs: „Ncil all»: Modisication^u dcr Gatttmgcn vollkommcn durch dic verschicdcncu Einflüsse dcs Altcrns (dem allcs iu dcr Zcit Lcbcnde uutcrworfeu isi,) dcs Bodcus uud dcr Tcmpcratur hiulänglich erklärt wcrdcn lbnncu, so darf mau mit gumu Gruudc zw^lftln, daß dic Natur vcrschicdvuc Naccu gcschasscn. Sic proccdirt also lcim-swegö dlirch Vervollkommnung — sie schasst auch vou Haust aus keine Degradation d. h. tcinc Gattuug iu verschicdncn abfalleudcu Nüauccu." „Dies," s^h^i ^- ftif^ „ist die Grundlage einer Mcuge Vwbachtuugcu, welche alle die Eiuhcit d^r Schöpfung jeder Gattung uud die Einheit dcs Ortes derstlben danhuu wcrden. Die mora^ ltjche Wclt mag andere G.fttze haben, uud diese 288 lassen wir hier ganz aus dem Spick, wir habcn cs nur mit dcr physischen zu thun. Indem man diejenigen Gegenden bci Seite sctzt, wclchc primitiv nicht durch Menschen habcn bevölkert seyn können, erkennt man, daß in fast ganz Afrika, wie dem östlichen und nördlichen Thcil Asiens, dicsc Gattung schon im Laufe dcr Zeit zu tieftr Degradation hcrabsteigt, daß sie in Amerika ebenfalls schon weit von ihrer ersten Reinheit entfernt ist, nnd dasi sie iu Europa am meisten fast alle ihre instinctive« Qualitäten verloren hat. Ich bin daher überzeugt, daß in den Ländern dic sich zwischen Pcrsien nnd Acgypten befinden, die Wiege des Menschengeschlechts zu suchen sey. Man wird zu dicscr Conjcctur hauptsächlich durch dic Entdeckung mehrerer Gesetze dcr physischen Ordnung geleitet, namentlich durch dasjenige: dast dcr Verlust an specifischer Schwere des Knochen-und Muskelgewebes bci allen Individuen die vcrhältnißmäßigc Entfernung vom Typus anzeigt. Da nun bci keiner andern Race die Schwere des- S8O selben stärker ist als bci dcn Arabern, keine Individuen andrer Stämme in höherem Grade, als sie, auch dic übrigen Normalcigcnschaften besitzen, so läßt Alles glauben, daß dcr Araber der Urmensch ist, nnd zwar dcr zwischen Syrien und Acgyptcn Lebende, woraus folgt, daß man mit dcm Araber dieser Gegenden, durch Hülfe des veränderten Bodens und Clima's alle Racen dcs Globnö hervorbringen kann; ganz anf dieselbe Weise, wie man von dcm gleichen Ausgangspunct und durch dieselben Mittel dahin gekommen ist, alle verschiedenen Pfcrderaccn hervorzubringen, weshalb es heut zn Tage nicht vicl schwerer ist, ein Pferd von dieser oder jener Güte, dieser oder jener Schnelligkeit, dieser oder jener Kraft zu machen, als einen Liqueur zn diesem oder jenem Grade dcr Starke zu alkoholisircn.« ") Meine Discretion erlaubt mir nicht, noch tiefer ") Diese Analogie dcr Menschen mit meinen Lieblingen, den arabischen Pferden, ist mir schr willkommen. S emilasso in Afrika. N. 19 290 in die Details der Zeichen einzugehen, wodurch nach Herrn von 8t. I^6«i» dcr Prototypus der Menschheit erkannt werden kann, mannigfache Betrachtungen, wie es mir scheint, neuer Art, wird schon das Vorhergehende erwecken, auf dessen Vasen vielleicht einst cin von dem unsern ganz abweichender gesellschaftlicher Znstand gegründet werden kann, und selbst auf rein materiellem Wege die Pcrfcctibilitat gewonnen, d. h. durch Kunst die Folgen dcr Degradation dcr Zeit aufgehoben, und die Menschheit wieder zum Typus zurückgeführt werden mag. Alle weiteren Nachforschungen in dcr Sache müssen sich aber immer auf die Ueberzeugung des Herrn vou 8t. I^onn grüuden, (die übrigens die Bibel bestätigt, weshalb Du ohne Frevel Dich ihr überlassen kannst), daß die ersten Wesen jcdcr Gattung mit dcr höchsten Summe ihres Instinkts geschaffen wurden, daß die Vollkommenheit dieses Instinkts zugleich die aller andern Agentien erfordert — daß man also jetzt, als vom Privilegium dcr 29! Primitivität beraubt, alle diejenigen Raccn ansehen musi, bei denen die pcrecptiven Organe zu weil vom ersten Reichthum der Schöpfung entfernt sind. Wir müssen daher, so schwer es nnserm Stolze vorkomme» mag, hiernach annehmen, daß nicht diejenige Nacc dem Typus am nächsten ist, welche die meisten Bücher schreibt, nnd am meisten politisirt, welches vielmehr, fürchte ich, schon übcrhandgenommcnc Verwirrung nnd Krankhaftigkeit anzeigt, sondern ganz einfach die, deren Subjecte am besten sehen, hören, schmecken, fühlen 'und empfinden. Hierbei ist dennoch nicht unnütz zu bemerken, dasi, da die Nerven cine der ersten Rollen in den Pcrccptioncn spielen, eine Organisation auch deshalb um so weniger Primitiv seyn wird, als das Nervensystem weniger ausgebildet ist. Die armen Flamländcr hält Herr von 8t. I^oon deshalb für die dem Paradies entfernteste Race, weil er der Meinung ist, dast sie von allen Menschen am wenigsten nervös und vom schwammigsten Knochenbau sind. 292 Cine große Entbehrung hier in Ilono ist für mich, daß cs keine christliche Kirche giebt; man nnlst wie ein primitiver Heide leben, da man selbst in die Moscheen nicht hinein darf, wenn man eine Anwandlung von Islamismus verspüren sollte. Die hiesigen Franzosen scheinen in der That alle ihre Religion in Paris gelassen zn haben. Glücklicherweise hat der licbe Gott einen desto schöneren Tempel um uns her aufgerichtet. — Ich darf mich aber den frommen Dingen, die schon auf meiner Zunge schweben, in einem gedruckten Vricfc gar nicht mehr überlassen, seit cinc Berliner Dame, die mich rccensirt, und noch nicht zu den Schlimmsten gehört, erklärt hat, nichts sey ihr widerlicher, als wenn ich anfinge in geheuchelte Religiosität oder in Lobeserhebungen anf unsern König auszubrechcn, wovon eins wie das andere nur Affectation ware. Glücklicherweise kennst Du, obgleich zu Deinem Heile ebenfalls viel rechtgläubiger als ich, mich dennoch besser, mciu gutcr Louis, uud Gott und der König wer- «M den hoffentlich auch cine weniger hartc Mciuuug von mir hegcn. '') ^) Indem ich den obigen Brief nach seiner Absendung wieder durchlcse, halte ich es nicht für unzweckmäßig, dem Publikum mitzutheilen, was übcr diesen Punkt mein armer Doppelgänger änsicrte, als er durch magische Gewalt gezwungen, sich in meine Seele versetzen mußte. „Es ist dringend nöthig," sagte er, „daß ich mich einmal deutlich — wenn auch noch keineswegs ausführlich — über einen Gegenstand aussprcche, der meinen Freunden eine unrichtige Meinung von mir, und meinen Feinden eine neue vergiftete Waffe gegen mich in die Hand geben tonnte." „Gott und die Welt sind (wenigstens für unsere irdische Capacitat) zwei sehr verschiedne Dinge. In der Welt giebt es viel Dummes, Schlechtes, ja Empörendes, und mit der Religion selbst, die Gott in dieser Welt am nächsten zu stehen scheint, wird der niederträchtigste Unfug getrieben. Wenn ich nun die Dinge dieser Kategorie angreife, bin ich deshalb ein Feind Gottes?" ,Muwti!5 mutancli« wird cs mit König und Gou- 294 Im Fache der Gastronomie bin ich hier nicht ganz ohnc vermehrte Kenntnisse geblieben. Zuerst vernement eine ähnliche Bewandtniß haben, denn welcher Monarch kann heut zu Tage mehr in dem Grade regieren, als es früher möglich und angemessen war. Wie es tausendmal gesagt worden ist, die Dinge sind stärker ge-worden/ als die Personen, was mit andern Worten nichts anders heißt, als: die Pluralität, die allgemeine Meinung herrscht mächtiger als der einzelne Wille — und wenn ehemals ein Souverain sich in dieser Hinsicht zuweilen vom Netz seiner Hofleute umstrickt sah, so ist heute das Veamtcngcwebe um ihn her noch weit mächtiger und undurchdringlicher geworden. Selbst was er einsieht, kann er oft mit dem besten und festesten Willen nicht ändern, geschweige was ihm unbekannt bleibt, oder was ihm unmöglich gemacht wird, anders als einseitig zu sepn. Er müßte selbst cin Gott stpn, um alle Diesem begegnen zu können." „Was nun die, in jeder biedern Gesinnung geheiligte Person unseres eignen Monarchen betrifft, so habe ich es vielleicht schon früher geäußert, und denke es heute wk' 895 hat mich Frau von Armandy gelehrt, den ächtcu indischen Kary zu verfertigen, wobei die Haupt- damals, baß es nur wenig Menschen geben kann, die unserm König nicht von Herzen zugethan wären, nicht allein, weil cr König ist, sondern wegen seiner Menschenwürde, Güte, Milde und Gercchtigkcitslicbe. Mir selbst hat des Königs Majestät nie etwas anderes als Freundlichkeit und Gnade erzeigt, und Manches, was ich von andrer Seite schwer zu leiden hatte, dadurch großmüthig zu versüßen gesucht, ja einigemal Selbst in die Speichen gegriffen, wo es Seiner Gerechtigkeit unerläßlich erschien. Ich habe also auch persönlich nur Ursach, meinen König zu lieben und Ihm von ganzem Herzen dankbar zu seyn, so daß die Pflicht, Ihm treu und innig anzuhängen, mir in jeder Hinsicht nur zur Freude und Genugthuung gereichen kann. Doch wäre dies auch nicht der Fall, so bin ich von zu altem deutschen Stamme, und zu sehr in den Grundsätzen desselben erzogen, um nicht stets bereitwillig den letzten Blutstropfen für den augebornen König zu vergießen, Er behandle mich wie Er wolle; so wie denn auch, Gott Lob! nie einer meiner Vorfahren die 296 fache ist, den Rcis so zu kochen, daß cr croquant bleibt, und mir zugleich das Rcccpt zum Kaffee? machen bestätigt, welches ich, wie Du Dich wohl noch criunerst, meinem Freunde >V artigen und fast unabhängigen Araber selteu den Schiffbrüchigen das Leben lassen. Diese üble Beschaffenheit und gleiche Treulosigkeit der Winde, des Meeres und der Menschen, machen daher auch für die kleinen Handelsschiffe dic Fahrt hier so unsicher, daß fortwahrend Unglücksfalle an der Tagesordnung sind. So erhielten wir erst vo, 312 acht Tagen in Nou« die Nachricht, daß bci einem nur schwachen Unwetter cin Schiff, das wir noch scldst absegeln gesehen hatten, kurz vor Li8ort» gescheitert war, wobei fünf Reisende ihr Leben verloren, nntcr denen seltsamerweise derselbe Offizier sich befinden soll, dcsscn romantische Licbschaft mit dem Vcdmncnmädchcn ich erzählt habe. So bcsorglich daher die Lage war, in der wir bis zum Einbruch der Nacht, abwechselnd da und dorthin umhcrgctricbcn, verblieben, so macht doch die Seekrankheit, wcnn sie jenen hohen Grad erreicht hat, der fast unerträglich zu nennen ist, gegen Alles vollkommen gleichgültig, und in diesem Zustande befanden wir uns beinahe sämmtlich. Glücklicherweise wurden einige Nothzcichcn, die nnser Capitain gab, in dem nicht weit rückwärts gelegenen unbedeutenden Hafen von I'nkai'lia bemerkt, wo sich einige zwanzig Genuesische Barken zur Corallcnfischerci anfhiclten. Eine dcrftlbcn kam, da wir wegen Hohe der Wellen in den Hafcu einzulaufen nicht im Stande waren, uns 313 zu Hülfc und ruderten das Schiff, im Tau genommen, herein. Die Ruhe im Haftn that uns schr wohl, und sobald es Tag geworden war, eilten wir begierig ans Land, um uns bei dem tunesischen Aga zu melden, der uns freundlich empfing und zugleich für einige frische Lcbeusmittel zu sorgen versprach; denn in dcr Meinung, höchstens nur achtzehn Stunden auf dem Mecrc zuzubringen, hatte ich mich zwar mit meiner portativen Küche, aber mit nichts dariu zum Kochen versehen. Dcr türkische Befehlshaber war ein ricscnmaßig gc-bantcr, schöner Kricgsmann, mit einem langen schwarz und weiß gesprenkelten Vart. Seine Kleidung erschien uns ärmlich, so wie seine ordinaire Pfeife, die uicht einmal eine Spitze hatte, und er trug zu meiner Vcrwuudcrung gar keine Waffe. So gering er indeß bezahlt seyn, und so kümmerlich er leben mochte, so würdevoll und grandios blieb fortwährend sein Benehmen. Auch vcnvcigcrtc er uns stets mit wichtiger Miene die 344 mehrmals nachgesuchte Erlaubniß, das Innere des alten gothischen Forts zu besehen, das dem-ungeachtet in zu elender Verfassung ist, um Europäern irgend einen ernstlichen Widerstand leisten zn können. Er nahm nut Wohlgefallen, aber wie immer ohnc Dank, das Gcschcuk einiger Pfunde lcvantischcn Tabaks an, nnd bat noch dringend um etwas Schroot zur Jagd, das mit dem Pulver das Kostbarste an diesen Küsten ist. Denn für Pulver und Blei, glanbe ich, vcr, kauften die hiesigen Eingcborncn Vater und Mutter. Die Insel ^ukarka liegt nur einen Büchsenschuß vom Ufer, und besteht aus einem malerisch geformten, mit Felsen schön verzierten Berge, über und über bedeckt mit den Ruinen der altcn Stadt gleichen Namens. Auf einige ihrer Grundmauern haben die Genueser da, wo sich cine Felscnwand mehrere hundert Fnsi jählings in das Meer herabstürzt, ein großes und schönes Schloß erbaut, welches jetzt von zehn bis zwölf schlechten 315 eisernen Kanonen vertheidigt wird, von denen einige überdies noch, wie Fernrohre, gen Himmel gerichtet waren. Mehrere kleine Beftsiigungswcrke sind auch schon wieder eingefallen, so wie die christliche Kirche, in welcher ein besonderer Umstand als merkwürdig erscheint. Auf derselben Stelle nämlich, wo, wie man noch deutlich sehen kann, der Hochaltar sich einst befand, ist jetzt ein dichter Binsenstrauch von bedeutendem Umfange emporgeschossen, und das Mystische bei der Sache ist, daß auf der ganzen Insel, so wie selbst auf den gegenüberliegenden Userbergcn, die sich um dieselbe ziehen, und so den Hafen von ^barka bilden, nach Anssagc der Bewohner, keiu einziger Strauch dieser Art weiter angetroffen wird. Auf dem vordersten der erwähnten Verge siebt man noch ein anderes ehemals genuesisches Fort, das gleichfalls den Hasen beherrscht. Die Hanptvcgetatiou des Eilandes besteht aus Cactus und vielen andern Fettpflanzen dieser Gattung, welche in allen Richluugen die Felsen 316 bekränzen, anch einige Feigen- und wilde Pfirsichbaume bcugcn hicr nnd da ihre Aeste über das an unzähligen Klippen hier ewig hoch aufschäumende Meer. Die Wirkungen, welche diese fortwährende Brandung auf mehreren der dortigen Sandsteine hervorgebracht hat, ist im hohen Grade überraschend. Ganze Felstnplattcn sehen täuschend so aus, als wenn sie mit Hieroglyphen bedeckt, oder Reste künstlicher Vauzicrrathen wären, namcnt, lich in jener Art, wie sie die Mauren so häufig an ihren Plafonds anzubringen pflegen. Dies Naturspicl ist dennoch blos daraus entstanden, daß das Wasser die Härtcrm Stcinadcrn so künstlich ausgespart und die weichere Masse darunter verzehrt hat, daß eiserner Fleiß und der geschickteste Meissel kaum Zierlicheres hervorbringet« könnten. Der Spazicrgang zwischen diesen Stcinlabyrinthen rund um die Insel, war daher in jeder Hinsicht ungcmcin interessant für uns, obgleich an manchen Orten sehr beschwerlich. Drei bis vier Matrosen von den Corallenschissen halsen mir, von der 317 Seekrankheit ganz Ermattetem, über die schwierigen Stellen; I.... schoß ein Rebhuhn und eine wilde Taube für unscrc Tafel, und die Uebrigcn sammelten wilde Blumen für mich, unter denen sich auch schöne Gartenastern vorfanden, die bei uns, so viel ich weiß, nur im Herbste blühen. Die Aussicht vom Gipfel zeigte uns gegen Süden, nach dem Ufer gewandt, ein frisches Wicsenthal, das zwei kleine Flüsse — von denen der größte Xaiu genannt wird und ehemals '1'usoa hieß — anmuthig durchströmten und viele Viehhccrdcn belebten; dic sich daran schließenden Berge warm bis au ihre nackten Fclscnkämme theils mit junger grüner Saat, theils in den tiefen Schluchten uud über mehrere Abhänge hin, mit herrlichen Eichenwäldern durchwcbt, aus denen vicl Holz für die tunesische Marine gezogen wird. Mehr westlich entfaltete sich dagegen schon eine kleine Probe der Wüste, kahler, gelber, schauerlicher Sand, der sich weit in das Land hinein, bis an den Fuß blauer, mit dem Himmel vcrschwebendcr 3l8 Berge zu erstrecken schien. Gegen Norden glänzte im Sonnenschein nur der, uns ans dcr Nacht ominös bekannte, Felscnkegel von kalita, und des Meeres azurne Fläche, auf der die vielen Corallenschiffchen mit ihren flügclartig ausgebreiteten zwei spitzen Scgcln, gleich Wassernymphen, umher gaukelten. Auf dcr vierten Seite schloß der dunkle Vorhang dcr Hafenbcrge, auf dem oben das Genueser - Schlost, untcn römische Ruinen erschienen', jeden weiter« Blick in die Ferne. So schön und wolkenlos der Himmel war, so ungünstig blieb dcr Wind, und vor dcr Hand schien an keine Abreise zu denken. Dies war um so unangenehmer, da der Aga auf mein Befragen jede Excursion im Innern außerhalb dcr Insel für unthunlich erklärte und auch Niemand zu diesem Behuf mitgeben wollte. Es ist eigenthümlich genug, so ganz nahe vor sich ein üppig schönes Laud zu sehen, nach dem uns überdies noch mehrere weitläufige, und offenbar antike Ruinen 319 der altcn Stadt ^akarka lockten, in dcrcn Spalten ei», prächtiger Palmbaum aufgeschossen war — und doch nicht hinüber zu können, weil die Neu-gier leicht allzu übcl bestraft werden möchte. Die dortigen Beduinen, die Nouati) zu jeder Zeit ein verrufener Stamm, sind dem Vcy von Tunis uur in so fern unterthänig, als sie ihm einen wenig bedeutenden Tribut zahlen, der alljährlich durch eine bewaffnete Expedition, welche in der Provinz umherzieht, eingetrieben werden muß. In diesem Augenblick scheinen sie sich aber in einer Art von Redellion zu befinden, denn bei ihrem letzten Markt, der gerade unter dem er, wähnten Palmbaum statt findet, haben sie, wie wir horten, allen Respekt für den mit einigen seiner Türken gegenwärtigen Aga so sehr aus den Angen gesetzt, daß er sich zn einem eiligen Rückzug gezwungen sah. Einer der 'I'op8olii (Kanoniere), ein schöner junger Mann mit einem fast eine halbe Elle messenden blonden Schnurrbat, wies uns seine von zwei Kugeln durchlöcherte Vcrnus 32N vor, indem er erzählte: daß er erst am Tage vor unserer Ankunft diesen Denkzettel davon getragen habe, als er Abends den jenseits des Hafens liegenden Berg hinangesiiegen sey, um eine Votschaft des Commandanten nach dem dortigen Fort zu bringen. Auf ganz 1'abai-ka befindet sich, außer dem Schloß, kein Haus, das irgend Jemand zu beherbergen im Stande wäre. Die einzige Art von Unterkommen gewahrt ein zu Ställen und einigen dürftigen Soldatcnwohnungcn eingerichteter Ruinenhaufcn am Ufer, vor welchem unter einem Strohdach ein maurischer «al6 ctablirt war. Hier standen rohe Stcinbänkc umher, und der Aga, wie sämmtliche zerlumpte Krieger der Garnison, nebst einigen christlichen Matrosen, brachten hier ihren Tag mit Tabakrauchcn und Kaffctrinkcn zu. Auch ich war genöthigt, um dem Schaukeln des Schiffs so viel als möglich zu entgehen, hier meinen temporären Aufenthalt alle Tage zu wählen, und hatte zu dem Endzweck mit I.... die 32t kinc ganze Bank in Beschlag genommen. Hier frühstückten wir, aßcn zn Mittag, lastn und schrieben, welches Letztere immer viel Ncugier Erregte, den Türken aber, ihren vcrdrüßlichcn Mienen nach, nicht sonderlich zu gefallen schien. Unter dem bedeckten Thorweg dcs Gemäuers hatte sich ein Barbier im freien Durchzug der Luft angesiedelt, der zugleich einen Handel Mit P seifen röhren, Rauch- und Schnupftabak und dergleichen trieb. Sein ganzes Ämcnblemcnt bestand ans einem Tisch, einer Vank, auf der cr schlief, und cincn von kleinen Knüppeln zusammengefügten Tabonret, auf das scinc Kunden sich setzten, einem halben Dntzend schmutziger Messer, die wie Grassicheln anssahcn, und einem hiervon sehr abstechenden eleganten Handspiegel, der Mit Perlmutter reich ausgelegt war. Es bot ein unterhaltendes Schauspiel dar, alle die verschiedenen oft sehr ausdrucksvolle» KaMpfc zu betrachte», welche er nach und nach unter sein Messer bekam, und bei denen er immer damit anfing, Semitasso i» Afrika. II. 31 323 mit cincm grosicn Pferdekamm sorgfältig dcn langen Zopf zu kämmen, dcn die Muselmänner auf der Mitte dcs Scheitels stehen lassen. Zu habcn war übrigens hier auf ganz ^darlia Nichts, als Kaffee ohne, Zucker, Eier, Milch, schlechte Butter voller Haarc und Unrath, Hühner uud vortreffliches Wasser, von dem über ein Dutzend, zum Theil antike, Brunnen auf der Insel gefunden werden. Aus diesen Ingredienzen, verbunden mit dem Wenigen, was wir noch mit uns hatten, und was die Jagd gewährte, wußte uns jedoch mein junger Maure Mustapha, der, wic ich zu meinem großen Vergnügen jetzt erfahre, cin halber Koch ist, ganz leidlich zu bewirthen. Auf dem Meere, dett 16. April 1635. Der Mensch denkt, Gott lenkt! Als wir von Lou« mit dem besten Winde auf dem leichten Schisschen absegelten, das der Capitain obendrein für einen Schnellseglcr ausgab, erwarteten wir, höchstens cincn Tag unterwegs zu seyn, und hcutc, nach fast einer Woche, wiegt uns, nach wie vor, noch immer das Meer, während wir kaum die Hälfte unserer Reise zurückgelegt haven, auch von 'lnlinlka. ans wieder vierzig Stunden auf dem Wasser zubringen, und noch keine Hoffnung des Besserwerdcns uns lächelt. Schon fehlt es uns ganz an Vrod, für das der ölig schmeckende Schiffszwicback cin clcndcs Surrogat ist, an Zucker, 324 Vuttcr, Gcmüsc und frischen, Schlachtfleisch; die luxuriösen Dinge sind langst ausgegangen, wornn^ ter anch leider die Orangen. Seit gestern ist also dic Taftl auf ein, in Wasser gekochtes, altes Huhn mit dem steinharten Zwieback redueirt, und die Entbehrung ist desto empfindlicher, da wir bei allem Unglück diesmal so glücklich sind, nicht seekrank zu seyn. Am 14. Morgens, nach einen: wunderschönen Sonnenuntergang und Mondaufgang, welche die Felsenspitzcn am Meer und die Rninen des alten Hafens (unter denen sich ein noch hervorragendes Stück Saulenschaft erhalten, an welchcs die Schiffe angebunden werden) abwechselnd in Blutschem und Silbcrlicht getaucht — hatte sich ein frischer Landwind erhoben, den der Capitain schnell benutzte, um unser unfreiwilliges Enl endlich zu . verlassen. Kaum aber hatten wir fünf Sccsiundcn zurückgelegt, als eine totale Windstille uns, todten Saudbergcn gegenüber, wie mit Polypcnarmen festhielt. Einige zwanzig Stunden brachten wir 3S5 auf diesem Fleck zu, dann trieb nns ein contraircr Zephyr wieder einige Stunden abwärts, wozu wir abermals einen halbcn Tag gebrauchten. Seitdem lösten sich linde Lüftchen von allen Seiten der Windrose ab, und bald da, bald dorthin, schncckenmäßig fortgeweht, fanden wir nus heute, ungefähr zwei Stunden vor Sonnenuntergang, wieder am Fusie der wüsten Felseninsel t3«Ilu0) die cs zwischen der großen und kleinen Insel mit ihrer vollen Gewalt traf, heftig hin und her geworfen wurde. Dcr im Kahn gebliebene Matrose schrie uns jetzt durch die zum Sprachrohr geformten Hände mit hohler Stimme zu: Dcr Anker scy im Begriff zu rciffen, wir sollten um des Himmels willen eilen herabzukommen. Es war jedoch nicht so leicht, dic steilen Abhänge mit losen Steinen, glatten Felsen und vom Regen schlüpfrig- gewordenen Binsen im Fluge hiuabzuklettern, und ich verwünschte, seit 323 üo,i« als halber Türke gekleidet, meine weiten Mamcluck'cnhosen, die zum Rcitcn, zum gravitätischen orientalischen Schritt, und auf dcr Ottomane oder seinen untergeschlagenen Beinen sitzend, so behaglich sind, hier aber mich, wie Kunz von Kanssungcn einst scinc Sporen, mehrmals fast ins Unglück gebracht hätten. Obgleich die Besorgnifi unsern Matrosen doppelte Kräfte gab — denn ward des Schisses Anker wirklich losgerissen uud trieb dcr Wind es fort, so musitcn wir uns ans Robinsons Schicksal für wenigstens acht Tage gefaßt machcn, ehe ein anderes Schiff uns wieder hatte befreien können — so waren sie doch nicht fähig, die mit zehn Menschen gefüllte Gondel anders als sehr langsam durch die heftig widerwogcndcn hohen Wcllcn hindurch zn arbeiten, und die Zeit bauchte uns ewig, während der wir in so bedrohlicher Ungewißheit schwebten. Kaum aber hatten wir nach unsäglicher Mühe das Schiff erreicht, so legte sich, wie uns zum Hohn?, auch fast augenblicklich dic NululO wieder. 329 und ich war noch nicht vollständig ausgezogen um mich ins Bett zu begeben, das ich auf dcm Schiffe so wenig wie möglich verlasse, als das Mccr zwar noch hoch ging, abcr die alte Windstille auch schon wieder in der Luftrcgion herrschte. Jetzt liegc ich nun, die wohlthätige Geduld übend, auf meinem Kopfkissen, dittire I..<. mcin Tagebuch, und sehe durch dic stets offen bleibende Klappe der Cajütc dic Sonnc untergehen. Sie vergoldet des, zwischen ihr und mir sitzenden, Steuermanns buntes Gewand, das ans hnndert Lappen zusammengesetzt ist. Neben den vielen Lochern seiner Harlckinsbänkleidcr, die, sich uoch in desolateren Umstanden als das Oberklcid befinden, steckt die letzte Heuuc am Bord ihren rothen Kamm hervor, und camaradschaftlich rnht neben ihr ein kleines getigertes wildes Schweinchen aus Uono, das dnrch seine Affenpossen der Liebling, und zugleich der unglückliche Spielball der ganzen Schiffsgcsellschaft geworden isi. Eben heißt es, seit die feurige Kugel hinter 330 NtlMa hinabgesunken, erhebe sich ein günstiger Wind. Der Hlmmcl gcbe, daß er nns endlich am morgenden Char- Freitag erlösen, und nach dem nncrrcichbaren Viftrta hinführen mdgc! Biserta, den 17. April 1835. Neptun hatte ni>s wirklich g^iug gmcokt. Mit frischer Vrift segelten wir bei dap bliluo, dcm prmnonlnl-nnn al-n. Bild der Cavalkade. Unfall in HIe„2eI-8i<1. Das tunesische Paradies. Der Berg im Wasser. Terminhaltende Fische. Der unter Rosen und auf Lorbeeren sterbende Schakal. Crayon-reise auf dem Zimmer. Als Reitpeitsche zu gebrauchende Wachslichter. Demüthigende Gleichgültigkeit gegen Europäische Angelegenheiten. Statistische Quästionen beim farcirten Schöpsenbraten. Der weit gereiste Pudel. Der kannegießernde Grieche. Graf Armannsperg. Hohe Stadtthorfchwcllen. Der Berg !>!>!!,l,<>dl!l NÄlWr. Der Verrätherische Esel und eine rare Lilie. Umkreisung des größeren See's bei Aiscrta. Merkwürdige Blumen. O«<,1,< >>«! t^m^I» und V^ol»«:-dd I^lil?,'. Fixe Adler. Musäus ersteht von den Todten. VII Die auf dcu Armen getragenen Esel. Scmilasfo fällt vom Menschen. Ochsnwögel, Katzcnkäse und Gänsebutter. Der ominöse Freitag. Der Aberglaube muß der Pflicht weichen. Musterhaftes Verfahren die Kamccle zn pntzcn. Der rosenbc-schattete Karavancnchef. Allzeitfertiger Nathschaffcr. Die Araber bewähren sich als Nasenvirtuosen. Ruinen von Utika. Die Reisegesellschaft trinkt aufs Wohlseyn Cato's in Elisium. Eine maurische Tafelmusik. Berühmter Fluß. Die fchlgefchlagene Fährmauns-spcculation. Nachtlager bei einem Brummbär. Reise nach Tunis. Seltsame Hochzeitfcicr. Gegend von Tunis. Der Bardo. Tunesisches Soldatencostüm. Anblick und Anruch von Tunis. Aufnahme bei Herrn Grcgorlo dc Montes. Chevalier de Nyfsen uud Herr Deval. Generosität des Bey von Tunis gegen seinen Vlll Leibarzt. Guter Nath für Aerzte im Vaterlands. Besuch des Bazars in Tunis. Enthauptung der Blumen durch Musik, ober Bestätigung des Wunders von Jericho. Bemerkenswcrthc Quelle. Pallast des IInmmvxK, 1'il5l!l,u, Parallelgang der Reinlichkeit mit der Cultur der Völker. Schöne Dörfer. Der gravitätische Dragoman. Handelsvorfchläge und Handels-speculationen. Häßliche Jüdinnen und buntscheckige Negerinnen. Hmi'l^«. Die englische Missions- und Bibelgesellschaft in Tunis. Bezahlte m.d mchczahlte Bibeln. Tunesische parlm^. Ei» Reiseabenteuer des französische»! Consuls Herrn Deval, Siebenter Brief. Seite 79. Was ist Gelehrsamkeit? Beiträge des Herrn Noah zur Geschichte des tunesischen Staats. Einfluß der französischen Eroberung Algiers auf Tunis. Präsentation im Bardo. Revolution gegen dcn Sapatapa Sidi Iussuf. Vorzüge bes tunesischen Landes vor Algier. Indolenz und Nachlaßigkcit der hiesigen Einwohner. Anatomie ihrer Religion. Muhammed alo Rcligionsstiftrr. Sein Werkzeug: der Koran. Fanatismus der Tnnesen gegen Christen. Gemischte Bevölkerung von Tunis, 5,'ob und Tadel drr Ein-sscbornen. Ihrr Neigung zum Aberglauben. Kurzer Proceß: den Teufel anzutreiben. Insolenz gegen di>z»l'ul,x !» «olln^, Nachahmungs-wcnhc Handhabung der Zuftlz. Slrafartc». E>» X paar deutsche Zeitungsartikel. Scharfsinnige Nichter bei Entscheidungen. Nachrichten über die tunesischen Schönen. Jammer und Trost der Heiratsfähigen. Audienz einer Consulardame bei den Prinzessinnen im Bardo. Festlichkeiten bei der Vermählung des jetzigen Vep. Schlimmes Omen für den Bräutigam. Eselritt und Ertränkung für verbotene Galanterie. Gefällige Bekanntschaften auf dem Iudcntirchhofe zu machen. Geschmackvolle Anlage der Iudcnkirchho'fe. Ein zum Juden bekehrter Kanonikus. Sein Grabmal. X6 Achter Brief. Sclte 181. Sibirisches Wetter in Afrika. Ueber Dramaturgic der Indier. Recept zu einer Theaterprinzcssin. Dampf ist zu allen Dingen nütze. Besuch bei Herrn Naffo. Pferde und Maulesel auf dcm Dache. Besichtigung des Vardo. Der Sultan der Thiere en lainillo. Eigenthümliche Ncitsättel. Ein Spazierritt zu M,i,:numrl! ^kriliei, und zn einem altcarthagi-schen Aquaeduct. Wunderthätiges Heiligcngrab. Die Manuba. Gefälligkeit des Vcp im Sterben gegen Semilasso. Besichtigung Carthago's. Lage und Geschichte. Aehnlichkeit zwischen Hannibal und Napoleon. Des Gouverneurs Nachgrabungen in Carthago's Trümmern. Acquisition von Antiquitäten. Das Amphitheater, der Circus u. s. w. Reize des Xll Marsa-Thales. Excursion nach Kammart. Verfallenes Prachtschloß eines durch Unvorsichtigkeit verunglückten Kaufmanns. Parallele zwischen Afrikanischer Gewalt und Europäischer Hudelei. Kunst- und Naturalicnsammlung des englischen Consols. Der Kuhesel. Grabmal eines Mnädut's »leben der Sterbestätte des heiligen Ludwig. Critik für und gegen Herrn Falbe. Besuch in Gvletta bei Herrn Gasvarp. Schmarotzer in Schncckenform. N ciscj ourna I Seite 233. Deunl der Moüvcn ;u der im siebenten Briefe erzählte» Revolution gegen 2idi Znssnf. Modelle für plastlsche Künstler. Naffmirter Farbensinn. Gnpfrhlenswerlbe Art z>l ssliisicn. Tod des Vcy von Tunis. Thronbesteigung seines Nachfolgers 8i<1i-M,i«tl>pl»i>. Die Köche des Divans, in kleinen Mützen und großcn Schuhen tragen dcn Vcy zu Grabe. Das I'«-!»'' m«Ie des Lcichenconducts. Gcfahr für Christen, rincr muhammedanischcn Leichcnbestattnng znznschen. ^e-> sichtissnng der ^i,!,,^)!». Besatzung derselben zu Carl des Fünften Zeit. 8t,-a lVall«! Sebcnswür« digcr Thurm. Unvorsichtigkeiten in der Pulverfabrik. Schöne Caserneu. Landhaus des Sapatapa. Der 96jährige Castellan. Kaffee mit Moschus ist nicht anzupreisen. Ausgezeichnet gute Pferde. Der Bu-gharnm und die Bader von ilnm^in^ li.'s. Muntere Flöhe; Eidechsen und Goldkäfer. Anakreons Cttadcn-gesang. Der reitende Hampelmann. Wiederholter XIV Besuch dcr Ruinen von Carthago. Vortheile dcr Fußverrenkung. Große blühende Alo^. Dcr grasgrüne Besuch. Marktgang. Unförmlichkeit tunesischer Galanteriewaaren. Nuhmwerthe Lastträgerehrlichkeit. Sclaftenbazars. Visite beim Marineminister. Charakteristische Schwierigkeit in Handelsgeschäften. Abschiedsaudienz im Vardo. Sitzung im ^ustizsaal. Kaffee als Mittel zur Ausübung der Gerechtigkeit. Abschied von der Löwcnfamilie. Auch dcr Pascha von Gottes Gnaden. T e i s e - I o u r n a 1. (Fortsetzung.) Viserta, den 20. April 1835. IVohl hat Volncy Rccht, wcnn cr sagt, daß alle Beschreibungen ftcmdcr, den unsern ganz entgegengesetzten Länder, immcr nur zur Hälfte die Gefühle malen und wieder bcim äcftr hervor-rufen kdnncn, die der lebendige Anblick derselben gewahrt. Ich habe die Reisen dieses berühmten Philosophen kürzlich wieder vorgenommen, sie aber im Ganzen zu nüchtern für meinen Geschmack gefunden. Oas er sagt, isi in der That immcr wahr, seine Untersuchungen sind gründlich und Semilasso in Afrika. III. t 2 scine Bemerkungen scharfsinnig, abcr cs wird uns nichts wahrhaft anschaulich. Er zeigt uns, als Anatom, nur das Gerippe, Muskeln und Adcr-gcwcbc in scincn richtigsten Verhältnissen, abcr ohne die schönere, mannigfache änßcrc Hülle. Ich liebe cs, auch das elastische Fleisch, die Noscn-wangcu der Natur, ihrcu duftenden Athem, das ganzc reizende Spiel ihrcr Schöpfungen geschildert zu sehen, und auch das bunte Gewand, das ihr der Mensch, immer wechselnd, anzieht. Von allem dem ist iu Volncy's Reisen nichts zu sindcn. Selbst wenig gefühlvoll, nur ein strenger Denker, enttäuscht cr über Allcs, und wird, um uic unwahr zu werden, immer farblos. Auf diese Art abcr tritt cr auch der Wahrheit zu nahe, dcrcn cs ja so wenig absolute gibt, und die der gewissenhafteste Reisende doch nur individuell in seinen Veschrcibuugcn beobachten kann; denn Eiucr wird vom Enthusiasmus ergriffen, wo der Andere kalt bleibt. Der sieht rosenfarben, was Icncm schwarz erscheint. Da aber heut zu Tage so Viele ihre 3 Reisen erzählen, so ist dies sehr gut, denn nun kann es das verschiedene Publikum damit wie mit den Journalen machen, nämlich nur dic lcstn, die von seiner Farbe sind. Bisher hatte Alles, was ich von Afrika gesehen, immcr cinc so starke französische Beimischung gehabt, dasi ich mich noch halb in Europa glauben konnte. Vi8«i-la (im Arabischen V«n8ort, zur Zeit der Römer Il,Mo-^mi«u8) war die crstc Stadt, wo dieser heimathliche Anklang ganz wegfiel und mir Alles wie cinc wahrhaft neue Welt erschien. Die Bevölkerung in ihrer mannigfaltigen Tracht; die fremden Gebrauche und Sitten, die vielen Camccle, die theils auf dcu Stadtplätzen mit ciucm aufgebundenen Vein drcifüßig standen, theils auf den Knieen, und alle vier Beine unter sich verborgen, so dalagen, daß sie mit dem langen, weit vorgestreckten Schwanenhälse colossalen Vögeln glichen, oder in der Ferne in den langen Reihen cincr Caravane langsam am Mecresstrand hinzogen; die zwischen eingefallenem, grün bewachsenen 4 Gemäuer aufsteigenden schloßartigcn Häuser mit wenigen klcincn vergitterten Fensteröffnungen; dic hohen crenclirten Mauern rund um die Stadt, mit den blutrochcn Fahnen auf den Forts; die von den unsern so verschiedenen Marktplätze nebst ihrcn fremdartigen Buden; dic Schulen, wo bei offenen Thüren an der Straße, ein Haufe wie ein Knauel in einander gewirrter Kinder ein unaufhörliches widerliches Geschrei aussticßcn, was die hiesige Manier ist lesen zu lernen; die mit Netzen verhangenen Thüren der Barbiere, und die Kaffeehäuser, vor denen, mitten in der Straße auf Matten gelagert, bunte, bärtige Männer mit viermal so großen hölzernen Figuren als die unsres Schach's sind, eine Art Dame spielten; bis selbst aus die tunesischen Douaniers herab, die wir so viel artiger und genügsamer als die europäischen fanden — Alles war neu uud eigenthümlich. Ich fand an den beiden Viccconsuln von Frankreich und Sardinien, Herrn Vottari und Herrn Costa, Mi sehr verbindliche und artige Männer, 5 die ncbsi allen ihren Angehörigen mich äußerst freundschaftlich aufnahmen. Herr Vottari räumte mir sogleich in seinem schönen und großen Hause cinc bequeme Wohnung ein, und sorgte für jedes meiner Bedürfnisse. Obgleich von europäischer Abkunft, hat doch weder cr noch seiuc Mutter, so wie seine beiden Schwestern, die theils hicr, theils in Tunis geboren sind, Europa je gesehen, und cs war mir deshalb auffallend, sie dcm-ungcachtct Alle von so feiller europäischer Bildung zu finden, als man in unserm Vatcrlandc selbst kaum allzuhänfig antrifft. Sie sprachen französisch, italiänisch nnd arabisch gleich gelausig, die italiänische Sprache war jedoch am meisten an der Tagesordnung, weshalb mir der Aufenthalt in Viscrta zn einer gnten Uebung in derselben geworden ist. Wahrend man meine Sachen in dem neuen Logis ordnete, machte ich zugleich mit dem Sohne des Herrn Cosia einen Spazicrgang um die Stadt, und schtc ihn dann bis auf ciucn nahe gelegenen s Hügel fort, von dcm ein unerwartet reicher Anblick mich überraschte; denn hier zeigte sich rund umher, der N6Kouco von Algier sehr entgegengesetzt, ein lachendes sorgfältig bebautes Land. Die schönsten nnd üppigsten grünen Saaten dehnten sich nach allen Scitcn aus, und umschloßcn, vielfach mit Bäumen untermischt, zwei fast zusammenhängende großartige Sem, die über zehn deutsche Meilen im Umfange haben. Ich werde später ohne Zweifel Gelegenheit haben, näher darauf zurückzukommen. Ueber den Kirchhof voller Turbane, die, seit der Sultan sic abgeschafft, bald nur noch die Leichcnstcinc zieren werden, wandten wir uns längs der hohen Mauern der ^a»8da wieder der Stadt zu. Ich bemerkte einige Steine mit römischen Inschriften hoch oben eingemauert, ohne jedoch die halb verwischten Buchstaben entziffern zu können. Als wir bei dcm Palais des tunesischen Befehlshabers der bewaffneten Macht vorübergingen, an dessen Thore zwei prächtige Maulbecrbäumc standen. begegneten wir einem Offizier der nur 50 Maun starken Garnison, die obendrein fast allein aus Invaliden besicht nnd das kläglichste Ansehn hat. Ich würde den gedachten Offizier für einen alten Bettler gehalten hadcn, wenn Herr Costa mich nicht mit seiner Würde bekannt gemacht hatte. Jeder dieser Offiziere, dcrcn cs fünfe gibt, com-nmndirt hier zehn Mann, nud jcde dieser zehn Mann bilden dic Besatzung eines der fünf Forts, welche die Stadt vertheidigen. In der jetzigen Friedcnszcit liegen sie jedoch alle anf der (^sslia und inspicircn nur ab und zn ihre respective» Forts. Der Gehalt cincs solchen Befehlshabers beträgt taglich einen halben tunesischen Piaster (der tunesische Piaster galt jetzt einen Franken und zwei Sons), nebst einem sehr geringen Deputat. Der General oder Aga hat selbst nur vier Sous mehr, und wird alle sechs Monat durch einen Andern abgelöst. Auster diesem Aga gibt es auch noch einen Gouverneur, Xiä^a genannt, dessen Gehalt bis zu einem ganzen Piaster 8 täglich steigt, und der in Viscrta hauptsächlich die Marinegcschäfte zu besorgen hat. Der dritte Functionar des Gouvernements ist der ^unl^ dem alles das Finanzwesen Betreffende übertragen ist, eigentlich mehr eine Art Gencralpächtcr. Dies sind dic einzigen Staatsdicner (^U. ohne alle Untcrbcamte, nicht einmal einen Schreiber), deren der Bey bedarf, um Viserta und das umliegende Land regieren zu lassen, und sie haben, wie gesagt, weder Canzelleien noch Bureau's, sondern müssen alle vorkommenden Geschäfte allein versehen; cinc Einfachheit, die man in Europa, bei uuscrm Mücken-schwärm von Vcamtcn, allerdings einigermaßen nachgeahmt zu sehen wünschen möchte. Doch um wieder aus unsre ächt Fallsiass'schcn Soldaten zurückzukommen, so führen diese 50 ausgesuchten Krüppel ohne Uniform, nur in zerrissene Lappen gehüllt, auch alle verschiedene Waffen; Einige krumme Säbel, Einige endlos lange Flinten ohne Steine an den Schlössern; Andere tragen sogar nur Stocke geschultert. E» 9 hinken, tappcn und humpeln sic mit den ernsthaftesten Gesichtern und nackten Beinen dnrch die Stadt, den cbcn so lumpig aussehenden Aga-General an ihrer Spitze. Es ist schwer zu begreifen, warum, ungeachtet dieser geringen und burlesken militamschcn Kräfte, dennoch hier überall die vollkommenste Sicherheit herrscht, und man, so weit man will, die Taschen voller Gold, die Gegend durchziehen kann, ohne den mindesten Unfall zn befürchten — wahrend in Indm-Ica unter der nämlichen Herrschaft, nur dreißig Stunden weiter, es mit Lebensgefahr verbunden war, einen Büchsenschuß weit ins Land vorzudringen. Wenn ich nach der Ursache frug, hieß cs nur: Die Leute hier sind gnt, und dort sind sie böse. Einen andern Grund wußte man nicht anzugeben. Vielleicht sind die hiesigen Einwohner Abkömmlinge der einst cwilisitten Carthagcr mit Arabern gemischt, und Jene mit Vandalcn gekreuzte Nachkommen der Nnmidicr Iugurtha's, dcrcu beiderseitiges Blut, im Bösen wie im Guten, to fortgeerbt hat. Der Consul erzählte uns indeß, daß während dcs sechsmonatlichen Krieges mit Sardinien, wo man einen Ucbcrfall Viserta's befürchtete, 700 der wilderen Kabylen hierher beordert worden waren, die gleich damit ansingen, cinc Dcchargc ihrer Flinten a»f dic Häuscr der Consuln von Frankreich und England zu richten, welche alle Damen in die Keller trieb, und deren Spuren man mir noch reichlich in den Mancrn und Fcnsicrvorhängcn zeigte. Glücklicherweise verursachte diese kriegerische Wallung weiter keinen Schaden, und die Thättr wnrdcn hart bestraft. Sie führten zu ihrer Entschuldigung an, daß sie doch den Franzosen und Engländern, die ihnen Algier genommen, hätten zeigen wollen, daß sie auch den Krieg verstünden. Der übrige Theil des Tages war der Ruhe, dem Bade und einem heitern Mittagsmahl gewidmet, das durch die lebhafte Unterhaltung meiner freundlichen Wirthe, wie durch allerlei Delicatessen der Levante sehr angenehm gewürzt wurde. u Am andern Tage machten wir cinc sehr interessante Excursion anf dcr Landzunge 8c1ima, die sich tief in dcn See von Hlo^aulca erstreckt, ehemals I'rmnontoi-ium Hippos genannt, auf dcm, nach Diodor von Sicilien, Agathokles scin Lager aufschlug. Unsere Cavalcade gewährte einen ziemlich grotesken Anblick. Ich ritt ein uubcschlagcncs kleines Vaucrnpftrd mit einem Wcichselzopf, anf dem des Consuls prächtiger, goldgestickter Zaum von violettem Saffian sich um so wunderbarer ausnahm, da dcr altc und abgenutzte spanische Sattcl ans dcm dreizehnten Jahrhundert herzn- stammen schien. I____ hatte grosie Mühe sich, als Dame auf einem enormen Packsattcl reitend, ohne Bügel auf seinem munteren Esel zu erhalten, den er nnr unvollständig mit einer langen Strick-Halfter regieren konnte, deren anderes Ende zugleich als Peitsche diente. Das Maulthier des Herrn Costa junior machte nns die meiste Noth, denn bei jcdcr Vegegnnng mit einem andern Thiere Is vom Geschlechte der Pferde oder Esel bcgann cs ein so dröhnendes, und durch keine Prügcl zu dämpfendes Geschrei, daß viclc Minuten lang allc Unterhaltung dadurch unmöglich ward. Uedrigens liefen alle drei Thiere rüstig und leicht, wenn der den Zug führende Maure voran war. Desto schwerer war es selbststandig ihrer Herr zu wcrdcn, und öci einer der letzten Gelegenheiten kam unser gütiger Begleiter iu sehr unangenehme Berührung mit der Mistpfütze des Dorfes HIou2o!'8il<)ilw8i an den ich Empfchlnngsbricfc mitbrachte. 35 zum 2^. Abends angekündigt (dcnn von Viserta nach Tunis ist nur cinc Tagereise) und hierbei dcu Unglückstag ganz außcr Acht gelassen. Es war zu spät, als ich es bemerkte, und auch gleich am Morgen, nach der schönsten sternhellen Nacht, ein schwarzer Himmel und Regengüsse mich empfingen; dcnn Herr 6« Mmi<«8 hatte nur höchst verbindlich geantwortet, daß er, um meine Ankunft zu feiern, mich mit einen: Sonpo erwarten werde, zn dem er mehrere Freunde gebeten. Es wäre also zu uuhösiich gewesen, ihm vorsätzlich zu manquiren, uud der Pflicht muß selbst der Aberglaube weichen. Ich trat also um 6 Uhr früh, trotz des abscheulichen Wetters, meinen Marsch nach der Hauptstadt an. Drei Cameele trugen meine Effecten, und es war das erstemal in meinem Leben, daß ich mich dieser so nützlichen, aber anch cben so häßlichen und dcgoutanteu Thiere bediente. Besonders widerlich ist ihr grünliches, hartes, wiederkäuendes Manl mit den langen Zähnen. Es ist fast nnbegreifiich, wie sie 36 die hiesigen grosicn Disteln, mit Stacheln wie Schusicrpfticmcn, ihre Favoritspcise, so unbefangen zu zermalmen im Stande sind, ohne sich zu verwunden. Man kann von diesem Thier mit Recht sagen, daß es pikante Lcbcnsmittcl liebt. Was dic Camccle übrigens jctzt noch häßlicher macht, ist, daß sic grosttcnthcils schon ihr Haar verloren haben, und so nackt wic cm abgebrühtes Spanferkel erscheinen. Um sie vor dcm Ungeziefer zu schützen, wcrdcn sie daher über und über gethcert. Kein Thier muß sich mehr gefallen lassen, als diese Unglücklichen. Tavernicr behauptet sogar, daß die Camcelhandlcr, um ihncn cin fettes An-schn zu gcbcn, sie, vermöge ciner Oessnung, dic sie nahc am Schweif unter der Haut machen, wic cin Luftkissen aufblasen. In der Zeit, wo sie behaart sind, werden sie nicht geputzt, sondern gleich Pelzen mit Stocken ausgepocht. Ich selbst ritt das schon bekannte kleine Vauer-pferd mit dcm Wcichselzopf; denn kein anderes war in Viserta aufzutrcibcn gewesen, wcil die 37 Eingcborncn in dm jctzigcn Monaten ihrc Pferdc regelmäßig alljährlich auf die Weide zu schicken pflegen. Kein ^iunovau. Links entfaltet sich dcr Sec von Tunis, auf dessen Spiegel cine malerische kleine Insel schwimmt, wo das Lazarcth erbaut ist, und hinter ihm zeigt sich die nur durch eine schmale Landzunge davon getrennte Meerbucht, mit den Ruinen von Carthago und dem Thurm, in dem der heilige Ludwig starb. An der entgegen gesetzten Seite des See's bemerkt mau das Dorf Mado« mit der vorspringenden Landspitze, anf der Regulus den Hanno schlug; etwas entfernter das Arsenal, mit einer langen Reihe Schisse, und das gleichfalls von Carl dem Fünften aufgeführte Schloß von Goletta. Rechts füllt das Thal ein anderer salziger Landsec, nnd wenig abgelegen von seinen Ufern, nahe unter dem Hügel, auf dein wir standen, zieht sich dcr Vardo hin, die Residenz des Vev. Dies ist emc S4 kleine Stadt für sich, von einem Yuarrv hoher Mauern umschlossen, dessen vier Ecken durch ausspringcnde Werke mit Thürmen fiankirt sind; auf dem höchsten und schönsten der inneren Gebäude flatterte die blutrothe Fahne. Mehrere freundliche Wäldchen schmücken die Umgebung dcs See's, unter denen dicNmmda) ein Lustschloß dcs Fürsien mit vielen Domen, Kiosken und wcitläuftigcn Garten, besonders hervorsticht. Am Thore der Stadt angekommen, fanden wir, neben den Ruinen eines Thurmes aus dem Mittclalter, ein großes Zeltlager aufgeschlagen, in dem die nach europäischem Muster ncu orgamsirtcn tunesischen Truppen jetzt zn Frühjahrsübungcn versammelt sind. Ihre Kleidung nähert sich ebenfalls der europäischen und zeigt kaum etwas Türkisches mehr, eine höchst unvorthcilhaftc Vcr-ändcrnng, die, besonders bei den Offizieren und Hoflcuten dcs Vcy, von denen wir Einigen begegneten, fast possierlich auffiel. Ihr Cosiüm war folgendes: Auf dem Kopfe trugen sie den 55 rothen I'vS) von dcm der übrigen hiesigen Einwohner dadurch verschieden, daß außer der langen blauen Quaste auch noch der ganze Deckel mit kurzen Frangcn derselben Farbe bedeckt ist; die Uniform war eine blaue Kutka oder Jacke, mit einer blauen Tuchwcste nach unserm Schnitt. Um den Leib hatten sie einen roth und weiß gestreiften Vnnd, und darunter blaue Tuchpantalons, die bis an das Knie ganz türkisch weit, und von da an bis auf die Knöchel ganz europäisch cng hcrabgingcn, wo sie mit einem Vande zugebunden waren. Weiße Strümpfe und Vanderschuhe vollendeten die ungracicusc Kleidung, welche so dürftig gcgcn die frühere, prachtige Mamelucken-Tracht absticht, die von Gold und Juwelen strotzte, nnd die jetzt nur noch Iussnf, ein Commandant in der christlichen Armee der Franzosen! im fernen Algier trägt. Die Vorstädte von Tunis sind abscheulich. Ich durchritt sie mit Viuai^ro äo» yualro valours vor die Nase gehalten, denn der horrible Gestank von überall schmorendem Ocl und einem gräßlich 5O dunstenden, um die ganzc Stadt laufenden, Cloak, gcgm den dcr Berliner Schaasgrabm oau äo niilw llour« enthält, verpesteten dic Luft auf -unerträgliche Wcise. Ich muß mir gratulircn, daß ein günstiges Geschick niich ftit Algicr übcrall, wo ich cineu längcrcn Aufenthalt beabsichtigte, dcn liebenswürdigsten und mir mit jeder Freundlichkeit entgegenkommenden Männern zuführt. Diü-selbe Erfahrung machte ich auch hier bei Herrn Gregorio dc Montes, einem reichen spanischen Handelsherrn, dcr, so wie seine reizende Gemahlin, eine juugc bildschöne Griechin, mich mit cincr Herzlichkeit und Diensifertigkeit aufnahmen, die ich nicht dankbar genug erkennen kann. Er h^ttc bereits ein sehr angenehm liegendes Haus für mich gemiethet, aus dessen Fenstern ich einer herrlichen Aussicht genieße, und mir zugleich die unbedingteste Gastfreundschaft in dem seinigcn angeboten, das ein eben so gediegener als anspruchsloser Lunls, durch die feinste Sittc gewürzt, so W angenehm, als irgend cins seiner Art in Europa macht. Auch dcr holländische General? Consul, Chevalier dc Nysscn, hatte mir höchst verbiudlich die Wohnung in seinem Hause offerirt, und der französische Consul, Herr Dcval, nebst allcn seiucn in der Stadt auweseuden Collcgcn, beehrten mich mit ihrem Besuch und dcr freundlichsten Ancrbictung ihrer guten Dienste. Da der Vcy kürzlich vou einer schweren Krankheit genesen, dcrcn Heilung, bcilauftig gesagt, seinem französischen Leibärzte 35,000 Fraukeu eingebracht hat, weil alle Hosscute sich bci einer solchcu Gelegenheit bccifem, ihm Geschenke zu machen (eine Sitte, die ich den Aerzten rathe, auch in Europa einzuführen); so geben jetzt alle Corporationcn dcr Stadt Feste, die einige Tage fortdauern werden. Auf ciucm Spaziergang, dcu ich, um dieses Treibeu zu besehen, mit Herrn dc Moutes machte, fanden wir die reichen Bazar's, dcrcn Vudcusäulen roth, grün und weiß angestrichen und die durch eine Steinwölbung über die Straße 58 hin verbunden sind, so daß sic stets einen schattigen imd vor Rcgcn geschützten Gang darbieten — schon am hellen Tage mit vielen Kronleuchtern illnniinirt. Sie waren außerdem mit Spiegeln, seidenen und gestickten Tüchern, bunten Teppichen u. s. w. behängen, und durch verschiedene barokc Ausstellungen geschmückt, die wahrscheinlich zum Theile noch aus altem europäischen Raube bestanden; denn ich bemerkte schön gearbeitete silberne Suppenterrinen, Kirchenkclchc, Leuchter und Streuznckcrbüchsen, nebst vielen andern heterogenen Gegenständen darunter. Ucbcrall wogte cin verworrenes Gedränge, in dem die Kinder sich besonders unnütz machten, und gern den verhaßten Giaur's einen versteckten Stoß beizubringen suchten, wozu eine furchtbare türkische Musik accompagnirtc, die allen Gesetzen des Taktes und der Harmonie Hohn sprach. Ein Maure erzählte dem Vi. Shaw, ihre Musik sey so kraftvoll, daß er gesehen, wie bei dem Spielen eines gewissen besonders ergreifenden Stückes verschiedene Blumen von ihren 39 Stielen gefallen wären. Seit dem, was ich heute hörte, zweifle ich nicht im geringsten mehr an diesem wundervollen Effect. Die Bazar's sind mit Waaren jeder Art angefüllt, doch kaum reicher als in Algier; die Productc dcr einheimischen Industrie beschränken sich aber vorzüglich nnr anf die berühmten tunesischen Rosen- und Jasmin-Essenzen, weiße, fein wollene Vcrnns mit Frangen verschiedener Farben, äußerst geschmackvolles, reich gesticktes und mit massivem Silber verziertes Pferdczcng, rothe und weißc einfache Shawls, seidene mit Gold durchwirkte Tücher hiesiger Fabrik, und die rothen Mützen, womit von Tnnis aus das halbe türkische Reich versehen wird, und deren brennende Farbe nur dadurch so unwandelbar gemacht wird, daß man sie in einer, zwölf Stnndcn von hier entfernten Quelle, am Verge Zamvan, cinc gewisse Zeit lang liegen läßt. Alle Versuche mit andcrm Wasser sind bisher mißglückt. Zum Schluß besuchten wir den vom vorigen Vcy leider m'cht vollendeten und jetzt, nach der Weise des 60 Landes, schon wieder verfallenden, schönen Pallast des berühmten Ilammuda pallia. Die Ursache ist wiederum nur dcr hier allgemein herrschende Aberglaube, das unvollendet gebliebene Hans eines Verstorbenen nicht ausbauen zn dürfen. Daher trifft auch dies dasselbe Schicksal. Mau kann indeß nichts Prächtigeres, in einem für nns ganz nencn und höchst geschmackvollen Genre sehen, als einige dcr hier vorhandenen Säle, deren Fenster mit schon geformten, und mit Drathnctzcn überzogenen Eisengittcrn versehen sind, um als Vogclbaucr zu dicncn. Damit man aber dennoch sehen könne, was in dcr Straße unten vorgeht, so hat man die Fensterbretter als Klappen eingerichtet, dnrch die man, sobald man sie aufhebt, selbst ganz unbemerkt hinunterblickt. Die hölzernen Plafonds siud in buntschillerndem Golde aller Farben auf das Kunstreichste ausgeschmückt, dcr Boden in schönen Desseins mit schwarzem nnd weißem Marmor ansgelcgt, und die Wände bilden, bis zu zwei Dritthcilcn ihrer Höhe, eine 61 aus bunten Faycnccsiücken geformte Mosaik. Was aber bei Weitem am schönsten und zartcsicn sich ansnimmt, ist der übrige Thcil dcr Wand, der bis an die Decke mit wundervoll ausgeführten, in Gyps tief eingedrückten Mustern bedeckt ist, welche Nuk8ok Im der freundliche amerikanische Wirth, cm Engländer, ein Russe, cm Däne, ein Vaier, cm Hannoveraner, cin Sardinier, cm Franzose, ein Tuncse, cm fanatischer Türke und meine Wenigkeit, cm cbcn so fanatischer Preuße. Als wir cbcn in dcr bcsien Conversation waren, verbreitete sich plötzlich cincr jener erwähnten tunesischen Mi-luius von so durchdringender Art, dast die liebliche älteste Tochter des Hanscs in Ohnmacht sank, glücklicherweise aber dnrch Vorhaltung von Essig und oan äe l^ola^uo bald wieder ihre schönen Angen aufschlug. Der einzige, gcwifsermaaßen natürliche gute Geruch, der mir in Tunis vorgekommen ist, erfreute mich aufdcm Hafcndamm, wo uncrwartct die ganze Gcgcnd um mich her wic cin Parfümcric-ladeu zu duften ansing. Die Urhcbcr dicscs scltcncn Phänomen's waren sechs Lastträger, von denen jeder einen ungeheuren Sack voll Potpourri, in diesem Augenblick von Marseille ausgeschifft, auf dem Rücken tragend, nach dcr Stadt brachte. Dieser Hafendamm, schlechthin die Marine gc- 75 nannt, ist der einzige bequeme und einigermaßen besuchte Spaziergang der eleganten Welt in der Nähe von Tunis. Als ich jedoch das zweitemal dort erschien, hatte sich das Blatt sehr gewendet, und siatt des anmuthigen Potpourri-Geruchs, war dic Atmosphäre mit gräßlichen Dünsicn geschwängert, die von 13, sage dreizehn todten Camcelen herrührten, dic man hier rnhig verwesen ließ. Einigc fünfzig Hunde thaten indeß ihr Möglichstes, siatt der Polizei, aufzuräumen. Man kann es daher den hiesigen Damen nicht verdenken, wenn sie so c»8lmi5i-o» geworden sind, d^ß mich Jemand z. V. versicherte, die Gemahlin des englischen Consuls habe ihr schönes Landhaus und Garten anf der Marsa (ncben den Ruinen von Carthago), wo ne fortwährend wohnt, in zwei Jahren nicht ein einzigesmal verlassen. Der Gemahl dieser Dame wird in O'Mcara's Werk über Napoleon öfters erwähnt, worin ihm, wie ich glaube, schr Unrecht gethan worden isi. Er war crsier Adjutant des Sir Hudson Lowe in Helena, 76 und l'onntt, als Subalterner, folglich nur nach seinen Insiructionen handeln. Ich habe ihn, da er anf dem Lande isi, noch nicht personlich kennen gclttitt, aber von ihm gehört, daß cr ciu grosicr Kuusifrennd scyli, und ein schr angcnchmcs Haus machen soll. Ein fthr iittcrcffaiitcr und attigci' Mann ist d^'r fmliM'schc Consul, dcr in Consiantinopcl gcboivn uundc, ausicr dcn cnropäischcn Sprachm gclälifig türkisch und arabisch spricht, und viclfach dcn ganzcn Orimt bcr^'ist hat. Als ich neulich b.'i ihm spttstc, machte cr uns dic l^bmdiqst^ Schildcrnng von cim-r Tour, dic cr in frühcrcr Zat von Algier nach Oran zu Laud.' uutcrnommcn hattc. Eincs Tag^s konnte cr das bcsiimmtt' Nachtlagcr nicht crrcichcn, und musilc in dcm v.'rfaücncu und v^lasicncu Häuft ciuvs Hlai-äliitt» Obdach such-n. Dic Pfcrdc wurden im vcr-wildcrtcn Gartcn angcbuudcn, iro sich noch ctwas Nahrung für sic vorfand, und wahrscheinlich warcn sie cs, wclchc dcs Nachts mchrcrc Ld^cn 77 herbeilockten, dic plötzlich durch cm furchtbares Gebrüll ihre Nähe beknndeten. Zum Glück war Hcrr Deval noch mit Lesen beschäftigt, und hattc zu dcm Ende cin Licht neben seinm Feldbette brennen. Er zündete sogleich einige zum Morgen-fencr hcrbcigebrachtc Reiser an, die cr brennend hinauswarf, was ohnc Zweifel allein dic Ranb-thicrc an cinem Angriff verhinderte, obgleich si^ dic ganze Nacht die Reisenden belagert hielten, und sich erst mit Anbruch des Tages entfernten. Man fand die Pferde, die ihre Leine Zerrissen hatten, aus Furcht mit den Köpfen nach einwärts wie cincn Klumpen zusammengeballt, und zwei Hengste, die sich sonst immer wüthend bissen, hatten sich jetzt zitternd und lammfromm dicht an einander gedrängt. Nnn erst genoß man einer Im-M Nuhc; als der Cousnl aber aufstand, sah cr nicht ohne Schandern, daß unter ihm ein sechs Zoll langer Scorpion in dona ziuco lag, der, die Warme suchend, ins Vett gekrochen war, nnd sich dort höchst rnhig verhalten halte. Diese 78 Ncise schien überhaupt an einem Freitag untcr-nommm zu seyn, denn auf den: Rückweg zur Sec entging Hcrr Deval kaum einem Schiffbruch, und brachte zwciundzwanzig endlose Tage von Oran bis Algier zu, was man sonst gewöhnlich in vicrundzwanzig bis scchsunddrcißig Stunden abmacht. Auch er ist der Meinung, daß die Seefahrten an der afrikanischen Küste mit den elenden Schissen nnd den über alle Beschreibung unwissende!, Seeleuten, eine gefährlichere Unternehmung sind, als eine Neisc um die Welt. ^) *) Unter den Negerinnen jener Gegenden herrscht eine merkwürdige Sitte, die uns Don Gregorio mittheilte. Sie bedienen sich des Schnupftabaks auf eine ganz eigen» thümliche Weise, und man Wird die Verwunderung des Erzählers theilen, wenn man hört, daß ein altes Weib dieser Farbe sich ein»! Prise von ihm oucbat, welche sie sofort, statt sie zur Ncise zu dirigiren, «-ms t'^mi ciuem Orte einverleibte, den die Natur ohne Zweifel am wenigsten dazu bestimmt hat. Siebenter Brief. An den Herrn Geheimerath Grävell in Wolfshayn. Tunis, dcn 5. Mai 1W5. Mciu vcrchrtcstcr Freund! Ich schreibe Ihnen, dem Mann mit dem Adlerblick, dcn crst^n Vri^f mit cincr Adlcrftdcr, dic nn solchcr cdl»,'r Vogcl auf dcm v^^odol-Uuilgia zwischcn dcn Sccn Äloxmika und Ouiu-i-a cli v8cIiLdoI-N8lier mir huldreich geschenkt hat. Eincm großen Gelehrten, wie Sie sind, darf ich kaum cincn Strauß so schnell verblühender an- 80 sprnchsloser Fcldblümchcn senden, als ich für mcine andern nachsichtsvollen Correspondent« zn binden gewohnt bin. Mein Geschäft ist mir das des Schmetterlings, der von einer Blüthe zur andern flatternd, sein kleines Portiönchcn Nektar da und dort zu nippen sucht. Sie aber (obgleich Sie die Blüthen anch nicht ganz verwerfen) wollen dcr Pflanze mit Wurzel nnd Allem immer auf dcn Grnnd gehcn — was soll ich also thun, nm meinem Beruf die gehörige Consisicnz zu geben? Ich werde mir gleich den Gelehrten von Profession helfen; denn was ist Gelehrsamkeit andres, als cbcn das Wisscn Anderer in sich aufnehmen und benutzen? Ich will also ein wenig nach nmncr Art verarbeiten, was zwei in Deutschland ganz unbekannte und dennoch sehr cmpsehlungs-wcrthe Werke über Tunis von solchen Gegenständen enthalten, die Ihnen Interesse gewähren sönnen. Hie und da wird wohl noch Platz übrig bleiben, um zu wagen, dem Fremden anch einiges ganz Eigne beizugesellen. Den Anfang inacht am Schicklichsten em kurzer Verichc über die maurische Herrschaft «n Tunis, wozu ich hauptsächlich cin Wcrk dcs Herrn Noah benutzt habe, welcher in den Jahren 1813, 1814 und 1815 amerikanischer Consul m Tunis war, so weit mir dessen Nachrichten von. den glaubwürdigsten Männern hier an Ort und Stelle als genau verbürgt und zugleich vielfach ergänzt worden sind. Die Araber erschienen im Jahr 647, wie man allgemein annimmt, zuerst in diesem Theil von Afrika. Sie waren vom Kalif ^tkmon ausgesendet, und setzten sich im Anfang in X^i-ulm fcst, welches noch eine hciligc Stadt, und im Rang die dritte nach Äloeca geblieben ist, wegen ihrer Moschee mit 500 Granitsäulen, wo einer der Apostel dcs Propheten begraben liegt. Nur mir cincm ausdrücklichen Befehl dcs Vey's tst cs einem Christen möglich, diese Stadt zu sehen, und nur sehr wenig Europäer sind bis jetzt dahin gednmgcn. Mehrere Jahrhunderte erhielten sich Slmilasso ü, Afrits. UI. O 82 die neuen Ankömmlinge dort, wiewohl unttr fortwährenden Kriegen und inncrcn Umwälzungen, beschützt durch dic große Macht, welche ihre Glaubcnsgcnoffen in Spanien erlangt hatten. Nach der unglücklichen Schlacht von Tolosa entstanden zuerst die Regentschaften von Algier, Tunis, Fez und Tripolis, blieben aber gleichfalls stets in einem Zustande der Unruhe, auf den dic Begebenheiten in Spanien machtig einwirkten, so daß uicht eher, als bis nach der gänzlichen Vertreibung der Mauren aus Spanien, eine wahrhaft feste und mächtige Regierung sich in der Barbarei gebildet zu haben scheint. Wahrend einer jener Nevolunoncn ward Tunis von den andern Regentschaften getrennt, uud ^bu-k^re», ein Manu von Talent und Muth, zu seinem König erklärt, welcher nach verschiedenen glücklichen Gefechten und erfolgreichen Kriegen bis nach Marokko hin, sich zum Sultan der Barbarei auswarf. Es war im Jahr l27U, zu einer Zeit, wo dicft Lander am mächtigficn. vertheidigt wurden. 83 daß dcr heilige Ludwig von Frankreich, jener cdlc und naivc Don Quirottc dcr Geschichte, seinen unglücklichen Krcnzzug hierher richtete, und an dcr Pest auf den Trümmern Carthago's scincn Geist aufgab, ein Tod, von dcm Herr von Chateaubriand sagt: daß sich mit ihm die Geschichte Carthago's schließe, gleichsam als ein Fricdcnsopser, zur letzten Sühne dargebracht aller Wuth, allen Leidenschaften und allen Verbrechen, dercn Schauplatz diese unglückliche Stadt so lange gewesen sey. In wie fern Herr von Chateaubriand den Untergang eines Chefs dcr Kreuzfahrer, dic selbst Vekehrungswuth, Leidenschaften und Verbrechen in das Land fremder Volker brachten, welche nur ihre Unabhängigkeit gegen sie vertheidigten, ein Fricdcnsopftr nennen mag, ist schwer zu begreifen. Ohnc Pathos konnte man vielmehr sagen, daß nach so vielem Unglück und Gräucln, als letztes Opfer, auch noch die damals herrschende Narrheit des Jahrhunderts, in der Person des heiligen Ludwigs, auf Carthago's Ruinm ihr tragisches Ende gefunden habe. Beinahe drci Jahrhunderte lang nach dieser mißglückten Unternehmung, erhielten sich die tunesischen Fürsten mil Sicherheit auf ihren Thronen, und setzten seit dieser Zeit, in Verbindung mir den Dynasiiccn von Algier und Marokko, einen grausamen Vergeltungskricg gegen die Christen fort, von denen sie Tausende in die Sclavcrci schleppten. Endlich unternahm Carl dcr Fünfte seinen, jetzt sehr legitim gewordenen, Angriff aus Tunis, welches er bekanntlich eroberte, aber nur einige Zeit bcsetzt hielt, nachdem er daselbst die starke Festung dcr l^aKsba vergrößert, und das Fort von Golctta erbaut hatte. Hatte es m den Planen dcr Vorsehung gclcgcn, ihm später einen gleichen Succcß in Algier zu gewähren, so wärc wahrscheinlich schon damals dic Macht dcr Bar-darcsken gänzlich gebrochen, und Europa die Schande erspart worden, Jahrhunderte lang sich von dieser Handvoll Räuber Gesetze vorschreiben zu lassen und ihnen nibulpflichng zu bleiben. Doch Carl dcs Fünften Schicksal schien cs zu 85 scyu, mit seinem hohen Gcisic nur Großcs beginnen, aber nirgends ausführen zu können; und ohne Zweifel lag der Hauptgrund davon in seinem schweren Irrthum: dem Gealterten und Abgelebten den Sieg über das Jugendliche und Heranwachsende verschaffen zu wollen — wahrlich eine große Lchrc der Geschichte für die jetzige Zeit! Ware der hochbegabte Kaiser fähig gewesen, sich selbst an dlc Spitze des Zeitgeistes zu setzen und sein Führer zu werden, statt sich ihm entgegen zu stellen, seine historische Fignr würde eine ganz andere Dimension erhalten haben. Nach Carls Tode wurden scincm Nachfolger fast alle Besitzungen in Afrika vom Sultan Sclim dem zweiten entrissen, dcr zugleich dic tunesische Dynastie zertrümmerte, das Königreich unter scinc Botmäßigkeit nahm, und durch von ihm eingesetzte Pascha's von nun an regieren ließ. Diese Einrichtung blicb jcdoch so unpopulär, daß zuletzt den Muselmännern in Afrika nachgegeben ward, sich Dcy's, unter 86 Oberherrschaft dcr Pfortc, selbst zu wählen, wobei später der Einfluß Algier'6 gewöhnlich entschied. Erst im Jahre 1684 gelang es den Tunesern, cincn Vcy aus ihrer Mitte zu ernennen. Diese Revolution ward durch Nnlunull und ^1i bewerkstelligt, zwei Vrüdcr, welche die türkische Besatzung und den von Algier eingesetzten Dcy verjagten. Die Sieger versammelten sogleich den Divan und proponirten einc erbliche Monarchie, was feierlich angenommen und wobci Älniunuä zum ersten Sou-verain ernannt wurde. Doch dauerte dieser Zustand dcr Dinge nicht lange. Einc algicrischc Armee schlug die Truppen des nencn Fürsten, eroberte Tuuis und setzte dcn vertriebenen Dcy wieder ein. Auch dieser erfuhr bald von Neuem den ewigen Wechsel, der diese unglücklichen Länder verheerte. Denn kaum hatte die algierischc Armee das Königreich verlassen, als Hlakmm! Vo^ an dcr Spitze dcr Bergbewohner zurückkam, sich der Stadt wieder bemächtigte, und dcn Dcy zwang nach Algier zu cntflichcn. Es gelang Nakmuc! spatcr, sich mit 87 dicscr Macht zu verständigen, und er erhielt sich nicht nur selbst auf dcm Thron bis an seiucn Tod, sondern cs folgte ihm auch nach dicscm unangefochten sein Vrudcr, Mrainatlan L«^, in der Regierung. Unter Nimmaäau riß jedoch bald innerer Krieg und Unruhe ein. Sein Neffe, Hlurllt Lo^ bemächtigte sich der höchsten Gewalt, und ließ Nliainllllan hinrichten. Grausam und ungerecht erhielt cr selbst sich nicht lange und fiel in cinem Volksaufsiandc, von Idralnm Belioriss' ermordet, der jetzt Vcy au seiner Stelle ward. In einen Krieg mit Algier verwickelt, blieb Idrainm, nach einer unglücklichen Schlacht, als Gefangener in dcr Fändc Hände, worauf dic Soldaten einen ans ihrer eignen Mitte zum Chef des Staats erwählten. Dicscr Mann war dcr Sohn eines Griechen, und von ihm stammen die jetzigen Vcy's von Tunis bis auf den heutigen Tag, in Wenig untcrbrochncr Folge ab. llÄ88au-Voii-H.li wußte durch List, und indcm er sich anstellte, als sähe cr sich nur für den 88 einstweiligen Starthalter dcs gefangenen Itii-ajnin an, diesen nach Tunis zu locken, worauf er iym sogleich dcn Kopf abschlagen ließ. Von dicscr Zeit an regierte IIaH8iUl in ungestörter Ruhe, und da cr tcinc Kinder hatte, so ernannte er seinen Neffen Uon-^li zu scincw Nachfolger, und gab ihm zugleich das Commando dcr Armee. Doch zerstörte bald eine unerwartete Begebenheit alle Hoffnungen Leu ^Ii Uo^'s auf den Thron. Ein Kreuzer hatte ein genuesisches Schiff gekapert, an dessen Bord sich ein Weib von ungcmcincr Schönheit befand. In dcn Harem des Vcy's geliefert, erweckte sie seine heftigste Leidenschaft, und nachdem sie die muhamcdamschc Religion angenommen hatte, erhob cr sie zu dem Range seiner ersten Gemahlin. Sie schenkte ihm einen Sohn, dcn cr Hlukamoll L«^ nannte, und später noch zwci andere, Nnlimull und ^ü U«). Da cr sich nun im Besitz einer hinlänglichen eigenen Nachkommenschaft sah, kündigte cr seinem Neffen die Nothwendigkeit an, seine Erklärung, welche 89 diesen zum Thronerben bestimmte, zurücknehmen zu müssen, kaufte ihm jedoch, als eine Entschädigung, vom Grosihcrrn den Titel eines Pascha, und überhäufte ihn mit vielen andern Geschenken. üoil-^,ll-I5^"nahm dic Miene an, sich dankbar zu fügen, doch wer einmal die Aussicht anf eine Krone gehabt, scheint einem bbsen Zauber zu erliegen, den nichts beschwören kann. Er erwartete eine günstige Gelegenheit und floh in die Berge, wo es ihm gelang, eine Parthei nm sich zu versammeln, mit der er seinen Onkel und Wohlthäter angriff, doch mchremals von ihm geschlagen wurde. Er wandte sich jetzt an die, zu einem Kriege gegen Tunis immer bereiten Algierer, welche auch sogleich mir einer mächtigen Armee in das Land einfielen, die Stadt nahmen, Ilassau lion ^VH „ach 8una vertrieben, und ^li Uo^ au seiner Stelle einsetzten. IIu88»n blieb langc in diesem Eril, bis er endlich den Plan fasite, selbst Algiers Allianz zu snchcn, nnd dnrch des neuen daselbst regierenden Dey's Hülfe sein Neich wieder zu erobern. Doch seine Absicht ward verrathen, und von Viuiiio» Lo^ dem ältesten Sohne ^VU's eingeholt, verlor er sein Leben — stinc Kinder entkamen. ^li Uo^ erwartete nun cine ruhige Regierung, fand jedoch die Rächer in seinen eignen Kindern. Sein zweiter Sohn, Mul^iuiuuä-Ilt^ wußte den Vater gegen seinen altern Bruder, Vuimo« so einzunehmen, daß dieser sich nicht mehr sicher im Vardo (dem Schloße der Vcy's von Tunis) hielt, und nach der von Carl dem Fünften neu ausgebauten (!u88du floh, welche die Stadt beherrscht. Doch auch hier konnte er sich nicht lange halten, und bat, wie gewohnlich, Algier um Hülfe. Unterdessen hatte Hludunnuocl sich auch seinen jüngsten Vrudcr durch Gift vom Halse geschasst, und hielt sich jetzt der Thronfolge ganz versichert. Zu dersclbcn Zeit fand aber in Algier eine Revolution statt, welche sich mit der Erwahlung eines Dey's endigte, der ein entschiedener Feind des in Tunis regierenden ^V,li und seiner ganzen Familie war. Er beschloß 9i sogleich sich der gerechten Sache der zwei Kinder des vertriebenen und durch Vuuno» getödtetcn IIa6san-iz«il-^1i anzunehmen. Mit der stets behaupteten Uebermacht eroberte die Algienschc Armee Tunis mit Leichtigkeit, ^U Do^ ward sirangulirt, und Hlulin.inoä Novdcr älteste Sohn, tIl^8llu-Lon-^.Ii's auf den Thron gesetzt. Ruhe war jetzt von Neuem hergestellt; doch starb der Bey bald nachher, zwei unmündige Kinder hinterlassend, mit Namen Nlulnnucl und Isin^'I. Da diese Kinder in ihrem zarten Alter der Regierung unfähig waren, so übernahm sic der Bruder Nulmmmoä's, im Namen seines Neffen. Er hatte aber selbst einen Sohn, der schon früh Zeichen eines ungewöhnlichen Geistes gab, und alle seine Vemühnngen gingen von mm an nur dahin, diesen bei dem Volke populair zu machen, welches ihm auch vollständig gelang. Vei seinem Todc ward daher Illlminusla I'»««1m, einer der größten Manner, die Tunis beherrschten, zum Bey ernannt. Seine Regierung dauerte über 9s 33 Jahr, wo cr, noch in voller Lebenskraft, seineu Untergang auf folgende unglückliche Weift fand. Ein neapolitanischer Sclave, sein Favorit und Secretaire Minister, Hlanaul) 8liuou, hatte cine Liebschaft mit einer mnhammedanischcn Fran Ollnnail's, des Vrudcrs Ilumnnltla I'asolvü's. angeknüpft, nnd fand, seinen großen Credit benutzend, leicht Mittel, sie hausig des Nachts zu besuchen. Seine Geliebte ward schwanger, und da allc dagegen angewandten, hier so üblichen Mittel nichts st lichteten, so sah sie sich, durch Drohungen eingeschüchtert, endlich gezwungen. Alles zu g.-stehcn. (lilnnau und ftine Sdhuc wußten diesen Umsiaud geschickt für ihre eigne Erhöhung zu benutzen. Führte Ollmilli» öffentlich Klage bei seinem Bruder, so hätte, bei der Strenge der muhammedauischen Gesetze in diesem Puncte der Vey selbst seinen Günstling nicht von der Strafe dcs Gespicsitwerdens, und die Frau von Ersausung retten können. Sie liesien daher dem Unglücklichen nur die Wahl, sein Verbrechen 9I entdeckt zu sehu, oder zur Erkausung ihr.r Verschwiegenheit im Geheim ein größeres zu begchu. Der Sclave war der Todesfurcht uicht zu wider-st^-heu im Staude, uud versprach auszuführen, was mau vou ihm begehre. Iu Folge dessen verband er sich mit Mlimmm^ä-^alid) einem französischen Arzt uud Renegaten, der ein narkotisches Gift bereitete, was Hlluimw 8liu«» dcm Bey Abends in der Pfeife beibrachte. Sciu Tod erfolgte uoch in derselben Nacht, uud am andern Morgen ward sein Bruder Otluunu, mit Ueber-gehuug der uoch lebenden, legitimen Kroncrbeu, Nalmnl«! und l8mai)I, zum Bey ausgcrufcu. Doch geuosi er uicht lauge die Früchte seiner Vcrrätherei, uud die Strafe folgte alleu, die darau Theil genommen, auf dem Fusie. Makmuä fand Gelegenheit, mit Hülfe des ersten Ministers, eiue Verschwörung zu orgauisireu, und siebenund-slebeuzig Tage nach Mwncm's Throubesiciguua, ward dieser in der Nacht des 24. Decembers 1814, von Mawmttl nnd dessen Söhnen, in seinem 94 Bette erschossen. Auf diese Weist kam die Regierung des Reichs wieder an dcn rechtmäßigen Thronfolger, den EukVl II»88Ml-«oii-^U's und Nachkommen der schönen Dame ans Genua. Seine Söhne, IlQ5«an-Uo^ nud Hilli Hlli^wpna, nahmen einen sehr thätigen Anthcil an dicser Revolution, und da Oilman's Söhne, 8aI»Il und ^.li) sich nach der Festung Goletta gesiüchtet hatten, nm sich von dort einzuschiffen, verfolgten sie dieselben ohne Zeitverlust, holten sie noch im letzten Augenblick ein, und machten sie beide cigel^ händig nieder. Hlallmud^ altersschwach und un-bedeutend, rcgü-rte nur kurze Zeit, dem Namen nach. Der eigentliche Herrscher war, schon während seines Lebens, seiu ältester Sohn Hassan, der nach seinem bald erfolgten Tode friedlich dcn Thron bestieg, und ihn noch jetzt, allgemein geliebt und geschätzt, einnimmt. Den Tag darauf, nachdem Otkmlui tt«^ und seine Sohne ihr Leben verloren hatten, kam eine der Frauen des Vey mit cincm jnngen Prinzen nieder. Diesen ver- 95 schonte man, und er sitzt noch gefangen im Vardo, wo ihm, außer der Freiheit, alle Annchmlichkeiten dcs Lebcns gestattet werden. Die Gefangenschaft theilt mit ihm ein uralter Greis, Verwandter _4Ii Ul)/s, den in seiner Ingend ein ähnliches Schicksal traf. Ich kann mir die einsamen Unterhaltungen des Greises und Jünglings, die hier in einem so herben Loose zusammentreffen, als schr poetisch denken. Wie eigenthümlich mögen sie Welt und Schicksal ansehen. So ist dieses Reich ein Jahrtausend lang der widerliche Schauplatz fortwährender Umwälzungen und Verbrechen gewesen, und sie mögen nicht ohne traurige Folgen auf den Charakter des Volks geblieben seyn, den sie allen Principien von Ehrc und Treue zu entfremden geeignet waren, indem sie ein System von grenzenloser Despotie und kalter Grausamkeit fortwährend erhielten. Die nenesien Begebenheiten in Europa, am kräftigsten zuletzt die Einnahme Algiers durch die Franzosen, haben auch hier die Umstände sehr 1)6 verändert, und der auffallende Gcisi dcs Fortschritts, dcr sich fast der ganzen Menschheit zu bemächtigen scheint, hat selbst die so lange stationären Mnsclmänner mit Gewalt ergriffen, und treibt sie, fast sich selbst unbewußt, vorwärts und einer neuen Civilisation entgegen. Sie haben indeß zuerst mit dem angefangen, was am wenigsten „achahmnngswürdig war, indem sic ihrc malerische Tracht gegen eine geschmacklose und höchst unansehnliche, halb türkische halb europäische, vertauschten. Aber auch dcr Fanatismus sinkt täglich, dcr Raub wird ihnen nicht mehr gestattet, und dcr Nutzen christlichcr Cultur beginnt ihnen cinzu-leuchten. Gcbildctc Christen nehmen zum Thcil schon bedeutende Stcllcn am Hofe dcs Vey's ein, und dic Miluairmacht, welche auch im Acußcrn dcr unsrer Soldaten zu gleichen anfängt, wird durch curvpäischc Instnicteurs organisirt uud geleitet. Auch in dcr Stadt ist durch die frcmdcn Consuln der Einfluß der Christen groß geworden, ihrc Sicherheit vollkommen, ihrc Freiheit aber weit größer, als sic sich derselben in ihrem cigcncn Vatcrlandc irgendwo zu erfreuen haben. Es wird Sic vielleicht intercssiren, wenn ich hier den Vcricht meiner Präsentation im Bardo einschule, um die Trockenheit der bisherigen historischen Details und des Uebrigcn, was ich Ihnen noch später zudenke, etwas zu beleben. Das beiderseitige Unwohlseyn, des Bey's, dem ich vorgestellt werden, und des holländisch-russischen Consuls, der mich vorstellen sollte, hatte diese Ceremonie bis vierzehn Tage nach meiner Ankunft verzögert; uud als ich mich dazu aufmachte, war es immer noch ungewiß, ob ich den Bey selbst, oder nur seinen Bruder und den 8upalapa zu sehen bekommen würde. '"') Um zehn Uhr früh fand ich mich bei dem wieder kränker gewordenen Consul ein, dessen ältester Sohn, der Viceeousul ') 8apat5pu bedeutet eigentlich Gwßsiegelbcwahrer; gewöhnlich aber ist die Stelle des dirigirenden Ministers damit verbunden. Semilasso in Afrika. III. 7 98 für Holland, daher seine Funttioncn übernahm. Wir sttztcn uns in cm altcs Cabriolet aus dcm vorigen Jahrhundert — denn Niemand als der Bey selbst darf hier in einem vierrädrigen Wagen fahren — und hatten große Mühe uns mit dem morschen Fuhrwerk durch dic Orangen- und Gcmüscverkäufer, und eine Masse Zuschauer hindurchzuarbeiten, dic meine, wahrscheinlich hier noch nie gcschcnc, preußische Uniform herbeigezogen zu haben schien. In dcm engen Stadtthore wärm wir beinahe gleich zum Anfange verunglückt, und hatten dic Präsentation in cincr Pfütze begonnen. Dcr Wagen hielt jedoch die Fahrt über die Prellsteine, wic das Anstoßen dcr Achsen an die Eckcn unerwartet gut aus, und als wir nur erst einmal das Freie erreicht hatten, ging cs mit den flüchtigen arabischen Kleppern rasch und ohne weitere Schwierigkeit vorwärts. Vor dcm Eingang des Vardo fanden wir einige Zcltt aufgeschlagen, ncbcn dcncn die Pferde dcs Bcy's und seines Dienstes, an dcr gewöhnlichen langen 99 Fußleine festgebunden, im Freien aufgereiht standen. Mehrere dieser Pferde waren bemalt, nur wenige ausgezeichnet von Gestalt, oder eine hohe Raee verrathend. Das große buntgestreifte Eingangsthor des mit crcnclirten Mauern umgebenen Vardo, wird durch Kanonen in so engen Schießscharten, daß sie wie eingemauert aussehen, lächerlich vertheidigt, und führt in eine gepflasterte, schmale Straße, mit Trottoirs und Colonnade« auf beiden Seiten. Es fand hier ein solches Gedränge von Arabern, Juden und allerlei gemeinen Volks, nebst Pferden und Mauleseln statt, daß wir nur langsam vordringen konnten, bis wir in einen weiten Hof und vor ein zweites großes Thor gelangten, wo schon mehrere der Hofdicncrschaft sichtbar wurden, und wir aus-sieigcn mußten. Nachdem wir dieses Thor durchschritten, kamen wir durch einen hohen gewölbten Gang, wo in zwei artig dccorirtcn Nischen die Wachmannschaften mit Kartenspielen beschäftigt waren. 100 und cine Mafic schöner Gewehre und Säbel hinter sich aufgehangen hatten. Aus diesem traten wir in einen zweiten ungleich schöneren und reinlicheren, mir verschiedenfarbigen Marmor, Malerei und glacirtcn grünen Ziegeln ausgezicrten Hof, in dessen Mitte ciuc Fontaine sprang. Ringsumher umgab ihn eine breite Arkade mit hohen, aber einfachen Säulen. Hier empfing uns der Sccrctair-Minisier des Bey, ein I'taliäncr und Christ, Herr Raffo, und führte uns in cin mit Matten belegtes Zimmer zn ebener Erde, dessen Hauptwand cin rother Divan einnahm, auf dem ich mich, ohne eine weitcrc Einladung deshalb zu erwarten niederließ, während die andern drei Herren, Herr Raff», der Viccconsul und mein Sccretair auf kleinen italiänischen Rohrsiühlen mir gegenüber Platz nahmen. In der Ecke stand cin Schrank, nur von dreizehn Fächern, der vollkommen denjenigen ähnlich sah, in welchen bei uns die Ausgebermncn Zucker, Rosinen, Reis, Grütze, Erbsen und dergleichen aufzubewahren pflegen. Es war aber dieser 101 Schrank von ganz andrer Wichtigkeit, und nichts weniger als das Staatsarchiv, welches hier, wo die wohlthätige Erfindung der Schreiberei noch in ihrer Kindheit ist, nur einen so bescheidenen Platz einnimmt. Neben mir auf dcm Divan stand noch ein kleines Kästchen, welches, wie ich erfuhr, die cnrrcntcn Papiere der Tagcsgeschäfte des dirigirenden Ministers enthielt. Nach einer knrzen Conversation in italiänischer Sprache verließ nns Herr Raff», um zuvörderst den Bruder des Bey, 8illi Uuswpl^ Befehlshaber dcr <^amp8) was unserm Feldmarschall gleich kommt, unsere Ankunft zu melden, und kam bald darauf zu unsrer Abholnng znrück. Wir durchgingen von Neuem den Hof bis zum entgegengesetzten Ende, wo wir durch ein schönes Portal m einen ansehnlichen Saal traten, dcr mit rothem Tnch ausgcschlagen, und mit weiß und schwarzem polirtcn Marmor gepflastert war. Uns gegenüber befand sich cin großes Fenster, und unter diesem eine Ottomane, auf welcher 8,lli Mustaplm mit !02 untergeschlagenen Beinen, in eine Art europäischer Uniform mit rothgcsiicktcm Kragen gekleidet, und dem gewöhnlichen Fez auf dem Haupte, unbeweglich saß, eine goldne Tabaksdose in dcr linken Hand haltend, an dcr er einige sehr große Diamantringc trug. Ncben ihm lagen, halb durch einen Shawl verdeckt, zwei Pistolen und ein Dolch. Wir gingen durch eine drei bis vierfache Reihe verschiedenartig gekleideter Leute auf ihn zu, denn er hatte eben, als Stellvertreter seines kranken Bruders, dcr Rechtspflege und dem Gebet persönlich obgelegen. ") *) Bei den Muselmännern ist Justiz und Kirche noch vereint; der Kadi, wie selbst dcr Herrscher, sind auch geistliche Personen. Ihre Gesetzgeber wußten, daß diese Vereinigung das sicherste, und vielleicht einzig sichre Vollwerk der Despotie ist. Unsere Souveraine haben es sich entgehen lassen, und im Grunde war es nie in der Christenheit so rein und gediegen wie im Islamismus organisirt, obgleich das stupende Genie Hildebrand's 103 Nachdem dcr Viccconsul ihm die Hand geküßt, und Herr Raffo mich genannt hatte, schüttelte ich ihm selbst die dargcbotnc Rechte, nnd setzte mich auf cincn mir herbeigcbrachtcn Stuhl vor ihm nieder. Es wurdc jctzt ganz auf unsre Wcisc und mit viclcm Anstand dcr aufwartenden Diener, Kaffee scrvirt, worauf die Unterhaltung, theils direct italiänisch, theils durch den Dolmetscher arabisch begann, und nicht vielmehr als die gewöhnlichen lioux onmmuu« solcher Audienzen enthielt. Nach einer kleinen Viertelstunde beurlaubte ich mich mit einem zweiten Händcdruck, und begab mich in die Zimmer des Herrn Rasso, welche wir völlig europäisch mcublirr fanden, und hinsichtlich des Lurusgradcs ungefähr so, wie sie bei uns ein Rcgicrungsschrcibcr zu haben pflegt. Die Wohnstube war mit verblichenen Papier- etwas Aehnliches herstellte, das lange genug Vortreffliche Dienste leistete. Nur wenn Hildrbrand auch zugleich Kaiser hätte seyn können, wäre es vollkommen geworden. 104 tapetcn und einer Reihe schlechter Kupferstiche, welche Napoleons Siege vorstellten, verziert; die zweite, welche das Arbeitszimmer zn seyn schien, blos geweißt, mit einem großen Sccrctair versehen, und mit einigen erotischen Figuren in punetirter bunter Manier behängen. Diese Einfachheit hat auch ihr Imposantes. Es dauerte wohl über eine halbe Stunde, ehe wir zum Bey bcschiedcn wurden, der uns, da er noch immer bedeutend krank ist, in seinem Harem empfing, was für eine besondere Auszeichnung gelten konnte. Eine Art Hossourier war schon vorher gekommen, um sehr hoflich dic Verzögerung mit der Kränklichkeit Seiner Hoheit zu entschuldigen, und geleitete uns jetzt in des Harems Heiligthum. Dort fanden wir eine unsere Erwartung sehr übertreffende, eben so geschmackvolle als gediegene Pracht, von einer allgemeinen Sauberkeit umgeben, die hicr noch seltener ist. In einem höchst eleganten Marmorhofe empfing mich zuerst dcr Hapawpa, ein noch junger, sireng 105 und etwas eigensinnig aussehender Mann, dessen Costüm europäischen Augen um so mehr anffiel, da es sich in Nichts von dem aller übrigen Hoflcute unterschied, die bis auf die Bedienten herab, sämmtlich gleich gekleidet waren. Es bestand in dem rothen Fez, einer runden blauen Jacke und Weste ohne alle Verzierung, den jetzt eingeführten blauen Pantalons, oben weit und unten cng, mit einem roth und weist gestreiften Bund um den Leib, wcißbaumwollcncn Strümpfen nnd spitzen Schuhen. Das ganze sah einer Matrosen-kleidung nicht unähnlich; ein recht bcqncmcs Negligee, aber ohne alle Würde. Eine goldene lange Uhrkcttc mit verschiedenen Bcrlocks, schicn dic einzige Auszeichnung, welche er und einige andere der Vornehmsten trugen. Ein Hauptgrund dieser Tracht soll die Ockonomic seyn, welcher dcr jetzige 8«,plltapa in allen Branchen ausschließlich huldigt, während sein Vorgänger im Gegentheil die größte Verschwendung liebte, und der Schatz des Vcy's damals ziemlich trocken gelegt worden 106 scyn soll. Ihnen wird dies gefallen, ich bedauerte von Herzen den alten Znstand der Dinge, dcffcn außerordentlichen Glanz die Consnln nicht reich genug beschreiben können. Wir sahen jedoch im Ucbrigcn noch mehrere beaux r,sah ich dicses furchtbare Schauspiel mit an. Welch cin Wechsel des Glückes! Welch ein erschüitcrudcs Beispiel von dcr Unbeständigkeit mcuschlichcr Macht und Größe — cinc trübc 118 Lehre für Alle, die der Ehrgeiz rastlos vorwärts treibt. Der hohe Staatsbeamte, den ich noch gestern mit allen Zeichen äußerer Ehrfurcht mir geneigt zn machen suchte, den königlicher Luxus umgab, nnd dessen Hände von kniecndcn und zitternden Sclaven geküßt wurden, lag nun, von demselben Menschen unter wildem Geheul mit Füßen getreten, eine scheußliche Massc von Blut, zerrissenem Fleisch und Kothe vor mir; ein in nichts mehr zu erkennender Leichnam, bestimmt, in der Sonne zn bleichen, und selbst des Rechts eines Grabes verlustig!" Seitdem ist eine andere, mildere Zeit eingetreten, und wic die Sachen jetzt stehen, wäre cs ein wahres Glück für die Franzosen gewesen, wenn ihr damaliger tunesischer Consul, statt des algicrischcn, die berühmte Ohrfeige erhalten hätte; denn in Tunis würde der Colonisation nichts im Wege gestanden haben. Ein unendlich traitablcrcs Volk, ein schon weit cnltivirtcrcs Land, fruchtbarerer Boden, sicherere Hafen, Alles wäre 113 erwünscht gewesen. Das Königreich Tunis hat zwischen Algier und Tripolis ungefähr 70 deutsche Meilen in dcr Länge, und zwischen dem Meere und dem vselioi-lll) der Landschaft dcr Datteln, 60 Meilen in dcr Vrcitc. Das Clima (obgleich ich cs bis jetzt nur kalt und rauh gefunden habe) soll eins dcr besten und gesündesten in der Welt seyn; die Sommerhitze wird durch fast fortwährende kühle Nordwinde gemäßigt, und die Winter sind nie streng. Ohngcachtet die Seen um Tunis im Sommer fast austrocknen, dic Gegend tief liegt und eine abscheuliche Unreinlich-keit daselbst herrscht, dic fortwährend den übelsten Geruch hervorbringt, sind doch Fieber nicht häufig, und epidemische Krankheiten ganz unbekannt, mit einziger Ausnahme dcr Pest, die von außen herkömmt, und dennoch seltener Tunis heimgesucht hat, als die übrigen großen Städte dcr afrikanischen Küste. Sein Vodcn ist seit Jahrtausenden berühmt -— er war einst die Kornkammer dcr Welt, als dcr kostbarste Juwel des römischen Reichs bc- 120 trachtet, und Nauriwuin, ^m^iwnia (^«sarions!» ncnnt ein alter Römer ?,8poei«8ita8 toUu» toii-ä« Kormltis.« Die Fruchtbarkeit geht hier ins Unglaubliche, die Erde ist so sanft und gefügig, so reich und ergiebig, daß sie, nach dem Ausdruck eines Schriftstellers, nur mit einem harten Stock gepflügt zu werden braucht, um ohne Arbeit, Achtsamkeit, noch Dünger, Alles hervorzubringen, was man will. Dennoch ist, entweder in Folge des despotischen Drucks der Regierung und der daraus hervorgehenden Unsicherheit des Eigenthums, oder vielleicht auch aus natürlicher Indolenz der Eingeborncn, dic so wcnig Bedürfnisse haben, ein großer Theil dieses fruchtbaren Bodens noch un-cultivirt, ausgenommen in der Nähe der Sladt, wo namentlich die Küchen- und Blumengärten der Marsa fast den europäischen gleich kommen. Alle Gemüse uuscres Wcltthcils werden hier mit leichter Mühe gebaut, doch finde ich sie bis auf die Artischokcn und Blumenkohl, durchgangig weniger schmackhaft als die unsrigcn. Dasselbe 121 svll mit dcn Früchten der Fall seyn, und sclbsi die Orangen sind nicht besonders. Ob dies nun durch dic Beschaffenheit des Bodens und Clima's hervorgebracht wird, odcr ob Mangel an Sorgfalt daran Schuld ist, kann ich nicht entscheiden. Aber auch Zuckerrohr, Tabak, Baumwolle und Kaffee gedeihen hier, und das Oel ist von vorzüglicher Qualität; Rosen, Ranunkeln, Tulpen, Narzissen und einige Nclkenartcn wachsen wild, wie cmc Menge aromatischer Krauter und andere seltene Pflanzen im Ucbcrflnß. Fische und Wild sind übermäßig vorhanden. Auch an Metallen fehlt es nicht; Eisen und Blei ist häufig, Gold, Silber und Kupfer soll in reichen Minen im Atlas vorhanden ftyn. Als man Ilammu^a I'a8o!ia vorschlug, diese Minen zu offnen, lchntc er es ab, indem er sehr weist erwiederte: „Ich habe, was ich brauche, warum sott ich die Habsucht der Christen wecken, die ein Ucbcrfluß au Gold bald hcrlockcn würde. Man sieht, daß die Natur dieses Land mit Allem beschenkt hat, was es für den Menschen t22 vorthcilhaft und angenehm machen kann; nur dieser selbst ist hinter dem allgemeinen Reichthum zurückgeblieben, und so fehlt das Vcste. Dic Thierwelt ist eben so reich als die übrigen Natur-producte, aber eben so vcruachläßigt. Die großm Vichhccrden werden clcnd gefüttert, daher gute Butter und Milch für Geld nicht zu erlangen sind. Die Pferde: acen, welche sonst den besten arabischen gleich kamen, werden jährlich schlechter, aus demselben Grunde wie in den übrigen Reichen der Barbarei, weil jedes gute Pferd vom Gouvernement und seinen Dienern rcqnirirt wird, mid daher Niemand mehr cm Interesse findet, Mühe und Kosten auf ihre Zucht zu verwenden. Der Pascha hat ein eigenes Gestüt, woraus ziemlich gute Pferde hervorgehen, doch, um sich wahrhaft edle Thiere zu verschaffen, muß man sie in der Wüste bei den unabhängigen Stammen anfsuchcn, was mit großer Gefahr und Schwierigkeit verbunden ist. Ich selbst habe bis jetzt noch kein wahrhaft ausgezeichnetes Pferd hier gesehen, ob- 123 gleich cs einige gcbcn soll, mit denen man im Stande ist, Haastn ohne Hunde todt zu hetzen. Jeder kennt den nngemeinen Nutzen des Camccls, welches hier bereits weit schöner und kräftiger als in der Regentschaft von Algier ist. Wilde Schweine sind häufig und von ungeheurer Große, werden aber nicht benutzt und dienen blos zum Vergnügen der Jagd. Kostbarer sind die Strause, dic ebenfalls in grosier Menge, besonders in der Gegend nach Tripolis hm, und an den Grenzen der Küste gefunden werden. Man jagt sie gegen den Wind, wo sie bald den Athem verlieren und dann für die Jäger eine leichte Beute sind. Die dortigen Araber tragen zu ihrem schönen Cosiüm einen breiten Strohhut, von den schönsten schwarzen und bnntcn Federn dieses Vogels beschattet, der ihnen ein majestätisches Ansehn gibt. Die unangenehme Seite dieses üppigen Thier? rcichs sind die schädlichen und uubcqucmcu Insceten und ähnliches Ungeziefer. Unter diesen nimmt der Scorpion, welcher zuweilen eine Größe von 124 sieben bis acht Zoll erreicht, dic erste Stelle ein. Es ist zwar nur ein Vorurthcil, daß sein Biß tödtlich sey; dcmungcachtet erregt er während vicnmdzwanzig Stunden lang die allcrcmpfind-lichstcn Schmerzen und ein heftiges Fieber. Man sagt, daß die Chamäleons, welche hier ebenfalls in großer Menge angetroffen und leicht gezähmt werden, tödtlichc Feinde der Scorpionen sind; auch die Katzen vertilgen sie mit großer Geschick-lichkeit. Viel ungeschickter sind darin die Hnndc, welche oft von ihnen gestochen und dann gewöhnlich toll davon werden. Nun noch einige Worte über die Bewohner dieser Lander. Einer der merkwürdigsten Züge in dem häus-lichcn und politischen Leben der hiesigen Völker bleibt ohne Zweifel ihre Religion, diese groteske und wunderbare Mosaik, in die versteinert eingeschlossen und unauflösbar zusammengehalten, sie cinc Macht erlangt haben, die sich noch jetzt, obgleich von immer gefährlicher werdenden Stürmen 125 erschüttert, über dic schönste», Theile der Erdc ausdehnt. Das Land, in welchem diese seltsame Religion geboren ward, und in dem Ncnerc den Urmenschen suchen wollen, ist an sich selbst eine hohe Merkwürdigkeit, von eigenthümlichem, fremdem Charakter, ganz geeignet, die heterogenste Mischung von Formen und Gebräuchen hervorzubringen. Die Israelite» waren gefallen, und fingen an mit ihrem Glauben sich über die Erde zu zerstreuen. Eine kurze Spanne Zeit hatte des Christenthums mildes Licht geglänzt, doch cs blieb nur ein Wetterleuchten der Verkündigung, denn schon war unter dem neuen Namen selbst das alte Hcidenthum wieder siegreich erstanden, und, gleich dem zum heiligen Petrus travcstirten Jupiter in der Kirche zu Rom, hatten nur die modernen Hcilig.cn und die personifisirtc Dreieinigkeit die Stelle der alten Götzen als neue Götzen wieder eingcnommcn. Setteu aller Art zerrissen und bekämpfen sich unter dem Banner der Religion der Liede, Intoleranz und Vcrfallnng schienen dic 12« Losung dcr Zeit. Die Araber waren geblieben, was sic von Anbeginn gcwcscn; zu unabhängig und wild, um sich in Städte zusammenzudrängen, war ihrc Hcimath noch unter Gottes frcicm Himmel auf Vergcn und in dcr Ebcne, Sonne und Gcsiirnc die harmlosen Gegenstände ihres Cultus, ihrc rcichc poetische Sprache die einzige Kette die sie verband, Speer, Schwcrdt und Bogen ihr einziger Rcichthnm, und das edle feurige Nosi ihr Stolz und ihre Freude. So, hohen Muthes voll und hart gewohnt, vermehrte sich ihre Zahl, in tausend Stämme getheilt, die immer mehr Asien und Afrika bedrohten, denn alle Mittel zu grosien Unternehmungen fanden sich bei ihnen vereinigt. Es fehlte nur die machtige Hand, fähig, diese furchtbaren Massen auf ein bestimmtes Ziel zu richten, sie in eine fcsie und dauerhafte Form zu gießen. Da erschien Hl«-Immmcä, mit jcdcr dcr erhabenen Eigenschaften begabt, die Menschen beiwohnen, welche von der Vorsehung bestimmt sind, cinc Zeitlang die Gestalt 127 dcr Wclt zu verändern.") Soldat und Staatsmann, von angesehener Geburt, stark und energisch *) Wenn Einige der neuern englischen Historiker über Religion sprechen, streifen sie, aus Furcht die frömmelnde Schicklichkeit der heutigen Mode zu verletzen, oft an wahren Idiotismus. So sagt Eward Upham in seiner Geschichte des ottomanischen Reichs, erster Theil, Seite 3l: „Arabien war reif für cmc neue Ordnung der Dinge, als Mullinnnicc! erschien, und der Erfolg seines colossalen Betrugs Otl,py llivi»« p 167 mcffer hielten und mit grün nnd roth gewundenen Streifen bemalt waren. Ueber den springenden Fontaine» brannten in allcn Farben viele hundert verschiedenartige Lampen, und der Anblick der ganzen Scene erinnerte wirklich an die Erzählnngen der Tausend und einen Nacht. Unter dem Schall der Mnsik ward die Vrant auf einem Kissen von Goldbrocat von ihren Brüdern hereingetragen, und auf einen mitten im Hof siehenden alter-thümlichen und sehr kostbaren Lehnsinhl niedergesetzt. Sie war außerordentlich reich und schwer angekleidet. Besonders zeichnete sich ein von Juwelen strotzendes Diadem, prächtige Fnßspangen und blendende Armbänder dabei aus. Arme nnd Füße waren auch bei ihr nackt, uuter der Sohle nebst einem kleinen Theil der Seiten, so wie die Nägel an Fingern und Zehen mit Henna roth-brann, Augenbrauen und Angenlieder schwarz gefärbt. Sie erschien mit geschlossenen Angen und dürfte sie an diesem ganzen Tage nicht offnen, so wie auch ihr Mann sie während der drei ersten 1«8 Tage dcr Ehe gar nicht zu sehen bekommt. Nedcn ihr standen zwei Tänzerinnen und vor ihr eine Negerin mit einem colossalen lackirten Becken, worauf nach und nach sämmtliche ihr dargebrachte Geschenke an Gold, Juwelen und sonstigen Kostbarkeiten gelegt wurden, und dabei laut vorgelesen, worin sic bestanden und von wem sie kamen. Zwei großc mit Diamanten besetzte Flacons, so wie mehrere schwere Pakete mit gediegenem Golde schienen das Bedeutendste darunter zu seyn. Alle zwei Stunden ward dic Braut auf den nämlichen Kissen in ihre Gemächer zurückgetragen, dort umgekleidet und auf gleiche Weise auf den erwähnten Lchnsiuhl zurückgebracht, was den ganzen Tag so fortdauerte. Da es der Acrmstcn nun zugleich verboten ist, an diesem Tage Nahrung zu sich zu nehmen, so ward durch die Schwere der Kleidung und des Geschmeides, die Fatigue und das strenge Fasten, die junge Frau mehrmals fast ohnmächtig, Einc alte Negerin steckte ihr dann jedesmal einc Pastille in den Mund, die 169 sic sichtlich zu starken schien. Die Vcwirthung bestand abermals nur aus Süßigkeiten und Bäckereien, Caffcc, Chocolade, Limonade u. s. w., doch war der Vcy diesmal gesprächiger und machte den freundlichsten Wirth, indem er mehrmals zn uns sagte, wir waren hier in unserm eignen Hause, und mochten thun, was uns Vergnügen mache. Er ergriff selbst das Licht, um uns das Braut-bctt, aus weißem Atlas geschmackvoll mit Gold gestickt, zu zeigen, auf welches, da es sehr hoch war, eine rothsammtcnc Treppe hinauf führte. Hierbei löschte ihm das Licht aus, so daß wir eine ganze Zeit im Dunkeln stehen blieben, was man für eine sehr üble Vorbedeutung hielt." ") So weit die Frau Consulin. Ich füge noch hinzu, daß nach hiesiger Sitte der Bräutigam ^) Es ist sonderbar Mug, dasi wirklich, wie man sehen wird, der Ä>cp bald darauf gestorben, und dcs Kup.'ttalia's Lage schr cntisch geworden ist. ,70 nicht, wie bei uns bci seiner jungen Frau schlafen darf. Es wird ihm nur eine halbc Stunde während des Tages vergönnt, um die Ehe schleunig zu vollziehen, wahrend die andern Weiber vor der Thüre stehen bleiben. Ist er in der verstatteten halben Stunde nicht zum Zweck gekommen, so wird die Sache eine geraume Zeit lang aufgeschoben, ehe er seiner Frau wieder nahen darf. Das Ccrcmonicll hierbei ist, daß die Frau im Augenblick, wo der Mann zu ihr herantritt, ihm die Hand küßt, worauf er seinen Fusi auf den ihren setzt; Beides nicht als Zeichen von Liebkosung, sondern von der angehenden Herrschaft dcs Mannes. Dic Prinzessin verweigerte jedoch diesmal, wegen ihres hohen Ranges, das Eine wie das Andere. Die übrige Ceremonie ging aber glücklich und mit allen materiellen Zeichen des Sieges (die hier 60 ri^uour stud) in der bestimmten Zeit von statten. Als die schöne Kadkuw-a den alten Vascli-Namowck Heirathete, geschah das Gegen? theil. 171 Die muhammcdanischen Schönen sollen zu Intriguen mit Christen sehr geneigt seyn, aber die Gelegenheit dazu ist desto schwerer zu finden. Fast allein auf den Hausterrasscu, wo sie sich viel aufhalten und häusig entschleiern, ist eine Zusammenkunft möglich. In Algier fängt sich alles dies sehr zu andern an, in Tunis herrscht aber noch die alte Strenge. Ein Christ, welcher dennoch hier Mittel gefunden, die hübsche Frau eines Mauren allein zn sprechen, srug sie, was die Folge seyn könnte, wenn ihr Rendezvous entdeckt würde? ,,O," rief sie, «nichts sür Dich, Du verlierst blos Deinen Kops, aber mich führen sie mit entschleiertem Gesicht anf cincm Esel in der Stadt umher und ersaufen mich dann im See." Desto ungehinderter kann man sich den Jüdinnen nähern, die auch keineswegs zu den untraitablcn gehören. Die beste Gelegenheit, mit ihnen Bekanntschaft zu machen, ist, sie auf ihrem Kirchhofe aufzusuchen, wo sie alle ersten Tage des Neumonds 172 sich sehr zahlreich cinsindcn, jede mit cincm Topsc aufgelösten Kalkes versehen, um die Lcichcnsteinc ihrer Licbcn frisch anzuwcißcn, cinc Operation, welche, wie sie glauben, die untenliegenden Seelen ungemcin erfrischt. Dieser Kirchhof der Juden ist in mchrcrcr Hinsicht merkwürdig und erschien mir als höchst elegant und anmuthig. Die Juden mauern über jedes Grab cinc wohlvcrputzte glatte Steindcckc, auf der ein kleines, etwas vertieftes, rundes oder viereckiges Marmormedaillon nur ciuc kurze Inschrift enthält. Das nächste Grab wird immer dicht an das letzte angereiht und genau in dcrsclbcn Hühc gehalten. Daraus entstehen nun, auf dem sehr großen Raume, den der Kirchhof einnimmt, da und dort förmliche Parkets, die so cbcn wie der schönste Tanzboden sind, und sich von einander nur durch cinc üppige Vegetation getrennt finden. Diese besieht zwar aus blosien Unkrautboslcts, da sie aber vom saftigsten Grün und voller Blüthen sind, gleichen sie ganz den verschiedenen 8Iirudd8 eines englischen Gartens. 173 Eine solche Disposition übertrifft so sehr unsre ungracicusen Grabhügel und Krenze, daß ich im Namcn des guten Geschmacks fthr wünschte, wir ahmten in dieser Hinsicht den tuuesischcn Hebräern nach. Die zweite Merkwürdigkeit des Friedhofes ist das Grab eines spanischen Geistlichen, einst ein reicher Canonicus in Toledo, der, von der Inquisition vcrurtheilt, hierher entfloh, und aus Liebe zu einer Jüdin, die er heirathere, den Glauben sciucr jungen Frau annahm. Die Juden, stolz auf eine so glänzende Bekehrung, überhäuften ihn mit Schätzen, die er in philosophischer Ruhe bis an seinen Tod genoß. Zu hoch hat er sich indessen nicht angeschlagen, obgleich er viel Geld hatte und ein Jude war, denn seine von ihm selbst verfertigte Grabschrift lautet, treu übersetzt, folgendermaßen: „Hier liegt das Nichts vom Nichts, Joseph Medina." Ich schließe meinen Brief, der eine ähnliche Inschrift verdient, mit ctwcks Reellerem, nämlich !74 mit der herzlichsten Versicherung der Freundschaft und Hochachtung, die mich sicts für Sie beseelen werden. Ihr aufrichtigst ergebener Q 0 * , Seilage zum siebenten Sricle.^) LE CHAPEAU A CORNES. Gantatc nouvelle, Chocur d'lsraclilcs. Sur fair: Je I'ai plante, je l'ai vu naitrc. Malheureux Juifs, verscz des larmes! C'en cst fait dc vos chapcaux ronds. O jour de deuil! 0 jour d'allarines! Teraoin du plus grand dcs affronts. (l>is._) ') Mit einer Abbildung. 176 Un Emissairc dc la Police. Sur 1'air: Cc mouclioir, belle Raimonde. Peuplc Juif, couvi'ez votrc tetc, De cc cliapeauj dc ce bonnet, Du pouvot'r je suis l'interpiele, Soycz soumis au grand dčcret . . . (bis.) Recitatif du dcvin du village „Colin veut etre brave, „II ahne a sc parer." Quant siir le Sinai la Puissance saus borncSj A Mouse donna des loix jiour scs enfans Mo'ise desccudit du mont avee deux cornes: N'ctez vous pas scs Descendans? (bis ) Chjoeur vm», seinen Gegenständen und Aussichten nebst andern beliebigen Theilen Unseres Reichs zu begleiten, damit cr wohlbcwacht wcrdc unterwegs, und empfehlen Wir Unserm Sohne dem Scheich von ßlau^vau und I5clnl, daß er ihm bcisiehe, und alle Gefälligkeit für ihn habc, und ihm Alles verschaffe, was er gebrauche. Und gleichermaßen geht dies an Alle, die den gegenwärtigen Unsern ^Vmi-a lesen, daß sie den P. beschützen und allc Sorgfalt für ihn haben, und alle Dienste leisten, die nöthig werden konnten. — Gruß., 204 Von dem Niedrigsten vor Gott, Ila««^ ?a8«1ia, Vo^^ dcn der Himmel beschützen möge. Amen. Am 17. HIolliu-i-om ol Ilm'i-all im Jahr 1251." Da es nicht gerathen ist, so lange die jetzige Ungewißheit dauert, eine weite Tour ms Innere zu unternehmen, und ich auch nicht gcrn um die Feierlichkeiten kommen will, die der Tod des Bey und die Thronbesteigung seines Nachfolgers ohne Zweifel mit sich führen werden, so ließ ich vor der Hand noch dcn Mamelucken und ^Vmi-a zu Hause, und benutzte blos die Pferde, um mit I.... und dem jungen Herrn Nysscn die lang aufgeschobene Excursion nach dcm, nur zwei deutsche Meilen von Tunis entfernten Carthago zu machen. Zu Deiner Notiz hier nur einige vorläufige Eingangsworte. Die Küste, nach der wir uns begaben, bildcr eine Halbinsel; rechts vom See von Tunis und dcm Golf, welche beide nur der schmale Damm der Goletta trennt; vorn vom hohen Meer, links 205 vou dem großen Salzsee Hodlika äal 8ukkara) eingefaßt. Die ganze 5?albinscl hat ungefähr acht deutsche Meilen im Umfang, und an ihrer Spitze lag auf drei Hügeln Carthago, dcm die alten Schriftsteller cincn Umfang von 6 bis 8 Stunden und selbst noch mchr zuschreiben. Ucbcr dic Details der Lage der Stadt und ihrer Hauptpuncte herrscht noch immer große Ungewißheit. So nimmt z. V. der Doctor 8Klnv, der vor hundert Jahren hier war, und immer noch cinc der besten Autoritäten für die Barbarei geblieben ist, den Dutzende von Rcisebcschrcibcm seitdem ausgeschrieben haben, so wie auch d'Anville, mit Bestimmtheit an, daß der Hafen nordwestlich von der Stadt sich befunden, wo jetzt das fruchtbare Thal dcr Marsa sich ausbreitet; die Neueren dagegen, Chateaubriand, Falbe und Andere glauben — und ohne Zweifel mit Recht — daß dieser Hafen gerade entgegengesetzt, südöstlich dcr Stadt gelegen habc. Nur über das Emplacement der Citadelle, V^rs» genannt, und des berühmten 206 Tempels dcs Aesculap's, welche bcidc den höchsten Hügel mitten in dcr Stadt krönten, ist man ziemlich allgemein einig geworden. So viel über die Lage. Was die Geschichte betrifft, so weisit du, dasi Carthago die Ehre hatte 800 Jahr vor Christo von einer Dame gestiftet zu werden; daß der größte aller Feldherrn später nahe daran war cs zur Herrscherin dcr Welt zu machen; daß es endlich von dem zweiten Seipio erobert nnd siebenzchn Tage lang niedergebrannt wurde; daß es einige hundert Jahre spater wieder als die romische Hauptstadt Afrit'a's in neuer Blüthe stand; nnd endlich im fünften Jahrhunderte abermals von den Vandalcn zerstört, und dann die Residenz Gcnscrichs wurde, dieser zweiten Geißel Gottes, dcr sich in grausamer Melancholie selbst dafür ansah, und als ihn, bei einer seiner Erpeditionen dcr Steuermann fragte, wohin die Fahrt gerichtet werden solle, und welches Volk er zu bekriegen gedenke, lakonisch erwiederte: «Das Volk, dem uns der Zufall entgegen führen wird, weil 207 Gott in diesem Augenblick seinen Zornblick auf dasselbe geworfen hat." Ungefähr achtzig Jahr später verjagte der berühmte Velisar, von dcm dic Geschichte, wie Chateaubriand bemerkt, uns lange ein so hübsches Mährchcn erzählt hat, dic Vandalen aus Afrika, und unterwarf Carthago wieder der römischen Herrschaft, bis am Ende des siebenten Jahrhunderts dic unglückliche Stadt von den Arabern zum letztenmal und auf immer vernichte wurde. Der Tag, dm ich zur Besichtigung ihrer Ucbcrrcste gewählt, war für d.'n schwermüthigen Anblick dcr wcitcn Trümmer eincr der berühmtesten Orte der Welt gut geeignet. Ein schwarzer Himmel, eine graue, trübe, kühle Lust lag über Meer und Land. Obgleich nichts als Steinhaufen und Gruppen einzelner Maucrstückc mit unterirdischen Gewölben und Wasserbehältern von allcn drei Carthago's, dem pumschcn, dcm römischen, und dem vandalischcn Gcnscrich's übrig sind — so bietet doch, wenn man in der Mitte des Ganzen 208 auf dcm Hügel der supponirten V^r«a und dcs dcm Acskulap geweihten Tempels sicht, dic in einem Umsang von fünf bis sechs Stunden zerstreute Masse niedergeworfener Ruinen, einen Anblick dar, der jede fühlende Seele tics bewegen must. Ich mochte allen rathen, die dicscn Punkt besuchen, sich gleich mir, am Saume dcs jetzt mit rothem Mohn durchwirkten Gersicnfeldcs, das die Statte der alten Citadelle bedeckt, in die duftenden Kräuter niederzuwerfen, und hier — das t^pdm» mit dcm Felscnamphithcater dcs Ilammaniliok am Horizont, den Golf und die Fcsinng Goletta mit ihrer siolzcn Reihe Schisse im Mittelgrunde, die Reste dcr großen Tempcl, den Hafen und Cothon der einstigen Herrscherin der Meere zu seinen Füßen — Chateaubriand's poetische Erzählung der Geschichte Carthago's von Dido bis auf den heiligen Ludwig zn lesen. Es ist süß, hier an Ort und Stelle selbst, die imaginaircn Leiden der schonen Königin zu beklagen, dcr dcs Dichters Fiction Unsterblichkeit gab; an des cdleu 209 Regulus republikanischer Größe sich zu stärken; dem großen Haunibal in seinem langen beispiellosen Glück' Hu folgen, und mit ticscm Hcrzcnsschmcrz das Ende einer so erhabenen Laufbahn zu betrauern; von Sophonisbe's Muth und Liebreiz entzückt, dem Heldcntodc dicstr verführerischen ächt weiblichen Gestalt des Alterthums cine Thräne des Mitleids zu weihen; erschüttert der Macht der Nemesis innc zu werden, die nach mehr als einem halben Jahrtausend von dem zum dritten? mal aus seiner Asche erstandenen Carthago, unter des barbarischen Wandalen Anführung eine furchtbare Flotte aussendete, dasselbe Rom plündernd zu zerstören, das einst so erbarmungslos die Rivalin seiner Größe vernichtete; und zuletzt sich zu fragen: Was ist der Zweck von allem dem gewesen, warum hat dies unglückliche Land durch so viel Qualen gehen müßen, um zuletzt im elenden Zustande der Barbarei zu erstarren; welcher Fluch hat dics harte Schicksal vorherbestimmt, und wer ist es, der am Endc Gemilasso in Afrika. III. 14 2l0 den Nutzen auS dcr schwer erkauften Lehre ge-zogcn hat? Man kann nicht umhin, indcm man das Andenken dieser alten Begebenheiten bci sich erneuert, mancherlei Betrachtungen dcr verschiedensten Art Raum zu geben. So glaubte ich einige merkwürdige Achnlichkcitcn in den Schicksalen Hannibals und Napoleons zu bemerken. Beide fanden ihren höchsten Ruhm, die unwegsamen Alpen übersteigend, in Italieu; Beide versäumten, den besiegten Feind zur rechten Zeit gänzlich zn vernichten; Beide sahen nach unwandelbarem Glück und jahrelangen Siegen in der Fremde, und dem Augenblicke völligen Gelingens einst schon nahe, im eigenen Vatcrlandc das colossale Gebäude ihrer Größe an einem Tage zu Grunde gehn;") Beide erlagen einem *) Die Schlachten von Zama mid Waterloo haben noch das Achnliche, daß bei beiden mehr die größere Ausdauer uud persönliche Tapferkeit der Truppen, als überlegene Geschicklichkeit des siegenden Anführers bcn Ausschlag gab; ferner daß an beiden Welttagen die 211 ungleich Geringeren als sic selbst waren; Beide starben im Eril — so lange sic athmeten, ein Gegenstand der Furcht für die civilisittc Welt; Beide opferten ausschließlich dem Verstände ohne Gemüth; Vcidc endlich haben, obgleich es ihnen nicht an Zeit dazu fehlte, der Nachwelt nichts von Bcdcntung über sich selbst schriftlich vcrtrant, und dcm Geschichtschreiber wie dem Dichter es allein überlassen, auf ewige Zeiten sich an der Darstellung ihrer Ricsenbilder zu üben. Beide aber starben mit einem unsterblichen Worte auf den Lippen; der Eine, indem er, den Giftbecher trinkend, sagte: «Befreien wir endlich die Römer von einer Furcht, die sie zu lange quält;" dcr Andere, indem er, moralisch langsam zu Tode gemartert, sterbend ausrief: ,,.?o logu« loppi-odro do ma m«N a I'^Vllßlotorro.« »Je lcgue Topprobre de ma mort a rAnglcterre." Hülsstruppen entschieden — denn ohne Massmissa wäre wahrscheinlich eben so wenig Hannibal, alS ohne Blücher Napoleon geschlagen worden. 212 Als wir später die Runde dcr einzelnen Ruinen machlcn, stießen wir bei den größten Haufen derselben, nahe dem Schloß Lu,'ll8cll-Vi^iollich auf mehrere Neger und Mauren, die seit einigen Monaten hier Nachgrabungen für den Gouverneur dcr Golctta begonnen haben. Sic waren seit Kurzem, ungefähr 12 bis 14 Fuß tief, auf den glatten Steinboden eines Gebäudes gekommen, wo zwei gigantische Pfeiler schon ganz frei standen. Mau hatte in diesem kleinen Raum bereits die zerbrochenen Stücke von acht kostbaren Marmorsäulen, nebst einigen Grabstciuen und andern minder crhcblichcn Alterthümern aufgefunden. Zwei dieser Saulcnstückc, so wie die Grabsteine, wurden erst in voriger Woche von einem englischen Schiff mitgenommen — denn man legt hier so wenig Werth auf dergleichen, daß, wer sich grade da befindet, für ciu Trinkgeld Alles nimmt, was ihm beliebt und cr fortzubringen im Stande ist. Doch zeigte sich dcr Aufseher diesmal sehr entrüstet, weil, wie er behauptete, man ihm für die 213 schonen Sachen nicht mchr als sechs Vouteillen englisches Bier zur Erfrischung zurückgelassen habe. Während unsers Daseyns, wo ich fleißig arbeiten ließ, fand man ein paar fast verkalkte, buntschillernde, leider schon zerbrochene Glasvasen, einige noch ganze Gefäße aus gebranntem Thon, und zwei von der Zeit dnnkclgclb gewordene Saufangc, nebst mehreren Stücken schwarzer und weißer Mosaik, wie auch andere schönfarbige Marmorrcstc, was ich Alles für drei Piaster an mich brachte. Anßerdcm kaufte ich noch mehrere altpunischc Kupfermünzen und geschnittene Steine, doch nicht mit so großem Glück, als Herr Joseph Perafso, welcher vor einigen Jahren für vierzehn Piaster (etwas über einen Dncaten an Werth) den berühmten Neptun auf seinem Wagen, eine der schönsten Antiken, die es gibt, hier erstand, für welchen Stein man ihm seitdem bis an 10,000 Piaster vergeblich geboten hat. Die Vor-trcfflichkeit dieser Arbeit setzte mich in Erstaunen. Es hat in der That etwas Wunderbares, ja ich 2l4 möchte fast sagcn, Geistcrartigcs, wcnn man durch die Lupe dcu majestätischen Gott auf scincr Quadriga, die brausenden, sich lebendig zu bewegen scheinenden Pferde, die schäumenden, hoch aufbäumenden Wogen, mit den aus ihnen cmpor-tauchcndcn Tritonen, und alle Lichter darauf wie mit Goldglanz überzogen — in dem kleinen Raume cincs Ringes vor sich hingezaubert sieht, in einer Deutlichkeit und Vollendung der Ausführung, die jedes Mähncnhaar der Pferde, jeden feinsten Ausdruck der menschlichen Züge, wie in dem tresslichsten Gemälde erkennen läßt. Mau überzeugt sich hier, daß auch dicse Kunst so gut wie verloren gegangen ist. Der schönste Theil der Ucbcrrestc Carthago's für das Auge, und der wohlerhaltenstc, sind ohne Zweifel die imposanten, sogenannten kleineren Cistcrnen, wo in den tiefen Wasserbehältern selbst der Putz mitunter noch ganz intact geblieben ist. Auch hier, wie in Utika, fiel uns die geringe Dicke der Gewölbe auf, die oben oft kaum noch 2l5 acht Zoll stark waren, und dennoch, gleich fast allen Mauern aus dieser Zeit, aus bloßem Mörtel mit rohen kleinen Feldsteinen gemischt, bestehen. Eine solche Banart würdc bei der Beschaffenheit unseres jetzigen Mörtels gar keinen Halt haben; der hier angewandte ist dagegen weit fester als Granit, und wir hatten grosie Mühe nur ein Stückchen davon loszuschlagen, was ich zur Analyse mitzunehmen wünschte. Die Cistcrnen bilden sechzehn nebeneinander liegende, ovale, ungefähr zwölf Fuß tiefe, achtzig Fnß lange und fünfzehn Fnß breite, hoch überwölbte Wasserbecken. Rund herum, und in der Mitte hindurch führt ein Gang. Von dem letzteren Übersicht man sämmtliche Becken rechts und link's auf einmal in ihrer Breite; von den Seitengängcn nur immer eins derselben in seiner Lange. Am Eingänge waren zwei zierliche Tempel erbaut, von denen der eine noch mit der Kuppel in leidlicher Conservation ist. Das ganze Reservoir befindet sich in einem Vcrgkcssel und ward nur von Regen- 216 wasser gespeist, von welchem noch jetzt ctwas zustießt, dcnn wir fanden mehrere der Becken einige Fnß tief damit angefüllt, und herrlich spiegelten sich die Gewölbe darin wieder. Weiter hin waren Vadcr angebracht, zn denen ein hoher unterirdischer Gang, den wir ziemlich weit verfolgten, ehemals gcführt zu haben scheint. Jetzt mnß man von oben hinab, sehr mühsam und gebückt, in dieselben niedersicigcn, und leider sind die hier noch vor Kurzem sich! baren Spuren von Wandgemälden seitdem durch dic ungezogene maurische Jugend zerstört worden. Dic großen Cistcrmn, welche dic Wasser dcs Ricsenaqnadlicts vom 8mnvuu und 55u,iK-^ar anfnahmcn, sind grösitcnthcils mit den Häusern dcs Dorfes HIiiI«a überbaut. Hier waren über zwanzig Behälter, 30 Fuß breit und 100 Fuß lang, von denen cinigc noch, halb mit Unrath angefüllt, und durch moderne Zwischenmauern abgetrennt, den hiesigen Beduinen zu Vichstallcn dienen. 217 Vom Amphitheater, dem Circus, einigen großen Tempeln, Festungswerken und andern ansehnlichen Gebäuden, ist nur noch so vicl über der Erde, um ihre einstige Form, mehr oder weniger sicher, bestimmen zn können; überall aber, wo man sich hinwendet, tritt des Pferdes Huf auf losgerissene Steine und Spuren alter Bau-wcrkc, die sich, längs des ganzen Meerufers, auch noch eine geraume Strecke ins Wasser selbst hinein erstrecken. Offenbar war dies sonst um mehrere hundert Schritte weiter vom Lande entfernt, was dic Schwierigkeit, sich jetzt noch in den Ruinen zurccht zu finden, verdoppelt. Man kann den unermeßlichen Stcinangcr mn sich her nicht ohnc dic Anwandlung eines schauerlichen Gefühls überblicken, uud so trivial die Klage ist, man kann sich doch nicht enthalten, darüber zu seufzen, daß so viel Pracht und Größe, der höchste Kraftaufwand so vieler Generationen uud Jahrhunderte cin solches Ende nehmen mußte! Und wer mag vorhersagen, ob der Zeitraum länger 218 entfernt ist, wo über die Hauptstädte Europa's des ackernden Landmanns Pflug seine Furchen, wie hier, ziehen wird, die Eiche wieder auf den Trümmern unserer stolzen Paläste wurzeln, und in den wimmelnden Straßen einige auf Vcutc ausgehende Wdlfc und Füchse, wie hier die Schakals und Stachelschweine, allein die Stelle jener eleganten Bewohner einnehmen werden, die ihre bunten Figuren jetzt noch so harmlos darauf umher tummeln. Herr Dibdin prophezeit es schon den Londncrn im l^omi« offering in artigen Reimen: ;,Tn short, view ev'ry classic street — „Through luxury and sinning, „You'll find, their ruins quite complete, „While ours is — but beginning;!" Nachdem wir fast einen ganzen Tag unter den Ruinen zugebracht, war uns das Ausruhn in cincm wohnlichen und mit allen Bequemlichkeiten des Lebens wohl versehenen Landhausc sehr 219 erquicklich. Wir verdankten diesen Genuß m größter Vollständigkeit unserm gütigen Begleiter, in dessen Villa wir übernachteten. Ein glänzender Mondschein, dic süße Stille der Frühlingsnacht, das transparente Laubdach cincs rund um dcn Hof laufenden Wcinlaubeugangcs, und der dnftcndc Wohlgcruch auserlesener Blumen, verschönerten unser, halb im Freien eingenommenes, Mahl. Als wir um Mitternacht noch einmal die Terrasse erstiegen, lag das weite bcbuschte Thal der Marsa, in dcm alle Villen und Schlösser der Consuln, wie der vermögendsten Tuncscr, vereinigt sind, mit scincn ausgedehnten Gärten in wundervoller Klarheit vor uns. Hohe Palmen schaukelten ihre Fedcrdüschc in der frischen Vrisc, die vom Meere kühlend über uns hinwcgsirich. Vom Verge herab schimmerte die wcisic Masse des Dorfes 8iäi-Uu-8M, der der schwarze Thurm des heiligen Ludwigs zum Hintergründe diente, und unter uns in der gchcimmßvvllen Tiefe schlummerte schweigend der Leichnam Carthago's, dessen reicher 220 Schmuck Europa's Schatzgräber noch erwartet. Mit so mannigfaltigen Bildern der Wirklichkeit und Phantasie für unsere Träume ausgestattet, wiegte uns zuletzt noch ein Bote der Hcimath, eine einsame Nachtigall, in den sanften Schlaf des Gerechten. Dcr frische, thätige, zu neuer Lebenslust aufmunternde Morgen gab in seiner Art dem vergangenen Abend nichts nach, und wir benutzten ihn zuvörderst zu einer Ercursion nach kaman, von dessen Hügeln, auf dcr andcru Seite dcr Landzunge, man das entgegengesetzte Mccr, bis ?orta iariua und Nas ol Vsolitidol) überblickt, liebst dem grostcn Salzscc t^bkkn. «1»! Zukkar», an dem sich die hiesigen Salinen befinden. Die Gewinnung des Salzes ist hier mit wenig Bemühung verbunden. Die Sonne selbst zieht es aus dem seichten Wasser aus, trocknet es, und bleicht es sogar znr schönsten Weiße, worauf man es in Vasikdrbc füllt, und nach Tunis trans-portirt. Die Gewinnung desselben ist für 60W Piaster jährlich verpachtet. Nicht weit von dcn «m Ufern dicscs Sec's befindet sich cm maurisches Schloß von großer Pracht, das einst einem zu reich gewordenen und seinen Reichthum zu offen darlegenden Handelsmann gehörte; denn nachdem cr Millionen darauf verwandt und oft Muham-mcdancrn und Christen glänzende Festc daselbst gegeben, nahm es ihm, nach musclmännischcr Weift, der Bey, unter dem Vorgeben, cin so großes Vermögen könne nur durch Betrug erlangt worden seyn. Jetzt ist das Haus dcr Freude verfallen; die reizenden, waldähnlichcn Orangen-gärten sind aus gänzlichem Mangel an Pflege so verwildert, dasi dcr größte Theil der Baume im Absterben begriffen ist, dic mit Marmor cin-qefaßtcn Wasscrbassins Schlammpfützcn geworden, die bunten Porccllaintafeln, welche die Wände bekleideten, liegen in Scherben umher, dic wohlriechenden Boskets von Rosen und gelbem Jasmin sind vertrocknet, und nur die obeliskcnförmigcn schwarzen Cypresscn, wie die stolzen Palmen, wuchern noch in alter Fülle. 222 Es wäre hier eine gute Gelegenheit, übcr den rohen Tyrannen zu dcelamircn, welcher nicht nur diesen Ort, sonst dem Genuß und dem Lurus geweiht, zum Gegenstand des Kummers gemacht, sondern ein ganzes Land, das cinst der Garten des römischen Reichs genannt wurdc, zur Hälfte in eine Wüste umgewandelt hat — wenn es so ganz entschieden wäre, ob uns die Civilisation glücklicher gemacht hat. Wer hier der Gewalt unvorsichtig in den Weg tritt, wird allerdings schnell und direct vernichtet, bei uns geht es jedenfalls langsamer damit, und auf minder dircctem Wege, aber man entgeht ihr vielleicht eben so selten, obgleich man mit weit mehr Formen ausgezogen wird. Die Masse im Allgemeinen aber halte ich hier unbedingt, wenigstens für freier als in Europa, und besonders weniger geplagt durch ein sich in Alles mischendes und Alles besteuerndes Rcgierungs- und Abgabcnsystcm. Wir sind an diese Tag für Tag wiederkehrenden Hudeleien schon so gewöhnt, daß wir nur ein 223 unerträgliches Ucbcrmaaß derselben bemerken, aber jcdcr Orientale, der sich lange in Europa aufhält, findet den Zustand der Dinge daselbst, mit dem in seinem Vaterlande verglichen, unerträglich, und sich, obwohl eines Despoten Unterthan, im Verhältniß zu uns, frci wic dcr Vogel in der Luft. Die meisten Europäer dagegen, die im Orient leben, gewinnen ihrc dortige Ensicnz bald lieb, und sehnen sich oft dahin zurück, wenn ihre Verhältnisse sie zwingen, diese Länder wieder zu verlassen. Es ist wohl möglich, daß ein großer, wo nicht dcr größte Theil unserer hdhcrn, odcr vielmehr nur weiter ausgedehnten Cultur, eben auch nur dieser unserer größeren Noth und Qual zu danken ist. In den hiesigen Ländern kann man trage seyn und doch leben, das Nothdürftigc ist so leicht und fast umsonst zu erlangen, die Bedürfnisse dabei überhaupt geringer — in dem größten Theil von Europa verhungert aber, wcr nicht arbeiten will, oder wird in cm Arbeitshaus gesperrt; und die Concurrenz ist so furchtbar 234 dringend geworden, daß Jeder, wie vom Rad einer Maschine getrieben, in Angst und Sorge rastlos vorwärts muß, wenn das Rad nicht über ihn wcggehn und ihn zermalmen soll. Daraus entsteht dann, in fortwährender Steigerung, der Zustand, den wir Civilisation nennen, den die unwissenden Barbaren aber eher für eine sieber-artigc Krankheit halten. Auf dem Rückweg folgten wir der Meeresküste, von deren hohen und steilen Ufern sich mehrere schöne Aussichten auf die ferne Stadt 8oliman, das Sap don (ehemals zirumoiitorium Norouiü, wo der ältere Scipio zuerst landete) und die, l> Tunis anffühlvn ;» lasset; doch inacht man vor der Hand limm« mmo ü mlluvai« ^'on, und llgt dcm großcll Präsente immcv noch cinigc llcuc Diamanttu hinzu. E„de des dritten Theil«. Semilaffos vorletzter Weltgang. Traum und Wachen. Erster Theil. In Europa. Drei Abtheilungen. 8. br. 7Thlr. odcr 18 si. rhcili. Würdig schließt sich Scmilasso's Wettgang an dio Briefe eines Verstorbenen an, als deren Fortsetzung derselbe zu betrachten ist. Tutti Fr«tti. 5 Vandc (1r und 2r zwcitc Auflage) 8. br. 10 Thlr. odcr 17 fl. 30 kr. rhein. Ein eminentes Talent, jedes Daseyn, jede Erscheinung des modernen Lebens in ihrem innersten Wesen zu erfassen und abzubilden, ein Humor, der jedem Gedanken durch die feinste polirteste Persiflage eine pikante Wendung zu geben weiß, der brillanteste Stpl, der die contrastlrcndsten Stoffe durch das glänzendste Colorit, nicht minder durch die frappanteste Wahrheit eines jeden einzelnen Zuges in eine harmonische Einheit aufgehen läßt und zu einem Sinn und Geist bezaubernden Gemälde vereinigt: aus diesen Elementen hat der Verfasser in diesem Buche ein Werk geschaffen, das zu den bedeutendsten der deutschen , ja der ganzen modernen europäischen Literatur gehört. Stuttgart. Hallberaer'sche BerlagshandlltNg. Stuttgart. Hallbcrger'sche Verlagshandlung.