Inhalt: Auf nach Peru! t>. 97. — Südafrikanische Städtebilder, 5. Pretoria, S. 102. — Umschau, S. 107. — Auserwählt. Religiöser ‘Bauernroman v. Withalm, S. 108. — Abbildungen: 1. Die Pfarrkirche in Pozuzo. — 2. Rast int peruanischen Urwald. — 3. Missionar als Wagen-bauer. — 4. Kamelreiter im Irak. — 5. Frachtboot auf dem Tigris. — 6. Schwester als Zahn-ärztin. — Umschlagbild: Franziskaner-Missionsbrüder von Mount Poinsur b. Bombay. Preis: ganzjährlich Deutsches Reich 2 Mark, Italiens Lire, Ungarn 2.50 Pengö, Tschechoslowakei 12 cK, Jugoslawien 25 Dinar, Schweiz 2.50 Franken, übriges Ausland 2 Goldmark. — Versand durch Missionshaus Fosefstal bei Ellwangen (Sagst) Württbg. Gcbeteempfehlungen und =erhörungcn. A. E. aus 9t.: Sende den Bezugspreis für „Stern der 9teger" und ein kleines Opfer mit der Bitte um Einschluß ins Gebet in einem sehr schweren Leiden. Ich habe großes Vertrauen zum guten Pater Philipp Ieningen und zur Gnadenmutter vom Schönenberg. Herzliches Vergelt's Gott fürs Gebet! — Langjährige Leserin des „Stern" bittet um Einschluß ins Gebet in einem schweren An- liegen. — I. Sch. aus St. bittet recht innig ums Gebet. — Familie 9t. aus K. bittet in verschiedenen Anliegen ums Gebet. — M. Sch. aus T.: Dank dem heiligsten Herzen Jesu, dem Herzen Mariä, dem hl. Joseph, dem hl. Thaddäus, der hl. Theresia und dem hl. Klemens für erlangte Hilfe in meiner schweren Krankheit und in großen Zahlungsschwierigkeiten. + TOTENTÄFEL + Cs starben von unseren Abonnenten: Cäcilie Gstrein, Längenfeld (Tirol), langjährige, treue Förderin des „Stern"; Oberkommissär Hans Popp, Traunstein (Oberbayern); Theresia Ett-ner, München; Ioh. Dörfler, Altarbach (Rieüer-donau); Thekla Blaimauer, Waidhofen-Ajbbs Nicderdonau); Balthasar Pfitzer, Stimmigen Jagst) Württbg.; Franz Böhm, Atohrbach-Berg (Oberdonau); Friedrich Reiter, Blumegg bei Stainz (Steiermark); Matth. Hermanns, Hüls bei Kreselü (Rheinland); Joses Eder, Jnner-loheu bei St. Georgen (Oberdonau); Maria Gilmozzi, Meran (Italien); Anton Nicder-egger, Postmeister in St. Lorenzen (Italien); Josef Fleckingen, Virgen (Tirol); Josef Zen-gerle, Großholzleute (Wllrttbg.). K I. P. Gebetomeinung für Öen Monat Juli: »Daß die Mohammedaner an Christus als an den Erlöser glauben.« Man nimmt an, daß die Zahl der Mohammedaner gegenwärtig rund 250 Millionen beträgt. Die Muslimen waren jederzeit tatkräftige und unermüdliche Vorkämpfer ihrer Religion. In früheren Jahrhunderten kämpften sie für deren Ausbreitung mit Feuer und Schwert, in unseren Tagen besonders mit Hilfe der Preffe, zu allen Zeiten aber in wirksamster Weise dadurch, daß sie im öffentlichen und privaten Leben ihren Glauben unerschrocken bekannten. Seit einiger Zeit machen sie große Anstrengungen, in dem weit auseinander gelegenen Alaum, den sie bevölkern, eine geschlossene Einheitsfront zusammenzubringen — Pan-Jslamismus —, um dadurch ihre Missions- tätigkeit auf eine breitere und stärkere Basis zu stellen. Immer waren die Mohammedaner die Feinde der Ehristen, von denen sie früher mehr wie einmal im Krieg geschlagen worden sind. Es scheint nun die Zeit gekommen zu sein, daß sich die Christen in Wort und lebendigem Vorbild, besonders aber durch christliche Liebe als ihre Brüder zeigen, mit denen sie das eine gemeinsam haben, daß sie denselben ewigen Vater im Himmel anbeten. Wir sollen beten, daß sich an ihnen aber auch das Wort des Herrn erfülle: „Das aber ist das ewige Leben, daß sie Dich erkennen, den allein wahren Gott, und den Du gesandt hast: Jesus E h r i st u s" (Ioh. 17, 3). Aus unserer Briefmappe. Ein „Stern"-Leser aus Lana bei Meran schreibt uns im Mai dieses Jahres: „Es kann leicht sein, daß dieses das letzte Schreiben ist, denn ich sehe schon den 82. Frühling. Ihre Gesellschaft kenne ich schon von Anfang an, angefangen in Verona (Comboui), als unser Landsmann, der berühmte Missionär Pater Jos. Ohrwalder noch Student und in Verona war, und ich seine Briefe las, die er an seine Eltern schrieb, und die sein Vater immer zu uns ins Haus zum Lesen brachte, von Verona, Kairo und El Obeid usw. Ein paarmal war ich auch im Kloster bei Brixen. Für dieses Mal schicke ich Ihnen 300 Lire, mehr geht einmal nicht, denn ich bin kein Millionär, sondern nur ein alter Arbeiter, ohne Einkommen, ohne Verdienst oder Besitz, es heißt halt einschränken, dann geht es mit Gottes Hilfe schon. Sie wissen schon selbst, daß mindere Leute lieber geben als die Reichen; meistenteils kommt es auch von diesen, weil sie wissen, daß es noch ärmere Menschen gibt. Wir wollen auch mithelfen, das Reich Gottes ausbreiten nnu den armen Missionären helfen. Wahr ist der alte Sprach: ,Geben ist seliger als nehmen'. Deswegen möchte ich auch ein Reicher sein, um recht viel geben zu können..." Herausgeber und Verleger: Kongregation der Missionäre Söline des beiliglten Herzens Sesti, Sosesstal bei Ellwangen (Sagst) Württemberg. Schristleiiuna: P. Tirol,an Hintermann F. S. C., Missiousseminar St. Sasel, Ellivangeu (Sagst). — Postscheckkonto München 202 88. Mission-seminar 6t. Sosef. Ellwangen (Sagst) Württemberg. - Druck der Schwabenverlag A.-G.. Zweigniederlassung Ellwangen (Sagst,. — Mit kirchlicher Druckbewilligung und Erlaubnis des Geueralobern. Stern der Neger Katholische Missions =Zeitschrift Herausgegeben von bei* Kongregation: Missionäre Söhne öcs heiligsten Herzens Jesu Heft 7 Juli 1939 4L. Jahrgang Auf nach Peru! Reisebericht bes hodim. P. Alois Jpfelhofer F. S. C. (Schluß, Am Vormittag heißt es umpacken und sich für den Ritt Herrichten. Die Talare werden verstaut, denn von Callao bis hieher waren wir im Talar gereist. P. Wagner erscheint in Reithosen und Stiefeln, die anderen Geistlichen in 6tt--tanelle, und da um Mittag die Reittiere noch nicht zur Stelle sind, machen wir uns zu Fuß auf den Weg, der uns noch weiter über die Sierra führt, auf der wir zuerst Kakteen, einzelne Sträucher und Bäume, später dann mit dem Pflug bearbeitete Mais- und Kartoffelfelder antreffen. 3. In den Urwald und heim. Hochwürden P. Gottardi hat schon in aller Frühe Panao mit einem Pozuziner verlassen, um in Eilmärschen heim zu kommen. Samstag ist heute und am Montag will er in Pozuzo sein. Wir wandern auf einer Autostraße dahin. Rach Chaglla (sprich: Tschaglia) ist sie schon ein gutes Stück gediehen und macht den alten Reitweg stellenweise ungangbar, aber nur ein Drittel dieser Straße kann bis jetzt mit Autos befahren werden. Hin und wieder gräbt sie sich in die rote Erde ein, aber an mehreren Stellen werden die Schutthalden, auf die die Straße sich stützt, vom Regen weggewasthen. Schon sind wir eine Stunde weit gegangen und da von den Tieren noch nichts in Sicht ist und man stellenweise trotz der beständigen Krümmungen die Straße gut übersehen kann, mache ich mich daran, den ganzen Weg zu Fuß zu machen. Manchmal, besonders dort, wo Reitweg und Autostraße sich kreuzen, heißt es gewissermaßen auf Sandhügeln dahingehen, während der Sand bei jedem Fußtritt meterweit in die Tiefe rollt. Doch es geht. Bald ist man. auf betn alten Reitweg und rüstig strebt man der Höhe zu. In vier Stunden ist es geschafft. Bald nach vier Uhr nachmittags traf ich denn in Chaglla ein und etwa eine Viertelstunde später sah ich meine Mitbrüder und Herrn Ranzer stolz daherreiten, gefolgt von vier Pozu-zinern und zwei schwer beladenen Maultieren. Rur ein weiteres Maultier schien etwas verlegen in die Welt zu schauen, da sein Reiter es verschmäht hatte, mit ihm nach Chaglla zu kommen. Chaglla liegt wohl über 3000 Meter über dem Meeresspiegel in einer wirklich reizenden Bergsohle. Das Hauptprodukt find die Kartoffeln, die hier das Brot vertreten. Der Haupterwerbszweig die Lieferung von Waren in das Innere auf Maultiersrücken. War untertags auf dem Wege die Sonne doch warm bis heiß gewesen, so war die Nacht so kalt, daß ich gerne die Wolljacke hervorzog. Nach einer Mahlzeit von Reis und Kartoffeln wurde aus Kaffeesäcken und zwei Matratzen auf dem Boden ein Nachtlager für die vier Geistlichen zurecht gerichtet, während die Pozuziner in einer anderen Ecke des Magazins sich ihr Nachtlager bereiteten. Wenn während der Nacht vielleicht manchmal der Bart des Herrn Ranzer für unliebsame, aus dem Polster sich hervordrängende Haare angesehen und auch gerupft wurde, so mußte der Eigentümer des Bartes eben derartige unliebsame Erlebnisse über sich ergehen lassen wegen der Enge des Platzes. Schon um 5 Übt weckte uns die Kirchenglocke, denn um 5V2 Uhr sollten die Gottesdienste beginnen, sollte ja Chaglla an diesem Tage vier heilige Messen haben. Und den Po-zuzinern zulieb, die wegen ihrer Pünktlichkeit weitum bekannt sind, bequemte sich heute auch Chaglla an Pünktlichkeit. Nach den Gottesdiensten brachte man noch zwei Kinder zur Taufe und so konnte erst gegen W2 Uhr aufgesattelt werden. Säcke wurden auf die Rücken der Tiere gelegt, darüber kamen einfache Wolldecken, die man für das Nachtlager benützen konnte, darauf ward der Sattel geschnallt und über den Sattel kam eine weitere Decke, um den Sitz weicher zu gestalten. Am Sattel angeschnallt waren Cauchados (in Gummi getränkte, etwa zwei Meter im Geviert fassende Tücher) und hinter den Sattel wurden Alforjas geschwungen (Taschen, die beiderseits vom Sattel hängen). Wohl oder übel mußte auch ich heute meinen Muli besteigen und meine Füße in die vorn mit Leder geschützten Steigbügel stecken. Sanft ging es auf das Joch, das bald erreicht war, in einem großen Bogen etwas abwärts; der Weg war nahezu einen Meter breit. Wir waren wohl schon über eine Stunde geritten, da verengt sich der Weg, das Tier weiß kaum, wohin den Huf setzen, wir steigen ab und gehen diesen gefährlichen Weg zu Fuß weiter, denn neben dem Weg geht es steil in die Tiefe und hier und dort hat ein Regen den Pfad vermurt. Dort unten, vielleicht 200 bis 300 Meter tiefer, sind Häuser und Felder am gleichen Bergabhang, von oben herab grüßen andere Wohnungen von Pananu. Nochmals geht es aufwärts einem Joch zu, dann in einem großen Bogen zu einem Felsenvorsprung und dann ziemlich steil abwärts nach Santo Domingo. Es soll nur 1500 Meter über dem Meere liegen und der steile Abstieg läßt uns auf eine derartige Tiefe schließen. Der Himmel hat sich unterdessen mit Wolken überzogen und gerade, wie wir am einzelstehenden Laden von Santo Domingo an der Brücke über den gleichnamigen Fluß sind, bricht ein Gewitterregen los. Wir benützen die Zeit des Regens zu einem Imbiß und um 3 Uhr nachmittags können wir unsern Ritt fortsetzen. Die aus unbearbeiteten Baumstämmen zusammengefügte Brücke muß zu Fuß passiert werden, erst hernach ist ein Rei- ten möglich. Steil wie der Abstieg war, ist nun auch der Aufstieg. Was aber diesem Aufstieg sein spezielles Gepräge verleiht, ist die Gewißheit, daß wir einige hundert Meter über dem Flusse sind, der in gerader Linie nur 10 bis 20 Meter von uns entfernt dem Huallaga zueilt. Wir haben die Höhe erreicht und hören schon wieder das Tosen des Huallaga selber. Wir steigen wieder abwärts zu einer Pflanzung, die ihre Orangen nach Lima liefert. Wieder an einem Abhang aufwärtssteigend kommen wir schließlich auf eine Bergsohle, von wo aus es nach Muna geht. Wir sind vielleicht auf 2000 und einige Meter Höhe und sollen auf 2500 Meter hinaufsteigen. Auf steilem, aber sonst ungefährlichem Weg sind wir in einer halben Stunde.in Muna und, um unser Pensum für morgen abzukürzen, nehmen wir Quartier bei einem Indianer außerhalb Muna, wo wir nach Einbruch der Dunkelheit um 6V2 Uhr eintreffen. Schön liegt Muna da in einem Kessel, der rings von Bergen umschlossen wird, die die 4000-Meter-Grenze überschreiten. Rur auf der Seite, von welcher wir kamen, ist dieser Kessel offen, aber auch hier ist er geschützt durch einen Hügel. Bon Muna aufwärts beginnt bereits der Urwald, der natürlich auf dieser Höhe (von 3000 Meter) noch nicht seine Riesen zeigen kann. Muna hofft, bald der Pfarrei Pozuzo einverleibt zu werden und so finden wir hier den ersten Triumphbogen zu unserer Begrüßung. Welch ein Unterschied in der Temperatur! Gestern in Chaglla so kalt, heute hier in Muna so angenehm warm, daß wir auf einer Altane auf etwas Heu, gewissermaßen im Freien schliefen. Montag, den 19. September. Ohne zu zelebrieren waren wir an diesem Tage um 7V2 Uhr im Sattel. Es galt, durch die bewaldete Höhe sich auf 4000 Meter emporzuarbeiten. Der Himmel war bewölkt und bald begann es zu rieseln, bis sich ein ordentlicher Regen über uns ergoß und uns zwang, uns in die Cauchados zu kleiden. Bald sind es überhängende Zweige und Aeste, die uns eine tiefe Verbeugung von Kopf und Schultern aufnötigen, dann ist wieder die sumpfige Erde so von den Regen ausgefressen, daß kaum die Füße der Tiere in den Rinn- solen Platz finden und man am liebsten die eigenen Füße samt den Steigbügeln auf • den Rücken nehmen möchte. Und diese Rinnsale werden immer häufiger auf dem weiteren Wege. Der Regen läßt nach, der Wald wird etwas lichter, dafür aber beginnt ein Sumpf. Um den Tieren einen Halt zu geben, hat man Pallisaden gelegt, Baumäste, zwischen denen im Regen die Pfütze den Boden nur schwer ahnen läßt. So steigen wir ab und springen von Pallisade zu Pallisade vorwärts, während die Tiere uns mühsam folgen. Auch das ist geschafft, der Weg wird besser; es scheint, wir haben auch hier die Baumgrenze erreicht, wenigstens begleiten uns nur mehr verkrüppelte Sträucher. Wir reiten wieder und kommen bald, freilich noch im Nebel, zur Sennhütte der Alme von Muna, die den Namen führt: Tambo de vaca (Kuhhütte). Gerade ist die Jndianerfamilie noch daran, ihren Triumphbogen mit frischen Blumen zu schmücken, während wir schon durch denselben reiten gegen 12 Uhr mittags. Wie wohl tut es einem hier, wieder einmal Milchkaffee zu bekommen, nachdem wir seit Huanuco darauf verzichten mußten. Der Nachmittag dient der Rast und da gerade die Sonne sich zeigt, so beten wir einmal auf solcher Höhe unser Brevier und empfinden die „Sonnenhitze" ganz erträglich. Gegen Abend wird es uns draußen zu kühl und wir ziehen uns in die Gnsthütte zurück, die heute ganz uns Pozuzinern zur Verfügung gestellt ist. Sie ist aus Steinen gefügt, während noch zwei Hütten aus Pfählen vorhanden sind, eine als Küche und Tagesraum für die Familie, die andere wahrscheinlich als Magazin. Heute ist hier wirklich Großbetrieb. Untertags kommen Abordnungen von allen Seiten, um Herrn Ranzer zu sehen, und uns zu begrüßen, so. daß am Abend gegen dreißig Indianer hier übernachten müssen. Die Gasthütte ist nur für uns vier Geistliche und die vier andern Pozuziner. Auf dem nackten Erdboden wird unser Lager bereitet, denn Matratzen haben die Indianer keine. Eng aneinander gedrückt versuchen wir zu schlafen, aber es gelingt nicht, denn die Hütte ist klein, aber die Kälte umso größer. Froh sind wir, beim Tagesanbruch uns erheben zu können. Man sucht sich in einem der zahlreichen Wasserlöcher eine Waschgelegenheit, denn in unserer Sennhütte gibt es keine Krüge oder Waschschüsseln. Nach einem kräftigen Frühstück sitzen wir um 7V2 Uhr wieder im Sattel. Wir müssen ja auf das Joch des Porta Chuelo (sprich: Tschwelo), das noch 300 Meter höher ist als der Tambo. Der Weg ist ungefährlich und so breit, daß jedes Tier sich seinen eigenen Weg sucht. Nach einer Stunde sind wir oben. Ein Felsenkegel bezeichnet die Wasserscheide zwischen dem Huallaga und Pozuzo. Jeder, der an diesem Kegel vorübergeht, legt dort ein kleines Holzkreuz nieder und so liegen schon Hunderte solcher Kreuze da. Ein Schritt vorwärts und wir stehen bereits auf dem Boden unserer Pfarrei, wenn wir auch die Pfarrkirche erst morgen erreichen werden. Unter uns gegen Südost sehen wir Aus nach Peru! lf> HOitljalm. (6. Soigc.) Der Achleitner, bessert Hof an der engsten Stelle des Tales lag, stand mit gekrümmtem Rücken in seinem Felde und warf unermüdlich Fuder um Fuder auf den kleinen Wagen. Von Zeit zu Zeit blickte er gegen den Himmel und schnupperte in die Lust. Dann rief er sein Weib und seine Kinder an: „Weiter! Weiter! Hiasl! Gretel! Heut gibt's noo a Wetter. Net, daß uns geht wie vorders Jahr und tragt uns ’s ganze Grummet weg. Wüaßt, Buam! Hoo!" schrie er wieder seine Ochsen an und führte den schwankenden Wagen zum nächsten Heuschober vor. Während er schrie, klang von fernher ein leises, weitentlegenes Rollen. Es hätte ein Stein oder Stück Holz sein können, das irgendwo weitab ins Tal kollerte. Der Achleitper nahm den Kopf hoch und schielte zum DUrnbachhorn hinauf, dessen Felsentürme in den Himmel ragten. Der Bauer horchte angestrengt. Drückende Stille lastete wieder ringsum. Rur die Bremsfliegen surrten um die Leiber ihrer Zahnatelier itn Jäteten. Die Missionsdominikanerin, die hier in der Apostolischen Präfektur Lpdenburg in Südafrika mit anderen deutschen Schwestern segensreich wirkt, hat nicht die Ausstattung des modernen Zahnarztes zur Verfügung, aber sicherlich wird sie ihren schwarzen Patienten aus gute Weise „nach Art der Väter" von seinem Quälgeist befreien. (5ibes=Soto) Opfer. Kein Blatt rührte sich und kein Hauch strich durch die Landschaft. „A Stund nao. Länger geht's nimmer her", brummte er vor sich hin und trieb wieder feine Gabel in das dürre Gras. Als der Wagen übervoll gehäuft war, schoben sich die ersten Wolkenfetzen über das Dürnbachhorn hinweg. Träge, in grüngrauer Farbe, türmten sie sich ineinander. „Jetzt aber pressiertes", schrie der Bauer. „Packts an, daß ma noo trocken hoam-kommen!" Er schlug auf die Ochsen ein. Weib und Kinder griffen in die Speichen oder stützten mit den Gabeln die schwankende Fuhr. Die kleine Resl, sein jüngstes Kind, tappte hintendrein. Keuchend und in Schweiß gebadet landeten sie zur rechten Zeit auf dem Achleitner-Hof. Im nächsten Augenblick fegte der erste Windstoß durch das enge Tal. Er wirbelte die Heuschober, die zurückbleiben mußten, in die Höhe, er brauste durch die Fichten und drückte ihre Wipfel zur Erde nieder. Der Stoß dauerte nur wenige Augenblicke. Dann drückte wieder unheimliche Stille die Landschaft. Aber in Bergeshöhe jagten dräuende Wolken dahin. Ungetüme Gebilde, zu riesi- gen Ballen gehäuft. Vom Dürnbachhorn wälzte sich die graugelbe Gewalt einher. Ein riesiger Vorhang, unter dem ein Berggipfel nach dem anderen versank. Die ersten Blitze grellten auf und ihre Donner brachen sich in vielfachem Echo an den Fels- und Bergwänden. Während die Achleinter ihre Fuhre in den Stadl schoben und aller Sinn nur auf die Rettung des Heues bedacht war, erinnerte sich die kleine Rest, daß sie ihr Püppchen an der Ache liegen ließ. Mit unbekümmertem Kindersinn lief sie auf die Wiese zurück. Sie fand es bald. Aber da brach das Unwetter los. Mit plötzlicher, überraschender Gewalt verfinsterte sich der Himmel. Feuergarben schossen mit erschütterndem Krachen aus dem schwarzen Gewölk. Klein-Resl schauerte zusammen. Sie flüchtete unter einen großen, felsigen Stein, der aus der Wiese ragte. Ein Sturzbach mag ihn einstens vom Berg gerissen haben. Dort kauerte sie zusammen, ihr Püppchen eng an das Herz gedrückt, und schrie nach der Mutter. Aber das Aufheulen des Sturmes verschlang ihre Stimme. Jetzt öffnete auch der Himmel seine Schleusen und in wilden Güssen prasselte der Wolkenbruch zur Erde nieder. --- Zur selben Zeit flüchteten Mensch und Tier im oberen Achental auf die Hänge. Der sonst friedliche, smaragdgrüne Bach schäumte wie ein wildes llngeheuer auf, stürzte in rasender Eile über Felsen und Schutt hinweg und schwoll mit jedem Meter an. Von den Bergen donnerten die Fluten in engen Schluchten und Moränen zu Tal. Sie rissen Bäume, Geröll und Felsen mit sich. Das schmale Bett der Ache konnte die Massen nicht mehr aufnehmen. Da und dort wurde es von dem abstürzenden Geröll verschüttet. So schäumten in kurzer Zeit die braunen Wogen über die Ufer und brachen in ungehemmt wilder Jagd in das enge Tal. Doch der Donner der brausenden Wasser wurde noch von den dröhnenden Schlägen übertönt, die den Blitzen folgten, wurde noch von dem Peitschen des Sturmes überheult, der durch die Schlucht einherfegte. * Der Förster von Oberach rief, solange er noch Verbindung bekam, alle erreichbaren Stellen an: „Hochwasser, Sturzbach! — Hochwasser! Sturzbach! — Weitersagen! Weitersagen!" So kam die Botschaft auch ins Pfarrhaus. Franz Eifenbichler überlegte nicht lang. Er warf den Wettermantel um und eilte ins Dorf. Da standen schon die Männer. Sic waren mit Aexten, Stangen und Picken bewaffnet. Als ihr Kooperator sich zu ihnen gesellte, machten sie erstaunte Augen. Aber sie frugen nicht lange und nahmen stumm seine Führerschaft an. So zogen sie los und kämpften sich gegen Sturm und Wolkenbruch, ihr Priester an der Spitze, der Achenschlucht zu. Eine unheimliche, unbestimmte Macht zog ihn vorwärts. Er stemmte sich dem heulenden Unwetter entgegen und schritt mächtig aus. Die hinter ihm hatten Mühe, mitzukommen. * Die Achleitner hatten ihre Heufuhre untergebracht. Sie eilten in die Stube, um in der Christus-Ecke ihren Herrn um Gnade anzuflehen. Da ging der Mutter die Resl ab. Sie suchte sie in der Stube, in der Küche, in den Kammern, sie rief nach ihr, bis es der Bauer vernahm und erstaunt fragte: „Was is? Wo is 's Dirndl?" „Woaß net, i woaß net", schrie die Bäuerin zurück. „Wo is 's Dirndl?" herrschte sie nun der Bauer an. Da erinnerte sich die Mutter: „Jessas, heilige Mutter! Die werd doo net wieder abiglaffen sein zum Bach. Sei Puppen hat's net dabei ghabt." „Herrgott, hilf!" schrie der Achleitner auf und rannte aus dem Haus. Die braunschäumenden Wogen stürzten einher. Kleine Felsen und Baumstämme überschlugen sich darin, prallten aneinander, bäumten sich auf und wurden fortgerissen. Aus dem dunklen Gewölk peitschten Sturm und Regen. Blitze zuckten spaltend in hohe Bäume und der Donner brach sich brüllend an den Bergwänden. Klein-Resl stand zitternd an ihrem Felsen. Sie wagte nicht, den schützenden Platz zu verlassen. Doch als die Fluten der Ache immer näher an den Felsen herankamen, folgte das Kind einem natürlichen Trieb. Es kletterte den Stein hinauf und suchte mit großen blauen Augen ängstlich nach der Mutter. Und das Wasser schwoll, brauste wie ein riesiges Ungetüm einher, wirbelte um den Felsen. Blöcke und Stämme rannten an ihn an, barsten durch die Wucht des Stoßes auseinander und wurden wieder fortgerissen. Inmitten dieser Verheerung fand der Achleitner sein Töchterchen. Kaum zwanzig Meter von ihr entfernt, gebot ihm die schwellende Flut ein Halt. Er mußte ohnmächtig zusehen, wie sich die Wogen an dem Felsen emporfraßen. Es half kein Jammern und Schreien, mit dem er und die nachgeeilte Mutter den Herrgott und alle Schutzheiligen anriefen: das Wasser schwoll! Mit jedem Augenblick wirbelten seine wildschäumenden Wogen näher an das kleine Mädchen heran. * Da kam der Kooperator mit den Bärn-moosern angeeilt. Der Achleitner stürzte ihnen entgegen: „Helft's! Helft's! Infer Reset kimmt um!" Aber die Bauern sahen ratlos umher: bald auf das kleine, hilflose Wesen auf dem Felsen, bald in die überstürzenden Fluten, durch die keiner lebend durchkonnte. Nur in Franz bäumte sich die Kraft auf: Du schaffst es! Im nächsten Augenblick schrie er: „Ein Seil! Ist ein Seil da?!" Einer hatte ein Bergseil mit. Es war genügend lang. Franz nahm cs, warf Mantel, Rock und Schuhe weg, schnürte es um seinen Leib und rief den Bauern zu,, die entgeistert auf ihren Priester blickten: „Da halt 's fest! Ich hol die Resl." Einige schrien zurück: „Jesses, laßts eahm net. Dös is sei Tod! Wahner Tod, Kooperator!" Franz aber brüllte prob auf: „Ich hol sie!" Und dann, was seine Stimme hergeben konnte: „Resei! Halt di staad! I!imm!" Er warf den Bauern das Seil zu, packte mit jeder Faust nach einem starken Prügel, und ehe ihn noch einer hindern konnte, stand er in dem tobenden Element. Ruck um Ruck arbeitete er sich gegen die stürmende Gewalt, und als er den Boden unter sich verlor, spannte er seine Muskeln und seinen Willen zu übermenschlicher Kraft und warf sich mit mächtigem Schwünge in Schaum und Wirbel. Nach drei gewaltigen Stößen klammerte er sich an das Gestein. Mit eisernem Griff hielt er sich an einem Vorsprung fest und mit den Füßen arbeitete er sich nach. Da prallte ein Holzklotz an ihn. Er schrie vor Schmerz auf und biß sich in die Lippen. Aber seine Fäuste ließen nicht locker und mit krampfhaft verzerrtem Gesicht zog er sich Stück um Stück höher, bis er die Resl fassen konnte. Ein Blick zurück, ob kein Holzstamm einherschwamm, und dann glitt er mit der Kleinen im Arm den Felsen hinunter. Kräftige Arme zogen die beiden an das rettende Ufer. Dort brach der brave Mann zusammen. Zuerst wichen die Bauern scheu vor dem Ohnmächtigen zurück. Einige beteten, einige starrten auf den kleinen Felsen, über dessen Gipfel die Wellen zusammenschlugen. Die meisten aber erschauerten vor dem schier Wunderbaren dieser Rettung. Der Bauer vom Unterrauschberg, Simon Hallweger, ermannte sich als erster. Er hob Franz ein wenig hoch und rief ihn an: „He! Kooprater! Was is?" Franz hörte den Anruf wie aus einer fernen, weiten Halle. Er hatte nicht Kraft, Antwort zu geben. So nickte er nur mit dem Kopfe. „Packts an", rief der Unterrauschberger den Umstehenden zu. „Tragen ma'n aufi zum Achleitner, da warm ma'n ein, nacha werd er sie glei wieder erholen. Ob eahm net a Trumm dawischt hat?" Sie hoben ihren Kooperator vorsichtig auf und trugen ihn langsam in das nahe Haus. Die Achleitnerin, die über ihr Glück ihre Kraft wiederfand, eilte voraus, holte Leintücher und warme - Decken, breitete sie auf dem Kanapee aus und war eben fertig, als die Bauern ankamen. Mit schweren, langsamen, aber sorgfältigen Schritten stampften sie mit dem Ver- wundeten den kleinen Berg herauf. Die anderen drängten sich an die Träger heran. Sie mußten in Franzens Antlitz schauen, als sähen sie ihn zum ersten Male. Und ein jeder wußte einen Lobesspruch auf den tapferen Mann: „Raa, dös is oaner!" „Is halt a Bärnmooser! A Achentaler!" „Ja, infer Kooprater! Dös is oaner!" „Allsam wann so waarn!" „A Wunder is gwen! Man kann net anders sagen: A Wunder is gwen." „Werd eahm do net weit fehln? Leicht hat er si ’s Kreuz abgschlagen." „Ah, geh, da taat er nimmer schnaufen. Der is grad abgmatt!" So brodelte es durcheinander. Dazu dröhnte es weiter durch die Schlucht, heulte der Sturm durch die Wälder, peitschte der Regen nieder. Als sie in die Stube kamen, meinte Franz, aus eigener Kraft stehen zu können. Er versuchte es, aber sogleich sank er mit einem leisen Aufschrei zusammen. Ein heftiger Schmerz schnitt ihm durch die Hüfte. Der Unterrauschberger nährn den jungen Priester in seine Arme unb trug ihn zum Kanapee. Er untersuchte ihn und seine schweren Hände tasteten wie weiche Polster über die kranke Hüfte. Ganz langsam griff er fester zu und versuchte, das Bein hin und her zu bewegen. Es ging. „Gott sei Dank, die Knochen sän heil", rief er Franz zu. „Aber a sauberns Trumm muaß Eahner da erwischt haben. Ganz rotblau ist der Fleck." Dann zum Achleitner: „Hast an Arnika dahoam, aft legn ma oan auf. Und um 'n Dokta soll oaner ins Dorf gehen und um a Gwand fürn hochwürdigen Herrn." Der Achleitner eilte hinaus, und der Unterrauschberger bettete seinen Priester zurecht. Dann sprach er: „Der Kohler, Enker Vater, wann Enk sehgn taat, i moan, der taat si narrisch freun." Franz horchte auf. „Ja, bös muaß met sagn", rief der Bauer weiter, während er Franz in die warmen Tücher hüllte, „a Kuraschi, die hat infer Kooprater! So an Mann, da muaß ma lang suachen! Dös Halm S' im Seminar net glernt! Dös is die Kohler-Rass, und die is a gute gwen, schoo allweil." Da mußte Franz trotz aller Schmerzen zu dem großen, starken Bauern auflächeln. Und mußte sich freuen: denn das war die Erde, die Heimat, die zu ihm sprach. Ein jedes Wort sog er in sich ein und fragte nicht mehr nach dem Zehent, den er für dieses Erleben abzahlen mußte. Er streckte dem Bauern die Hand hin. Der griff nach ihr und sprach einfach, indem er Franz voll anblickte: „Wiß irrn school Wiß met school Kohler-Kooprater!" VI. D i e Kapelle. Durch das stille Bärnmoos schwirrte lautes Gerede: in Stuben und Gaffen, an Herden und in Ställen, überall sprach man von Franzens tapferer Tat. Man pries sie, und im Preisen begann man, sie zu verklären. Das Wort: Ein Wunder war's! sprang zwischen dem Lobgerede hin und her, einer gab es dem andern, bis sich alle und sonderlich die Frauen darin einig wurden, daß dieser Kohler-Franz-Kooperator übernatürliche Kräfte besitzen müsse. Doch davon wagte man nur zu lispeln. Dafür sprach man um so lauter davon, daß man dent tapferen Manne einen Dank schuldig sei. Ueber die Form dieses Dankes wollte man sich am nächsten Sonntag beim Postwirt beraten. Da saßet: nun Bauer und Bürger in der großen Wirtsstube. Fein säuberlich voneinander getrennt. In der Nähe des Ofens hatten die Bauern ihre Tische, und an diesen ein jeder seinen Stammsitz. Der gehörte seit urdenk-lichen Zeiten zu einem bestimmten Hof. Auf diese Ordnung hielt der Bauer strenge. Wie auf dem Freithofe, wo die Grabstätte dem Hofe gehört und nicht seinem Besitzer. Da lagen die Unterrauschberger oder Seppen-bauern seit vielen Jahrhunderten übereinander. Weil der Wirtshaussitz dem Hofe gehörte, saß der Bauer nicht als Gast vor seinem Glas Bier, sondern auf einem Stück seiner Heimat: in gemächlicher Ruhe, breit und unbekümmert um seine Umgebung. Die Kellnerin mußte für alle besorgt sein, wie die Bäuerin daheim. Sie wußte, wieviel und was jeder der einzelnen Bauern trank, und ohne zu fragen stellte sie einem jeden sein Glas Bier hin. Ein kaum verständliches „Zum Wohl!" brummte sie dazu. Erst wenn der einzelne Bauer am Ende seines gewöhnlichen Bierbedarfes angelangt war, stellte sie das letzte Glas mit der Frage hin: „'s letzte?" Schwieg der Zecher dazu, dann wußte sic, daß sein Durst gelöscht sei. Sah er aber nach ihr um und zwinkerte mit feucht-fröhlichem Verlangen ein Auge dazu, dann durfte sie ihm beim nächsten Gang das erste Glas über den Durst hinstellen. Und mit diesem hörte das Fragen wieder auf, sintemalen dem bayerischen Bier eine heimtückische Kraft innewohnt: Wer das Ende des Drirstes nicht errät, dem hört er nimmer auf. Wenn die Bauern nur ihr sonntägiger Brauch zusammentrieb, sprachen sie wenig. Sie stützten sich mit breiten Ellenbogen bequem auf die Tische, die Pfeifen baumelten von den Lippen, die Hüte wurden etwas ins Genick oder über ein Ohr geschoben, Rauchschwaden und Bierdunst zogen um ihre hölzernen Schädel und die Augen blickten bald in die Bierkrügel, bald den Rauchringeln nach. Bedacht tranken sie ihre festgesetzte Menge, zahlten, indem sie das Geld auf den Tisch legten, erhoben sich, als hätten sie durchaus nicht die Absicht, heimzugehen, drückten den Hut in die Stirne, brummten „Pfüat Gott, beinand!" und trotteten heimzu. Es gab einige unter ihnen, die sprachen noch weniger, die schweigen konnten, selbst wenn der Bärnmooserberg eingestürzt wäre. Und doch war dies Schweigen eine beredte Sprache. Denn zwischen diesen Heimlichen lag eine tiefe Verständigung des Blickes, der Bewegung, des geheimnisvollen Hauches, der dem schweigenden Bauern entströmt. Selbst an diesem Sonntage, da ein lautes Gerede hin und her wogte, saßen die Verschwiegenen scheinbar unbekümmert da, und alles, was man ihnen entlocken konnte, war: „I moan schoo aa." Dafür brodelten, riefen und erregten sich die anderen mehr denn je. Ihr Wortführer war der Unterrauschberger, Simon Hallweger, der mächtige Bauer von Mitterzell. Ortsführer aus Ueberlieferung und Feuerwehrhauptmann überdies. Ein Mann, auf den die Gemeinde horchte. Er wußte dies wühl. Um ihn saßen seine nächsten Freunde: der Löhner von Miesenbach, ein heller Kopf, mit scharfer, kantiger Stimme, die keinen Widerspruch vertrug; der Praxentaler von Bärengschwend, ein riesiger Kerl, der mit seinen Fäusten in den Tisch schlug, daß die Krügeln klirrend aufsprangen; der Raver Eisenreich, der ein Holzknecht war und ein paar Arme hatte, die ihm in stählernen Muskeln bis zu den Knien hingen, ein gutmütiger Mensch, der sie gerne hängen ließ, wenn man den Unterrauschberger nicht angriff, der aber mit weitausholenden Schlägen die Wirtsstube ausräumte, wenn es Streit gab. Dann krachten Knochen, Stühle und Tische. Die drei waren die Garde des Unterrauschberger. Sie bildeten in der Gemeinde den Block der Waldbauern. Simon Hallweger sah nach dem Tische der Bürger um, die in den Fensternischen ihren Platz hatten. Als er bemerkte, daß sich Grießenböck mit seinen Freunden lebhaft unterhielt, neigte er sich weit in den Tisch hinein und zischelte seinen Freunden zu: „Jetzt paßts arnoi auf. Manner!" Sie schoben den Körper über den Tisch, streckten die Hälse lang, daß die Köpfe nahe zusammenkamen, und spitzten die Ohren. Ihre Augen blickten dabei scheinbar ins Leere. Der Unterrauschberger sah schnell einen nach dem andern an, als wollte er sich versichern, nur Gesinnungsgenossen um sich zu haben. Dann begann er: „I bin gestern bei insern Kooprater gwen. ’s geht eahm schoo besser und aufsitzen kann er cm schoo. Nacha Han i eahm gsagt: Herr Kooprater, han i gsagt, dös soll, was Sie tan haben, dös braucht an Lohn. Und es is schoo so viel wie ausgmacht in der Gmeind, daß Sie a Ehrengab von uns annehmen müssen. Da hat er si gwehrt, könnts enk denken, daß si infer Kooprater dagegen gwehrt hat. Aber i Han net auslassen und der Birnbacher is cm dazukommen und hat eahm zugredt. No, und da hat er natürlich nimmer auskönnen, infer Kooprater. Aber wißts, was er gsagt hat? Ich freu mich recht, hat er gsagt, aber die Ehr gebührt dem heiligen Valentin. Den hat er angrufen, wie er ins Wasser is, und der hat eahm gschützt. Dem solln ma a Ehrengabn gebn, und wann mir meinen, nacha sollt ma halt auf der Stell a kloane Kapelln baun. Dös tat eahm am meisten freun. So, jetzt wißts es, und mei Meinigung in der Sach is, daß infer Kooprater sein Wunsch habn soll, und mir baun eahm die Kapelln." „Dös is was Grechts", begeisterte sich sogleich der kluge Löhner. „A Kapelln! Dös laßt st hören. Da bin i glei dafür. Leicht gibt's noo amoi a Wallfahrt auf Bärn-moos." „Dös waar gar net ausgschlossen", rief ein anderer, „wo's völlig a Wunder gwen is, daß net beide dersoffen sän." „A Kapelln, dös laßt sie hören!" „Muaß ja net glei a große sein!" „A woher denn. A kloane Hauskapelln halt. Die kost net viel." „Und 's waar a Andenken auf ewige Feit!" „Dös brauchn ma!" So wurden die Bauern am Tische des Unterrauschberger einig. Zur gleichen Zeit disputierten die Bürger unter der Führung Grießenböcks über das Für und Wider einer Ehrengabe an den Kooperator. Grießenböck murmelte: „Es handelt sich um mehr als nur um eine Ehrengabe. Freilich, ich hätte nichts dagegen, wenn... Ja, wenn, meine Herren, nicht dieser Bauer Hallweger dahinter steklen würde. Das macht die Sache verdächtig. Die Bauern wollen sich damit den jungen Kooperator holen, und Sie können sich denken, daß es ihnen bei der Abstammung des hochwürdigen Herrn vielleicht nicht schwerfallen würde. Meine Herren, da ist Gefahr im Verzug. Und ich sehe weiter. Ich sehe das Bürgertum verwaist. Meine Herren, wenn die Sache heute zur Sprache kommen sollte, und dem ganzen Anschein nach drängt der Hallweger darauf, dann habe ich einen Gegenvorschlag. Ich habe eine Idee und als Kirchenrat bin ich verpflichtet, sie zur Durchführung zu bringen. Ich bitte Sie, mich zu unterstützen!" „Hört! Hört! Sie haben eine Idee?" riefen ihm die anderen zu. Grießenböck zog sich geheimnisvoll in sich zurück und lächelte: „Sie werden überrascht sein, freudig überrascht sein. Ich möchte Ihnen die Freude nicht nehmen." „Da braucht ma gar kei Angst haben", brummte der Postsekretär Feilmeier, ein Getreuer Grießenböcks, „wenn sich der Grießenböck was ausdenkt, das werd immer was. Ja, der Grießenböck, meine Herren, der werd einer sein." Die anderen meinten dasselbe und nickten ihrem Führer eifrig zu. Die Gaststube wurde voll. Dicht aneinander gedrückt saßen die Bauern da und qualmten, was ihre Pfeifen hergaben. (Fortsetzung folgt.) NEUE BÜCHER Verlag »Aro eacra« Joses Müller, München. Liebfrauenwunder. Legenden. Von Fanny W i b m e r - P e d i t. 8°. 192 Seiten und 25 Tiefdruckbilder. In Leinen RM. 4.50. München 1939. Ein Volksbuch, das aus dem Vollen schöpft. Mit ihrer tiefen Kenntnis der Ddlksscole und aufs beste vertraut mit dem religiösen Brauch- tum ist die Verfasserin der Entstehungsgeschichte von 24 Wallfahrtsorten, wo Unsere Liebe Frau verehrt und angerufen wird und die alle in der Ostmark und in Südtirol liegen, nachgegangen. Sie sind vielleicht in der großen Welt weniger bekannt, dafür umsomehr vom einfachen Volk geliebt und besucht, auch heute noch, wie ich das selber von Weißenstein, Trons und Zinggen weiß. Was sich das Volk über öen Ursprung dieser Heiligtümer erzählt und weiter überliefert, was alte Urkunden und heilige Bilder berichten, ist durch die Kraft der dichterischen Phantasie lebendig geworden, wurde zu einer lieben und guten Legende, zu einem prächtigen Ehrenkranz. Es ist ein gutes Lesen in dem frommen Buch, das vom hilfreichen Beistand der Gottesmutter berichtet und von der Liebe und Anhänglichkeit des Volkes zu Maria, und das auch uns im frommen Vertrauen stärken und erhalten will. Verlag Herder & Co., Freiburg i. ßr. Homiletisches Handbuch. Von Anton Koch S. J. 4. Band: Das Menschenleben — Das Leben der Vollkommenheit. VIII und 503 S. In Leinwand gebd. RM. 11.40. Geheftet RM. 9.20. Freiburg i. Br. 1939. Ueberrafchend schnell ist durch das Erscheinen des 4. Bandes das Homiletische Quellen-w e r k vollständig geworden. Man muß die Bände tatsächlich in die Hand nehmen, durchblättern, studieren und benützen können, um auch nur ein einigermaßen zutreffendes Bild von der Reichhaltigkeit und Üeberflllle des gesammelten und verarbeiteten Materials zu erhalten. Mit Bienenfleiß ist an diesem Werk gearbeitet worden. Voraussichtlich soll zunächst der erste Band des Lehrwerks erscheinen. Der vorliegende 4. Band enthält auch das Sachregister zum gesamten Quellenwork, was die Benützung der bisher erschienenen Bände sehr erleichtert. Der Verfasser verrät, daß gerade den Praktikern das dargebotene Veranschaulichungsmaterial noch nicht genügt, und er hat sich daher bereit erklärt, nach Vollendung des Gesamtwertes eine eigene „Beispielsammlung" zu jedem Titel des Werkes in Angriff zu nehmen. — Verfasser und Verlag gebührt herzlicher Dank für die inzwischen geleistete, überaus verdienstvolle Arbeit für das Wort Gottes. Der Dienst des geremoniars. Erstes Beiheft zum Ministrantenbuch. Von P. H a r iolf Ettenfperger 0. S. B. 12°. 24 Seiten. Geheftet 40 Pfennig. Freiburg i. Br. 1939. Der durch fein „Mi n i st r a n t e n b u ch", das inzwischen schon die 3. und 4. Auflage erreicht hat, bestens eingeführte Verfasser, behandelt auf verschiedene Anregungen und Wünsche hin nun auch in einem eigenen Heft den „Dienst des geremoniars". Das Heft erscheint in bischöfl. Auftrag und dürfte üherall dort, wo man den Gottesdienst besonders feierlich gestalten will, sehr begrüßt werden. Neuland =Verlag, Pasing bei München. Unsere Namenspatrone in Wort und Bild. Es wird dem Seelsorger und Priester öfters begegnen, daß die Gläubigen ihn um Aufschluß über Person und Leben eines Heiligen ersuchen, welcher der Namenspatron ihres Kindes ist. Seine Belehrung wird nachhaltiger wirken, wenn er den Fragestellern eine knappe Darstellung empfehlen und geben kann, die den Namenspatron.in Wort und Bild schildert. Das Bild muß gut fein und die Lebensbeschreibung soll nicht nur einige Zeilen umfassen, aber auch nicht gleich ein ganzes Buch sein. Beide Wünsche dürften in der vom Neu- land-Verlag herausgebrachten Reihe in mustergültiger Weife erfüllt worden fein. Bei der bildlichen Darstellung werden Alte Meister bevorzugt. Die fünf Seiten Text geben auf knappem Raum eine lebendige und warmherzige Schilderung des Lebenslaufes. Kleine Kabinettstücke sind da z. B. die Darstellungen des heiligen Paulus und der heiligen Monika. Die Sammlung will die Unkenntnis hinsichtlich der Namenspatrone und vor allem den gemalten Kitsch bekämpfen, sie möchte der Wahrheit und dem christlichen Leben dienen. — Gegen Einsendung von 30 Pfennig in Briefmarken erhält man ein Bild mit 5 Seiten Text, Größe zirka 9X14 Zentimeter. Die Bilder können auch eingerahmt zum Preise von RM. 3.10 geliefert werden. — Die Darstellungen eignen sich besonders zu Geschenkzwecken, bei Gelegenheit der Taufe und Firmung, zu Geburts- und Namenstagen, zrir Schulentlassung usw. Sie verdienen warme Empfehlung. Bis jetzt sind gegen 130 Darstellungen erschienen, viele weitere sind in Vorbereitung. Miffionedrucherei Steyl (Post Kaldenkirchen, Rheinland). Die kleine Blume von Steyl. Schwester Dasil-bis, Novizin der Steyler Missionsschwestern. Von Dr. theol. P. Anton Freitag 8. V. D. Mithcrausgegeben von P. Eugen Lense S. O. Cist. 8°. 332 6. mit 16 Tief-druckbilöern. In Leinen gebd. RM. 3.20. Steyl 1939. Unter dem glücklich gewählten Titel schildert der Verfasser das Leben und Beten, das Leiden und Sterben der Novizin der Steyler Missionsschwestern, Elli Hachen, die am 19. Januar 1938 gestorben ist. Sie wollte Missionsschwester in China werden, aber Gott hatte es anders beschlossen: die durch Liebe und Leid früh gereifte Seele sollte vom Himmel aus für die Interessen der Kirche tätig sein. Dem Leser enthüllt sich ein Leben, das ganz dem Einfluß der Gnade hingegeben ist, das erfüllt ist von dem unermüdlichen Streben nach wahrer Heiligkeit. Eine anoere Welt tut sich auf, in der Gottes Wille allein gilt. Ergreifend ist die Schilderung des langsamen Sterbens, der Sehnsucht, aufgelöst zu werden und zu Gott, zum Vater, zu kommen. Die großen Werke fehlen in diesem Menschenleben, aber das Kleine, Alltägliche und Gewöhnliche hat diese Schwester mit größter Liebe und Treue getan, und so kann sie zum Vorbild werden für alle, die ernstlich danach verlangen, Gott treu zu dienen; zum Vorbild für die christliche Jugend in der Welt und noch mehr für jene, welche die Gnade auch heute noch in die Verborgenheit des Klosters ruft. Endlich ist dieses Leben groß durch den heldenhaften Opfermut, mit dem Schwester Basildis ihren Weg geht, mit dem sie vor allem die schwere Krankheit, der sie zum Opfer fällt, erträgt und fruchtbar macht. Die Welt mag darüber lächeln und spotten, die Gläubigen aber erkennen den Finger Gottes und fühlen sich angeeifert zur Treue im christlichen Leben. — Vielleicht könnten bei einer Neuauflage die kurzen Angaben bei den Bildern schlichter und einfacher gehalten werden. Stephan Sintermann.