krrsterrsgln klirabew Regentin der Niederlande G (Sebsren iöso. gerisrben 1741) § kin Sercdicdtrblld «,» ?. von Kadi« (SeparaiHdaruck aur Ser „«erl.-llng. sievue") Men, iqor Verlag der vesterr. Ungar. Nevue Erzherzogin Elisabeths Regentin der Niederlande. «Geboren Mo, gestorben f74l.j Geschichtsbild von p. von Naäicr. „blov tnm prasssss, gunm xroUssss ässiäsrsus." I^er Name der hl. Elisabeth, der, in Erinnerung an unsere nnvcr- ZF geßliche erhabene Kaiserin und Königin, für die Völker Öster¬ reich-Ungarns in alle Folgezeiten ein doppelt hochgeseierter Gedenk- name bleibt, erinnert uns auch noch an andere bedeutende Frauen in vergangenen Jahrhunderten, welche durch Geburt oder eheliche Verbindungen dem erlauchten Herrscherhause Habsburg augehörten. Aus diesen Trägerinnen des Namens der „rosenfpcndenden" Type christlicher Eharitas, jener heiligen Fürstin Elisabeth von Thüringen, leuchtet aber ganz besonders die hehre Erscheinung der Schwester- Kaiser Karls V!., der Muhme der Kaiserin-Königin Maria Theresia hervor, die Erscheinung der Erzherzogin Maria Elisabeth oder wie sie, entsprechend dem zeitgenössischen Volksausdrucke, schlechtweg von ihrem Biographen genannt wird, der Erzherzogin Elisabeth, der Regentin der Niederlande österreichischer Herrschaft. Diese österreichische Erzherzogin, von welcher der belgische Geschichtsschreiber Eonscience*) sagt: „Sie war eine wohlwollende Fürstin, die sich die Liebe der Belgier erwarb" uud welcher eine aus dem Ende des 18. Jahrhunderts stammenden, Kaiser Josef U. *) Geschichte von Belgien. Aus dem Blämischen von O. L. B. Wolff, Leipzig 1808, p. 987. 2 Erzherzogin Elisabeth, Regentin der Niederlande. zugeeignete historisch-politische Schrift nachrühmt, „daß sie die österreichischen Niederlande in der Daner ihrer sechzehnjährigen Regierung nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und Mäßigung regiert habe",*) verdient wohl eine ausführlichere biographische Würdigung. Diese soll in Folgendem versucht werden. -i- -i- Geburt und erste Iugendjcchre. „Da die eingerissenc leidige Seuche (die Pest) Wien, die Residenzstadt (1679) fast (stark) ausgeleeret und den kaiserlichen Hof bemüsstget, sich erstens nach Prag und als auch da schon das Übel lagern wollte, nach Lintz, gesunder Lnffts halber zu flüchten", erblickte in der rcizumflossenen Hauptstadt des Herzogtums Öster¬ reich ob der Enns in dem an einer Anhöhe gelegenen landesherr¬ lichen Schlosse Erzherzogin Elisabeth, Tochter Kaiser Leopolds I. und dessen dritter Gemahlin, der ebenso frommen als geistesstarken Kaiserin Eleonore Magdalena Theresia (einer Tochter Philipp Wilhelms Pfalzgrafen zu Rhein Herzogs von Neuburg und seiner Gemahlin Pfalzgräfin Amalia) das Licht der Welt im Jahre 1680 am 13. des Christmonds als an dem Festtage der hl. Lucia des Morgens zwischen 7 und 8 Uhr.**) Kaiser Leopold meldete seinem vertrauten Seelenrate, dem aus den Tagen von Wiens zweiter Türkenbelagerung berühmt gewordenen Kapnzinerpater Marcus de Aviano ckäo. Linz 7. Jänner 1681, daß das freudige Ereignis der Geburt der Prinzessin in glücklichster Weise eingetreten sei, und er fügt bei, daß die Kaiserin keine andere Wirkung dieser Geburt verspürt habe, als *) „Historisch-politische Nachrichten von den österreichischen Niederlanden." Ans dem Französischen. Frankfurt und Leipzig 1784. S. 212. **) Vila sl VirtutS8 Aarias Misadsltms Lrelüctuois Lustrins SalMS .Vustriasi Oubsruatriois Oousaripta rr guocluaiu Üoeislmis Nssu 8oosrooäsu?a Lxistolsi's I?ra Levpoläo I. Iinxoratorv vck U l'sUis Uareo iwlviaao Laxpuooiao . . . äa Onno Llo^p Oran 1888, x. 0. **) Ebenda i>. 4 ff. 4 Erzherzogin Elisabeth, Regentin der Niederlande. Nachmittags gegen 2 Uhr der General der Kavallerie Graf Eaprara und Oberst Graf Montecnccoli in Wien angelaugt waren und das „Geschrei in der Stadt alsbald sich verbreitete, daß die kaiserliche Kavallerie von den Tataren angegriffen worden sei und der Stadt Wien zu sich retiriere", darauf „vast jedermäniglich von Hohen, Mitten: und Nidern Staudts, wer nur Fuhren und Roß bekommen konnte, dasjenige, was er nur ialvireu mögen, einpackte", verließen auch Se. Majestät und der ganze Hof Wien noch am selben Tage, „denen die Kavaliere und was nur fahren und reiten können selbige Nacht noch und die nachfolgenden Tage nachgefolgt". Die Abreise der Majestäten, der beiden Erherzoge Josef und Leopold und der Erzherzogin Maria Elisabeth war also am 5. Juli gegen 8 Uhr Abends zum Burgtor hinaus und „über die Schlag- und Donanbruckeu", erfolgt und es langte der Hof noch am selben Abende in Korneuburg an, wo er dann Nacht¬ lager hielt?) Dieses Nachtlager gestaltete sich aber überaus mühselig; außer dem, daß in dem „geringen Wirtshause" das Abendessen ein höchst frugales gewesen „ungeschmacke Brenusuppe uud wenig Eier," mußte der Regenmantel des Oberstjägermeisters Grafen Althau dem Kaiser als Decke dienen und die zwei Erzherzoge und die noch nicht dreijährige Erzherzogin Elisabeth konnten die nur sehr kurze Nacht¬ ruhe nur „Teils in den abgeuommenen Wageupölstern, teils in den Armen der Kammer-Bedienten" genießen.*) **) Als der Hof in Linz aukam, hieß es, daß die Türken auch in Oberösterreich eingedrungen und gegen Linz im Anzuge seieu, „den Kaiser nnd die Seinigen aufzuhebeu", weshalb die Reise so¬ fort bis Passau ausgedehnt wurde, von wo jedoch — nachdem sich jene Nachricht nicht bewahrheitete, alsbald „ohne längeres Verweilen" die Rückkehr nach Linz stattfand.***) Der Kaiser, der nach dem glücklich erfolgten Entsätze der Residenzstadt diese von: 14. bis 18. September 1683 besucht und besichtigt hatte, macht untern: 2. Angust 1684 von Linz ans dem Kapuzinerpater die Mitteilung, daß er wegen Erkrankung seines *) Hocke: Kurtze Beschreibung dessen was in wehrender Türkischen Bela¬ gerung der Kais. Residentz Stadt Wien . . . paßiret Wien 1085. g. 2. ff. **) Leben und Tilgenden Eleonore Magdalenae Theresias Römischen Kayserin (von P. Franz Wagner) Wien 1721 (das lateinische Original erschien Wien 1720). x. 4V ff. ***) ebenda x. 51. I'. von RcidicÄ. o Sohnes Leopold au Dissenterie die übrigen Kinder nach Enns geschickt habe, daß er aber demnächst nach Wien zurückkchrcn werde.*) Als Erzherzogin Elisabeth ins zehnte Lebensjahr ging, erkrankte sie zu Wien an den Blattern, wie der Kaiser dem Marcus d'Abiano aus Altötting (16. Februar 1690) meldet, sie überstand die Krankheit jedoch sehr gut, wie aus einem nächsten Schreiben (Wien 5. März 1690) erhellt, wo wir den Beisatz lesen, daß auch die Merkmale der Blattern ans dem Gesichte der Prin¬ zessin verschwinden.**) Nach vier Jahren, wieder im Februar, wurde Elisabeth in Wien abermals von den Blattern befallen, Überstand sie aber auch diesmal glücklich.***) Erziehung. - Äußere Erscheinung. — Charakter. Erzherzogin Elisabeth, die als kleines Kind schon „den Augenwink der kaiserlichen Mutter, sowie der Aja als einen ge¬ wissen Befehl angesehen", war dann, als sie in die Lernjahre getreten, ebenso genau in Befolgung dessen, was ihr vorgeschricben worden. Ihre Erziehung war eine vorzügliche. Denn obgleich mit Regierungs- und Kriegssorgen reichlich bedacht, hatte ihr kaiserlicher Vater sich selbst die Mühe genommen, der geliebten Tochter eine Tagesordnung für ihre Studien und Arbeiten aufzusetzen. Diese Ordnung lautete also:****) „Meine Tochter solle von dem Schlaf aufgeweckt werden um acht Uhr Morgens; das Gebet wird sie verrichten, und alles was zur Kleidung und Aufputz gehörig bis halber eilf Uhr zu Standen bringen; alsdann bis halber zwölf Uhr von P. Locatelli in den G r n n d sätz en L a t e i n i s cher S p r a ch, a ls io eiche z n r E r l e r n n n g anderer S p r a ch e n den Weg bahnet, unterwiesen werden, und dieses zwar, damit kein Geräusch die Lehrjüngeriu oder den Lehrmeister störe, an einem Ort, welches keinen Durchgang derer, die entweder Befehl hin- und widertrageu oder etwas anderes zu thnn haben, offen stehe. Nach diesem wird sie dem Opfer der hl. Messe aus den Knien betend mit großer Ehrerbietigkeit beiwohnen, um *) Onno kelüpp I. 0. I>. 46. ebenda x. 193. ***) ebenda i>. 255. ****) Wagner—Lanz: Leben und Tugenden Mariae Elisabethae... x. 4 ff. s, Erzherzogin Elisabeth, Regentin der Niederlande. zwölf Uhr speisen und bis zwei Uhr nach Belieben noch die Zeit zubringen. Von zwey bis drei) Uhr wird sie der T a n z- m eiste r in der Tanzt u n st unterrichten; die folgende erste halbe Stunde (3 — V?4 Uhr) kann sie sich auf dem Klavier, die zweite ('^4—4 Uhr) in der Schrift oder französischen Sprache üben nach Anordnung der Obersthofmeisterin*) und wiederum eine halbe Stund (4—'/^ Uhr eine Stick- **) oder andere Arbeit für die Hand nehmen, nachmals aber die Hauptstücke des Glaubens, deren Auslegung sie von P. Locatelli vernehmen wird. Um halber sechs bis sieben Uhr kann sie einer Ruhe oder Ergötzung pflegen, wie es der Obersthofmeistcrin thunlich scheinet, um sieben Uhr soll sie die Tag zeit en oder den Marianischen Rosenkranz beten, um acht Uhr zur Tafel gehen bis 10 Uhr sich mit Gespräch unterhalten und alsdann nach verrichteten Abendgebet sich zur Nachtruhe begeben. Der Obersthvfmeisterin ihre Schuldigkeit wird sein, daß sie mir alle Wochen berichte, wie sich meine Tochter mit was Aufmerksamkeit im Gebet, mit was Kleist im L er n en v e r h a lte? „Auf solche Weise" — fügt der Biograph bei — „wollte dieser weiseste Fürst seine Tochter unterrichtet haben und wäre es nur zu wünschen, daß adelige Eltern höheren Standes in Erziehung ihrer Kinder sich an solche Richtschnur halten." Die vom Kaiser vorgezeichnete Tagesordnung wurde von der Kaiserin „mit stäter Absicht und Wachsamkeit" im Auge behalten, daß dieselbe nicht überschritten werde, wie auch, daß man nicht Anlaß bekäme, an der Aufführung der Prinzessin etwas zu beob¬ achten, was ihrem Alter und Stamme minder anständig sein möchte. Da die Kaiserin aber wahrnahm, daß Elisabeth weniger an den dem Franengeschlecht sonst zuständigen Arbeiten z. B. dem Sticken und anderen Handarbeiten Gefallen finde, als am Studium, so beschloß sie, als die Erzherzogin in den Jahren vorrückte „deren Antrieben nachzugeben und „sie einzig der Erlernung höherer Wissen¬ schaften zu überlassen." Die Erzherzogin wurde nun von P. Baur im Lateinischen vollkommen unterwiesen, wurde mit den Grundgesetzen der Dicht- nnd Redekunst vertrant gemacht und wandte sich dann dem Studium der W e ltw e i s h e it zu, namentlich dem der Moralphilosophie. Im Verlaufe einiger Zeit war sie darin so weit fortgeschritten, daß sie Sätze daraus im Beisein des Kaisers und des ganzen Hofstaates vertheidigen konnte, „ans *) Im lateinischen Original „Vita vt virtutss .... heisst es: „nt (Zubsrnatrioi vi8nm knsrit". **) Ebenda heißt es: kbrxgionioo . . . oxrrs, also Goldstickerei. ?. von Nadics. 7 welchem Kampfplatze sie ganz und gar nicht heuchlerische Lobsprüche davongetragen". Durch diesen Sieg beherzter geworden, wandte sich Elisabeth mm der Wissenschaft d er "G eschichte zn ; obschon sie die alte Geschichte eifrigst durchgenommen, gab sie doch der neueren Geschichte den Vorzug „als welche zur nunmehrigen Lebensart helleres Licht anzuzünden vermöge". Ein Hauptgewicht legte aber die Erzherzogin auf die Ge¬ schichte ihres Erz Hauses Österreich, welche sie „vom ersten Ursprung an sammt der Zeitrechnung (also mit allen Jahr¬ zahlen) öffentlich zn Vertheidigen augetrageu". Außer der deutschen Muttersprache und dem Lateini¬ schen hatte die Erzherzogin auch die französische und welsche (italienische) Sprache, welche damals beim kaiserlichen Hofe, am meisten im Schwung waren, fast einzig und allein durch die Übuug, — namentlich durch das Anhören der vielen Schau¬ spiele bei Hofe — die spanische aber ans vielfältiger Lektüre vollkommen erlernt, so daß sie also fünf Sprachen „ohne seden Anstand frei geredet". Noch in den späteren Lebensjahren erlernte sic als Regentin in den Niederlanden das Vlä m is ch e, um die in dieser Sprache abgefaßten Bittschriften zn verstehen.*) Große Neigung trug Elisabeth schon von Jugend ans für Musik und Gesang und war besonders in der Kunst des Klavier¬ spiels wohlbewandert, sie liebte den Verkehr wie mit Gelehrten, so auch mit den Bieistern der Tonkunst. Neben der geistigen Erziehung wurde bei den kaiserlichen Kindern auch auf die Ausbildung des Körpers nicht geringes Gewicht gelegt, wie schon zum Teile aus der oben mitgeteilteu Tages¬ ordnung ersichtlich, in welcher im Zusammenhänge anderthalb Stunden der Recreation oder der „Ergötzung", d. h. der Unter¬ haltung nut Spielen (Ballspiel, Springen u. dgl.) gewidmet waren. Eine große „Ergötzung" fand aber die Erzherzogin auch in der Jagd,**) die sie, zur Jungfrau herangereift, gleich ihrem kaiser¬ lichen Vater mit großer Vorliebe betrieb. Da waren die Schweins- jagdcu im Prater bei Wien, die Raigerbaitzc in Laxenburg, uud namentlich He Hirschjagden iu dem gewöhnlichen Herbstausenthalte Kaiser Leopolds in Ebersdorf (Kaiserebersdorf), dessen Wildbahn eine sehr gute war und wo es „viel Wildpreth von allerhand Arten gab,***) woran Elisabeth lebhaftes Anteil nam." In dem *l Leben und Tugenden .... x. 7 ff. **) Ebenda p. 156. ***) Küchelbecker Allerneueste Nachricht vom Röm. Kays. Hofe Haubuer 1762, x>. 844. 8 Erzherzogin Elisabeth, Regentin der Niederlande. schönen kaiserlichen Lustschlosse zu Ebersdorf, das „sehr luftig an einem Walde gelegen nnd von vielen Wiesen umgeben war", drei Stockwerke hoch „viel besser, weitläufiger und bequemer als Laxenburg gebaut erschien", sah man im ersten Stockwerke, zu dem man über eine ansehnliche Treppe emporkam, nichts als „Jagdstücke" sowohl gemalt als in natura, ausgestopft, Hirsche, Wildschweine, Rehe und anderes Wild, an den Wänden allerhand Hirschköpfe „mit curienscn (seltenen) Geweihen", Jagdtrophaeen der kaiserlichen Familie.*) H -i- * In ihrer äußeren Erscheinung stellte sich Erzherzogin Elisabeth sehr vorteilhaft dar. Die junge Erzherzogin war von schöner Gestalt, mittelgroß, „ziemlich stark nnd nervig" (muskulös),**) ihr Teint war „von ungemeiner Weiße und Zartheit", im Gesichte rosig angehaucht, ihre Häude waren zierlich gestaltet, im Ganzen erschien ihr leibliches Wesen „von Ansehen mit Holdseligkeit vergesellschaftet", so „daß selbe allen Augen Liebe nnd Ehrfurcht eingeflößt". Das Ebenmaß ihrer Glieder machte sie besonders geschickt zur Tanzkunst, zu welcher sie auch nicht geringe Neigung trug. Und als sic bei den gewöhnlichen Faschingsspielen am kaiserlichen Hofe mit ihrem Bruder, dem nachherigen Kaiser Karl VI., unter jubelndem Trompetcnschallc beim Tanze den Anfang machte, zog sie Aller Blicke ans sich und alles bewunderte „ihr so ansbnndige Geschicklichkeit".***) * rjr Hr Was ihre Eharakter-Eigenschaften betrifft, zeigte Elisabeth schon in der frühesten Kindheit den im Hanse Habsburg als vor¬ zügliches Erbstück sich stets im glänzendsten Lichte weisenden echt christlich-frommen Sinn; nichtigem Kinderspiel abhold, war ihr Sinn immer dem Ernste mehr zngeneigt nnd der Betätigung aller angeborenen christliche Tugenden. Namentlich war die junge Fürstin schon durch hervorragende Übung der Nächstenliebe ausgezeichnet, ans welche als einer ihrer Haupttngenden wir später bei Schilderung der „Regentin" noch ausführlich zu sprechen kommen werden, und die in ihrem Wahlsprnche „llletato et OImAtnto" so herrlich *) Ebenda p. 842. **) Im Original: Vita öt virtutus (patz'. 14) heißt es': ('orporin Imbitulw ... norvaa, was Lanz mit „beinig" übersetzt, was aber (nach Schweller Bayer. W. B- I. patz'. 244) — knochig. ***) Leben und Tugenden . . . pa-A. 14.) ?. von Radies. 9 glänzte. Von Natur mit einem zarten Gemüt ansgestattet, lag der Erzherzogin nicht nur alle Schwäche ferne und jede Furcht, ja sie „zeigte sich in allen Dingen, die beschwerlich zu tun und zu ertragen, stark und anfgemuntert und mit der höchsten Fähigkeit begabt, nam¬ hafte Werke auf sich zu nehmen"?) Wie sie jede Unwarheit und Verstellung verschmähte, so war der Reinheit ihrer Seele und ihres Herzens jede Zwei¬ deutigkeit in der Rede zuwider, und Purpurrote über¬ zog ihr Antlitz, wenn etwa in den Schauspielen, denen sie anwohnte, nur annähernd zweideutige Anspielungen vorkamen. Gefiel es ihr ab und zu sinnreiche Scherzreden anznhören, so duldete sie doch bei ihren Hoflenten z. B. keine Spottreden und vor allem berührte es sie sehr schmerzlich, wenn ein alter Mensch scharf angegangen wurde. Selbst in der Tracht die Einfachheit stets dem Luxus vor¬ stehend, trug die Erzherzogin auch „nie Gefallen an der Gesellschaft jener ans dem Franengeschlecht, denen einzig die Kleiderpracht, die in der Stadt umgehenden Erzählungen, die Wittrnng und anbey nichts anders zu sprechen Anlaß gab." Eines weiteren habsburgischen Erbstückes sich erfreuend, des ausgesprochen leutseligen Wesens, zog sie gegen alle Personen minderen Standes oder minderer Stellung gleich herablassend und liebenswürdig, namentlich auch gerne die Söhne und Töchter der in minderen Stellungen befindlichen Hofleute zu sich heran und beschenkte die Kleinen stets reichlich, zumal wenn sie bei ihr znm Glückwunsch erschienen und lateinische Verse aufsagten, mit Gold- und Silberstücken und mit Konfekt; so geschah es immer an ihrem Namenstage, an welchem soviele Mägdlein, als sic gerade Lebens¬ jahre zählte, mit einem Geldbcntlein bedacht wurden**) Msabetb als Regentin. Die Niederlande, um deren Besitz durch zwei Jahrhun¬ derte zwischen Spaniern, Franzosen, Deutschen, Engländern und Holländern die blutigsten Kriege geführt wurden und die zu Anfang des spanischen Sneeessionskrieges den Franzosen in die Hände gefallen waren, kamen bekanntlich durch den Utrechter Frieden, nachdem die vereinigten sieben holländischen Provinzen sich von ihnen ge- *> Leben und Tugenden . . . 11. **) Leben und Tugenden . . . xnx. 77. ff. 10 Erzherzogin Elisabeth, Regentin der Niederlande. trennt und auch Frankreich einen Teil an sich genommen sowie die Holländer ebenfalls verschiedene Orte in Brabant nnd Flan¬ dern erhalten hatten, nahezu im dritten Teil des ehemaligen Besitzes Kaiser Karls V. und Königs Philipp ll. an die Römisch- Kaiserliche Majestät und erhielten den Namen: „Oesterreichische Niederlande." Der Kaiser setzte einen Gouvernenr ein, als welcher zuerst Prinz Eugen von Savoyen erscheint. Nachdem aber dieser 1720 zum Generalvikar des Kaisers in Italien ernannt worden nnd auch Marquis de Pris, welcher die österreichischen Niederlande schon unter des Prinzen Befehl regiert hatte, zu Anfang des Jahres 1725 von dem Posten eines Gouverneurs abberufen war, langte Marschall Graf Dann in Brüssel an unter dem Titel eines General- gouvernenrs, doch nur auf etliche Monate nnd mit der Mission, Anstalten znr Ankunft der Erzherzogin Elisabeth zn treffen, die ihr Bruder Kaiser Karl Vl. nach längerem Sträuben ihrerseits jetzt zur Regeutin der Niederlande bestimmt hatte. „Der Regierfncht, die sonst in denen Begierden der Menschen sich am ersten finden lasset, hatte — wie ihr Biograph sagt — die Demut Elisabeths allen Eingang zu ihrem Herzen verschlossen, daß, sofern es ihrer Willküre freigestauden wäre, sie jene einsame gewohnte Lebensart, jene süße Ruhe, die sie bei ihren Andachts- Übungen und in gelehrtem Zeitvertreib genossen, allen hohen Reichs- Verwaltungen vorgezogen hätte."*) Schon zweimal vorher war maßgebendsten Ortes der Blick auf die treffliche Fürstin gelenkt gewesen betreffs ihrer Wahl als „Regentin", einmal über die Grafschaft Tirol, das anderemal, als Karl Vl. die Kaiserkrone übernommen nnd ans Spanien abgezogen war; da beantragte er: „Diese weiseste Erzherzogin an seiner Stadt nach Barcelona abzuseuden, auf daß sie dein betrübten Zustand Eataloniens Rat nnd Hilfe verschaffe." Beide Vorhaben waren nicht in Erfüllung gegangen, „doch ist es — fährt Wagner in seiner Erzäh¬ lung fort — nicht auszusprechcn, in welchen Schrecken diese bei Hof umgegaugenen Gerüchte die Erzherzogin versetzt und Ivie sic sich, als dieselben wieder zerstreut waren, nicht minder beglückt fühlte, als wäre sic einem gewaltigen Unheil entronnen." *) Leben und Tugenden .... x. 42. I'. von Radies. ll Als jetzt ihr kaiserlicher Bruder au sie mit dem Ansinnen herangetreten war, die Regentschaft der österreichischen Nieder¬ lande zu übernehmen, da hatte sic sich als Gnade eine Bedenkzeit von acht Tagen ausgebeten, „um alle richtigen Ursachen niederzu¬ schreiben, welche sie vermögen könnten, entweder die augetragene Stelle anzunehmen oder abzulehnen" und war endlich zu dem Ent¬ schlüsse gekommen, daß sie, selbst wenn der Kaiser sie mit ausdrück¬ lichem Befehle hiezu beordere, dennoch Bedenken trage, solcher Amtsverrichtung ihre Schultern zu unterziehen." „Ich befehle es auf keine Weise — sprach der Kaiser — sondern bitte die Frau Schwester, sie geruhe unbescheert, die Re¬ gierung a n z n n e h m e n, w e lch e m e i n e n Niederländern zum großen Nutzen gedeihen." Darauf war Elisabeths Antwort: „D i e B i tt e n n d Ersuchen des Kaisers e r- kenne ich für einen Befehl und göttliche Stimme, der nicht Folge zu leisten eine höchst unbillige Tat wäre." Vor ihrer Abreise aus Oesterreich unternahm die Erzherzogin- Regentin in Begleitung des Kaisers und der Kaiserin noch eine Wallfahrt nach dem Gnadenvrte Maria-Zell in Steiermark, „nur durch Fürsprache der göttlichen Mutter Rat und Hilfe auf das Eifrigste zu erbitten." Am 4. des Herbstmonates 1725, als alle Vorbereitungen zur weiteu Reise getroffen waren, verließ Elisabeth in ansehn¬ licher Geleitschaft von 95 Wägen die Kaiserstadt Wien; von den Stadtmauern ertönten die Geschütz-Salven. Der Kaiser und die Kaiserin vergossen Tränen beim Abschiede, und allgemein wie ihr Lob von allen Seiten erscholl auch die Klage um ihren Verlust, und die Seufzer der Armen, deren „Mutter" von dannen zog, lösten sich im Gebete für sie ans. Auf der ganzen Fahrt wurde die Kaiser-Schwester aller¬ orts mit den gebührenden Ehren empfangen. Am 6. des Wein- monats langte die Regentin zur Tirlemont (Tienen), der ersten in Brabant gelegenen Stadt an. In dieser wohlgebauten, ziemlich großen Stadt harrten ihrer die abgeordneten Landstände, die vornehmsten des Adels, die Vorsteher geistlicher Orden nnd eine ungemein große Volksmenge, die die Kommende „mit großem frohlocken begrüßte". In der altberühmten Universitätsstadt Loew en wurde die Erzherzogin-Regentin nm einen dreitägigen Aufenthalt gebeten, zumal auch die Festvorbereitungen in der Residenzstadt Brüssel 12 Erzherzogin Elisabeth, Regentin der Niederlande. noch nicht beendigt waren; sie gab dieser Bitte ohne Widerrede Gehör und „vergönnte der edlen Stadt gar willig solchen Aufenthalt". Der Einzug in Brüssel erfolgte am 9. des letztgenannten Monates „mit herrlichster Pracht". Vor ihrem Wagen schritten einher alle Räthe der königlichen Gerichtsstellen, die Vornehmsten des Volkes und alle Rathsbeamten, und zunächst ging es in solcher Begleitung zur Hauptkirchc, an deren Portal der Kardinal Erzbischof von Mecheln mit dem gesamten Klerus die Erzherzogin Regentin erwartete und „ihrer Ankunft tausend Glück wünschte". Nach dem Ambrosianischen Lobgesange bewegte sich sodann der festliche Zug unter fröhlicher Losbrennung der Geschütze, unter Fackelschein und allgemeiner Belustigung gleichwie freude¬ vollen Zurufen des Volkes in den königlichen Palast. Brüssel zur Zeit der Regentin Erzherzogin Elisabeth hatte nach einer zeitgenössischen Schilderung*) folgendes Aussehen. Es hatte einen Umfang von 2 Stunden im Umkreise, eine doppelte Mauer 74 große und kleine Thürme an den Manern — einen hohen Wall und breite Gräben. „Die Siebenzahl — heißt es da — ist bey dieser Stadt sonderlich in Acht zu nemen, dieweil in derselben 7 öffentliche Brunnen, 7 Gassen, so znm sürnemsten Platz oder ans den Markt führen, auf welchem auch 7 große Häuser in der Reihe stehen, die vom Rath der Bürgerschaft vermietet werden, 7 vornehme und befreite altadelige Geschlechter, 7 Schöffen, 7 Hebammen und 7 Thore gezälet werden". Unter den Pfarr¬ kirchen' ragt besonders die nach der heiligen Jungfrau Gudula genannte und sonst dem hl. Erzengel Michael geweihte Kirche hervor mit der Grabstätte der hl. Gudula und einer Fürstengrnft, worin auch die Leichname der österreichischen Erzherzoge Albrecht und Ernst ruhen. Diese Kirche hat zwei hohe Türme, auf welche man 500 Staffeln zu steigen hat. All dieser Kirche bestehen zwei Dom- Hcrrn-Kollegien, das größere gestiftet 1047 mit 12 Domherrn, das kleinere ans dem Jahre 1229 mit 10 Eanouicis. In Unserer Lieben Frauen-Kirche auf dem Sand wird ein Teil der Reliquien der heiligen Jnugfran und Märtyrin Juliana von Nicomedien bewahrt. Eine schöne Kirche und in dem Eolleginm ein „feine Bibliothek" besitzen die Jesuiten. Unter den Klöstern ist besonders blvmIiarM Üvvruvri Un^psNi iNiunli NirrMiM 1'rymrtUi oder der Wunderbaren Welt in einer kurzen CoLmographia Beschriebener Dritter und Letzter Theil. Ulm 1708, x. 514 ff. ?. von Radics. 13 zu nennen das der Karmeliterinnen, das Erzherzog Albrecht von Österreich im Vereine mit seiner Gemahlin, der Infantin Isabella Clara Eugenia, gestiftet; in diesen! Kloster wird ein Finger der hl. Jungfrau Theresia in einem goldenen Behältnis bewahrt, die 1515 zu Abila in Spanien geboren, hernach daselbst Priorin und Reform des Karmeliterinnen-Ordcns geworden. „Von weltlichen Gebäuden aber" — sagt der Verfasser der „kleinen Weltbeschreibnng" — ist hier namentlich zu sehen der fürstliche Marstall, darin 127 Pferde stehen können, obenauf ist eine Rüstkammer, darin der alten Herzoge von Burgund Waffen und die Häute derjenigen Pferde auf Holz ausgespannt sind, deren eines dem Erzherzog Albrecht von Oesterreich bei seinem Einritt in Brüssel gedient und das andere, ein Schimmel, der ihn aus der Schlacht von Neuport getragen. Es sind in solcher Rüstkammer auch viel andere schöne Sachen zu sehen und unten im Hofe des Mar¬ stall war der Brautwagen der Infantin Isabella, der die Summe von 1400 Kronen gekostet, bis ihren Lebzeiten zn schauen gewesen und — fügt der Bericht bet — vielleicht noch". Der fürstliche Palast, das Schloß und die Residenz der Erz¬ herzogin-Regentin, ist ein weitläufiges, großes Gebäude, meisten¬ teils alten Baustil weisend, nach der Länge angelegt, im höherm Stadtteil gelegen, über dem Hanptthor mit einen! Ilhrthurm ge¬ ziert, in welchem „viele kleine Glocken mnsiziren"; es hat einen im Gevierte gehaltenen Hof, der jedoch nicht sonderlich groß ist. Zur linken Seite desselben gelangt man empor zn einem großen hohen Saal und zn der hohen herrlich gezierten, mit schönen Pfeilern versehenen Kapelle, den Hauptsehcnswürdigkeiten dieses Palastes. Außerdem gehören zu dem Palaste der Tiergarten, der Fischerweiher, das Vogelhaus (die Volidre), die Lustgärten, Wasserkünste u. s. w. Vom Schlosse geht man hinunter in das Rathhaus, ein prächtiges Gebäude mit einer Art Wasserleitung „da mau das Wasser bis zu oberst haben kann"; den Turm schmückt die Statue des hl. Michael, des Patrons der Stadt. In den Zimmern befinden sich herrliche Kunstwerke, darunter ein Gemälde von Rubens, das Urteil Salomons, „das auf 3000 Gulden geschätzt wird"; in den oberen Räumen sind auch ein Zeughaus und eine Rüstkammer untergebracht. 14 Erzherzogin Elisabeth, Regentin der Niederlande. Andere herrliche Paläste sind die der Familie Arschot, Au male, Cleve, Hv ch straaten, Barle mont, Aren berg, Mannsfeld, Egmont, S Pino la und andere mehr; das Haus von Ravenstein „so jetzt, dem Hause Sachsen gehörig" liegt mitten in der Stadt; der Uranische oder Auraische Palast ist 1624 den 13. März in Brand geraten, was einen Schaden von 160.000 Gulden verursachte. Außer den Palästen der Adeligen sind „allhier auch ansonsten allerhand öffentliche und ansehnliche Privathäuser, stattliche Blumen¬ gärten und in denselben allerhand Wasserwerke sehenswürdig." Über den Zustand der österreichischen Niederlande zur Zeit, als Erzherzogin Elisabeth die Regentschaft über dieselben antrat und führte, schreibt ein schon genannter Zeitgenosse, Küchelbecker:* *) „Unterdessen ist auch diese Portion (von den gesamten Nieder¬ landen) für Oesterreich sehr avantageuse und ist es nur zu bedauern, daß dessen Aufname (Aufnehmen) bei andern Nationen so eine große Jalousie verursacht". Erahnt dabei das durch den Neid der Mächte hervorgernfene und bedingte Aufhören der daselbst errichtet gewesenen ostindischen Kompagnie im Auge, durch deren Fortbestand unzweifel¬ haft die österreichischen Niederlande „durch das Commerzium zu dem höchsten Grad der Glückseligkeit würden gelangt sein". Denn gleichwie die gesamten Niederlande die schönsten, fruchtbarsten und gesegnetsten Länder von Europa sind, so könne man das insbesonders von dem österreichischen Anteil mit Recht sagen, indem dieselben nicht nur einen sehr fruchtbaren Boden haben, sondern auch wegen der Lage an der See zur Schiffahrt sehr bequem und „voller schöner Städte und Festungen sind". Die Niederländer nennt dieser deutsche Beobachter „kluge, arbeitsame und verschlagene Köpfe, welche die Freiheit lieben"; weil zu Aufstände sehr geneigt, seien soviel Festungen im Lande angelegt, die aber anderseits die Bestimmung haben „das Land vor die benachbarten Puissances zu schützen". Ein anderer Beobachter, der Engländer Barelei,*) faßt alle, die spanische und holländischen Niederländer, in seiner Betrachtung zusammen: Obwohl diese Nation 'in zwei verschiedene Regie¬ rungen verteilt, so ist sie doch einerlei „Complexion" geblieben. «) 1. o. xs.K. 132 ff. *) leon ^aiinoruw. . . ins deutsche ausgesetzt durch Johann Sayferteu von Ulm. Bremen 1648, xu»-. 106 ff. ?. von Radios. 15 Den Müssigang hassen sie als ein großes Laster, daher haben sie ihre Waisenhäuser, worin sie die Knäblein und Mägdlein zur strenger Arbeit anferziehen und ihre Zuchthäuser, worin die ungeratenen Kinder und faulen Landstreicher in der allerhärtesteu Arbeit anderen zum abschreckenden Beispiel ihr Leben hinbringen müssen. So gewöhnt sich Jedermann an das Arbeiten, Jung und Alt, ihre Städte werden auf diese Art reich und nur selten sieht man Jemanden am Bettelstab. Sie sind Leute ohne Falschheit und können Hinterlist nicht vertragen; sie meinen, es solle Jedermann so redlich sein, wie sie selbst und deshalb hassen sie den Betrug, wie den Tod. Sie haben hochgelehrte Herrn unter sich, welche zu den wichtigsten Geschäften können gebraucht werden. Bei den Flan¬ dern und Brabantern findet Barelei spanischen Einfluß und besonders weiß er diesen nachzusagen, daß sie sehr nach hohen Titeln streben, was auch von den Spaniern herrühre, „darumb wer sie weiß hierin zu respectireu der kann sich bei ihnen angenehm machen; ,,gegen libkvsende Leute seyend sie freundlich" — wie der Über¬ sitzer Seyfert schreibt — sehr complimentösisch, daß sie desto mehr geehret werden und also bezahlen sie Ceremvnien mit Ceremonien". Das gemeine Volk in beiderlei Provinzen rühme sich seiner Freiheit sehr, ja eine Partei gegen die andere, und damit halte jeder Stand die Seinen (die Höheren die Niedrigeren) im Zaum, wenn er es verstehe, sich vor ihnen zu demütigen, sie auf der Gasse hinwieder zu grüßen, bei den Malzeiten sich zu ihnen zu setzen und seine eigene Hoheit gleichsam nicht zu achten. Vom ersten Tage an, da Erzherzogin Elisabeth die Ver¬ waltung der österreichischen Niederlande übernommen hatte, beivies sie in allen ihren Handlungen jene feste und energische Hand, die in allem ihre große Ähnlichkeit mit ihrer Nichte, der großen Maria Theresia, erkennen läßt. Ihr Hauptaugenmerk richtete sie auf die gute Erziehung der Jugend, die sie durch Errichtung von Unterrichtsanstalten und durch persöntiche Belohnung guter Fortschritte mächtig förderte. Zunächst war ihr Augenmerk der Königlichen Akademie, deren Vorsteher Guilelmus Weichert war, mit allem Eifer zugewandt und sie gestand es gerne zu, daß die adelige einheimische wie aus¬ wärtige Jugend, die der Sitte jener Tage gemäß Bildung und Erziehung au dieser Akademie suchte, in demselben Hause und unter jenen Lehrern, die zum Unterrichte ihrer Hof-Edelknaben an- 16 Erzherzogin Elisabeth, Regentin der Niederlande. gestellt Ware», mit diese» gemeinsam ill der Sprache und anderen Wissenschaften, sowie in Reit-, Fecht- und Tanzkunst unterrichtet wurden?) lind gleich zn Beginn ihrer Regierung bestimmte sie 5000 fl., deren Zinsen zu einem Stipendium „zu künftig ewigen Zeiten" für einen adeligen Jüngling, damit er nach Gebühr seines Standes in den Wissenschaften und „guten Künsten" erzogen werden solle?* **) ) Mit welcher Sorgfalt die Erzherzogin für das Beste ihrer Hausgenosfenschaft bedacht gewesen, geht daraus hervor, daß sie die Fortschritte ihrer Edelknaben, beziehungsweise der Königlichen Aka¬ demie selbst überwachte, die Schulübnngen und Aufgaben selbst übersah und die einzelnen mit ihrem Lobe oder mit Ermahnungen zu fernerem Fleiße und Eifer bedachte.***) Als bei ihrer deutschen Dienerschaft die Anzahl der Kinder derart angewachfen war, daß ihr für die Erziehung derselben eine eigene Schule nötig erschien, nahm sie einen eigenen deutschen Schulmeister auf, der die Kleinen in den ersten Gruudlehren zu unterrichten hatte; sie übertrug die Stelle dein Beichtvater der Hoffräuleins, damit die zarte Jugend „mit der Erkenntnis der Buchstaben auch zugleich die Lehre des Heils in den ersten Jahren ergreifen sollte"?***) Gleichwie die Regentin für Bildung und Erziehung in dem engeren Umkreise des Hoflebens gleich im Anfang ihrer Regent¬ schaft bedacht gewesen, war sie es aber nicht minder im Hinblicke auf die ihrer Regierung anvertrauten, der Allgemeinheit gewidme¬ ten, höheren Unterrichtsanstalten. Und da war es in erster Linie, als Ausfluß ihres hohen Gerechtigkeitssinnes, ihr Befehl, daß die Lehrer in den Schulen nicht etwa durch heftigen Wort-., und Schriftstreit gegeneinander jemandem zum Ärger¬ nis würden; es kamen nämlich bisweilen derartig verfehlte Lehrsätze aus der Presse, die mit herben und gegen geistliche Mä¬ ßigung verstoßenden Schmähungen wider die entgegengesetzte Lehre (der Protestanten) vermengt waren, wodurch den Anhän¬ gern dieser Lehre vielfältige Gelegenheit geboten war, mit Schmähungen „gegen die Rechtgläubigen" (die Katholiken) zn erwidern?**** *****) ) *) Leben und Tugenden . . . PUA. 49 ff. **) Ebenda 74. ***) Ebenda 75. ****) Ebenda psA, 62. § *****) Ebenda IZH, I'. von Radies. 17 Uin die durch die Glaubensspaltnng in dem Reiche stoch be¬ stehende Unruhe der Geister uach Möglichkeit zu beseitigen, wußte sie es zu bewirken, daß der Senat der altberühmten Universität Löwen durch eigenen Beschluß sestsetzte, daß nur Katholiken zn Würde, Amt und Stellung an der Universität gelangen könnten. Wie die Erzherzogin-Regentin dabei vorging, darüber müssen wir ihren Biographen selbst reden lassen. Er sagt:*) „Elisabeth hatte es überaus nud lauge gewünscht, daß sich nach ihrem Bei¬ spiel auch die vvruehme Universität vder hohe Schule zu Löwen richten sollte, welche das Recht hatte, viele Freiheiten, Pfründen und Amtswürden den Wohlverdienten zu erteilen. Nun hatte sich ereignet, daß drei Abgeordnete (der Universität), weiß nicht um was für eine Guade anzuhalten, von Löwen sich in Brüssel eingesunden. Sie, die Regentin, bewilligte unschwer deren Ansuchen, gab ihnen aber entgegen zu verstehen, daß sie auch eiu Anliegen habe, welches sie von den gesamten Mitgliedern der hohen Schule gebilligt und bewerkstelligt zu sehen verlange, nämlich sie sollten eiu Gesetz er¬ lassen, das sie zugleich auf dem Papier schon abgefaßt vorwies und welches außer Zweifel der (katholischen) Kirche zu großem Vorteil, zur Ruhe und Ehre einer so ansehnlichen hohen Schule gereichen würde. Die Abgesandten waren besonders zufrieden, daß die Erz¬ herzogin ihren Willen schriftlich abgegeben hatte, auf daß kein Arg¬ wohn auf sie selbst fallen könnte, als hätten sie etwas in eigenem Sinne dieser Wunschäußerung beigesetzt. Als die Abgeordneten heim¬ gekehrt waren, wurde ein Rat aller akademische» Beamten ver¬ sammelt und vvn diesen mit einhelligem Beifalle das Gesetz bestätigt, wornach für künftighin nur Katholiken an dieser Hohen Schule zu Würde, Amt oder Pfründe gelangen können."^*) Zedler schreibt in seinem Universallexikon***) von dein hohen Ailsehen, in welchem der Rektor dieser hohen Schule immer ge¬ standen, daß er den Vorrang vor dem päpstlichen Nuntius hatte, außer wenn dieser ein Kardinal oder llagalus a latere war. Des Engländers Bro w n****) Angabe nach Gorvpius BeearuS, daß keine Universität ihresgleichen — wegen der trefflichen und lüfligen Gelegenheit (Lage) — weder in Italien, noch Frankreich, weder in *) Ebenda 98. **) Ebenda paZ. 99. ***) Band XVIII (1738), pnA. ff. ****) Reisen .,. 330, 18 Erzherzogin Elisabeth, Regentin der Niederlande. Deutschland nach in Spaniel! zu fiuden sei, begegnen wir bei Zcdler wieder, sowie daß diese Universität einer großen Menge Studenten und einer großen Anzahl Lehrer in allen Wissenschaften erfreue. Die Streitigkeiten, die seit 1687 unter den Lehrern geherrscht, waren nun beigelegt.*) Was die politische Verwaltung der Lande betraf, war der oberste Grundsatz der Erzherzogin-Regentin, von dem sie sich bei allen diesbezüglichen Maßnahmen leiten ließ, derjenige, daß vor allem die Landesorduungen einznhalten seien, „an deren unverletzter Beobachtung das Heil und der Nutzen der Lande hafte."**) In den ihr zur Entscheidung vorgelegten Gerichtssachen bewies sie stets ihren hohen Gerechtigkeitssinn und zugleich ihre große Milde in glänzendster Weise. Sie hatte bisweilen die Voll¬ ziehung des vom Gerichte gefällten Ausspruches verschoben, nicht etwa deshalb, nm der Gerechtigkeit den Laus zu hemmen, als um den bedrängten Leuten Zeit zu lassen, sich um stärkere Beweise in ihren Händeln umzusehen oder in Güte einen Vergleich zu treffen, sie selbst aber gewann dadurch auch die Zeit, mit den Vorstehern der Ratsstellen die Beschaffenheit und Wichtigkeit der betreffenden Sache in genauere Erwägung zu ziehen; ja die Erzherzogin schlug in vielen Fällen selbst die Bücher der Rechtsgelehrten auf, um sich daraus Rats zu erholen und ein eigenes Urteil zu bilden, was in dem gegebenen Falle zu tun oder zu lassen sei.***) „Solcher Fleiß Elisabethae — schreibt Wagner-Lanz — der mit gleicher Erfahrenheit vergesellschaftet, war den Ratsbeamtcu ein mächtiger Antrieb, auch ihren eigenen Fleiß und ihre eigenen Kräfte anznspannen. Deren Einer, als man ihm einmal bei einer prächtigen Tafel sitzend, den Befehl überbrachte, nach zwei Stunden sich bei Hofe einzufinden, augenblicklich von der Tafel aufgestanden und den Freunden, die ihn gebeten, nur ein wenig noch zu verziehen, zur Antwort gegeben: „Ich weiß, wohin und welcher Ursache wegen ich zu gehe» habe, zu jener Frau nämlich, welche, da sie Fragen stellt, mit Einwürfen begegnet und den Grund der Sache zu durch¬ lesen verlanget, damit ich also mit der Beantwortung zufrieden- stelle, ist mir eine geraume reifliche Vorbereitung erforderlich."****) *) Zedler I. o. MA. 247. **) Leben und Tugenden. .. MA. 122. ***) Ebenda MA. 130. "***) Ebenda xnA. 134 1 ?. von Radios. 19 Osters stellte sie mit den Nichten: die dahingehende Beratnng an, wie die Rechtshändel im kurzen Wege zn schlichten wären (via jurw summni-M», was im allgemeinen Wunsche der Bevölkerung gelegen sei; auch trag sie den Richtern strenge auf, die Unbe¬ stechlichkeit zn wahren, und die „Herzen von ungeord¬ neten Neigungen frei zu halten," die den streitenden Teilen höchst beschwerlichen Aufschübe abzukürzen und die verdrießlichen Vorwände der Advokaten abzulehnen!*) Mußte in peinlichen Gerichtsverhandlungen der irdischen Ge¬ rechtigkeit unbedingt der freie Lauf gelassen werden, so verordnete die Regentin wenigstens eine mildere Todesstrafe ohne Peinigung. Ihr wahrhaft erhabener, von ihrer reinsten Nächstenliebe getragener Sinn leuchtet aber ganz besonders aus der Tatsache hervor, daß sie dem allgemeinen Wahne, als seien die Blutsfreunde und Verwandten zum Tode verurteilter Personen gleichfalls für unehrlich zu halten, damit die Spitze abbrach, daß sie den Bruder eiues Hingerichteten in eine ehrliche Amtsstelle einsetzte.**) Ein Ausfluß ihrer reinsten Nächstenliebe Ivar es auch, daß sie es sich fast täglich angelegen sein ließ, wenigstens mit Almosen das Elend derjenigen zu lindern, die in den öffentlichen Kerkern im Eisen schmachteten, und sie berief den Priester, dem es von Amts wegen oblag, die Kerker zu besuchen und die Gefangenen zu trösten und jene Matrone, die dies aus Antrieb christlicher Liebe übernommen, zu sich, um von diesen beiden zu erkundigen, welche Anzahl Gefangene sich in den Kerkern befinde, welcher Art ihre Verbrechen, wie lange sie angehalten und ob nicht die Unter¬ suchungen durch die Richter unbillig hinansgeschoben würden, sowie ob unter den gefangen Gehaltenen nicht welche seien, die man aus finstern und greulichen Gefängnissen in bessere überstellen könnte, was sie denn auch „nach Verständnis der Sache" mehrmals an¬ befahl.***) Für die zum Tode Ausgeführten verrichtete die Erzherzogin selbst ihre Gebete und forderte durch ihr Beispiel auch die Umgebung auf, ja sie erkaufte auch durch Almosen das Gebet der Armen, „auf daß diese auch dem Sterbenden die letzte Gnade wahrer Buße von dem lieben Gott erbitten sollten".****) *) Ebenda I. o. **) Ebenda xnz. 136. ***) Ebenda xnx. 73. Ebenda l. o. 20 Erzherzogin Elisabeth, Regentin der Niederlande. Ihre Sorgfalt für Hebung der Moralität in der Bevölke¬ rung betätigte sie, wie im allgemeinen durch alle von ihrer Weis¬ heit und Güte getroffenen Maßregeln, insbesouders durch die Er¬ richtung von zwei Häusern in Brüssel, die auf ihre Kosten hergestellt wurden. Erstmals ein großes und weites Haus ließ sie erbauen „ans daß die müßigen, ohne Unterhalt herumstreifenden Straßen¬ bettler daselbst zur Arbeit ungehalten und durch fleißiges Handwerk das Brod zu verdienen und das Leben ehrlich zu fristen sich ange¬ wöhnen sollten". Nebst den Unkosten für den Bau dieses einen Nettungshauses steuerte die Regentin für die Erhaltung desselben und den Unterhalt der Insassen jährlich die Summe von 10.000 fl. Große Summen bestimmte sie für die Erhaltung eines zweiten Rettungshauses. Es war dies das Haus zum hl. Kreuz, in welches „meistenteils unverschämte Weibsbilder, die aus dem Schlamin der Sünden herausgezogen", interniert wurden, um da Buße zu tun und dann einen ehrbaren Lebenswandel führen zu können?) Ihre Gerechtigkeit und Milde, die sie als Regentin allerwegen geübt, sie kamen versinnbildet auf die Nachwelt in der Denkmünze, die ihr zu Ehren augesertigt worden und auf welcher die Sonne zwischen der Wage und dem Löwen zu sehen mit der Inschrift: Uoriem iirte-r ffistumciue ^uuvlle-r nrllst (Sie leuchtet angenehm zwischen der Stärke und der Ge¬ rechtigkeit)?* **) ) Den Armen und Bedrängten war Erzherzogin Elisabeth in allen Lebenslagen und Verhältnissen ihr Leben lang eine stets hilfsbereite Trösterin und Helferin. Noch am Kaiserhofe zn Wien war sie schon, namentlich nach dem Hinscheiden ihrer kaiserlichen Mutter, „der an Guttätigkeit wenige auf Erden gleich gekommen", ein 606UI' pur axeellenee. Wenn sie des morgens oder abends zum Gottesdienst in die Kapelle des hl. Laverins sich ver¬ fügte, war sie jederzeit von einer solchen Menge von Bedürftigen umringt, daß man endlich die Türen verschlossen halten mußte, welche den Eintritt in die Burg vermittelten. Als bei ihrem Abschiede aus Wien die Stände des Erzherzogtums Oesterreich unter der Enns der Erzherzogin ein namhaftes Geschenk, das übliche ständische Präsent dargereicht, verteilte sie dasselbe unter die Hausgenossen, besonders an jene, die Schulden hatten, oder an die Frauen des *) Ebenda xaK. 70 s. **) Ebenda xaZ, 1LV, k. von Radios. 2l Hofstaates, die wegen fehlender Mittel die Regentin nicht in die Niederlande hätten begleiten können. Als sie die Regierung angetreten, war sie insbesonders stets unermüdlich in Erteilung von Audienzen an die ihre Hilfe Heischenden. Es geschah dies gewöhnlich nach Aushebung der Tafel. Diese ihre große Leutseligkeit erfüllte die Armen und Elenden mit solchem Mut, daß sie die Türen zu ihren Gemächern belagerten und unter einander stritten, um vvrzukommen; ja oft wurde die Erz¬ herzogin von den ungestüm Vordringenden im Schlafe gestört. Die Leibärzte ermahnten Elisabeth öfters, sie sollte sich schonen und nach der Tafel ruhen, denn das Anhören nicht erfreulicher Dinge sei dem Körper hinderlich in der Verdauung, worauf sie zu er¬ widern pflegte: Das Verhandeln mit den Bedrängten, das andern vielleicht zur Unlust gereiche, sei ihr schon durch Gewohnheit angenehm und gereiche ihr zur Gemütsergötzung. Der Vorstellung, sie solle doch wenigstens einen Unterschied zwischen den Bittenden machen, denn in den Hansen derselben mengten sich nicht wenige ein, welche von bösem Ruf, von schlechtem Lebenswandel, von verschwenderischer Lebensführung u. s. w., die vielmehr bestraft als vorgelassen zu werden verdienten, entgegnete die Regentin: Diejenigen, die von Gott verlassen, seien destomehr der menschlichen Hilfe bedürftig, ans daß sie nicht von der Armut, die nicht selten eine Mutter der Laster ist, ganz und gar in den Abgrund hineingetrieben würden. Dem Einwurfe, es sei untunlich, allen ohne Unterschied einen guten Ausgang ihres Handels zu versprechen, oder ihnen allen mit Geld auszuhelfen, wozu die Schätze nicht ansreichen würden, antwortete Elisabeth: „Und wenn auch das 'Geld nicht ausreicht, warum sollte ich nicht wenigstens mit Trost und liebreichen Worten den Be¬ drängten begegnen; ich habe es erfahren, daß insofern sie sich mit mir nur besprechen und ihr Anliegen unterbreiten können, sie als¬ dann mit größerem Mut zu ihren Beschäftigungen zurückkehren, mit welchen sie daun ehrlich ihr Leben hinbriugen. So ich auch tausend mit solchen Trost von mir entlasse, wird doch hiedurch weder mein, noch der gemeine (Staats-) Säckel verletzt." Alle drei Monate legte sie aus ihrer Privatschatulle eine Summe Geldes zur Seite und übergab dieselbe ihrer Kammerfrau; einmal geschah cs, daß schon nach Ausgang des ersten Monates der Armen-Säckcl erschöpft und nichts mehr zur Verteilung übrig war, worauf sie der Almosenier aufmerksam machte, daß sie mehr verteile, als sie 22 Erzherzogin Elisabeth, Regentin der Niederlande. im Vermögen habe. Da erwiderte die Regentin lächelnd, daß ihr Unvermögen den Willen, allen beiznspringen, weit übertreffe/'*) Was Elisabeth für die Kirchen und Klöster in den öster¬ reichischen Niederlanden getan, verzeichnen die Chronisten derselben mit goldenen Lettern und es würde zu weit führen, sich hier darüber in alle Details einzulassen. Einer hervorragenden Gründung dieser Art sei hier besonders gedacht. Den von Kaiser Karls V. ausgezeichneter Schwester, der heldenmütigen Königin Maria von Ungarn als Regentin der Niederlande in Henegau angelegten reizenden, nach der Schöpferin benannten Ort Marie Mont, dessen Schloß von den Franzosen im 17. Jahrhunderte in Asche gelegt, später wieder aus dem Steinhaufen mit neuer Pracht in die Höhe gestiegen, liebte Erzherzogin Elisab eth vorzüglich als bnon rslwo. Und hier hat die fromme Habsburgerin „ein herrliches Denkmal ihrer Gottseligkeit hinterlassen", nämlich eine Kirche, die der Him¬ melfahrt Mariens gewidmet und in der Art und Gestalt der St. Peterskirche zu Wien anfgeführt ist, die man unter die prächtigsten Gotteshäuser der Kaiserstadt zählen muß. Diese neue Gründung wnrde von dem päpstlichen Nuntius in Brüssel und Erzbischof zu' Nikodemia am 2. August 1789 mit feierlichem Gepränge geweiht.**) In der Zeit ihrer Regentschaft wurde das Englische Fräulein- stift und der Orden der Dominikanerinnen aus Irland in Brüssel eingeführt. Letzteren waren anfänglich von amtlicher Seite betreffs der Ansiedelung Schwierigkeiten gemacht worden, doch die Regentin erbat die Erlaubnis eigens von ihrem kaiserlichen Bruder in Wien; wie sie auch von Brüssel ans in ihrer Eigenschaft als Pro¬ tektoren des adeligen Fräuleinstiftes von Hall in Tirol dieses gegen eine im Zuge gewesene „Untersuchung der Aufrichtung, Satzungen und Gebräuche dieses königlichen Stiftes" seitens der weltlichen Behörden dnrch eine nachdrückliche Bittschrift an den Kaiser derart zu schützen wußte, „daß die beabsichtigte Untersuchung alsogleich aufgehoben rind die löblichen Verordnungen der Voreltern unangetastet und aufrecht erhalten blieben."***) Die Erzherzogin-Regentin führte in Brüssel die Frohnleich- nams- und Auf'erstehnngsprozessionen ein, gleichwie sie *) Leben und Tugenden .. . M8- 50 ff. **) Ebenda paZ. 68. ***) Ebenda xaA. 80 ff. ?. von Radios. 23 auch, solange es ihr Gesundheitszustand zuließ, am Gründonnerstag die F nßw a s chu n g der Ar m e n vornahm.*) Trotzdem sie mit einem in den Niederlanden herrschenden Gebrauche, die Verquickung von Andachtsübungen mit Aufzügen, „wobei verstellte wilde Tiere, als Löwen, Tiger, Krokodile auf hohen Bühnen herumgetragen wurden", nicht ein¬ verstanden war, gab sie doch den Vorstellungen des Ordinarius, des Erzbischofs von Mechelu, uach, daß man einen so uralten, von Maunsgedanken her üblichen Gebrauch ohne Unlust und einiger Bewegung des Volkes nicht anfgebeu könne", und fand den Mittel¬ weg darin, daß sie bei diesen Bittgängen nur so lange gegen¬ wärtig blieb, bis das Hochwürdigste Gut an seinen Ort zurück- gestellt war, und erst nachher den althergebrachten Umzug zu Roß und zu Fuß mit Herumtragen der genannten Tierimitationen ge¬ stattete. Unter der weisen Regierung der Erzherzogin erfreuten sich die österreichischen Niederlande eines steten Friedens, was dem durch schier zweihundertjährige Kriege und innere Unruhen arg verwüstet gewesenem Laude - Ivie ihr Biograph sich ausdrückt — „neu und ungewöhnlich er¬ schien" ; eine Folge dieser Ruhe von außen und im Innern war das Aufblühen von Handel und Wandel; Städte und Märkte wuchsen, Straßen wurden erweitert, zur Bequemlichkeit der Reisenden gepflastert und an den Wegen schattige Alleen angelegt; der „gemeine Mann" konnte seine Acker sicher bestellen und „mit doppelter Blüte und Frucht das hereinbriugen, was Kriegs¬ flammen nnd Feiudesstreit früher verheert hatten". * Ihre Lebensweise war eine sehr einfache. Sie bediente sich mit Vorliebe nur einer einfachen Kost und vermied die verfeinerten Speisen nnd das weiße Brot. Sie trank gekochtes Zimmetwasfer und zum Schlüße der Tafel nur einen einzigen Becher Weins. Immer ging ihr das Geschäft vor und selten konnte sie das bereitete Mittagmahl zur bestimmten Zeit einnehmen, „also, daß gemeiniglich die aufgetragenen Speisen erkaltet waren und auf untergesetzten Glntpfannen ausgewärmt werden mußten". Abends nahm sic mit Vorliebe Schokolade, von der sie sich jedoch an Fast¬ tagen enthielt, wo dann nur eine Fastensuppe nnd ein gekochtes Ei ihr Nachtmahl bildeten. *) Ebenda pag. 147. 24 Erzherzogin Elisabeth, Regentin der Niederlande. Ihre vorzüglichste „Ergötzlichkeit" bestand in dein Jagd- vergnügm und da ganz vornehmlich an der Hirsch nnd Wildschweiu- jagd. Mußte sie dabei öfters mehrere Stunden unter dem Zelt warten, bis endlich eiu Wild aus dem dichten Gebüsch gegen die Wachen zum Vorschein kam, so war sie darüber durchaus nicht verdrießlich, sondern brachte die Zeit mit Nachdenken oder im Gespräche mit ihrer Obersthofmeisterin zu. Zur Reiherbeitzc, die bei den Niederländern in größerem Schwünge war, verfügte sie sich in späteren Jahren nur mehr, nm die frische Lust besser genießen zu können und zwar deshalb, weil ihr Augenlicht im Abnehmen begriffen war. Wie in allen Dingen offenbarte sich aber bei Elisabeth auch auf den Jagden die Milde ihres Wesens im schönsteu'Lichte. Wenn man z. B. auf deu Hirsch- und Wildschweiujagden ab und zu „ohne nur einen Schatten von einem Hirschen oder Wildschwein zu sehen" abziehen mußte, so war die Erzherzogin-Regentin weit entfernt, Unlust zu zeigen oder die Jäger wegen ihrer Unwissenheit oder Unlust zn tadeln, und sie enthielt sich dieser Jagden gänzlich in der Zeit, da der Landmann seine Ernte etnzubringen hatte, gleichwie sie bei der Reiherbeitze, wenn ein eingefallener Regen die Erde erweicht hatte, den Falkenmeistern untersagte, durch öfteres Hin- und Herreiten den Wiesen nnd Äckern Schaden zuzufügcn, wenn auch diese Gründe im Eigentum des Landesfürsten gelegen und nur um eineu geringen Betrag ausgelehnt waren.*) Ihren starken Geist und ihr unbedingtes Gottvertrauen bewies sie aber, wie im allgemeinen, so besonders bei dem tieftraurigen Ereignisse des großen, vernichtenden Brandes der königlichen Burg zu Brüssel. Im Jahre 1731 entstand zur Winters- und Nachtzeit Jener in der Antikamera, aller Mutmaßung nach, durch Überheizung des Kamins. Alles im Schlosse lag im tiefen Schlafe, nur die Erzher¬ zogin-Regentin war, wie sie sagte „auf Ermahnung ihres Schutzengels außer Schlaf und munter geblieben". Sie war auch die erste, die den Brandgeruch verspürte, die Kammerfrau weckte, die dann deu Flammenherd entdeckte und in das Schlafzimmer der Erzherzogin zurücklaufeud, zur eiligen Flucht aus der arg drohenden Gefahr mahnte. Die Erzherzogin aber trieb die Kammerfrau an, durch Rufen *) Leben und Tugenden . . . 152 ff. p. von RadicS. 2ö die Hausgenossen zu wecken, nnd sie selbst begab sich nur ganz leicht gekleidet, von dein Betstühle dasBil d d e s Gekreuzigten mit sich nehmend, in die Schloßkapellc, nm da das begonnene Gebet fortzusetzen. Hier fand die Obersthofmeisterin Gräfin von llhlefeld ihre Fürstin im Gebete und war voll des Schreckens auch hier noch die Erzherzogin in der größten Gefahr zu sehen, da das wütende Feuer sich auch schon der Kapelle näherte. Erst der dringenden Bitte der Gräfin leistete Elisabeth Folge nnd begab sich, von einigen Be¬ dienten gefolgt, zunächst in das Haus des Oberststallmeisters Ru- bempre nnd darauf iu das entlegener befindliche Oranische Haus, das der erste Hofminister Gras Viscorti bewohnte, wo sie sodann den Rest der Trauernacht auf der Erde liegend zubrachte, nachdem das in der Eile für sie aufgeschlagene Bett aus den Fugen gewichen war. Da keine genügenden Löschwerkzeuge vorhanden waren und die drängende Volksmenge die zum Löschen getroffenen Anordnungen mehr hinderte als förderte, war gar bald „dieser uralte Palast der Herzoge von Brabant gänzlich iu Brand gesetzt, die ganze Burg samt dem Kirchendach in wenig Stunden in Asche gelegt, drei Personen erbärmlich beschädigt, ein Weibsbild durch einen unglück¬ lichen Sprung vom Fenster herab ans der Stelle Todes verblichen, und was das Bedauerlichste war, der Gräfin Uhlefeld einzige und auserlesenste Fräulein Tochter von dem Feuer elendiglich gebrennt und bald hernach gestorben". AlsderErzherzogin Beichtvaterzu ihrgeeiltkam, „fand er Elisabeth nichts minder denn verwirrt, bestürzet oder weheklagend, sondern mußte vielmehr sehen, wie sie jenen mit Trostworten zuvorkam", die sie zu trösten beflissen sich zeigten. Sic wiederholte mehrmals: „Der Herr hat cs gegeben, er hat es wieder hinweggenommen, die Hand des Herrn ist auch damals zn küssen, da sie uns herbe Streiche versetzt." Da aber die Leibärzte die Be¬ fürchtung hegten, daß ihr Körper durch den ausgestandenen Schrecken Schaden gelitten, drangen sie in die Erzherzogin, sich eine Ader öffnen zu lassen, „allein sie wollte lange darein nicht willigen, weil sie, ihrem Vorgeben nach, sich weder am Leib noch Gemüt krank zu sein vermerke, doch mußte sie endlich sich darein ergeben, nachdem die Acrzte nicht soviel mit Bitten als fast mit Befehl an sic ge¬ drungen." „Die gefrässigen Feuersflammeu hatten innerhalb wenig Stunden alles aufgezehrt, was nur bei Hof Kostbares zu finden und Zierliches zu sehen war", der Schmuck, das königliche Haus- 26 Erzherzogin Elisabeth, Regentin der Niederlande. gerate, die Tapeten „von großer Kunst und Kostbarkeit", der Bücher saal, die Gemälde, Nippsachen usw. und die Garderobe der Erz¬ herzognr, der kein Kleid übrig geblieben und die sich nun fremder und entlehnter bedienen mußte. Nichts aber fiel der frommen und kunstsinnigen Fürstin schwerer aufs Herz bei dem Verluste all dieser Dinge als die Vernichtung „von Heiligtümern, welche sie wegen gottseligen Angedenken der Auserwählten in hohem Wert gehalten", wie nicht minder der Verlust von Büchern und jener großen Bilder „welche die kunstreiche Hand des niederländischen großen Künstlers Rnberü (Rubens) verfertiget hatte". Auch dieses Ereignis aber, bei dem sie aller Schätze verlustig geworden, bot ihr nur wieder den Anlaß, ihren hohen Wohltätig¬ keitssinn zu üben und den Verlust, den durch dieses Unglück ihre Umgebung erlitten, wettzumachen. Der Kaiser hatte seine Frau Schwester mit einem Geschenk von 100.000 st. bedacht, wovon sie jedoch nur soviel für sich verwendete, als die höchste Not erforderte, den größten Teil aber ihren Leuten zuwandte; auch die kostbarsten Edelsteine, deren man nicht wenige aus der Asche hervorgeholt, trugen dazu bei, den erlittenen Verlust etwas wett zu machen.*) Obschon die Land-Stände von Brabant gleich nach dem Brande des Königsschlosses den Beschluß gefaßt hatten, den Re¬ genten aus ihrem eigenen Säckel eine neue würdige Residenz zu erbauen „so ist" — sagt Wagner — „solches Vorhaben, weiß nicht, was Ursach wegen, wiederum zu Wasser worden",**) und die Erzherzogin-Regentin blieb auf das Orangische Hans, als ihr Wohnhaus, angewiesen, dessen Beschaffenheit ihr „manche Gelegen¬ heit zum Leiden und zur Geduld an in die Hand gab." War aber das Brandunglück höchst betrübend für Elisabeth, „so war doch" — wie ihr Biograph sich ansdrückte — „ein noch weit stärkerer Mauerbrecher die Standhaftigkeit unserer Heldin zu schwächen, der nnversehen angekündete Tode des Kaisers, ihres Herrn Bruders." ***) Am 16. Oktober 1740 war Kaiser Karl VI. auf dem Lust- und Jagdschlösse Halbthurn unterhalb Ödenburgs (in Ungarn), „allwo sich die Kaiserliche Majestät wenigstens einmal im Jahre mit der Jagd zu invertiere n und einige Tage daselbst zu verbleiben" pflegte****), *) Ebenda MK. 161 ff. **) Ebenda MA. 169. ***) Ebenda MA. 171. **"*) Kuchelbretter I. o., MA. 848. von Radies. 27 durch eine Erkältung des Magens und das in den Leib zurückgc- tretene Podagra plötzlich erkrankt-sich) und war Pier Tage danach, am 20. Oktober, bereits eine Leiche. Es war allgemein bekannt, wie sich insbesondere die hohen Geschwister liebten, und speziell, welche innige Neigung Elisabeth sür ihren kaiserlichen Brnder empfand. Es wurde daher sür ratsam gehalten, der Erzherzogin die Kunde von dem Todesfälle durch ihren Beichtvater znkommen zu lassen. Als dieser nun bei ihr vorgelassen worden, machte er den Eingang seiner Rede mit den Worten: „Sie wolle sich nicht zu sest (sehr) betrüben, insoferne sie eine nnlustige Zeitung vernehmen würde." Sie sagte: „Die lätztens angelaugten Briefe haben mit sich gebracht, daß dem Kaiser, ihrem Herrn Bruder, eiue Unpäßlichkeit zugestoßen, und habe sich sodann von Halbthuru nach Wien zurückbegeben, scheine auch hieraus nichts größeres zu befürchten." „Weit traurigere Zeitung," versetzte der Beichtvater, „ist eingetroffen, denn der Kaiser hat wirklich das Zeitliche gesegnet." Die Erzherzogin fiel in ihrem Sessel zurück nnd blieb eine zeitlang stumm und starr und konnte ob der Heftigkeit des Schmerzes weder ein Wort hervorbringen, noch eine Träne ver¬ gießen; erst später, „gleich als ob sie die Last von Unheil vor Augen hätte, die dem ganzen Europa und ihrem durchlauchtigsten Erzhanse bevorstunden, hat sie den ans dem Innersten des Herzens geschöpften Seufzern freien Lauf gelassen."* *) Krankheit und Tod. Ihre Ergebung in den göttlichen Willen betätigte Erzherzogin Elisabeth am Nachhaltigsten und Demütigsten in den letzten Jahren ihres Lebens, als sie mehr und mehr von körperlichen Leiden heimgesucht wurde; die Sehkraft war in rascher Abnahme begriffen, lästige Hustenanfälle, Rotlauf, Schwindel zuletzt ein schweres Kehl- kopfleideu und die Bildung von Gallensteinen beschwerten die fromme Dulderin, die trotzdem unentwegt all die Geschäfte einer Regentin mit allem Fleiße erledigte, in unausgesetzter Reihenfolge bis an ihr Ende. Als ihre Kräfte allmählig einen sichtbaren Verfall wiesen, war die Meinung der Leibärzte, es würde zur Stärkung des ge- ck's) Geschichte der Allerdurchlauchtigsten Maria Theresia Kaiserin-Königin . . . Frankfurt und Leipzig 1749, pax. 14. *) Leben und Tugenden . . . t"1 f- M Erzherzogin Elisabeth, Negentin der Niederlande. schwächten Körpers nichts heilsamer sein, als eine Luftveränderung und cs „schiene auch nirgends ein so gelinder und günstiger Himmel zu sein, als in dem königlichen Schloß Maria Mont, von dessen Höfe man mit freiem Ange die flachen Felder des Hcnnegau über¬ sieht und das ein von Wäldlein und Gärten annehmlicher, von heilsamen Wasser sehr gesunder Ort ist."*) So erfolgte denn am 24. des Henmonds 1741. die Abreise von Brüssel nach Maria Mont. Die Erzherzogin-Regentin fühlte dann volle 16 Tage eine auffal¬ lende Besserung in ihrem Befinden. Spaziergänge in dein Garten und „den ili langer Reihe offenstehende Luftwegen," Besuche des nahegelegenen Sauerbrunnen, den Leibarzt Villerius aus Löwen „auf Gewicht und Eigenschaft" „reiffer untersucht" hatte, auch gar ein paar Jagdausflügc wechselten mit frommen Gängen nach dem ailf dem nächsten Bühel gelegenen Marianischen Kirchlein und zu dein Franziskanerkloster in Binche (2. August) lind mit Erledigung von Staatsgeschäften; auch erhielt die Erzherzogin zahlreiche Be¬ suche von Adeligen aus der Nachbarschaft. Doch die Hoffnung war leider nur eine eitle; am 14. August befiel die Erzherzogin „Engbrüstigkeit und Ficberkälte", nachdem sic einen Tag sich besser befunden, zeigte sich Rotlauf am rechten Fuße und Beschwerden im Atem; auch stellte sich rascher Kräftc- verfall ein. Ihr erster Hofminister Graf Harr ach berief nun, nachdem die Leibärzte wie Lebzelter, Triev und Mandalier ihr Möglichstes getan, noch zwei Leibärzte ans Löwen, die beim Konsilium übereinstimmend mit den Vorgenannten der Meinung waren, „das scharfe ungesunde Wesen des Rotlaufs habe sich von deu äußern Teilen gar zu geschwind in die inneren zurückgezogen, was ans dem aufgeschwollenen Magen genug abzuuehmcu wäre". Am 25. August setzten die Pulsschläge aus, der Leibarzt N. von Lebzelter kündete' setzt dem Beichtvater die nahe und gewisse Todesgefahr an und letzterer bereitete die in den Willen des Allmächtigen voll ergebene Fürstin durch Vorlesung des Spruches des hl. Gregork „Der Herr klopfet an" au/ das nahende Ende vor, worauf Elisabeth erwiderte: „Wie gering und wenig ist das Gute, so ich gewirtet, doch gctröstc ich mich, Gott werde nach seiner Güte krönen seine eigenen Barmherzigkeiten, die er an mir getan hat".**) Die Erzherzogin empfing die *) Leben und Tugenden . . . PNA. 'ZOO ff. **) Ebenda xax. 206. ?, von Radios. Sterbesakramente am 25. August und verschied ganz ruhig am 26. August uach Mitternacht, „als wollte sie sanft einschlafen, hat sie ohne einige Krümmung der Spannadern oder gewaltsamer Ver¬ drehung ihre kostbare Seele in die Hände Gottes, ihres Schöpfers, aufgegeben".*) Die Bewohner von Brüssel, denen kurz zuvor die erfreuliche Nachricht von anscheinender Genesung überbracht worden war, wollten lange nicht der von ihrem Tod „nunmehr erschallenden Zeitung" Glauben schenken, welche, als sie „aller Orten ruchbar" worden, die gesamten österreichischen Niederlande „wegen Verlust einer so geliebten Fürstin in äußerste, gar nicht verstellte Bestürzung gesetzt"**.) Die Sezierung des Leichnams ergab, daß fast kein inneres Organ gesund war. Nebst sehr großen und verhärteten Drüsen im Halse waren beide Teile der Lungen voll Geschwüren „unterhalb derselben befanden sich einige mit einer eiterigen scharfen Flüssigkeit angefüllte Knoppern" in der linken Höhlung des Herzens war „ein harter und fleischichter Auswuchs" oder Polypus in Größe einer Nuß, doch nicht angewachsen, der andere hingegen, der sich in der rechten Höhlung Vorstand, war kleiner doch angewachsen": der Unterleib war durch den Satz« einer ausgetretenen schwarzen Galle sehr ausgedehnt, die Leber angeschwollen und verhärtet, in der Gallenblase fanden sich zwei kleine, nußähnliche Steine, die Milz war stark verhärtet, dies waren — heißt es schließlich — in Wahrheit genügsame Ursachen des Todes."***) Nachdem der Leichnam in Marie Mont noch einbalsamiert worden, wurde er nach Brüssel überführt, hier auf dem Paradebett mit zu Seiten beigelegten erzherzoglichen Ehrenzeichen ausgesetzt, „welchen zu sehen und ihrem gottseligen Geist die ewige Nuhe anzuwünschen sich alles Volk unter vielen Tränen eingefunden". In der Nacht fand dann die Beisetzung der Erzherzogin in der Kirche St. Michaelis nnd Gudulan neben den ^Gebeinen Jsabellae, Clarae, Eugeniae und des Erzherzogs Albrecht statt. Sie hatte !zwar zu Lebzeiten gewünscht nnd niedergeschriebcn, in der Kapuzinerkirche zu Wien beigesetzt zu werden und zwar zu den Füßen ihrer Kaiserlichen Eltern, „doch wegen der aller Orten *) Ebenda 20V. **) Ebenda I. o. *") Ebenda Mß, 210 f. 30 ?. von Radios. ausbrechenden Kriege" komite diesem ihrem Wunsche vorläufig nicht entsprochen werden. Am 7. Tag des Weinmonates wurde in der genannten Hauptkirche zu Brüssel über Anordnung des ihr in der Regentschaft der Niederlande gefolgten Grafen Har rach das feierliche Traueramt für die Erzherzogin-Regentin gehalten, doch ohne die sonst übliche Leichenrede, welche Elisabeth in ihrer tiefen Demut sich ausdrücklich verboten hatte. Ihre tiefbetrnbte Nichte, Kaiserin M a ri a T h e r e s ia veran¬ staltete zu Preßburg in der Domkirche ein solennes Requiem zu ihrem frommen Gedenken. Nachdem am 18. Oktober 1748 zu Aachen der Friede ge¬ schlossen war, erfüllte man der Dahingeschiedenen in ihrem Testa¬ mente ausgesprochenes Verlangen nach der Beisetzung ihres Leich¬ nams in der „Kapuzinergruft", und es geschah die Überführung desselben im Frühlinge des nächsten Jahres; am 24. April 1749 nahmen die Kapuziner am Neuen Markt zu Wien den Leichnam der Erzherzogin Elisabeth und zugleich denjenigen der 1744 (16. Dezember) zu Brüssel verstorbenen Erzherzogin M a r i a A n n a in Empfang.*) -t- -i- * Erzherzogin Elisabeth, die von ihrem Vater, Kaiser Leopold t., „den reifen Verstand und das Urteil, von der Mutter, der Kaiserin Eleonore, die ausgezeichnete Frömmigkeit und alle christlichen Tugenden geerbt," hatte die Worte ihres sterbenden Vaters: „Du, meine Tochter! wirst einstens Unserem Kaiserlichen Namen und Stamme zu großer Ehre und Zierde sein" in vollstem Umfange bewahrheitet. Die kaiserlichen Niederländer, durch ihren Tod in die größte Bestürzung versetzt, riefen es einstimmig aus, „daß sie an Weisheit und Tugend allen Frauen vorzuziehen sei," gleichwie sie „die Liebe zu ihr nicht so fest (sehr) als zu ihrer Frau dann (denn) als zu ihrer Blutter" im Herzen getragen!**) *) Ebenda xnK. 213 f. **) Ebenda 142.