3ysq5 iiber die im Winter Laibach 1906. Zusammengestellt von Georg Veith Hauptmann des k. u. k. DivisionsartiHerieregiments Nr. 7. Sonderabdruck aus der Monatsschrift «Die Erdbebenwarte» 1905/06, Nr. 9 bis 12. Buchdruckerei Ig. v. Kleinmayr & Fed. Bamberg. pm. > « 39 1 xT ,. P| i; 1 ,*** ' t-r" ’ S . % f; a* . * s m mmm*m - a«®' asmmmgam i M mm&mmšmmim ■ . • f ■-? i ^> 4 djs >■ “ c-V Si; Sonderabdruck aus der Monatsschrift «Die Erdbebenwarte», Nr. 9 bis 12, V. Jahrg., 1905/6. 0S005 e> e 8 <\ Beobaehtungen iiber die Agramer Erdbeben im Winter 1905/1906. Zusammengestellt von Georg Veith, Hauptmann des k. u. k. Divisionsartillerieregiments Nr. 7. 1. Chronologische Ubersicht. * Nach genauer Messung des Hm. k. u. k. Majors des G-eneralstabskorps M. Mihaljevid in Agram. I 3 Anmerkung. Die Zeiten sind mit Rucksicht auf die zur Verfiigung stehenden Uhren nicht genau; die mit «ca.» bezeichneten beruhen auf fremder Beobachtung (mit Ausnahme der Vibrationen, bei denen sich der genaue Eintritt meist nicht feststellen lieC). II. Allgemeine Charakteristik. Im allgemeinen konnte man zwei deutlich unterschiedene Perioden erkennen: die erste vom ersten Beben am 17. Dezember bis zum Haupt- beben am 2. Janner, die zweite von da bis zum Schlusse der Periode. In der ersten Periode gab es verhaltnismaBig weniger, aber dafiir wesentlich starkere Beben, die durchwegs als deutliche Stofie fiihlbar waren. In der zweiten hingegen haufigere, aber viel schtvachere Beben, die mehr als kleine Erschiitterungen denn als Stofie empfunden wurden. Dazu kamen noch als besonderes Charaktermerkmal dieser Periode die spater genauer zu beschreibenden Vibrationen. Erst das letzte, von den vorhergehenden durch einen langeren Zeit- abschnitt getrennte Nachbeben vom 24. Marž zeigte vvieder ausgesprochen den Charakter der ersten Periode. III. Die Vibrationen. Dieselben — durchwegs erst nach dem Hauptbeben vom 2. Janner auftretend — bestanden in einem, bei hinreichender Ruhe im Innern der Hauser, insbesondere bei Nacht, deutlich merkbaren Zittern, welches stets regelmaCig intermittierend verlief, und zwar in Absatzen von ungeiahr 6 bis 10 Sekunden. Die Gesamtdauer variierte von ‘/ 2 bis 3 Stunden, und nahm, ebenso wie die Intensitat, gegen das Ende der Periode sichtlich ab. Eine deutlich sichtbare Beobachtung dieser Erscheinung konnte er- zielt werden: 1. mit Hilfe des im Waschbecken befindlichen Wassers, welches hiebei in eine der Vibration entsprechende Wellenbewegung geriet, wobei auch das Intermittieren deutlich zu beobachten war; 4 2. an einem mit der Spitze in die Tischplatte gesteckten langeren Messer, oder an einer, in ein vertikal aufgebogenes Stiick Papier gesteckten groCkopfigen Nadel, welche Instrumente gleichfalls die ganze Bewegung mit allen Intervallen in deutlichster Weise zur Darstellung bracliten. Dieselben zeigten auch die Richtung an, indem sie, wenn die Schneide des Messers, bezw. die Kante des Papiers, in die Richtung der Schwingungen gestellt wurde, gar nicht oder doch bedeutend schwacher sch\vangen, als wenn dieselben senkrecht darauf gerichtet waren. Einmal bei Nacht, am 5. Janner, waren diese Vibrationen auch von vviederholtem, deutlich horbarem Erdbebengerausch begleitet. IV. Richtung. Die Richtung der Beben war, soweit ich sie durch das Gefuhl oder (bei den Vibrationen) mittelst der dort angeftihrten primitiven Vorrichtungen feststellen konnte, in der ersten Zeit ausgesprochen NE.-SW. und wandelte gegen Ende immer mehr in die Richtung N.-S. Der Stofi am 24. Marž war ausgesprochen N.-S. In der ersten Periode gab es auch ausgesprochen vertikale Stofie; insbesondere der sehr stark empfundene Stofi vom 1. Janner, 10 Minuten nach Mitternacht, war ganz bestimmt ausgesprochen vertikal. Bei dem Hauptbeben am 2. Janner sollen nach zahlreichen Aussagen unter den vorwiegenden NE.-SW.-StoBen auch einige genau vertikale ver- sptirt worden sein. V. Erdbebengerausche. Beim ersten Erdbeben am 17. Dezember hatte ich denkbar giinstige Verhaltnisse zum Beobachten des das Beben begleitenden Gerausches, da ich mich zufallig bei lautlos stiller Nacht und auch bei vollkommener Wind- stille auf offener Strafie befand. Das Gerausch begann in der Art eines plotzlich einsetzenden starken Sturmwindes und ging zunachst in ein nebelhornartiges Heulen iiber, welches sich seinerseits wieder zu einem drohnend-knatternden Donnern steigerte, etwa in der Art, wie wenn eine schwere vielkantige Walze in raschem Tempo iiber eine lockere Holzbriicke gefahren wiirde. Erst in diesem Stadium scheint die (mir am Erdboden nicht fuhlbare) Erschiitterung eingetreten zu sein, da jetzt auch das Klirren der Fenster, das Herab- brockeln von Mortel und Ziegelsteinen sowie ein deutlich horbares Schlitteln der Baume einsetzte. Sodann verhallte das Gerausch ziemlich rasch. Bei dem ganzen Vorgange hatte ich durchaus nicht die Empfindung, als ob das Gerausch aus dem Innern der Erde kame, sondern vielmehr, als ob es liber die Dacher dahinginge. 5 Alle folgenden Gerausche beobachtete ich bei gleichfalls vollkommener nachtlicher Ruhe im Zimmer; dieselben glichen einem von ferne rasch naherkommenden Donner, der in dem Augenblicke, wo die fuhlbare Er- schiitterung einsetzte, jedesmal in das vorerwahnte charakteristische Knattern iiberging. Bei dem Hauptbeben am 2 Janner ging der Erschiitterung ein, wenigstens 1 Minute andauerndes Gerausch voraus, welches genau dem eines wieder- holt anschwellenden und nachlassenden Donners glich. Beim Einsetzen der Stofie steigerte es sic.h in ein geradezu betaubendes Krachen, wobei allerdings nicht festzustellen war, wieviel davon auf Rechnung des eigent- lichen Erdbebengerausches und wieviel auf den durch die furchtbar er- schiitterten Mobel, die achzenden Wande und stiirzenden Kamine erzeugten Larm zu setzen war. VI. Subjektive Empfindung der Erschiitterungen. Das Erdbeben vom 17. Dezember habe ich auf der Strafie, trotzdem ich es sofort an dem Gerausche, an dem Klirren der Fenster, Abbrockeln des Mortels usw. als solches erkannte, trotzdem dasselbe ferner im Innern der Hauser von allen Bevvohnern sehr stark empfunden wurde und auch bedeutenden Schaden angerichtet hat, nicht verspiirt. Genau dieselbe Be- obachtung machten mehrere andere in der gleichen Lage befindliche Per- sonen, wahrend wieder andere es auch auf der Strafie stark verspiirt (geftihlt) haben wollen. Das Hauptbeben vom 2. Janner wurde dagegen auch auf der Strafie von allen Personen, die sich um diese Zeit im Freien befanden, sehr stark verspiirt; einzelne Personen wurden zu Fali gebracht. Alle iibrigen Beben wurden auf der Strafie wohl nicht wahrgenommen. Uber das einzige, von dem dies sicher zu erwarten gewesen ware, das vom 28. Dezember, fehlen mir diesbezugliche Nachrichten. Im Innern der Gebaude wurden die Beben je nach der Konstruktion der ersteren sehr verschieden empfunden. Das Beben vom 17. Dezember wurde in den Parterrelokalitaten solider Hauser zumeist nur als mafiige Erschiitterung, bei starkem Knirschen der Wande, wahrgenommen, in den oberen Stockvverken jedoch durchvvegs als ein sehr starkes, beangstigendes Schtitteln; das Beben vom 2. Janner wurde iiberall gleichmafiig als eine von stark en Stofien begleitete Erschiitterung starksten Grades verspiirt, vvelcher Eindruck noch durch das knatternde Erdbebengerausch, das Poltem und Prasseln der herabstiirzenden Rauchfange und Dachziegel, das vehemente Klirren der Fenster und Schtitteln der Turen vvesentlich gesteigert wurde. Die kleineren Beben vvurden, wie erwahnt, in der ersten Periode vor- wiegend als deutliche Stofie, in der zweiten mehr als kiirzeres oder langeres Schtitteln empfunden. 6 VII. Das Wetter. Am 17. Dezember herrschte bis gegen Abend ziemlich unfreundliches, nabkaltes Wetter; um zirka 7 Uhr abends trat ein leichter Schneefall ein, der sofort auf dem Trottoir Glatteis bildete; nach 8 Uhr jedoch klarte sich das Wetter ganz plotzlich vollkommen auf, und zur Zeit des Erd- bebens war die klarste Mondnacht, bei vollkommenster Windstille. Auch wahrend des Bebens selbst war nicht der geringste Luftstofi fiihlbar, trotz- dem das heulende Gerausch und das Schiitteln der Baume dem Ohre einen veritablen Sturm vortauschten. (Auf diese Tauschung mag vielleicht so manche angebliche Beobachtung von bei Erdbeben plotzlich einsetzenden Windstol3en zuriickzufiihren sein.) Am 2. Janner herrschte schon seit dem Vortage klares, schones, ziemlich kaltes Wetter. Am Nachmittage (also erst einige Stunden nach dem Erdbeben) begann sich dann die Witterung bei zunehmender Kalte leicht zu triiben. Auch im ubrigen zeigte das Wetter wahrend der ganzen Erdbeben- periode nichts Auffalliges, \voraus sich irgend eine Wechselbeziehung ab- leiten liefie. VIII. Erdmagnetische Erscheinungen. Diesbeziiglich vvurden nachfolgende positive Ergebnisse erzielt. Am 17. Dezember um 11 Uhr nachts avisierte der Stationschef des Agramer Siidbahnhofes das Publikum der Restauration, daB die Magnet- nadel starke Abweichungen zeige; wahrend noch daruber diskutiert wurde, trat das Erdbeben ein. In der Nacht vor dem 2. Janner soli den Beamten des Staatsbahn- hofes eine telegraphische, gleichfalls auf Magnetnadelbeobachtung beruhende Warnung aus Budapest zugekommen sein. IX. Biologische Beobachtungen. Durch Zufall war ich darauf gekommen, gerade auf diesem Gebiete ziemlich umfangreiche Beobachtungen anzustellen. Ich hielt in meiner Wohnung seit Anfang Oktober eine lebende Kreuzotter (Vipera berus L.) nebst einer Smaragdeideckse (Lacerta viridis Laur.), welche Reptilien sich beide schon Anfang November in ein unteres Fach ihres Kafigs verkrochen hatten und dort im Winterschlaf lagen. Am 17. Dezember unterbrach die Kreuzotter im Laufe des Vormittags zu meinem Erstaunen den Winterschlaf, um mit allen Zeichen groGter Erregung durch mehrere Stunden im Kafig herumzukriechen. Mir war ihr Benehmen uner- ; klarlich, bis das um !/ 4 12 Uhr nachts eintretende Erdbeben mich auf den Gedanken brachte, dafi das Verhalten meiner Schlange mit demselben vielleicht im Zusammenhange stehen konnte. Die folgenden Ereignisse er- wiesen auf das eklatanteste die Richtigkeit meiner Vermutung; die Schlange zeigte mir jedes einzelne Beben mit unfehlbarer Sicherheit auf 12 bis 14 Stunden vorher an. Nur vor dem Hauptbeben am 2. Janner konnte ich sie leider nicht kontrollieren, da ich den ganzen 1. Janner von meiner Wohnung abwesend war. Die Eidechse dagegen hatte in keinerlei Weise auf die Erdbeben reagiert. Ich liefi mir nun noch zwei lebende Kreuzottern kommen, welche, obwohl sie nicht mehr den Winterschlaf antraten, gleichfalls mit grofier Deutlichkeit in derselben Weise funktionierten. Der ersten Kreuzotter war ubrigens die Storung ilires Winterschlafes schlecht bekommen. Sie begann zu krankeln und verendete am 27. Februar, nachdem sie noch die sehr schwachen seismischen Erschutterungen dieses Monates gewissenhaft angezeigt hatte. Sie befindet sich derzeit im Agramer Museum. Im allgemeinen gleicht dieses charakteristische Benehmen derSchlangen vor einem Erdbeben dem, welches sie auch, wie jeder Herpetologe weifi, vor einem Gewitter an den Tag zu legen pflegen. Es beginnt etwa 12 bis 14 Stunden vor dem Beben und dauert hochstens einen halben Tag, wor- auf sich die Tiere in die tiefsten Schlupfwinkel verkriechen und nicht eher herauskommen, bevor nicht alles vorbei ist. Aus der Intensitat der Aufregung kann man ziemlich genaue Schlusse auf die Starke des zu erwartenden Erdbebens ziehen. Diesen unzweifelhaften Beobachtungen einen praktischen Wert beizu- messen, halte ich immerhin fiir sehr problematisch. Alan darf nicht ver- gessen, dafi ich unter sehr giinstigen Verhaltnissen beobachtete, denn ich hatte es mit bereits eingevvinterten Tieren zu tun,welche sich ohne zwingende Ursache nicht gerne rilhren, so dafi die das Erdbeben anzeigende Erregung sehr auffallend zum Ausdruck kommt. Im Sommer ware diese Beobachtung weit schwieriger, ja nie mit Sicherheit moglich, da die Schlangen um diese Zeit an und fur sich viel lebhafter sind und iiberdies, wie oben erwahnt, jedes Gewitter auf 2 bis 3 Stunden vorher in ganz analoger Weise anzeigen. Darin liegt eben die Hauptschwierigkeit: Nicht dafi zu befiirchten ware, die einmal erprobten Tiere wiirden ein nennenswertes seismisches Ereignis ein anderesmal tibersehen und nicht zur Anzeige bringen; sondern vielmehr in der Tatsache, daft sie aufier den seismischen Vorgangen noch allerhand andere, uns gar nicht interessierende und zum groften Teile wohl auch gar nicht kontrollierbare Vorgange gleichfalls vorausfiihlen und in derselben Weise wie Erdbeben zur Voranzeige bringen, liegt das Pro- blematische der ganzen Sache. s Uber meine Agramer Beobachtungen hat ubrigens der hervorragende Herpetologe Professor Dr. Ludwig von Mehely in Budapest eine ausfiihr- liche Arbeit veroffentlicht. * Derselbe hat auch eingehende Untersuchungen tiber die dieses Vorfiihlen vermittelnden Organe, die er «Sinnesknospen» nennt, angestellt und konstatiert, daB dieselben bei verschiedenen Reptilien in sehr verschiedenem Grade (von ganz rudimentarem Zustande bis zur hochsten Vollendung) ausgebildet sind. Daraus erklart sich auch das ganz verschiedene Reagieren der Kreuzotter und der Smaragdeidechse. Meine Ansicht geht dahin, daB diese Tiere nicht auf die Erschiitte- rungen als solche, sondern vielmehr auf die bei den seismischen Ereignissen haufig auftretenden erdmagnetischen Storungen reagieren; dies erhellt am deutlichsten aus der Analogie der Voranzeige von Gewittern, bei denen doch gewifi mechanische Erschiitterungen nicht in Betracht kommen konnen. Was das Benehmen anderer Tiere anbelangt, so waren wahrend der ganzen Erdbebenzeit vielfache Geruchte tiber angeblich auffallende Unruhe von Hunden, Pferden und Huhnem vor den groBeren Beben im Umlaufe; ein Dachshund soli am 17. Dezember eine Viertelstunde vor dem Erd- beben seinen Herrn durch Bellen und Springen geweckt und zum Ver- lassen des Bettes bewogen haben. Eine nahere Kontrolle war mir nicht moglich. Ich habe vor den beiden groBen Beben, von denen ich das erste auf der Strahe, das zweite bei vollkommen wachem Zustande im Bette mit- machte, nicht einen Hund heulen oder einen .Hahn krahen horen. Auch die Erkundigungen, die ich bei den Batterien des Korpsartillerieregiments Nr. 13 einzog, ergaben wohl eine begreifliche Unruhe der Pferde wa.hr end des Bebens, nicht aber vor demselben. Interessant war das Verhalten der in Agram sehr zahlreichen Tauben. Dieselben zeigten zwar auch keine Vorahnung, wohl aber eine grofie Empfindlichkeit selbst fur die kleinsten StoBe, welche sie dadurch mani- festierten, daB sie augenblicklich iiberall, vom Erdboden wie von den Hausern, mit grofiem Spektakel aufflogen. Dieses Benehmen diente mir wiederholt bei sehr schwachen, nicht mit voller Sicherheit gefiihlten Stofien als willkommene Kontrolle. Was schlieBlich die Einwirkung aut menschliche Nerven anbelangt, so ist es Tatsache, daB das Hauptbeben vom 2. Janner von mehreren Per- sonlichkeiten fast 12 Stunden vorher mit apodiktischer Sicherheit vorher- gefuhlt und vorhergesagt wurde. Dieselben waren allerdings schon seit dem 17. Dezember in einem Zustande permanenter Nervositat und dann nach dem Hauptbeben durch etliche Tage geradezu krank. Die Folgen des groBen Erdbebens waren denn auch auf alle nervos veranlagten Personen ziemlich weitgehende und auBerten sich zum mindesten in andauernder nervčser * Dr. Mehely Lajos : A vihart es foldrengest jelzo allatokrdl. Kiil6nlenyomat a «Termdszettudomanyi kozlony» 439. fuzetdbol. Budapest 1906. 9 Schlaflosigkeit; mehrere als' «harmlos» auf freiem FuBe lebende Geistes- kranke verloren den Charakter der «Harmlosigkeit» und muBten interniert \verden. X. Mechanische Wirkungen. Ausgesprochene Beschadigungen wurden nur durch die beiden Haupt- beben am 17. Dezember und 2. Janner angerichtet. Am iy. Dezember beschrankten sich dieselben auf zahlreiche einge- stiirzte Rauchfange, dann Abbrockelungen von Gesimsen, Balustraden, von Mortel und sonstigem Verputz, sowie zahlreichen Spriingen in diinnen Zwischenmauern. Am 2 . Janner war die Zerstorung eine weit bedeutendere. Fast samt- liche Rauchfange waren eingesturzt, alle Gesimse schwer beschadigt, zahl¬ reiche Balustraden, Balkons und dekorative Frontgiebel teils herabgestiirzt, teils so schwer beschadigt, daB sie abgetragen werden muBten; fast alle Zwischenmauern stark zersprungen, einige umgesturzt, wobei die Tiirrahmen stehen blieben; zwei zur oberen Halfte freistehende Feuermauern neuer Hauser stilrzten nach aufien auf das Dach des anschlieBenden niedrigen Hauses, welches sie naturlich einschlugen. Die herabstlirzenden Trtimmer, darunter zentnerschwere Steinstticke von Balustraden, wurden stellenweise bis in die Mitte der Fahrbahn ge- schleudert; die Schrittplatten in den am starksten betroffenen Teilen (Gaj- gasse, Westfront des Franz-Josef-Platzes) glichen Schutthaufen. Relativ gut bevvahrt haben sich die Tragmauern der neueren Hauser, auch die Feuermauern, sofern sie entweder an gleich hohe angelehnt oder aber ganz freistehend waren; dann vor allem die Stiegenhauser und die Fabriks- kamine. Im allgemeinen kann Agram mit der seit den Erfahrungen von 1880 eingefuhrten Bauart zufrieden sein; nur bei der Anbringung der aufieren Fassadendekorationen ware etwas mehr Vorsicht geboten. Wenn das Beben vom 2. Janner nicht zu nachtschlafender Zeit, sondern zu einer Stunde eintritt, wo die StraBen mit Menschen erfiillt sind, so ist eine unabsehbare Kata- strophe die Folge. Im Innern der Hauser wurden aufier den bereits genannten Mauer- sprungen noch konstatiert: Verdrehen von Tur- und Fensterrahmen, Auf- springen und Umstiirzen von Kasten, Herabfallen von Statuen, Vasen, Nippsachen usw., sclnvere Beschadigungen an dem in Kredenzen u. dgl. auf- bewahrten Geschirr und Glas usw. Im allgemeinen war die Verheerung im ostlichen Teile der Stadt, insbesondere in dem Raume zwischen Gajgasse-Jelačičplatz-Kapitelplatz- Lachische Gasse, starker wie in den tibrigen Stadtteilen. Wesentlich verheerender als in Agram traten beide grofieren Erd- beben in den Dorfern Čnčerje und Kašina (etwa 12, bezw. 16 Kilometer nordostlich von Agram) auf. In Čučerje war schon am 17. Dezember die 10 Kirche zum Teile eingestiirzt und fast alle Hauser schwer beschadigt; am 2. Janner wurden beide genannten Dorfer fast vollstandig zerstort. Dabei zeigten sich in dieser Gegend auch weite, durchlaufende Sprunge und Spalten, die sich aber noch im Laufe desselben Tages zum grofiten Teile wieder schlossen. Auch mehrere der spateren, in Agram nur schwach wahrgenommenen Nachbeben sollen in der Gegend der beiden genannten Dorfer sehr heftig empfunden worden sein und gleichfalls Schaden angerichtet haben. Im allgemeinen darf man annehmen, dafi das Agramer Erdbeben vom 2. Janner 1906 nicht wesentlich schwacher war als das vom 9. No¬ vember 1880; nur mag diesmal das Epizentrum etwas weiter von der Stadt entfernt gewesen sein; dies und vor allem die eben auf Grund der Er- fahrungen der ersten Katastrophe mit Umsicht und Konsequenz durch- gefiihrte neue Bauart hat es mit sich gebracht, daG die Folgen fur die Stadt selbst diesmal weit geringere waren. Fiir die am schwersten betroifenen Dorfer der Umgebung Ižtfit sich allerdings ein solcher Unterschied nicht feststellen. NARODNA IN UNIVERZITETNA KNJIŽNICA lili 00000523208