JE 46	Samstag	den	17.	Ntovember	1849.
Verantwortlicher Redacteur und Verleger: Dr. Johann Chrys. Pogazhar.
Vortrage über christliche Metaphysik.
(Fortsetzung.)
11. Das Thierreich.
Im Thierreich gelangt das Selbstbewußtseius-streben der Natur zu seiner Erfüllung, inwiefern cs sich ohne die Vereinigung mit dem Geiste erfüllen kann; hier in der höchsten Entsonderuug und intensivsten und gegliedertsten Nesvnderung, findet sie sich selbst; .am weitesten von sich gekommen, kommt sic zu sich, welches »Zu-sich-gekommen-sein« sich im Allgemeinen ausspricht als Sensibilität, d. H. als Selbstgefühl des Individuums in der Wechselwirkung mit Anderm und Aenßerm, — folglich zugleich als Gefühl (Wahrnehmen) des Ändern und Aeußern als solchen. In ihrem stets intensiver» Lebensstreben, als Streben nach Selbstvcrinnerung, wird die Natur ihrer endlich inne; in ihrer immer fortschreitenden Ent- und Besonderung sondert und und trennt sie sich endlich in ihren organischen Bilduu» gen von dem Allgemeinen ab, gelangt zu ihrer höchstmöglichen Vergeistigung, also zu ihrer höchst-möglichen Verselbstigung und Freiheit, und wird überwiegend reaktiv — subjectiv-wirksam. Die im Pflanzenreich nur leise aufdämmerude Sensibilität ist Characteristi-cnm der Thierwelt, und eignet deßhalb schon den nieder-gestellten Thieren (Polypen, Qualen).
Aber im Thiere ist auch zur Erfüllung gekommen, was auf der Höhe der Pflanzenbildung angedeutet wird: der geschlechtliche Gegensatz stellt sich durchgebildet dar. Da im Thiere die organische Entwickelung, also die Jndividnalisirnng im Innern des Individuums sich dnrchgeführt hat, so kann auch die alte Diffek<uz, wenn sic im Thicre in neuer Gestaltung auf-treteu soll und muß, nur in der Gestalt vollkommen entwickelter und orgainsirter Individualität, d. H. als Mau» und Weib auftreten. In der Welt der Thiere ist also ganz eigentlich das Geschlecht, scxus und gcnus, zu Hause und am Ende des großen Erdbildnngs-processes stehen sich die beiden Factoren des Gegensatzes eben so getrennt und geschieden gegenüber, wie im Anfänge desselben im Electricismns und Chemismus, — jetzt aber vrganisirt und individnalisirt, da früher erst das Individuum durch dieselben und ans denselben zu Stande kommen sollte.
Die Geschlechtlichkeit erwächst und ruht auf ßm Bodcn der Individualität, und kommt nur durch die ^fortschreitende organische Entwickelung und Sonderung ’pcö organischen Jndividnums z» Stande. Beide — Männchen und Weibchen — bilden in ihrem Grunde luir- Ein Individuum, Ein organisches Ganze, das im Mineral und üf der Pflanze sich als noch wirklich Eines »arstellt, und die Zeugung in der Thierwelt ist nichts Anderes, als was die Action des Electricismns, des "Chemismus und Magnetismus und der vegetabilischen S'eproduction war, — nämlich der Versuch der Natur: 'in der Zweiheit oder Differenz Ihrer selbst und aus und mittelst derselben sich als Eins und mit ihr selbst Identisches zu affirmiren und zu constitmren, — der aber überall, so auch hier, in einem äußern Probitcte aufgeht, in einer Frucht, einem Thierindividuum, wieder nach Außen fällt.
Allein das Thierreich bildet eine eigenthümliche, die Pflanze in sich negierende Sphäre; letztere ist im Thicre aufgehoben, d. H. durch dasselbe in höherer Weise eben so negirt, als affimirt, so daß das Thier zur Pflanze in gegensätzlicher Relation steht. Darum finden wir die Reproductiou, die das Pflauzeiilebeu charactcri-sirtc, allerdings auch im Thiere, (beim bic Stuft, welche die Natur in ihrem Eutwickelungs- und Fortbildungs-processc einmal gewonnen, kann sic nicht mehr fallen lassen, sondern nimmt sie, so zu sagen auf die folgende mit) — wir finden also die Reproductiou der Pflanze auch im Thicrc, allein hier im innersten Innern dcsJn-' bivibuums ititb entsprechen!, ber animalen Gestaltung itttb Gliederung; wir finden im Thiere die in dem Pflanzenreiche vorgebildete und angedentcte Sernalität, aber was dort ans der höchsten Höhe der Bildung erschien, nimmt hier die niederste Stufe ein, (dort deutete nämlich dasselbe nach vorwärts und aufwärts auf eine künftige höhere Regio», hier (in der Thierwelt) deutet es zurück- und abwärts auf eine vorhergcgangene niedere.) Seinen eigentlich höhern Character ertheilt bem Thicre seine Sensibilität, bereit organisches System sich über bem Systeme ber Sernalorgane uttb ihm polaren t g e g e n s e tz t erhebt. In beit niebersten Thierklassen sitib bcibc Systeme noch nicht organisch geschieben, erst
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bei fortschreitender Entwickelung treten sie polar auseinander, — und werden durch ein drittes vermittelt, nämlich durch das plastische oder Ganglicnsystem, das der Sclbstreprodnction des Jndividnnms dient, — so daß sich folgende Stufenfolge in der Bedeutung und Function dieser drei Hauptsysteme des thierischen Organismus ergibt: 1) durch das Generation sfystcm reproducirt derselbe die Gattung, gehört er also einem ändern großem Ganzen an, und hier stellt sich das Product nach Außen; 2) das System der organischen Plastik reproducirt das Individuum selbst, das Gebilde fällt ins Innerste des thierischen Organismus und ist dieser selbst; da dann 3) das System der Sensibilität nicht mehr einer realen, sondern formalen Zeugung dient, indem es das Schema, das formale Bild der Außenwelt, die Vorstellung und den Begriff der Dinge in ihm reprodncirt. Bildung oder Formation ist also die Function aller drei Systeme, und es kann nicht anders sein, da das Leben der ganzen Natur im Bilden aufgeht; allein wir sehen, wie die Function und ihr Resultat sich immer mehr »erinnert und vergeistigt, bis cs wirklich zum formalen Gedanken, zum Wissen wird.
Auf dem polaren Gegensatz zwischen Ganglieirund Cerebralsystem beruhet der Wechsel von Schlaf und Wachen.
Der wesenhafte Gegensatz in der wesenhasten Einheit, und umgekehrt, in der Natur überhaupt, und im Natur Individuum insbesondere, bringt cs mit sich, daß der eine Factor desselben nicht wirksam sein kann, außer im Gegensätze zu dem ändern, aber auch daß dieselbe Wirksamkeit gebunden ist an den Bestand des ändern, so daß in demselben Augenblicke, wo das Uebergewicht z. B. des Factors A eine solche Höhe erreicht, daß der andere Factor 11 wie auf Null reducirt erscheint, ersterer auch sogleich in seiner Wirksamkeit sinkt, welches Sinken aber dann gerade das Erheben des Factors B zur noth-weildigen Folge hat, so daß das Leben der Natur, als auf ihrem wesenhasten Gegensätze beruhend, sich immer und überall als Wechsel polarer Thätigkeiten darstellt. Ueberhaupt aber ist leicht cinznschcn, daß, wie im individuellen Leben der Natur die gegensätzlichen Agentien immer und überall räumlich mit einander in die Erscheinung treten, sie, in diesem Miteinander, auch ein zeitliches Nacheinander bilden müssen.
Dieses polare Wechselleben zwischen Ganglien- und Cerebralsystem im Thiere begründet das, was wir Schlaf und Wachen nennen.
3st das Cerebral-System, das die Seite seiner 33er# äußernng in den Sinnes- und Bewegungsnerven, die seiner Vcrinncrung in dem Wahrnehmen, Vorstellen uud formale» Schematisiren hat, das vorherrschend thä-tige, so ist das Thier wach, cs lebt und webt tut Lichte und in der Klarheit seines Bewußtseins.
Allein diese Potenzimng des Denklebens der
Natur, die mit einer Depotenzirnng des plastischen Bildnngslebens desselben verbunden ist, schlägt endlich und nothwendig in sein grades Gegentheil um. Das Wachen ist so wenig denkbar ohne den Schlaf, und der Schlaf ohne das Wachen, als die Sonne es ist ohne die Erde, und die Erde ohne die Sonne. — Im Schlafe also cessirt das Sinnenleben uud die willkürliche Bewegung, da hingegen das Reprodnctionsieben sich in erhöheter Thätigkeit befindet; und das höhere, eigentlich aminale, — das Cerebralleben — doch nur das vegetative zu seiner Basis hat, und für sich voraussetzt, so gewinnt das Thier eben durch den gestinden Schlaf und feine Wirkung wieder die Macht des gcsnnden Wachens und seiner Thätigkeiten.
Was ist nun der Traum?
Wir haben das Ganglien-Systein erkannt als die organische Vermittlung der beiden, sich polar-entgegengesetzten Systeme, des der Generation und des der Sensnalität, oder als die organische Darstellung der Einheit, so wie des Gegensatzes beider.
Darum finden sich die Funktionen derselben, sich wechselseitig durchdringend und modificircnd in ihm, (dem productiven Systeme) vereint, und cs ist in seinem Assiinilations-Nntritions- und Sekretionsleben eben so real-bildend (zeugend), als es in seinemNervenleben formal-bildend (in Schemen und Bildern denkend) ist. Die letztere Thätigkeit constitnirt den Trau m. — 2m Traume also cessirt das nach Außen gewendete, im hohem Sonnenleben sich bewegende (wache) Denkleben des Thieres, dafür aber geht in der dunkle» Tiefe der Individualität, dem eigentlichen Herde der individuellen Selbstbildung, ein magisches Licht auf, ein wunderliches Vilderspiel der Einbildung ein unfreies Denken in lauter Schemeu.
Im Menschen ist auch die Geistesthätigkeit in dieses polare Wechselleben der ihm vereinten Natnr-2n-dividnalirät verschlungen. Da der Geist zunächst mit dem organischen Mittelpunkte deö Cerebral-Systems vereint ist, und seine Thätigkeit die ungehemmte Thätigkeit des letzter» zu seiner Voraussetzung und Bedingung hat, so muß auch der Geist in den Hintergrund treten und seine Lebensfnnctioncn wie gebunden erscheinen, wenn das Sensorium in den seinigen gebnnden ist und mehr oder weniger cessirt. Da aber das Leben deö Geistes, einmal erweckt, nicht mehr ganz untergeheu kann, so macht er im Schlafe dennoch den Zuschauer zu dem buu-ten Gaukelspiele deö Traumes, aber einen unbeweglichen; und so kann er sich des letzter» im wachen Zustande noch recht oft erinnern.
Das ist das Wesen deö natürlichen Schlafes.
Die Theorie des magnetischen Schlafes hat dieselbe Basis des polaren Gegensatzes zwischen Ganglien-und Cerebralsystem, nur sind die nächsten Bedingungen seines Eintritts, oder die Veranlassung desselben von denen des natürlichen Schlafes verschieden. — Letzterer
tritt ein in Folge des natürlichen oder nothwendigen Umschlagens der Pole im animalen Leben, sobald die Cerebralthätigkeit ihren Cnlminationspnnkt erreicht hat und der Pol des plastischen Bildungslebens hervortritt. Nicht so der magnetische Schlaf. Dieser tritt ein durch ein ungewöhnliches, magnetisches Einwirken auf die Region des Ganglienlebens, so daß letzteres dadurch directe und abnorm gesteigert wird, was denn die uothwendige Folge hat, daß das Sinnenleben — nicht sinkt, sondern — gebunden erscheint, also eine Art Schlaf sich darstellt, der — als allerdings auf dem lieber# wiegendes Selbsterhaltnngpols des Individuums beruhend, für Kranke sehr heilsam werden kann, — um so mehr als letztere durch die magnetische Manipulation in ein fremdes Leben hineingezogen sind, daß dcr eigenen schwachen Heilkraft des kranken Organismus ein mächtiger Bundesgenosse werden kann.
Bei vcrhältnißmäßiger Receptivität der Region des Ganglienlebens nnd hinlänglich intensiver magnetischen Einwirkung entsteht Somnambulismus und Hell-seh en. Hier wird das im Mittelpunkte des Nervenle-bens des Unterleibs erweckte und ausflammende Licht so gewaltig, daß cs den ganzen Organismus durchleuchtet und der Flexus solaris als Sensorium austritt, wie auf die höhere Stufe der Hirnthätigkeit erhoben erscheint. Das Selbstbewußtst», oder daS Wachsein des Geistes besteht in diesem Schlafe fort, weil dcr ganze Vorgang nicht auf dem direkten Sinken dcr Cerebral-thätigkeit beruht, sondern diese nur durch die abnorme Steigerung des ihr entgegengesetzten Pols gebunden wird, mithin das Licht des geistigen Selbstbewusstseins, wenn auch unbeweglich, dennoch fortbesteht.
Das Fernsehen uud Feruwirken ist nicht so wunderbar, als es auf deu ersten Anblick scheint. Wirkt doch dcr Magnet auch in die Ferne, — durchschauet doch die Souue auch alle Räume ihres Weltsystemes, — und ist dcr menschliche Organismus nicht mehr als Magnet und mehr als Sonne? — Er ist die Blüthe und der Centralpunkt der ganzen Natur, die Natur eine einzige große Beziehung auf ihn und die Region, in welcher eben im magnetischen Zustande das höhere Licht leuchtet, ist die Centralregion des ganzen Menschenorganismus, ist die eigentlich-magnetische Region im Menschen, weil die Basis dcr Individualität in ihm (wie das Mineral, in welchem das Individuum zuerst zu Stande kommt, die Basis des ersten (nicdcrn Magnetismus) ist; von hieraus greift er nach allen Richtungen in die Außenwelt: unmittelbar durch die Aufnahme von Speise und Trank, und die Ab- und Aussonderungen, mittelbar durch die beiden polaren Systeme der Generation und dcr Scn-sion; es ist die Region des Gefühls, dcr Sympathien und dcr Antipathien, der Anziehung und der Abstoffung; cs ist die Region dcr Reproduction, so daß in ihr die Pflanze aufgehoben ist, wie der Maguet es war
in dcr Pflanze. In diesem Systeme treibt der thierische Organismus seine Wurzeln in die Außenwelt und erhält und bewahrt sich zugleich mittelst desselben in seiner individuellen Besonderheit; darum ist cs das vorherrschende im Thiere, — das Thier lauter Sympathie und Antipathie, lauter Gefühl, — der natürliche Somnambule. — Wenn dcßhalb der ycllschcndc, bei geschlossenen Augen, verschlossene ihm auf die Magenge-gend gelegte Briefe liest, so ist dieses wohl abnorm, aber nicht wunderbarer, als daß er sie sonst mit seinen Augen liest; wcnn er wahrnimmt, was in 100 Meilen weiter Entsernnng vorgeht, so ist diese Erscheinung keine andere als die, wo das Thier die Nähe seines Todfeindes wittert; wenn der Hellschcnde künftige Begebenheiten mit allen sie begleitenden Umständen pünktlich voraussagt, so ist dieses nur die höchste Steigerung des animalen Instinkts, der den Vogel bei hcrannahcndcm Winter nach dcn südlichen Gegenden treibt und andere Thiere große Naturkatastrophen : Erdbeben, vulkanische Ausbrüche u. s. f. vorausempfinden läßt. — Wenn dcr Hellsehende seine Heilmittel sich selbst verordnet und nachweist, so weiß ja auch das Thier das ihm Heilsame zu finden und das ihm Schädliche zu vermeiden. — Es ist ja in Allem dieselbe EineNatursubstanz, die sich hier hat, und fühlt und schauet.
Der Magnetismus ist überhaupt nichts Anderes, als der Ausdruck dcr Einheit alles Lebens in der Natur, in aller Verschiedenheit und Besonderheit derselben; aber cs darf nicht vergessen werden, welche Modifikation der Einschlag desGeistes in die Erscheinungen desselben im Menschen nnd vom Menschen aus, bringt. Hier stehen alle magnetischen Schauungen im Lichte des höher» Selbstbewußtscius, was beim Thiere nicht der Fall sein kann, so gewinnen theils alle angeführten Acnßernngen des animalen Instinkts im Menschen den Einschlag von freier Willkühr, theils ergeben sich Einwirkungen auf die äußere Natur, die im gemeinen Leben unerhört sind, z. B. gewisse Fernwirkungen, die aber im Grunde nicht schwieriger zu erklären sind, als die alltäglichen Erscheinungen unserer Muskelbewegungen.
Was nnn gewisse außerordentliche Erscheinungen des physischen Lehens in den Somnambulen betrifft, z. B. daß in so vielen die Gabe dcr Dichtkunst, der Tonkunst, der Sprachen, der Mathematik in einem Grade sich zeigt, wie sie dieselbe sonst durchaus nicht besitzen, so fällt in die Augen, daß alle diese Talente ihre Wurzeln in den Boden dcr Natur treiben, und deßhalb im somnambulen Zustande not Hw endig zu eminentern Aeuße-rnngen gesteigert werden müssen. Spekulativer Gedankenentwickelungen, als vorzugsweise geistiger Operationen, sind die Hellsehendcn nicht fähig, — und überhaupt hat mau alle ihre Aussagen über Dinge, die nicht in näherer oder unmittelbarer Beziehung zu ihrer Individualität stehen, z.B. über historische oder politische Verhältnisse, über jenseitige Zustände — mit Mißtrauen
zu betrachten; theils werden sie oft selbst getäuscht theils täuschen sie Andere.
Da übrigens der Magnetismus die Grundform des organischen Lebens in der Natur, mithin ein großes Weltgesetz ist, so hat er in der Entwickelung der wissenschaftlichen Erkenntniß des menschlichen und menschheit-lichen Lebens noch eine große Rolle zu spielen, und die in unser» Tagen sich häufenden, wenn auch krankhaften Er-scheinungcn desselben sind von größerer Bedeutung, als man wohl noch ahnet. Wir haben die Sensibilität als das (positiv) Charakteristische des Thieres erkannt (die Geschlechtlichkeit, alS Gegensatz und Geschiedenheit ist mehr die negative Seite des Thiercharakters, weil Negation der Individualität). Allein auch die Sensibilität gelangt erst durch stufenweise Fortbildung und fortschreitende Selbstveriiinerung zn ihrer höher» und höchsten J»te»si-tät und orgattischen Gliederung. Auf der niedersten Stufe der Thierbildung, wo dasselbe nichts als eine in sich selbst ungeschiedene Masse darstellt, ist auch die Em-pfinduiigsfähigkeit uugefchiedcu und dem Ganzen gemein: bloßes Gemcingefühl; erst mit fortschreitender organischer Besonderung und Entwickelung erscheint der Nerv, und sein polarer Gegensatz der Muskel, — dieser als Repräsentant, als Träger und Vermittler der nach Außen gehenden Aktivität; jener als der objektive Ausdruck der Veriunerung, mithin als Träger und Repräsentant der Receptivität gegen Aeußeres und Anderes, als Vermittler der Einheit der Natursubstanz mit sich selbst in der Geschiedenheit von sich selbst. Sensibilität und Irritabilität bilden deßhalb natürliche Correlate, und die eine ist ohne die andere eben so wenig denkbar, als Materialisirung ohne Leben (Veriunerung) uud dieses ohne jene; beide aber erheben sich eben so aus uud über dem reproduktiven, wie der Stamm und die Blüthe der Pflanze aus und über ihrer Wurzel.
Im Nerven also, als dem eigentlichen Träger der Sensibilität, erreicht die Thierbildung ihre höchste Hohe, — der Nerv ist also das Thier im Thiere. Wie das Thier das letzte Resultat der im Planeten sich durchführeuden Intention der Natnrfubstauz «ach ihrer Selbstvergeistigung oder Selbstbewußtwerdeu ist, so ist der Nerv das letzte Resultat der Thicrbildnng; im Nerven und mittelst desselben wird die Natur Ihrer iune.
Diese höchstmögliche Veriunerung der Natur im Thiere gipfelt im Cerebralsysteme, das seinen Cnlminations-punkt von Seite der Veräußerung erreicht in den Sinnen, und von Seite der Veriunerung in der Empfindung, im formalen Vorstellen, und in der schematisircnden Einbildung.
Es ist leicht einzusehen, daß die Sinne des Thieres nicht so atomistisch neben einander, sondern in inniger Relation zu einander stehen. Sic bilden mit einander so gewiß ein innerlich zusammenhängendes organisch gegliedertes System, als der Erdplanet (uud rucksichtlich die ganze Natur) ein einziges großes System bildet, das
ja nur in den Sinnen und durch die Sinne zu Sich komme» und sich vollenden und erfüllen und schließen will. — So finden wir denn mich, das die Sinne den 5 großen Regionen des Erdorganismns vollkommen entsprechen:	Der Geruch der Luft und ihren elektrischen
Processen; — der Geschmack dem Flüssige» u»d seinem Chemismus; — das Getoste der festen Körperlichkeit des Minerals und feinem Magnetismus; das Auge der organischen Einheit der Natur in ihrer organische» Veräußerung (Lichtbildung, — farbige Blüthe der Pflanze,) und das Ohr dem organischen Zusammenhänge der Natur in ihrer höchsten Veriunerung, Personifikation (Ton, Gesang, — Sprache).
Aber das Thier steht als sexuales Gebilde noch im Gegensätze zn sich selbst, ja es stellt de» Gegensatz der Natnrsnbstanz in seiner höchstmöglichen Steigerung dar. lind da jeder Gegensatz als solcher immer seine Ausgleichung postulirt, und anstrebt, so kann die Natur auch in dieser höchsten und letzte» Steigerung ihrer Dis-fcrenzirung nicht stchcn bleiben, sondern auch der vollkommen organisirte und individualisirte Gegensatz (die Geschlechlichkeit) muß sich zur vollkommen organischen uud iudividualisirten Einheit — also zum Individuum aller Individuen, zum Organismus aller Organismie», zum Einem, zum letzten Produkte, i» welchem alle frühen« aufgehoben sind, einen uud schließen.
Und wie die Wasserbildung sich im Electn'smus, das Mineral im Cheimsmus, das reproduktive und polare Lebe» der Pfla»ze im Magnetismus, und die Geschlechts-sormation auf der Spitze der Pflanzeiibildnng sich au-küudigt, so muß auf der höchsten Höhe der Thierbildnng auch der Hinweis und die prototype Darstellung des höchsten und letzten — des S ch l u ßprodnctes des großen Processes der Selbstbewußtseiuscutwickclung und ange-strebteu Personifikation der Natur zum Vorschein kommen. Und da im Schlußakte des großen Bildungsganges alle früheren Momente desselben sich erfüllen und aufheb en, so kann dieses, — das letzte uud höchste Product des Processes der Planetcnbildnng vorbildende Organ nicht mehr ein neues Auftreten und Regen deS alten Gegensatzes, wie es bei allen frühem Regionen der Fall war, sondern letzterer muß in ihm eben vollkommen zur Ruhe gekommen sein, — der ganze Planet nuthi» in ihm aufgehoben erscheinen.
Und	so kann es	nicht	schwer werden,	im Organismus	des	Thiers jenes	Gebilde auszufiiiden,	das als Pro-
totyp des Einen, höchsten, Alles vollendenden, und erfüllenden, Alles zn Sich erhebenden und aufhebenden, Alles vermittelnden und ausgleichenden Gebildes betrachtet	werden mnß. Es ist	der gleich dem	Thantropfen
und	dem	Erdball und	dem	Menschenschädel	runde Aug-
apfel — jenes individuellste, am vollkommensten in sich geschlossene und vom übrige» Organismus sich abschlie-ßende Gebilde. Im Auge tritt der MacrocoSmus des
Planeten — zum Micrcosmus verjüngt und »erinnert, Sich selbst und dem Universum gegenüber, weßhalb dasselbe alle fünf großen Regionen des Erdorganismus, aber in höherer vergeistigter Gestalt, in sich trägt, ja dieser selbst ist in höchster, vollkommenster Verjüngung. So ist die Cornea in ihrer vollkommenen Durchsichtigkeit nnd in ihrer Lage zn äußerst und in Berührung mit der Luft der Repräsentant der letzter»; — als das reinste Wasser folgt der sogenannte Humor aqueus,
— hinter welchem als Repräsentant des Minerals die theils kuglichte theils linsenförmige Krystalllinse erscheint,
— an den sich in vasknlöfer und zeitiger Pflanzenbildung und wie aus verdichtetem Wasser bestehend, der sogenannte Humor vitreus dergestellt anschließt, daß seine sehr feine durchsichtige Haut allerdings zarte Wurzel» in die Linsenkapsel treibt, aber doch von dieser ohne Schaden für den Körper selbst (wie die Pflanze von ihrem Boden) 'getrennt werden kann; die Nervenhaut (Retina) als Repräsentant der Amimalität schließt die Reihe.
Und wie die allgemeine Lichtbildung in der dem Allgemeinen am nächsten stehenden Atmosphäre begann, so endet nnd vollendet sie sich in dem, dem Allgemeinen wiederum am nächsten stehenden Angc; — das Auge lebt und webt im organischen Wechselverkehr mit dem Licht der Atmosphäre, dieses (die äußere Lichtbildung) ist im Ange innerlich geworden; und wie in jenem Lichtbildnngsprocesse des Allgemeinen die besonder!! Dinge alsObj cctc erscheinen oder sichtbar werden, so wird hier im Ange die höchste Besonderung zum Subjecte oder sehend.
12. Der Me nsch.
Das realisirte Weltange ist der leibliche Mensche norg an ism us, in ihm ist daS Ange Planet, und der Planet ganz Auge geworden. Er bildet den Schlußstein des großen kosmischen Gebäudes des Erdorganis-rnns uud in ihm laufen alle bisher diverergirenden Strahlen des Naturlebens als in ihrem Einen Licht- und Brennpunkt zusammen, so daß über den Naturorganismus des Menschen hinaus kein weiteres und höheres Naturgebilde möglich war.
Wir haben gesehen, wie schon im Thiere die Natur zu ihrem formalen Gedanken gelangt war, sich wußte und kannte. Seine höchste Ausbildung und möglichste Vergeistigung gewinnt aber dieser formale Gedanke im Menfchengebilde, so daß in diesem die Natur durch ihre vollendete Individnalisation (als das Analogon der Persönlichkeit) und durch die vollkommenste Entwickelung ihres formalen Denkens ganz geeignet und befähigt wird, mit dein persönlichen und formal-denkenden Geiste jene organische Einheit ciiizugchcn, die dann den Schlußmo-ment des Universalorganisinns der Schöpfung — den Menschen constituirt.
Mau sieht, wie sich die alte Frage erledigt, die seit Cartesius die Psychologen und Physiologen so vielfach
beschäftigt hat, nämlich die:	Wie	kann	der Geist auf
die Natur, und die Natur auf den Geist im Menschen einwirken? Oder (was dasselbe heißt):	Wie ist die
organische Verbindung zwischen den zwei wesentlich verschiedenen Substanzen von Geist nnd Natur möglich? — Hätte man verstanden, was das heißt: Die Natur ist unfrei, — die Natur ist materiell, — und hätte man die Natur nicht als, rein materiell, sondern auch als Den kwesen aufgefaßt, so würde man mit der Antwort nicht in so große Verlegenheit gerathen sein.
Und in der Vereinigung der Natur mit dem Geiste erreicht sic, was sie durch sich selbst nicht erreichen konnte: organisch, d. H. unzertrennlich mit ihm, dem freien Persönlichen, Unwandelbaren verbunden und vermählt, ward auch sic frei nnd persönlich und im» wandelbar, — im Menschen cessirte der Wechsel und das Vergehen, die sich noch in den früher» Natnrgebil-den gelte»d machen; ja er war gar nicht mehr ein bloßes Bild des Universalorganisinns der Natur, sondern er war letzterer gänzlich selbst, und zwar in seiner höchstmöglichen Entwickelung und Vergeistigung.
Im Menschen gelangte das Erscheinungstrtssen der Natur zu seiner Erscheinung, es ward wirkliches Wissen um den Grund der Erscheinungen. Denn wenn cs auch nicht dasselbe Prinzip im Menschen war, von welchem die Welt der Begriffe herstammte, die er in seinem Innern vorfand, nnd dem der Jchge» danke oder die Idee — Gedanke vom Grunde — eignete,
—	so war cs doch derselbe persönliche Mensch, der beide Prinzipe nnd ihre Offenbarungen auf uuzcrtrenn-liche Weise in sich vereinigte, und der für die Naturerscheinungen in seinem Innern eben so nnd eben darum den Grund suchte und fand, wie und weil er sich als Prinzip seiner geistigen Erscheinungen wußte und erkannte. Darum findet der Mensch in seiner Gedankenwelt den Begriff vermählt mit der Id ec, jenen durchleuchtet und verklärt vom stets lebendigen Jchgedanken und diesen schaltend und waltend mit dem Rcichthunt des begrifflichen Wissens.
Aber eben diese innige Verbindung zwischen Begriff und Idee im Denkleben des Menschen ist der Philosophie von jeher zur Versuchung geworden, wie die Natur nach dein Falle unserers Stammvaters, und nach dem durch diesen eingetretenen Todcsbrnche zwischen Geist und Natur, dein Geiste überhaupt zur Versuchen» geworden ist. Wenn nämlich der Geist durch den Mißbrauch seiner Freiheit den positiven Christus (im Gewissen oder in der Kirche) verläßt und verliert, wird das Bewußtsein Seiner selbst als eines freien — also seines Unterschiedes und Gegensatzes zur unfreien Natur, — also seines Berufs und seiner Bestimmung zur Herrschaft über die Natur getrübt und unterdrückt, die vom Geiste emanzipirte Natur gewinnt Macht über letztem nicht nur im gewöhnlichen Leben, sondern auch im hohem Denkleben, und so nimmt der Denkgeist den
Begriff als seinen Gedanken und nimmt und behauptet: die Philosophie habe keine andere Aufgabe, als die: den höchsten Begriff oder dasAllgemeine zu suchen; sie wird — pantheistisch.
Indem der Geistesgedanke, die Idee, sich mit dem Naturgedanken: der schematisirenden Einbildung, im Menschen vereint und verschlingt, ist der Mensch Kunst wesen, d. H. sowohl Kunstwerk als Künstler; die Kunst ist dem Menschen ausschließlich eigen, weil er das eigentliche Kunstwerk Gottes ist. — Die absolute, göttliche Kunst ist die Schöpsermacht Gottes, und die Kunst des Menschen ist das creatürliche bedingte Analogon dieser Schöpfermacht. Darum nennt man ein originelles und tüchtig ausgeführtes und eine höhere Idee zur Anschauung bringendes Kunstwerk eine Kunstschöpfung. Um eine solche zu sein, muß dem Kunstwerke vor Allem der Stempel der Originalität ansgedrückt sein, d. H. es muß die Signatur der Freiheit und Selbstständigkeit tragen, und so der Freiheit und Selbstständigkeit des Künstlers Zeugniß geben.
Das natürliche und ursprüngliche und allgemeine menschliche Kunstwerk ist die Sprache; sie ist hier — im Menschen — Knnstgebilde, weil in derselben die Natur vollkommen im Dienste des Geistes steht, und von ihm zum Träger und Ausdruck seines Gedankens sor-mirt wird. Der Mensch ist das reale und lebendige Zeugniß von der schöpferischen Kunst Gottes; die Sprache aber ist die Sclbstoffenbarung (das Sich-selbst-ans-sprechen) dieses göttlichen Kunstwerks, und kann mithin nur Offenbarung der Kunst, d. H. kann selbst nur künstlerisch sein. Der Mensch ist der geborneKünstler, l’oöta nascitur; aber es könnte kein Poet geboren werden, wenn nicht der Mensch überhaupt der geborne Poet wäre.
Die Kunstformation, oder die Macht des Geistes über das Naturclement in der Menschensprache, stellt sich dar in der Articulatiou. Indem der Naturlaut ganz sich dem Willen des Geistes fügt, nach feinen Bedürfnissen sich schmiegt und gliedert, artieulirt er sich, wird er zum Worte.
Die Entwickelung der Sprache fällt zusammen und ist eins mit der Entwickelung des Selbstbewußt-seius; letztere ist ja nur möglich mit und in der Sprache, denn das Selbstbewußtem ist Gedanke (Ichgedanke) und der Gedanke ist im Menschen — Wort. Der Lebens- nndLichtquell der Sprache ist deßhalb der Gedanke: »Ich«. — Nur nachdem der Ichgedanke im Innern des Geistes erwacht ist, können auch alle ändern, mit dem Ichgedanke» uothwendig gegebene Ideen: der Nichtichge-danke, (Du — Er —), die Gottesidee u. s. f. im Geiste erwachen, und nur dann erst kann und muß der Geist die uuwillkührlichen Gedankenoperationen der mit ihm organisch verbundenen Natnr — die von ihr formirten Begriffe, sich zum Bewußtsein bringen, d. H. sie geistig (zum Worte) auSprägcn und anssprechen.
Wie das Menschengeschlecht, von Einem Stammvater abstammend, nur Eine Familie (eigentlich: die Familie) darstellt, so war auch die Sprache des Menschenge-geschlechts eigentlich nur Eine, — und alle jetzt bestehen* den Sprachen sind Ab- und Ausartungen dieser ersten Einen Ursprache. Letztere hätte allerdings jedenfalls ihre Entwickelung, Fortbildung und organische Gliederung gehabt, wie das Menschengeschlecht selbst; aber dieser Proceß hätte normalmäßig kein so verworrenes Product gesetzt, als die Sprache» dermalen mit einander (als ein Ganzes betrachtet) darstellen. Der Grund der eingetretenen babylonischen Sprachverwirrung ist einer und derselbe mit dem Zerfall des Menschengeschlechts in ihm selbst, der inner» abnormen Ausartungen der Einen Menschheit in die widernatürlichen Men-schenrayen. Wie aber die organische Einheit des Geschlechts in dem krankhaften Widerspruche, in welchem dasselbe mit sich selbst verfallen ist, dennoch nicht untergehen konnte, so muß sich auch in der großen widernatürlichen Entfremdung der Sprachen von einander doch noch das Band der organischen Einheit derselben Nachweise» lassen, — und in der That hat die historische und etymologische Sprachforschung der neuern Zeit in dieser Beziehung die überraschendsten Resultate zu Tage gefördert.
Im Menschen also hatte der große Erdbildnngspro-ceß sein Ziel und Ende erreicht; und wie alle frühem Gegensätze i» dem letzten: dem geschlechtlichen Gegensätze aufgehoben und zur höchst möglichen Höhe gesteigert waren, so waren auch iu der letzten Ausgleichung alle früher» aufgehoben nnd zu ihrer Erfüllung gelangt, der Planet war ganz Auge, und sich selbst ganz licht, und in der unzertrennbaren Einheit mit dem Geiste — Person, — selbstbewußte Person und persönlicher Mensch geworden. Und darum war der Mensch ursprünglich nur Einer, — die Eine Natur mit und in dem Eineu Geiste, und der Eine Geist mit nnd in der Einen Natur war der Eine Adam — in dem Einen Adam die Idee des Menschen erfüllt und die Schöpfung vollendet. Die zwei verschiedenen nnd geschiedenen Welte» von Natur- und Geisterreich waren im Menschen Adam zur lebendigen Synthese — nnd so, zum Schlußstein und zur Mittelwelt von Himmel und Erde geworden, nnd er staud da — nicht Natur und dennoch Natur, nicht dem Geisterreich angehörend, und dennoch Geist, eine dritte eigenthümliche Welt, der Erbe aller Herrlichkeiten des crcatürlichcn Universums.
(Fortsetzung folgt.)
Allocntion des Erzbischofes von Paris bei Eröffnung des Kvnzils.
(Schluß.)
Ihr seid im Begriffe, ehrw. Väter und geliebte Kollegen, hier wieder eng zu knüpfen die Bande der Ergebenheit, der Liebe, der Ehrfurcht, welche uns mit dem apostol. Stuhle vereinigen. Dieser Stuhl hatte eine»
Augenblick, wir werden cs nie vergessen, für unfern geliebten Papst, der ihn gegenwärtig einimmt, eine Aehn-lichkeit mit einer Säule, an welcher Christus gegeißelt und bespien wurde; möchte doch der Ausdruck unserer Gefühle ihm zu einiger Linderung seines Schmerzes feilt. Die allumfassende Gewalt des Oberhauptes der Kirche, als Ausfluß und Darstellung der Gewalt Jesu Christi, ist hier auf Erden die Grundlage und Wurzel aller geistigen Gewalt. Diese ist der erste Ring, an den sich sofort die ganze Hierarchie anschließt; diese ist der Grundstein, ohne welchen das ganze Gebäude zusammenstürzen müßte.
Ihr werdet in Zukunft, so viel an euch ist, beitragen zur regelmäßigen Wiederkehr dieser heiligen Versammlungen, deren lange Unterbrechung so viele Hebel herbeigeführt hat. Die Konzilien stellen die Kraft und die lebendige Einheit der Kirche dar; sie mahnen zur Achtung der älteren Gesetze, sic geben den neueren, deren Einführung den Bischöfen nöthig erscheint, mehr Kraft und Ansehen. Diese Dekrete, an sich schon bindend, in sofern sic nicht gegen die allgemeinen Kirchengesetze und nicht gegen die Vorrechte des heil. Stuhles sind, werden einen noch weit ehrwürdigeren Charakter annehmen, wenn sie niedergelegt zu den Füßen des höchsten Kirchen-Ober-hauptes, seine Bestätigung und seinen Segen erhalten haben.
Die Wiedereinführung der Synoden ist eine Folge der Provinzialkonzilien. Sie repräfentiren die Einheit der Diöcese. Die Gewalt der Bischöfe stützt sich in derselben auf die Eintracht der Herzen und auf eine heilige Gemeinschaft der Gedanken und Gefühle, die ihm Liebe und Achtung sichern. Im Schooße der Synode ist es, wo jeder Bischof nach den Vorschriften des heil. Konzils von Trient, seiner Diöcese die auf dem Provin-zialkonzil gefaßten Beschlüsse ordnungsmäßig bekannt macht.
Ihr werdet auch ohne Zweifel in dieser unserer ersten Versammlung einige zu erinnern haben, welche zu vergessen scheinen, daß das Regierungsamt in der Kirche den Bischöfen zukommt. Diese sind die Häupter des Klerus und der Gläubige». Die Kapitel kommen ihnen zu Hilfe mit ihrem Rathe. Die Pfarrer sind ihre Stellvertreter bei den einzelnen Heerden, welche durch die ganze Diöcese zerstreut sind.
Die übrigen Priester sind ihre Kinder und zugleich ihre Brüder und Mitarbeiter. Was gibt es herrlicheres und dauerhafteres, als solch eine Konstitution, die durch Ein Glied die Pfarre mit der ganzen übrigen Diöccsc, die Diöcese mit der Metropole, die Metropole mit der Mutter und Königin aller Kirchen innigst vereint, und die aus dem höchsten Kirchenhaupte, den Bischöfen, den Priestern und den Gläubigen einen Körper bildet, der gleichsam nur Ein Herz und Einen Sinn hat! —
Jrrthümcr, welche dic Grundlagen der Religion und
der Gesellschaft berühren, werden die gerechte Strenge und Verdammung durch das Konzilium erfahren. Einige dieser Jrrthümer stürzen dic Grundsätze der Gerechtigkeit um, andere die der Liebe. Auch einige mystische Jrrthümer, die sich in unfern Diöcesen Geltung verschaffen wollen, werden unferere Wachfamkeit in Anspruch nehmen.
Die Eintracht der Geister und Herzen wird auch die äußere Einigkeit herbeiführen, und diese findet ihre Vollendung im Glauben. Sie muß sich aber auch zeigen in den Gebräuchen und Zeremonien. Ihr werdet daher, ehrwürdige Brüder, dahin arbeiten, daß letztere durchgeführt werde, dadurch, daß ihr unser» Diöcefcn allgemeine Vorschriften gebet, denen aus euerer Uebereinstimmung großes Ansehen erwachsen wird.
Jede Autorität muß, wenn man sie achten soll, auch geregelt sein. Willkühr und Mißbrauch der Gewalt werden von dem Geiste und den Gesetzen der Kirche gleichmäßig verworfen. Wir werden in diesem Geiste und im Sinne dieser Institutionen mit unfern Urthetlen Billigkeit, mit nuferer Amtsverwaltung Weisheit, und mit der Macht Mäßigung und Barmherzigkeit in Verbindung bringen.
Wie ihr wißt, ehrwürdige und geliebte Mitbrüder, gereichte der Kirche die Wissenschaft ihrer Diener von jeher zu besonderem Glanze.
Heutzutage thut es Noth, daß diese Wissenschaft kräftiger und ausgedehnter sei, denn je, vermöge der Verhältnisse, in denen wir leben. Wir stehen nicht mehr in jenen Tagen des Glaubens, wo die Elemente der theologischen Wissenschaften dem Priester genügten, um seinem Charakter Achtung zn verschaffen. Die Entwicklung des menschlichen Geistes in mancherlei Beziehungen, die Verbreitung gewisser zum Theile wahrer, zumTheile falscher Ansichten, ja die Natur der Angriffe selbst, welche der Unglaube gegen die Religion richtet, machen dic Noth-wcndigkeit gründlichen Wissens zur dringendsten Pflicht. Ihr werdet vielleicht bemerken, daß hie und da die theol Studien einer Verbesserung bedürfen. Denn dadurch, daß wir Priester bilden, die ebenso ausgezeichnet sind durch Frömmigkeit als durch Wissenschaft, sichern wir am besten die Heilkraft der Kirche, arbeiten wir für das allgemeine Wohl, und thnn das, was in diesem Augenblicke vielleicht wohl das Wichtigste ist.
Die meisten liebet für dic Gesellschaft entspringen aus der schlechte» Kindcrerziehung, der schlechten Erziehung in der Familie, und nur zu oft auch in der Schule. Wenden wir auch nach dieser Seite hin unsere Sorgfalt, und trachten wir dahin, daß ein religiöser Geist Familie und Schule immer mehr dnrchdringe. Welchen Dienst würden wir der Kirche und der Gesellschaft erweisen durch Gründung von Anstalten, in welchen die Jugend, vor Gefahren gesichert, in Frömmigkeit, ohne welche es keine wahre Weisheit gibt, erzogen würde, durch Vermehrung der guten und gottesfürchtigen Lehrer, und durch Heranbildung einer neuen Generation, die
durchdrungen von dem Bewußtsein und den Grundsätzen des Glanbens, sich unterscheiden wird von den jetzigen Generationen ohne Glauben und Ueberzengung, deren schwankender Geist dem Audringen der verschiedenste« Meinungen Preis gegeben ist, und mit denen man nie im Stande sein wird, für den Ruhm der Kirche oder den Frieden der Welt etwas dauerhaftes stiften.
Das Ziel also, das wir uns hier vorgesetzt haben, ehrw. Väter und geliebte Brüder, ist ein großes und heilbringendes. Um dieses zu erreichen, haben wir nichts versäumt, weder von dem, was die heilige Kirche vorschreibt, noch von dem, was die Klugheit gebietet. Wir haben ausgezeichnete Männer in unsere Mitte berufen, deren Weisheit und Frömmigkeit sie unserm Vertrauen gleichmäßig empfehlen; ticfdenkende Theologen und Ka-nomsten sind bereit, uns in allen Fragen, die einige Schwierigkeit haben könnten, mit ihren Einsichten zu Hilfe zu kommen. Uebrigens vergessen wir nie, daß alle Vorsichtsnahmen fruchtlos, alle unsere Hilfsmittel eitel sein würden, wäre Gott nicht in unserer Mitte. Nein, meine ehrwürdigen Väter und geliebten Mitarbeiter, wir für uns allein vermögen nichts; aber wir vermögen Alles in dem, der unsere Hoffnung und unsere Stärke ist; wenden wir uns während unserer Arbeiten unaufhörlich zu ihm. Oeffnen wir unsere Herze» seinen Eingebungen , und so vereinigt mit Gott und einig unter uns selbst, werden wir die Hindernisse besiegen, welche sich uns in den Weg stellen, und welche die Erreichung dieses Gutes, das wir um der Ehre Gottes und des Heiles unserer Brüder willen, anstreben, vereiteln können.
A. d. Franz v. I. Ez. (W. K. Z.)
Kirchliche Nachrichten.
Breslau. Der katholische Centralverein Schlesiens hat die zweite Provinzialversammluug des Vereins auf den 7. und 8. November d. I. nach Neissc einbcrufen, um mit vereinten Kräften die der Kirche gebührenden Rechte und Freiheiten zu erstreiten und um die Denkschrift der Bischöfe, iit welcher sic für die Kirche die volle Selbst-stäudigigkeit mit allen Folgerungen in Anspruch nehmen, als Programm anznerkennen. »Vollkommene Rcligions-und Unterrichtsfreiheit müssen uns werden« — heißt es in dem Aufrufe — »und sollten wir auch ein Jahrhundert darum ringen!« Dem Aufrufe zur Proviuzialver-sammluug ist beigesügt eine Zusammenstellung der die Kirche uud Schule betreffenden Artikel in der Verfassuugs-urkuude vom 5. December mit den Abänderungen der ersten Kammer undFordcrnngen der Bischöfe. Es ergibt sich im Allgemeinen daraus Folgendes: Zu Art. 11. der Versassnng, der die Freiheit des religiösen Bekenntnisses garantirt, stellen die Bischöfe die Anforderung: »die deutsche" Bischöfe verwerfen die Trennung der Kirche vom Staate, und fordern Selbstständigkeit.« *— Wenn es im Art. 12. der Verfassung heißt, daß die evangelische und
römisch-katholische Kirche, so wie jede andere Religious-gesellschaft ihre Angelegenheiten selbstständig verwaltet, uud im Besitze und Genuße der für ihre Kultus-, Unterrichts- und Wvhlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds verbleibt, so bemerken die Bischöfe dazu, daß sie den Artikel der Verfassung im ausgedehntesten Sinne nicht als ein Geschenk, sondern als Herstellung des Rechts in Anspruch nehmen. Sie gründen ans ihn ihre Forderungen auf die Schule. — Ans Art. 14. und 15. der Verfassung, nach denen der Staat auf das ihm zustehende Vorschlags-, Wahl- und Bestätigungsrecht bei Besetzung kirchlicher Stellen verzichtet, und die Aufhebung des Kirchenpatronats verheißen wird, folgern die Bischöfe daß der Staat schon jetzt auch seine im Patronate nnd in sonstigen Rechten ruhenden Befugnisse zur Besetzung kirchlicher Stellen aufgegeben habe, also keine Seelsorgerstellen mehr besetzen, bei Erledigung von Bischofsstühlen und Kanonikaten, die in den Verträgen mit dem heil. Stuhle erworbenen Rechte nicht mehr a»s-üfceu dürfe. Gegeu Absatz in dein Art. 16. der Verfassung, nach welchem die kirchliche Trauung nur nach der Vollziehung des Zivilaktes stattfinden dürfe, legen die Bischöfe Protest ein, als gegen eine Beschränkung der Religionsfreiheit, und als einen Eingriff in das kirchliche Gebiet. — In Bezug auf die Schule verlangen die Bischöfe unbedingte Unterrichtsfreiheit für die Kirche, als Ausfluß ihrer Selbstständigkeit, daher keine Staatsprüfung für die Lehrer in ihren Schule». Freiheit der für die Zwecke der Kirche bestimmten, so wie aller von der Kirche gegründeten Unterrichtsanstalten von der Staatsaufsicht. Wahrung der bischöflichen Rechte zur Aufsicht über alle Konfessionsschule».« — Der katholische (Lcutralvercin veröffentlicht die,^Anforderungen der Bischöfe mit dem Ersuchen, daß sämmtliche katholische Vereine Schlesiens zur Vorbereitung eines allgemeinen Protestes gegen die diese Forderungen beschränkenden Bestimmungen, diese Angelegenheiten in ihren Versammlungen bespreche» möchten. Die Berathnng des Protestes wird ans der Provinzialversammluug erfolgen.	Oe.	C.
Freiwillige Beitrage
für de» Missionär Dr. Ignaz Knoblecher.
Uebertrag 391 fl. 3 fr. Herr Joseph Zhermiel, Lokalkaplan in
Görz .................................. 5	»	—	*
Herr M. K. . .	.	.  ................ o	»	  »
Ein Priester ans	Laibach.................... 5	>	—	»
Herr F. A. Priester......................... 2	>	—	«
Zusammen 405	fl.	3 fr.
Personal - Nachrichten.
Aus der Laibacher Diöcese.
Dem Herrn Johann Demschcr, Kooperator in Sittich ist die Lofalie Bufouschiza verliehen worden.
Gedruckt bei Josef Blasnik in Laibach.