ä6236 Unsre Schuld und unsre Schuldiger. Predigt, am 20. Oktober 1907 in ber evnngel'. KAristuskirche in Larbcrcb geholten von Pfarrer Dr. O. Hegcman». Text: Das Gleichnis vom Schalksknecht. Matth. 18, SS-8L. Alle Religion redet in Sinnbildern und Gleichnissen. Was wir tief innen im Herzen erfahren, wir können es in Worte nicht kleiden, denn das beste Wort ist doch nur ein unvollkommenes Abbild des zu¬ grunde liegenden Wertes. Das Wort ist zu allgemein, es besagt mehr als wir meinen, und es ist doch auch nur ein Ausschnitt aus der Er¬ fahrung, die wir vermitteln möchten, und auch dieser Ausschnitt ist nicht erschöpfend, weil das, was in der Seele glühte, durch ein blasses Symbol nicht wiedergegeben werden kann. «Warum kann der lebendige Geist dem Geist nicht erscheinen? Spricht die Seele, so spricht, ach! schon die Seele nicht mehr.« Jedes religiöse Gespräch lehrt es uns ja neu, wie schwer auf diesem Gebiete eine Verständigung ist, weil alle übersinnlichen Begriffe unendlich vieldeutig sind. Was ist Gott? Ein Wort, dvs für jeden einzelnen Menschen eine besondere Bedeutung hat: «Wie einer ist, so ist sein Gott.» Schou die eine Tatsache, daß Jesus Gleichnisse wählte, um den tiefsten Sinn seiner Lehre zu verdeutlichen, weist uns darauf hin. Diese Gleichnisse sind Versuche, die zartesten, duftigsten Geheimnisse der Seele, ihre tiefsten Leiden und seligsten Freuden, ihre Verlorenheit nnd ihre Begnadigung zu schildern. Es muß sich dem Heiland aufgedrängt haben, daß das nicht unmittelbar möglich ist, nur «in farbigem Abglanz schauen wir dies Leben«. Was aber dabei an Anschaulichkeit gewonnen wird, wird verloren an Bestimmtheit und Deutlichkeit. 2 Jesus faßt im Gleichnis vom Schalksknecht die eigentlich grund¬ legende Beziehung zwischen Gott und Mensch in ein Sinnbild. Er gibt ein inneres Gesicht wieder, das vor seiner Seele gestanden haben muß, wie der Mensch vor Gott niedersinkt, unfähig, die unendlich große Schuld zu bezahlen, die er zu zahlen verpflichtet ist, und doch auch un¬ fähig, dem Mitmenschen die, vergleichsweise, unendlich kleine Schuld, die er selbst zu empfangen hat, zu erlassen. Es liegt im Wesen des Gleich¬ nisses, daß hier Widersprechendes gelehrt wird. Wir haben ein Symbol, das nichts andres besagt, als daß wir unser tiefstes, eigenstes Verhältnis zum Mitmenschen wie zu unsrer ewigen Bestimmung nicht als Rechts¬ verhältnis, d. h. als Schuld und Sühne, erfassen dürfen, daß vielmehr bei der Abmessung unsres eigentlichen Lebenswertes ein Verhältnis freier Gnade waltet, so daß wir, wenn auch verurteilt vor dem Richterstuhl des Sitten¬ gesetzes, nicht verurteilt sind in unserm wahren innern Wesen. Diese tiefe Wahrheit, die uns hier zur Betrachtung vorgelegt ist, ist nun aber doch wieder versinnlicht durch das Bild vom Gläubiger und Schuldner, also durch ein Rechtsverhältnis. Jesus wählte dies Bild, weil nur durch dieses Bild die Schwere der Verschuldung,' die auf uns lastet, ins Licht treten kann. Der Inhalt aber, der in dieses Bild hineingelegt ist, sprengt den Rahmen, führt nns zuletzt auf die Erkenntnis, daß Gott nicht mit nns rechtet um unsrer Schuld willen, noch daß wir rechten dürfen mit unfern Mitmenschen um ihrer Schulden willen. Das heißt: Das Gleichnis ist ein Gleichnis! Im Wesen des Gleich¬ nisses aber liegt es, daß «es hinkt», daß es nur eine Seite des Gegen¬ standes, den es klar machen soll, deutlich machen kann. I. Unser Gleichnis steht aber außerdem in einem tiefgreifenden Gegen¬ satz zu unserm ganzen Gottesempfinden. Daß Gott aus freier Bewegung dem Menschen die Schuld erläßt, daß wir diesen Schulderlaß annehmen dürften als etwas außer uns Gegebenes, das erfahren wir nicht. Die Kirchenlehre behauptet es, und diese Kirchenlehre steht noch immer in allgemeiner Geltung, aber diejenigen, die das Erlebnis machen, nm das es sich hier handelt, erleben in Wirklichkeit etwas anderes. In allen nnsern religiösen Verkündigungen und Glaubenslehren tritt eben immer deutlicher der tiefe innere Zwiespalt zwischen äußerlich angenommener Form und tatsächlichem Wesen klaffend hervor. Unsre Religion ist eine Musik, die sich ein Teil der Zeitgenossen Vorspielen läßt, der viele noch immer gerne lauschen, die aber schon längst den wirklichen Schwingungen unsres Seelenlebens nicht mehr entspricht. 3 Und doch wird noch heilte ein Erlebnis gemacht, und ich halte dies Erlebnis sogar für die eigentliche Grundtntsache unsres Lebens, ein Erlebnis, das dem entspricht, was Jesus hier im Gleichnis schildert. Wir alle erfahren Lebenshcmmungen, indem wir unsrer Schwäche, unsrer Unzulänglichkeit, unsrer Schranken und schlechten Anlagen qualvoll inne werden. Jede Erfahrung dieser Art hinterläßt einen Eindruck in unserm Gedächtnis, und ob wir wollen oder nicht, wir summieren unbewußt alle diese Mängel, die wir an uns wahrgenommen haben, wegen deren wir diese oder jene törichte Tat begangen haben. Wie mit eisernem Riegel sperrt uns diese angesammelte Masse von Mißerfolg den Weg zu einer erfolgreichen, glücklichen Zukunft. Das ist das Bild der Menschen, die von Sorge und Furcht beherrscht werden, und das sind gewiß die aller¬ meisten. Nun aber können wir die Erfahrung machen, nm die es sich hier handelt. Es kommt über uns die Gewißheit, daß jeder neue Tag uns die vollgültige Gelegenheit gibt, etwas Großes zu schaffen und alles Vergangene gut zu machen. Dieser Tag, den du heute lebst, kann für dich der Tag der Rettung sein für jeden Schaden, wenn nur du willst. Kraft deiner Natur und deines Willens kannst du die furchtbarsten Übel, die dich bedrücken, beseitigen oder ihnen wenigstens den quälenden Stachel ausreißen. Es steigt in der Seele die Erkenntnis empor: Meinem innersten, meinem wirklichen Wesen nach bin ich nicht jener gehetzte und herab¬ gewürdigte Mensch, als der ich vor andern und vor mir selbst dastehe. Im Lichte einer höheren Erkenntnis bin ich ein Teil der ewigen Liebe. Diese Liebe verleiht mir Weisheit, diese Liebe gibt mir die Freude au der Erkenntnis des Wahren und Guten. Diese Liebe macht mich fähig, über die mich einengende Umgebung emporzuwachsen. Nene Freudigkeit, das Dasein zu leben, weil es ein für das Ganze unentbehrliches, höchst wertvolles Dasein ist, zieht ein. Wir erfassen die Bedeutung unsres Lebens, auch wenn es ein beschmutztes, von allen Seiten eingeengtes, furchtbar belastetes Leben wäre. Mit einem Schlag wird durch dieses große schöpferische Erlebnis, das die Menschen in den allerverschiedensten reli¬ giösen oder philosophischen Formen machen können, das Dasein, das eben noch eine drückende Last, ein quälender Alp war, plötzlich zu einem hohen Geschenk, zu einer hehren Gottesgabe, die wir — begnadet von einer unerforschlichen, unergründeten Macht — dankbar empfangen. An dem Tage, wo du zum erstenmal diese neu belebende Empfindung erlebst, hast du zum erst en mal Gott erlebt. Denn was heißt Gott erleben? Es heißt, ihn inne werden als den verborgenen, alles 4 ersetzenden, alles überwiegenden Lebenswert, als Freudigkeit und Mut, des Lebens Schlacht zu kämpfen. Gott ist nichts anderes als der «heilige Daseinswille.. Gerade das ist's, wie mir scheint, was Jesus im Gleichnis vom Schalksknecht uns lehren will: das oft so schwer belastete, tief entwertete Leben kann allezeit und überall zu vollem Lebenswert neu erhoben werden. Gewiß ist das für unendlich viele eine Botschaft, die sie als ganz unglaublich beiseite schieben, zumeist nicht einmal anhören wollen und können. Zwar müßte eigentlich jeder bekennen, daß er die köstliche Lebens¬ perle in den Staub getreten, daß er selbst sein Seelenleben tief ent¬ würdigt hat. Aber wie soll sich aus diesem selben Leben ein Kleinod von unendlichem Wert und hoher Pracht gestalten, wie können wir jenen Gottesglanben wieder neu erfassen, der als unsres Menschendaseins Krone unser Leben mit lichtem Glanze erfüllt? Und doch gibt es Mittel, um uns von dieser Möglichkeit zu über¬ zeugen. Überall da, wo Kraftanspannung, Reibung eintritt, da entwickelt sich Kraft und Leben. Keine starke Anstrengung kann ohne Kraftergebnis bleiben. Unsre Schuld aber gibt uns Gelegenheit zu solcher Anspannung, sie kann uns ein Mittel werden, mit Gott in Berührung zu treten, und insofern ist sie zu preisen. Der Mensch, der in der Tiefe sich befindet mit dem beschämenden Bewußtsein des eigenen Unwerts und nun aus dieser Tiefe zur Höhe des göttlichen Lebens emporschaut und sich einen Mut faßt, emporzusteigen, erlebt eine spannungsvolle, tief erregende innere Geschichte, in der Kräfte ausgelöst werden, die ihn mit mächtiger Schwinge emportragen. Dem Glücklichen, dem äußerlich und innerlich harmonischen Menschen, wird niemals die volle Bedeutung des Gottesglanbens als Überwindung eines die Tiefen der Seele aufreißenden Zwiespalts aufgehen. Ihm ist der Kampf erspart, aber damit auch der Triumph, es fehlt seinem Bekenntnis die schmerzliche Leidenschaft und darum die Kraft und Tiefe, weil sein Gottesbekenntnis im Grunde eine Selbst¬ verständlichkeit ist. Sobald wir dies verstanden haben, so müssen wir erkennen, daß uns durch große Charakterschwierigkeiten, durch schlechte Anlagen und widrige Umstände gewiß ganz besondere Hemmnisse in den Weg gelegt sind, bis wir Gottes inne werden, aber gerade damit auch eine besondere Verheißung, daß wir einen nm so herrlicheren Sieg erkämpfen werden. 5 Darum sollten wir mit felsenfestem Vertrauen unser eigenes Leben und das aller andern, auch der Verlorensten und Elendesten, daraufhin ansehen, daß jedes einzelne Leben befähigt ist, das Gefäß einer unend¬ lichen Beseligung zu werden, jeder einzelne berufen, mit erhobenem Haupte, mit eisernem, unbeugsamem Willen eine Welt sich zu erringen, die voll Schönheit und Gnade ist. Mögen finstre Dämonen unsrer Vergangenheit drohend ihr Haupt emporrecken, sie haben nicht Macht, uns den Zugang zu -den tausend Quellen neben dem Durstenden in der Wüste» zu sperren. Das Furchtbarste selbst, was andre an dir gesündigt und du selbst gefehlt, es kann dennoch ein heiliger Segen werden, der dich nur um so tiefer in die Erkenntnis der göttlichen Liebesmacht wird führen, einer Liebesmacht, der es nicht zu tun ist um deine Würdigkeit, sondern allein um deine Empfänglichkeit. Oder um es zu fassen mit Gedanken jenes Weisen von Sils-Maria: Du vermagst -Recht dir zu nehmen zu neuen Werten-, weil du aus dem Knechte ein Kind wardst, ein Kind, wie es Nietzsche beschreibt: -Unschuld ist das Kind und Vergessen, ein Neu¬ beginnen, ein Spiel, ein aus sich rollendes Rad, eine erste Bewegung, ein heiliges Jasagen. Ja, zum Spiele des Schaffens, meine Brüder, bedarf es eines heiligen Jasagens: seinen Willen will nun der Geist, seine Welt gewinnt sich der Weltverlorene.» - — Es sind das alles ganz andere Gedankenbahnen, Wege, die wir uns heute noch durch Urwälder von Vorurteilen suchen müssen, als die Wege kirchlicher Verkündigung. Dennoch Wege, die wir suchen müssen, damit endlich das religiöse Erleben mit der religiösen Lehre wieder zusammenstimme. Es handelt sich um die Aussöhnung des Ungeheuern Widerspruches, daß Gott gerecht ist und dennoch die Sünde vergibt. Daß der Mensch das erntet, was er gesät, und daß er dennoch unendliche Gnade jeden Tag aufs neue erfahren darf. Die alte Kirchenlehre des Christentums hat diesen Widerspruch zu lösen versucht mit der Lehre von der stellvertretenden Genugtuung des Sohnes Gottes, der mit seinem Blnte den Zorn Gottes versöhnte, so daß Gott nun verzeihen kann. Es war dies ein Versuch, klar zu machen, warum die Heiligkeit Gottes ihn nicht hindert, in völlig schrankenloser Liebe sich auch zu dem Verwor¬ fensten herabzuneigen, warum es heißt: «Es freut sich die Gottheit der reuigen Sünder, Unsterbliche heben verlorene Kinder Mit feurigen Armen zum Himmel empor.» Wir können das uralte Geheimnis so nicht mehr fassen. Wir fassen es, indem wir uns die Tatsache klar machen: Es wohnt im Geiste des 6 Menschen die gewaltigste aller Kräfte — der Gedanke. Wer die Be¬ deutung des Gedankens erkannt hat, blickt voll Vertrauen in die Zukunft und auch die qualvollste Vergangenheit hat jeden Schrecken für ihn verloren. Und diese Anschauung, was ist sie denn anderes als die Jesuslehre, daß wir Kinder Gottes sind, die als solche jeder Verkettung von Schuld und Sühne entronnen sind? Als Träger des Gedankens sind wir Teile des ewigen Weltengeistes, der frei und schöpferisch sich jederzeit auf uns herniedersenken kann, um mit feuriger Lohe alle Schlacke» menschlicher Unvollkommenheit zu verzehren. Damit kehren wir immer wieder zurück zur schlichten Kinderlehre Jesu: «Vater, vergib uns unsre Schuld, wie wir vergeben unfern Schuldiger»», zu jener Lehre, die in unserm Gleichnis zu einer leuchtenden Blüte sich entfaltet. Es ist in ihr die Lehre erschlossen: Willst du wirkliches Menschentum dir erwerben, so fasse beides in eines, was der Heiland zusammenschloß, der Demut und Kraft doppelte Palme zugleich. Die weiche Stimmung, in der wir unsres Sündenelends eingedenk bleiben, um frei zu bleiben von allem Hochmut und aller Selbstüber¬ hebung, weil wir als arme Schächer uns fühlen, als Ton in des Töpfers Hand, der mit Recht verworfen werden könnte; weil wir nur in solcher Demut frei werden von all dem erbitternden Gezänk, der Rechthaberei und Kleinlichkeit, die das Leben der Menschen vergiften. Und dann doch wieder die Kraft, einer'Welt der Widerstände uns entgegenzustellen kraft der Majestät unsrer Geisteswürde, die auch im Bettlergewande sich enthüllt, wenn wir sie nur geltend machen. Wird s o die Sündenvergebung erfaßt und erfahren, daun erhält Martin Luthers Wort aus dem kleinen Kate¬ chismus eine ganz neue, unendliche Bedeutung: -Wo Vergebung der Sünden ist, da ist auch Leben und Seligkeit.» Nur wo Sündenvergebung ist, wo das Leben nicht mehr gelebt wird aus der eigenen kleinen Kraft heraus, sondern von Gottes Gnaden, zerbrochen in sich, gefestigt aus höherer Macht, nur da ist Lebeu, so reich, so groß, daß es als Seligkeit beschrieben werden muß, weil es über alles Glück ist. II. Es ist Lebeu und Seligkeit, weil ein solches Menschentum, wie es hier beschrieben ist, auch unser Verhältnis zu andern Menschen völlig wandelt. Du sollst deinen Freund lieben und deinen Feind hassen, das war «die Tafel der Überwindung«, die seit Jahrtausenden das Menschenvolk über sich hängte nnd die noch jetzt als der Pflichten höchste anerkannt 7 ist. Es war ein Hohes, als die Menschen aus tierischen Zuständen zu der lichten Erkenntnis sich emporrangen, daß es höchste Pflicht sei, Gutes zu schirmen, Böses anszurotten, dem Freunde die Brust, dem Feinde mutig die Stirue zu bieteu. Alles, was an Mannhaftigkeit und Helden¬ tum auf Erden erblüht ist, das liegt beschlossen in dieser Tafel: den Freund zu lieben und den Feind zu hassen. Doch es kam Jesus von Nazareth! Er gab den Menschen neue Waffen! Zwar heißt es: -Sie sagen, du wärst al» Lamm verstummt, Wehrlos verblutet unter ihrem Hohn?» Doch in Wahrheit brachte er Waffen, erfolgreicher als die alten: «Als sie hörten, wie dn für sie batest, Dein Röcheln bat: ,Vater, vergib du ihnen ü, Da schlug das Volk sich heulend au die Brust Und floh von Golgatha — — du wehrtest dich!» Er wehrte sich, doch nicht, indem er Böses mit Bösem vergalt, sondern indem er das Böse überwand mit Gutem und lehrte: «Liebet eure Feinde-, weil Haß nur durch Liebe ausgetilgt werden kann. Und so ist es der tiefste Sinn seiner Lehre, daß wir unfern Schul¬ digen! vergeben, gleichwie unsre Schulden vergeben sind. Die höchste Pflicht des Christentums, die aber dann erst recht verstanden und geübt werden wird, wenn wir erkennen, diese höchste Pflicht sei unser seligstes Recht. In ewigem Zwiespalt werden wir liegen und Haß wird immer neuen Haß erwecken, bis wir einmal erkannt haben, es ist ja gar nicht unsre Pflicht zu hassen, und indem wir hassen, vernichten wir uns selbst. Das gilt nicht in irgend einer überweltlichen Beziehung, sondern an nnserm sichtbaren Körper. Es ist erwiesen, daß Haß und Zorn Gifte im menschlichen Körper erzeugen, die die Gewebe zerstören und früh altern machen. Jeder Gedanke der Lieblosigkeit ist eine zerstörende Macht an andern, aber auch au uns selbst. Das wirklich zu erfahren, daß wir allen Groll und Zorn fahren lassen dürfen, daß wir vergangen sein lassen dürfen, was vergangen ist, indem wir urteilen, aber niemals verurteilen, das wäre in Wahrheit das seligste Recht, das uns beschieden ist. Und wenn vor kurzem geschrieben wurde: Alle Tugenden des Christenthnms hätten die Germanen angenommen, nur mit Recht die eine 8 nicht: «Liebet eure Feinde!», so beweist das, daß das wahre Wesen der Lehre Jesu noch nicht begriffen ward. Höchste Mannhaftigkeit und höchste Freiheit hätten wir dann erst erreicht, wenn wir frei würden von allein Haß und aller Wiedervergeltung. So erst lebten wir ein Dasein frei vom Knechtssinn, denn alles Knechtsein ruht aus einem Schuldverhältuis der Vergangenheit. Wir lebten dann als Kinder, die aus dem freien Liebesverhältnis der Gegenwart heraus ihr Leben führen. Wie wir selbst aus dem tiefsten Seelengrunde heraus unser Leben täglich neu erschaffen und uns nicht beirren lassen durch Mängel der Vergangenheit, so würden wir dann auch dem Mitmenschen die gleiche Vollmacht aus¬ stellen, frei von Schuld und frei von Schuldiger«. - A m e n. EMM I» onioenriurtm tMoiruica SSSSSSS2SS3