UAMGNUKWRGN an die akademischen Jünglinge, „über das größte Geboth des Christenthnms," gehalten in der Kirche des deutschen Ritter -Ordens, am siebenten Sonntage nach Pfingsten, zum S chlutte des S oh ul j a h r e s 1841. Von C08LVM WASAMLNr täckss re^e! ee,/r/ Lis sreundlivdes Vade - lnecum aus der weitern Studien- und Lebensdakne. Von den Studierenden des zweiten Jahrganges der philosophischen Studien in Druck befördert. Oedruclrl chei rlasenN It I n «i> i Ir. Text. „Du sollst Gott deine» Herrn lieben über alles, und deinen Nächsten, wie dick selbst." Macrh. 22, 37. u 116858 »Akademische Jünglinge! Zehn Monate, bestimmt zu unserer geistigen Bildung und sittlichen Veredlung, sind nun wieder dahin geflossen in die Fluthen der Ewigkeit! — und heute stehen wir am Schlüsse des Schuljahres, zum letzten Male versammelt bei unserm diesjährigen akademischen Gottesdienste. Das Ende eines Schuljahres ist gewiß ein sehr wichtiger Zeitpunkt für Lehrer und Lernende, und macht die dringende Aufforderung an mich auch ein wichtiges Wort heute beim Scheiden zu Ihnen zu svrechen, und könnte ich wohl als Religionslehrer von etwas Wichtigerm sprechen, als von dem, was unsere heilige Religion in ihrem praktischen Theile uns als das Wichtigste darstellt — von der wahren christlichen Liebe? So wie Gott selbst sich die Liebe nennt—so wie seinen eingcbornen Sohn die grosimüthigstc Liebe vom Himmel auf die Erde, und endlich an's Kreuz gebracht hat, — so wie der Mensch gewordene Sohn Gottes, so lange er unter den Menschen sichtbar wandelte, die edelmüthigste, grenzenlose Liebe bewies, — wie diese Liebe auch nach seinem Tode nicht erlosch, — wie er sich unser Haupt, unsern Mittler und Bruder nennt, der hinauf fuhr in den Himmel, um allen seinen Getreuen dort bei seinem Vater ewige Wohnungen zu bereiten; so lehrt auch seine ganze Religion Liebe als das größte Geboth, von dessen Erfüllung oder Nichterfüllung unser zeitliches und ewigeS Wohl oder Wehe abhängt. Und fürwahr, alle Menschen von jedem Alter, Geschlechte und Stande sind empfänglich für diese edle Ge- müthsneigung, die mit frohem Wohlwollen alles umfasset, was wahr und recht, gut und edel ist, die sich der Wahrheit und Tugend freuet, die mit reinem Auge auf geistige Schönheiten hinblickt, nicht nach vergänglichen Gütern strebt, sondern Güter, die ewig dauern, zu erwerben sucht. Ein Leben ohne solche Liebe wäre ein Tod in der geistigen Natur. Diese Liebe gebiethet uns daS Christenthum, und diese Liebe ist das erste und wichtigste, eigentlich das einzige Geboth desselben; „Liebe deinen Gott mehr, als alles; liebe dich selbst mit einer vernünftigen edlen Liebe; und so wie dich selbst, liebe auch deinen Nebenmenschen.- Dieses größte Geboth möchte ich Ihnen, meine Freunde! jetzt in der Trennungsstunde so leben¬ dig darstellcn, daß Sie eS zu Herzen fassen und im Herzen bewahren, daß Sie es milnchmen auf alle künftigen Lebenswege und treu beobachten bei allem Ihrem Thun und Lassen — Ihr Lebelang! Liebe Gott und liebe ihn mehr, als alles; denn er ist einer solchen Liebe würdig, weil er der Anfang und das Ende aller Dinge, die Urquelle alles Wahren und Guten ist und alle Vollkommen¬ heiten besitzt. Denken wir uns unsern Gott, wie er mit grenzenloser Allgewalt alle Wesen schafft und alle glücklich haben will, wie er mit Weisheit und Gerechtigkeit alle beherrscht, und für alle sorgt, und besonders seine Menschen liebt. Sind wir gleichwohl Staub und Asche, haben wir auch aus uns selbst nichts Gutes, sind wir auch vor seinen Augen unvollkommen; so schaut er doch den Menschen als daS Meisterstück seiner Schöpfung, alS die Welt im Kleinen, als sein Bild, begabt mit Vernunft und freiem Willen, ausge¬ rüstet mit seiner Macht die Erde zu bevölkern und auf ihr zu herrschen über die übrigen Wesen, ge¬ schaffen mir einem unsterblichen Geiste, mit der Anlage und Kraft sich ihm anzunähern und ihm ähnlich zu werden. Sah er, dasi alles, waS er gemacht hatte, gut war; so bezieht sich dieses vorzüglich auf den ersten Menschen, so lang' er in seiner ursprünglichen Gerechtigkeit lebte. Mit Wohlgefallen mußte er auf sein Geschöpf herab- und in ihm den Abdruck seiner Vollkommenheit sehen. Er schaute deS Menschen Seele, so edel und von so großer Fassungskraft, dessen Herz von so unermeßlichem Raume, daß nichtS Erschaffenes beide zu ersättigen vermag, und nur die Erhabenheit und Unermeßlichkeit seiner selbst — nur er selbst ihr heisieS Verlangen erfüllen kann, wie sich der h. Augustin so wahr, als schön ausdrückt: «Für Dich, o Gott, hast Du uns erschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in Dir.- — Gott sah im Menschen sein eigen Gebilde und liebte ihn als solches, und daraus ent¬ sprang seine Thätigkeit ihn mit dem Ausgusse seiner Güter zu segnen. Za sogar, da der Mensch von seinem liebenden Schöpfer abfiel, erhob sich, da er der Unverän¬ derliche ist, dessen thätige Liebe um so mehr, sein geliebtes, unglückliches Geschöpf durch die Sendung seines SohneS auf die Erde zu retten. Alle Bilder der Zärtlichkeit sind in den heiligen Büchern faßt erschöpft, um seine Liebe gegen uns Menschen zu schildern: «Wie ein Adler über seine Kleinen wacht, so wacht der Herr über uns." — «Ich bin der Vater, (sagt er) der Vater der Witwen und Waisen, der in der Noth Schmachtenden, und mein Ohr hört sie, wenn sie zu mir rufen.» — «Man greift (sagt er) in meinen Augapfel, wenn man euch wehe thut.» — Er hat jedem aus unS Einen seiner Himmlischen zugesandt, die uns wie auf den Händen tragen. Ec hat uns noch mehr, er hat unS seinen eingebornen Sohn gegeben, und wem aus uns soll es noch unbekannt seyn, was dieser für uns gethan und gelitten hat? ZssuS Christus der ewige Sohn des ewigen Vaters sah im erlosetcn Menschen da-S Kind Gottes, seinen Bruder, versöhnt und gerechtfertiget, den Miterben Gottes und seiner Herrlichkeit durch endlose Dauer; er frohlockte im Geiste darüber und weihete sich selbst auS Liebe als Opfer für ihn, daß er ge¬ rettet und geheiliget werde: «Zch bin der gute Hirt; der gute Hirt gibt sein Leben hin für seine Schafe — darum liebet mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe." (Zoh. 10, 11,17). Der Erlöser nennt unS mit den sanften Namen: Freunde, Brüder, sein Vater im Himmel ist auch unser Vater, der uns innig liebt; denn er sagt: «Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.» (Zoh. LO, 17.) Es ist seine Freude unter unS zu seyn; er wohnt wircklich unter unS — auf unfern Altären ist der Thron seiner Güte und Freundlichkeit. Mein Züngling! Gott war dein Vater und Beschützer von deiner ersten Kindheit an, und will es so lange seyn, alS dein Pilgerleben auf Erden dauert und bis der Tod Dich ganz in seine Arme überliefert. Du warst manchen Gefahren ausgesetzt, und er hat Dich gerettet; zähle, wenn Du kannst, die Stunden des Frohseyns, die Du gehabt, sie sind zahlreich und sie sind alle von ihm. Menschen lieben, ernähren und kleiden Dich und sorgen für Dich; dein Gott ist es, der diese wohlthätigen Ge¬ fühle, durch welche Du so manchen Segen erhältst, in ihre Herzen sendet. Du wirst manchmal in Noth und Elend gewesen seyn, wo Du Dir nicht zu helfen wußtest; er war eS, der Dir einen Ausgang an¬ gewiesen und geholfen hat. Du bist nicht selten undankbar gegen ihn gewesen, hast seine Güte mit Vergessenheit und seine Liebe mit Sünden vergolten; er hätte Dich wohl bestrafen können; aber er er- -«XÄ «F wieS Dir neue Liebe, veränderte Dein Herz und gab Dir heilsame Gedanken ein, Empfindungen der Neus und Versätze der Besserung. Durch seine Gnade erleuchtet sähest Du ein, wie schändlich und schädlich die Sünde, wie süfi der Friede im Herzen und wie gut ein reines Gewissen sey. Du kehrtest auf dem Wege der katholischen Bußanstalt zurück zu Gott, reuevoll bittend: »Vergieb, o Vater! ich werde nicht wieder Boses thun vor deinem Angesichte« —- und er verzieh Dir deine Sünden und nahm Dich wieder gnädig auf. Wer hat je auf den Herrn vertraut, und ist zu Schanden geworden? Wer hat je mit trauriger Seele in schrecklichen Gefahren zu ihm um Hülfe gestehet, und hat keine erhalten? Gott liebt unS ganz uneigennützig; denn was kann er von unS erwarten, oder was können wir ihm geben, wodurch er vollkommener und seliger würde? Zwar fordert er auch unsere Gegenliebe; aber dieses darum, weil wir durch nichts anderes glücklich werden können, als wenn wir ihn über alles lieben. Die ganze Natur rings um unS öffnet unermühdet die wohlchätigen Quellen ihres Reichthums; wann sättiget sich das Auge des edlen Menschen an den Schönheiten, die in den mannigfaltigen Szenen der prächtigen Schöpfung verbreitet sind? wie reichlich und gütig ist für die Bedürfnisse und für das Vergnügen der Menschen gesorgt! Und wenn wir uns höher erheben, und nach dem Willen unserS besten Vaters uns der Tugend weihen und an ihrer Hand nach dem beßern Vaterlande pilgern; wie unaussprechlich sind da die reinen Wonneempsindungen des Gerechten! — Wie süß ist das Bewußcseyn der Unschuld, die im Herzen, wie eine Blume aus dem Paradiese, in Engelanmuth blühet! — Wie selig das Herz des glücklichen Tugendfreundes, der mit reinem Gewissen unter den Augen seines Gottes wandelt, und dessen Hoffnung auf ewige Belohnungen felsenfest ist! — Und kommen diese Güter und Freuden nicht alle auS Gottes Hand? „Wir wissen, daß denen, welche Gott lieben, alles zum Guten mitwirke.« (Röm. 8, 28.) Freunde! Wir wollen Gott lieben, weil er aller Liebe würdig ist und uns zuvor ge¬ li eb et har. (Joh. Br. I. 4, 49.) Vor seinem Angesichte soll Jeder auS unS den festen Vorsatz ma¬ chen: »Liebenswürdiger Gott! Dir allein will ich leben und treu beobachten Deine Gebothe; denn sie sind gut und gerecht, wie Du es bist; herzlich bereue ich es Dich je beleidiget zu haben;« »Spät habe ich Dich, o alte und neue Schönheit, spät habe ich Dich zu lieben angefangen.» (h. Augustin.) Dir sollen alle Tage meines Lebens geheiligec scyn; — vor Dir will ich wandeln und jede Gelegenheit benützen durch edle Thaten Dein Wohlgefallen zu verdienen. — Vater! Dich will ich ehren und lieben aus ganzem Herzen hiernieden — ehren und lieben auch nach dem Tode noch immer — und ewig!« * * * Du sollst ferner dich selbst mit einer vernünftig-christlichen Liebe lieben. »Diese vernünftig-christ¬ liche Selbstliebe aber ist die herrschende Fertigkeit des Gemüthes und das Bestreben seine eigene natür¬ liche und übernatürliche Würde nach einer von der Lehre Jesu geleiteten Selbstachtung zu erhalten und zu befördern, oder ist das Bestreben für das Heil seiner Seele zu sorgen und dieselbe im Zustande der heiligmachenden Gnade zu bewahren.« Zeigt uns schon die Vernunft unsere moralische Würde, so be¬ stimmt die Offenbarung dieselbe noch genauer und erhöhet sie, da sie uns den großen, erhabenen Zweck bekannt macht, zu dessen Realisirung uns der Schöpfer ruft und der Heiland durch seine heilige katho¬ lische Kirche leitet. Wir sind für Gott geschaffen und für eine Seligkeit, die nicht etwa nur eimge Jahrhunderts, sondern durch Ewigkeiten fortdauern wird. Die christliche Selbstliebe ist nun durchaus geschäftig und thätig durch wahre Tugend dieses hohe Ziel zu erreichen. ES scheint zwar, als wenn zur Selbstliebe kein Gesetz der Religion nothwendig wäre, weil sie schon im Menschen vorhanden ist und jeder sich leicht davon überzeugen kann, — und wo ist der Mensch der sich selbst hasset? O ja, nur zu zahlreich sind die Verblendeten, die eben darum, daß sie sich mit einer unordentlichen sinnlichen Neigung lieben, ihre eigenen größten Feinde sind. Durch diese verblendec sucht man auf alle mögliche Arten seinen Sinnen wohlzuthun und erfindet täglich neue Künste, wodurch man seinen Körper weichlicher pflegen, wollüstiger nähren, geschmackvoller und artiger seinen Leidenschaften frohnen kann; man überwindet die größten Schwierigkeiten, trotzt den schrecklichsten Gefahren und bringt die theuersten Opfer, um zu glänzen, um reich zu werden, um sich über Andere emporzuschwingen; — man tritt Gewissen und Gerechtigkeit mit Füssen, man betrügt und verleumdet, heuchelt und erniedriget sich; man schwört Meineide, vertilgt Scham und angeborne Menschenwürde, um Dinge zu erlangen, die man zu seinem Glücke unentbehrlich wähnt. Aus Egoismus oder falscher Selbstliebe zerreißt man die festesten Bande dec Natur: Eltern verwahrlosen die ihnen von Gott zur guten Erziehung anvercrauten Pfänder ihrer Zärtlichkeit; Kinder empören sich wider jene, von welchen sie das Leben und manches Gute empfangen haben; Brüder streiten wider Brüder und der Freund wird nicht selten Verrärhcr seines Freundes. Eigennutz und schmutzige Selbstsucht bringen die Menschen oft so weit, daß sie Andere gern im Jammer und Elende sehen, wofern nur ihnen auS fremden Thränen ein Vortheil erwächst. Was ist das Leben einiger Menschen anders, als eine unausgesetzte Arbeit sich Wege und Mittel zu verschaffen, um ihren Lüsten fröhncn zu können? Ist aber das Liebe gegen sich selbst, wenn man seine Seele ver¬ nachlässigst — eine kurze Zeit in wilden oder raffinirken Vergnügungen raset und sich dadurch gewisses Elend für eine endlose Dauer bereitet? So pflegen die Menschen häufig gegen die rechte Ordnung in der Selbstliebe zu fehlen; darum spricht der Heiland öfters von der Selbstverläugnung und von dem Selbsthasse als zur Ordnung der weisen Selbstliebe gehörend: »Wer nicht sein Kreuz ergreift und mir damit Nachfolger, ist meiner nicht werch." »Wer sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden." (Matth, io, 38, 3S.) »Was nützet es dem Menschen, wenn er auch die ganze Welt gewinnt, an seiner Seele aber Schaden leidet?" (Luc. s, 23.) Und der h. Gregor schreibt: »Wenn du übel geliebt hast, so hast du gehaßt; wenn du recht gehasset hast, so hast du geliebt." Wenn du deine Seele verkehrt liebst, so wirst du sie verlieren. Jünglinge! Sie stehen jetzt in den Jahren der Vorbereitung zu einem künftigen Stande; aber wenn Sie sich jetzt daran gewöhnen lauter Süssigkeiten zu kosten, stets in spielender Leichtigkeit dahin zu schweben und überall die Wünsche Ihres Herzens befriediget zu sehen; wenn Sie sich jetzt im Taumel unbezähmter Lust zu verrächtlichen Schwächlingen heruntergenießen; wie werden Sie einst die Bitterkeiten aushalten, die im reifern Alter sicher eintreten? wie die Beschwerden tragen, die Ihnen ein öffentliches Amt auflegt? wie den Versuchungen zum Unrechte widerstehen, und wie die blendenden Reize ver¬ schmähen können, die Ihre Ehrlichkeit in Anspruch zu nehmen drohen? Wie werden Sie einst alS Diener deS Staates mit unbestechlicher, gewissenhafter und ausdauernden Treue an dem Wohle der Menschheit mitzuarbeiten im Stande seyn, wenn Sie nicht schon jetzt die Sinnlichkeit der Vernunft und diese den Gebothen Gottes zu unterwerfen gelernet haben? Hören Sie, meine Freunde! was die Religion über die Selbstliebe sagt: Du sollst dich lieben, o Mensch! aber deine Liebe muß weise und wohlgeordnet seyn. Du darfst ringen nach Vortheilen; aber sie seyen wahre Vortheile, nicht Täuschungen. Du sollst streben nach deinem Glücke; aber nicht nach einem solchen, das in einigen Momenten verschwindet, von dem in deiner Todesstunde nichts mehr übrig bleibt, als das traurige Andenken daran. Nicht dein Körper, deine Seele verdient deine vorzügliche G Sorge; gieb jenem, was er nach seinen wahren, nicht eingebildeten, Bedürfnissen bedarf; aber für deine Seele sorge vorzüglich. Suche die Wahrheit und erleuchte die finstern Regionen deines Verstandes mit einem Hellern Lichte; aber suche die Wahrheit auch mit einem frommen, religiösen Sinne: Hättest du (Thomas von Kempen von der Nachf. Christi i. B. i. u. 2. H.) die ganze Bibel und die Sprüche aller Weisen im Gedächtnisse, hättest aber dabei die Liebe Gottes — seine Gnade nicht im Herzen; wozu hälfe dir all' jenes, ohne dieses Einzige? Hätte ich die Wisset: schäft aller Dinge in der Welt, und fehlte mir nur daS Eine, die Liebe; waS nützte mir all' dies; Wissen vor Gott, der mich nach meinem Thun richten wird." Za, wahrhaftig, nur dadurch erhält der Geist des Menschen wahre Weisheit, das; Gott der Mittelpunkt all' seiner Forschungen und Erkenntnisse wird! Dein Wille neigt sich gern hin zum angenehmen Bösen, halte ihn zurück und zerbrich die Kraft der bösen Triebe, die nach der Sünde jagen. Die Tugend allein macht Dich froh und glücklich in guten und bösen Tagen, für sie kämpfe unermühdet und suche in ihr dein wahres Heil. Gewöhne Dich in deiner Zugend schon über die Versuchungen zu siegen, deine Pflichten treu zu erfüllen, uncadelhaft vor Gottes Augen zu wandeln und Dir solche Schätze zu sammeln, die Dich niemahls verlassen. Jüngling! Du bist herrlich und groß: »Gottes Bild, sein Kind und Erbe des Himmels" Gortes Sohn errang Dir durch seine Erniedrigung diesen unbegreiflichen Vorzug. Sey daher nicht so sehr ein Thor statt der Ewigkeit nur einige flüchtigen Jahre, statt der unvergänglichen Seligkeit nur die Trun¬ kenheit einiger Momente zu wählen; werde klug durch fremde Thorheiten und lebe jetzt so, das; Du in der Todesstunde ohne bittere Reue auf deine Jugendjahre und auf dein ganzes übriges Leben blicken darfst, das; Du Dich freuest deiner Auflösung und mit Entzücken verlangest in das ewige Reich deines Vaters ausgenommen zu werden. »Nur Eines ist noch wendig, der beßere Theil." (March. «, 20.) »Sammle Dir bleibende Schätze für den Himmel." (Matth. 6, 33.) »Suche zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit." Dann liebst Du Dich in der That und Wahrheit; dann ist diese Liebe weise und christlich — und die Frucht derselben wird für Dich — der Himmel seyn! * * * Mit einer eben so weisen und edlen Liebe, mit der Du Dich selbst liebest, liebe auch Deine Mit- Menschen. Lernen wir recht einsehen, daß wir Alle dieselbe Würde der Menschennatur haben, daß wir Alle Gottes Ebenbilder, Jesus Erlösete, Tempel des heiligen Geistes, zu gleichen Zwecken und Hoffnun¬ gen bestimmt sind; so entsteht aus diesen Vorstellungen ein Wohlgefallen an Andern, womit zugleich der Trieb des Wohlwollens erweckt wird, und daS Streben deS Wohlthuns; worin eben die Liebe gegen die Mitmenschen besteht. Zwar auch der Heide und der sinnliche Mensch liebt; aber meistens entsteht ihre Neigung aus einer unreinen Quelle. Sie lieben den, der ihnen Gefälligkeiten erwiesen hat und wohlthätig gegen sie gewesen ist, oder von dem sie Vortheile erwarten; sie lieben äußere Vorzüge, die Schönheit der Bil¬ dung und die Anmuth körperlicher Reize; sie lieben diejenigen, von denen sie Huldigung für ihre regel¬ losen Triebe oder Opfer ihrer Wollust hoffen, — und so ist diese Neigung leider nur zu oft nicht Liebe; sie verdient vielmehr Haß, Verführung und Mord der Seele genannt zu werden; sie heißt das Herz thöricht und blind hinwerfen an einen unwürdigen Gegenstand, der die tobende Leidenschaft nähren und die schwarze Flamme der Begierlichkeit sättigen kann. »L Freunde! So lange uns noch die Mutter jeder wilden Leidenschaft — die Selbstsucht — beherrschet, welche uns mit hundert Wünschen nach Größe und Auszeichnung martert, und —- wenn sie alle hundert befriediget sind, mir tausend andern noch ungestümer fordernd, hervortritt; die Selbstsucht, die mir nei¬ dischem Blicke auf fremde Vorzüge hinüberschielt, und nur ihre eigenen emporhebt, die alles Edle und Große, was von Andern gewirkt wird, unedel und klein nennt, oder doch in seinem Werlhe verdächtig zu machen sucht, und nur immer das liebe Ich ausposaunet und zur Schau trägt; so lange kann die christliche Nächstenliebe keinen Eingang in unsere Herzen finden. Hören Sie, wie der wahre Christ nach den Grundsätzen seiner heiligen Religion seinen Nächsten liebt. Sein edles Herz umfasset Jeden mit inniger, brüderlicher, uneigennütziger Liebe. Er sieht Gott als den allgemeinen Vater, den Himmel als gemeinschaftliches Vaterland, die Erde als das Pilgerland, wo wir alle wallen, die Menschen als Brüder an, die aus der Hand des nähmlichen Schöpfers traten, für die das Blut Eines Erlösers strömmte, der der einzige Mittler ist zwischen Gott und den Menschen." (l. rii». 2, 5.) Sein reines Auge schaut nicht auf die lieblichen Formen, die bloß die vernunftlose Sinnlichkeit reizen und empören; er weiß, wie eitel und flüchtig die Schönheit des Körpers ist; mag das Gesicht wohl oder übel gebildet seyn, er liebt die unsterbliche Seele in jedem Menschen; selbst derjenige, der ihn beleidiget und verfolgt, ist thcuer seinem Herzen, er hat Mitleid über seine Verblendung; — und wie sehr auch die Wunden schmerzen, die ihm der boshafte Verräther schlägt, so ist er doch großmüthig genug für ihn zu bethen, ihm Segen zu wünschen — und dann, wenn er seiner Hülfe bedarf, und er helfen kann, ihm Hülfe zu leisten — und so Böses mit Gutem zu vergelten. Die Liebe bleibt nicht unfruchtbar im Herzen des Christen verschlossen, sie äußert sich durch edle Thätigkeit. Wie sein Gott ohne Aufhören mit Erbarmen und Segen seine Kinder erfreuet, wie die Natur rastlos Vergnügen und Fruchtbarkeit aus ihrem Schoße hervorquellen läßt; wie die Sonne vom Aufgange bis zum Niedergange ihre milden Strahlen über die Völker sendet; so wandelt auch der Christ freundlich und wohlthätig, wo er immer kann, unter seinen Brüdern; Jeder, der Hülfe bedarf, findet Hülfe bei ihm, und so viel, als er geben kann. Allein, der edelste Menschenfreund ist oft nicht vermögend mit Erdensegen den Nothleidenden zu unterstützen; aber Jeder kann doch bethen für Andere und dadurch ihr Seelenheil befördern. — Wenn Du einen Unbesonnenen aus den Klauen der Verführung rettest, durch Wort und Beispiel den Sünder heilsam beschämest, dem Lauen im Dienste der Tugend Eifer cinflössest und dem Schwachen Festigkeit gicbst muthvoll seine Pfade fortzuwandeln; wenn Du einem Unwissenden gute Kenntnisse beibringst, oder einen Jrregeführten auf den rechten Weg leitest; wenn Du voll edler Seelengröße tadellos unter deinen Brüdern wandelst, daß alle, die Dich sehen, die Tugend liebgewinnen und auch ausüben, oder wenn Du dein Licht vor den Menschen leuchten lassest, daß sie Deine guten Werke sehen und preisen den Vater, der im Himmel ist" (Matth. 5, 16.)— 0 dann hast Du wahrlich mehr gethan, als wenn Du Millionen unter sie hättest vertheilen können! denn was sind Körper und Erdenglück gegen den Werth einer Seele, für die der Gortmensch sein Leben hingeopfert hat? Sieh', mein Jüngling! so leitet Dich denn diese reine Liebe zu den Nebenmenschen wie von selbst auf den einfachen Grundsatz des Evangeliums hin: Wiebe deinen Nächsten, wie dich selbst." Dieser Ausspruch Jesu enthält die doppelte Vorschrift der Liebe, nämlich die verneinende oder die Regel der Gerechtigkeit: ?W a s Du nicht willst, daß Andere Dir chun, das thue auch ihnen nicht." (Tob. 4, 16.) — Die bejahende oder die Regel der Güte: ^Alles, was ihr wollet, daß die Menschen euch thun sollen, das thuc ihr auch ihnen." Matth. 7, is.) TU Nach dieser Vorschrift der Religion sollen wir uns wechselseitig trösten und erfreuen, zum Guten ermuntern und die Mühseligkeiten des Lebens tragen helfen; der Stehende soll den Gefallenen empor- richcen; wer Brot hat, soll dem Hungrigen mittheilen, und wessen Zunge nach Labung schmachtet, soll erquicket werden von dem, der an der Wasscrquelle sitzt; — wir sollen uns gegenseitig unsere Fehltritte verzeihen, Einer den Andern erbauen durch Beispiele der liebenswürdigen Tugend. Das ist jene Näch¬ stenliebe, welche der h. Paulus (l. Kor. 13. 4. f.) so schön schildert: »Die Liebe ist großmüthig und gütig, sie ist nicht neidisch, sie prahlet nicht, ist nicht aufgeblasen, sie handelt nicht gegen den Wohlstand, sie ist nicht eigennützig, nicht zornig und denkt nichts ArgeS, sie freuet sich nicht der Ungerechtigkeit, sondern der Wahrheit, sie duldet, glaubt, hofft und überträgt alles.« So, meine Freunde! spricht die Religion! Sie verkündet uns in lieblichen Tönen reine himmli¬ sche Liebe; sie will daS moralische Geschöpf mit seinem Schöpfer, das Kind auf Erden mit dem Vater im Himmel und die Brüder alle im Thale der Wanderschaft durch gegenseitige Liebe vereinigen! — Wohl Ihnen, meine Freunde! zeitlich und ewig wohl, wenn Sie diese dreifache, heute bezeichnete, Liebe zu Gott, sich selbst und Ihrem Nächsten als das Grundgesetz des Christenthums tief Ihren Herzen einprägen und überall in Ihrem Leben wirksam darstellen; — dann erfüllen Sie gewissenhaft alle Ihre Pflichten, und Gottes reichlicher Lohn wird Ihnen dafür werden! Diese dreifache Liebe umfasset insbesondere auch die Pflichten gegen Fürst und Vaterland. Christus hat das große Wort gesprochen: »Gebet Gott, was Gottes ist, und dem Kaiser, was deS Kaisers ist.« (Matth. 22, 21.) Und sein Apostel spricht: »Fürchtet Gott und ehrer den König.« (l. Perr. 2, 17.) So sind denn in der Lehre des göttlichen Christenthums die Pflichten gegen Fürst und Vaterland mit den Pflichten gegen Gott aufS Engste verbunden, -— und diese Pflich tcn der Liebe und Ehrfurcht, der Treue und des Gehorsams gegen den Regenten und die Regierung des Landes sind dem Christen keine bloß aus dem bürgerlichen Vereine und der Nützlichkeit desselben hervorgchende, sondern von Gott, dem Schöpfer und Herrn des Weltalls, festgesetzte, heilige und un¬ verbrüchliche Verbindlichkeiten, welche noch mehr bekräftiget werden durch die apostolische Lehre des h. Paulus: »Es ist keine Obrigkeit, außer von Gott, und wo Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet; wer sich daher der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebet GotteS Anordnung; die aber widerstreben, ziehen sich selbst ein schweres Gericht zu.« (Röm. 13, 1.) Ferner befiehlt der Apostel zu bechen für Könige und Obrigkeiten mit dem Beisatze: »Damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbar¬ keit.« (l. Tim. 2, i, 2.) Liebe und Ehrfurcht, Treue und Gehorsam gegen den Monarchen sind besonders für Sie, Stu dierende! heilige Pflichten. Die Blüthe der höhern Bildungsanstalten war und ist ein vorzügliches Au¬ genmerk weiser und guter Monarchen. Unter ihrem Schutze stehen die Hallen, in welchen Wissenschaften gelehret, die Männer, von welchen sie gepflegt, die Mittel, durch welche sie befördert werden. Der studierende Jüngling lerne die Wohlthat in eine solche Bildungsschule ausgenommen zu seyn, mit jedem Tage höher schätzen, und durch fleißiges Fortschreiten in seiner religiösen, intellektuellen und moralischen Bildung derselben sich werth zu machen. Wenn die dankbare Anerkennung dessen, was der Vater des Vaterlandes in seiner Weisheit und Liebe für Künste und Wissenschaften leistet und verwendet, mir dem studierenden Jünglinge aufwächst; so wird er einst auch, sey es im unmittelbaren Dienste des Staates oder im Dienste der heiligen Kirche, nicht nur selbst der treuesten Befolgung der Staats- gesetze sich unterziehen, sondern auch dazu nach Maßgabe seiner Kraft und seines Wirkungskreises unter dem Volke das Seinige beitragen. 1 o O meine jungen Freunde! seycn Sie dankbar, schätzen Sie das Gluck Unterthanen deS herr¬ lichen Kaiserthums Oesterreich zu sepn, und erfüllen Sie die gerechten Erwartungen des Vater¬ landes. Heilig sep Ihnen des Kaisers Wille, sein Gesetz und seine erhabene Vatersorgfalt, mit welcher Er über die Schulen, Lehrer und Zöglings der Wissenschaften wachet! Flehen Sie oft und mit frommen Eifer: »Gott! erhalte unfern guten Kaiser Ferdinand!- — Nun Akademiker! das größte Geboth des Christenthums: »Du sollst Gott deinen Herrn aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Ge- müthe, — und deinen Nächsten, wie dich selbst, lieben." (Matth.LS,37 — Luc.tv,27.)— dieses größte Geboth begleite Sie beständig auf allen Ihren Wegen als unverletzliche Richtschnur Ihrer Gesinnungen und Handlungen; dadurch werden Sie hiernieder gut und Gott gefällig — und dort ewig selig werden! — Bald verlassen Sie unser Schulhaus: Einige, die nach vollendeten philosophischen Studien sich auf Universitäten begeben, für immer; Andere aber, die sich künftighin den rheologischen Studien wid¬ men, oder aus dem ersten in den zweiten philosophischen Jahrgang übertreten werden, nur für die Ferienzeit. — Der Herr des Himmels und der Erde sende Einem jeden aus Ihnen seinen schützenden Engel, der Sie begleite auf allen Wegen der Weisheit und Tugend, in Versuchungen stärke, aus Gefahren rette! — Gehen Sie nun im Frieden hin, und nehmen Sie hin — mein aufrichtiges — herzliches Lebewohl! — »Die Gnade llttsers Herrn Jesus Christus, und die Liebe Gottes, und d i e G e m e i n sch a fr d c s h c ili g e n G c i st e S se p m it c uch a ll e n ! Amen."