^/^?<^^< F^? Neise durch Numelien und nach Brusfa im Jahre R839 von A. Grifebach, Dr. med., Privatdocenten an drr K. Universität zu Göttingen, der Regensburger botanischen Gesellschaft, des Göttingischen Vereins für Natur- und Heilkunde und des naturwissenschaftlichen Vereins des Harzes Mitglied. Erster Band. G ö t t i n g e n, beiVandenhoeck und Ruprecht. K » 4 z. Vorwort. ÄVenn man sich bei dem Studium der europäischen Vegetation die wichtigen Ergebnisse vergegenwärtigt, welche die Wissenschaft den kurzen Sommerreisen Wahlenberg's verdankt, so wird man gestchen, daß ein Botaniker, dürfte er auch nur wenige Monate auf die Naturanschauung einer vernachlässigten Flora verwenden, dennoch dabei Gelegenheit findet, eine bedeutende Reihe denkwürdiger Beobachtungen zu sammeln, deren nachfolgende Analyse ihm für längere Zeit einen ersprießlichen Wirkungskreis eröffnet. In wie weit es mir gelungen sei, ähnlichen Untersuchungen in Bt-thynien, Thracier,, Macedonien und Albanien den verflossenen Sommer nicht ganz fruchtlos gewidmet zu haben, wird aus einer systematischen Schrift über die rumelische Flora beurtheilt werden können, welche ich zum Drucke vorbereite, und, so fern sie meinem Fache strenger angehört, mit allen mir zu Gebote stehenden Hülfsmitteln auszuführen wünsche. IV Borrede. Ganz verschiedene Ansprüche werden an den Reisenden gemacht, der, seiner persönlichen Sphäre gleichsam entsagend, sich über das Mannigfaltigste zu verbreiten denkt, unbekümmert, wo der Umfang seiner Bildung oder die gesellschaftliche Stellung, die er einnimmt, ihm Schranken setzen möchten. Solche Schwierigkeiten, die man da am lebhaftesten fühlt, wo dle geringste Gelegenheit zur Beobachtung menschlicher Verhältnisse geboten ist, würden mich vielleicht veranlaßt haben, den Plan des vorliegenden Buches aufzugeben, wenn nicht eine besondere Rücksicht mich in diesem Falle geleitet hätte. Ueber einen großen Theil der von mir besuchten Gegenden enthält die geographische Literatur bis zum gegenwärtigen Augenblicke keinen einzigen ausgeführten Reisebericht irgend eines europaischen Beobachters. Von V6-dena in Macedonien, das Leake und Cousinöry berührt haben, ist mein Weg über Bitolia, Köprili, Ueskueb, Cal-cundele, Prisdr Idealer Durchschnitt im Sinne des Stromlaufs. 2 * 20 Erstes Capitel. Diese Darstellung, welche durch Reflexion über die Verthei« lung der bewegten und unbewegten Flachen des Stroms entstand, sich auf die Aussage von Schiffern stützte und später durch den ortskundigen Capitain der Galathca, Herrn Dobroslovich, als richtig anerkannt wurde, soll natürlich nur dazu dienen, die wesentlichsten Puncte anschaulich zu machen, ohne daß sie secundäre Unregelmäßigkeiten berücksichtigt, welche die ungleiche Höhe und Gestalt des Felsdamms hervorbringt. Drei Strömungen erscheinen im Allgemeinen als die wichtigsten: 1) die Strömung in den Lanälen (/), die nirgends auf ein Hinderniß stößt und daher bei hohem Waffer zur Schifffahrt benutzt wird. Sie hat zugleich die größte Geschwindigkeit wegen des beträchtlichen Niveauunterschiedes oberhalb und unterhalb der Cataracte. DieCanäle haben innerhalb der beiden Brandungen etwa eine Breite und Lange von 50". Die Entfernung der beiden Brandungen beträgt mehre hundert Fuß. 2) Die Strömung der obern Schichten des Flusses, die gegen den Felsdamm anprallen, dadurch die untere Brandung hervorbringen und sich dann bei hohem Wafferstande über den Felsdamm wie niedrige Wasserfalle, oder richtiger als Stromschnellen ergießen. 3) Die Strömung der untern Schichten des Flusses, die vor dem Felsdamm umkehren, alsdann schräg und aufwärts stießen, bis sie ihren Kreis vollendend in e dem abwartsströmenden Waffer begegnen und dadurch die obere Brandung erzeugen. Des Schiffers Arbeit ist der Ordnung, die in diesem Aufruhre herrscht, angemessen. Zuerst sucht er den Eingangspunct eines der Canäle durch die obere Brandung zu gewinnen; sobald der Kahn eingelaufen, überläßt er ihn dem Strome, bis er das ruhige Waffer erreicht hat. Aber hier erwartet ihn die größte Gefahr, die der Unkundige nicht sieht und nur aus der eifrigen Thätigkeit des Steuermanns errathen mag. Denn da zu beiden Seiten ruhiges Wasser ist, so denkt man nicht leicht, daß, wenn man sich nur zwanzig Schritte seitwärts befände, das Boot weiter abwärts auf die Klippen gerathen müßte. Ist man aber endlich erst in den Canal durch die untere Brandung eingelaufen, Serbien. 21 so legen die Schiffer die Hände in den Schooß, so stürmisch und gefährlich auch die nächste Umgebung sich ausnimmt. Unsere Schiffer nahmen die Sache viel ernsthafter, als sie bci einiger Erfahrung sein kann. Man hörte nicht selten heftig hervorgestoßene Befehle, Nuder und Steuer wurden mit äußerster Kraftanstrengung gehandhabt. Vorher wurde um Schutz zur Ma« donna gebetet, nachher zum Dank. Es waren halbnackte Serben, die übrigens selten untereinander sprachen. Die Aufregung, in die sie sich versetzten, hatte vielleicht nur zum Zweck, uns unsere Rettung höher bezahlen zu lassen, was sie denn auch nach einer ausdrücklichern Demonstration erreichten. Die Quarantaine, die uns nun wie ein breites Meer von der Heimath trennte, verzögerte unsere Reise durchaus nicht. Dies verdient eine besondere Anerkennung des Reisenden, da die Einrichtung gerade hier eigne Schwierigkeiten hervorruft. Serbien und Wallache! sperren sich gegen die Türkei ab, Oesterreich sowohl gegen diese, als gegen die Fürstenthümer. Nun halt es schwer, die Schiffer, welche die Reisenden weiterschaffen, so zu vertheilen, daß sie nicht bei ihrer Rückkehr zur Contumaz genöthigt werden. Das für die Reise nach Galacz bestimmte Dampfschiff erwartet die Reisenden an der serbisch-türkischen Grenze. Die Serben dürfen das Dampfboot nicht berühren, weil es aus der Türkei kommt, Ungarn dürfen dagegen nicht einmal das serbische Ufer betreten. Deshalb wird man in der Contumaz-Anstalt von Alt-Drsova von serbischen Schiffern erwartet und landet unterhalb des eisernen Thors bei Gladosnitza auf serbischem Bo.-den, hart an der türkischen Grenze. Man geht zu Fuße hinüber, schneibet sich dadurch von der Christenheit ab und besteigt nun die abgesperrte Galathea. Auf ihr fuhren wir den Morgen des IN. Aprils ab und erreichten um Mittag Widdin, die erste türkische Stadt, die mein Fuß betrat. Ganz allmahlig waren die fremdartigen Eindrücke häufiger geworden, die sich hier zu einem vollständigen Bilde vereinigen sollten. Zuerst die Minarets von Belgrad in nebelerfüllter Ferne; dann die türkische Inselfestung Ncu-Qrsova mit einem einzigen Minaret, woran wir vorüberfuhren, die orientalische Klei, 22 Erstes Capitel. dung von zwei Reisegefährten, verhüllte Frauen am Quai von Widdin und endlich das Innere der Stadt! Die einstöckigen Häuser gleichen Jahrmarktsbuden: denn die inneren Räume treten zurück. An der Straße liegen nur offene Hallen, die von dem Dache des Hauses überdeckt sind. Durch Läden können sie vorn verschlossen werden. Auf dem Fußboden der Halle, der einige Fuße über die Straße erhöht ist, liegt cine Strohmatte ausgebreitet. Hier arbeitet der Handwerker oder handelt der Kaufmann. Alles ist von Holz und sieht verfallenen Hütten' gleich. Nur die Moscheen, von Stein, aber ohne architektonischen Schmuck erbaut und weiß angekalkt, machen eine Ausnahme von einem so einförmigen und niederschlagenden Eindrucke. Die Straßen sind eng, krumm, ohne Master und daher äußerst kothig. Die Waaren sind Brod, Reis, Tabak, Zuckerwerk, Pfeifen. Der türkische Kaufmann handelt nur mit einem einzelnen Gegenstande. Fragt man nach einer andern Waare, so antwortet er: jook! (nein!). Bietet man weniger, als er fordert, so antwortet er: jook! Seine Waaren anzupreisen, sich zu unterreden, verschmäht er. Ruhig sitzt er da, auf den Knieen und rückwärts an die Wand gelehnt. Er raucht in langsamen Zügen. Ein Kohlenbecken steht neben ihm. Nie macht er eine unnöthige Bewegung. Der Anblick dieser fast thierisch ausdruckslosen Gestalten giebt dennoch den öden Gassen beinahe das einzige Leben. Wir begegneten nur selten Vorübergehenden; einmal trafen wir einen Karren, der von Büffeln gezogen wurde. Frauen sahen wir im Innern der Stadt nicht. Aber eine zahlreiche Menschenmenge hatte sich am Donauufer versammelt. Einige Angesehenere kamen an Bord des Dampfschiffs, unter Andern dcr Leibarzt des Pascha, der, wie er uns erzählte, in Jena promovirt war. Die Gegend von Widdin ist schon ganz flach. Am Horizont erblickt man im Süden die Balkankette, die sich wie ein fernes Mittelgebirge ausnimmt. Das Clima dieser weiten Ebene, die sich in einer Breite von 40 geogr. Meilen und 6«) geogr. Meilen lang vom eisernen Thore nach Osten erstreckt und dort mit der Flache von Südrußland verbunden ist, tragt durchaus den Character des Ostens und ist viel rauher, als man, ohne diesen Bulgarei. 23 Einfluß zu bedenken, erwarten könnte, da die Polhöhe von Wid-din der von Genua gleichkommt. Aber hier giebt es keine immergrüne Wälder und keine Südfrüchte. Nirgends ertragen Fei« gen und Orangen den Winter, und unter den Qbstarten, welche aus der Bulgarei nach Widdin geführt werden, zählt man nur unsere mitteldeutschen Producte. An vielen Orten war noch jetzt der frisch gefallene Schnee liegen geblieben, keine Zeichen des Frühlings waren in der Pflanzenwelt sichtbar, und so ungewöhnlich sich auch in diesem Jahre überall der Sommer verspätete, so kann doch ein so anhaltender Aprilfrost zum Zeugniß dienen, daß die südeuropäische Flora über den Balkan nach Norden nicht herübergreife ^). Eben jetzt hob sich die Temperatur und das Wetter wurde heiter. Deshalb entschloß sich der Capitain, die Nacht durchzufahren, und wir erreichten schon am Mittag des 11. April die Stadt Nustfchuk. Die Ufer bleiben flach und sind größtentheils unbewaldet. An der wallachischen Seite zeigen sich von Zeit zu Zeit ärmliche Dölfer, an unfruchtbaren Abhängen aufwärts ge< baut. Gegenüber beginnen ungeheure Massen von Rohr **) das La-id zu verdecken, die weiter abwärts das ganze Donauufer und die Inseln bekleiden, jede andere Vegetation ausschließen und nur selten von einzelnen Weidenbäumen unterbrochen werden. Kein Schiff, kein Nachen belebt die öde Wasserfläche. Aber schon zeigen sich Pelicane, wilde Gänse, Enten und Möven, die Boten des Meers. Rusischuk machte einen etwas vortheilhafteren Eindruck als Widdin, das es auch an Größe übertrifft. Tue belebtesten Straßen sind überdeckt, d. h. sie bilden einen Besestan. Die Laden sind reicher ausgestattet. Zierlich ausgemalte Pfeifenköpfe, die *) Nach in Galacz eingezogenen Nachrichten hat man dort im Winter häusig 15—18° It, Kälte. Nördlich vomValkan gedeiht nirgends eine Olive. Geidenzucht wirb nicht getrieben. Weinberge sind vorhanden, aber der Wein soll schlecht sein. Korn und Mais sind von anerkannter Güte. Die Wälder 'm Innern bestehen aus Eichen und Tannen. Alle diese Angaben sprechen für jene Behauptung. ") ^Vlunllo s>l,lagmites 1^. 24 Erstes Capitel. von hier nach der Hauptstadt gehen, werden zu 2 Piastern *) verkauft. Ringe von gefärbtem Glas, welche die Türkinnen über dem Fußknöchel tragen, wurden mit nicht geringer Kunstfertigkeit in Menge an der Straße gegossen. Sie sind so eng, daß sie auf eine chinesische Zierlichkeit des türkischen Fußes schlichen lassen. Mehre Türkinnen begegneten uns. Ein weites Gewand ohne Taille, das vom Hals bis zu den Zehen reicht, hüllt ihre Formen in undurchdringliches Geheimniß. Ein kreuzweis über das Gesicht geschlungenes weißes Tuch läßt nur die Augen durch eine schmale Spalte hervorblicken. Jüdinnen erkennt man daran, daß nur die Hälfte des Gesichts verhüllt ist. Eine Griechin aus Smyrna, die das Dampfschiff in Augenschein nahm und die Reifenden durch eine liebenswürdige Conversation erfreute, war un^ verschleiert und trug einen kleidsamen Turban. Die Stadt ist offen; nur das unansehnliche Palais des Pascha ist befestigt und der Hofraum mit aufgehäuften Kanonenkugeln verziert. Wir verweilten nur eine Stunde, um Kohlen einzunehmen, und erreichten noch spät Abends Silistria. Ohne diese Stadt im Lichte des Tags zu erblicken, fuhren wir weiter und kamen am Mittage des 12. nach Braila, wo uns das Dampfschiff des schwarzen Meers, der Ferdinande primo, erwarten sollte. Bei Czernawoda macht die Donau die merkwürdige Biegung nach Norden, wodurch ihr Stromlauf wenigstens um 30 geogr. Meilen verlängert wird. Hier ist der Anfangspunct der bereits im Bau begriffenen Chaussee nach Kostendsche am schwarzen Meere. Dies ist auch die Linie des projectirten Canals, der zwischen den Vorhügcln des Balkan und im Süden des Babadagh fast im Niveau des Meers bequem angelegt werden kann. Der Babadagh im Lande der Dobrudschen, den die Donau mit ihrer letzten Biegung umkreist, ist ein eigenthümliches Gebirge. Es schließt die wallachische Ebene im Osten, wie der Balkan im Süden. Es ist eine bedeutende, abgeschlossene Kettr. Nergformen und dunkle Erdfarbung müssen jedem Europäer fremdartig vorkommen. Denn obwohl die nackten Abhänge und *) 3 Ggr. C,-M. Bulgarei. 25 die eckige Contur der Schneide an gewisse Küstengebirge des Mittelmeers erinnern, so fällt doch das Massenhafte und Ebenmäßige der Bildung auf. Es ist nicht bloß die Durchsichtigkeit der Luft, die ferne Spitzen so nahe erscheinen laßt. Ebenso viel tragt dazu gleichsam die Gegenstandslosigkeit der AbHange bei: kein Thal, keine Wellenlinie, kein Fels, keine Waldbekleidung fesselt den Blick an den Seiten des breit aufschwellenden Hügels und das Auge schweift daher früher zu den formenreichen Spitzen hinauf. Herr von Prokesch, der geistvollste und treuste Naturzcichner des Orients, bemerkt, daß ein größerer Zuschnitt der Gebirge, reichere und dabei mildere Farben, breitere und sanftere Thäler Asien vor Europa auszeichnen *). Aehnliche Eindrücke bieten alle charactervollen Bergzeichnungen Arabiens, Syriens, kurz des asiatischen Theils der Levante. Ich selbst habe auf meiner Reise in Withvnien stets Verhältnisse dieser Art wahrgenommen. Herr Conolly, in dessen Begleitung ich diese Reise zu machen das Glück hatte, bemerkte, daß solche Bergformen auch in Persien häusig vorkamen. Sie verdoppeln die lähmende Kraft der orientalischen Sonne. Ihrer Gluth schutzlos hingegeben, durch das Aufwärtssteigen erschöpft, hat man noch viel mehr zu leiden, weil man die Entfernung jeder Höhe so weit unler ihrem Werthe schätzt. Wenn man sich Braila nähert, kündigt das nahe Meer durch den ungewohnten Anblick zahlreicher Schiffe sich an. Der Handel ist in steigender Blüthe, aber doch nicht so bedeutend als in Ga-lacz, wo alle Handelsartikel der Moldau ihren Stapelplatz finden, während die Wallachei, außer über Braila, auch auf der großen Landstraße von Bukarest nach Narna die Producte von Ackerbau und Viehzucht den verödeten Provinzen Rumeliens zuführt. Pa der Ferdinando, durch einen heftigen Sturm auf dem schwarzen Meere zurückgehalten, erst am folgenden Mittage eintraf, benutzte ich, von der Stadt durch die Quarantame abge-schnitten, die Zeit zu einem Ausflug auf eine der gegenüberliegenden bulgarischen Inseln. Sie ist sumpfig, völlig siach und *) Denkwürdigkeiten aus dem Orient I. p. 458. 26 Erstes Capitel. durchaus von Phragmites überwachsen. Nur am Ufer steht sparsames Weidengebüsch. Unzählige Wasservögel, Enten, Gänse und Störche beleben sie. Malerisch liegt das blaue Gebirge über der weiten Ebene im Hintergrunde. Eine ähnliche Insel besuchte ich bei Galacz. Ein über alle Wegrisse schmutziges Dorf brachte uns dort mit bulgarischen Landleuten in Berührung. Wie verschieden ist hier schon der Eindruck, den die vermischten Nationen hervorbringen: der Bulgare mit seiner slavischen Gesichtsbildung, dürftiger Umgebung, mangelhafter Kleidung, unreinlich an Person und Behausung, aber von gutmüthigem, dienstwilligem Benehmen; der Türke, auf dem Verdecke des Schiffs in weiten Gewandern gelagert, fremd und zurückhaltend, ohne Bewegung in den edlen Zügen, die nicht selten dem Ideal mannlicher Schönheit entsprechen, abcr wegen des völligen Mangels an geistigem Character nur durch ihre Form anziehend wirken können; endlich die Franken, die uns so gütig wie alten Freunden begegnen und die Vorzüge der Heimath einprägen. Am 15. April verließen wir Galacz vor Sonnenaufgang und erwachten in Tuldscha, wo das Delta der Donau beginnt. Ein russisches Kanonenboot rief uns an, Wachposten standen längs des Ufers, wie in der Militairgrenze. Die Einfahrt in den Su-line-Arm ist sehr eng. Ein kürzlich versunkenes Schiff versperrte ihn zur Hälfte; ein zweiter Schiffbruch an dieser Stelle würde die Donaumündung schließen. Sehr viele Schiffe, Griechen, Russen, Genueser, begegneten uns. Da sie in den häufigen Krümmungen des engen Flusses beständig den Wind verlieren, werden sie streckenweis von Menschen gezogen. In der Ferne ist Ismail, die nächste bessarabifche Stadt, sichtbar. Uebrigens ein unbegrenzter Phragmites-Horizont. Im Süden unterbrechen ihn nur die äußersten Vorgebirge des Babadagh, fünf ausgezeichnet geformte Berge, deshalb Peschdagh, das Fünfgcbirg, genannt. Es dient den Schiffern auf der See zum Wahrzeichen. Außerdem nur Rohr, so weit das Auge trägt und auf der Insel rechts, die Einige für Peuce halten, in der Ferne ein Eichenwald. Zahllose Seevögel verkünden die Nähe des Meers. Moven schwimmen und schießen über die glatte Stromfiache hin. Schaaren Bulgarei. 27 von Pelikanen im mannichfaltigsten Gesieder, grau, schwarzbeschwingt, rosenroth, fahl bis in's Weiste, lassen sich in der Nähe betrachten, ohne das Geräusch der schäumenden Nader zu scheuen. Endlich erscheinen die Häuser der russischen Rcdoute am reckten Ufer der Mündung, die See ragt über die Küste hervor, fünf Schüsse der Begrüßung werden gewechselt und um 1^ 20' fahren wir in's schwarze Meer. Der Himmel war fleckenlos klar, günstiger Wind aus Norden, nie hatte der Ferdinand» eine kürzere Fahrt nach Stambul gemacht. Am folgenden Morgen steuerten wir in bie Bai von Varna und verweilten zwei Stunden in dieser Stadt. Schon lange vorher hatten wir uns der reizend.'» Landschaft erfreut. Die Bucht bildet einen Halbkreis, der von bewaldeten, leider noch nicht begrünten Hügeln und weißen Kalkfclsen umsäumt wird. An der nordwest-lichcn Terrasse lehnt sich die Stadt hinauf. Beim Eintritt in dieselbe lud der Pascha die Passagiere der ersten Cajüte zu einer Audienz ein. Er heißt Hassif-Pascha und steht unter dem Mu-schür *) von Silistria. Wir wurden in ein ärmliches Haus geführt, aus dessen Fenstern man den Hafen erblickte. In einem kleinen Zimmer, desscn einziges Möbel der verblichene Divan war, empfing er uns drei Personen nebst dem Schiffscapitain. Er saß mit einem Bin-Vaschi **) auf dem Divan und begrüßte uns höflich. Einige Schemel wurden hcrbeigetragen, auf die wir uns setzten, Caffee und Pfeift ward geboten, aber, da kein Dolmetscher gegenwärtig war, so fand die Unterhaltung größtentheils bei gegenseitiger Betrachtung des Physiognomien ihr Bewenden. Diese stumme Ehre dauerte einige Minuten und dann durchwanderten wir die Stadt. Hier fand sich denn ein größeres Palais des Pascha, dem er das Häuschen, wo wir ihn sahen, der Lage wegen vorzieht. Jenes liegt am Ende der Stadt, in der Nähe eines Kirchhofs, den ein prächtiger Brunnen mit sehenswertlien Verzierungen schmückt. Von da kann man die Befestigungswcrke *) Verql. die Nachrichten über bic jetzige Administration, die mir >n Galonichi mitgetheilt wurden. ") stolon.'!. 28 Erstes Capitel. übersehen, deren Anlage ausgedehnte Näume einschließt. Von der Südseite deckt sie der Hafen und südwestlich ein See, der mit dem Meere in Verbindung steht. Im Norden ist eine niedrige Bergkette etwa eine Stunde entfernt. Wiewohl an ihren Höhen noch Schneefelder sich zeigten, so erblickte ich doch hier zuerst in einigen blühenden Pflanzen deutliche Zeichen italienischer Vegetation ^) und war also endlich südwärts von den nördlichsten Ausläufern der Balkankette in das Florengebiet des südlichen Europa eingetreten. Am 17. Morgens 5" 15' rief uns der Capitain aufs Verdeck, da die Küste am Bosporus sichtbar sei. Die Sonne ging rein auf: es wurde der schönste Tag. Bald liegen die Cyaneen neben uns, alle Wunder des Bosporus gleiten an uns vorüber, hundert Schiffe begegnen uns, den jüngst entstandenen Südwind zu benutzen. Das europäische Gestade prangt im Lichte der Morgensonne, Asien liegt noch im Schatten der Dämmerung, klar schimmert aus weiter Ferne die Schneelinie des Olymp herüber, ein leichter Duft ist über der wunderbaren Stadt ausgebreitet. Diese Gegensätze erhöhen noch jenen überschwenglichen Eindruck, der jede Phantasie überbietet, den keine Kunst der Darstellung fesseln zu können scheint, und den dennoch Hammer und Pro-kesch mit ebenso viel Empfänglichkeit, als Kraft und Treue wie« hergegeben haben. Um 8" wurde der Anker im Hafen von Stam« bul niedergelassen. ») Z. B. vrmlkogalum exgcapum len. deratocvplmlus l»!calu51». Zweites Gapitel. Reise nach Brussa. Dimitri. Wulgurw. Kiahad-Chan^. Vorbereitungen zur Landreise. Verlust des Barometers. Cartal. Prinzeninseln. I6oisa. Hersek. I»lova. Gebirge Samanli. Kemlik. Gebirge Catirli. Ebene von Brussa. ueber meinen Aufenthalt in Constantinopel, der durch eine Reise nach Brufsa unterbrochen wurde, habe ich nur die Absicht, einige Fragmente mitzutheilen, die sich größtentheils auf dm Betrieb der Vorbereitungen meines Hauptzwecks beziehen. Nachdem ich mich unter den Schutz der österreichischen Gesandtschaft gestellt hatte, bemühte ich mich, einen ehrlichen und gewandten Dolmetscher ausfindig zu machen, um ihn für die ganze Reise in meine Dienste zu nehmen. Man hatte allgemein eine so schlechte Meinung von diesen Leuten, daß ich Ursache fand, sehr vorsichtig zu Werke zu gehen. Das Ucbelste ist, daß sich zu solchen Diensten fast nur Griechen verstehen, von allen in der Hauptstadt vereinigten Nationen die am schlechtesten berufene. Zum Glück kehrte gerade einer der preußischen Ofsiciere, die eine Zeit lang im Dienste der Pforte verwendet wurden, aus Asien zurück, nachdem er dort zehn Monate gereist war, und unter Andern auch von einem griechischen Dolmetscher begleitet wurde. Da sich dieser bei mir meldete, hatte ich Gelegenheit, persönlich Erkundigungen über sein Betragen einzuziehen. Er hieß Dimitri Mpernardos, war über die Jahre der Leidenschaft hinaus, hatte in Constant!- 30 Zweites Capitel. nopel Familie, und sprach fertig türkisch, griechisch, arabisch, französisch und italienisch, während cr noch in einigen andern Epochen oberflächliche Kenntnisse besaß. Sein Herr gab mir die Versicherung, daß er geschickt und verständig sei, und daß er ihm treu gedient habe, fügte indessen die allgemeine Bemerkung hinzu, daß man einem Griechen niemals zu sehr trauen dürfe. Ein deutscher Diener klagte ihn der Trägheit an. Ich war in der Lage, mich meinem Dolmetscher in der Folge ganz anvertrauen zu müssen. Denn ich konnte meine Zeit nicht auf Sprachstudien verwenden, ich konnte auch nicht mehre Diener mit mir führen, ich mußte dem Einzigen alles Occonomische überlassen, und cr mochte, wenn er untreu war, die Kosten nach Willkühr verdoppeln. Denn selbst, wenn ich ihn ertappt hätte, würde ich es haben verschweigen müssen, da ich ihn im Innern des Landes nirgends hätte ersetzen können und ein offnes Zerwürfniß nur zu meinem eignen Nachtheil ausgeschlagen wäre. In dieser Lage wünschte ich, nicht ohne persönliches Studium eines für mich so wichtigen Menschen mich seiner Discretion hinzugeben. Ich entschloß mich daher, vor der Hand eine Probefahrt mit ihm anzustellen und mich erst, wenn ich mit ihm nach Constantinopel zurückgekehrt wäre, über das weitere Engagement zu entscheiden. Da ich kein passenderes Individuum fand, als Dimitri, so wurde ich mit ihm einig, daß er mich durch Bithynien nach Brussa und zurück begleiten solle. Ich be-vorwortete gleich, daß er sich auf einen langern Dienst bei mir keine Hoffnung machen dürfe, indem ich auf diese Art zu bewirken hoffte, daß er sich nicht besser und treuer anstellte, als er wirklich war. Denn war er auf unredlichen Gewinn bedacht, so mußtc ihn die Kürze dcr Dienstzeit anfeuern, so viel Vortheil als möglich aus dirstn wenigen Tagen zu ziehen. Zugleich verbarg ich ihm sorgfältig meine geringen Kenntnisse im Neugriechischen , die mich indessen in den Stand setzten, auf Unterhaltungen, in denen er sich ganz unbeachtet glaubte, ein wachsames Ohr zu richten. Als er in der Folge diese List erfuhr und zugleich bemerkte, daß ich stets eine Summe Geldes an einem Orte, der auch ihm unbekannt geblieben ist, verborgen bei mir Constantinopel. 3l führte: so verschafften mir diese Umstände eine Achtung, mit der kein Grieche verschwenderisch zu sein pflegt und die dazu diente, seinen Diensteifer zu erhöhen. Endlich vollzog ich einen schriftlichen Contract, wonach er mich als Dolmetscher, Diener und Koch überall hin begleiten mußte, während ich mich verpflichtete, ihm monatlich 250 Piaster ^) zu zahlen und für seine Bekösw gung und Rückreise nach Constantinopel Sorge zu tragen. Die zuvorkommende Fürsorge der österreihischen Internun-tiatur verschaffte mir in kurzer Zeit einen Ferman nach Brussa und so konnte ich nach zehntägigem Aufenthalt in der Hauptstadt die Reise antreten. Ehe ich indessen von ihr berichte, kann ich nicht unterlassen, wenigstens über zwei meiner Wanderungen in den Umgebungen von Constantinopel mein Tagebuch vorzulegen. Die erste hatte zum Ziel den Bulgurlu, die dominirende Höhe ") über Scutari, von der die Rede gehl, daß, wenn die Lage von Stambul die schönste in Europa sei, der Blick von diesem Berge Alles, was Natur und Geschichte diesen Küsten spendeten, in erschöpfender Fülle umfange und in künstlerischer Anordnung darlege. Eine Stunde dauerte die Fahrt über den Bosporus, zwei Stunden gebrauchten wir bis zur Spitze des Bergs, deffen breiter Fuß längs des Bosporus von Scutari umsäumt und von dem Marmormecr durch den berühmten Cyprefsen-friedhof geschieden wird. Ueber der Stadt erhebt er sich als ein sanft geneigter Kegel, mit Feldern und Triften an den Abhängen, wo manche zierliche Blume des Südens blüht ^*). Eichen, Lorbeer, Arbutus, Phillyrcen und Eisten bilden ein immergrünes Gesträuch, aus dem die breit- und die schlankgewachsene Cy-preffe in einzelnen Stämmen hervorragt. Ebenso häufig sind Ulmen, die eben blühten und noch nicht ansingen, ihre Blatter zu entfalten. Dieser Umstand, am 20. April noch Bäume blatt- *) 8?'/2 Francs. ") Die Spitze liegt nach des Grafen Andre ossy Messung 240 Meter ). *") Z. B. 1>ilolmm unMorum 1^. und 0!ivell»num 8er. ITanun- 32 Zweites Capitel. los anzutreffen, die in Neapel sch^n zu Anfang Februar ausschlagen, überwschte mich um so mehr, als sie inmitten eimr Wegetation wuchsen, welche nur in italienischem Clima gedeiht. In der That ist die Iahreswarme von Constantinopel der von Livorno und Montpellier gleich ^). Man darf zwar vermuthen, daß der Gegensatz von Commer und Winter an der Küste des schwarzen Meers vicl größer sei, als am Mittelmeer, aber dies erklart keineswegs eine so bedeutende Regellosigkeit, daß, während die immergrünen Sträucher Südcuropas den Winter ertragen, die Ulme «rst blüht, wenn sie in Paris schon seit einem Monat belaubt ist, Man nimmt bekanntlich an, daß in Europa mit jedem Breitecrade nach Süden zu die Vegetationsperioden ungefähr um vier Tage früher eintreten. Wie sehr scheint cs diesem Gesetze zu widersprechen, daß ein Baum, dessen Belaubung nach den vergleichenden Beobachtungen von Lord Suffield und Marsh am in England durchschnittlich den 15. April ein-triti, 10—15 Grad südlicher und fünf Tage spater noch unbelaubt ist. Sollte die Verschiedenheit der einzelnen Jahre so groß sein? Man hat gefunden, daß an demselben Orte in Norfolk die Ulme in dem frühsten Jahre den 4. März, in dem spätesten den 6. Mai ausschlug. Aber eine einfache Rechnung kann beweisen, daß diese Unterschiede, so groß sie sind, dennoch bei Weitem nicht ausreichen, jene Anomalie zu erklären. Dazu kommt, daß ich bei Prokesch eine zweite Angabe über das späte Erwachen der Pflanzenwelt in Constantinopel antreffe. Er schreibt ") den 17. April 1826 aus Therapia, daß nock kein Baum am Bosporus grün sei. Eine Erklärung versuche ich nicht. Sie wird erst mit einiger Wahrscheinlichkeit gegeben werden können, wenn das Clima von Constantinopel genauer bekannt ist. Ich werde noch einmal Gelegenheit finden, zu zeigen, daß die Abhängigkeit des Pstanzenlebens uon den Jahreszeiten noch ein Gebiet ist, das täthfelhafte Phänomene einschließt. *) Nach der Isothermencharte von Mahlmann in dessen Uebersetzung von Forbes Meteorologie. ") Denkwürdigkeiten 3. p. 244. Constantinopcl. 33 Oben auf dem Bulgurlu sieht eine Gruppe von Ulmen und Cypressen. Dort pflegte Mahmud, der damals noch lebte, zu Zeiten die Herrlichkeit seines Reichs zu überblicken. Gegen Westen sieht man im Vordergrunde dicht unter der Spitze einen Brunnen, von Hoden Bäumen überwölbt, unten am Abhang ganz Scutari hinabgebaut, links stunoenweit den Cypressenwald bis an's blaue Meer, aus dessen Fläche einzelne Segel, die Prin-zcninseln und asiatische Berge hervortreten. Unter Scutari erscheint der Bosporus, wie ein breiter, reichbelebter Strom; gegenüber zuerst Stambul selbst, auf seinem flachen Hügel breit gelagert, unten die Cypressen des Serails, oben die goldbeladenen Kuppeln und Minarets der Moscheen, seitwärts die unendliche Häusermasse; rechts vom Serail das goldne Horn, der Haftn, worin damals über den dichten Mastenwald die Flaggen der ganzen Osmanischen Flotte heradwehten; weiterhin die Vorstädte, über sechs Hügel vertheilt; endlich im Norden die rcichgeschmück-ten Ufer des Bosporus, der in seiner Krümmung dem Auge entschwindet. Dieses Bild, das so unsäglich reich in seinen De. tails und zugleich so lebendig als großartig ist, steht in ernstem Gegensatze zu dem kahlen, unbebauten Hügellande, auf dessen westlichem Vorgebirge man sich findet und das sich weit nach Asien hinein zu einer Bergkette in der Richtung von Nicomedien zusammenordnct. Nicht weniger wüst und traurig ist die wellige Hügclflache, die sich im Westen der Hauptstadt ausdehnt. Ich durchschnitt einen Theil derselben, als ich das freundliche Thal der süßen Wasser von Europa besuchte, welche sich in grasigem Grunde zwischen den Hügeln und Vorstädten zum Hafen hinschlangeln. Es war am Tage vor meiner Abreise. Wir hatten m Veschik-tasch, der äußersten Vorstadt von Constantinopel am Bosporus, Unserer sieben Landsleute beim liebenswürdigen Dr. Neuner, damaligem Leibarzte des Sultans, gespeist und überließen uns dessen Führung. Er zeigte uns Zuerst das noch im Bau begriffene, neue Palais des Großherrn und den gegenüberliegenden englischen Park, den ein Wiener Gärtner kürzlich eingerichtet hatte. Wiewohl er sehr abschüssig liegt, war diese Lage doch 34 Zweites Capitel. zweckmäßig benutzt. Alles Gebüsch bestand aus einheimischen Sträuchern und konnte sich nicht bloß an Mannigfaltigkeit mit unsern Anlagen messen, sondern übertraf sie weit durch das immergrüne Laub, das der nordische Himmel versagt. Eichen und Arbutus*) sah ich am häufigsten. Eine ausgezeichnete Felspartie mit Cascade und Bassin trug wieder andere Gesträuche des Sü-dens von niedrigem Wuchs ^), zwischen denen Farrcnkraut und Ephcu sich an das Gcstein schmiegten. Jenseit der Straße am Bosporus liegt das Palais, das bereits großentheils vollendet und bei Weitem das prächtigste Gebäude von Constantinopel ist. Aber Alles ist, bis auf die zahlreichen Säulen, von Holz. So will es das muselmännische Gesetz, welches für das kurze Leben nichts Dauerndes zu schaffen erlaubt und nur den Moscheen steinerne Mauern giebt, damit Jeder unterscheiden könne, was zur Ehre Gottes und was für den flüchtigen Bedarf dcs Menschen errichtet sei. Armenische Baumeister haben den neuen Pallasi gebaut, aber der Sultan l>at aus besonderer Vorliebe die Ausführung persönlich geleitet. Manches ist unsymmetrisch und geschmacklos , und das Einzelne schadet dcm Eindruck des Ganzen, aber die Fronte am Waffer ist wahrhaft großartig. Dasselbe Urtheil läßt sich über die innere Einrichtung aussprechcn, und, um nur die guten Seiten hervorzuheben, gedenke ich des großen Audienzsaals, der die höchste Bewunderung erregen rruß. Es ist ein Dblongum von 168' Lange, 78' Breite und 48' Höhe. Er endigt im Fond mit einer Notonde. 4N corinthische Säulen mit Blumenverzierungen am Schaft stehen im Umfang. Im Harem findet sich ein reizendes Vcstibulum mit dorischen Säulen, matt beleuchtet; Bauart und Wafscrzusiuß bestimmen es zu einem Zufluchtsort gegen die Hitze. Die Fenster des Harem sind mit dichtgeflochtcnem Gitterwerk versehen. Von der einen Seite sieht man gegen das Meer, von der andern in einen abgesonderten Garten. Dieser enthält wunderlich geformte Blumenbeete und in *) Qnercus coccifera L. Aibulus Unedo L. unb Anjrachne L. **) Ruscus aculeatus L. Hypericum calycinunj L. PhiUyrea media L. Asparagus acutifolius L. Spartium scoparium L. Constantinopel» 35 ber Mitte einen kleinen Rasenplatz, der von hohen Linden beZ schattet und durch einen Canal mit vier wasscrspeienden Schwänen umschlossen wird. Wo der Bau noch nicht vollendet ist, sieht man, wie unsolide die Wände beschaffen sind. Zwischen dem Gebälk ist zu beiden Seiten eine Lage von dünnen Brettern angenagelt und der hoble Raum mit Schutt ausgefüllt. Diö fertigen Zimmer lassen eine so vergängliche Grundlage nicht vermuthen. Sie sind mit dem reichsten Stucco lustro bekleidet. Ueberall ist im Einzelnen Vieles auszusetzen, aber doch spricht es zur Phantasie wie ein arabisches Mährchen. Nach diesen Genüssen setzten wir uns zu Pferde Und rittert eine Stu.ide weit in westlicher Richtung, indem wir die Stadt zur Linken ließen. In welchen Gegensätzen bewegt man sich hier! Rückwärts und im Süden die reichsten Blicke auf den Bosporus, das Marmormcer und die Stadt, auf der andern Seite hingegelt ein weiter, öder Horizont, den man mit nichts genauer vergleichen kann, als mit der Steppe im nordwestlichen Deutschland. So wie dort ist der Boden wellenförmig gehoben und gesenkt. Ohne Bebauung bleibt er der Natur überlassen. Wie ihn dort die braune Calluna bedeckt, so erblickt man auch hier, bis auf einzelne Grasflecken, nur eine einzige Art von niedrigem Gesträuch, das alle Gründe und Höhen überzieht. Es ist das weißdornige Poterium *), das nicht einmal farbige Blüthen tragt Und dessen fcingesicdcrte Blätter unter den ästigen Dornen verschwinden. Freilich tragt hier weder der Flugsand, noch freie Säure im Boden die Schuld einer so unfruchtbaren Aegctation> aber das Alterthum der Anstalten zur Wasserernahrung der Hauptstadt beweist, daß diese Flächen nicht bloß verwahrlost sind und daß das alte Byzanz, wie das Stambul von heute, an eine quellenleere Wüste grenzte. Denn so reich die vulcanische Hügelküste des Bosporus den Fleiß der Bebauung belohnt, so tragt die FelZart ") landeinwärts nur ein dünnes und steriles Erd- ') koterium 8pino5um 1^ ") Thonschiefer. 3 * 36 Zweites Capitel. reich, welches die dnttehalbtausendjahrige Blüthe der Stadt nicht urbar zu machen verstanden hat. Endlich erreichten wir den engen Thaleinschnitt der süßen Wasser*), der von Nord über Süd nach Ost diese Einöde durchschneidet. Wiesen vom frischesten Grün begleiten den Fluß; in dieser Iahrszcit erscheinen sie mit farbigen Flecken; durch Ranunkeln und Ionquillcn entstehen die gelben, durch Schneeglöckchen, Bellis und Cardammen ^) die weißen und röthlichen Tinten. Aus den Wiesen erheben sich Alleen von Platanen, Ulmen und Linden, auf deren Zweigen unzählige Nachtigallen schlagen. Von den Wäumen werden Gärten und Landhäuser beschattet. Eine prachtige Villa gehört dem Sultan und wird oft von ihm besucht. Häusig begegnet das Auge einer Gruppe von Menschen, die, in dem Grunde gelagert, sich der Kühle, des Duftes der Blüthen und aller Reize des stillen Ortes erfreuen. Einige kamen uns zu Pferde entgegen, griechische Bajaderen, die auf dcm Nasen Tänze aufgeführt halten. Wild jagten sie an uns vorüber. Sie trugen ein knappes Musselinhemd; lange schwarze Flechten flatterten um den bunten Turban; ihr Gesicht war un-verschleiert und glühte von der Anstrengung. Dies ist das einzige Beispiel ungebundner Sitte, das mir in der Levante vorgekommen ist. Selbst bei Volksfesten habe ich nur Manner tan« zen gesehn, veberall klagten ausschweifende Franken über die Zurückhaltung des Geschlechts. Der üppige Graswuchs, der, wie eine Gabe nordischer Natur, so viel zu den Annehmlichkeiten dieses Thals beiträgt, erregte meine Aufmerksamkeit. Da auf Wiesen und Weiden von Südeuropa regelmäßig blatttragende Kräuter, besonders Legumi« nosen, das gesellige Wachsthum der Graser unterdrücken und nur in den Gebirgen die Grasebcnen des Nordens wiederkehren, so war ich verwundert, hier im Tliveau des Meers Verhältnisse an- ^) Kichad-Chane. Eine gut gewählte Ansicht dieseö Thals findet sich unter den Kupferstichen zu Raczinsky's malerischer Neise. **) Ranunculus bulbosus L. Narcissus Jonquilla I/ Leucojum aeslivum L. Bdlis sylvestiis Cyr. Cardamine pratensis L. Constantinopel. 37 zutreffen, die jener Erfahrung mit Entschiedenheit widersprachen. Selbst in den Grasarten, welche hier vorherrschen, bemerkte ich durchaus keinen südlichen Typus. Ich habe in der Folge mehrfach Gelegenheit gehabt, analoge Erscheinungen zu beobachten, jedoch nur in der Nähe der Küste, oder in wasserreichen Niederungen. Vielleicht h,,t man nur deshalb in Süd-Europa eigentliche Wiesen seltner angetroffen, weil die größere Verbreitung der Gebirge und des hügeligen Landes periodische Ucberschwem-mungen und die Bildung ausgedehnter Marschen wenig begünstigt. Schon seit mehren Tagcn hatte ich alle Vorbereitungen zu meiner Abreise vollendet. Da man fast nirgends Fahrwege antrifft und mein Gepäck mich hinderte, zu Fuße zu gehen, so mußte ich mich bequemen, zu Pferde nach der landesüblichen Weise mich einzurichten. Ich kaufte im Bazar einen Tataren-sattcl, der unsern Schulsätteln gleicht und äußerst bequem ist, wiewohl man Anfangs Mühe hat, sich an die eisernen und schubförmig gestalteten Steigbügel zu gewöhnen. Da man mich davor gewarnt hatte, indem das Eisen den Fuß leicht beschädigt, so versah ich mich zugleich mit türkischen Reitstiefeln. Sie werden, wie das türkische Schuhwerk überhaupt, nicht nach dem Fuße geformt, aber schließen sich doch leicht an, indem sie ohne eine Sohle durchaus von weichem Leder verfertigt werden. Dies wäre nun an sich wenig geeignet, den Fuß zu schützen, aber man tragt noch unter den Stiefeln Strümpfe von sehr dickem, stcifcm Wollcnzeug. Diese reichen bis über die Kniee und bedecken das Beinkleid. Als die Stiefel gar bald durchgeschabt waren, verhinderten die Strümpfe jede nachtheilige Reibung an den Steigbügeln. Ich hatte,indessen nach einiger Zeit genug Uebung im türkischen Sitz erworben, um diese schwere und lästige Tracht ablegen zu können. Uebrigcns war in meinem Anzüge nur eine cwzige Veränderung zu treffen. Denn da außer den Franken auch die viel mehr über das Land verbreiteten Aerzte sich bis auf dcn Hut der europäischen Kleidung bedienen, so könnte nur etwa unsere Kopfbedeckung Aufsehen erregen. Ich legte daher den türkischen Fez an, bekanntlich eine hohe rothe Tuchmützc ohne 35 Zweites Capitel. Schirm mit einer reichen Quaste von blauer Seide. Anfangs scheint der Fez besonders wegen der steifen Untermütze, wodurch er erst Haltung bekommt, schwer und unbequem, erregt auch wohl Kopfschmerzen, aber bald gewöhnt man sich an diese Tracht, und da bei keiner Veranlassung der Kopf entblößt wird, so lernte ich darin ein wenigstens für meine Constitution unfehlbares Schutz? N'ittcl gegen Erkaltungen schätzen. Um 27. April ließ ich mich nach Scutari übersetzen, mußte jedoch im PostHaufe bis 3 Uhr Nachmittags auf die Pferde warten. Mit eignen Pferden zu reisen, hatte Dimitri widerrathen, weil man beständig wegen der Unterkunft in Verlegenheit sei. Dies ist nicht begründet und war vermuthlich nur ein Vorwand seiner Bequemlichkeit, indem er fürchtete, mit der Besorgung der Pferde beauftragt zu werden. Immer wird man wenigstens einen Diener mehr gebrauchen, wenn man eigne Pferde besitzt, aber demungeachtet halte ich es bei ihrem billigen Preise für zweckmäßiger und wohlfeiler, auf diese Art zu reisen: zweckmäßiger, weil man mehr Freiheit in seinen Bewegungen hat, und annehmlicher, weil man alsdann der Begleitung der meist unleidlichen Postillons oder Vermiether überhoben ist. Ueberdies werden manche Kosten erspart und das Capital geht ohne einen Unglücksfall nicht ganz verloren, da es nicht schwer halten soll, den Einkaufspreis nach Umständen wiederzubekommen. Für ein Pferd der kräftigsten und dauerhaftesten Art wird in der Türkei selten mehr als 15 Napolconsd'or gezahlt. Benutzt man die Postanstaltcn, so bedarf man wenigstens vier Pferde, für den Postillon, den Diener, die eigne Person und das Gepäck. Wo zur Sicherheit eine Bedeckung erforderlich ist, ist man hausig in d m Falle, auch für deren Fortkommen sorgen zu müssen. Jedes Pferd kostet für die türkische Stunde, welche im Durchschnitt V^ gcogr. Meilen entspricht, nur einen Piaster oder '/» Franc. Dieser Preis ist jedoch jetzt auf etwa 40 Meilen im Umkreis der Hauptstadt wrgm des höheren Getraidewerthes verdoppelt. Die Trinkgelder für Postmeister und Postillon sind nicht bedeutend. Uebernachtct man aber auf d..r Mitte einer Station, so muß !nan auch Futter und übrige Ausgaben ersetzen, da der T^enst Bithynien. 39 dieser Neitposten auf Tag und Nacht berechnet ist. Miethpfcrde, die in jedem Dorfe anzutreffen sind, kosten in der Regel wenigstens doppelt so viel, als Postpfeide, aber man ist alsdann weniger gebunden, auf der Straße zu bleiben. Das Reisen in Begleitung eines Tataren ist zwar am sichersten, eignet sich aber nicht für den, der das Land l'emmi leinen will, da der Tatar sich weder bei Tage noch bei Nacht aufhält und nur die Zeit während des Pferdcwechsels zum Schlafen und Essen benutzt. Die einzige Station, wo man nicht mit Postpferdcn fort« kommen kann und auf kleinen wallachischcn Karren befördert wird, ist die Strecke von Scutari bis Icvisa, auf der man in Cartal umspannt, einer kleinen Sadt am Marmormeere, die dm Prinzeninseln gegenüberliegt. Die Karren sind von der Art, wie Walsh ") sie beschreibt. Sie sind so klein, daß zwei Personen kaum darauf Platz finden, und werden bon vier Pferden gezogen, von denen der Postillon eins reitet. Meines Gepäcks wegen waren zwei Wagen erfordcclich. Es wurde auf dem ungebahnten Wege äußerst rasch gchhren, und, um nicht zu sehr von den Stößen zu leiden oder herausgeschleudert zu werden, mußte ich mich beständig an der Seiten des Karrens festhalten. Da der Wrg hügelig war, so ncndeten die Postillons ein eignes Mittel an, den Pferden das Berganziehen zu erleichtern. Lang-sam fuhren sie in's Thal, und setzten unten die Pferde in Gallop, worauf sie dann, ohne auf den Wagen Rücksicht zu nehmen, in Carriere die Höhe erreichten. Als dies das erste Mal geschehen war und ich einsah, wie sehr mein Barometer durch diese wilde Bewegung gefährdet wurde, bedeutete ich meinem Postillon, er solle sich dergleichen nickt noch einmal erlauben, oder ich wolle lieber solche Strecken zu Fuße zurücklegen. Ich begnügte mich mit seinem Versprechen, mir gehorchen zu wollen, und achtete leider nicht auf einen höhnischen Zug in seinem Ge« sichte, worin sich Verachtung einer Furchtsamkeit aussprach, die ") Faulne^ srom lüonslanlinupll: t« I5»ZIiMÜ pn^ 228. — Man kann sich elne ungefähre Vorstellung von diesen Karren machen, »renn man sl'ch Kinderwagen von massiver NauaN dentt. 40 Zweites Capitel. er sich als einzigen Grund meines Befehls zu denken im Stande war. Wir kamen an ein zweites Thal, wo über einen Nach eine hochgewölbte Brücke führte. Oben auf der Brücke setzte er plötzlich die Pferde in die schnellste Bewegung. Der Wagen flog über das Steinpstaster hinab. Er ruhte nicht eher, bis er sausend über das harte Erdreich bergan auf die Höhe gelangt war. Dann blickte sich der Postillon spöttisch um und fragte, ob Alles in gutem Stande sei. Meine Vorsicht war vergeblich gewesen. Mein Barometer war hin. Ich fand bci meiner Rückkehr in Constantinopel, trotz aller angewandten Mühe, keine Gelegenheit, eine neue Nöhre zu erhalten. Ich konnte auch wegen der Kürze der Zeit kein neues Instrummt kommen lassen. Ich bin daher nur im Stande gewesen, m'ch zum Behuf von Höhebestimmungen des Siedepuncts zu bedicien. Nach vier Stunden, ale die Sonne längst gesunken war, erreichten wir Cartal. Der Weg geht zuerst dmch den großen Cypressenkirchhof, dann größtcntheils in dcr Nähe des Marmor-mcers und eröffnet nicht seltei wunderbar herrliche Aussichten auf die Prinzeninseln *). Auf halbem Wege liegt ein Wachthaus am Meere. Es heißt Blstandschi-köpri, die Brücke der Gärtner. Hier ist einer der icu eingerichteten Quarantaine-Postcn und ich war genöthigt, nieinen Paß vorzuzeigen. Außer dem Ferman war ich noch mit einem Paß für den gewöhnlichen Gebrauch versehen, einem Teskcre, der nach neuerlich erlassenen Vorschriften in jedem größeren Orte abgefordert und gezeichnet wird. Auf einem schattigen Lager am Ufer des Meers ruhten die beiden Beamten, nöthigten mich zu sich und ließen mir eine Schale schwarzen Caffee reichen. Sie fragten nach dem Zwecke meiner Reise und rühmten die Pracht von Brufsa und die Heilkraft seiner Bäder. Ohne mich unnöthig aufzuhalten, begegneten sie mir höflich und wünschten mir mit blumenreichen Worten glückliche Reise. Links vom Wege zieht sich die nackte Bergkette fort, die ich vom Bulgurlu sah, und deren Vorhügcl bis an's Meer reichen, so daß die Straße sie bestandig schneidet. Da ♦) 2Scvg(. Leake a tour in Asia minor p. 2 seq. Vithymen. 41 Herr von Hammer *), der in Nicomedien war, eine 6anal-vcrbindung zwischen dieser Stadt und dem schwarzen Meere für ausführbar hält, so wird hierdurch wahrscheinlich, daß diese Bergkette sich nicht weiter nach Osten erstrecke und daher mit den Zweigen des Olympussystems südlich vom nicomedifchen Busen in keiner Verbindung stehe. In den Thälern, die zwischen den Hügeln vom Meere aus einschneiden, grünen ebenso herrliche Wiesen, als bei den süßen Wassern von Europa. Derselbe Ranunkel färbt sie gelb, aber dazu kommt eine reiche, blaue Tinte, die durch ein hochstengliges Echium hervorgebracht wird. Auch die Hügelvegetation wiederholt den Typus der nachbarlichen Kü-sien von Europa. Dasselbe Poterium deckt die unbebauten Strecken, aber diese treten um so mehr zurück, als dcr größte Theil des Bodens für Getraidebau gewonnen ist. Wie es mir schien, war überall Walzen gesaet, doch bemerkte ich auch seitwärts ein großes Feld mit gelben Blüthen, wahrscheinlich mit irgend einem Gemüse bestellt. In Eartal ist zwar das PostHaus zum Uebcrnachten eingerichtet, aber alle Zimmer waren bereits von Reisenden eingenommen. Ich sendete daher Dimitri mit dem Ferman zum Ortsvorsteher und wurde im Hause eines armen Griechen einquartiert. Ich ward freundlich empfangen, erhielt ein kleines Zinmer mit einer reinlichen Matratze und speiste Eier und Pillav. Was ich am meisten vermißte, war ein Tisch. An diese Entbehrung muß man sich bald gewöhnen, da sie ganz allgemein ist. Am folgenden Tage beftlchte ich die Prinzeninseln. 28. April. Um 6 Uhr Morgens fuhr ich auf spiegelglattem Meere, bei milder Lust und wolkenlosem Himmel, nach Pnncipos ^) hinüber, das etwa eine Stunde entfernt ist. In *) Dessen Reise nach Brussa p»3- 137. **j Um die Aussprache der Ortsnamen verständlich wiederzugeben, be-dicne ich mich des italienischen Alphabets, da die Aussprache im Italienischen niemals zweifelhaft ist. Nur für die Vocale, die darin fehlen, lind für alle aspirirten Konsonanten, also auch cl, und ^j, gilt die deutsche Aussprache. Das <>, das dem schwachen, und das ü, das dem scharfen englischen ll, cnt- 42 Zweites Capitel. diesem Lande ist von Mitte April an auf ununterbrochen heiteres Sommerwetter zu rechnen. Der 16. April war in diesem Jahre der erste Tag ohne Wolken. Von diesem Zeitpuncte an habe ich wahrend meiner ganzen Neise, obgleich ich längere Zeit im Hochgebirge verweilte, nicht einen einzigen Regentag gehabt und überhaupt, mit Ausnahme von vorübergehenden Gewitterschauern, keinen bedeckten Himmel gesehen. Nebelbänke zeigen sich oft früh Morgens am Horizont, aber sie verschwinden bei steigender Sonne durchaus. Diese Umstände begünstigen den Eindruck von Natur-fchönheiten ungemein und die Durchsichtigkeit der Atmosphäre ist so groß, daß man in der Regel doppelt so gut sieht, als an den heitersten Herbsttagen in Deutschland. Indessen muß man sich doch hüten, Bergspitzen um Mittag zu besteigen. Denn dann liegt nicht selten eine Art von Dunst in der Luft, der die Con-turen der Gegenstande unsicher erscheinen läßt. Dieser Dunst rührt jedoch keineswegs von beginnendet Wotkenbildung her, sondern es ist nur die natürliche Wirkung der durch die steigende Warme bedingten Luftströmungen, in denen die Bilder der Gegenstände eine stetig ändernde und zugleich nicht selten verzerrende Brechung erfahren. Der Blick vom Kahne war reizend. Nur im Westen traf er auf offenes Meer, in jeder andern Richtung begrenzten ihn die Höhenzüge, die den Golf von Nicomedien einschließen. Prln-cipos selbst ist ein breitgestreckte?, grüner Hügel, der zu drei Spitzen sich erhebt. Der höchste Punct, vielleicht 600' über dem Meere, liegt am Nordende und tragt oben das Kloster des heiligen Georg. Am Fuße liegt ein anderes Kloster, St. Nicola, in dessen Nähe ich landete. Das Ufer ist hier und da felsig, aber von da geht's gleichförmig in sanfter Neigung bis zur Spitze. spricht, brücke ich durch bh und th aus. Auf diejenigen Nuancen der Aspiration und Vocalaussprache, die feiner sind, als die deutsche Sprache sie hat, scheint mir wenig anzukommen, da ich sie als Deutscher weder richtig hörte, noch nachsprechen konnte. — Principos wird griechisch /^ü'i-c,^^ geschrieben, aber das Schluß-s wird von den Griechen meist verschluckt. Im Türkischen heißt die Insel Vujukada, die große Insel. Bithynien. 43 Der Abhang ist mit immergrünen Sträuchern bewachsen. Ge« wuhnlich stehen sie auf das Dichteste zusammen; wo sie lockerer werden, sind Weideplätze für Ziegen und Schafe. So ist, wenn man kleine Flachen ausnimmt, die Bekleidung der ganzen Insel, Diese Ausnahmen bestehen in Grasplätzen neben den Klöstern, in Weinbergen und Feldern in der Umgebung des Hafenorts, der am westlichen Fuße der Insel liegt, und in einem Pinienwald-chen über demselben. Das Gesträuch selbst ist nur zwei bis drei Fuß hoch und stand zum Theil in frischer Blüthe. So war über das karge Grün ein wcißer Schimmer ausgebreitet, den die zahllosen Blumensträuße der Erica bewirkten. Diese bildet nebst Ci-stcn und Lavendel die vorherrschenden Bestandtheile der Vegetation. Dazwischen zerstreut wachsen Phillyrcen, Eichen, Arbutus, Wachholdel und Poterium ^). Der Boden, dem dieser südliche Pfianzenschmuck angehört, ist sandig. Aus rothem Quarzfels besteht die Insel, nur die höchste Spitze, von Felstrümmern umlagert und aufgebaut, stellt eine weiße Abänderung desselben dar. In weniger als einer halben Stunde erreichte ich sie vom Ufer aus in gerader Linie hinaufsteigend. Die oberste Fclsplatte entfaltet ein reiches Panorama. Zu den Füßen liegt die Inselgruppe ausgebreitet, Chalki nur eine halbe Stunde entfernt, Antigone am höchsten über das Meer erhoben, sodann eine Anzahl von kleinern, unbewohnten Eilanden und Felsen. Die Küsten zeigen von hieraus betrachtet eine gewisse Einförmigkeit, theils wegen des Gegensatzes gegen die belebten Insclformen, theils wegen der größrrn Entfernung. Vor der Hauptstadt streckt sich eine asiatische Landzunge **) ins Meer, aber die hohen Minarets ragen darüber hervor. Einer der griechischen Priester aus dem Georgskloster, das dicht neben der Spitze im Schatten von Eichbäumen liegt, lud *) Erica arbor^a L. Ci»tus villosus Latn. unb salvifolius L. I^avandnla (-(iH'tliag L. Phillyroa meclia L. Querciis toccilera L, Arbutus Unedo L. Juniperus mucrocarpa Sibtb. Potcriuni spino-sum L. ") Fanar-Baggessi. 44 Zweites Capitel. mich ein, dort zu frühstücken. Ich fand die Einrichtung reinlich und anständig. Man hatte sichtlich auf den häusigen Empfang von Fremden Bedacht genommen. Denn Spaziergange nach den Klöstern sind die tagliche Belustigung für die zahlreichen Bewohner der Hauptstadt, die sich vor Pest und Sommerhitze nach den Prinzeninseln flüchten. In der Capelle war das Bild des heiligen Georg aus Silber getrieben. Nach einer abgeschmackten, aber in den griechischen Kirchen Rumeliens häusig vorkommenden Sitte fehlte dem Wilde das Gesicht, als sei es ein Frevel der Kunst, das Antlitz des Geheiligten nachzubilden, oder als solle die Verstümmelung den Andächtigen daran erinnern, daß nicht das Bild ihm Trost zu geben begabt sei, sondern dae unsichtbare Auge des Heiligen, das in seiner Kirche auf dem Bittenden ruhe. Vor dem Bilde kniete eine betende Gruppe mit schönen Griechenköpfen, Mutter, Tochter und Kind, unverschleiert und im Ausdrucke des Glaubens und der Innigkeit. Auch Dimitri verbeugte sich vor dem Bilde, küßte die silberne Hand und reichte dem Priester ein Geschenk, wahrend er mir diese Handlung zu verbergen suchte. Ein solcher Zug erfreute mich, da er mir die erste Gelegenheit darbot, andere als praktische Eigenschaften seines Characters kennen zu lernen. Die Entfernung des Hafenorts betrug weniger als eine Stunde. Am Wege liegt ein drittes Kloster, Christo geweiht. Der Ort breitet sich Chalki gegenüber am Meere aus. In einem Caffeehause fand ich einen abgesonderten Raum und Mittagessen. Vor dem Divan ward ein Schemel von 2 Fuß Höhe umgestürzt, ein Brett darüber gelegt und die Speisen in irdnen Schüsseln aufgetragen: gebratene Fische und Salat von ausgewachsenen Selleripfianzen. Vorher und nachher wurde Wasser zum Hände-waschen gereicht. Um 2^ fuhr ich nach Chalki hinüber, das gleichfalls aus drei Hügeln besteht. Ich besuchte nur den der Stadt zunächst gelegenen, auf dessen Höhe wiederum ein Kloster steht. Dcr Abhang war, wie in Principes, bewachsen, abcr seltner ist die weiße Erica, hausiger der blaue Lavendelstrauch. Malerisch fallen steile Thalschluchten gegen das nördliche Ufer ein. Das Gestrauch steht Bithynien. 45 hler weitläuftig und beschattet blühende Orchideen von insekten-gleicher Blüthengestalt. Vor dcm Hügel erhebt sich eine Oliven-psianzung, seitwärts liegt eine bunte Aphodeluswiese *). Die weißen Lilienblüthen mit ihrer Purpurzeichnung auf klafterhohem Schaft und aus dichten Schilfrasen hervorgcwachsen sind die Typen des milden Himmels. Aber ein blattloser Feigenbaum, der neben dem Kloster in Blüthe stand, vergegenwärtigte mir wieder, was ich jüngst am Bulgurlu Über die verspätete Belaubung bemerkt hatte. Ohne Zweifel hat hier der Winterschlaf der Vegetation für verschiedene Classen von Gewachsen ein ganz verschie-schiedenes Maaß. Während die Baume und Straucher, die im Winter ihr Laub verlieren, noch so weit zurück sind, haben die immergrünen Pflanzen und ein großer Theil der Kräuter schon einen beträchtlichen Theil ihrer jahrlichen Entwickelungszustande vollendet. Liliaceen, die in den ersten Monaten des Jahrs blühen, sind bereits wieder spurlos verschwunden. Was jetzt in reichster Ueppigkeit prangt, wird im Juni dasselbe Schicksal erleiden, wenn erst die Thauniederschläge aufhören und die Quellen versiegen. Später findet man fast nur verstäubtes Laub und keine Blüthen mehr. Also ist die Iahrszcit, welche im nördlichen Europa die reichste ist, hier die einförmigste. Versteht man unter Frühlingßpflanzen alle Gewächse, die vor der Bclaubung der Bäume blühen, ft fällt der größte Theil der hiesigen Flora in dicsen Begriff. Oder es scheint vielmehr angemessen, hier eine solche Unterscheidung, die den Erscheinungen der Heimath entnommen ist, nicht mehr anzuwenden. Wenn man nach dcm Vorwalten der blühenden Formen im südlichen Europa die Iahrs-zciten der Liliaceen, der Leguminose« und der Composite« unterscheidet, so wird man dadurch drei natürliche Abschnitte des jährlichen Verlaufs der Vegetation bezeichnen, denen sowohl noch andere allgemeine Charactere zukommen, als sie sich vielleicht auf die Reihefolge der Wärme - und Feuchtigkcits - Verhaltnisse bezie-bcn, lassen. Denn der Gegensatz feuchter und trockncr Iahrszei-ten, den der Nordeuropäer nicht kennt, wird im Süden seines *) Asphodelus ramosus L. 46 Zweites Capitel. Erdihells auch durch dle Erscheinungen der Pflanzenwelt fühlbar. Ohne diesen Gegenstand wcitcr zu verfolgen, will ich nur die Bemerkung noch daran knüpfen, daß die jetzige Iahrszeit, in der die meisten Leguminose»! zu blühen beginnen, außerdem durch die kräftigste Vegetation und Blüthe der immergrünen Straucher sich auszeichnet. Zu diesen gehören indessen nicht bloß die Laubhölzer mit lederharten und glänzenden Blättern und die sogenannte Myrtenform, sondern ebenso wenig verlieren Cistusrosen und Himbeeren ihre Blätter. Ueberhaupt sind, wie bei dem zuletzt erwähnten Strauche, nicht selten Verschiedenheiten im Entwickelungsgange auch bei solchen Arten bemerkbar, die dem mittleren und südlichen Europa gemeinschaftlich angehören. Der erste Baum mit abfallendem Laube, der sich in diesem Jahre entwickelte, war die Roßkastanie. Ich traf heute bei Cartal einige Stämme, die gleichzeitig Nlatttr und Blüthen entfalteten. Dieser Baum schlagt bei uns spater aus, als die meisten andern Baume, und blüht, wenn seine Blatter schon ausgebildet sind. Ferner blühte ein Kraut ^), dessen Blüthezeit bei uns in den Spatsommer fallt. 29. April. Morgens machte ich eine Wanderung über dle umliegenden Hügel bei Cartal und längs des Strandes. Unzahlige Krauter, größtcntheils Leguminosen, standen in Blüthe. Zwischen den heißen Steinen spielten Lacerten, aus dem Gestrüpp tappten Schildkröten **) langsam hervor. Gärten mit blühenden Obst bäumen lagen vor der Stadt: Weinstücke waren an den Stammen hinaufgewunden, aber man erkannte sie kaum, da Noch kein frisches Organ durch den strömenden Saft gebildet war. Am Nachmittage legte ich noch fünf t. Stunden bis ZcvisH auf dieselbe Art wie chegcstern zurück. Die Formen der Küste bleiben dieselben, aber, da das Land weniger bebaut ist, so besteht der größte Theil aus Poteriumheide. Darunter aber liegt ein tiefes, schweres Erdreich von schwarzer oder rother Farbe. *) Mercurial is annua JL **) Teslutlo graeca L* Bithymen. 47 Auf einer dieser öden Flachen lagerte eine Caravane von mehr alZ80Cameelen. «Nercdcn?« riefDimitri: »woher kommt ihr?« »Midiadän«, war die Antwort, was in einer etwas unregelmäßigen Form bedeuten sollte: »von Ismid!« Aber sie nannten vermuthlich nur die letzte größere Station. Denn gewöhnlich kommen diese Caravancn tief aus dem Innern von Kleinasien und bringen Waaren bis Scutari. „VoN« Cablidscha zu 33» N. Hierdurch wird einigermaßen wahrscheinlich, daß die Quelle von Cara-Mustapha an Warme der lctztern nicht nachstehe. Die dritte Quelle oder die Schwefelquelle (Kökürdli) ist die wasserreichste und versorgt zwei Badehäuser. Sie liegt etwa 1000 Schritte von Cara-Mustaftha entfernt und gegen 100' höher am Berge. Die Ocrtlichkeit ist von der der ersten Quellen verschieden. Die Quelle befindet sich in einem kleinen Gemüsegarten und tritt aus einer Qeffnung des wagcrechten Felsgrundes *) Zu dieser Analyse machte Herr Dr. Himly folgende Bemerkungen: I) das Wasser enthielt noch etwas mehr freie Kohlensäure, als zur Auflösung des kohlensauren Kalks erforderlich ist. 2) Schwefel konnte in der sehr geringen Ablagerung auf dem Boden nicht aufgefunden werden, daher der Gehalt an Schwefelwasserstoff außerordentlich gering sein muß. 5 * 68 Drittes Capitel. senkrecht nach oben wallend hervor. Diese Oeffnung liegt in der Mitte eines kleinen, zur Aufnahme des Wassers ausgemauerten Bassins. Der Wasserstrahl von der Dicke eines Menschenarms wird beständig bis zu einer Höhe von anderthalb Zoll über das Niveau des Bassins emporgctrieben, gleichsam ein Carlsbader Strudel im Klnncn, aber ohne dessen Intermissionen. Gasentwickelung in Blasen findet auch hier keineswegs statt, aber der Geruch nach Schwefelwasserstoff ist deutlich wahrzunehmen, wiewohl er sich nicht durch den Geschmack verräth. Die Temperatur in der Mitte des Strudels beträgt gleichfalls 66« k., was der Meinung der Eingebornen widerstreitet, welche die Schwefelquelle für heißer ansehen, als die der Icni-Cablidscha. Der im Bassin abgesetzte Sinter ist nur von geringer Mächtigkeit. Die Meinung, daß diese Quelle heilkräftiger wirke, als die übrigen, beruht wahrscheinlich nur auf ihrem größern Gehalte an Schwefelwasserstoff, der leider nicht bestimmt werden konnte *). Die vierte Hauptquelle liegt eine halbe Stunde weiter gegen Westen, so daß die vier Quellen eine Linie am Fuße des Olymp beschreiben, die der Axe dieses Berges zu entsprechen scheint. Jene Quelle befindet sich in dem Dorfe Tschckirdge; da sie in einem Brunnen entspringt und ihr Austrittspunct nicht besichtigt werden kann, so habe ich sic nicht besucht. Sie soll nach der Angabe des Dr. Tircke viel kalter sein. Sie versorgt drei Badchäuscr und wird außerdem noch in mehre Häuser geleitet. Eine besondere Aufmerksamkeit richtete ich auf etwa in dem Rayon der Thermen vorhandene nicht mineralische Quellen, indem frühere Nciscnoe besonders als Merkwürdigkeit hervorheben, daß hier kalte und warme Quellen dicht neben einander hervorbrechen. Dies beruht jedoch auf einem Irrthume; denn, wenn *) Immerhin scheint es jedoch gewiß zu scin, daß der Gasgehalt dieser Thermen keineswegs ansehnlich sein kann, da beim Aufbewahren das abgeschöpfte Waffer sich nicht durch eine Präcipitation von Schwefel trübt. Ebenso bemerkte ich in einer nicht völlig gefüllten Flasche, als ich sie nach 24 Stunden wieder öffnete, weder Zeichen von Luftcompression, noch eine Zunahme des Schwefelgeruchs in dem verschlossen gewesenen Raume. Bruffa. til) man gleich zahlreiche Güsse von kaltem Wasser in der Nähe der Ieni-Cablidscha antrifft, so überzeugte ich mich doch bald genau, daß diese ihr Dasein einem System von Wasserleitungen verdan-ken, bestimmt, in den Vadchäusern das heiße Wasser schneller bis auf die erforderliche Temperatur abzukühlen. Diese Wasserleitung nun, in Röhren herbeigeführt, deren Arme überall in Brunnen ^) und wie aus der Erde hervorsprudeln, dmtct vielmehr auf Quellenlosigkeit dieses Abhangs. In der That habe ich nur eine einzige Quelle anderer Art in dem Bezirke der Thermen kennen gelernt, aber auch diese kann nicht zu den gewöhnlichen Quellen gerechnet werden, sondern bildet eine fünfte Therme, die ich indessen vvn den übrigen trenne, weil ihre Wärme nur 35« N. beträgt. Diese Quelle ^) heißt bei den Türken die Fcigenquelle, von den Griechen wird sie Hagia Fontini, die heilige Quelle, genannt. Sie liegt, beschattet von einer breiten Hainbuche, am Wege von Ieni-Cablidscha nach Kökürdli. Sie erscheint auch in ihrer Zusammensetzung den übrigen Quellen untergeordnet: denn sie verrath keinen Gasgehalt und bildet keinen Sinter, sondern nur einen schwarzen Schlamm, in welchem trotz der Wärme Frösche behaglich lebten. Aber einigermaßen merkwürdig wird sie durch die Rolle, welche der Aberglauben des Volks sie spielen läßt. Man schreibt ihr, was der griechische Name anzeigen soll, eine geheime Macht über die Pest zu. Von dieser Krankheit Befallene eilen zu der Quelle, weihen ihr ein Licht oder eine andere *) Der erwähnte Irrthum ist um so verzeihlicher, als die verschiedenen Ausflüsse keine gleichmäßige Temperatur haben Ich fand von zwei neben einander befindlichen Brunnen in dem einen das Wasser zu !U<> N, in drm andern zu 12" It. Solche Verschiedenheiten hängen wahrscheinlich von zu. fälliger Mischung mit heißem Wasser ab. ") Wahrscheinlich hat dcr Herzog von Nagusa sie gleichfalls bemerkt, da er die Temperatur der Thermen als zwischen 84" und 42." k. variirend angiebt (S. dessen Neise. Deutsche Aufgabe. !l. ,i, 152). Die auffallende Notiz, daß sich Menschen dort in Wasser von 78" 0. baden, beruht unstreitig nur auf einem Drucksehler. 70 Drittes Capitel. Kleinigkeit und schneiden einen Zipfel von ihrem Hemde ab, den sie an den Zweigen des Baumes befestigen. So hing denn die Hainbuche voll von Kleiderfetzen und ich wurde gewarnt, nahe zu treten, da die Volksmcinung so wenig als die Arzneikunde Gewißheit ertheilt, wie lange das Pestcontagium an solchen Zeugen haften könne. Ehe ich dieser Beschreibung der heißen Quellen von Brussa noch Einiges über die Art ihrer Benutzung unter den Türken beifüge, wünschte ich die Charakteristik derselben noch dadurch zu vervollständigen, daß ich ihnen einen bestimmten Platz in der Neihe der bekannten Mineralquellen anzuweisen versuche. Die Wergleichung mit Carlsbad stützt sich auf die Analyse des Wassers, dessen Temperatur und auf die geognostischen Verhältnisse. Denn sowie die Thermen von Brussa aus einem Kalkgcstein entspringen, so beweisen ihre festen Nestandtheile gleichfalls deutlich, daß sie den Granit des Hlymp durchströmt haben. In der That hat dieser Granit eine große Aehnlichkeit mit dem Carlsbader. Er ist sehr feinkörnig und dicht gemengt. Die Glimmerblättchen sind äußerst zart und meistentheils schwarz. Da die übrigen Gemengtheile eine weiße, in's Bläuliche stechende Farbe haben, so wird dieser Granit manchen Syeniten einigermaßen ähnlich. Der Quarz ist darin mit dem Feldspath gleichsam verschmolzen und diese weißliche Masse enthält außerdem sehr feine farblose Glimmerschuppen. Dies Gestein zersetzt sich sehr langsam und hierin ist die Ursache zu erkennen, weshalb das Wasser bei höherer Wärme und ahnlichem Material fast dreimal so arm an festen Bestandtheilen ist, als das Carlsbader. Es enthalt in 16 Unzen nur 14 Gran mineralischen Rückstandes, wobei ich die Bruchtheile wegen der geringen Quantität, mit der operirt wurde, weglasse; der Carlsbader Sprudel enthält dagegen 41,93 Gran in demselben Quantum Wasser. Dieses Verhältniß, verbunden mit dem geringen Gasgehalt, weist dem Wasser von Brussa eine sehr niedrige Stuft unter den Mineralquellen an, wenn man ihre therapeutische Wirksamkeit in's Auge faßt; auch scheint es zum innerlichen Gebrauche niemals angewendet worden zu sein. Aber diese vcrhältnißmäßigc Reinheit des Wassers reiht es unmittelbar an Bruffa. 7l eine Gruppe von Thermen, welche außerdem, wenn man das Gebirgssystem des Olymp, als der äußersten Verzweigung des Taurus, in seinem weitesten Umfange betrachtet, zu jenem in besonderer geographischen Beziehung steht. Dies ist die Reihe der Terekquellen am Nordatchange des Caucasus, welche Hermann so tresslich beschrieben hat *). So enthält die Petersquelle bei einer Temperatur von 72",5 N.. in 16 Unzen 10,71 Gran fester Bestandtheile, und darin 4,7 schwefelsaures Natron, 2,9 kohlensaures Natron und 2,1 Chlornatrium u. s. w. Auch sind diese Quellen sehr arm an Gas und nicht ohne Spuren von Schwefelwasserstoff. Wenn die geognostischen Verhältnisse abweichen, die Terckthermen aus Sandstein hervorbrechen und die nahen Gipfel des Caucasus aus Trachyt bestehen, so dürfte die Meinung von Hermann, die Armuth des Wassers hänge vom Sandstein^) ab, auch aus einen Granit ausgedehnt werden können, welcher der Verwitterung mächtig widersteht. Nachdem ich die Quellen untersucht hatte, nahm ich ein Bad nach türkischer Art in der Ieni-Cablidscha. Ich halte es nicht für überflüssig, bei dieser Gelegenheit einige Bemerkungen über die Technik der tückischen Bäder im Allgemeinen mitzutheilen, als deren Typus die Einrichtung in Brussa gelten kann. Zwar ist es Gebrauch der dortigen und der constantinopolitani-fchen Aerzte, chronischen Kranken die Bäder von Brussa als al-terirende Heilmittel zu verordnen, allein die Art sie anzuwenden, die in allen türkischen Städten, welche ich besuchte, übereinstimmt, ist so beschassei, daß die mineralischen Bestandtheile, an sich schon so unbedeutend, um so weniger in Betracht kommen können, als eine längere Einwirkung des Wassers auf die Haut nicht stattfindet. Sie sind aus dieser Rücksicht mehr als schweißtreibende Mittel zu betrachten und die unmittelbare Nachwirkung des Bades erscheint bedeutender, als das Bad selbst. Das Badehaus von Ieni-Cablidscha besteht aus drei von oben erleuchteten Räumen. Der erste Raum (Dschamegan) dient *) Poggendorf's Annalen Bd. 22. pag. 244 u. folg. ") Daselbst paß. 389. 72 Drittes Capitel. zum Auskleiden und enthält eine Reihe von Polstern, auf denen man sich der Transpiration nach dem Bade überläßt. Die Temperatur der Lust im Dschamegan beträgt 14" ,5 R. und wird durch einen Springbrunnen von kaltem Waffer zu 1V° N. regulirt. Im zweiten Naume verweilt man eine Zeit lang entkleidet, ehe man das Badezimmer betritt. Er ist ohne Waffer-dampfe, hat eine Temperatur von 20« ,5 H. und diese Wärme wird gleichfalls theils durch die Verbindung mit dem dritten Naume, theils durch einen kalten Springbrunnen auf gleicher Höhe gehalten. Das Badezimmer selbst ist mäßig mit Wasserdämpfcn erfüllt, aber bei Weitem nicht in dem Grade, wie in unsern Dampfbadern. Die Luftwarme beträgt hier 29° ,5 k. Den größten Theil der runden Halle nimmt ein Wafscrbafsi'n ein, dessen Wasser die hohe Temperatur von 33" lt,. hat. Im Umfange desselben befindet sich eine schmale und etwas geneigte Ebene, welche beständig durch heißes Wasser fmcht erhalten wird. An der Wand selbst ist eine Anzahl von Nischen angebracht, deren Marmorboden gleichfalls feucht ist. In diesen Nischen überläßt man sich der Behandlung des BadewärterZ. Das Wasscrbassin hat vielmehr den Zweck, zu der hohen Temperatur des Badezimmers mitzuwirken, als zum Bade selbst zu dienen. Es fehlt in andern Badern, die künstlich geheizt weiden. Manche tauchen sich eine kurzl Zeit in das heiße Wasser ein, ehe sie sich in die Nischen begclen: allein dies ist kein wesentliches Moment des türkischen Bades. Als ich prüfend den Fuß in das Wasser senkte, das nur um zwei Grade kalter ist, als die höchste Temperatur, die der menschliche Körper in tropfbarem Wasser ohne Verbrennung ertragt ^), empfand ich Anfangs eine schmerzhafte Reaction. Allmahlig an die Hitze mich gewöhnend, war ich indessen bald im Stande, mich aufrecht in dem Bassin hinzustellen, worin mir das Wasser bis über die Kniee reichte. Daim aber wurde es mir leicht, mich völlig einzutauchen , als wäre durch die Erwärmung dcr Füße bereits die Haut des ganzen Körpers fähig gemacht, eine hohe Temperatur *) Wergl. Vetter Heilquellenlchrc pl,Z. 239. Bruffa. 73 bequcmcr zu ertragen. Jedoch sch.m nach einer Minute fühlte ick plötzlich an mehren Stellen ein Brennen in der Haut und einen heftigen Drang des Bluts nach dem Kopfe, wodurch ich veranlaßt wurde, das Bassin schleunigst zu verlassen. Man verweilt in dem Badezimmer gewöhnlich eine Viertelstunde. Diese Zeit wird ruhend in dcr Nische zugebracht. Zuerst knetet der Wärter die Muskeln der Gliedmaßen und des Rückens, indem er bald die flache Hand darauf preßt, bald die Haut in Faltcn hclvorzieht, diese zusammendrückt und wieder auseinander streicht. Dann übergießt er den Körper mit Strömen lauwarmen Wassers und rcidt die Haut mit Polstern wieder trocken. Eine Hauptsache aber bcstcht darin, daß er auf die einzelnen Theile des Körpers sehr große Quantitäten zu Schaum geschlagener Seife schüttet und diesen Schaum sodann, mit unermüdlicher Geschäftigkeit eingcrieben, selbst in die Poren der Haut zu verbreiten fuchs. Zulctzt wird noch einige Male laues Wasser von oben üdcr den Körper ausgcgosscn, dieser getrocknet und in trockne Tücher eingehüllt. So kehrt man in den Dschamegan zurück und streckt sich eine halbe Stunde lang, sorgfältig bis auf das Gesicht vcrhüllt, auf das Ruhebett nieder. Die Behandlung der Haut und die hche Temperatur, der sie ausgesetzt gewesen, bewirken hier einen hockst intensiven Schweiß, welcher als die Hauptwirkung des türkischen Badcs gelten kann *). Nachdem ich in Gesellschaft des Herrn Tircke den Nachmittag an den Badern zugebracht halte, kehrte ich Abends nach Nrussa zurück und bezog das Haus des Herrn Falkeifen, eines deutschen Kaufmanns, an den ich empfohlen war. Er reiste indessen eben damals in Europa, und sein Associe, Mr. Gczal, ein junger Franzose, hatte die Gefälligkeit, mir seine Wohnung gastfreundschaftlich anzubieten. 5. Mai. Heute wurde das Fest des heiligen Georg gefeiert, cm großes FrühlmaMst für die griechischen und armenischen Christen. Die ganze armenische Bevölkerung von Brussa begicbt *) Einige Bemerkungen zur Begleichung des türkischen und russischen Bades siehe in dcr dritten Rule am Ende deS Banrcs. 74 Drittes Capitel. sich an diesem Tage in einen schattigen Hain am Olymp, lagert sich gruppenweise auf dem Raftn, und überläßt sich unter Gesprächen und Mahlzeiten jenem heitern Sinnengenuß, den der Frühlingstag im Freien auch einer so ernsten Nation einzuflößen vermag. Man rechnet alsdann an diesem Orte über 20U00 Menschen versammelt zu sehen: denn kein Glied der Familie, wenn es nicht Krankheit hindert, bleibt zurück. Ein so seltner Anblick, der zugleich die Weise einer sich übn« gens abschließenden Bevölkerung wenn nicht zu entschleiern, doch dem Zuschauer näher vor Augen zu führen versprach, lockte auch uns, wie die meisten Europäer, hinaus. Unsere Gesellschaft bestand aus der Familie des Herrn Nicoletti, den Herrn Tircke, Gezal und Barbier m-bst Frau Gemahlin aus Amiens. Der heilige Hain der Armenier, wenn es erlaubt ist, den namenlosen Ort auf diese Art zu bezeichnen, liegt eine halbe Stunde in östlicher Richtung von der Stadt, einige hundert Fuß über der Ebene im Walde der ersten Olympterrasse versteckt. Eigentlich ist es nur eine lichte Waldstelle, die sich den schrägen Olymp hinaufzieht. Drr Boden ist Wiesengrund und einzelne Platanen, uralte Stamme mit weitverzweigter Krone zeichnen schattige Kreise auf dem sonnigen Rasen ab. Unter jedem Baume sieht man 50—100 Menschen gelagert, Männer mit schwarzen, oben ausgebogenen, randlosen Hüten *), halbverschleierte Frauen und Kinder. Die einzelnen Familien sitzen in kleinern Zirkeln zusammen, die Männer stumm, aber die Frauen in ununterbrochener, leiser Unterhaltung. So verharren sie stundenlang. Viele haben einen Korb mit Speisen hergetragen, die sie verzehren. Aber die Meisten kaufen sich Kuchen von Brod oder Fleisch, die überall ausgeboten werden. In der Nachbarschaft röstet man sie auf Stangen, die man zwischen zwei Bäumen befestigt, während ein Feuer darunter angebracht ist. Beim Trinken enthält man sich des Geistigen. Wasser oder Scherbct wird zur ländlichen Freude für hinreichend geachtet. Die Spiele sind armselig. Fremde Burschen aus der niedrigsten Classe tanzen zur Zither in >) Kalpak, das Nationalzeichen der Armenier. Brussa. 75 wunderlichen Sprüngen: einige Männer stehen im Kreise und zahlen für den Anblick einen Piaster. Ueberhaupt ist Stille und Beschränkung jeder Familie auf sich der Character des Festes. Der Mangel an Beweglichkeit in den handelnden Figuren ist so groß, daß man von der Höhe ein buntes Tableau ohne Leben unter sich ausgebreitet glaubt. Bedenkt man aber die Größe der Versammlung, von der man einen nicht geringen Theil auf einmal überblicken kann, so wird man gern gestehen, daß nur der Orient ein solches Schauspiel darzustellen vermöge, und daß es würdig erscheine, die Phantasie eines Malers zu entzünden. Wir kehrten auf einem Umwege zurück, um an dem Waldsaume der Aussicht über die Ebene zu genießen. Wir trafen dort einige abyssinische Sclavinnen, die uns durch die Größe ihres Körpers und kräftige Ausbildung der Muskeln in Verwunderung setzten. Wenige Türken werden den Weibern dieser Race hienn gleichkommen. Die Gesichtszüge haben etwas Mannliches, aber sie sind durchaus edler gebildet, als man bei Negerinnen anzutreffen pflegt. Uebrigens war der Weg einsam und einförmig und der Anblick der Stadt blieb uns lange Zeit durch die Holzung entzogen. Wir kamen an einem verfallenen Minaret vorüber, an welches sich ein Zeugniß der heutigen Toleranz unter den Türken knüpft. Der Boden, auf dem eine Moschee steht oder einstmals gestanden hat, gilt nach musclmannischem Begriffe für heilig. Das Herkommen schreibt vor, daß ein solcher Ort niemals zu fremdartigen Zwecken gebraucht werden dürfe. Wo eine Moschee verfällt oder durch Feuer zerstört wurde, muß stets eine neue wiederum erbaut werden. In andern Zeiten galt es schon für Entweihung des Heiligsten, wenn ein Christ das Innere eincl Moschee betrat: jetzt ist dies in Constantinopel eine kaufliche Gunst geworden. Hier nun aber war eine viel größere EntHeiligung zugegeben. Ein armenischer Christ hatte in der Nahe der Moschee, deren eingestürztes Minaret wir sahen, Grundbesitz. Er wünschte denselben durch Erwerb der Moschee zu arrondiren. Da er Einfluß und Reichthum besaß, so hat man seinem Ansinnen Statt gegeben und zum Graue! der Orthodoxen, wie zur 76 Drittes Capitel. Befriedigung der Raja's, hat er die Moschee niedergerissen und den Grund zu seinen Gehöften benutzt. 6. Mai. Ich bestieg den Olymp bis zur Grenze des Schnees. Herr Barbier begleitete mich. Der Gipfel des Olymp liegt südsüdüstlich von der Stadt. Das Gögdere reicht in südlicher Richtung bis an den Fuß der dritten Terrasse. Längs der östlichen Wand dieses Thals führt der Weg hinauf und wendet sich erst an dessen Ursprung gegen Südosten. Die drei Terrassen, in welche der Nordabhang des Berges sich ziemlich regelmäßig absondert, scheinen auch geogno-stisch geschieden zu sein. Die erste Terrasse besteht, wie wir gesehen haben, aus Gneiß, der nach oben immer marmorreicher wird. Sie ist steil, etwa 10(10" hoch und trägt auf ihrem Scheitel neben dem Gögdere einen Wiesenplatz, den v. Hammer die Turkmanenplatte genannt hat. Die zweite Terrasse ist die breiteste und aus dem früher beschriebenen Granit gebildet. Sie ist unregelmäßig gebaut, Hügel ist auf Hügel gereiht, Schluchten durchsetzen sie, aber auch wenig geneigte schiefe Ebenen kommen vor. Sie wird nach oben durch gewaltige Felswände geschlossen, die den Fuß der dritten Terrasse umgürten. So weit ich ge^ langte, sah ich nur Granit, aber aus der Darstellung des Herzogs von Ragusa wird wahrscheinlich, daß die dritte Terrasse Marmor sei. Indem ich seine Messung mit meinen Weglängen vergleiche, scheint es mir, daß jeder der beiden oberen Terrassen eine Höhe von etwa 3000^ zugeschrieben werden könne. Diese Größen führe ich jedoch nur an, um im Allgemeinsten einen Anhaltspunct zu gewinnen, da der Verlust eines Thermometers mich hinderte, an dem höchsten Puncte, den ich erreichte, eine Höhenbestimmung zu machen. Da in den letzten Tagen des Morgens die Abhänge des Olymp von Brouillards verdeckt wurden, die nach Mittag verschwanden, so verließen wir Brussa erst um 9" Morgens. Im Zickzack emporsteigend kamen wir durch den gestern besuchten Hain und gelangten nach einer Stunde auf die Turkmanenplatte. I" botanischer Hinsicht wurde ich so wenig hier, als später befriedigt. Nur einige Frühlingspflanzen blühten. Unten waren die Brussa. 77 Castanien im ?lusschlagen, weiter oben war ihr Wachsthum noch nicht einmal so weit vorgeschritten. Auch die Buchen waren ohne Laub. Die Platte lag noch im Nebel, aber plötzlich entstand eine Lücke, indem zwei Wolken sich trennten und seitwärts zusammenballten, und ein Theil von Brussa wurde unter unsern Füßen sichtbar. Der Genuß dieses reichen Gemäldes dauerte nur einen Augenblick, denn eben so rasch verhüllte ihn die Wolke von Neuem. Dann wanderten wir an der Kante des Gögdere fort, das sich im obern Theile gegen seinen Ursprung ausweitet und zahlreiche Seitenbache empfängt. Dieser Weg hat Aehnlichkeit mit der Straße durch das Ockerthal im Harz, aber der Abgrund zur Seite ist doppelt so tief. Nicht selten ist er schroff, und jähe Felsen geben den Zuflüssen des Thals zur Bildung von Cascade« Anlaß. Weiterhin verliert sich der wilde Character und schräge Seitenabhange senken sich mild geneigt vom Wege in den geräumigen Thalgrund. Die ganze Gegend ist von Wald oder Gesträuch bekleidet. Ueberall herrscht die tiefste Einsamkeit. Bis auf kleine Singvögel und hochschwebende Geier sah ich kein lebendes Wesen und hörte keinen Laut. Bewegt man sich nun im Allgemeinen auf halber Höhe der Thalwand, so erscheint doch, was über dem Niveau des Wegs liegt, in viel mannigfaltigern Formen, als der Lauf der Gewässer in andern Gebirgen hervorbringt. Es ist nicht eine einfache Wand oder Hügelreihe, die gegen den Mittelpunct des Berges ansteigt, sondern ein regelloser Wechsel von Ketten und Absätzen. Gleiche Verhältnisse zeigen sich am gegenüberliegenden westlichen Thalufer. Müßte man nicht fürchten, durch allzuklcinliche Unterscheidung das Bild des Ganzen zu verdunkeln, so könnte man diese zweite Terrasse als aus mehren Stufen wiederum zusammengesetzt betrachten, welche in unregelmäßigen Gestalten auf einander gestapelt erscheinen. Dadurch wird es indessen deutlich, daß man oft längere Zeit beinahe wagerecht am AbHange fortgeht, bis man wieder ungewöhnlich lange und steil emporklimmen muß, ohne jedoch eine freie Spitze oder ein Plateau zu erreichen. So führt der Reitweg, der zuweilen mühsam, aber nirgends gefährlich ist, von der Turk« manenplatte drei Stunden weit aufwärts. Zuletzt löst sich das 78 Drittes Capitel. Gögdere in zwei Hauptarme auf, von denen der bedeutendste aus Osten kommt, der kürzere sich gegen Westen verliert. Denn im Süden wird das Thal durch die hohen Felsen der dritten Terrasse geschlossen. Der östliche Arm ist ein tosender Gcbirgsbach, der aus bedeutender Höhe in zahlreichen Stürzen durch eine enge Thalschlucht herabströmt. Wo ihn der Weg erreicht, verändert sich dessen Richtung. Man steigt eine Strecke am Ufer hinauf, ehe man ihn überschreitet. An diesem Puncte hielten wir Mittagsruhe. Es scheint derselbe Ort zu sein, den v. Hammer als Nachtlager bezeichnet: ein wild romantischer Ort, tief im Walde von Silbertannen, eine Cascade über dem Haupte, eine zweite unter den Füßen, große Granitblöcke im Bache und an beiden Berggchangen umhergestrcuet *). Wir labten uns an vaterländischen Bouillontafeln und sotten Eier in der Pstanzcnbüchse. Während der Caffee bereitet wurde, überschritt ich den angeschwollenen Bach, was nur dadurch möglich wurde, daß wir große Steine hineinwalzten. Diese Arbeit, die lange vergeblich blieb, verglich mein Begleiter mit dem Versuch der Giganten, den Wohnsitz der Götter zu erstürmen, eine natürliche Ideenverbindung, welche den mystischen Reiz dieses Gebirges bezeichnet. Aber viel poi-lischer ist Hammer's Phantasie, die in den Granitfelsen dieses Thals die vom Blitz zerworfenen und in Stein verwandelten Glieder der Feinde des Jupiter erblickt. Ich erstieg den nördlichen Abhang, der sich an die obere Felsenterrasse lehnt. Deren Grat umlagerte eine Wolke, aber an ihrem Fuße stehen die obersten Tannen, beginnt in dieser Iahrszeit der Schnee. Hier, etwa 700' über dem Nuheort und wahrscheinlich 46N0' über dem Meere, erreichte ich eine kleine Felsenplatte, den Endpunct meiner Wanderung, von wo sich in reiner Klarheit durch das Gögdere ein Durchblick auf Brussa darstellte. Jenseits er-schienen die Ebene, der Meerbusen von Modänia und die Ge-birgszüge, die ihn einfassen. Aber wenn in diesem fernen Bilde sich nur die Erinnerungen der letzten Tage zusammendrängten. *) Eine getreue und plastische Schilderung dieser Thalschlucht findet sich bn v. Hammer a. a. O. paß. 79. Bruffa. 79 so bot die nächste Umgebung mir ein neues Schauspiel dar. In jäher Tiefe lag das Ende des Gögdere unter mir, eine Stunde breit, nicht eben, sondern wellenförmig gehoben und die schroffen Felswände berührend, von denen Gießbäche herabstürzen. Das gegenüberliegende Gebirge lehnt sich, wie das diesseitige, an die Fclsen: aber eine große Nasenplatte trat dort in frischem Grün aus dem Dunkel der Tannenwaldung hervor. Die Terrasse selbst nun, die beinahe senkrecht gegen Norden abfällt, und ihre breite Wand dicht vor mir ausbreitete, bildet den Schlußstein dieses Gemäldes. Nur einige Schluchten gestatten, sie zu ersteigen. Durch diese zerfallt sie in vier Felsmassen, an denen nur einzelne Schnee-ficcken wegen ihrer Steilheit haften können. Als sich späterhin der Nebel an ihren Höhen völlig löste und ich die Größe ihrer Bildung schätzen konnte, erstaunte ich über die Aehnlichkeit, welche ihre Form mit gewissen Landschaften in den gleich hohen Central «Carpaten zeigt, die mir aus den characteristischen Zeichnungen des Herrn Blasius in der Erinnerung deutlich vorschwebten. Nach den Mittheilungen von Mr. Gezal, der mehrmals den Olymp bestiegen hat, bilden diese Felsmasscn oben ein großes Plateau, aus dem sich die beiden Gipfel hügclförmig erheben. Dieses Plateau ist mit Sleinblöcken übersäet. Der Olymp hat nur drei durch Vorherrschen bestimmter Pflanzen characterisirte Regionen der Vegetation. Eine immergrüne Region fehlt ihm. Ehe ich diese Regionen naher bezeichne, will ich versuchen, die Höhe, in der Laubholz und Nadelholz sich berühren, annähernd zu bestimmen. Denn da ich mein Thermometer erst oberhalb des Nuheorts einbüßte, hatte ich Gelegenheit, an jenem Puncte die Quellentcmpcratur zu messen. Sie betrug 7° N. bei einer Luftwärme von 7° ,5 N. In Brussa betragt die Quellentemperatur 10",8 N. Berghaus *) bestimmt als mittlern Werth der Wärmeabnahme mit der Höhe 523 par. Fuß für 1" 6., oder 656',25 für 1° N. Hiernach entspricht die Abnahme der Qucllenwarme an der obern Castaniengrenze des Olymp einer Höhe von beiläufig 25ttl/ über Brussa. Damit *) Geogr. Almanach Bd. ä. p. 2. 80 Drittes Capitel. stimmen auch meine Wcglangen überein, worüber ich folgende allgemeine Bemerkung einschalten muß. Nach der von Forbes *) entwickelten Idee, daß die Zeit, in der man steigend die Höhe eines Bergs erreicht, nicdt von dem Neigungswinkel desselben abhängig sei, habe ich durch häusige Proben auf frühern Ge-birgsreisen für meine Person ermittelt, daß ich in einer Stunde ungefähr 14W' anzusteigen pflege. Dabei müssen natürlich etwaige Senkungen des Wegs, bis man das frühere Niveau wieder erreicht hat, bei der Zeitbestimmung sorgfältig in Abzug gebracht werden. Nun gebrauchte ich aber 3 Stunden, bis ich zu den Tannen gelangte, wovon 72 Minuten auf den horizontalen Theil des Wegs gerechnet werden müssen. Eine Stunde und 48 Minuten würden hieinach cincr Höhe von 2520' entsprechen. Die vierte Stunde führte mich auf den Ruheplatz, von da erreichte ich in 20 Minuten die obere Grenze der Tanncnregion. Wahrend dieser letzten anderthalb Stunden war der Ncg bestandig geneigt. Hieraus ergeben sich folgende angenäherte Werthe: Region der Castanien 50' ? — 2Ü00' Region der Conifcren 2500'— 4600' Alpine Region 4600'— 6920' (nach Marmont's Messung). Wahrscheinlich sind nur die dargestellten Localverhaltmssc daran Schuld, daß der Baumwuchs schon in einer für den 4listen Wreitegrad so geringen Höhe unterdrückt wird, und es steht zu vermuthen, daß die Baumgrenze an minder steilen Abhängen des Gebirgs höher hinaufreiche. ') I'Iie London »nä küinbulßl, rkilagopkicAl N/IagaxinL Vol. 10. p. 26l. Forbes.bestimmt hier für sich selbst 15M als die Höhe, welche cr in einer Stunde auf Wegen, die zwischen 10° und 25" geneigt sind, zu ersteisten pflegt, indem er annimmt, daß die Pfade, welche zum Gipfel eines Bergs führen, regelmäßig der Bequemlichkeit des Steigens wegen unter Winkeln angelegt sind, die innerhalb jener beiden Werthe schwanken. Er fügt hinzu, daß, so übereinstimmend seine Resultate ausgefallen seien, doch Jeder nach seiner persönlichen Erfahrung jenen Werth uon I5l!U^ ermitteln oder mo-difuirm müsse. In diesem Sinne glaube ich ihn nach meiner individuellen Gewohnheit um 100^ geringer ansetzen zu dürfen. Bruffa. 8l Im Allgemeinen bemerke ich, daß die geognostischen Verschiedenheiten, welche in der Castanien-Region vorkommen, nicht den geringsten Einfluß auf die Vegetation äußern. Ob Marmor, Gneiß oder Granit den felsigen Grund bilde, die geselligen Pflanzen bleiben dieselben, aber eben so übereinstimmend fand ich anch Farbe und Consistenz der Humusdecke. Durch die Castanien der ersten Region wird nur eine ärmliche Waldung hervorgebracht. Die Stamme bleiben niedng und stehen zu 20—3N" von einander entfernt. Die Zwischenraume werden durch Gebüsch ausgefüllt: am hausigsten erscheinen Hypericum, Eichen und Eistus, sodann Haselnüsse, Buchen, Hainbuchen, Cornelkirschen, Ahorn und Kirschen. Einzelne blühende Krauter kamen vor. Zuweilen finden sich freie, baumlose Abhänge. An ihnen herrscht Haide und Cistus. Je mehr man sich dem Nadelholz nähert, desto häufiger wird die Buche in Strauchform. Selbst unter den Tannen zeigte sie sich noch, so hoch ich gelangte, verbreitet. Die zweite Region selbst hat auch keinen dichten Wald, aber höhere Stamme. Zwei Arten von Nadelholz sind hier gleichförmig gemengt, die Silbertanne und die Gebirgsfichte von Südcuropa. Weiter oben bleiben die Eoniferen niedriger, Krummholz habe ich indessen Nicht bemerkt 5). 7. Mai. Da die Vegetation des Olymp noch zu wenig entwickelt war, die Ebene aber, durchaus cultivirt, meinen Forschungen noch weniger entsprach, beschloß ich abzureisen. Ich hatte die Absicht, über Nicaea und Nicomedien zu gehen und zuletzt den nördlich von der letztern Stadt gelegenen Wald am *) Castanea vesca G. —. Hypcricum calycinum L. Quercus infe-ctoriaOliv. Cistus salvifolius L. Corylus Avellana L« Carpinus Be-tulus L. Cornus mascnla L. Acer campestre L. Primus Cerastis L. — Erica arborea L. — Fa^us sylvalica L. fnUicosa. — Pinua Picea L. Pinus Lnrido Poir. — Untev itn Ätäutern bec ersten SRes flion fanb id) am t)äufti^cn: Borago orientalis L. Primula acatilis Jacq. Euphorbia amygdaloides L. Anemone apennina h. Orchis fusca Jacq. Fritillaiia poiuica W. Doronicum Pardalianches ß. rotundifoHum DC. — 3n tev (Scnifcventeßton war nod) fein Ävattt ent? Wieselt. I. . 6 82 Drittes Capitel. schwarzen Mecre zu untersuchen,. Dieser Plan wurde jedoch wegen eines zufalligen Umstandcs nicht ausgeführt. Nach dem kürz» lich eingerichteten Paß-Reglement waren vier Unterschriften in meinem Teskere erforderlich. Wiewohl nun Herr Nicoletti meinen Wünschen auf das Gütigste und Aufmerksamste begegnete, so konnte dieser Formalität doch erst bis zum folgenden Mittage genügt weiden. Die erste Station auf dem Wege nach Nicaea war zehn Stunden entfernt. Ich hätte daher zwei Tage verlieren müssen und zog es vor, auf geradem Wege nach Constanti-nopel zurückzukehren. Als Dimitri in den Bazar gegangen war, besuchte mich ein junger Armenier, den ich bei Herrn Tircke kennen gclernt hatte. Er redete keine europäische Sprache. Ich wurde daher durch seine Erscheinung in Verlegenheit gesetzt, da wir uns nicht eine Sylbe sagen konnten. Verbindliche Mienen indessen genügten ihm vollkommen. Er blieb eine geraume Zcit, rauchte eine Pfeife, ich las ihm einige Satze aus einer türkischen Grammatik vur, er verharrte stillschweigend und ernsthaft und entfernte sich dann völlig zufriedengestellt. Wie wenig ein so unbehagliches Zusammensein dem armenischen Character mißfällt, lehrte mich eine zweite Scene beim Dr. Tircke noch denselben Abend. Es war eine größere Gesellschaft von Europäern versammelt. Ein wohl-gekleideter Armenier, den Niemand kannte, trat ein. Er grüßt und fragt dann sogleich, wo er sitzen solle. Nachdem er sich niedergelassen, erkundigt sich T., welches Geschäft ihn herführe. Er wünsche nur, sich mit uns zu unterhalten, war die Antwort. Aber da die meisten der gegenwärtigen Personen weder Armenisch verstanden, noch Türkisch zu sprechen liebten, so saß er verlassen da und Niemand bekümmerte sich um den Unbekannten. Mit ernstem Gleichmuthe rauchte er eine Pfeife nach der andern und redete kein Wort. Völlige Theilnahmlosigkeit und Ruhe lag in dem bleichen Gesichte ausgedrückt. Endlich, als eine Pause eintrat, brach er das Stillschweigen und trug ein arztliches Anliegen vor. Er hielt es für schicklich, zuerst dem Arzte seine Achtung durch stundenlange Gegenwart zu bezeugen, ehe er mit einer Bitte um Hülfe hervorträte. Brussa. 83 Diese Beiden waren die einzige», Armenier, welche ich in Brussa persönlich kennen lernte. Denn es bestand damals eine Mißhelligkeit zwischen den Armeniern und Europäern, die einiges Licht auf die socialen Verhältnisse jener Gegenden wirst. Das Haus des Herrn Falkeisen, welches ich bewohnte, gehörte einem Armenier, der es an Jenen vermiethcte. Der Eigenthümer hatte dem armenischen Bischöfe einige Einkünfte entzogen und wurde dafür von ihm im Stillen verfolgt. Da der Miethcontract des Hauses für den Armenier einträglich war, so versuchte der Bischof, ihm diesen Vortheil zu entziehen. Er gab als Grund seiner Einmischung vor, es schicke sich nicht, daß ein Katholik oder Protestant in der Nahe einer griechisch-armenischen Kirche wohne, die nämlich dem Falkeisen'schcn Hause gegenüber lag. Der Armenier widerstand dem Ansinnen seines Bischofs, so lange eH bei bloßen Vorstellungen blieb. In dieser Zeit ereignete sich in Cons stantinopel ein Vorfall, der den Bischof weiterzugehen ermu-thigte. Die americanischcn Missionäre, welche in mehren Stad« ten der Türkei leben, versuchen nicht bloß die Muhamedancr, sondern auch die griechischen Christen zu ihrem Glauben zu bekehren. Einige Armenier in Constantinopel hatten an ihrer Got-tesverchrung Theil genommen und wurden dafür von dem arme» Nischen Patriarchen mit der Excommunication belegt. Hierauf bedrohte der armenische Bischof von Brussa einen Jeden, der mit den beiden Missionären dieser Stadt in persönliche Berührung träte, mit gleicher Strafe. Als die übrigen Franken sich der Missionäre annahmen, dehnte er seine Drohung auf den Verkehr mit allen Europäern aus und vollzog sie an verschiedenen Gliedern seiner Gemeinde. Er bewog dadurch den Eigenthümer des Falkeisen'schen Hauses, den Miethvertrag aufzukündigen. Solche Nanke und kleinliche Zwistigkciten bewegen eine Bevölkerung, welche die Erschütterung des Ganzen und den bevorstehenden Num jeglicher Sicherheit des Einzelnen als gleichgültige Zuschauer zu betrachten scheinen. Die Spannung war so groß, daß Herr Ni-"letti bei meiner Ankunft in Brussa mich in einem armenischen Haust einzuquartieren vergeblich versuchte, so wie ich, da die 6 » 84 Drittes Capitel. Griechen mit den Armeniern Partei machten, mcin anfängliches Logis bei einem Griechen übermäßig bezahlen mußte. Die meisten Franken sind Kaufleute, die sich wegen des Seidenhandels in Brussa etablirt haben. Andere besitzen Grundstücke in der Nachbarschaft, die für einen äußerst billigen Preis zu kaufen sind und die höchsten Interessen gewahren. Die Erlaubniß, sich auf diese Art anzusiedeln, scheint käuflich zu sein. Ohne die Lage des Reichs zu betrachten, würde die Speculation glänzend genannt werden können. — Hicmit schließe ich meine Mittheilungen über Brussa, indem ich bemüht war, so wenig als möglich von dem zu wiederholen, was von andern Reisenden bereits aufgezeichnet ist. Viertes Gapitel. Rückreise von Brussa nach Constantinopel. Modänia. Capakli. Zweiter Uebergang über das Samanli-Gebirge. Ga« tirli am nicomedischen Meerbusen. Ueberfahrt nach Chalki. Rückkehr-nach Pera und zweiter Aufenthalt daselbst. 8. Mai. Ich schlug den Weg nach Modänia ein, das 6 t. Stunden nordwestlich von Brussa liegt. Da ich schneller als gewöhnlich ritt, erreichte ich mein Ziel schon nach 4 Stunden. Am Ende der ersten und zweiten Stunde passirte ich den in die Ebene hinein- und aus ihr zurückströmenden Nilufer. Er hat hier eine Breite von etwa 8U" und das Wasser reichte mir bis über die Steigbügel. Eine so schwierige Passage findet sich auf der Hauptstraße von Brussa nach Constantinopel, auf der Straße von einer reichen Stadt, die hunderttausend Seelen zahlt, nach Modänia, dem Stapelplatz ihrer Waaren *). Das erste Mal *) Freilich ist von dem blühenden Handel und der Gewerbthätigkeit des sechszehnten Jahrhunderts in Brussa nur ein schwacher Abglanz übrig geblieben und die Ausfuhr, so weit sie sich in den Händen der fränkischen Kaufleute befindet, scheint nur in der rohen Seide zu bestehen, welche in der umliegenden Ebene erzeugt wird. Aus Zener Zeit berichtet der vortreffliche Velon (vbselvuliuns p.Ml.): »Der Reichthum Brussa's rührt von der Seide her. 86 Viertes Capitel. bemerkte ich seitwärts cine schlecht erhaltene Brücke, das zweite Mal gar keinc *). Als ein Beweis, wie schwer es hält, in diesem Lande topographische Nachrichten von den Emgebornen einzuziehen, mag folgender Umstand gelten. Als wir den Nilufer zum zweiten Male erreichten, ließ ich den Postillon fragen, woher dieser Fluß komme und wohin er stieße. Man erhält bei solcher Gelegenheit selten gleich Anfangs eine geeignete Antwort. Er erwiederte daher, es sei ein Fluß, der in der heißen Iahrszeit fasi ganz austrockne. Als ich nun meine Frage wiederholte, und hinzufügte, ob das Wasser von Brussa komme, sagte er: »nein/ aus den Bergen.« »Wohin denn der erste Fluß fließe, durch den wir geritten seien?« nach Brussa, war die Antwort. Ein Blick auf die Charte lehrt, wie ungenau seine Angaben waren, und wie wenig er willig oder geschickt sich zeigte, mich zu unterrichten. Es schien ihm unbekannt zu sein, das; sein täglicher Weg ihn zweimal über denselben Fluß führe. Mein Zweck war nur, zu erproben, wie viel der Reisende von den Söhnen der Straße lernen könne, und ich habe stets das Mißtraum gerechtfertigt gefunden, das ich von nun an in die Mittheilungen der Türken über geographische Verhältnisse setzte. Weniger sirl es mir auf, daß mein Postillon nicht einmal den Fluß zu benennen wußte. Denn von allen Pcrfoncn, die ich in Brussa über den Nilufcr befragte, war nur eine einzige, die diesen Namen kannte. Einige hatten andere Namen g gen nach Constantinopel, aber keins wollte mich aufnehmen, weil sie an Privatgesellschaften vermuthet waren. Da indessen meine *) Cislus villosus Lam. uub C. salvHolhis L, **} Cylisus laniger DC. ***) «fairniiium luiiicana L. Bithynien. 89 Absicht, nach der Hauptstadt zu fahren, unter den Schiffern in Modänia bekannt geworden war, so benutzten sie meine Lage zu übertriebenen Forderungen. Modänia gegenüber liegt am Fuß? des Samanli ein kleines türkisches Dorf, CapaM. Dahin fuhr ich, den Gewinnsüchtigen mich zu entziehen, in einem um Mittag hinübersegelnden Fischerboote: denn um diese Zeit war der Golf durch einen plötzlichen Südwind aufgeregt worden, indem sich zugleich eine Wolke an der Spitze des Olymp sammelte. Im Osten stellt sich die Verbindung zwischen dem See von Ni-caea und den beiden Bergketten als ein tiefer und enger Einschnitt dar. Der Kamm des Samanli bildet eine Linie von ziemlich gleichmäßiger Höhe. Oben erscheinen Waldungen, gegen Süden fallt dieses Gebirge mit steilen Vorbergcn in's Meer. Diese werden durch Thalschluchten abgesondert und sind überall von Gesträuch bewachsen. In einer der Schluchten liegt, einen Büchsenschuß vom Meere entfernt, Capakli, das gegen 2tt Hauser zählt und dennoch den Thalgrund völlig ausfüllt. Daher rührt sein Name, der bedeutet, daß es wie ein Deckel den Eingang in's Gebirge verschließe. Ich hatte die Absicht, von hier zu Lande den Busen von Nicomedien wiederzugewinnen. Da jedoch keine Post in der Nähe war, mußte ich bis zum andern Morgen warten, weil die Pferde, die ich von den Landleuten Zu miethen wünschte, erst gegen Abend von der Arbeit zurückkehrten. Das Dorf ist nur von Türken bewohnt, von denen einige zwanzig vor dem Caffeehause versammelt waren, im Schatten mächtiger Platanen und Nußbäume gelagert. Sie sind wohlhabrnd, denn sie besitzen Wiesen und Maulbeerplantagen. Es erhob sich eine Schwierigkeit, wo ich die Nacht zubringen solle, zumal da der Vogt *) nicht anwesend war. Die Türken beriethen hierüber unter sich, nicht ohne Wohlwollen. Zuletzt räumten sie mir ein leerstehendes Häuschen ein, das wahrscheinlich wahrend der letzten Pest ausgestorben war. Im Caffechausc wurde der Schlüssel verwahrt, da es ohne besondere Erben Eigenthum der Ge? meinde geworden war. *) Subaschj. 90 Viertes Capitel. 10. Mai. Die Breite der Halbinsel zwischen Capakli und Caü'rli am nicomedischen Busen, das nicht mit dem oft erwähnten Gebirge und Dorfe gleichen Namens südlich von Kemlik verwechselt werden darf, betragt 6 t. Stunden, aber, da der Weg ein einfacher Paßübergang über den Samanli ist, so kann aus dieser Weglänge auf die wahre Entfernung nicht geschlossen werden. Ich hatte drei Pferde von verschiedenen Personen gemiethet. Eins derselben wurde schon vor Sonnenaufgang gebracht. Der Eigenthümer, ein Türke aus einem benachbarten Dorfe, verlangte, ich solle sofort abreisen, weil er zu warten keine Zcit habe. Da ich noch nicht bereit war und Dimitri ihm Vorstellungen machte, wurde er heftig,, nannte uns Giam's und ritt nach kurzer Weile unter Schimpfreden wieder fort. Im Dorfe selbst waren nur zwei Pferde zu erhalten, so daß ich wegen des Gepäcks in Verlegenheit gerieth. Indessen war der Subaschi, der in der Nacht gekommen war, freundlich gesinnt und überließ mir eins seiner eignen Pferde. Es war eine anmuthige Morgenscene, als ich in's Freie trat. Die Türken waren schon wieder beim Caffee versammelt; über ihren fremdartigen Gestalten breitete sich das hellgrüne Platanendach aus; die Morgensonne erleuchtete den Berg; ein Feld von blühender Iris glänzte im Thau; in dem Bache, der ruhig vorüberfloß, plätscherten Schildkröten. Um 6^ brach ich auf. Der Weg geht in gerader Richtung nach Norden. Zuerst führt er am Nande der Schlucht hinauf, die an einigen Orten geräumiger wird und Pflanzungen von Qel-und Maulbeerbaumen aufzuweisen vermag. Sobald, ich die erste Höhe erreicht hatte, die ich auf 12U0' schätze (6^50'), so breitete sich vor mir ein weites Hügel-Plateau aus, dessen Schlußstein . 47>l.) erklärt, sich auf Versteinerungen (!»nll »nli tresl, w«ter «nells, gome ol >vnicl» lesemble recent ^,)t5cie3) stiitzen.d, die Kalkformation bei Scutari für tertiär und bemerkt, sie sei auch dort uon den uulcanischcn Massen durch Uebergangsgebirge getrennt. "*) Wahrscheinlich ist die Gegend von Constantinopel indessen noch viel reicher an vulcanischen Gcbirgsmasscn, die hie und da bis an die Erdoberfläche gelangt sind. Schon ist eine, fernere Andeutung in dem oben (S. 48-5 erwähnten Conglomerate von Dilburun gegeben, so wie vielleicht auch in dem Quarzfels der Prinzeninseln. Ferner hat Strickland auf dem Wege von Constantinopel nach Smyrna noch an 8 verschiedenen Localitäten vulcanische Durchbrüche (lt-licnylie »ncl lr»j> rocks) beobachtet. Bithymen. 93 nach semer Höhe die bedeutendste war, so ist das Ucbergangsge-birge des Arganthonws weit von ihm losgerissen, läuft jedoch seinem Plateau parallel*). Die Hebung des Bosbmun hat ein« zweite Uebcrgangsmafse mit ihnen verknüpft und das Studium der Schichtenstellung im Samanli wild wahrscheinlich ergeben, wie weit der Kalkstein dieses Gebirgs einem dicser beidcn He-bungshecrde angehöre. Uebrigens scheint im Samanli selbst der Bosburun nicht das einzige hebende Gestein zu sein. In einer Schlucht bei Catirli fand ich große Nollstücke von Granit und beim Vorüberfahren an der Küste zwischen Catirli und I-Uova erblickte ich einige Felsen, welche mir mit denen übereinzustimmen schienen, die ich beim Eingang vom schwarzen Meere in den Bosporus gesehen hatte. So wie die Form des westlichen Samanli von dessen centra-len Theilen abweicht, so auch die Vegetation. Am Nordabhange sind zwei Regionen deutlich unterschieden: die immerglüne und die Buchen-Region. Die Buchen bleiben strauchartig, schließen durch dichten Wachsthum jede andere Vegttation aus und grenzen in einer Höhe, die ich auf 1500' schätze, unmittelbar an Arbutus-Gebüsch. An dem obern Kegel werden die Buchen, zwar stammlos, doch so hoch, daß sie aus der Ferne wie Wald aussehen. Hier erheben sich aus ihnen einzelne Fichtenstämme derselben Art, die auf dem Olymp ^) wächst. Mit Ausnahme jenes Kegels fehlt an dem gegen Süden geneigten Plateau die Buche und wird durch Eichengebüsch vertreten. Diese Eichen ste- *) Gleichfalls parallel verlaufen damit die Kalkformationen am nicome-dischen Meerbusen, welche jedoch ihren besondern vulcamschen Heerd am Bosporus haben. **) Ich habe sie bereits als ?inue I.l»lic,o ?oir. bezeichnet. Olivier (Voyage Ive5llis 1^. hielt (psl><1s. 2. P. 216.). 94 Wiertes Capitel. hen dicht ^), bedecken den oberen Theil des Plateaus und lassen nur kleine Weideplatze übrig, auf denen ich eine äußerst zierliche Tulpe fand "). Den untern Theil des Plateaus und den Abhang über Capakli begreift wiederum die Region immergrüner Sträucher, unter denen hier Arbutus und Phillyreen die hausigsten sind. Aber unter dicfen wächst auch zuweilen, aus weiter Ferne in tiefen Schluchten sichtbar, der schönste Baum Griechenlands, die Agriocumariä. Denn so niedrig sie bleibt, so sehr zeichnet sie sich vor dem verwandten Arbutus durch Färbung und Wuchs aus. Den ersten einsamen Stamm hatte ich schon bei Kemlik angetroffen, späterhin habe ich den Baum am Athos in SibtlMp's Fußtapfen wiedergefunden. Dies ist der dritte und letzte Ort, wo er mir begegnete. Seine hochrothe, rein geglat-tcte Ämde, seine schlangenhaft gekrümmten Zweige, seine lichten Lorbeerblätter und seine wachsgleichen Blüthentrauben werden jeden Freund der Natur im stillen Anschauen hoch erfreuen "*). Iü Catirli zeigte man sich bereitwillig, mir ein leerstehendes öffentliches Gebäude anzuweisen, in dessen unterm Naume die Kälber des Dorfs verpflegt wurden. Leider konnte es nicht verschlossen werden und ich sah mich daher genöthigt, Dimitri zurückzulassen, als ich die Umgebungen des Orts näher kennen zu lernen mich anschickte. Meine Wanderung blieb jedoch ohne Anfechtungen, war aber auch ziemlich unfruchtbar. Das Gebirge fällt ohne Vorland in's Meer. Doch scheint der Ort westlicher zu liegen, als die Cotta'sche Charte ihn verzeichnet. Dies schließe ich aus dem Umstände, daß ich aus meinem Hause die Insel Ca-lolimni und in äußerster Ferne auch die Berge von Marmora schen konnte. Ich fand zur Fahrt nach Constantinopel ein ruhiges Meer und ein segelfertiges Schiff, aber die Abfahr.t war noch ungewiß. ♦) Quercus infecioria Oliv. **) Tulipa bithynka nov. spec. — |>tec reitdfjö audj boä wcntß ße* ?annte Verbascum Osbeckii W., wetd^eä eine bei'otibere ©attung bilbm *♦♦) Arbutus Uoedo L. Phillyrea media L. Arbutus Andrachne L. Vithynien. V5 der Wind entgegen, ein Gewitter zog sich am Samanli zusammen, und, als es sich wieder gelöst hatte, schied dennoch die Sonne hinter Wolken. 11. Mai. Es giebt Tage, die dem Reisenden eine ununterbrochene Reihe von Widerwärtigkeiten und unerwarteten Hindernissen auferlegen. Von dieser Art war meine Rückfahrt nach Constantinopel. Catirli ist ein rein griechischer Ort und ohne türkische Obrigkeit. Wer daher hier ein Tcskere oder ein Visa zur Reise gebraucht, ist gezwungen, vorerst zu diesem Zwecke nach Iülova zu gehen, dessen Entfernung zu 8 t. Stunden angegeben wird. Diese Konsequenz der neuen Paßordnung gereicht dem kleinen Küstenhandel, den die Griechen von Catirli treiben, zum größten Nachtheil. Sie traf auch mich. Denn jedes Boot, das über das Marmormeer nach Constantinopel fährt, muß bei körperlicher Strafe des Schiffers mit einem Passe versehen sein, in welchem Waaren und Personen verzeichnet sind. Der segelfertige Armenier, welcher Hammel nach der Hauptstadt bringen wollte, weigerte sich aus diesem Grunde, mich aufzunehmen. Eben so wenig waren andere Schiffe zu haben. Für Pferde nach Iälova forderte man einen ungcmcffcnen Preis, da ein so seltner Fall, wie die Bedienung eines Reisenden, an einem so abgelegenen Orte als eine unverhoffte Gunst des Himmels von den Griechen genutzt wird. Ich stand eben im Begriff, den Contract abzuschließen, als der Armenier mir den Vorschlag machte, mich auf den Prmzeninseln abzusetzen. Er forderte zwar 80 Piaster, aber mit Freuden nahm ich seine Bedingung an. In 4 Stunden kann man Chalki rudernd erreichen. Um 1' segelten wir mit ungünstigem Winde ab, der uns zwang, die Küste bis gegen Angow zu halten. Als wir von da nach Nordwesicn umlegten und in dieser Richtung langsam fortsegelten, bemerkten wir, daß die Wellen in der Ferne weiße Spitzm bekamen, woraus die Schiffer jenes Meers eine Zunahme des Windes schon ehe sie merklich wird voraussehen. Unser Boot war ein gewöhnliches, offnes Kiaik und "°ch dazu überladen. Diese Fahrzeuge schlagen so leicht um, daß 96 Wiertcs Capitel. ein englischer Seeofsicier erklärte, er wolle lieber mit einem Kauffahrer den ärgsten Sturm im schwarzen Meere bestehen, als bei frischem Winde in einem Kiaik über den Bosporus fahren. Der Armenier, der wohl einsah, daß er sich einem stärkern Winde nicht aussetzen könne, wendete sogleich das Schiff um und suchte den Hafen von Angoro zu erreichen, der ungefähr zwei Stunden entfernt war. Obgleich wir nun mit mehr als halbem Winde segelten, so wurden wir doch nach einiger Zeit von den hohen Wellen eingeholt. Die Segel wurden zwar eingezogen, aber die Wogen überschütteten das Fahrzeug. Das Unglücklichste war, daß der Armenier die Gegenwart des Geistes verlor, anfing zu klagen und zu beten und das Steuer einem der Matrosen überließ. Wir waren verloren gewesen, wenn nicht gerade in einem critischen Momente der Wind sich gemäßigt hatte. Dieser Ueber-gang war so plötzlich, daß der Armenier, dessen Leidenschaft einmal erregt war, sich nun eben so ausschweifend der Freude und dem Vertrauen überließ, und als das Meer ruhiger wurde und der Wind sick von Norden nach Westen drehte, den Curs wieder änderte und Ievisa zu erreichen versuchte. Aber das Wetter blieb unbeständig. Von Viertelstunde zu Viertelstunde änderten sich Meer und Wind. Ungewöhnt an diese Abhängigkeit vom Himmel, an diesen Wechsel des Ziels und Unbekannten, wahrscheinlich Unerfahrnen völlig hingegeben, verlebte ich 7 Stunden der verschiedenartigsten Stimmungen. Als wir zuletzt wieder den anfänglichen Plan aufgenommen hatten, legten wir endlich bei anbrechender Nacht an dem Felsen Niandros an und erholten uns in einer verborgenen Schlucht vom erlittenen Ungemach. Spät am Abend gelang es, von da nach Chalki hinüberzurudern. Aber hier erfuhr ich, wie sehr der Armenier mich hintergangen hatte. Da die Quarantine-Maßregeln in Constantinopel erst vor Kurzem in's Leben getreten waren, so ist es nicht zu verwundern, daß sie noch einige mangelhafte Bestimmungen enthielten. Aber am auffallendsten war die Verordnung, welche die Prinzeninseln betraf. Aus gewissen Gründen sollten sie zu dem Rayon gehören, innerhalb dessen die Hauptstadt sich absperrte. Die asiatische Küste hingegen galt mit Ausnahme der Ufer des Bithynien. 97 Bosporus für insicirt. Demungeachtet bestand freier Verkehr zwischen den Prinzeninseln und der Küste. Wiewohl nun die Ab« sperrung gegen pestfreie Orte sich auf eine einfache Raucherung beschränkte, so hatte man doch dem Mißbrauche, von Asien über die Prinzeninseln nach Constantinopel zu reisen, durch eine scharfe gesetzliche Bestimmung zuvorzukommen für nöthig erachtet. Diese bestand in dem Verbote, auf Schiffen, die zwischen den Prinzeninseln und Eonstantinopel fahren, fremde Personen aus insicirten Gegenden aufzunehmen. Wie illusorisch diese Maßregel auch war, so setzte sie mich doch außer Stand, auf Chalki ein Boot nach der Hauptstadt zu bekommen. Obgleich dies dem Armenier wohl bekannt gewesen war, so batte er doch für nützlicher gehal< ten, es zu verheimlichen, und weigerte sich nun auf erneute Vorstellungen, mich weiter mitzunehmen. Unter diesen Umständen blieb mir nichts übrig, als mich an die asiatische Küste übersetzen zu lassen. 12. Mai. Am frühen Morgen machte ich noch eine Wanderung über die Insel, die ich vor vierzehn Tagen nur flüchtig berührt hatte. Jenseit der Militairschule, eines der ansehnlichsten Gebäude dieses Landes, besuchte ich eine stille Meeresbucht, die von Kalksteinfelsen umgeben wird. Dann bestieg ^) ich den hoch« sten Punct der Insel, auf dem ein verfallner Thurm steht. Die Aussicht ist reicher, als von Principes, da Chalki der Hauptstadt und der hohen Antigone näher liegt, so wie auch die vierte und letzte der größern Inseln, Prote, im Vordergrunde sich aus< breitet. Bei meiner Rückkunft miethete ich ein Boot, mich nach Mältepe überzusetzen, und fuhr um 10^ ab. Da jedoch in M^l-tepe ktine Pferde zu bekommen waren, entschloß sich mein Boots« *) Unter den Pflanzen, durch die ich heute Morgen meine kleine Flora der Prinzeninseln vermehrte, erwähne ich nur den Parasiten <^lim,g I^x,. rislig l^., der zu Hunderten im Cistengebüsch in allen Stadien der Gntwi-lkelung bis zur Blüthe anzutreffen wnr und den ich bis dahin nur am Olymp bemerkt hatte, wo er jedoch spärlich genug sich zeigte und noch ganz unentwickelt im Boden versteckt lag. l. 7 !>8 Wlcrtes Capltel. mann, durch den Preis gelockt, seine Haut zu Mavklc zu tragen und mich heimlich in den Haftn von Constantinopel cinzuschwar-zen. Als wir uns dcm Quarantaincbote näherten, wurden Mast und Segel in's Boot gelegt und die Sattel verdeckt. Da das Fahrzeug nun einem gewöhnlichen Hafenkiaik glich, fuhren wir unbelästigt dicht vorüber und landeten um 3^ in T<>pchana am Eingang von Pera, wo ich mein altes Logis bei Madame Carton wieder bezog. Blicke ich nun noch einmal auf diese anmuthige Frühlingsreise durch Bithynien zurück, so könnte ich den Gcfammtcindruck durch einige Worte vergegenwärtigen, wclche ich, erfüllt von dem Zauber dieser Anschauungen, bei der Rückkehr niedcrschricb. »In Bithynien sind große Landstrecken mit immergrünen Sträuchern bekleidet. Weißblühende Eriken, duftende Daphnen, wachsgelbe glänzende Blumcntrauben von Arbutus treten aus dem dunkeln, elastischen Laube hervor, dessen markiges, trocknes Gcwebe und dessen ovale Form mehre der vorhenschcnden Arten im äußern Gepräge mit dcm Lorbeer verbinden. Freilich giebt es nicht wenige Gegenden, die von diesem Character sich entfernen, Baumpflanzungen, Weiden, Aecker, mit Binsen oder zwölffüßigem Do-nax "<) bewachsene Sumpfgraben, aber jene Gesträuche stellen den bedeutendsten Zug der Physiognomie des Landes dar. In jedem Gebüsch schlagen zahllose Nachtigallen, so daß man Stunden lang, ohne das Pferd im Trabe aufzuhalten, an dieser Musik sich ergötzen könnte. Alle Berge zeigen reine, freie Conturen, wie sie die Durchsichtigkeit und ticfe Blaue des Himmels hervorbringt. Die Luft, die man athmet, hat eine Milde, Lieblichkeit und Frische, als wäre der ganze Tag ein Sonnenaufgang. Man fühlt seinen Körper stark und elastisch, ist frei und muthig und weiß die Herrlichkeit aufzunehmen, welche die Natur darbietet.« Mein zweiter Aufenthalt in Constantinopel dauerte 6 Tage. Durch die Erfahrung auf der Ncise in Bithynien belehrt, er- *) Arundo Donax L. Constantinopel. 99 kannte ich die Hauptschwiengkeit, welche in der Türkei natulhi-storischen Untersuchungen sich in den Weg legt. Diese besteht darin, daß man nicht leicht längere Zeit an einem Puncte verweilen kann, es sei denn in einer größern Stadt. Dadurch wird man sowohl gehindert, einen Milttlpunct der Forschungen zu Wahlen, von dem die Wanderungen ausgehen und auf den sie zurückkehren, als man auch Hindernissen begegnet, wenn man auf der Reise selbst von der Straße seitwärts abzuweichen wünscht. Es wal mir nicht unbekannt, daß, so weit die griechische und albanesische Bevölkerung reicht, in Rumelien solche eine freie Untersuchung des Landes hemmende Umstände noch viel einflußreicher sind, als in dem friedlichen Kleinasien. Je länger man an einem Orte in Rnmelien verweilt, desto größer wird die Gefahr, in üble Verwickelungen zu gerathen und beraubt zu werden, weil man dann nicht vermeiden kann, die Aufmerksamkeit Böswilliger zu erregen. Da man hausig Eskorten zur Bedeckung nöthig hat, welche die für die Sicherheit des Reisenden kraft des Fcrmans verantwortliche Obrigkeit ihm nach Umstanden beiordnet, so ist man schon dadurch auf die einfache Verbindmigsstraße zwischen zwei Ortschaften beschränkt. Man wird befragt, wohin man reisen wolle, und dahin wird die Reise gesichert. In einem Gebirge umherirren zu wollen, würde den Meisten unbegreiflich und verdächtig vorkommen. So wesentlichen Schwierigkeiten hoffte ich am wirksamsten durch persönliche Gunst der türkischen Oberbehörden entgegentreten zu können, falls es mir g-elange, einem oder dem andern Pascha meine Absichten deutlich zu erklären. Da bei den Türken viele einheimische Kräuter als Arzneimittel im Gebrauche sind, so schien es mir angemessen, den Pascha's das Studium derselben als den Zweck meiner Reise darzustellen, indem auch den Kranken meines Vaterlandes daraus großer Vortheil erwachsen könne. Diese Idee hat in mehren Städten von Macedonien vollständigen Erfolg gehabt. Um an die Pascha's persönlich empfohlen zu weiden, trug ich meine Wünsche dem Henn Waron v. Stürmer vor, welcher 7 ' 100 Viertes Capitel. mich schon früher mit jener herablassenden Liebenswürdigkeit aufgenommen hatte, die von Einheimischen, wie von Fremden gefeiert wird. Erleuchtet vom Sinn für wissenschaftliche Strebungen , ging er in den Kreis meiner Vorstellungen ein und versprach feinen mächtigen Schutz und Beistand. Er erfüllte dies Versprechen theils durch Empfehlungen an die Pascha's von Sa-lonichi und Bitolia, welche durch das Oestcrreichische Consulat in jener Stadt vermittelt wurden, theils durch einen Ferman von besonderem Inhalt, in welchem Zweck und Art meiner Reise bestimmt angegeben waren. Da jedoch ein solcher Ferman nicht ohne einige Umstände erlangt werden konnte, so wurde mir gestattet, auch ohne dieses Document abzureisen, da ich es im Consulat von Salonichi vorfinden würde. Indem ich daher für die Landreise durch Thracien mit einem gewöhnlichen Neiscferman versehen wurde, konnte ich die Hauptstadt nach wenigen Tagen verlassen. Inzwischen erhoben sich andere Schwierigkeiten. Dimitri befiel, wahrscheinlich in Folge der Fahrt nach den Prinzcninseln, eine Augenentzündung. Ich verordnete ihm sehr energische Mittel, indessen blieb der Erfolg Anfangs zweifelhaft. Einer meiner Freunde, Dr. Pestalozza aus Mailand, ein kenntnißreicher Botaniker, der mir ausgezeichnete Sammlungen aus Kleinasien mittheilte und im Dienste des Großherrn als Arzt am Militair-Ho-spitale von M-Utepe fungirte, erzeigte mir die Gefälligkeit, für den Fall, daß Dimitri durch Krankheit zurückgehalten würde, einen andern Dolmetscher nachzuweisen. Er hatte einen jungen Galizier zwei Jahre in dieser Eigenschaft in Diensten gehabt, der sein Glück zu versuchen die Heimath verlassen hatte und sich jetzt als Lithograph in Constantinopel ärmlich ernährte. Man konnte voraussetzen, daß er, vom Mißgeschick verfolgt, diese Gelegenheit, in fein Vaterland zurückzukehren, begierig ergreifen werde. Er zeigte sich jedoch unschlüssig und die Unterhandlungen waren noch nicht weit gediehen, als eine glückliche Crise Dimitri wieder.-herstellte. Als ich ihm nun meinen Wunsch, ihn in meinen Diensten Constantinopel. l0l zu behalten, mittheilte, war er viel weniger bereitwillig, als ich erwartet hatte. Meine Art zu reisen dünkte ihm zu beschwerlich, er fürchtete die Albanesen und seine räuberischen Landsleute und zog es vor, unter den friedlichen Türken von. Kleinasien zu reifen. Er hoffte außerdem, mit einem Englander, der zu Lande nach Indien reisen wollte, einen günstigern Contract abzuschließen, sah sich aber hierin, da er der englischen Sprache nicht mächtig war, getauscht. So standen die Sachen, als der Lithograph sich bestimmt weigerte, mich zu begleiten, indem er vorschützte, nicht ohne Capital zu den Seinigen zurückkehren zu wollen. Jetzt versuchte ich, das Ehrgefühl und Interesse von Dimitri zu erregen, und dies gelang mir in so weit, daß er sich nur noch einige Bedenkzeit ausbat. Er wollte erst abwarten, ob nicht das Dampfschiff aus Marseille, welches zwei Tage nach dieser Unterredung eintreffen mußte, Fremde herbeiführe, bei denen er einen bequemern Dienst finden könne. Ich erklärte ihm daher, daß ich folgenden Tags abzureisen entschlossen sei und trieb ihn durch diese Eile zu dem erwünschten Entschluß. Ich beabsichtigte, mit einem Küstenfahrzeuge nach Rodosill zu fahren und von da nach Salonichi zu Lande zu reisen. Indessen, als Alles zur Abfahrt bereit war, vereitelte der ungünstige Wind jenen Plan. Es war eine glückliche Idee, daß ich mich nicht verleiten ließ, eine Veränderung des Windes abzuwarten. Denn der Westwind dauerte Wochen lang fort. Sobald die Ankunft des französischen Dampfboots mit vielen Reisenden gemeldet wurde, beschloß ich, binnen einer Stunde abzureisen, ließ Dimitri, der kein Raja war, sondern unter dem Schutze der griechischen Gesandtschaft stand, einen Paß ausfertigen und eilte um die Mittagsstunde des 18. Mai nach der constantinopolitanischen Postanstalt, die sich in der Nähe der großen Moscheen befindet. Bis zum letzten Augenblicke bemühte sich Dimitri, durch gleichsam zufallig entstandene Hindernisse meine Abreise zu vereiteln. Als er sah, daß Alles umsonst war, ergab er sich in sein Schicksal. Fünftes Naftitel. Reise durch Thracien nach Enos. Nordküste des Marmormeers. Gesellige Vögel. Cutschuk - Tschekmedsche. Si« Ilona. Eski-Heracli. Alte Gräber. Cultur des Landes. Rodost«. Der Tckir-dagh. Ainabgik. M»lgara. Wanzen. Kriegsrüstungen. Hügetreihe von Keftn. Lage und Han dieses Orts. Umliegende Gegend. Vegetation der Hügel. Ursache der Blüthe von Keskn. Delta der Ma-ritza. Gebirge Tschatal - tep^. Ankunft in Enos. 16, Mai. Die erste Post auf der Straße nach Adrianopcl ist Sik'vria*), 12 t. Stunden von Constantinopel entfernt. Ich ritt eine volle Stunde, bis ich das südwestliche Thor der Hauptstadt erreichte. Eine Straße ist wie die andere, eng, übelge-bahnt, schmutzig, ohne Abwechselung und hervorstechende Bauten. Nur die großen Moscheen, die nahe zusammen liegen^, machen davon eine Ausnahme, und die Stadtviertel, welche den Bazar bilden, gewahren durch Menge und Verschiedenheit der ausgelegten Waaren, so wie durch das Drangen dichter Volksmassen, das Bild großstädtischen Lebens. In einem Cciffeehause hatten sich mehre Griechen versammelt, vvn Dimitri Abschied zu nch- Thracien. l<^ men. Sie kamen zu ihm, umarmten ihn auf das zärtlichste und wünschten ihm in überspannten Worten glückliche Heimkehr. Da diese Scene offenbar von wirklicher Anhänglichkeit herrührte und nicht auf Ostentation berechnet war, so erfreute mich die Achtung, in der Dimitri bei anständigen Landsleuten zu stehen schien. Ich gelangte heute in 3 Stunden von dem Thore von Adrianopel bis nach Cutschuk-Tschekmedsche. Beim Austritt aus der Stadt war ich genöthigt, meine Papiere vorzuweisen. Hier ist die hohe, wiewohl verfallene Mauer, welche mit einem trocknen Graben die Hauptstadt einschließt, in weiter Ausdehnung bis zum Marmormeer sichtbar. Dann folgt ein Kirchhof, mit Cy-pressen bepflanzt. Sobald man die Gräber überschritten hat, breitet sich die berglose Ebene wellenförmig aus. Von den ersten Höhen genießt man noch einmal des Rückblicks auf das Amphitheater der Stadt und im Süden auf das Mecr, das bald sich nähert, bald wieder zurücktritt. Der Character der Landschaft bleibt sich am Nordgestade des Marmormeers bis Nodost«» überall gleich und ermüdet durch Einförmigkeit. Eine baumlose Fläche von geringer Erhebung. Der Weg kreuzt jeden breiten Hügelrücken und die weiten, wasserarmen Thalebenen, die dazwischen liegen. Größtenthcils ist das Land längs des Meeres angebaut, jedoch mehr zu Weiden, als zum Kornbau genutzt. Waizen sah ich unter den Getraidearten am hausigsten. Die Cultur hat den Character südlicher Vegetation hier völlig verdrängt. Eine halbe Stunde von der Stadt steht in einem Quellengrunde eine schöne Gruppe riesiger Platanen. Sie hingen so voll von Nestern der Beutclmeise *), daß man ebenso viel Nester, zählen möchte, als die Aeste sich in Zweige und Reiser ver^ theilen. Tausende dieser Vögel zwitscherten und flatterten unter dem frisch grünen Laube umher. Neben der Quelle, die in Stein gefaßt ist, ruhten einige zwanzig Türken, im Schatten der Baume auf Matten gelagert und ergötzten sich an dieser Früh-lingsscene. Ich vermuthe, daß die erstaunliche Geselligkeit jenes *) Pants pendulinus L. 104 Fünftes Capitel. Vogels nicht ohne Antheil pflegender Menschen stattfinde: denn ich habe späterhin ähnliche Ansammlungen aber nur in der Nähe von Städten gesehen. Bei dieser Gelegenheit bemerke ich indessen, daß mehre türkische Vögel einen hohen Grad von gesel? liger Gemeinschaft zeigen, was um so auffallender hervortritt, als die Walder im Allgemeinen an befiederten Bewohnern arm sind. Bei der Schwierigkeit, unter den Muhamedanern Balge von unschuldigen Thieren zu erhalten, sah ich mich außer Stande, der dortigen Fauna eine nähere Aufmersamkeit zu widmen, und begnüge mich, einige hierher gehörige Bemerkungen in allgemeinern Ausdrücken mitzutheilen, ohne über die Arten von Vögeln, die ich im Sinn habe, etwas entscheiden zu können. So findet man in den Waldern und Gebüschen von Thracien und Macedo> nien eine große Menge von Tauben *), die von den Franken Turteltauben genannt werden. Die Geier und Adler leben zwar nicht gesellig, aber sie sind so häusig, daß man überall einige in der Lust schweben sieht, wenn man von erhabenem Standpuncte eine Gegend betrachtet, sei es im Gebirge, oder in Städten. Als ich den Thurm von Galata in Constantinopel bestieg, sah ich die Geier zu Schaaren über der Stadt in der Nähe und Ferne. Fast ebenso zahlreich versammelten sie sich um die Mittagszeit in einem kleinen Thale des Küstengebirgs von Enos. Ein wirklich beinahe geselliger Vogel ist die Nachtigall von Kleinasien, die nach Einigen von unserm Sänger verschieden ist, sei es nun, daß sie den Sprossern oder den Singdrosseln beizuzählen wäre, indessen ihre Laute mir völlig mit denen der Luscime übereinzustimmen schienen. Die Ufer des Marmormeers sind viel weniger von Seevögeln belebt, als andere Küsten, aber einige Arten erscheinen in großen Massen. Bei Catirli und auf einem Felsen zwischen den Prinzcninseln und Scutari sah ich ganze Co- *) Die Art, welche in den dichten Cypressenwcildern der Kirchhöfe von Constantinopel wohnt, oder vielleicht emst dahin übergch'edclt, erst in der Folcze heimisch wurde, ist nach Mr. Strickland ^olmnliu camt,HHen5l8 Lall». Thracien. 105 lonncn von Cormoranen *), welche die Nahe des Boots nicht verscheuchte. Eine der größten Möven schwimmt und schwebt überall zwischen den Kiaiks im Hafen von Constantinopel. Abcr der geselligste aller Vögel des Bosporus ist eine Art Sturmvogel **), deren Lebensweise von vielen Reisenden erwähnt und von Walsh "*) treu nach der Natur geschildert wird. »Sie fliegen unaufhörlich in großen gedrängten Schaaren die Meerenge auf und nieder. Man sieht sie nicht ruhen, man sieht sie nicht Jagd machen. Sie eilen mit großer Schnelligkeit dicht über dem Wasser fort und sie schweben so still, daß man auch aus der Nähe kaum ein Geräusch hört. Sie sind fast so groß als Tauben, der Rücken schwarz und der Bauch weiß. Die Franken Pflegen sie ^m«8 äamn««» zu nennen, als ware die cwige Bewegung ein Fluch, der auf ihnen laste.« Ili der That ist es eine bemerkenswerthe Erscheinung, daß diese Sturmtaucher, ohnehin wie es scheint im ganzen Süden und Südosten unseres Erdtheils nur auf die Meerenge von Constantinopel eingeschränkt, diese niemals verlassen, so sehr auch flüchtige Bewegung ihnen angemessen und erleichtert ist. Sobald sie, den Bosporus überfliegend, den Pontus oder Propontis erreichen, wenden sie plötzlich um und verleben in solchem Kreislauf ihren Tag. Dieser Beschränkung auf einen engen Schauplatz wird vermuthlich auch das besondere Vorkommen eines Fisches, einer Medusa oder eines andern Meererzeugnisses, das ihnen zur Nahrung dient und nur im Bosporus sich findet, entsprechen. Cutschuk-TsckekmedschL, d. h. die kleine Schublade, ist ein großes türkisches Dorf, dessen Lage bei einem Marsche gegen Constantinopel von militärischer Wichtigkeit sein dürfte. Ein Landsee steht mit dem Meere durch einen breiten Canal in Verbindung, über den eine hölzerne Brücke führt. Der Ort liegt *) lllllieus cai-ba Hl. — I^nrug sp. in Gesellschaft mit ?o. Da ich mein türkisches Geld von einem fränkischen Banquier in Constantinopel bezogen hatte, war ich überzeugt, keine falsche ßtücke zu besitzen und glaubte daher jene Vorsicht unterlassen zu dürfen. Als ich nun dem Postmeister die Pferde bezahlt hatte, ging dieser mit dem Gelde in seine Wohnung, kehrte jeduch nach einigen Minuten zurück, indem er eins der Goldstücke für falsch erklärte. Er wics dasselbe vor und ich erkannte sogleich, daß ich eine solche Münze niemals besessen habe. Der Wortwechsel, der sich jetzt entspann, war bald zu Ende, da der Türke unter heiligen Bctheuerungcn versicherte, das Stück von mir erhalten zu haben. Zwei andere Türken, die in der Nähe sich befanden, erboten sich, wenn ich die Sache vor den Cadi bringen wolle, die Angabe des Postmeisters als Zeugen zu erhärten. Abends ritt ich längs des Meers bis Eski-Heracli, einem türkischen Dorfe, das ich in 3 Stunden'»') erreichte. Der Punct, wo die beiden Reitwege nach Adrianopel und nach Salonichi sich trennen, zwei der Hauptstraßen des Reichs, ist durch kein Zeichen kenntlich gemacht. Nicht selten scheint es, als ritte man auf ganz ungebahnten Weidestächen einher. Bei Eski-Heracli ist das Land etwas hügelig und dieser Ort beherrscht eine betrachtliche Küstenlinie. Ueber dem stachen Gebirge von Heraclea scheint aus äußerster Ferne das Vorgebirge Combos südlich von *) Die ganze Post von Silivria big Rodostü wird zu 12 t. Stunden berechnet. Thracien. 100 Rodosto herüber. Links davon verschwimmen Marmora und Ca-pu-dagh zu einer einzigen Gebirgsmaucr. Ich schlief im Freien, wie gestern, aber nicht unter Platanen, sondern auf der Gallerte des Caffechauses. 20. Mai. In der Nacht siel das Thermometer, das seit längerer Zeit bei Tage über 20" gestanden hatte, bis auf 16° k. und die Folge davon war reichliche Bildung von Morgennebeln, welche das Cap Combos und die Küste von Asien alsbald verdeckten. Es siel mir auf, daß diese Warmeabnahme, die während des Tags nicht wieder ausgeglichen wurde, einem heftigen Gewittersiurm um 18 Stunden vorausging. Denn um Sonnenuntergang zeigte in Nodostu das Thermometer nur noch 15" k. und bald darauf begannen Blitz und Regenschauer. Um 4" 45' verließ ich Eski-Heracli und erreichte Turkman!» um 7" 45. Der Weg führt über einen einzigen weitgestreckten, jedoch niedrigen Hügel, von dem man stets zur Seite die Spitze von Heraclea erblickt. Dieser Hügel ist besonders durch seine alten Gräber merkwürdig, welche Herr v. Prokesch *) bereits erwähnt. Ich zählte deren vom Wege aus im Ganzen 16. Sie finden sich stets auf den höchsten Puncten der wellenförmig gebildeten Hügelftache. Sie sind von kegelförmiger Gestalt, ihre Höhe schätze ich im Durchschnitt auf 3U—40', ihren Neigungswinkel auf 25". Alle Umstände sprechen dagegen, daß sie ursprüngliche Bildungen der Natur wären, aber wenn man sie mit den Hünengräbern des Nordens vergleichen wollte, so müßte man nicht vcrgcssrn, ihre Größe, ihre regelmäßige Gestalt und ihre steinlose Erdbedeckung in's Auge zu fassen. Dieser Ort am Gestade des Marmormecrs und ein anderer, der unten bezeichnet werden wird, sind die einzigen, wo ich dergleichen Grabhügel gesehen, allein es ist durch den erwähnten Schriftsteller festgestellt, daß die Form der bekannten Graber von Troja mit denen von Heraclca völlig übereinstimmt. Der ganze Weg bis Nodost<» ist höchst einförmig. Man lrisst bei Weitem mehr Wcidegnmd, als Kornfelder. Aber auf' *) Denkwürdigkeiten I. p. 263. ll0 Fünftes Capitel. jenen der Viehzucht ausschließlich gewidmeten Triften sieht man im Verhältniß zu ihrer Grüße nur wenige Hecrden, Schafe, Kühe, Büffel und Pferde. Diese ausgedehnten Weiden enthalten eine Vegetation, welche, dem warmen Clima und trocknen Erdreich angemessen, ebenso wenig an Ueppigkeit, als an Futterreichthum ausgezeichnet genannt werden kann. Nirgends zeigt sich eine dichte Grasnarbe, indem nur 3 oder 4 gesellige Gramineen ^) vorkommen. Der übrige Raum wird durch Malven, Cha-millen und besonders durch eine Art von wildem Senf ") ausgefüllt. Wo der Boden sandiger wird, zumal auf den höhern Erhebungen, die aber wohl nirgend eine Höhe von 3l)0' überschreiten, gedcihm die Graser nicht mehr, und ärmliches, niedriges Gestrüpp bedeckt das unfruchtbare Erdreich. Für diese Formation ist ein Tragant-Astragalus charakteristisch. Indessen kommt auch zwerghaftcs Eichengrbüsch vor. In den Niederungen, welche von wasserarmen Bächen durchflossen werden, giebt es auch eigentliche Wiesen von geringer Ausdehnung. So weit man von domim'renden Höhm nach Norden blicken kann, überall bleibt die Landschaft sich gleich. Wenn nicht in den Dörfern Platanen angepflanzt oder geschützt wären, würde man 24 Stunden weit von Constantinopel bis Rodost<» kaum einen Baum erblicken. Hier wird jeder Freund der Natur eine spärliche Erndte halten. Auch die Bevölkerung dieses Küstenstriches scheint gering zu sein. Die Dörfer an der Straße, theils türkische, theils griechische, liegen weit von einander und sind klein. Zuweilen sieht man seitwärts Meiereien oder Ortschaften. Mehre der auf der Cotta'schen Charte verzeichneten Dörfer an der Straße habe ich indessen nicht gesehen, insbesondre zwischen Turkman!! und Nodosto. Der Walzen, der hier gebaut wird, versprach eine geringe Erndte, die Halme standen einzeln und^varen noch weit von der *) «Kamentlid) Lolium perenne L. unb ein Bromus ouö in ©tappt von Br. madritensis Lt. **) Malva sylvestris L, Anthemis austriaca Jacq.? Sinapis tau-rica Fisch. Thracien. lll Blüthe entfernt. Offenbar wird die Cultur in hohcm Grade vernachlässigt. Man gebraucht einen Pflug von einfacher Construction und spannt 12—14 Büffel davor. Die Straße ist wenig belebt, und erscheint, wenn man ihre Wichtigkeit für das Rcich bedenkt, unbegreiflich ode. Die Leute, die uns begegneten, gingen oder ritten in großer Gesellschaft, nicht etwa der Sicherheit wegen: denn diese ist vollkommen. Wir trafen eine Gesellschaft von Bulgaren, die in diese entvölkerte Gegend kommen, um als Fcldarbeitcr zu dienen. An einigen Drten wurde das Land jedoch auch von eingcbornen Griechen bebaut und die Heeiden von ihnen gehütet. Eine große Schaar Von Albanesen kam uns zu Fuß und unbewaffnet entgegen. Sie waren kaum bekleidet, gingen nach Constantinopel, um dort Wahrend des Sommers als Taglöhner Arbeit zu suchen, und wollten im Herbste mit dem Erworbenen in die Heimatl) zurückkehren. Es waren junge Burschen, die große Tagcmarsche aushalten konnten. Man sagte mir, daß aus den übervölkerten Di-stricten Albaniens sich Tausende alljährlich einer solchen Lebensart hingäben. Außer diesen Fußwandcrcrn sprengten einige Tataren und Reisende von Stande mit angemessener Begleitung an uns vorüber. Sogar eine türkische Kutsche mit verhüllten Frauen wagte den zweifelhaften Versuch, von Rodvst. t^na« **) Migalgara der Charten, nicht mit einem Orte zu verwechseln, der "uf der Straße von Rodostü nach Adrianopel liegen soll. '") ,) '/'.«5.^ bei Strako .', nach cmderkr ^avt ^<> .^«o», ^irnb. id, ft. 4U9. 1-^ ' - « l l4 Fünftes Capitel. rande gegen das Marmormecr abfallt. Allerdings ist dasselbe von den Bergen bei Nodost Richtung der Berg/ und Gestatt der Oberfläche plötzlich verandern. Vom Vorgebirge Combos zieht sich eine einfache Bergkette in westsüdwistlickcr Richtung nach dem Meerbusen von Saros, an dessen nördlichem Ufer sie allmälig niedriger wird und mit mehren Caps endet. Dies sind die heiligen Berge des Demosthenes. Sie sind an Höhe, Form und Richtung den Ketten von Bithynien am Meerbusen von Modänia ähnlich und, indem die Insel Marmora dieselbe Uebereinstimmung zeigt, so könnte man wohl die Idee vertheidigen, daß nicht die Dardanellen, sondern die Maritza-Ebene die Gebirgssysteme von Europa und Asien abscheide. Auf welche Art die heiligen Berge nach Süden abfallen, weiß ich nicht. Abcr nach Norden lehnen sie sich an ein Pla--teau *), das ungefähr ihre halbe Höhe erreicht. Diese Eigenschaft der Plateaus, an der Seite von Kettengebirge begrenzt zu werden, wollte ich vorhin andeuten, indem ich bemerkte, daß sich hier im Klcimn anschaulich ausspricht, was an andern Orten in so großen iUerhältnissen auftritt, daß diese Mit leicht durch einfache Anschauung überblickt werden können. Das Plateau selbst erstreckt sich von der ersten Höhe über Rodost<> bis Bulgar-köi 15 t. Stunden in die Länge. Wie weit es nach Norden reiche, habe ich nicht ermittelt; jedoch darf die Breite bei Aniad-gik wohl zu 6—8 Stunden angenommen werden, da, so weit *) Dies bildet in Verbindung mit den heiligen Bergen den Tekir-dagh neuerer Charten. Bolil> giebt die Höhe desselben zu 8-9«M an, was m>t meiner Schätzung der Plateauhöhe überemstimmt, aber nicht auf die heiligen Berge bezogen werden darf. Thracier». , l15 man in jener Richtung blicken kann, keine Veränderung in der , Gestalt des Landes vorgeht. Diescs Plateau hat es mit andern Hochflächen gemein, daß die Oberfläche große Wölbungen und Mulden darstellt, ohne daß irgend ein bestimmtes Gesetz in der Richtung und Form der Thäler wahrgenommen werden könnte. Da es schwer halt, solche Verhältnisse durch Worte anschaulich zu machen, so bemerke ich, daß diese Gegend mich lebhaft an den nördlichen Theil des Erzgebirges erinnerte, und man wird sich eine ziemlich richtige Vorstellung von dem Wege macden, den ich heute zurücklegte, wenn man das Ansteigen von Nodosio nach Ainadgik mit dcr Ctraße von Tharand nach Freiberg vergleicht, und sich M' Stunden weit in Numelicn eingedrungen waren und überall die Arbeit des Pfluges oder doch die Spuren des Hirtenlebens wahrgenommen hallen, so konnte Dimitri, der ganz, Kleinasien und Syrien kannte, aber das Innere des nördlichen Rumelien nie besucht hatte, nicht unterlassen, hierüber seine Verwunderung zu erkennen zu geben. Aus seinen Aeußerungen ging hervor, daß ihm die bebauten Strecken in der asiatischen Türkei nur wie Oasen in einem weiten Lande erschienen, welches man der Natur größtentheils überlassen hat. Deshalb sprach er von dem blühenden Zustande Rumcliens, von dem wohlhabenden Aussehen der Dörfer, von der guten und reichlichen Nahrung, die der Reisende in den Han's fände, wahrend ich selbst die Cultur des Bodens in ihrer Kindheit, Hütten, die weder Schutz noch Bequemlichkeiten gewährten, und die ärmlichsten Nahrungsmittel zu finden vermeinte. Das Weideland ist auch hier viel ausgedehnter, als die zum Kornbau bestimmten Felder. Auf den lchtcrn wird eine einfache zweijälmqe Wechsclwirthschaft getrieben, indem man das erste Jahr Waizcn crndttt und das Land wahrend des andern Jahrs nicht bestellt, sondern nur als Weide benutzt. Aber der größte Tbeil des Bodens empfangt niemals eine Saat und dient nur zur Viehzucht. Eine solche Einförmigkeit wird nicht selten durch kleine Holzungen und Gebüsche gehoben, in dencn die Nachtigall schlug, zum ersten Male, seit ich von Asien schied, mir die Wanderung verkürzend. Bis AinAgik zieht sich von der Höhe über Nodost<» aus cine breite Mulde in südwestlicher Richtung zwischen der Kette der heiligen Berge und den Hügeln fort, über deren Kamm die Straße hinlauft. Einige Seitenschluchtcn, die vom Wege in den Grund jener Mulde hinabführen, sind von reichlichem Gebüsch begrünt, aus dem die Psirsichblüthen der Cercis hervorschimmerten. Die Waldungen treten erst später auf. Sie sind dadurch merkwürdig, daß trotz der geringen Meercshöhe nur wenige Holzgewachse des südlichen Europa in ihnen vorkommen. Thracier. 117 Diese Holzungen bestehen größtentheils aus dichtem Unterholz von der Höhe eines Mannes. Es enthält verschiedenartige Formen: vornehmlich Eichen, Ahorn, Corneelkirschcn und Weißdorn; sodann als Erzeugnisse des Südens die Hopfenbuche und den Christdorn, auch zuweilen Jasmin und Ornus - Eschen. Dic-ses Gesträuch wird durch unzählige Lianen verschlungen, vor Allem durch den Weinstock, der hier in seinem Vatcrlande überall freiwillig die üppigen Blätter über das Gesträuch ausbreitet, an den Bäumen hinaufrankt und mit den jüngsten Sprossen wieder von oben herabhangt. Feiner gehört zu den Schlinggewächsen dieses Orts Smilar, deren Laub jetzt glanzend und frisch ist und so bunt in seinen Gestalten spielt, daß jedes Blatt eine besondere Bildungsart darlegt und keins dem andern völlig gleicht; endlich auch Tamus, eine Liane, deren Blatter so zart und fast durchsichtig sich in tiefem Schatten verbergen. Aus diesen üppigen Sträuchern und Schlingpflanzen erheben sich vom feuchten Grunde einzelne Bäume von niedrigem Wuchs, selten über 20^ —30^ hoch, am hausigsten Pappeln, Hainbuchen, Haselnußbäume und jene Apfelweide *), die ich in Bithynien antraf und die nun schon ausgeblüht wie ein silberfarbner Oelbaum aus dem gesättigten Saftgrün des Waldes hervortrat. Betrachtet man ein solches Gehölz, in welchem die charakteristischen Formen der Küstenfiora des Mittelmecrs, die Myrte, der Lorbeer und die Haide, so völlig ausgescl'losscn bleiben, so bemüht man sich vergebens, irgend eine physiognomische Eigenthümlichkeit von allgemcinerm Werthe herauszuheben, wodurch diese Landschaften von denen in Mitteldeutschland natürlich unterschieden werden könnten. Weder der Reichthum an Arten ist größer, noch das Wachsthum üppiger, noch die Formen des Lau^ *) Quercus pedunculata Ehrh. Acer campestre L. Covnns mar-cula L. Mespilits oxyacantha P. — Oslrya carpinilolia Pers. Pali-urus aculealus Lain. — Jstimiiiutii frulicans h. Fraxinus Onius L.— Vitis vinjj'eia L. Smilax aspera L. Tatnus conimunis L. — Popu-fas nigra L. Carpinus orienlaliä Lam. Cory]us Celurna L. i*j't'Ui» »alieisolia L^ 118 Fünftes Capitel. bes, von welchem am meisten der Waldcharactcr abhängt, sind abweichend. Vielleicht könnte man behaupten, daß die Vegetation der Lianen hier eine größere Bedeutung erhält. Indessen, wenn man nicht nach feinern Merkmalen suchen wollte, die auf dem Bilde des Landschaftmalers verschwinden, so würde eine Skizze, die den Baumschlag von Thracien darstellte, nur wenig Eigenthümliches enthalten. Sahe man nicht hier und da eine fremdartige Pflanze ^), oder einen Geier, einen Büffel, eine orientalische Tracht, oder ein Minaret in der Fcrne, man könnte sich in die Heimath versetzt glauben. Die eben beschriebenen Waldungen sind über das ganze Plateau von Ainadglk zerstreut und nirgends von großer Ausdehnung. Auch sind sie örtlich nicht scharf begrenzt, sondern gehen allmählig in die Weidesiäche über. Die Baumstamme hören auf lind das Gesträuck wird nach und nach lockerer, oder steht nur in einzelnen Haufen beisammen. Wo dieser Uebergang eintritt, wie bei dem Han auf halbem Wege von Ainadgik nach Mälgara, verändert sich die niedere Vegetation, indem unter dem Eichen-gcbüsc!) auch Wachholder nebst einem geselligen Astragalus ") erscheinen und zahlreiche Krauter sich einsinden. Am Boden herrscht die brennend gelbe Farbe von unzahligen Blüthen einer Flachsart, darunter eine röthliche Schattirung, die von Polyga-len und Thymus *") herrührt. Je weitläuftiger aber das Gestrauch steht, desto besser gedeiht das Gras selbst. In den großen Wcidegründen zeigt sich besonders eine jahrige Grannnee ^) vorherrschend, die mit kleinen Kräutern untermischt eine ziemlich *) 3. B. l'isum elalüm ML. unb Orodus dirsutus I> Diese beiden Leguminosm wachsen an schattigen Orten von Bithynien und Thracien und sind für diese Gegenden besonders characteristisch. **) Juniperus Oxycedms L. — Astragalus pseudolragacantha d'Urv. ***) Linum flavum L. Polygala major J. Thymus bracteosus Vis. t) Mopecurus uiriculatus Pers — Untcu bui .Krautern bemctEe i^> fine Fedia, cine Medicago unb Orchis vuriegata Jacij. Thracien. 1l9 dichte Pflanzendecke bildet. Wüsche von Zwerghollunber ^) er-theilen solchen Flachen einen einförmigen Wrchscl. Im Allgemeinen kann bemerkt werden, daß die Wcide dieses Plateaus dem Vieh noch weniger Nahrung darbietet, als die Gegenden am Marmormcer. Ebenso geringfügig ist die Ausbeute des Botanikers. Diese Armuth an vegetabilischen Productcn ist vielmehr auf die Lage des Plateaus, als auf den Boden zu be^ ziehen. Von südlichen Luftströmungen durch die heiligen Berge abgeschnitten, in einer Höhe über dem Meere, die im südöstlichen Europa schon beträchtlich auf das Psianzenleben einwirkt, kann sich nicht je:ie Mannigfaltigkeit der Formen entfalten, die an den Küsten sich auch auf Familien ") von krautartigen Gewächsen erstreckt. Auf der andern Seite wird die Pflanzenwelt hier durch reichliche Bewässerung und eine mächtige Humusdecke begünstigt. Gestein steht nur an wenigen Puncten zu Tage. Es ist ein Sandstein, nach Boue tertiärer Bildung, und zeichnet sich von dem sandigln Gestein, welches von Kutschuk-Tschekmed-sche bis Rodostu reicht, durch größern Thongehalt vortheilhaft aus. Ich gelangte, ohne ein Dorf zu berühren, um 1" nach Ai-nadgik, einem türkischen Stadtchen, das gegen 20UU Einwohner zählt. Die Häuserzahl wurde auf 40U geschätzt. Unsere Pferde bewiesen trotz der Anstrengung große Ausdauer und Geschick. Das meinige stürzte zu wiederholten Malen, verhielt sich alsdann ganz ruhig, bis ich abgestiegen war, und war nicht zu bewegen, sich wieder in die Höhe zu schwingen, so lange ich im Sattel blieb. Hierzu sollen die Pferde abgerichtet werden, um bei einem vergeblichen Versuche aufzuspringen weder sich selbst, noch den Reiter zu beschädigen. An schlüpfrigen oder steilen Abhängen Pflegen sie die Hinterschenkel zu krümmen und mit diesen herab-zugleiten, während sie nur mit den Vorderbeinen auftreten. Ue-brigens sind sie auf dem schwierigsten Terrain am sichersten, und Man kann unbesorgt auf schmalem Pfade an einem Precipice vor- ") Z. B. Leguminosen, Caryophyllccn uub Cn,cifnew. 120 Fünftes Capitel. bci'rciten. Meine Pferde stürzten nur, wenn ich nicht aufmerkte, oder auf cbcncm Boden. Mein Gepäck winde auf diesem Wege sehr übel behandelt. Es wird in hänfenen Säcken zu beiden Seiten des Pferdes im Gleichgewichte aufgehängt. Das Lastthicr stürzte seitwärts einen Abhang hinunter, indem es sich ein Mal völlig um sich selbst drehte. Mchre Flaschen zerbrachen. Das Thier lag betäubt am Boden; indessen, da es sich nicht verletzt hatte, gelang es, nach kurzem Aufenthalte die N^ise fortzusetzen. Ich erwähne einen solchen Umstand, der in Ermangelung anderer Transportmittel von dem Reisenden in Numelien nicht leicht vermieden werden kann, um zu zeigen, wie bedenklich es sei, dort mit zerbrechlichen, Apparaten und Instrumenten zu reisen. Auf dem Wege von Ainadglk nach Mälgara liegt kein Dorf, sondern nur ein einsamer Han, den ich um 5" Nachmittags erreichte. Wiewohl die Luft bis dahin frisch und kühl gewesen war, so zog sich doch wieder cinGewitttr zusammen, und es sing schon an zu regnen, als ich im Han Cassee trank. Mein Diener wünschte zu bleiben. Da jedoch die Gegend kein Interesse für mich hattt, so beschloß ich, trotz des Wetters bis M-'.lgara zu reiten. Die einzelnen Regengüsse folgten sich in Pausen, und so geschah es, daß wir mehre Male bis auf die Haut durchnäßt wurden. Erst als die Sonne unterging, klärte sich der Himmel auf. Das Thermometer zeigte l,2° 1i. Ein scharfer Wind blies uns vom aegaeischen Meere entgegen. Wir legten die letzten 4 Stunden in drittchalb zurück und kamen dennoch halb erstarrt um 8" in Mälgara an. In der Nähe des Han führt die Straße noch einmal an einem merkwürdigen Grabkegel vorüber, dem einzigen, den ich außer der Nachbarschaft von Hcraclea in Thracicn gesehen habe. Er ist noch größer, als die flühcr erwähnten, und wahrscheinlich gegen 50' hoch. Weithin sichtbar, ragt er aus dem breiten Pla-leaurücken so eigenthümlich hewor, daß ich aus der Ferne einen Durchbruch von vulcanischem Gestein zu erblicken vermeinte. Keine Spur einer besondern Sage über diele Denkmaler der Vorzeit konnte ich bei den Eingchornen entdecken. Viele kannten sie Thracien. 121 nicht, die Meisten bielten sie für Hügel, ohne an eine Bedeutung derselben zu denken. Einige sagten^ es sind Gräber von Riefen, die hier vor Zeiten sollen gehaust haben. Doch mochte diese Aeußerung vielleicht nur davon herrühren, daß Dimitri in seine Fragen wohl seine eigne Meinung einmischte. Mülgara ist eine Stadt von mehr alß lUlll) Häusern *) und liegt kühn auf einem Hügel mit fünf Minarets und einer hoch gewölbten Moschee. Zwar gebort jedes Minaret zu einer Moschee, aber die übrigen ragen nicht aus der Häusermasse hervor. Da es schon so spät geworden war, bezog ich gleich den ersten Han in der Stadt, so wenig einladend auch die engen Näume desselben waren. Es wurde glücklich ein tragbarer Ofen aufgefunden, ein sogenanntes Mangäl ^), über dem die Kleider und Sammlungen getrocknet werden konnten. Als ich mich niederlegte, war die Menge der Wanzen in dem Han so groß, daß ich auf eine schlaflose Nacht gefaßt sein mußte. Ich erinnere mich, wenn ich die Bivouacs abrechne, freilich nur weniger Nachte in der Türkei, in denen ich von dieser Plage ganz frei geblieben wäre: allein an die Angriffe einzelner Thiere gewöhnt man sich im Schlafe, ohne zu erwachen. Wcrdcn aber größere Strecken der Haut in entzündliche Reizung versetzt, so ist es selbst bei großer Ermüdung unmöglich, Nuhe zu finden. Bei dieser Gelegenheit will ich anführen, wie ich mich in der Folge zu schützen suchte. Es kann gar nicht die Rede davon sein, die Thiere ganz abzuw^-en: denn das ist unmöglich. Zuerst suchte ich mir immer einige Gewißheit zu verschaffen, ob die Wanzen in großen Massen gegenwärtig waren. Man kann dies gewöhnlich schon erfahren, wenn man sich einige Minuten auf dem Divan oder auf dem Erdboden neben der Wand ausstreckt. Ich bemerkte beständig, daß die großen dunkelfarbigen Thiere viel weniger zu *) Webber Smith (.journal os ll,e 6eoßs. 8. Kubus srutitosus L. — Jastninuin irnticans L. Astragalus pseudo-tragacantha d' Urv. — Untci' ben Ävöutern bemcrftc id) Oiobus hirsutus L. unb Galium sylvaticum L. — tfujjet ben genannten Sommen nod) sou gcnbe ©tväudjec cinjeln obec an besdjtanEten ©tanbovten ßefellig oor: fra-taegus Azarolus L. I'yrus torminalis Ehrh. PhiJlyrea media L. Ouercus coccifcra L. Pislatia ailantica Doss. — Rosa canina L. Liguslium vulgäre L. Rhaninus infectoria L. Cistus villosus Lam. Crataegus Oxyacantha L. Pyriis saliciiolia L. var. fruticosa. **) ©ie 'SxäUi jtnb: l'romus racemosus L. Br. rubens L. Cy-nosurus ethinatiiB L. Phk-um asperum VilJ. Avena tennis Men. Anthoxaiuhum odotatum L. — S5ie Jliäutcv: Spccularia ponlagonia DC. Centaiirea cyanoides ME. Otobanche epiihymum DC. -- Scan-dlx auslralis L. Cerascium bracbypt'tiilum Vill. Ajuga Laxuianni 15. etc. 134 Fünftes Capitel. sich den Hügeln nähert, desto steiniger und dürrer wird das Erdreich, da selbst die Quellen und Bache dieses Thals schon jetzt versiegt waren. Nicht bloß daß der Sandstein an mehren Orten frei ansteht oder nur eine dünne und sandige Humusdecke trägt, sondern viele Geröllstcine liegen auch umher und hemmen das dichte Wachsthum geselliger Pflanzen. Aber so wie es eine ziemlich allgemeine Erfahrung ist, daß, je weniger der Boden gesellige Arten duldet, desto formenrcicher die Vegetation werde, so ist es auch hier. Eine bunte Wclt von jahrigen und dauernden Pflanzen niedrigen Wuchses, von Kräutern und Grasern findet sich hier zusammen. Die Familien, welche in Griechenland die zahlreichsten Formen enthalten, sind auch hier am häufigsten vertreten. Zuerst kommen die Leguminosen, hierauf die Gräser, dann dle Labiaten, Cruciferen, Caryophyllecn und Composite«. Die letztere Familie freilich, sonst die artenreichste von Europa, tritt noch zurück, weil die Blüthezeit der meisten erst in eine spätere Periode des Jahrs fällt. Indessen gehört zu ihrem Kreise eine der beiden an Zahl der Individuen vorherrschenden Arten, während die andere eine Malve *) ist. Alle diese Pflanzen gedeihen, wie schon bemerkt wurde, auf einem sandigen, trocknen Lehmboden und zwischen Stcingerölle, welches von der Verwitterung des Sandsteins herrührt. Es war mir daher auffallend, am Ziel meiner Wanderung eine abweichende gcognostische Formation anzutreffen. Der südliche Ab- *) Gštntge bee häufigsten TCvten ffnb fotgenbe: Trisolium stellatum L. Tr. striclum L. Erviim nigricans MB. Vicia pannonica Jacq. Astragalus virgatus Pall. AegiJops ovata L. Melica minuta L. Poa buJbosa L. Festuca ovina L. Dactylis glomerala L. Secale villosum L. Brom us moll is L. — Sal via Verbenaca L. Thymus bractcosus Vis. Scuiellaria orientalis L. — Alyssum tortuosum Kit. Lepidium Draba L. — Serratula xeranthemoides MB. — Ce-rastium manticum L. Silene italica Pers. — Linum ilavum h. — Sedum glaucum Kit. Echium plantagineum L. Veronica austriac.i L. — 35ie beiben jiite^t erwähnten präbomintrenben ^»fsan^en, bic su ben ©attungen Anthemis unb Malva ßeijömi, ffnb nod) nicfjt mit @td)er|ieit er* fannt* Thracicn. 135 hang dcs Hügels « besteht nämlich ausnahmsweise aus einem äußerst festen, dichten Kalksteine von graulich weißer Farbe. Ich verfehle nicht darauf aufmerksam zu machen, daß dicse Veränderung der Gebirgsart ohne allen Einfluß auf die Vegetation bleibt. Jener Abhang ist mit demselben Gesträuch bewachsen, wie die übrigen. An lichten Stellen, die dazwischen vorkommen, wiederholt sich der Wicsenwachsthum des Hügels «, dcr oben geschildert wurde. 24. Mai. Wenn man in der Türkei fast beständig in dem Falle ist, den fortschreitenden Verfall der Städte und Dorfer wahrzunehmen und aus der Größe dcr Kirchhöfe bei kleinen Ortschaften, aus leer stehenden Häusern und Ruinen auf die wachsende Entvölkerung dcs Landes zu schlichen: so erfreut man sich in Keftm einmal der entgegengesetzten Erschcinung. Ich habe nicht erfahren, wie viel Griechen und wie viel Türken das Städtchen bewohnen, aber man hat mir cincn Vorfall erzählt, der auf die Blüthe dieses Orts bedeutend gewirkt zu haben scheint und sich erst vor wenigen Jahren zutrug. Damals lag am Wege nach Enos, eine Stunde von Kcsän entfernt, ein wohlhabendes Dorf. Der Name desselben wurde mir nicht bekannt, es scheint jedoch das nämliche zu sein, welches auf den Charten Kicscaban genannt wird. Als ich in die Gegend kam, sah ich eine Mcnge von Grabsteinen, aber keine Spur von Häufern. Dcr Ort war von der Erde vertilgt, nicht durch Brand oder Krieg, sondern in Folge dcr Geschichte, die ich wiederzuerzählen im Wegriff bin. Ein Vertrauter dcs Gouverneurs von Enos war von diesem be-»auftragt, eine Zahlung von 20000 Piastern in Mulgara zu betreiben und ihm diese Summe zu überbringen. Nachdem er seilt Geschäft glücklich vollbracht hatte, befand er sich auf dem Rückwege nach Enos. Unbesorgt und weil man die Straße für sicher hielt ohne Begleitung, ruhte cr am Absinthos in der Nahe von Kiescaban aus. Dort wurde cr von Räubern überfallen, beraubt und ermordet. Da man den Verbrechern nicht auf die Spur kommen konnte, so verlangte dcr türkische Voivode von dem Dorfe, weil es dem Schauplatz dcs Verbrechens zunächst lag. vollen Schadenersatz. Dieses weigerte sich zu zahlen, die Sache 136 Fünftes Capitel. wurde klagbar und gelangte vor die höchsten Tribunale. Dem Voiuoden wurde die Rechtmäßigkeit seiner Forderung zuerkannt, und da die Gemeinde sich für zahlungsunfähig erklärte, sollten Zwangsmaßregcln angeordnet werden. Hierauf beschlossen die Bewohner des Dorfs, Heimath und Nesitzthum aufzugeben und sich anderswo anzusiedeln. Sie zerstörten ihre Häuser, zogen mit ihrer beweglichen Habe nach Kcsu'i und entledigten sich dadurch aller weitem Ansprüche. Eine solche Uedcrsiedclung ganzer Gemeinden, die auch in Folge von Erpressungen türkischer Gewalthaber nicht selten sich ereignen soll, findet dort viel weniger Schwierigkeiten, als bei uns der Fall sein würde. Die Häuser zenes Dorfs hatten vielleicht einen geringern Werth, als die freilich unbedeutende Forderung des Noivoden, um so mehr, als, sie das nutzbare Material zum Bau ihrer neuen Häuser in Kesän mit sich führen konnten. Da außerdem nach türkischem Gesetze jedem Unterthanen frei steht, unbenutztes Land urbar zu machen, und sich dasselbe uhne besondere Lasten anzueignen, so wird man sich im Besitz von Vieh und Gerathschaft auch an einem nemn Wohnorte leicht durch Ackerbau ernähren tonnen. Der Voivode aber, unter dessen Schutz sich die Ansiedler stellen, wirb sich freuen, scine Einkünfte durch die Anlunst der Fremden vermehrt zu schcn. Die eigenthümliche Verpflichtung einer Gemeinde zum Schadenersatz, die hicbci zur Spvache kam, hat für den Reisenden cin besonderes Interesse. Jedes Dors ist, so lange er verweilt, an dessen Sicherheit bethciligt, und diese Theilnahme wachst in dem Grade, als man dem Fremden Ansehen und Einfluß z«i schreibt. Denn darnach urtheilen diese Leute und fragen sich, ob er nach einem Unglücksfalle den Ferman, welcher der Gemeinde die Entschädigung auferlegt, werde erwirken tonnen, und wie viel sein Leben und seine Güter werth seien. Was anderswo reizen würde, schreckt hier der Konsequenzen wegen ab. Wenn es anderswo für klug gilt, in unsictiern Gegenden einen unscheinbaren Kittel zu tragen, so ist es hier hingegen angemessener, mit der Freundschaft eines Pascha zu prunken. Da die Gemeinden die jedesmalige Anzahl der Wegelagerer kennen und in der Negel Thracien. 137 mit ihnen in Verkehr stehen, so verhindern sie nicht selten aus eignem Interesse Gefahren, von denen dcr Reisende keine Ahnung hat oder crst spät erfahrt. So wie das östliche Thracien für ebenso sicher gehalten werden kann, wie Ungarn oder Italien, so bin ich auch ohne besondere Vorsicht bis Enos gereist, in dem guten Glauben, daß hier nichts zu besorgen wäre, und ich bin erst in der Folge zu der Einsicht gelangt, wie sehr die Sicherheit in den griechischen Provinzen Rumcliens von zufälligen Umständen abhängt und wie die verrufensten Districte an die friedlichsten grenzen. Die Griechen von Keftn benahmen sich zuvorkommend gegen mich, ohne mir lästig zu fallen, aber auf Fragen über Verkehr und Lebensart vermieden sie auch, mir glaubwürdige Nachrichten mitzutheilen. Des Abends versammelte sich im Han eine große Anzahl, die sich auf ihre Weise lärmend bei der Pfeife unterhielten. Nachdem sie viel Wein getrunken hatten, dcr hier von trinkbarer Beschaffenheit ist, begannen sie in den abscheulichsten Mißtönen Chöre und Gesänge anzustimmen und hörten mit solchem Treiben crst gegen Morgen auf. 25. Mai. Da meine Beobachtungen über die Vegetation von Kesi'm's Umgebungen gestern vollendet waren, so hatte ich meine Abreise auf den frühen Morgen festgesetzt. Schon waren die Pferde bereit, als der Postmeister erklärte, ich müsse statt der gesetzlichen 48 Piaster für den Weg nach Enos 72 zahlen, indem cr keinen andern Grund anführte, als daß es so üblich sei. Diese Forderung setzte Dimitri in Harnisch. Seine Vorstellungen blieben jedoch Anfangs ohne Erfolg, und cr setzte sich den Mißhandlungen einiger Türken aus, die auf die Seite des Postmeisters traten. Zuletzt erklärte cr dem Voivoden, der ebcn so wenig mich zu unterstützen geneigt war, fo unbedeutend die Sache auch fei, so wären wir doch nicht gemeint, uns um einen einzigen I)ara mit Gewalt Übervortheilen zu lassen. Wir würden daher «ine Beschwerde nach Constantinopel senden und so lange in Ke-s»n bleiben, bis Wescheid eingelaufen sei. Wem alsdann die Kosten unseres Aufenthalts und die Entschädigung für den Zeitverlust von zwanzig Tagen zur Last sielen, würde cr leicht vor- l38 Fünftes Capitel. aussehen. Daß eine so eitle Drohung den gewünschten Erfolg hatte und Plötzlich das Benehmen des Voivoden umwandelte, liegt eben so sehr im türkischen Character begründet, als sein herrisches und vornehmes Wesen, ehe ihm Dimitri zu imponiren verstanden hatte. Die Entfernung von Keftn und Enos kann nach der Länge der Poststraße, die zu 12 t. Stunden berechnet wird, nicht richtig geschätzt werden. Denn um im Winter die überschwemmten Wiesen und Sümpfe des Maritzadelta zu vermeiden, ist sie in e,'nem Bogen angelegt, der so weit nach Suden reicht, daß er in die Nähe des Meerbusens von Saros über die Küstenbcrge führen soll. Da die Wiesen jetzt schon hinlänglich abgetrocknet waren, so ritten wir in ziemlich gerader Linie nach Enos und langten dort nach neun Stunden an, ohne auf den ersten sieben Stunden dieses Wegs weder irgend ein Dorf noch einen Han zu berühren. Um 7^ hatten wir Kesün verlassen. Sobald man in ostlicher Richtung von den Desileen von Ke-s»n hcrabkommt und die Ebene erreicht, dehnt sich eine weite Wiesenfläche aus, welche mehr als vicr Stunden lang theils an das Küstcngebirge stößt theils in die sumpfige und reich bewässerte Niederung übergeht, welche ans den Charten zum Meerbusen von Enos gemacht wird, wahrend die Bcwohner dieser Stadt die Gewässer derselben zur Maritza zahlen. Dazu werden sie auch durch den Umstand berechtigt, daß die nördlich und nordöstlich von Enos befindlichen Wasseransammlungen süß oder nur halbsalzig sind, und es unterliegt keinem Zweifel, daß die Maritza einen großen Theil dieses ehemals vielleicht vorhandenen Meerbusens ausgefüllt und in ein weidenreichcs Stromdclta umgewandelt hat. Obgleich die Nachrichten, welche ich hierüber einzog, mir selbst nicht genügen, so lehrte mich wenigstens so viel der Augenschein, daß man auf dem Wege von den Bergen bei Zinezzcköi bis Enos zur Rechten nur einen langsam fließenden Strom von fast trinkbarem Wasser hat, dessen gegenüberliegendes Ufer durch einen Wald von Schilf und Binsen eingefaßt in eine weite Ebene übergeht. Dieser Strom hat nur eine schmale Wasserbrcite und mündet dicht vor Enos in dessen seichten Hafen. Auch ward Thracien. 139 mir unweit Zinczzcköi die Gelegenheit zu Theil, von ciner Höhe, Welche die Gegend beherrschte, nach Norden zu blicken, und so weit das Auge reichte, sah ich nur binscnbedeckte Sumpfinseln aus engen Wassercanalen hervortreten. Es erschien mir, wie cine Wiederholung des Donaudelta. Indessen ist der Raum, welchen der Golf von Enos auf den Charten einnimmt, so beträchtlich, daß es immerhin möglich bleibt, im Mittclpunct desselben befinde sich noch jetzt eine ausgedehnte Wasserfläche, welche ich wegen zu geringer Höhe meines Standpuncts nicht erblicken konnte. Wahrscheinlich sind diese Zweifel schon durch die Charte von Copeland gehoben, die mir leide! nicht zu Gesicht gekommen ist 5). Für meinen gegenwärtigen Zweck genügt die Bestimmung, daß die Ebene, durck welche mein Weg von Kesän nach den Kü-stcnbcrgen von Enos führte, gegen Nordwesten bis an die Ma-titza reicht. Ich durchschnitt den südlichsten Theil dieser Fläche: denn nur im Absinthosthal setzt sie sich gegen Ibridsi fort. Westlich von diesem Flusse wird sie durch den Bergrücken begrenzt, von dem ich oben angegeben habe, daß er durch zwei stumpfe Spitzen sich auszeichne. Er zieht sich gegen Südwcsten fort und vereinigt sich d^rt mit der Küstenkette von Saros. Diese steht wiederum in der Gegend des 44stcn Meridians mit den Bergen von Enos in Verbindung, die sich von Ccriban gegen Caraplacaköi **) erstrecken, und auf diese Weise wird die Ebene im Westen geschlossen. Wenn ich von den Hügeln bei Kesän einen großen Theil *) Inzwischen finde ich bei Webber Smith (a. a. O. S. lw) bereits die Angabe, daß der größte Durchmesser der Bai von Enos nur ungefähr drei englische Meilen betrage, und daß der vermeintliche Meerbusen der La-pie'schen Charte nicht mstirt. Diese Nachrichten, welche meine Vorstellungen völlig bestätigen, beruhen ohne Zweifel auf Copland's Kü'stcnaufuahme, und bestimmen zugleich, daß der durch eine Lagunenbank geschützte Hafen noch mit nner kleinen Bai in Verbindung steht. Auffallend ist, daß er dabei den un-nüttelbar neben Enos in den Hascn mündenden Maritzaarm nicht zu kennen scheint. ") Diese Ortsnamen sind der Gotta'schen Charte entnommen. 140 ' Fünftes Capitel. dieser Horizontalm Fläche überblickte, und darin dic Zcichen der Fruchtbarkeit und des Ackerbaus zu erkennen vermochte, so besteht hingegen ihr Südrand nur aus Wiescngrund. Auf diesen Wiesen, deren hoher Graswuchs und feuchter Humusboden sie von den Weiden des Plateaus von Mälgara unterscheidet, sah ich viele Heerden von Büffeln und Rindvieh. Ich erinnerte mich einer Bemerkung, die ich schon früher in Bezug auf die Wiesen bei den süßen Wassern von Constantinopel aufgezeichnet habe. Die Physiognomie der Maritzawiesen gleicht eben so sehr dem Typus von Nordeuropa. Von vier Grasern, welche die Hauptbestandtheile des Graswuchses bildeten, gehörten auch zwei zu den gemeinsten Arten unserer Wiesengräser: die beiden andern sind hingegen Glieder der südeuropäischen Flora. Unter diesen Gräsern kamen Trifolien und Ranunkeln nicht häufiger, als bei uns vor. Nicht minder bedeutend erschien eine solche Uebereinstimmung an sumpfigen Orten, wo Cyperaceen auftraten oder Alisma und Iris ^) sich in den gewöhnlichen Formen zeigten. Um 9^ 15^ erreichte ich ein klcmes Gehölz, dessen Bäume, Eichen und Hainbuchen viel hochstammiger waren, als ich bis jetzt in Thracien gesehen, wenn ich die Platanen in und neben den Ortschaften und die Cypressen der Friedhöfe ausnehme. Weit ragten jene Stamme aus dem Unterholz hervor, aber auch in der Folge blieb der Anblick hochwüchsiger Eichen auf meincr Neise durch Thracien eine Erscheinung, die sich nicht wiederholte. An der andern Seite des Wäldchens fließt der Absmthos oder der stärkste Zufluß desselben, den ich um 9" 30' durchritt. Es ist ein schmaler Fluß, dessen Wasser nicht bis an die Steigbügel reichte. Von hieraus wird das Terrain sumpfiger. Aber da wir uns nunmehr in der Nahe des oben erwähnten Bergrückens befanden, so ritten wir stets am Fuße von dessen Erhebungen, um die Sümpfe zu vermeiden, die von Zeit zu *) Poa pratensis L. Dactylis glometata L. — Aegilops ovaia L. Eromi sp. ex sect. Br. madiitensis. — Seirpus sylvaticus L. Carex Fontaneüü Poirt — Alisma Plantayo L. Iris pseudaco-rus L. Thracicn. 141 Zeit zur Rechten sichtbar wurden. Erst um Itt" wendeten wir uns wieder nach Westen und durchschnitten zwei Stunden lang die Wicsenflächc. Kein Dorf, keine Hütte, kein Mensch war hier zu sehen. Ein scharfer Nordwestwind wehte uns entgegen, aber er milderte die Schwüle des Mittags nicht. Als wir so einsam und erschöpft fortritten, sahen wir drei Fußwanderer uns entgegen kommen. Schon von Weilen erkannte ich, daß einer von ihnen ein Derwisch war. Ich ritt voran, und als sie uns nahe waren, kamen sie an mein Pferd und riefen: »Bakschisch *),« indem der Derwisch die Arme ausstreckte, um ein Allmosen zu empfangen. Ich war im Begriff, meine Börse zu ziehen, als Dimitri herbei-fprcngte, einige Para's dcn Fremden hinwarf und meinem Pferde einen solchen Schlag mir der Pritsche versetzte, daß das muthige Thier unversehens mit mir fortgalopirte. Nachher entschuldigte er sich und meinte, es sei gefährlich, solchen Leuten Geld zu zeigen. Allerdings habe ich später gehört, daß die Klephten hausig die List gebrauchen, die Reisenden mit solchen Worten anzusprechen, sie dadurch sicher zu machen und den Widerstand zu vereiteln, dcn sie finden würden, wenn sie gleich Anfangs sich einen gewaltsamen Angnss erlaubten. Unk Mittag befand ich mich am Fuße des schon erwähnten Gebirges **) von Enos, welches von hieraus als eine quer der Edcne vorgelagerte Kette erscheint, deren höchste Erhebung am steilen Nordende liegt, von wo der Kamm nach Süden sich fortzieht und sich mit den übrigen Bergzügen vereinigt. Um die höhcrn Spitzen zu vermeiden, ritten wir hier in einer Schlucht nach Südwest und gewannen von da einen Paß, der auf die Höhe des Gebirgs führte. Wenn es von unten als eine einfache Kette erschien, so erhalt man oben eine ganz verschiedene An-sä'auung. Es zeigt sich ein großes Plateau von unregelmäßiger Oberfläche, dessen Länge dcm Abstände von Cenban *") und ^) Eine Gabe, ein Trinkgeld. ") Tschatal-tep«, d. h. Gabclberg. "*) Etwa wo Cenban liegt, habe ich am Eingänge auf das Plateau knuzc Hütten berührt, deren Namen ich nicht erfahren habe. 142 Fünftes Capitel. Caraplacaköi der Charten entspricht, und dessen Breite drei Stunden beträgt. Dieses Viereck, das sich einem Quadrate nähert, wird im Durchschnitt eine Höhe von 4—600^ haben. Seine Ränder werden größtenthcils durch kettenförmig geordnete Berge umgürtet, die aus dem Plateau allmäblig sich erheben und nach der Außenseite tief und schroffer abfallen. Die höchsten liegen im nordwestlichen Winkel des Gebirgs und sind wahrscheinlich gegen 12VV' hoch *). Dieser Bergrand, der das Plateau nach allen vier Seiten wallförmig umgicbt, ist an einzelnen Stellen, namentlich gegen Südwesten unterbrochen. Durch diese Einschnitte erblickt man vom Plateau den Meerbusen von Saros, das aegaeischc Meer und die Insel Samothrake. Einige Puncte der Straße sind so günstig gelegen, daß man auch nach Südsüdost cincn freien Durchblick gewinnt. Ich sah unter diesen Umständen nicht bloß die Küste des Chcisoncs, sondern auch eine äußerst ferne Bergspitze, die zum System des asiatischen Ida zu gehören scheint. Auch nach Westen breitete sich bald das Vorland von Enos vor mir aus, das zwar von kleinen Lagunen durchschnitten doch noch eine fruchtbare Ebene am Fuße des Gcbirgs ausmacht. Die Gcbirgsart ist mannigfach. An den Abhängen sieht Kalkstein und Schiefer an. Aber die Hauptmasse besteht aus einem rothen, dichten Fels, der nicht geschichtet ist, häufig sich zu Steinblöcken verstreut und wunderlich geformte Abstürze bildet. Schroffere Formen im Großen zeigt dies Gestein am nordwestlichen Bcrgrande, wo am Paffe zwischen zwei Höhen ein malerisch gelegenes Kloster den überraschendsten Gesichtspunct gewahrt. Uebrigens ist das Plateau einförmig und fast ohne Cultur. Die Vegetation besteht theils aus Gebüsch theils aus Weiden. In den Schluchten wächst südliches Gesträuch, und Acanthus **) zeigte sich in Knospen. *) Nach Copeland's Messung erhebt sich der Tschatal-tep6 13N5' englische Fußc. **) ^canllius mollis 1^., in Gesellschaft von Volute» »ibureZcenZ I>. Thracien. 1 l^ Um 4^ erreichte ich beim Dorfe Amidalllak^) den Fuß dieses Gebirgs. Acht Stunde,, ohne Speise und Trank hatten mich sehr ermüdet, da die Hitze groß war und die frische Lust von Kesün mich verwohnt hatte. Die Schwüle bei heftigem Winde war für Meine Neioen noch ein fremdes Phänomen. Ich sendete den Postillon in das Dorf, um Wein oder Milch zu erhalten: allein es fand sich, daß weder Han noch Cassechaus darin warcn und daß ich auf jcde Erfrischung verzichten müsse. Nach 70' traf ich indessen in Enos ein. Es ist eine grosic Stadt, die mir nicht kleiner als Nodosi«! zu sein schien. Sie ist fast durchaus griechisch und hat nur cine Moschee. Da Dimitri hier Bekanntschaften hatte, so wendele er sich an ein ihm befreundetes Kloster, um Logis für mich zu erhalten. Man hatte jedoch über die Fremdenzimmer desselben schon anderweitig verfügt und so wurde ich in ein Nachbarhaus gewiesen, das einer zum Elend dürftigen Griechin gehorte. *) Auf drr Cotta'schen Charte rcichm dir Lagunen bis an dies Dorf, was ganz fehlerhaft ist. Vergl. mcmm Plan (Taf. II.). Sechstes Gaftitel. Aufenthalt in Enos. Haftn von Gnos. Seeräuberei. Vorbereitungen zur Uebcrfahrt n^ich dem Athos. Beschreibung der Stadt. Vegetation an dcn Lagunen. Hinblick auf Samothrake und auf die umliegende Küste. Die Klostcrberge und deren Vegetationsverhältnisse. Der Hafen von Enos ist zwar nach Art dcr Lagunen durch einen schmalen Landstreifen geschützt, allein cr ist so seicht, daß die größern Schiffe außerhalb der Erdzunge vor Anker gehen müssen. Dazu kommt noch ein größerer Nachtheil, den die Gestalt der Küste mit sich bringt. Die Schisse können nur bei nördlichem oder östlichem Winde auslaufen und der regelmäßige Wechsel von Land- und See-Wind scheint hier häufig unterbrochen zu werden. Diese Verhältnisse, welche durch die zunehmende Verschlammung der Maritzamündung von Jahr zu Jahr ungünstiger werden, sind ein unüberwindliches Hinderniß für das Emporblühen von Enos, obgleich die geographische Lage dieser Stadt als dem natürlichen Emporium für Bulgarien weit größere Vortheile darbietet, als Gallipoli oder Rodost<» besitzen. In der Tliat beschrankt sich der Handel, der die Griechen von Enos ernährt, größtentheils auf Küstcnschifffahrt, die auf dem ruhigen Meere in offnen Balken betrieben wird. Diese kleinen Segel- Enos. !<5 boote find gewöhnlich Eigenthum der ScbWleutc und werden Von den Kaufleuten je nach ihrem Bedarf gemiethet. Anhaltende West- oder Süd-Winde haben daher zur Folge, daß die meisten Barken, die an diesen Küsten fahren, sich all-mählig im H,ifcn von Enos versammeln, und daß, wenn der Wind sich nicht ändert, die Schiffer nach und nach ihre Baar-schaft verzehren und in Noth gerathen. Solche Umstände bewirken bei dem gemeinen Griechen nicht selten den raschen Entschluß, sich der Seeräuberei zu ergeben. Es genügt, daß ein verwegener und in Gefahren gereifter Mann die Leidenschaft zu entflammen wciß, um eine Anzahl von Matrosen zu versammeln, die bereit sind, für Gewinn und ungebundenes Leben Alles auf's Spiel zu setzen. Ich unterhielt mich über diese Verhältnisse mit einem gebildeten Griechen, der ehemals Kaufmann in Enos gewesen war, und verwunderte mich, wie geringe Schuld er einer Lebensart beimaß, welche stets mit den abscheulichsten Grausamkeiten verbunden ist. Er rühmte die Sittlichkeit, die jetzt bei seinen Landsleuten herrsche, und meinte, daß kein Volk als das griechische sich so gesetzmäßig betragen würde, da der Verdienst in den letzten Monaten schlecht gcwesrn sei und viele Schisscr ohne Brod in Enos da lägen. Er sagte, die Versuchung sei groß, und, wenn junge Männer in Gefahren Gewinn oder nur Unterhalt suchten, dünke ihm das einigermaßen verzeihlich. Indessen war dieses Lob des griechischen Characters nicht einmal bcgrlmdet, da cben damals noch eine der kühnsten Banden von Piraten mit mehren Schiffen ihr Unwesen auf dem Meere zwischen Volo und Enos tticb, bereits zwei Jahre lang unangcfochim gehaust und sogar eine förmliche Niederlassung auf einer der unbewohnten Teufelsinseln gegründet hatte, wo sie im Laufe dieses Sommers von der griechischen Marine überfallen und größtcntheics aufgehoben wurde. Es war jedoch augenscheinlich, daß, während die Eigenthümer der Barken das hohe Meer sorgsam vermieden, die griechischen Kaufleute entweder aus Furcht oder aus Nationaleitelkeit diese Gefahren verleugneten und die verübten Gräuel in Abrede stellten. Als ich dem Proestos der Griechen von Enos meine Aufwartung machte, befragte ich ilm, I. 10 116 Sechstes Capitel. ob ich auf der Fahrt von Enos nach dem Achos nichts von Seeräubern zu befürchten hätte, und er versickerte, alle Erzählungen, dic man davon höre, seien durch das Gerücht entstellt und übertrieben, er werde von allen Vorfällen in Kenntniß gesetzt, und könne bezeugen, daß einen Fall auf der Höhe von 35olo abgerechnet feit langer Zeit sich nichts der Art ereignet habe. Allein mein Schiffer wagte späterhin nicht in gerader Linie von Enos nach dem Athos zu steuern und wich, so oft er eines Segels ansichtig wurde, nach der thracischcn Küste aus. Als ich in Enos eintraf, war durch den Westwind, der fast vierzehn Tage ohne Unterbrechung geweht hatte und sich erst jetzt i>, Nordwest umsetzte, eine Anzahl von einigen zwanzig Barken versammelt. Ich erfuhr sogleich, daß zwei Mönche vom Athos schon eine Woche lang auf günstigen Wind warteten, um nach Hause zu fahren. Sie hatten Plätze in einem der kleinsten Boote gemiethet und ich überredete den Schiffer, mich in dieser Gesellschaft für 1W Piaster mitzunehmen. Unsere Uebereinkunft erregte jedoch großes Mißbehagen unter den übrigen Seeleuten. Sie meinten, ich wäre der Mann, durch den einer von ihnen eine größere Summe verdienen müsse. Ich könne leicht gezwungen werden, eine große Barte für mich allein zu nehmen, wofür der zehnfache Preis gefordert ward. Wiewohl ich aus Vorsicht nach abgeschlossenem Handel einen Theil meines Gepäcks hatte in's Schiff tragen laffen, so siegte doch der Gemeinsinn, und mcin Schiffer erklärte unttr nichtigen Vo/wänden, daß er mich im Stiche lasscn müsse. Ich sprach den türkischen Voivodcn um Schutz an und erreichte dadurch meine Absicht zum großen Mißvergnügen der Griechen. Man unterließ sogar nicht mich durch Drohungen zu schrecken m,o gab nicht undeutlich zu verstehen, daß unter der Menge von entschlossenen Seeleuten, die sich jetzt in Enos befanden, leicht Einige sein möchten, die meine Fahrt nach dem Athos zu cmer reichlichen Entschädigung für ausgestandene Mühsal zu benutzen verständen. Ich wußte sehr gut, daß dergleichen in einer großen Barke wie in einer kleinen mir begegnen könne und achtete daher auf ihre Vorstellungen nicht. Um so verdrießlicher abcr war es, daß der Wind cine schleunige Ab« Enos. tl? reise vereitelte. Ich wurde dadurch genöthigt, vier Tage ii, Enos zu bleibe«, und da sich des Morgens einige Male Nord? ostwind einstellte, der jedoch nach kurzer Weile wieder zurücksprang, so erlaubte mein Schisser nicht, daß ich mich langer als ein bis zwei Stunden aus der Stadt entfernte. Ich konnte mich daher nur in den nächsten Umgebungen umsehen und erst d n letzten Tag, als die Aussichten noch ungünstiger waren, wie bisher, und ich mich fast entschlossen halte, zu Lande über Fcred wciterzureiscn, verwendete iä, zu einer interessanten Wanderung durch einen Theil des Tschatal-tcpc. In der Nacht, die darauf folgte, setzte sich jedoch der Wind um und wir konnten am an« dem Morgen abreisen. Enos war von allen Städten, die ich bis dahin in der Türkei gesehen, die reinlichste und am besten gebaute. Die Hauser sind ansehnlicher und häusig mit Giebeln oder Erkern versehen. Nirgends stößt man, wie in Consiantinopel, auf die Trümmcr-siälten niedergebrannter Häuser, deren Neste dort nicht selten Iabie lang liegen bleiben, ehe man an den Wiederaufbau denkt. Auch in Enos sah ich die Spuren einer Feuersbr« nst, aber, die nem'n Häuser waren schon wieder aufgencr/< Hie Stadt liegt auf einer Landzunge zwischen dem Hafen und einer der Lagune:!. Sie ist daher auf einen sehr engen Raum zusammengedrängt, aber dennoch besitzen die meisten Häuser einen Obstgarten, worin die edelsten Südfrüchte gedeihen. So erscheint in mehren der engen Gassen neben den dunkel gesalbten Wohnungen der Naja's eine freundliche, bunte Verzierung, wenn über die Gartenmauern blühende Granatäpfel und Feigenbäume hervorragen oder das silberfarbige Laub des wilden Oelbaums sich an schlanken Zweigen über die Straße ausbreitet. Uebrigens hat Enos ein finsteres und menschenleeres Ansehen, woraus man nicht auf den Verfall des Orts, ftndern auf die Lebensart seiner Bewohner schließen kann. Auch der Bazar ist keineswegs reichlich ausgestattet, und Fleisch ist nur des Morgens früh zu kaufen. Aber wie es von einer Stadt, die nur durch den Transitohandel lebt, erwarbt werden kann, so concentrirt sich alles Leben am Hafen. Ein weiter Quai erstreckt sich vom Eingang bis zum Ende des Orts. 10 * 118 Sechstes Capitel. Hier drängen sich Matrosen und Handelsleute, hier sieht man gefüllte Caffeebudcn, Kornspeicher und Magazine, und indem sich alle Zeichen eines lebhaften Verkehrs auf einem Puncte vereinigen, so tauscht man sich leicht über die Größe und Bedeutung dcr Stadt. Es setzte mich in Erstaunen, als der Proestos mir erklärte, daß Enos nur 6U0U *) Einwohner zähle, von denen ^ Griechen sind und manche sich des Nufs begüterter Kaufleute erfreuen. Die türkische Bevölkerung ist sehr gering und nur das Castell, welches an der Südseite dcr Stadt auf einer Anhöhe liegt und von den Voivodcn bewohnt wird, bezeugt die Gegenwart des herrschenden Volks. Es ist nach Art des Serails in Constantinopel von hohen Mauern umgeben und könnte zur Vertheidigung von Stadt und Hafen dienen. Ich besuchte zuerst die schmalen Laguncnzungen, die bei Höhcrm Wellenschläge von den Fluthen überströmt sich als schmale Landstreifen in das Meer hinausschieben. Aehnliche Küstengebilde, deren Widerstand gegen die Stürme man schwer begreift, sollen bei Venedig eine Mannigfaltigkeit von Gewächsen hervorbringen, aber hicr fand ich sie sumpsig, unfruchtbar und nur von wenigen geselligen Pflanzen **) bewachsen. Eine dieser Erdzungcn ist eine unmittelbare Fortsetzung dcr Hascnstraße und dehnt sich an ihrem äußersten Ende zu einer sandigen Fläche aus. Dort sind einige offene Baraken errichtet, die Quarantaineanstalt von Enos. Es lagen damals nur wenige große Schiffe vor dcm Hafen. Aber gerade als ich mich dort befand, langte ein Kaliffahrcr aus Ale-randrien an. Er brachte die Nachricht, daß dort die Pest aus-gebrochen sei, und wurde demzufolge zur Quarantine verurlheilt. Wahrscheinlich war es das erste Mal, daß diese Maßregel hier in Ausführung gebracht wurde, aliein da die Anstalten keineswegs einen wirksamen Erfolg versprachen, so mußte man besorgen, daß *) Hiermit stimmen auch die Nachrichten von Webber Smith (a. a, O,) überein, der 1300 griechisch?, 150 türkische und 5« von Zigeunern bewohnte Häuser rechnet. **) ä- S3- Carex divisa Huds. Hordenm maritimum With. Coch* learia Armoracia L. Spcrgularia marina Pers. Enos. !w die Hoffnung, der sich Viele bei dieser Neuerung überließen, in einer wirklichen Gefahr nicht würde gerechtfertigt werden. Die Araber machten es sich in den Barakcn möglichst bequem, Lc-bensmittcl wurden ihnen mit der üblichen Vorsicht dargereicht, doch nur eine einzige Schildwache untersagte den Ncrkchr zu Waffer und zu Lande. Da jedoch die Kahne im Hafen bcständig dicht vorüberfuhren, so war leicht vorauszusehen, daß bei eintretender Nacht jeder aegyptische Matrose nach Belieben die Stadt würde besuchen könnm. Nach dem Lande zu fand ich die Küstcnebene von Enos in reichlicher Cultur, sowohl an Korn und Gemüse, als an sorgfältig abgewäffcrtc. Viehweiden. Die Spahicrgange an den Lagunen gewahrten mehre anzicbende Prospecte. Statt der Platanen, deren breite Krone so oft ein gefalliges Laubdach verbreitet, ist es hier die griechische Paftpel*), die in gewaltigen Stämmen am Ufer der Lagune die ansehnlichste Naumgruppe bildet. An Höhe steht sie ihrer lombardischen Schwester nicht nach, aber im Wuchs und Laube gleicht sie der deutschen. In der Nabe wachsen Baume von sehr eigenthümlichem Ansehen. Ihre Krone zeigt eine bläuliche Silberfarbe, jedoch matter und glanzloser, als beim wilden Oelbaum. Die nadclfövmigen Blatter sind den jungen Trieben der Cypresse nicht unähnlich, allein die Zweige bleiben einfach, breiten sich nach allen Seiten wie straffe Ruthen aus und sind mit unzähligen Blumenrispen beladen, deren winzige fleischfarbige Blüthen erst bei näherer Betrachtung erkannt werden mögen. Es ist eine Art der Tamariske**), allein ihr starker 20' hoher Stamm trennt sie weit von dem gewöhnlichen Gebüsch dieser Gattung, das sich vom Boden aus verzweigt, oder doch nur selten unter günstigen Umständen einen kurzen Stamm abzusondern vermag. Uebrigms bot die flache Umhegend von Enos dem Botaniker Wenig Interesse dar. Eiue Mc.ige von Unkräutern bedeckte die *) Populus gianta Ait. **) Tamaiix parviilora DC. (T. articulate W. nee Vahl. Thuja "Fhylla L). l50 Sechstes Capitel. Felder, es ist indessen bekannt, wie wenig in einer solHen Vegetation die europäischen Länder sich unterscheiden, und wie bestimmte Pflanzen überall, hat einmal die Cultur die ursprünglichen Gewächse vertilgt, die Saaten des Landmanns zu begleiten pflegen. So finden sich denn auch hier in einem Verzeichnisse, welches 2H ^) z^ am häufigsten auf den Aeckern von EnoZ wuchernden Arten aufzahlt, 18 auch über die norddeutschen Brachfelder und Raine verbreitet und die übrigen sind wiederum in Italien anzutreffen. Ihre Samen gelangen mit dem Saatkorn aus einer Gegend in die andere und wachsen und vermehren sich, in so weit ihre Lebenösphare dem fremden Clima entspricht. Und so erheischt die Kunde ihrer ursprünglichen Heimath für den einzelnen Fall eine besondere Untersuchung. Wenn man sich früh am Tage an daß Ufer des Meers begiebt und die jenseitigen Küsten von der Morgensonne am gun-stigsten beleuchtet werden, so muß man sich billig über die Durchsichtigkeit der griechischen Atmosphäre verwundern, welche auch die entlegensten Puncte in das Gesichtsfeld treten laßl, so weit rs die Wölbung der Erde nur gestattet. Denn zweimal habe ich von diesem niedrigen Stanopuncte den Berg Athos mit völliger Deutlichkeit rechts von der Insel Samothrake gcschen, und zwar mcht als einen unbemerklichen Punct, den man mit dem Fernrohre suchen müßte, sondern wie eine Pyramide, die glänzend aus den Fluthcn dcrvortaucht und von Jedermann mit unbewass-netem Auge unterschieden wird. Bei günstigem Winde bedarf der Küstenfahrer, der in gerader Linie von Envs nach dem Athos *) Barbarea vnl<*aris Br. Erysimum orientale Er. Sisymbrium Sophia L. Lppidimn Diaba h. Capsella Bmsa pastoris DC. Ero-diuin cicutarinm I' iler. var. glutinosa. Malva sylvestris L. jM. ro-tundifolia L. Fumniia ofTicinalis L. Iiuphoibia helioscopia L. PotoJililla rcpians L. Conium maculatum L. Galium Aparine L. C'arduus crispus L. Asperugo prorumbens L. Plantago major L. PI. Coronopus L. Urtica piluliseia L. — Ranunculus muricatus L. Medicago orbicularis L. M. scutellata L. Torilis nodosa Gürtn. Anlhciriis ahijsima L. JVicotiana rus des Westcaps, welches 3lw von Griechen bewohnte Häuser zählte. Enos. 153 seine Cur durch einen Ueberfall von mehren vermummten Männern unterbrochen, die in einer Schlucht vom Gebirge herabkamen und in denen er seine eignen Schiffer zu erkennen glaubte. Sie begnügten sich nicht, ihn seines Geldes und sonstiger Habe zu betäuben, sondern sie schlugen und mißhandelten ihn dergestalt, daß er für todt liegen blieb. Als er sich erholt hatte, führten ihn Fischer von Samothrake aus Mitleid in sein Kloster nach Enos zurück. Er klagte, daß seine Gesundheit nun völlig von nachfolgender Krankheit geschwächt sei und daß jener Geldverlust ihm seitdem die bitterste Armuth auferlege. So viel ist indessen gewiß, daß seit jenem Vorfall die Insel Samothrake an der ganzen Küste als ein ungastliches Gestade verrufen ist, wohin die Nede des Volks manche Schreckbildcr der Phantasie zu verlegen liebt. Die andere Insel, deren Gebirge nach Enos herüberscheinen, ist Tasfos. Ich werde, da ich sie besucht habe, bald mehr von ihr mitzutheilen im Stande sein. Sie ist über 15 g. Meilen entfernt und bedarf daher, um deutlich zu erscheinen, wie der höheie Athos, der Morgenbeleuchtung. Wenn die Sonne höher heraufstieg und der Seewind sich mäßigte, verschwanden die einsamen Umrisse, einer nach dem andern. Dann veränderte sich auch die dunkelblaue Färbung der beiden noch übrigen Ncrgmafsen von Samothrake und vom Cap Marogna in Thracicn. Sie schienen um viele Meilen hinauZgcnickt, wenn man am Morgen, getauscht durch die genaue Zeichnung der Schluchten und Felswände, ungeübten Auges in einer Stunde hinüberzufahren sich wohl hatte getraue,, mögen. Nach Mittag pflegten leichte Wölkchen um den Gipfel von Samothrake zu schweben, die sich gegen Abend sammelten, zu schwcren, tiefblauen Massen anhäuften und dies Haupt der Gcbirgsinsel verhüllten. Dann tönten zuweilen dumpfe Donncrschläge matt herüber, oder, wenn das Gewitter sich vertheilte, gaben die Wolken zu wundersam geformten und bunt gefärbten Bildern Anlaß, wie den Sonnenblicken des Abends eigen ist. Und so möchte es einem Künstler, der diesen Ort zu seinen Studien erwählte, weder an Schönheit noch an Wechsel dcr Anschauungen fehlen, falls ihn das Meer> die südliche Natur 151 Sechstes Capital. und die Zusammenstellung von entfernten und nähern Bergfor-mm anzuziehen vermöchten. Von der Küste ist bei Enos nur wenig sichtbar, da die Aussicht gegen Süden jenseits der südlichen Lagune durch ein niedriges Vorgebirge beschränkt wird, welches in eine spitze Landzunge ausläuft und als die äußerste Fortsetzung der Saroskette betrachtet werden muß. Wir haben gesehen, wie diese Bergreihe zuerst den südlichen Gebirgssaum des Tekirdagh bildet und weiterhin dieselbe Bedeutung für das Plateau der Küstenbcrge von Enos erhält. Aber auch über diese hinaus setzt sie sich, wiewohl mitunter nur schwach angedeutet, am Südrande der Enosebene gegen Westen und spater gegen Nordwcsten fort. Zuletzt wird sie durch die Lagunen und das Delta der Maritza von den Vorbergen des Despoto-dagh getrennt. Ueber diese ragt die höhere Kette hervor, welche bei Fered anhebt und sich über Makri nach Westen fortsetzt. Das hohe Cap Marogna, eine ihrer Brüstungen gegen das Meer, welche scharf nach Süden der Insel Samothrake gegenüber vorspringt, ist der äußerste Punct der thracischen Küste, der von Enos wahrgenommen werden kann. Die Bergreihe von Fered bis zu diesem Cap ist der Bai von Enos gegenüber weniger als IWl)^ hoch und erhebt sich erst am Vorgebirge Mai rogna zu der doppelten Höhe. Sie läßt indessen ihrer Nähe wegen nirgends die höhern Gebirge des Despoto-dagh herübertrcten, von denen ich einige in Kesän gesehen halle. In Nordnordost jedoch erblickt man mehre Spitzen, welche entfernter liegen und jenen Bergen von Trajanopolis wahrscheinlich angehören. In Nordost endlich, wo das Delta sich weit ausbreitet, fällt der Blick auf den unbegrenzten Horizont drr Marihaebene. Es wurde schon früher erwaynt, daß der östliche Mantzaarm, nachdem er seinen Bogen um das Delta beschrirben, in westlicher Richtung als ein mäßiger, schiffbarer Fluß strömend dickt neben der Stadt in deren Seehafen sich ergießt. Auch die große Deltainfel auZ niedrigem Weideland, welche durch diesen Lauf der Gewässer gebildet einen großen Theil des vermeintlichen Meerbusens von Enos ausfüllt, wurde zur Berichtigung jenes seltsamen und einflußreichen Irrthums, wenn gleich nur aus lücken- En?s. l55 haster AnsHatmng, bei der Erörterung dieses Gegenstandes angeführt. Als ich mm jetzt jcne weite Fläche, die östlich vom Hafen und nördlich vom untern Maritzabett sich ausdehnt, der Stadt gegenüber vom Ufer und später vom Tschatal - tepe überblickte, glaubte ich mir dic Verwechselung von Land und Meer an einer von jeher Handel treibenden Küste kaum anders erklären zu können, als indem ich eine späte Bildung jener Insel zu historischer Zeit mir vorstellte. Und da ihre wagerechte Oberfläche, die nur wenige Fuße aus dem Spiegel des aegaeischen Meers hervorragt, eine vulcanische Hebung derselben anzunehmen nicht gestattet, so blieb übrig nach Thatsachen zu forschen, welche das Problem, als sei ein Meerbusen, der in einer frühern Periode der Küstenaufnahmen und Chartenzeichnungen existirte, der aber jetzt großtentheils verschwunden ist, durch die Ablagerungen aus der schlammreichen Maritza in ein Stromdclta allmählig verwandelt worden, zu beglaubigen oder doch einigermaßen zu unterstützen vermöchten. Die Tradition des Volks ertheilt hierüber kcine Aufschlüsse. Daß der Hafen von Enos sich jährlich mehr und mehr verschlamme, wurde angeführt: aber entscheidende Nachrichten können dort, selbst wenn man das Verständniß der Frage erreichte, kaum erwartet werden. Der Umstand jedoch, daß die Wasserströmung, durch welche die Insel gebildet wird, den Namen Maritza führt und im Sinne der Eingcborncn nichts mit dem Meere gemein hat, deutet darauf hin, daß man seit alten Zeiten gewöhnt ist, einen der Arme jenes Stroms neben der Stadt Enos münden zu sehen. Aus der Oertlichkcit selbst auf jene Verhältnisse zu schließen, kann ich nur eine einzige Beobachtung anführen, die jedoch kaum Mignet ist, cinen wesentlichen Beitrag zur Lösung der Frage zu liefern. Sie ist botanischer Art und betrifft die Verbreitung der Halophyten. Sobald man von den Lagunen her neben dem Ha-fcn vorüber bis an die Mündung der Maritza gelangt ist, sieht wan sogleich jede Spur von denjenigen Litoralpftanzcn verschwinden, die zu ihrer Vegetation einen kochsalzhaltigcn oder durch Mcerwasscr getränkten Boden bedürfen. In den physischen Verhältnissen dcs Bodens und der Lage aber findet sich kein Unter- l56 Sechstes Capitel. schied zwischen dcm Ufer der Lagunen und der Maritza. Daß eben dort sich auch salziges und fasi süßes Wasser begegnen, scheint die Erscheinung völlig zu erklären: allein vielleicht laßt sich doch noch mehr daraus schließen. Daß dic Maritza oberhalb ihrer Mündung Flußwasser führt, welches vermöge ihres geringen Falls nicht völlig unvcrmischt bleibt, verträgt sich wohl mit unserer Hypothese, indem bei einer Deltabildung, wenn der Meeresgrund überall und nicht bloß inselsörmig vor der Strommündung durch den Schlamm des Flusses erhöht wird, das Meer in der That durch strömendes süßes Wasser verdrängt werden kann. Ist jedoch diese Veränderung bei Enos vor nicht langer Zcit eingetreten, und das heutige Maritzaufer früher beständig von Meerwasser bespült worden, so ist kaum zu begreife' , daß Küstenpflanzen, wie 8perAu1uria iiiarlu» 1^., durch jenen physischen Proceß, der seines langsamen Furtgangs wegen kaum cine Catastrophe zu nennen wäre, vollständig von ihrem natürlichen Standorte sollten verdrängt sein. Denn da diese und andere Halophyten nur eine so geringe Menge Kochsalz zu ihrer Ernährung bedürfen, daß man sie in andern Gegenden oft eine Strecke weit in's Land verbreitet sieht und die Bedingung ihres Fortkommens vormaligen Überschwemmungen zuschreiben möchte: so würde entweder ein geringer Nest von Salzen in der ehemaligen Küste des Meerbusens jene Gewächse haben erhalten können, oder selbst der eigne Salzgehalt ihres Gewebes hätte, von Generation zu Generat'ion theils durch den Samen theils durch die verwesenden Neste der Mutterpflanzen am Standorte des Gewächses festgehalten, bei ihrem geselligen Wachsthum, ihrer wuchernden Lebensart lange Zeiträume hindurch sie an ihren ursprünglichen Wohnort zu feft seln vermocht. Wenn aber nun die Spergularie am Ufer der Maritza durchaus vermißt wird, so möchte schon dieser, dcm Anl scheine nach kleinliche Umstand auf die Vermuthung leiten, daß sie dort niemals vorkam, oder, auf unsere Frage angewendet, daß die Maritzainscl der ersten Annahme entgegen nicht durch Ausfüllung eines ehemaligen Meerbusens entstanden sei, sondern daß nur eine breite, vielarmige Strommündung hier allmählig sich verschlammt habe. Inzwischen steht dieser Schlußfolgc der Fall Enos. 137 entgegen, daß wahrend der Deltabildung auch das äußerste Ufer durch neu angelagerte oder fortgerissene ErdscdiHten wesentlich mochte verändert und verschoben sein, und mit diesem Einwände verirrt sich die Anwendung jener pfianzengcographischen Thatsache in ein erfolgloses Spiel mit möglichen Ereignissen. Genauern Aufschluß, den die Untersuchung der organischen Neste in den Schlicklagern dcr Maritzainsel vermuthlich gewahren würde, haben mir die örtlichen Verhaltnisse nicht dargeboten: allein ich hoffe mich nicht zu tauschen, indem ich die Ansicht aus-sprcche, daß diese Frage durch Ueberlieferungen aus dem Alterthume genügend erledigt zu werden scheint, und zwar in dem Sinne, daß seit mehr als 2000 Jahren keine wesentliche Veränderung in jener Gegend vorging, daß der Meerbusen von Enos ein völlig leercs Hirngespinst der Geographen des Mittelalters war, das bis auf unsere Tage hcrabgekommen ist. Neuere Schriftsteller, welche sich mit dcr Geographie des alten Thraciens beschäftigt haben, nehmen an, daß der oft genannte Campus Doriscus, wo die große Armee des zweiten persischen Kriegs gezählt wuide, ein Vorland sei, das von der Westmündung der Maritza bis zum Vorgebirge Makri sich erstrecke. Mit dieser Annahme steht jedoch die Topographie jener Küste im entschiedensten Widersprüche. Der Doriscus war eine große Ebene am Meere'"). Westlich von der Westmündung der Maritza aber treten die Vorberge der Rhodope so nahe an die See, daß von da bis über das Cap Marogna hinaus der schmale, oft durch Klippen unterbrochene Küstensireif nirgends eine Ebene genannt werden kann. Ferner bemerkt Herodot ausdrücklich, daß die Maritza den Doriscus durchströme"), daß also die Ebene auch au der Ostscite ihrer Mündung zu suchen sei. Zwischen Enos und Makri und weiter nach Westen giebt es heutiges Tags an der thracischen Küste keine andere Ebene, als die Insel des Maritzadclta. Ihre Lage, ihre Größe und ihre 153 Sechstes Capitel. ebene Oberflache entsprechen genau der Beschreibung, welche die alten Schriftsteller vom Doriscus entworfen haben. Von Enos, heißt es bei Herodot, umzog Herxes den Hafen ^) Stentoris und gelangte so nach dem Doriscus. Auf dieser Ebene nahm er die Zählung der Truppen vor, wahrend er die Schiffe nicht, wie man dargestellt hat, an demselben Orte, sondern auf einem nebcn dem Doriscus liegenden Küstenstriche an's Land ziehen ließ, der sich bis an das Vorgebirge Scrrium erstreckte und auf dem die Städte Sale und Zone lagen "). In diesen Worten liegt die deutlichste Beschreibung der Gegend, wenn man unter dem Doriscus die Maritzainsel und unter dem benachbarten Küstenstriche die Strecke von der westlichen Mündung bis zum Cap Marogna versteht, welche von jener Insel eben nur durch den westlichen Arm der Maritza getrennt wird. Spater finde ich Gelegenheit zu bemerken, weshalb man unter dem Vorgebirge Serrium das Cap Marogna und nicht das von Makri wahrscheinlich wird verstehen müssen. Aus drm Umstände, daß man bisher, ohne den Text des Herodot wörtlich *") genau zu nehmen, sich den Doriscus bis zum Vorgebirge Serrium ausgedehnt dachte, erklärt sich leicht das Mißverständnis?, welches der natürlichen Beschaffenheit des Landes zuwider diese Ebene an die Westseite der Ma-ritza verlegt hat. Wie auffallend wäre es auch bei so getreuen, der heutigen Küstengestalt so genau entsprechenden Ueberlieferungen, wenn des großen Meerbusens der Charten, der dem Zuge des Heers ein so großes Hinderniß in den Weg gelegt hätte, auf keine Weise sollte gedacht sein! Wie viel natürlicher ist es anzunehmen, daß er >d. Die richtige Lesart ist nämlich ^iv« statt Ven<>8 aufzählt. **) e? ^l3 ^/u^«» — 7-^5 «^«rež/!,' «^l,,?M»' ^oltl^o — ^«^ Vl«?--------' t'c,- ?öv ««'^«^c«' >räv Tl^u^'f/t« ^/u^i> txo,,, «? ^ ^'«>,^ — ?ii?i<)- "H) Der zweimal gebrauchte Ausdruck «,'/,'«^,ni.- fiir zwt!i verschieden?, wenn auch benachbarte, Oertlichkeitcn macht diesen Irrthum noch begreiflicher. Enos. l59 damals ebenso wenig < als heutiges Tages existirte! Ueberhaupt wäre es unbegreiflich, daß auch in spätern Zeiten beständig die große Heerstraße des Orients von Dyrrhachium nach Byzanz iiber die Stadt Enos geführt hat, wenn deren Lage auf unsern Charten auch nur einigermaßen der Wahrheit *) sich näherte. Wer würde über eine Landspitze, die in einen großen Meerbusen hineinragt, den Weg nehmen, wahrend er einige Stunden weiter nach Norden ohne Umweg oder Schwierigkeit des Terrains diesen Golf hätte umgehen können? Aus solchen Gründen, aus so vollkommner Uebereinstimmung von Herodot's Schilderung mit der heutigen Küstengestalt scheint mir mit Sicherheit geschloffen werden zu dürfen, daß die Ma- *) Zu dieser Betrachtung würde auch die Beweisführung erforderlich sein, daß das heutige Enas an der Stelle des alten Aenos liegt. Da dieser Punct mir keinem Zweifel unterworfen zu sein scheint, so fiihre ich der Kürze wegen nur zwei Beweismittel an: einmal den Zug des Xerxes, der vom Meerbusen von Earos in westlicher Richtung Aenos erreichte: »«?i «3 (sc. 5oi! Z^/«i'c,^ xo^Tiut' »««t Fiu-rtt^oli) A'e n^üi,' t0?7b^p Her. I. c., und zwti? tens den Abstand von Rodostus und Aenos, der nach den Itincrarien beiläufig 2N g. Meilen betrug. Da man die Lage der alten Ortschaften auf diesem Wege noch nicht mit den heutigen verglichen hat, so führe ich bei dieser Gelegenheit an, was meine Reiseroute in dieser Hinsicht ergicbt. Apri lag nach seiner Entfernung von Robostü auf dcm Plateau zwischen Amadgik und M5,l, yara und scheint völlig vertilgt zu sein. Der hohe Tumulus, den ich in dortiger Gegend bemerkte, muß in der Nähe jener Stadt gelegen haben. Si-racella oder Sirogellae entspricht nach dem Abstände von Enos ziemlich genau dem heutigen Mälgara, ebenso Zorlanae dem heutigen Keftn. Nach Angaben von Emgebornen findet sich ein Castrum in der Nähe des Absinthos westlich von Enos, das vielleicht der alten Ortschaft Colla angehört. Zur Ver-ßleichung diene folgende Uebersicht, wobei die Millienabstände der alten Iti-nerarien (5: t) und mciue türkischen Stunden (3:2) in geogr. Meilen ver« wandelt sind: Aenos — Colla — 4 M. Gnos — Zorlanac -- ?'^ M. — Kes^n — 8 M. — Siracella --- lU^ ^. — Mittgara — 1«^ M. — Apri ^ 14Vz M. ^ Han — 12'/^ M. — Nedizus -^ 1?l/z M. — Ainadglk --- 16 M. — Negistus — 19^ M. — Rodostä -: 18'/, M. M Sechstes Capitel. ritzainsel kein Product historischer Zeiten sei und daß der ven meintliche Meerbusen von Enos von jeher ein reiches Weideland gebildet habe, welches von Armen der Maritzainftl bewässert und umflossen wird. Erleidet es gleich keinen Zweifel, daß, wie im Delta des Nils und anderer Ströme, so auch hier stetige Veränderungen in der Richtung der Flußarme, in ihrer Anzahl, in der Tiefe ihres Betts, in der Gestalt der Dcltainseln vorgegangen sind, so haben wir dagegen hier keins jener großen Naturphänomene anzunehmen, wodurch dem Meere durch die Thätigkeit eines Stroms ein bedeutendes Gebiet in neuern Zeiten abgewonnen wäre, eine Annahme, zu der man lediglich durch geographische Irrthümer veranlaßt werden könnte. Die nordwestlichsten Höhen des Küstengebirgs von Enos, die den östlichen Horizont begrenzen und deren Lage aus dem angehängten Plane hervorgeht, gaben, als ich sie besuchte, mir zu Verschiedenen Beobachtungen Anlaß, die ich jetzt mitzutheilen beabsichtige. Um des kürzern Ausdrucks willen werde ich jene Berge, welche den nordwestlichen Winkel des Tschatal - tcvc bilden, die Klosterberge nennen, da meine Wanderung mich dort in das Kloster Pandelemona *) führte. Es sind unregelmäßig neben und über einander geordnete Hügel, welche das Plateau des GabelbergZ von der Ebene und Maritza trennen. Man kann sich eine Vorstellung von der Erhebung dieser Hügel machen, wenn man sie terrassenförmig aufgestapelt sich denkt, wobei der Fuß der Terrasse gegen Westen gerichtet die Ebene von Enos berührt. Wenn man von Enos längs der Maritza nach den Klosterbergen geht, so trifft man eine halbe Stunde von der Stadt, bei « zuerst auf anstehendes Gestein. Bis dahin führt ein Fuß« steig, der neben der Windmühle, welche vor dem Orte liegt, links vom Reitwege nach Kcftn abgeht, über Viehweiden, worauf Pferde gehalten wurden. Auf kleinen Raum in großer Anzahl zusammengedrängt, hatten sie Gras und Krauter kahl abgeweidet. Doch schienen auch hier, wic jenseits der Küstenberge, die Gräser *) IJavTfMtiova SC. «';• toy. Enos. 16 l vorzuhcrrschrn ^). Das Ufer der Maritza selbst wird von jcncr Vinscnformation eingefaßt, von welcher Herr Meyen bemerkt, daß sie in vielen Landern die stehenden Gewässer wie mit einem dichten Walde umgiebt **). Von einer ahnlicbcn Grasvegctation, deren Standort, hoher Wuchs und geselliges Vorkommen mit jener übereinstimmt, ist mehrmals auf der Donaufahrt die Nede gewesen, aber dort bestand sie ausschließlich aus Phragmilcs-Nohr, welches hier nur einzeln zwischen Simsen und Cypergrä-sern sich einsindet. Dcmungeachtct können die Uferpstanzcn der Maritza auf südlichen Typus keinen Anspruch machen, und gleichen, wiewohl eine der Simsen auf das Becken des mittelländischen Meers eingeschränkt ist, im äußern Ansehen der Vegetation an nordeuropäischen Teichen oder langsam stromenden Flüssen. Unter den Binsen und Simsen wächst wie dort Wrunnenkresse und Froschlöffel, ja in dem stillen, schlammreichen Flusse schwimmt sogar eine Abart des gemeinen Potamogeton ^*). Die Felsen («), von denen eben schon die Nede war, bilden auf einer kurzen Strecke eine senkrechte Ufcrwand, deren Höhe gegen 50^ beträgt. An ihrer Basis sind sie vom Wasser ausge^ waschen, und man kann aus der Hohe, bis zu welcher diese zerstörende Wirksamkeit der Maritza sichtbar ist, einen sichern Schluß ziehen, wie weit periodische Ucberschwemmungen des Stroms reichen. Denn es ist keinem Zweifel unterworfen, daß jene Auswaschungen in gegenwärtiger oder erst kürzlich verflossener Zeit Statt gefunden haben. Ich glaube mich nicht zu irren, wenn ich annehme, daß die Maritza hoch genug anschwellen kann, um nicht bloß einen Theil ihrer Inseln, sondern auch die Wiesen auf der Fläche zwischen Enos und den Klosterbergen zu über- *1 Jedenfalls hat diese den Ueberschwemmungen der Maritza ausgesetzte Neide nichts mit den Weiden, die ich später beschreiben werbe, gemein. ") Meyen Pftllnzetigeograuhie S. 6?. ***) 83orfyeusd}enb finb Scirjms maritimus L., Juncus botinicus ^Vahlb., ,T. aculus L., J. maritimus Lam.; t;äuff<5 Na-jturlium sylve-ßlre R. Br. unb AÜsma FJantago L.; einjctn Arundo phragmiies L. Häufig im Wasser I'olgino^lm, nülüns var. anguZtilalill. )im gegenüberliegenden Ufer der Maritza ist dieselbe Vegetation wiederzuerkennen. I. II 162 Sechstes Capitel. schwemmen. Die Stadt selbst ist durch etwas höhere Lage ge-schützt und lehnt sich an die Dünen, welche das Castell und die Windmühle tragen. Sobald ich die Felsen, welche rückwärts in das Vorland der Klosterbcrge übergehen und gegen die Ebene sanft geneigt sind, auf dem Fußwege erklimmte, fand ich das übrigens kahle Gestein vun einer der wohlriechendsten Rosen*) geschmückt, deren umhcr-sprossende Zweige, mit einfachen weißen Blumen beladen, einen unförmlichen Fclsblock in zierlichem Wachsthum belebten. Dicse Rose, die ich nie zuvor in so voükommner Ausbildung gesehen hatte, war für mich eine glückliche Vorbedeutung von bedeutender« Ergebnissen, die mir bevorstanden. Mir ist auf meinen botanischen Wanderungen nie ein Ort vorgekommen, der eins der Hauptprobleme in der Pflanzcngeo-graphie, nämlich die Frage nach dem Verhältnisse zwischen Boden und Vegetation, mit solcher Bestimmtheit löste, als die Gegend, die ich jetzt zu betreten im Begriff stand. Ich will meine Ansicht, die ich früher hegte und für welche ich hier wie mir scheint erschöpfende Beweise fand, zuerst dogmatisch hinstellen, um darauf meine speciellen Beobachtungen zu beziehen. Seitdem Herr Unger, um die Abhängigkeit des Vorkommens bestimmter Pflanzcnarten von der gcognosiischen Beschaffenheit ihres Standorts nachzuweisen, eine Landschaft von Tyrol in diesem Sinne mit Vorsicht und Genauigkeit prüfte, war man trotz einzelner Widersprüche aus früherer oder spaterer Zeit allgemein der Ansicht, daß zwar viele Pflanzen sich über die verschiedensten Felsarten verbreiten, gcwiffe Arten aber mchr oder minder odcr ganz absolut an eine bestimmte geognostische Unterlage gebunden sind, und dieser einen eigenthümlichen Vegetationscharacter verleihen. Ich war weit entfernt, diesen Satz für solche Pflanzen in Zweifel zu ziehen, welche unmittelbar auf dem Gestein wurzeln oder zu den sogenannten Felspflanzen gerechnet werden. In den Alpen, wo ein nicht geringer Theil der Flora aus dergleichen Gewachsen besteht, mußte ihle Abhängigkeit von der kalkigen oder ♦) Rosa alba L. schiefcrigen Fclsart am deutlichen erkannt werden können. ?ll-lcin da der größte Theil der Pflanzen von dem festen Gebäude der Erde durch eine pulverige Erdkrume getrennt wird, so schien mir die physische oder chemische Beschaffenheit der lctztcrn für dicse Gewächse dieselbe Nolle zu spielen, wie für jene die Art des Gesteins. Da nun die Natur des Bodens durchaus nicht allein von seiner geognostischen Unterlage abhängt, sondern durch die leichte oder schwere Verwitterung benachbarter Gesteine, durch die Neigung der Erdoberfläche, durch Quellen, Flüsse und atmosphärische Niederschlage, so wie durch die Vegetation einmal vorhandener Genachse gleichfalls bestimmt wird, da auf derselben Formation oft die verschiedensten Bodenarten wechseln, da über zwei benachbarte, fremdartigste Formationen oft dieselbe Erdkrume ausgebreitet erscheint, so bildctc ich die Hypothese aus, daß das Vorkommen der meisten Gewächse nicht von der gcognosiischcn Formation, sondern von der Art des Bodens bedingt werde. Diese Ansicht, weit entfernt die übrigen Einflüsse der Außenwelt auf das Zusammenleben der Pflanzen zu leugnen, stcht nur der rein gcognostisch-pflanzengeographischen Theorie gegenüber und bedarf, erschiene sie auch übrigens in der Natur der Sacke begründet und im Bewußtsein der meisten reisenden Botaniker mehr oder minder klar ausgesprochen, dennoch einer bestimmten Begründung durch solche Beobachtungen, die bei einer entschiedenen Gleichartigkeit der sonstigen Lcbensverhaltnisse den Parallelism mus zwischen Veränderungen des Bodens uud der Vegetation nachweisen. Zn diesem Zwecke schien mir jede Beobachtung von Bedeutung zu sein, welche entweder die Identität des Pflanzen-Wuchses auf zwei verschiedenen und benachbarten Formationen darthun, oder entschiedene Vcgetationsgrcnzen auf derselben Fels: unterläge nachweisen würde und im letztern Falle Gegensätze in der Beschaffenheit der Erdkrume aufzufinden im Stande wäre. Ueberzeugt endlich, daß den negativen Beobachtungen über absolutes Fehlen bestimmter Arten in einem umschlossenen Bezirke we-"igcr Beweiskraft zugeschrieben werden kann, wollte ich mein Augenmerk besonders auf das Vorherrschen und Zurücktreten einzelner Arten, auf den physiognomischen Ausdruck solcher Gegen- 11 * !6l Sechstes Capitel. den richten, so wie es denn scher aus den ausgezeichneten Untersuchungen Unger's hervorgeht, daß die Vegetation der Kalkalpen von dem Schiefergebirge besonders im Vorwalten der Individuen bestimmter Formen sich unterscheidet. Die Klosterberge von Enos bestehen aus zwei geognostischen Formationen, von denen die eine die Hügel bildet, die andere Thäler und Vorland zusammensetzt. Schon eine solche Begrenzung der Fclsarten läßt es voraussetzen, daß jcdcr Hügel einem besondern Hebungsdurchbruche entspreche, daß wir auf vulcani-schem Boden uns befinden. Noch bestimmter geht dies daraus hervor, daß die Hügel aus einem dichten, ungeschichtcten Gestein bestehen und die zweite Formation dessen Conglomcrat ist. Die erstere Gebirgsart ist die nämliche, welche schon oben auf der Reise über das Küstengebirge als seine Hauptmasse bildend dargestellt wurde. Da es von rother Farbe ist und die Lagerungsvcr-hältnisse seine vulcanische Entstehung darthun, so scheint es zu gewissen Thonporphyren zu gehören, denen die Crystallausson-derung nicht selten in großen Felspartieen fchlt. Es ist indessen wahrscheinlich, daß noch andere vulcanische Gebirgsarten entweder in der Nachbarschaft anst.hcn, oder doch lxi der Hebung thätig gewesen sind. Dies schließe ich aus der Zusammensetzung des Conglomerats. Das Eingeschlossene desselben sind unregelmäßige Stücke nicht selten von beträchtlicher Größe, von denen zwar ein Theil jenem Porphyr entspricht, ein anderer aber Trachyt ist und ein dritter Bestandtheil einem Grauwacke-artigen Gesteine angehört. Das Bindemittel dieser Felsarten ist eine zerreibliche, hcll-rothe und in's Grauliche stechende Masse, die sandiger Natur ist und der Verwitterung nur in sehr geringem Grade widerstehen kann. Ich bemerkte darin keine Spur von angeschmolzenen Kic-seltheilen. Eo zerfällt das Konglomerat denn üicht in eincn kics-reichen Sandboden, dessen Kies aus den weniger zersetzbaren, früher eingeschlossen gewesenen Gcbirgsarten besteht. Dies Conglomerat erstreckt sich nach dem Plane von « —/, setzt sich durch das Thal zwischen 6 und e fort, reicht von da bis an den Fuß von 0-, kehrt noch einmal zwischen ö und « wieder und kann von da bis zum Kloster von Pandelmwna verfolgt Enos. !65 werden. Innerhalb der Klosterberge steht es an vielen Orten an, dagegen bildet es im Verlande außer bei « und / *) ^mg anstehende Felsen, daher es noch bezweifelt werden könnte, ob es dasselbe wirklich durchaus zusammensetze. Aus dem Porphyr be« stehen die Hügel s, e, 5, ^ und «, d. h. alle diejenigen, welche ich untersucht habe. Die Bodenarten, welche hier vorkommen, sind theils mannigfaltiger als die geognostische Zusammensetzung, ohne daß die Formationen örtliche Abänderungen in der Mengung ihrer Be, standthcile zeigten, theils fallen die Grenzen, an denen die Bodenarten sich berühren, nicht mit den Grenzen von Konglomerat und Porphyr zusammen. Der Porphyr trägt zwar überall einen humusreichen, dichten, feinpulverigen Thonboden, aber dieser bedeckt auch, wie aus der Bewässerung leicht erklärlich, alle Thaler zwischen den Porphyrhügeln, wiewohl diese aus Conglomerat bestehen. Er breitet sich auch am westlichen AbHange des Hügels bis 7 oder bis über den Rand des Vorlandes aus. Zwischen ? und /3 scheint er sich mit dem Erzeugniß des Conglomerats vermischt zu haben, und so entsteht hier ein kiesreichcr Lehmboden. Bei ^ selbst schlangelt sich ein Bach nach dcr Maritza. Dessen Wasser hat den Kies der Umgebungen fortgespült, und so wird hier unter dem Einfluß von Leguminosenvegetation und Vitcx-gesträuch **) am Bache aus dem kiesreichen Lehmboden ein hu-moser. Endlich bei « selbst tritt dcr humusarme, kiesreiche Sandboden des Conglomerats in seiner Reinheit auf. Um diese Darstellung von jedem Schein des Hypothetischen, der die Erklärung der Entstchungsart jener Bodenarten trifft, zu befreien, stelle ich die Thatsachen noch auf folgende Weise zusammen : 1. Das Vorland besteht aus sandigem Kiesboden (bei «), humosem Lehmboden (bei /3), und aus kiesreichem Lehmboden (bei 7). *) Am letztern Orte kann die Begrenzung des Phorphyrö und Eonglo« weratö wahrgenommen werden. **) Vitex NZNU5 c»stu8 1^. l66 Sechstes Capitel. 2. Die Klosterberge bestehen überall, wo das Gestein nicht zu Tage steht, aus humosem Thonbuden. Die Ausführung dieses Details sollte den Satz vorbereiten, daß mit diesen scharfen Grenzen der Bodenarten auch scharfe Vc-getationsgrenzen, durch Vorherrschen oder Zurücktreten gewisser Familien und Arten ausgedrückt, zusammenfallen, solche Gegensätze aber den Gestcingrenzcn fehlen. Meine Beobachtungen, wel» che den Beweis dieses Satzes enthalten, haben den Vorzug, daß sie sich nur auf krautartige Gewächse beziehen. Das Vorland, dcr Hügel s, eine Strecke im Thale zwischen ^ ö und ,^ besteht, in so weit es zur Lösung jener Frage benutzt wird, aus Weide' laüd. Die Cultur hat nichts dafür gethan. Das Licht kann gleichförmig einwirken. Die Höhe des Vorlandes ist übereinstimmend und entspricht den Thälern innerhalb der Hügel, In der Bewässerung hat kein Ort vor dem andern mehr voraus, als die Natur des Nodcns mit sich bringt. So sind alle Umstände, die auf die Vegetation wirken, mit der einzigen Ausnahme des unmittelbaren Substrats, so gleichartig, daß die Vegetationsunter-schiede ausschließlich auf das letztere bezogen werden müssen. 1. Der sandige Kiesboden trägt den Stempel der Unfruchtbarkeit. Denn jedes Individuum steht für sich. Graser herrschen vor, nur einige Leguminose« und Disteln treten zwischen ihnen auf. Von der Grasvegetauon des humoscn Thonbodcns unterscheiden sich die hier vorkommenden Gräser sowohl durch dünnes Wachsthum, dem die Kiesstücke hinderlich sind, als durch größere Uebereinstimmung der Formen und durchgreifende Verschiedenheit der Arten *). Sie sind von dem zweiten Gebiete des Vorlands scharf abgeschlossen. 2. So wie der Boden die Kiesstücke verliert, zugleich schwarz r wird und an Thongehalt zunimmt s/3), hören jene Gräser auf. An ihre Stelle tritt ein;,' dichte Decke von Leguminose«, *) Die Gräser des sandigen Kiesbodens sind: ^rnicum viNosum IVlv. Heßi!u,i8 ov»l» L. und M^icu minuta 1^ Häusig fand ich C»lium ., ^lohosum ^- ün& Slipa tortilis Derf. |?eiftveut rcarfjft Trisolium angiislisolium L **) Camelus bactrianus L. l68 Sechstes Capitel. gcl sie in dcr Regel zu entstellen pflegt, ihre verschiedenartigen Stellungen, ihr menschenfreundliches Naturell, welches erlaubt ihnen nahe zu treten, sie zu streicheln, in die stiergroßen und doch klugen Augen zu blicken: alles dies gewährte einen Eindruck, dcn ich Thicrmalern gewünscht hätte. Die ganze Heerde bildete einen Halbkreis. Im Mittelpuncte standen die meisten Cameele aufrecht und bewegten sich langsam hin und wieder. Nur den Kopf senkten sie, um zu grasen, an die Erde. Auf den Seiten befanden sich größtenthcils die Thiere, welche ihr Mahl schon beendet hatten. Einige kniceten auf den Vordcrfüßen und sahen in dieser Stellung aus der Ferne beinahe wie Känguru's aus; andere lagen ganz ausgestreckt am Boden. Unbeweglich ruhten sie aus; nur die Kinnladen blieben in steter Thätigkeit: übrigens jedes Glied still, wie im Schlaf. Einem Jeden, dem nur ctwas Emn für Naturgeschichte gegeben ist, müßte solch ein Anblick genügen, um trotz der unähnlichen Gestalt die natürliche Verwandtschaft des Camcels mit dem Rinde aussprechen zu können. Also das Futter, das diese Thiere sich gewählt hatten, bestand nicht aus Gräsern, sondern aus Kräutern. Wiewohl unter diesen die Santolina am meisten in die Augen siel, so theilte sie doch ihr Recht auf den Besitz des Bodens noch mit drei andern Krautarten*), von denen jedoch nur die Chamille, welche uns von Kcftw schon bekannt ist, mit ihr an Größe wetteifert Die beiden andern liegen winzig am Boden, und eine derselben, ein Klee, ist dem Kies- und Lehmboden gemeinsam. Aus diesen vier Pflanzen besteht die Vegetation der Cameelweide. 4. Endlich die vierte und ausgebreitctste Bodenart, der hu-mose Thonbodcn, der aus der Zersetzung des Porphyrs entstanden ist, zeigt zunächst die Eigenthümlichkeit, daß er nicht wie die bisher betrachteten in scharfer Begrenzung abgeschlossen ist, sondern daß der kiesreiche Lehmboden am Fuße des Hügels s all-mahlig in ihn übcrgcht, indem die Kiessteine seltener werden und *) Die Pflanzendes kiesreichcn Lehmbodens sind: I^onneti» tenui» lob» Dlü? (3an2 8il)lli). ^V„ll,eml5 5^. ^»»lolium ln» Enos. !«9 der Sand sich mehr und mehr aus der Erdkrume verliert. Auch dieser Umstand spiegelt sich sehr charakteristisch in der Vegetation. Zuerst findet sich unter jenen Krautern ein geselliges Gras^) ein; cs wird immer häufiger; die Krauter vereinzeln sich; andere Grasarten treten auf. Wo der humose Thonboden sich rein entwickelt hat, bedeckt ihn eine dichte Grasvcgetation, von der fast jede blatttragende Pflanze ausgeschlossen bleibt. Namentlich verschwindet die Santolina mit den letzten Kiessiückcn, um welche ihre rasenartigen Zweige sich so gern verschlingen und zwischen denen die schwache Wurzel, die doch den hohen Stengel zu tragen bestimmt ist, sich so leicht befestigen kann. Wenn nun aber zahlreiche Grasformen den Naum völlig einnehmen, so würde man doch den Ort nicht wohl eine Wiese nennen können. Es entwickelt sich hier vielmehr vollständig der wesentliche Gegensatz, den man bei einer Vergleichung der süd- und nordcuropäischcn Grasarten überhaupt in beschrankterem Sinne aussprechen kann. Die Gramineen, welche die Flora des mittelländischen Beckens vor dem nördlichen Europa voraus hat, haben größtentheils eine zarte Zaserwurzel und dauern daher nicht länger als ein Jahr aus **). Die Grasvegetation der Klosterberge besteht durchaus nur aus jahrigen Arten """). Damit hangt nun natürlich zusammen, daß der Schmuck dichten Rasens ganz fehlt und daß man nur Halm an Halm, Nispe an Rispe gedrängt sieht. Man *) 8lipa tarlilis Desk. ") In der Flora des mittelländischen Beckens sind 85 Gramineen allgemein verbreitet, welche diesseits der Alpen nicht vorkommen. Von diesen sind 53 monocarpisch, nur 32 perenniren. — Diesseits der Alpen wachsen in Deutschland t?I Gräser, unter diesen 49 monomrpiscde und 122 pcrenni, rende. — Diese Angaben, welche den Beweis des oben aufgestellten Satzes enthalten, gründen sich auf Zahlungen in den beiden synoptischen Werken von Kunth und Koch. Bei der erstcrn sind die auf einen Thnl von Süd-Eu» ropa beschränkten Gräser unberücksichtigt gelassen. l'». Mlll!,nen«i5 1^ l'u» nnnu» I.. und 8lipH idilllis vest', sind die Bestandtheile der Gras, "Mtation des humose» Thonbodcns. 17ft ' Sechstes Capitel. kann sich davon eine Vorstellung machen, wenn man bei uns auf verwahrlosten Aeckern dichte Haufen von Windhalm betrachtet-Ein bedeutender Unterschied besteht jedoch darin, daß in jener dem südlichen Europa eigenthümlichen Gräscrformation mehre Arten mit einander vermischt wachsen. Dies ist der Typus der Grasflache, welche einen Theil der Klosterbcrge bedeckt. Ihre Arten sind daher größtentheils der Flora diesseits der Alpen fremd. Uebrigens läßt sich nicht wohl ermitteln, welche unter ihnen das Hauptmaterial der Formation liefern. Vielmehr sind hierin an verschiedenen Standpunkten Abweichungen ohne bestimmte Regel zu erkennen. Die Stipa war am häusigsten am Fuße des Hügels 6, auf dessen Hohe Aegilops. Ein Punct wäre jedoch noch ausdrücklich hervorzuheben, daß nämlich, wie dort der humose Thonboden über die Gesteingrcnze des Porphyrs und Conglome-rats hinübergreift, diesem entsprechend auch die Grasvegetation noch auf dem Conglomerate beginnt. Man kann gegen die Darstellung, welche ich mit dieser Bemerkung beschließe, einwenden, daß man niemals an dem bestimmten Einflüsse des Bodens auf die spontane Vegetation gezweifelt habe. Aber selten wird man Gelegenheit haben, diesen Einfluß durch so frappante Gegensätze nachweisen zu können. Die Regel ist, baß heterogene Bodenarten nicht schroff neben einander bestehen, sondern auf weiten Strecken allmahlig in einander übergehen: hier sehen wir deren drei, die ohne Vermittelung sich berühren, und zwar auf kleinem Raume. Je größer das Feld solcher Beobachtungen ist, desto unsicherer und schwankender werden die Resultate. Aendert sich das Niveau, greift die Cultur der Aecker oder Waldungen ein, so häufen sich die Einflüsse auf das Pflanzenleben zu sehr, als daß man diese Erscheinungen mit Sicherheit auf eine einzelne Potenz beziehen kann. Cö kam überhaupt hier nur darauf an, für eine Lehre, die durch allgemeinere Erfahrungen gültig geworden und niemals angefochten ist, neue und entscheidende Thatsachen mitzutheilen und zugleich darauf hinzudeuten, baß dieselben Thatsachen für die Frage nach dem unmittelbaren Einflüsse der gcognostischcn Formation auf das Vorkommen dn Pflanzen ein negatives Resultat ergeben. Enos. !71 Einiges bleibt noch übrig, um das Bild von der Flora dcr Klostcrberge zu vervollständigen. Dcr Bach, welcher das Vorland bewässert, giebt Anlaß zu einer besondern Ufervegetation. Erst seit Kurzem auf ein schmales Bett, das auch bald versiegen wird, eingeschränkt, hatte er in seinem Thale sumpfige Gründe und Lachen zurückgelassen, in denen einige dcr gewöhnlichsten, wasser-bedürfcnden Pflanzen, z. V. Vergißmeinnicht und weißer Ranunkel *) Uiitcr Schilf und Binsen sich verbreiteten. Das ganze Thal aber war von dem schon odm erwähnten Gesträuch ") dicht bewachsen, das man in Frankreich Gatilicr, in Griechenland Ly-garia nennt. Von der Krim her über alle Küsten des südlichen Europa verbreitet, ist dieser schone Strauch mir in Rumelien nur dreimal vorgekommen, dann aber gesellig den morastigen Boden oder den Kies der Flüsse üppig bedeckend. Erst im Spätsommer, wenn seine violetten, liellrolhen oder weißen Nlumen-traubcn sich einwickeln, zeigt er sich so zierlich und duftend, daß er wohl dazu einladen mochte, aus seinen biegsamen Schößlingen und weichem Laube zur Zeit der Thcsmophoricn den griechischen Jungfrauen ein keusches *") Lager zu bereiten. Indessen ist der Wohlgcruch nicht auf die Blüthen eingeschränkt: auch die Blatter und Zweige hauchen einen lieblichen Duft aus, der zwischen dem Aroma dcr Melone und der Feige gleichsam in dcr Mitte steht. Wollte man diesen ganz eignen Geruch noch näher bezeichnen und sich der hergebrachten Ausdrücke bedienen, so würde man ihn weder durchaus zu den ambrosischen, noch zu den rein aromatischen Stoffen zählen können, wiewohl er diesen Classen am meisten sich nähert. Er ist höchst angenehm und zart und *) Myosotis palustris With. Ranunculus fluiians Lam. Solatium Dulcamara L. **) Vilex agnus castus L. (Avyai>ia). "*) Won diesem Gebrauche, der »nit der Meinung emcr dem Campher analogen Wirksamkeit des Gewächses in Arrbmdimc, stand, stammt der Name '«7"!>?, dem in der Folge die lateinische Ucberschung plconastisch beigefügt wurde. Dieser Name hat sich nach Sibthorp gleichfalls ultter den Griechen als ll^lli erhalten. l72 Sechstes Capitel. die Angabe von Smith, daß er die Nerven zu betäuben im Stande sei, weiß ich mir nicht zu erklären. Nicht minder anziehend ist die Bildung des Laubes, welche dem Strauche bei den Arabern den dichterischen Namen »Hand der Maria *)« verschasst hat. Fünf zierliche Mattchen sind wie die Finger einer Hand an dem Blattstiele sternförmig ausgebreitet und glänzen auf der untern Flache von einem zarten weißen Flaum. Wegen dieser Anordnung dcr Blätter haben Einige das Gewächs Hanfstrauch genannt, aber es widerspricht ihrem rein gezeichneten, elastischen Gewebe, sie mit den rauhen, gezackten Blattchen des Hanfs zusammenzustellen. Vielmehr gleicht sie im Laube der Lupine, in den Blumensträußen dem Lavendel und im Wüchse der Korbweide, wenn sie, wie diese, ein dichtes, mannshohes Ufergebüsch bildet. Auch hier waren die einzelnen Sträucher so eng zusammengedrängt und verflochten, daß nur ein einziges Kraut, eine Doldenpflanze**), sparsam in ihrem Schatten gedeihen mochte. Als ich am Bache hinaufging, erreichte ich bald seine Quellen, eine sumpfige Grasflache, aus der das Wasser langsam hervorrieselte. Nun begann auch auf dcr Weide hie und da einzel« nes Gestrauch sich zu zeigen, immergrüne Eichen und Paliurus vorherrschend, Asparagus steter Begleiter, Dracunculus und Geranium ***) einzeln hinzugefügt. Auch in den Klosterbergen selbst ist solches Gesträuch häusig anzutreffen. Aber die Arten bleiben nicht immer dieselben 5) und ») Kaf Marjam nach Forskal Flora p. I^XVlll. ") Oenanllw pimpinelloilieI I,. »culiluUus I.. — ^rutn Qr»cunculu3 ^. ^srnnium Iuci6un, ^» f) Außer der Coccuseiche herrscht an einigen Orten ein andtrer Eichenstrauch vor, der im Winter das Laub verliert. Bei dem Versuche, dte nicht hinreichend bekannten Eichenarten Griechenlands auscinanderzusetzen, stößt man auf die große Schwierigkeit, daß die Species ioliis V., die un der albanischen Küste zuerst auftritt und vielleicht nur eine Littoralsorm unserer Eiche sein mag. Der ru-melische Eichenstrauch scheint mir hingegen zu der wenig bekannten 6. Lscu-lu8 1^. zu gehören, von der ich jedoch keine entscheidende Abbildung kenne und die Beschreibungen neuerer Schriftsteller unter einander widersprechend finde. Am nächsten steht sie der gleichfalls vielgestaltigen 0. p)^«?««»-» >V. — Außer diesen Eichen praedominirte in den Klostrrbcrgfn Ost«-)» <-»rui-nisoUa 8cop.; einzeln kamen Oolulea »rboresceng Q und I^-lu» znNci-solia Ii. vor. *) I5rvum I^ens 1^. dicer »sietinum 1^. 1>iti« t^tactfdjer» glora. **) 3. S- Triticum junceum L. Lolium rigidum Gaud. Hoi-deum bulbosum L. Lagurus ovaJus L. Andrachnc telephioides L. Onosma sp. Marula fuscata DC. Asteiiscus maiitimus Cass. Mat-thiola tricuspidata Br. Thracien. U)3 Abhänge, die bald darauf in die senkrechte Wand übergehen, welche die Spitze des Caps ausmacht und deren Höhe ich nach dem Augenmaaße auf 500^ schätzte. Die obere Terrasse, die von dieser durch schmales Tafelland getrennt wird, erhebt sich nach Copland's Messung am Vorgebirge selbst zu 2174' und erreiche damit zugleich die bedeutendste Höhe der thracischen Küste ostwärts vom Golf Lagos. Wenn man diesen hohen Berg so jäh über sich emporsteigen sieht und sich die Ncigungsverhaltm'sse seiner Abhänge einprägt, so blickt man unwittkührlich nach Samothrake hinüber, dcffen Gebirge in seiner äußern Gestaltung eine auffallende Uebereinstimmung wahrnehmen laßt. Gicbt es wirklich eine tiefere Beziehung Zwischen dieser Insel und der Nhodope, so würde man sie gewiß zunächst vom Cap Marogua herleiten und die Felsarten dieser beiden Puncte vergleichen müssen. Uebrigcns zweifle ich nicht, daß Samothrake vor den meisten Inseln des Archipels den längern Besuch eines Naturforschers verdienen und belohnen würde. Das Cip Marogna, klippenreich und von Vorland entblößt wie es ist, bietet einige interessante geognostische Erscheinungen dar. Wiewohl ilh einen Punct, der mir der wichtigste zu sein scheint, genügend zu beobachten nicht Gelegenheit fand, so theile ich nnine Anschauungen doch um so lieber mit, als sie vielleicht Andere auf diese abgelegene Gegend aufmerksam machen können. Die Ostseite der unteren Terrasse besteht aus einem massigen Kalkgcstein von grauer Farbe, dessen Schichtung nur an einzelnen Orten angedeutet ist. Die Felsen der obern Terrasse, die gleichfalls sehr schroff ansteigt und jedesmal sichlbar wurde, wenn wir uns beim Laviren ein wenig vom Ufer entfernten, scheinen aus derselben Gebirgsart gebildet zu sein und setzen sich gleichförmig nach Westen über das Cap hinaus fort. Sobald man die Südspitze umschifft hat, fällt eine sehr ausgezeichnete rothe Porphyr-Wand in's Auge, welche nicht ganz so hoch ist, als die aus Kalkstein gebildete Südspitze selbst, aber ebenso senkrecht aus dem Meere hervorstcigt. Der Kalkstein ist von beiden Seiten dem Porphyr angelagert, seine Schichten lichten sich an dem migc-schichteten Porphyr in die Höhe. Es mag wenig Orte in Eu-l- 13 194 Siebentes Capitel. ropa geben, wo die Beziehung zwischen dcn vulcamschen und geschichteten Formationen so klar aufgeschlossen, in so übersichtlichen und doch nicht minder großartigen Verhältnissen bettachtet werden könnte, als hier. Und als wollte die Natur dem Vor^ überschissenden das Zeugniß ihres Wirkens noch anschaulicher darlegen, so ist gerade an diesem wichtigen Orte die Schichtung des Kalksteins deutlicher entblößt, als anderswo. Die Porphyrfelsen sind auf die untere Terrasse beschrankt und haben auch, wiewohl sie ihrer grellen^) Farbe wegen aus bedeutender Entfernung schon hervortreten, nur eine geringe Ausdehnung der Breite nach. Dann kehrt die Kalkformalion wieder, nun aber, wie gcfagt, an dem Porphyr in entgegengesetzter Richtung hinaufgelagcrt. Jedoch auch diese Grbirgsart ist an der Westseite des Vorgcbirgs weniger entwickelt, zeigt aber in ihrem Bereich eine ungewöhnliche Erscheinung. Es findet sich nämlich darin eine höchst auffallende Einlagerung von schwarzer Farbe, welche gleichsam in mächtigen Gängen den Kalkstein durchsetzt und an den Klippen in breiten Massen zu Tage tritt. Obgleich es mir nicht gelang, dieses schwarze Gestein zu berühren und näher zu betrachten, so konnte ich doch ihr schlackcnartiges Gefüge und ihre Schichtung^ losigkeit wohl erkennen. Das Auftreten dieser pechschwarzen Felsen im hellen Kalkgebirge und ihr glänzendes Ansehen waren ft auffallend, daß einer der Priester sogar seine Aufmerksamkeit darauf richtete und die Bemerkung äußerte, hier scheine cm großes Steinkohlenlager anzustehen, und wenn die Deutschen diesen Ort kennten, würden sie von hieraus alle Dampfschiffe auf dem Archipel mit Feuerung versehen können. Für mich, dem sie nichts mehr als eine vulcanische Gebirgsart zu sein schienen, hatie sie freilich kein solches praktisches Interesse, aber mit Verwunderung überblickte ich ihr Verhältniß zum Kalkgestcln. Denn wiewohl sie große Felsen bildete, die ich mit der benachbarten Porphyrwand hätte vergleichen mögen, so war sie doch stets der Kalkformation so vollständig eingelagert, daß dicse sie rings umher, oben und unten am Mecre wie einen eingelagerten Gang umgab. *) Sie gleichen hierin dem Porphyr von Enos, Thracien. 195 Kalkformation. AU Rother Porphyr. Eingelagertes im ^ Kalkstein. ! ! Konglomerat. Dabei aber schien die Schichtung derselben keineswegs gestört zu sein. Wer in der Folge dieses Vorgebirge besuchen sollte und zu verweilen Gelegenheit hätte, würde die Oertlichkeit nicht verfehlen können. Von dem Hafen bei Marogna wird er am Strande in einer halben Stunde die erste dieser schwarzgefärbten Klippen hart an der Grenze der Kalkformation erreichen. Sein Weg führt ihn alsdann über die vierte Gebirgsart des Caps. Ctwa auf halbem Wege von der Südspitze zum Hafen werden die Felsen der Uferwand niedriger und, indem sie von da sich all-mahlig immer tiefer senken, so bleibt ihnen zuletzt am Hafen selbst nur eine Höhe von 50'. Zugleich büßen sie ihre Festigkeit und Steilheit ein, und, immer noch schroff, werden sie doch hier von Erde bedeckt. Denn an dem Puncte, wo die Senkung des Ufers beginnt, hört das Kalkgestein der unteren Terrasse auf und ew Conglomerat bildet sich nach und nach aus ihm hervor. Dies 'st den Kalkfclscn aufgelagert und bekundet seine spatere Entstehung dadurch, daß es Anfangs noch größere oder kleinere Kalk- 13 * 196 Siebentes Capital. steine, die von der nachbarlichen Formation hcrstammcn, einschließt. Je näher man aber dcm Hafen kommt, desto seltener werden die Kalkstücke als Basis des Conglomerats. Statt ihrer erscheinen alsdann mannigfache Gebirgsarten, untcr denen ich, als die ausgezeichnetsten, Nollstücke von Serpentin und von einer festen Schicferart aufgezeichnet habe. Diese Stücke werden von einem sandigen Bindemittel eingeschlossen, welches sehr leicht zerfällt und zu der Erdbcdeckung der Abhänge Anlaß giebt, während die Steine, die es früher zusammenhielt, nun in rein gewaschenen Haufen am Strande von den Wellen bespült, fortgerissen und von Neuem durch die Verwitterung der Ufcnvand cr? ganzt werden. Man erkennt leicht, wie hoch die Einwirkung des Meers auf diese Vorgänge in Sturmeszeit reichen könne. Denn die Erdwand selbst ist an vielen Orten bis zu 3l^ Höhe von tiefen Höhlungen untergraben, wclche den Einsturz der lockern Massen, die darüber hangen, demnächst zur Folge haben müssen. Diese Höhlen sind von dem feinsten Sande ausgekleidet, indew die Wellen das Bindemittel auf das Zarteste gepulvert und den Thon mit dem Humus fortgeschlämmt haben. In einigen derselben hatte dieser Sand eine äußerst intensive, blutrothe Färbung, die auf einen bedeutenden Eisengehalt dieses Konglomerats schließen läßt. Zum Schlüsse bemerke ich noch, daß das hausige Vorkommen von Serpentin in demselben die Hypothese begünstigt, daß auch die ersterwähnten schwarzen Felsen nichts Anderes sein mögen, als Scrpentinlagcr. In diesem Falle würde sich meine Beobachtung an ähnliche Erfahrungen anschließen, nach denen iw Alpenkalk des Avisiothals gleichfalls gangartige Naume vo» Serpentin ausgefüllt werden. Da der Wind sich nicht änderte, so wurde am spaten Nachmittage im Hafen von Marogna Anker geworfen. Ich nenne diesen Ort nach dem Dorfe, das jedoch vom Meere entfernt im Gebirge liegt. Denn nach der Zerstörung der Stadt Maronea ist dieses Ufer, ein Paar Fischcrhütten abgerechnet, unbewohnt geblieben, so sehr auch ihr Handel durch die Lage begünstigt wcr-den mußte und so selten gute Hafen an der gebirgigen Küste von Thracicn anzutreffen sind. Wegen der Abschüssigkeit des Thracicn. 1!)7 Ufers lag jene Stadt *) zwar unmittelbar am Gcstadc, aber auf *) Ich trage zwar kein Bedcnwi, auf fremde Autorität lind auf die Uebereinstimmung des Ätamens mich stützend, diese Stadt in den gegenwärtig vorhandenen Ruinen zu crkcuncn, allein ich kann nicht umhin, einige Zweifel anzuregen, welche zu lösen ich Kundige» überlasse. i) Ich weiß nicht, ob Man nachweisen könne, daß Maronea unmittelbar am Meere gelegen habe. Statt dessen wirb von Herodot angeführt, daß an der Stadt das Flüßchcn Sthenaö vorbeislicßc. Nun ergicsit sich zwar ein Bach in den Haftn, aber auf der den Ruinen entgegengesetzten Seite. Unmittelbar am Ostende derselben ist die Uscnvaud gleichfalls durch eine grabenförmige Vertiefung bis zum Niveau des Meers cingcschnittcn. Indessen scheint dieser trockne Graben, auch wenn er in anderer Iahrszeit Gebirgswasser aufnehmen mag, künstlich «ngelegt worden zu sein und hat vielleicht zur. Befestigung der Stadt gedient, indem die außerhalb des Hafens gelegene Ostscite der Ruinen dic einzige ist, die, nicht von der Natur geschützt wird. 2) Ferner erwähnt Hcrodot, daß ostlich von Maronea der bedeutende Landsee Isniaris belegen sei. Ich kenne an der ganzen Südküste von Thracien keinen Landsee, wenn ich die durch Inseln verdeckte Nordspiye des Golfs uon Lagos, welche von den Alten See Bistoris genannt wurde, abrechne. Aber ebenso wenig zeigen unsere Charten irgend einen See im Innern des Landes. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß das Innere der Rhodope sehr wenig bekannt ist und daß dort auch leichthin ein See im Lauf der Zeitcn entwässert sein mag: während es keinem Zweifel unterliegt, daß an der Küste selbst, auf dem schmalen Vorlandc zwischen dem Cap Marogna und der Maritzamündung, niemals ein beträchtlicher Landsee bestanden haben kann, da es wohl nirgends breiter als höchstens eine halbe g. Meile ist. 3) Ich bezwciftle kaum, daß das im Alterthume berühmte Vorgebirge Serrium in dem Cap Marogna zu suchen sei, da dies die emzige Landspitze ist, die weit in das Meer vorspringt und namentlich von Enos gesehen bedeutend hervortritt. Das Cap Makri ist niedrig und unbedeutend. Nun wurde es befremden, w?nn man bei Maronca die auffallende Lage hart am Cap Marogna sollte unerwähnt gelassen haben. — Könnte man nachweisen, daß Maronea, wie das heutige Marogna, vom Meer? entfernt gelegen habe, so würde es ein wichtiges Problem bleiben, welcher Stadt die weitläuftigen Ruinen angehören, welche ich betreten habe. Wenn nicht die ganze Geographie der alten Küste Thraciens einer Revision unterworfen werden muß, so wird jene Fra^,e nicht leicht zu beantworten sein. Zu ihrer Lösung kann vielleicht die Bemerkung Cousin«ry's beitragen, daß die Nui-"en, welche er, wie es scheint, ohne zu landen, nur vom Schisse sah (V«>'< b"s la IVIltt-l-linine II. 9. l«3,), heutiges Tages nicht wie mi benachbartes Dorf Marogna, sondern Marulia heißen. 198 Siebentes Capitel. der Höhe einer weitläuftigen und ebenen Platte, welche durch die Uferwand an der Ostseitc des Hafens begrenzt wird. Maronea muß von ziemlicher Bedeutung gewesen sein, da der Umfang ihrer Ruinen noch jetzt eine halbe Stunde betragt. Die ganze Fläche ist durchaus mit altem Gemäuer und verstreuten Ruinen bedeckt, und da, so vicl mir bekannt geworden, noch Niemand ih-nr Untersuchung sich gewidmet hat, so dürfte schon die Ausdehnung der Ruinen den Freund des Alterthums einladen, an die« sem einsamen und vom Bedarf des Menschen unberührt gebliebenen Orte nach verborgenen Inschriften sich umzusehen. Wahrscheinlich erlebte die Stadt Maronea eine späte Zeit. Denn wie sie von byzantinischen Schriftstellern erwähnt wird, so erhebt sich auch aus dem alten Maucrwcrk, das, der Eide gleich gemacht, hie und da schon lange dem Gesträuch und der Trümmcrvcgeta-tion **) Raum giebt, ein einzelner Thurm, welcher der Ucrwü-stung Trotz bot und dessen Bausteine, wie byzantinisches Gemäuer in Consiantinopel, durch Schichten von schmalen Ziegelsteinen reihenweise von einander gctrennt werden. Der Hafen von Marogna bildet eine kleine Bucht, die ehemals einen guten und sichern Ankerplatz dargeboten haben soll. Als er jedoch seiner verdeckten Lage wegen, die gleichwohl von den benachbarten Höhen aus einen wcitcn Horizont zu überblicken gestattet, häusig von Piraten benutzt wurde, befahl die türkische Regierung, in dem Hafen Steine zu versenken und ihn dadurck jedem größern Fahrzeuge unzugänglich zu machen. Seitdem hat Thracicn einen schönen Hafen weniger und die Seeräuber haben andere Zufluchtsorte aufgesucht. Die versenkten Steine aber dienen einer bunten Welt von Actim'en zum Wohnort und unzählige Fucoideen haben sich an ihnen befestigt. Als ich mich vergnügte, mir schwimmend und tauchend eine Kenntniß dieser Formen zu verschaffen, gcricth ich in die Schlingen ihrer durch' wachsencn Zweige, und als ich, mich von ihnen zu befreie«/ *) Z. V. häuslg ll^osc^amuF albus I.., eine an der ganzen thracischcn Küste verbreitete Pflanze, gewöhnlich vereinzelt, hier aber gesellig auf" tretend. Thracicn. 1!)9 meinc Kräfte erschöpft hatte und mit letzter Anstrengung zum Boote zurückschwamm, entfernte sich dieses in dem Augenblicke meiner Ankunft, ohne daß die Schiffer mich bemerkten. Sie glaubten mich a>n Lande und hatten, wie ich nicht ahnen konnte, den Anker aufgcwundcn, um nach der andern Seite des Hafens zum Holzfällen hinüberzurudern. In dem Augenblicke, in welchem ich plötzlich das Schiff sich bewegen sah, fühlte ich meine Muskeln wie gelähmt. Selbst die Stimme zu erheben, versagte der panische Schrecken, aber der Zufall rettete mich, daß meine Füße, alö sie sanken, ebenso unerwartet den festen Boden berührten. Einem der versenkten Felsblöckc verdankte ich meine Sicherheit. Um wo möglich die Lagerstatte des schwarzen Gesteins kennen zu lernen, benutzte ich die letzte Stunde vor Sonnenuntergang, um längs der Küste eine Strecke weit nach Südosten zurückzugehen. Allein eine steile Klippe, zwanzig Minuten vom Hafen entfernt, verhinderte die Ausführung meines Vorhabens. Dann erkletterte ich die Uferwand an einer zugänglichen Stelle; ,indessen verlief die gemessene Zeit und ich eilte über die Ruinen zurück. Ich fand die Flache zwischen diesen und den Felsen des Caps nicht ohne Cultur. Weizen- und Kichererbsen-^) Felder waren von undurchdringlichen Paliurus-Hecken eingehegt, und einige Pferdewciden wurden mir durch ihre seltsame Vegetation ^) merkwürdig. Weiterhin aber breitet sich längs der Uferwand ein völlig undurchdringliches Dickicht von Coccuseichen und Agroe-lea ***) cn^ eine wahrhaft unheimliche Einöde, durch welche ") Dicse bestand nämlich fast cnlöschlicßlich auL /Vexiwpz nvala ^, rud aus einer neuen Xnäulili. — Zugleich bemerke ich, daß daä Ufergerölle hier ^ nicht die reiche Küstensiora uon Makri wiederholt, uicllcicht wegen des loscrn Gefüges und des raschen Wechsels der Erdknnne, der durch die stete Zertrümmerung des Conglomerate bedingt wird. Ich habe h'cr außer einem kleinblumigen Echium nur Iloelenu Lelaceu Ulü, und Me^ic^« ciicinngla 1^. gesammelt. "*) Agroele», ('^/^«^.«l,«) ist der neugriechische Name für die gewöhn« lich strauchförmig bleibende Stanunart dcs Oelbaums, die sich vom cultiuirttn 20« Siebentes Capitel. finstere enge Fußpfade und ticfe Schluchten führen. Das lst die Wohnung dcs Schakals und solches Gestrüpp bedeckt die Ebene bis an den Fuß der obern Terrasse. Wenn sich nun die Plattform, auf welcher die Ruinen liegen, , « 5>Ivl>8,iig ^ut.) fttr eine verschiedene ?lrt gehalten haben, so verdient eo bemerkt zu werden, daß in einer OüvenpflaiMNg auf der Insel Tassos an mehren der cuttivirtcn Stämme Nurzcltricbe vorkamen, welche in die Stammform zurückgeschlagen waren. Ich weiß nicht, ob dies schon häufiger beobachtet ist, aber dem Griechen, der mich begleitete, war die Erscheinung wohl bekannt- Thracicn. 201 lichkcit. So berühmte man sich auch hier dcr verwegenen Züge piratischer Landslcute und feierte im Gedächtniß einen Strauß, der vor Jahren an dem nämlichen Orte mit ciner türkischen Kriegsschaluppe ausgefochten war. Arglos hatten die Seeräuber unter diesen Maulbecrbäumen ihre Abendmahlzeit gehalten, als Plötzlich der Feind erscheint und ihre beiden Schiffe im Besitz hat, ehe sie selbst noch vom Ufer abzustoßen bereit sind. Aber die Türken wollen nicht bloß die Schiffe, sondern auch die Menschen in ihrer Gewalt schcn, und greifen sie daher zu Lande an. Hier nun hatten die Piraten Kenntniß des Orts und Sicherheit im Schießen für sich, schwächten den Feind und brachten zuletzt sämmtliche Schiffe in ihre Gewalt. Nach einer leidenschaftlichen Darstellung dieser Thatsachen wurde weiter erzählt, wie die Türken sich nicht anders, als durch Vernichtung des Hafens hatten helfen mögen, und wie nunmehr diese Gegend ganz sicher geworden sei und die Piraten sich selten über Monte santo hinauswag« ten. Als dies besprochen wurde, siel Einer dcr Fischer, die herbeigekommen waren, dem Redner in's Wort und verbreitete durch die Mittheilung der neuesten Ereignisse in der Gesellschaft nicht geringe Bestürzung. Er begann mit der Plünderung dcr Marine von Panajia auf Tassos, einem ältern Vorfall, dcr den Meisten bekannt war, erzählte aber weiter von einem Capitain, der vor ganz kurzer Zeit auf der Höhe von Cavala, also ganz in der Nahe, ausgeplündert und mißhandelt sei, und versetzte die reisenden Priester in große Betrübniß, indem er behauptete, die Piraten hätten in voriger Woche eine Landung auf Monte santo ausgeführt und eins der heiligen Klöster genommen, beraubt und mehre Priester gttödtct. Seit Jahren habe an diesen Küsten nicht solcher Schrecken geherrscht, als jetzt, zumal da die Piraten, wie einst in Grabusa, so jetzt in Iura-Pula verschanzt lägen. Wenn diese bedenklichen Nachrichten auch nicht sämmtlich gegründet oder doch übertrieben warm, so gehörte ihr Vortrag und dessen Wirkung doch zu den anziehenden Intermezzos dieses Abends, den wir bis tief in die Nacht zu verlangern uns nicht versagten. Der hohe Rasen, in dem wir hingestreckt lagen, die duftenden Kräuter, das dunkle Laub, das die Flammen beleuchteten, 202 Siebentes Capitel. diese selbst, wie sie im Meere gespiegelt in die dunkle Nacht hinaus glänzten, die Klarheit der Gestirne, die milde Nachtluft, die schweigende Natur: wer hat ähnliche Eindrücke erfahren und bewahrte sie nicht gern in seiner Erinnerung auf? Aber nicht bloß für beschauliches Genießen, auch für den Wechsel des Ncizes war gesorgt. Ein steiler Pfad führte hinab an's Meer, den ich mit Mühe, auf die Schulter des Capitains gelehnt, im Dunkeln hinabglitt. Der Kahn nahm uns auf, und, als das stille Meer von den Rudern geschlagen wurde, leuchtete es wunderbar hell und eine glanzende Furche folgte uns nach. Ich schöpfte von dem Wasser eine Flasche, in der die Bewegung des Fingers hellstrahlende Funken hervorzauberte. Wer das Leuchten des Meers noch nicht kennt, dem wäre die Erscheinung in solcher Schönheit und solcher Umgebung zu wünschen. Auf dem Schiffe wurde es bald völlig still. Das Meer war ganz ohne Bewegung. Nur die Sterne und das Fcuer, das oben am Ufer ruhig fortbrannte und die nächste Laubumgebung erleuchtete, schienen durch die finstere Nacht. Ich erinnerte mich einer Scene aus frühern Jahren, als ich Nachts durch ein Alpenthal des Dauphine fuhr, an einem Tage, der vor Sonnenaufgang durch auf den Höhen angezündete Feuer festlich begangen wurde. So wie damals leuchteten die Flammen von der Klippe des Ufers herab. Plötzlich ertönten in dieser Richtung klagliche Stimmen, die sich bald wie zu lautem Angstgcschrei steigerten. Es litt keinen Zweifel, daß diese Töne von unserm Fcnvr herüberkamen. Ich dachte an einen Scherz der Matrosen und fragte, ob Jemand zurückgeblieben sei. Man erwiederte indessen einstimmig, daß es die Thiere des Dickichts seien, die niemals verfehlten, auf der verlassenen Lagerstatte sich einzusinden und ihr Geheul ausstießen, wenn sie statt des Fleisches die glühenden Kohlen erblickten und um die übrig gebliebenen Knochen sich stritten. Ich gedachte der häusig überlieferten Erzählung, daß die Stimmen der nächtlich versammelten Schakale dem Geschrei erschreckter Kinder glichen und, indem ich diese Vergleichung im Allgemeinen zu billigen Anlaß fand, so war ich doch der Meinung, als ich längere Zeit diesem fremdartigen, lauten, gellenden Geräusche mein Thracien. 203 Ohr lieh, man könne den Eindruck näher bestimmen und möge den Wechsel, der darin herrscht, gleichfalls zn bezeichnen im Stande sein. Denkt man sich im Walde eine Anzahl von Menschen versteckt, die sich verabredet haben, einen Wanderer, der ihre Gegenwart nicht ahnet, durch verstellte, bald jauchzende, bald angstvoll klagende Stimmen in der Nähe und Ferne und aus vielfacher Richtung auf ihn eindringend zu necken oder zu erschrecken, und stellt man sich diese Töne in unharmonischen Ac-corden vor, aber stets mit Heftigkeit hervorgestoßen: so würde eine solche Scene die wunderbare Musik nachahmen, die der Schakal erschallen läßt, wenn er des Nachts aus dem Dickicht der Nhodope Nahrung zu suchen hervorkommt und sich in Schaaren zusammenfindet. Die Schisser nannten und beschrieben das Thier, und seine Stimme, die durchaus der menschlichen gleicht, wenn diese ungegliedert in der Leidenschaft aus der Brust hervortritt, schien mir jeden Zweifel zu verbannen, daß sie wirklich dem Schakal angehöre, so wie diese Laute denn an dem menschenleeren Gestade stundenlang ohne Verringerung forttönten, bis das Feuer völlig niedergebrannt war. Denn hätten sich Menschen dort belustigt, so würden sie auch wohl das Feuer unterhalten und mit uns eine Verbindung angeknüpft haben. Indessen unterlag die. Verbreitung des Schakals in Europa so lange Zeit dauernden Zweifeln und Ungewißheiten, daß ich mir gern ein unbedingtes Zeugniß für ihre Anwesenheit verschafft hätte. Ich bot den Schiffern eine Summe, wenn sie mir eins der Thiere erlegen wollten. Allein sie versicherten, der Schakal sei so scheu, daß man sich nicht unbemerkt nähern könne, und indem sie vorgaben, ungesäumt abfahren zu wollen, waren sie nicht einmal zu bewegen, mich selbst an's Land zu setzen, wobei sie zugleich bemerkten, wie thöricht es sei, einem ganz vergeblichen Versuche Zeit und Mühe zu opfern. 1. Iunius. In der That segelten wir noch in der Nacht mit halbem Winde ab. Da dieser sich jedoch noch vor Mittag legte und die schwachen Luftzüge, welche von Zeit zu Zeit aus verschiedenen Richtungen wehten, die Segel zu füllen nur selten vermochten, so trieben wir kaum auf dem Meere fort und gc- 204 Siebentes Capitel. langten gegen Abend nur bis zur Höhe von Balustra-Burun, dem Vorgebirge auf der Westseite des Golfs von Lagos, auf dessen Spitze ein Leuchtthurm steht. Das Feuer desselben wurde jedoch, als wir vorüberfuhren und ihm gegenüber einen Theil der Nacht verbrachten, keineswegs unterhalten, mochte nun die Nachlässigkeit der Aufseher daran Schuld sein, oder mochten die Türken, wclche heute das Gebiet von Abdera bewohnen, der Ansicht Raum geben, daß die Küste nur bei starkem Winde Gefahr drohe und die Vorsicht der Beleuchtung eines Punctes erheische. Der Golf von Lagos, an welchem die Ruinen jener Stadt liegen sollen, konnte zwar vom Auge nicht bis zu seinem nördlichen Ende übersehen werden, aber an allen übrigen Orten der Küste war die stolze Kette der Rhodope sichtbar, die nunmehr, da wir uns weiter vom Lande entfernt hatten, beständig über die niedrigern Uferberge hervorragte. In dieser Iahrszeit noch vielfältig mit Schneegesilden ausgestattet, erscheint sie dennoch dem Meere so nahe geü'gen, daß man sich versucht fühlen kann, dieses Küstenhochgebirge mit der spanischen Sierra Nevada zu vergleichen, der es zwar an Höhe bedeutend nachsteht, aber in langer Erstreckung längs der Südküste des Landes und in schroffer Erhebung aus dem Meere gleichkommt. Die mittlere Höhe dieses Theils der Rhodope betragt wahrscheinlich nirgend über 4000^, wiewohl weiter gegen Westen in der Nachbarschaft der Ruinen von Philippi höhere Spitzen diesen südlichsten Gcbirgszug beschließen. Eine der ausgezeichneten Höhen, die ich heute vom Schiffe erblickte, die tanthe, noidnordwestlich vom Balustra-Burun, hat Copcland gemessen und schreibt ihr eine Erhebung von 3815' zu. Ich weiß nicht, woher der Name Despoto-dagh, den wenigstens die südliche Kette der Nhodope heutiges Tags bei den Eingebornen führt, abstamme und was er bedeute. Ich fragte meine Reisegefährten, die Priester vom Athos, nach dem Namen dieser Berge und konnte jenes Wort, wiewohl einigermaßen abgeändert, aussprechen hören. Sie sagten: Dospada-dagh, beharrten mit Sicherheit auf dieser Aussprache und wollten von einem Zusammenhange mit dem griechischen Dhespotis, als dem Herrn der Berge, oder den Mönchen, die sie bewohnen, nichts wissen. Thracien. 205 Ich habe Einiges zur Charakteristik dieser Athospricster, die ich im engern Zusammenleben zu beobachten Gelegenheit hatte, aufgezeichnet und theile es mit, da ich später habe bemerken müssen, daß meine Reisegefährten, welche ich für besonders unwis-scnd und ungeistlich zu halten geneigt war, doch in dieser Rücksicht ihren Brüdern nicht nachstanden, als angesehene Manner vhne hervorstechende Eigenschaften auf dem heiligen Berge lebten und das Typische der dortigen Zustände sich vollständig angeeignet hatten. Der eine der beiden Priester war nicht ohne Ncu-gierde und hegte den Wunsch, sich auf leichte Art belehren zu lassen, ohne jedoch einem solchen Gespräche eine ernsthafte Folge zu geben. Sein Hauptbestreben beschrankte sich vielmehr darauf, die Kleinigkeiten kennen zu lernen, die der Abendländer, um wesentlichen Bedürfnissen abzuhelfen, auf der Reise mit sich führt, und wenn ihm etwas Fremdes oder auffallend Zweckmäßiges auf-siieß, so pflegte er zu sagen: »das ist schön« (««4ä ^«/^«). Der andere hingegen äußerte eine vollkommene Gleichgültigkeit, und, wenn er im dunkelfarbigen Mantel, der seine stattliche Figur völlig einhüllte, mit dem schwarzen Fez auf dem Haupte, nu't breitem, bärtigem Antlitz und unveränderlich ernsten Zügen als eine würdige Erscheinung da stand, so mußte man seine Zurückhaltung für bedeutender, seinen Grundsatz, für Weltliches und für ungewohnte Gegenwart theilnahmlos und ohne Erstaunen zu verharren, seiner Stellung für angemessener halten, als die Offenherzigkeit seines Genossen. Allein, als die Verschlossenheit sich mäßigte und wie eine angenommene Rolle allmahlig aufgegeben wurde, zeigte er sich in allen menschlichen Dingen so unglaublich naiv und unwissend, daß die gute Meinung, man erblicke hier einen Mann, der die weltlichen Triebe aus Ueberzeugung für immer abgestreift und zur Seite gelegt habe, keineswegs länger bestehen konnte. Da ich im Urtheil über diese Weiden nicht im Stande bin, die Beschränktheit ihres Gesichtskreises so deutlich darzustellen, als sie in unserm Gespräche sich unaufhörlich bekundete, sn begnüge ich mich, nur in wenigen Zügen ihre Unwissenheit in Geschichte und alltäglicher Wissenschaft darzulegen. Ich 206 Siebentes Capitel. befragte sie nach der Vorzeit des heiligen Wergs ^) und erfuhr sogleich die wenigstens für eins derKlöster beglaubigte Ueberlieferung, daß Kaiser Constantin diese Wohnungen des Fricdens gegründet habe. Als ich jedoch weiter nach dennoch sichtbaren Spuren des Xerresca-„als mich erkundigte, war ihnen der Name Terxcs, so wie jeg' liche Thatsache der altgriechischen Geschichte, völlig unbekannt, und verwundert und zweifelnd an der Wahrheit, ließen sie sich von mir, dem Fremdling, die vormaligen Geschichten ihrer nächsten Umgebung und die Großthaten ihrer Ahnen erzählen, wobei denn im Hinblick auf den Athos und auf die Berge von Philippi die antike Größe meine Seele berühren und meine Worte beleben mochte. Stellt man sich vor, wie manche gebildete Reisende den Athos in diesem Jahrhundert besucht und wie gewiß Alle von diesen Dingen gesprochen haben, und bedenkt man, daß die Geschichte der Scholle, die man bewohnt, ob auch die Sage davon sich unter dem Volke verloren habe, einmal wieder von Außen her mitgetheilt, schnell von Neuem im Munde der Menschen lebendig zu werden und ein bedeutendes Interesse zu erregen Pflegt: so muß man sich billig verwundern, daß die Priester vom Monte santo bei dem einförmigsten Leben nicht einmal diese Erinnerungen allgemein unter sich verbreitet haben. Ich weiß wohl, daß die Griechen nicht selten die Höflichkeit beobachten, sich belehren zu lassen, auch wenn sie ebenso gut als der Erzählende unterrichtet sind, indessen fand diese Bemerkung auf den gegenwärtigen Fall keine Anwendung. Ich wurde von einem der Reisenden befragt, ob es wahr sei, wie man im Archipel behaupte, daß Syra genau in der Mitte der Erde liege, und als ich ihm erwiederte, daß Delos bei den Alten für den Mittelpuntt der Erdscheibe gegolten, weil ih- *) Für diejenigen, welche die neuern Reisen nach den AHosklöstern nicht kennen, bemcrke ich, daß die ganze Halbinsel Acte jetzt Hlljion-OroS («^o? ci'^?), oder in fränkischer Uebersetzung der heilige Berg, Monte santo, genannt wird. Das Vorgebirge am Ende der Halbinsel hat den Namen des Alterthums unter den Griechen bewahrt und heißt Ston-Athona («>,' 7«? "^s^«). Die Franken nennen es insgemein <ü»po 61 HI«me santo. Thracien." 207 nen nicht bekannt gewesen, daß die Erde rund sei wie eine Kugel, siel mir der Verständigere der beiden Priester in die Rede und bemerkte, dies wären heidnische Irrthümer, Jerusalem sei der Mittelpunct der Wel', dies lehre die Religion, und es sei auch begreiflich, daß Christus inmitten aller Völker erschienen sei. Bon Kugelform der Elde habe er nicht gehört und dergleichen Behauptungen würden auch seinem unumstößlichen Satze zuwiderlaufen. Im Ganzen lagen die beiden Priester, ohne sich zu regen oder viel zu reden, phlegmatisch für sich, hingestreckt auf ihre Matte, aßen mit den übrigen Passagieren gesalzene Fische und alten Käse und zeichneten sich vor diesen nur durch ihre anständige Kleidung aus. Allein Dimitri verstand die Kunst, sie zum Sprechen zu bringen, und wußte sie, als die Seereise sich verlängerte, zu bewegen, einen reichen Schatz von Heiligen- und Mönchs-Geschichten, verwebt mit weltlichen und kirchlichen Gedanken, vorzutragen. Zur Unterhaltung und Sprachübung ließ ich mir Alles getreulich überfetzen. Beispielsweise erzähle ich eine dieser Anecdoten, die ein Spiegelbild der übrigen ist und deren Stoff, wenn ich nicht irre, auch in Balladen des Abendlandes benutzt wurde. Satan sendete einstmals drei seiner Teufel in die Welt, um Schaden anzurichten. Der Erste kehrte zurück und berichtete, er habe durch einen Sturm auf dem Meere drei Schiffe mit Pilgern zum gelobten Lande, kurz bevor sie es erreicht und dadurch das Necht auf den Himmel erworben H.Uten, versenkt und die Gläubigen in ihren Sünden sterben lassen. Auf die Frage Satans, wie viel Zeit dies gekostet habe, erwiederte er: 30 Stunden, und empfing 100 Stockschlage, weil er so viel Zeit zu dergleichen Kleinigkeiten gebraucht hätte. Der Zweite erzählte, er habe bei der Hochzeit des schönsten Paars in Griechenland eine Blutschuld angestiftet und der jugendliche Bräutigam sei wahrend der Trauung von der Hand seines Freundes ermordet zu Boden gesunken. Auch dieser Teufel, der zu der Ausführung seiner That zwei Stunden gebraucht, ward für seine Zeitverschwendung bestraft. Der Dritte endlich kommt und sagt, es sei durch ihn t'n Priester vom Hüjion-Oros zur Sünde verleitet und zu die- 208 Siebentes Capitel. ' sem Erfolge habe er ihn 39 Jahre lang in Versuchung geführt. Da sprach der Satan; »Du hast wohlgethan und deine Kunst übertrifft aller Teufel Künste.« Wahrend wir nun durch solche Uitelhaltungen für die vom Winde uns auferlegten Hindernisse und für unsere unbequeme Gemeinschaft uns zu entschädigen und möglichst gegen die Wärme der frei herabstrahlenden Sonne durch die Segeltücher zu schützen strebten, blieb unsere Aufmerksamkeit beständig auf die Zustände der Atmosphäre gerichtet, die, nicht ohne häusigen und unerwarteten Wechsel, doch unser Ziel in eine unbestimmte Ferne hinaus' zurücken schienen. Bei der fortgesetzten Spannung auf den Zusammenhang der hierher gehörigen Erscheinungen konnte es nicht ausbleiben, einzelne bestimmte Beobachtungen zu machen, welche ich bemüht war mit den Bemerkungen der Schiffer in Einklang zu bringen und sie durch ihre Mittheilungen zu sichern oder zu erweitern. Man trifft zwar im Allgemeinen auch an diesen Küsten die gewöhnlichen Land- und See-Winde, jene dcs Nachts, diese bei Tage, die letztern jedoch hausig mit Calmen untermischt, von denen ich keine bestimmte Rechenschaft zu geben wüßte: allein der einfache Wechsel jener beiden Winde, den die verschiedene Erwärmung und Abkühlung der Luft über dem Wasser und Lande bei Tage und bei Nacht bedingt, wird auffallend genug durch die Nähe des höhern Küstcngcbirgs modi'ficirt und zu hausigern Gegensätzen gesteigert. Indem sich die Abhänge desselben in der Höhe und Tiefe nach verschiedenen Gesetzen abzukühlen oder zu erwärmen scheinen, bewirken sie in der Atmosphäre mächtigere Strömungen, welche den schwachen Land- oder See-Wind überwältigen. Jene Gesetze, welche mit dem nicht genügend gelösten Probleme, die Abhängigkeit der Warme von der Höhe, Gebirgsform und Beschaffenheit des Bodens zu bestimmen, in Verbindung sieben, lassen sich freilich keineswegs in der flüchtigen Erscheinung festhalten, allein eine einzelne Verkettung von Ursache und Wirkung, die ihrem Bereiche angehörte, stellte sich hier mit befriedigender Deutlichkeit in's Licht der Erfahrung. Wird die örtliche Erwärmung einer Landspitze im Gegensatze zu benachbarten Re- Thracien. 203 Mnen der Atmosphäre so bedeutend, daß sie eine seitliche, qc-gen den warmen Punct gerichtete Luftströmung bcwirkt, so füllt er sich begreiflicher Weise anfänglich in eine Wolke, indem der kältcre Wind, der auf den Berg eindringt, sich mit dessen warmen Umgebungen vermischt. Da nun die Wärme des Bcrgcs selbst die Ursache dieser Luftströmung ist, so beginnt sie in seiner Nähe zuerst und theilt sich «rst von da allmahlig der weitern Umgegend und der Tiefe über der Mecrrvfiäche mit. Hierin besitzt man folglich cm Mittel, den örtlich entstehenden Wind eine Weile vorauszusehen, und wenn eine der Wergspitzcn auf den Inseln oder im Dcspoto - dagh plötzlich durch eine Wolke verhüllt wurde, wahrend cine Calme uns unbeweglich an unsern Ort bannte, so konnte ich mit Sicherheit voraussagen, daß binnen einer Slunde etwa ein leichter Wind sich erheben würde, dessen Richtung der des Berges entgegengesetzt sei. So verließen wir Enos mit dem regelmäßigen Landwinde aus Nordost, als die Berge von Samothrake und Thracicn durchaus heiter vor uns lagen. Samothrake blieb klar, aber die Nho-dope hüllte sich vor Mittag in Nebel, die an der obern Scheide des Gcbirgs hafteten. Dieser Wolkenbildung folgte auf dem Fuße ein Südwind, also eine Strömung von der klar gebliebenen Samothrake nach der bcdeckten Nhodope, und diese verhinderte uns, das Cap Marogna zu umschiffen. Aber am auffallendsten zeigte sich dieser Zusammenhang am letzten Tage unserer Scereise, als wir, fast in jeder Richtung von hohen Bergspitzen umgeben, uns auf dem Wege von Tassos nach dem Häjion-Dros befanden. Wahrend zuerst alle Küstenkttten am Golf von Orfano bis zur Ge-gcnd von Cavala abwechselnd durch Nebel umhüllt wurden, blieb der Athos selbst, der höchste Punct am Horizonte, völlig klar. Mit dieser Erscheinung stand cm beständiger Südostwind in Verbindung, also eine Strömung vom Athos gegen den Golf und von den unbewölkten Gebirgen auf Tassos gegen die Küste von Cavala. Es war ein heftiger Wind, den wir jedoch nur wenig benutzen konnten, und er begann eine geraume Weile, nachdem seine Vorboten, die in Nordwest gelagerten Wolken, sich schon lange gebildet hatten. Aus diescn Nebeln entwickelte sich gcgcn I 4 2l0 Siebentes Capitel. Abend ein Gewitter, welches anfänglich den Golf von Orfano umkreiste, sich spätcr über den Nuscn orn Stellaria zog und zuletzt, an der Bergkette des Hcijion-Oros fortschreitend, den Athos selbst erreichte und in dessen Schluchten sich völlig entlud. Zuerst schwebten leichte Wölkchen um das Haupt der Athospyramide, sie verdichteten sich und bald war der majestätische Berg unsem Blicken entzogen. Obwohl es schon lange Zeit blitzte und donnerte, so äußerte das Gewitter doch Anfangs keinen Einfluß auf den herrschenden Wind. Vielmehr trat, als es den Athos umlagert hatte, eine unerwartete Calme ein und dauerte noch fort, als es sich gelöst hatte. Wie wir nun still dalagen, wurden all-mahlig alle umliegenden Gebirge wieder klar, das ganze, prächtige Amphitheater begegnete unsern Blicken, nur der Athos allein blieb im Nebel versteckt. Dann erhob sich ein günstiger Wind, der genau in der Richtung dieser einzigen Wolkenbildung wehte und unsere Fahrt eine Stunde lang auf das Günstigste förderte. Zugleich aber klärte sich auch der Athos wieder auf und kurz darauf wurde es wieder still. Aebnliche Verhältnisse traten auch in der heutigen Nacht ein, als wir auf der Höhe von Nalustra-Burun verzweifelten Tassos zu erreichen. Unerwartet fanden wir uns am Morgen hart an dieser Insel, wahrend wir beim Einschlafen ungewiß auf bewegtem Meere trieben und die Mackt des fern über Tassos hinrollenden Donners mit unserm winzigen, offnen Boote zu messen uns nicht entschlagen konnten. 2. Juni us. Statt der fehlerhaften Chartenzeichnung verdanken wir zuerst dem Herrn v. Prokesch genauere Nachrichten *) über die Insel Tassos, eine der größten des Archipels. Dieser Schriftsteller durchwanderte einen beträchtlichen Theil des Innern, erstieg die Höhen und gewann eine Uebersicht über das ganze Gebäude des Gebirgs. Einige der allgemeinsten Angaben muß ich seiner Darstellung entlehnen, um meine eignen Bemerkungen, die sich auf zwei Küstenpuncte beschränken, verständlich vortragen zu können. *) Denkwürdigkeiten Th. 3. p. 612 u. f. Tassos. 21! Die Figur dcr Insel ist der Kreisgestalt genähert. Ihre Durchmesser betragen zwischen 3'/^ und 4 g. Mcilcn. Aber die Lanze Fläche bedeckt ein einziges wildes, bewaldetes Gebirge, in welches zahlreiche Thäler einschneidcn und das nur zuweilen ein schmales Küsteinwrland übrig läßt, in der Ncgcl aber mit ab« schlissiger Brüstung in's Meer fällt. Am nördlichen Gestade vor Tassos, der Mündung des Carasu gegenüber, liegt dcr Hafen von Panajia, diese Ortschaft selbst aber anderthalb Stunden tief in's Land, am Fuße des Hauptgebirgsjoches dcr Insel, von dem nach sämmtlichen Vorgebirgen die Bergketten strahlenförmig aus« laufen. Dieser höchste Rücken, von Nordwest nach Südost gerichtet, aber von geringer Ausdehnung, besteht aus drei Spitzen, vun denen die höchste, der Ipsario*), nach Copcland 3 328' mißt. Da diese Gipfel der Nordwestspitzc der Insel so nahe liegen, so folgt daraus, daß von den Gcbirgsarmen, die sick durch Tassos in jeder Richtung verzweigen und deren etwa zwölf sind, die östlichen und südlichen am längsten auslaufcn. Glimmerschiefer und Marmor sind die herrschenden Gcbirgsartcn, deren Goldadern ^) von den Alten schon erschöpft scheinen. Den größten Theil dcr Insel bedeckt Fichten- und Tannen-Wald. Die griechische Bevölkerung, gegen 6U00 Seelen, in 12"*) Dorfschaften vertheilt, fährt Schiffsbauholz von vorzüglicher Güte, Qlivenoel und Wachs aus, kann jedoch hinlängliche Nahrungsmittel nicht selbst erzielen. Am Morgen um 6^ waren wir im Hafen von Panajia angelangt und stiegen an's Land. Dcr Blick verweilte zunächst auf dem Küstcngcbirge, das zu beiden Seiten diesen kleinen Hafen umgürtet. Es sind hohe Kalkbcrge mit steilen Felsen und zer- *) Die zweite dieser Spitzen, der Eliasberg, ist 3374^ hoch. ") Velon (OI)8«5,-v3N(>n3 p. 33,) fand noch an einiaen Orten große Schlackenhaufcn, wodurch er mit Sicherheit auf cine große Mctallmasse schließen zu tönncn glaubte, die emst aus dieser Insel gewonnen sei. Allein Mi-Nen bestanden damals nicht mehr, und v. Prokesch hat auch keine Schlacken wehr gefunden, meinte indessen, daß die Bergwerke im östlichsten Theile uon ^"Isos, dcn er nicht besuchte, md'chtcn gelegen haben. '") v. Prokesch zählt nur 9 auf, von denen er 7 besuchte. 14* 2l2 Siebentes Capitel. streut bewaldeten Abhängen, deren Fuß daö Mecr bespült. Abcr vom Haftn schneidet zwischen diesen Ketten ein breites Thal nach Süden cm, das, früh geschlossen, über den Höhen seines Ursprungs die höchsten Gipfel der Insel kühn hervortreten laßt. Als wir in der Folg? von hier nach Westen die Insel umschifften, erblickte ich eins der größten Dörfer von Tassos, am Fuß des vordersten dieser Gipfel hoch oben über den Vorbergen angesiedelt, Vulgaro, dessen Lage ungefähr der von Vanajia auf der Cotta'schen Charte entspricht. An dem Hafen, wo wir landeten, liegt ein kleines Dorf von 12 Hausern, die Marine von Panama, welche sowohl im verwichenen Sommer als ein Jahr früher von den Piraten völlig ausgeplündert und niedergebrannt worden war. Der Waldrcichthum von Tassos, den Herr von Prokesch so sehr auszeichnet, fallt an diesem Puncte weniger in die Augen. Denn ganze Gehänge tragen nur Bnschwaldung, besonders die tiefern Theile des Gebirgs, und die Nadelhölzer treten erst in größeren Höhen auf, bilden jedoch auch da nur an wenigen Orten einen dichten Wald, den man mit dcn Forsten des Nordens vergleichen könnte. Indessen haben die Tannen und Fichten die Eigenthümlichkeit, daß, wahrend die meisten Laubholz-Arten, besonders die Eichen und Buchen, auf griechischem Boden an-ihrem hohen Wachsthum einbüßen und allgemein in strauchartigen Formen verbreitet sind, jene hingegen größtentheils gar nicht solche Spielarten zu erzeugen ^) vermögen. So oft ich Fichten in Nmnelien gesehen habe, waren sie stets in Krone und Stamm *) Es ist mir nicht unbekannt, daß die ächte lind wenig gekannte Alcp-pofichte (? tlaiepenZis v^it. und I^-lmb,), wie schon Gwsius bemerkte, f"^ immer strauchartig bleibt und nur selten höher als 12^ wirb. Allein diese Fichte, in Murcia und Valencia verbreitet, kommt, wie Link mit Necht gegen die Angabe in der Nxpclikion cle kloree emwcmlle, wahrscheinlich gar nicht in Griechenland vor und mag weh! einen sehr imrichtiaen Namw fuhren. In der Negcl hall man sie zwar für eine Spielart der im Orient verbreiteten ?>mls lnaritima I.gmt» (l'- l,«1i.>p,z i,, und O^cis 5ii;3>tall8 leucoplinea 3,1,,l,., deren Vaterland bisher ungewiß war und bie ich in den meisten Wäldern von Macedonicn angetroffen habe, ftnirc ^ristolyl'Ilia ,^„„5 s ^ ^. c^mlUiti« 1^. An den lichtm Orten blüh-en z. 3v <),>»ill,«>>)!,s cumplessus 1^" Vicia lulo» 1^. II«!i9nlnemum 6ulwllim Nill. U)pe,iculn ä^ulülum I^oiZ, „nd II pellurelum I.. 2!4 Siebentes Capitel. Dcr Fuß dieser üppig bewachsenen Vorbcrge, die an den nahen Gcbirgsknotcn der Insel gelchnt die Scitengchange des Thals von Panajia bilden, berührt mit seiner manußhohcn Ge-strällchwand unmittelbar die Thalsohle, welche damals mit Wai-zen bestellt war, dcr erst jetzt zu blühen sich anschickte. Il, dcr Mitte dieser Felder stehen einige dcr ungeheuren Platanen, welche dcr frühere Reisende zu 40' Umfang maß und nebst den berühmten Stammen auf Gottfrieds von Bouillon Lagerplatz am Bosporus für die stärksten Bäume des Landes ertlärte. Aber dem Absterben nahe werden sie, wenn nicht durch Stärke des Stamms, doch durch Ausbreitung dcr Acste und Reichthum des Laubes von einigen Walllmßbaumen Übertrossen, welche in demselben Thale prangen. Von den Ruinen, welche an diesem Orte das Interesse des gelehrten Kenners in so hohem Grade erregten, habe ich nur wenig gcschcn, sei es, daß meine Aufmerksamkeit sich weniger darauf richtete, oder die im Getraide versteckten Neste sich meinen Blicken entzogen, oder endlich daß die Sarcophage und Marmortrümmer, die damals das Thal und den Abhang des Echloßbcrgs bedeckten, seitdem zu profanem Gebrauche auscrsehcn und in Bauten verwendct worden sind. Altes Gemäuer im Dickicht habe ich indcsscn wohl bemerkt, auch dcr Eteindamm, an welchem die Schiffe ankern, ist geblieben und der alte Hafenthurm beschäftigte mich eine Weile, indem er mir das einzige Zeugniß von den Gcbirgsarten des Innern darbot. Die Umgegend des Hafens bestand nemlich nebst den Vorbergen selbst aus einem Kalkstein, an dem ich nichts Besonderes zu bemerken fand, die höhern Theile dcr Insel aber erschienen in einer von jenen so ab-wlichcndcn Gestalt, daß man auf einen Gcgensatz in 'chrcr gco-gnostischen Grundlage zu schließen sich berechtigt fand. Da nun an dem alten Thurme eine Platte von dem schönsten, weißen nebst einer britten litt biescr OatUtnfl, wetdbe nocl) utiksdjriefcen ju ff<" fdjfint, Agrosittroma coronavia L. Campanula ylomerata L. JJartsi* viacosa L. Linaria genistaesoHa Siblh. Convolvulus althaeoides 1" Luiniiim mosebatum Mill. Orchis sp. Andropogon Gryllns L. Tassos. ' 2^5 Marmor eingesetzt ist, deren blendender Glanz mit dcn weißen Felsen ^) der obern Höhen übereinstimmt, so erblickte ich hier zuerst eine Spur der weit verbreiteten Felsmasscn, die auf dem benachbarten HHion-Oros dcn ganzen Berg Athos zusammensetzen. Nachdem wir am Ufer getrocknete Fische, deren Faulniß das Dorf und in der Folge unser Schiff verpestete, und frisches Wasser gleichfalls von übler Beschaffenheit eingenommen hatten, se-gelten wir mit schwachem Küstenwinde in nordwestlicher Richtung weiter, um das westlichste der beiden gegen die thracifche Küste gerichteten Vorgebirge zu umfahren. Die Meerenge ist schmal, die Breite dürfte kaum eine g. Meile betragen, und ihre Strömung begegnet in der Mitte noch dem Felsen Tasopulo. Die Fahrt gestattete einen freien Uebcrblick über die benachbarte Küste, Wozu schon durch die Aussicht vom Burgberge einige Anhaltspuncte gewonnen waren. Die beiden Vorgebirge Balusira-Bu-run und Sarisaban - Wurun sind niedrig und mehre Stunden von der Hauptkette der Rhodope entfernt. Diese läßt westlich vom Golf Lagos ein weites Vorland übrig, die fruchtbare Ebene von Sarisaban, eine Deltabildung des Ienidge-Carasu d. h. des Mestus der Alten. Den nördlichen Hintergrund dieser tiefen Flache beschreibt die Kette der Nhodope selbst, die gerade hier sich zu der schon erwähnten Spitze Xanthe erhebt und von da nach Westen sich bis an die Stromcn.qen des Mestus ausdehnt. An der Qstseite dieses Stromeinschnitts beginnen die hohcn und schnee-rcichcn Ketten, die sich nordwärts von Seres in westlicher Richtung bis zum Vardar fortpflanzen und die ich erst von dem Plateau auf Chalcidice in ihrem wahren Verhältnisse erblickte. Von diesem westlichen Nhodopcsystem läuft eine Kette längs des untern Stromlaufs des Mestus an die Küste und begrenzt auf diese *) Schon aus dem Alterthume ist der Marmor von Tassos berühmt, und daß dieser das vorherrschende Gestein der höhcni Vercze sei, bezeugt Ve-lon ausdrücklich (a. a. O,): »le» monlai^nes ml,'«!«^ ii ßanl en l'isle, et les l0l,Il<>s8 soul lle plus b<.'»u nigldre ».l lc z>1uZ dlänc, «jui se 2l6 ' Siebentes Capitel. Weist das Vorland von SariZaban von der Wcstscil?, wie der Golf von Lagos im Osten. Sobald jrne Kette das Meer erreicbt hat, wendet sie sich nach Westen, umlagert als mächtiges Kü-stcngebirge den Busen von Orfano und steht zuletzt mit den Bergen von Chalcidice in Verbindung. Indcm sie aber bei solchem Verhältnisse dem nördlich gelegenen Hauptgebirge, von dem sie sich abgelöst, wüderum parallel läuft, giebt sie zur Bildung der beiden Krssel von Philippi und Seres Anlaß. Dicht an das Meer gestellt erreicht sie dennoch eine Höhe, die alle bisher gesehenen Berge des thracWcn Festlandes übertrifft. Ihre Haupt-crbelnmg ist der Pangeus der Alten, südlich von Drama im Kessel von Philippi und nordwestlich von der Seestadt Orfano. Als ich um das Cap von Tassos gefahren war, bildete dieser Berg den mächtigen Mittelpunct der Landschaft, die sich vor wir ausbreitete, und, reich mit Schnccfeldcrn umgürtet, ragte er weit aus dem nahen Horizonte hervor. Die Höhe des Pangeus, der bei den Türken den prosaischen Namen Pillav-Berg (Pillav-tcpe) führt, erreicht nach Copcland beinahe den Athos und betragt 6143^. Ucbrigens fällt er nicht unmittelbar in's Meer ab, wie der Athos, sondern anmuthige Hügelreihcn, die Wohnsitze der alten Picres, sind an seinem Fuße ausgebreitet und reichen nach Nordostcn bis Cavala, dessen weiße Mauern, Moscheen und Minarets klar durch die Morgenluft herüderschimmern und die Straße durch das Gefilde von Sarisaban in sich aufnehmen. Von den Olivenbaumen dieser Ebene schweifte das Auge zu den mannigfaltigern, in kühner und milder Gestaltung wechselnden Bildern an der Westseite des Golfs von (Zavala hinüber, wahrend an den Busen von Orfano und Stellaria das Land- noch unter dem Horizonte verborgen blieb und Tassos selbst den H"-jion-Oros dem Blicke entzog. Der Wind blieb südlich und wir waren daher genöthigt, als das Cap umschifft war, cinen andern Hafen an der nordwestlichen Küste von Tassos aufzusuchen, die Marine von Casavi, des-scn Ortschaft gleich der von Panajia cinc Stunde weit vom Meere im Gebirge versteckt ist. In diesem Hafen, der Cavala schräg gegenüber liegt, verbrachten wir den übrigen Theil des Tassos. 2i7 Taas. Auch hier fanden sich nur wenige, ärmliche Hütten, aber dcr Platz scheint dcmungcachtct belebter zu sein, als dcr Hafen von Panajia. Denn zur Zeit/ als wir dort waren, lagen hier II) Küstenfahrzeuge und 2 große Seeschisse vor Anker. Viele Matrosen nebst Bewohnern der Insel waren vor dem Cassechause am Ufer versammelt und erfreuten unsere Gesellschaft durch die eben eingelaufene Nachricht, daß die Seeräuber von Iuva-Pula vom griechischen Admiral Canaris angegriffen, besiegt und besonders mit Hülfe eines Dampfschiffes vernichtet seien. Sie hatten 3 oder 4 Schiffe besessen und Alle waren mit Ausnahme einer Anzahl, die sich in offnem Boote auf den Monte santo geworfen hatten, nach heftigem Widerstände in die Gewalt der Griechen gerathen. Diese Neuigkeit erregte einen unbeschreiblichen Jubel und in der Freude seines Herzens gestand mein Capitain nunmehr ein, wir würden schon lange auf dem Monte santo sein, aber er habe aus Furcht vor den Seeräubern, von denen er, nun seine Zunge gelöst war, unglaubliche Geschichten zu erzählen wußte, das hohe Meer ernstlich gemieden und zweimal, als wir zwischen Cap Ma-rogna und Tassos fremder Segel in weiter Ferne ansichtig wurden, habe er seine Bestürzung kaum verbergen können, indem feine Angst ihm eingeredet, sie machten Jagd auf uns. Gewohnt an der Küste von Tassos nur steile Klippen oder enge Thäler zu erblicken, die vom überhangenden Gebirgsjoche fast erstickt zu werden schienen, überraschte mich die lachende Umgebung des Hafens von Cäsars, dcr durch cm fruchtbares, wiewohl immer nur schmales Vorland vom Gebirge geschieden wird. Denn bis zum Fuße der Vorbcrge ist es wohl nirgend über eine halbe Stunde tief, aber in ansehnlicher Länge zieht es sich längs des Ufers hin und setzt sich dann in das enge Thal von Casavi fort, welches wie das von Panajia sich in die Berge cinschiebt und am Ipfarioknoten hinauslehnt. Dieses Vorland nebst dem Thale ist ein einziger Wald von Olivcnbäumcn, nur am Hafen selbst durch cine Wiese vom Meere getrennt. Der Boden, der dieses Vorland bildet, verdankt seine Entstehung nicht dem Wache, der ihn bewässert, sondern dem Meere, welches hier eine Erdart angespült und abgesetzt hat, die dem Gebirge dcr Insel fremd 218 Siebentes Capitel. ist. Es fällt in der That auf, eine üppige Vegetation in dem dürren, heißen, lockern Quarzsande anzutreffen, aus dem diese Ebene besteht. Die Verge hingegen, die sie begrenzen, enthalten nur jenen dichten Kalkstein, der auch die Küste von Panajia zusammensetzte, und der Bach von Easavi spült die früher bezeichneten Gebirgsarten des Ipsario herab, die sich mit dem Sande nur so weit vermischen, als von zeitigen Überschwemmungen des Bachs zu erwarten steht. Der Olivenwald enthalt die größten und schönsten Stämme, die man sehen kann; ich mußte jedoch den guten Zustand dieser Pflanzung weniger der Natur, als einer sorgfältigen Wege zuschreiben, welche sich, unerwartet genug, aus verschiedenen Anzeichen abnehmen ließ. Allgemein war eine Art des Ringschnittes angewendet, um den Ertrag der Baume zu vermehren. Dieser Schnitt, eine kreisförmig um den Stamm oder um die Zweige geführte Entblößung des Holzes von der Ninde, ist bekanntlich eine gewöhnliche Methode der Gärtner, um auf Kosten des Holzzuwachses die Güte und Zahl der Früchte an Obstbau-men zu vermehren. Als ich nun hier an den meisten größern Stammen ein». Menge von feinen Einschnitten wahrnahm, die, ohne bestimmte Negel über dm untern Theil des Baumes vertheilt, die Ninde gleichsam siebförmig durchlöchert und das Holz, jedoch ohne ringförmigen Zusammenhang, entblößt hatten, so konnte ich mir in der That keinen wirksamen Erfolg bei dieser Maßregel denken, weil dadurch die Bildung der neuen Holzschicht keineswegs unterdrückt werden kann. Auf meine Erkundigung versicherte man indessen, daß, wenn die Schnitte zu einer bestimmten, jedoch nicht näher bezeichneten Zeit gemacht würden, die Oliven, die sonst zum Theil vor der Neife abzufallen pflegten, sich nicht allein sämmtlich erhielten, sondern auch früher zeitigten und mehr Ocl zu liefern pflegten. Sollte diese Meinung auch nur auf einem hergebrachtem Vorurtheile beruhen, s» zeigt doch die sorgsame Ausführung dieser mühevollen Arbeit hinlänglich, daß man hicr die Cultur des Oelbaums keineswegs vernachlässige. Indem ich diese gute Meinung von der Betriebsamkeit der Bewohner von Tassos auch in der Reinlichkeit des Un- Tassos. 2l9 Urgrundes dcr Pflanzungen, so wie in dcr sorgfaltigcn Pflege der Fußpfade, die hindurchführtcn, bestätigt fand und gegen Meine Begleiter anerkennend hervorhob: erwiederten sie, es sei wohl nöthig, auf das Wenige, was ihnen ihre Berge und Fcl-scn zu gewinnen erlaubten, einen besondern Fleiß zn verwenden; denn außcr dem Ocl, den Baumstammen, die als Schiffsmasten verkauft würden, und etwas Wachs habe die Insel keine weiteren Erwerbsquellen und wäre doch nicht geringer besteuert, als das Eigenthum anderer Raja's, die sich ihr Korn selbst zu bauen vermöchten. »Bei uns aber«, sagten sie, »giebt es nur Wälder und Steine.« Der größte Unterschied im Anblick dieser Küste von dcr früher besuchten beruht darauf, daß das Gebüsch, das dort so reichlich wucherte, hier gänzlich verschwunden ist. Die Oelbäume reichen bis an einen steilen, felsigen Kalkberg, über dem unmittelbar das Gebirgsjoch des Ipsario hervorragt. Jener Kalkberg ist bis an seinen Fuß mit Hochwald aus Conifercn bestanden, so weit die Steilheit seines Abhangs und der steinige Grund den Bäumen Raum sich einzuwurzeln gewahrt. In der Begleitung meines Schisssherrn, der, seiner Furchtsamkeit entledigt, sich nun fröhlich an mich anschloß, kletterte ich eine geraume Zeit an dem Abhänge dieses Bergs umher und wandte mich von da in das Thal des tzasavi. )H Der Wald enthielt zwar schöne Stämme, aber ein dichtes Wachsthum gestattete die Oertlichkeit nicht, und man sah auch leicht, daß, so nett und sauber der Olivenhain gehalten ward, man die Fichten durchaus der Natur überließ und gelegentlich nach dem Bedarfe hier oder dort einen alten Stamm aushicb, aber die Bäume, die der Sturm niedergeschmettert hatte, zu entfernen sich nicht bemühte. Zwei Conifercn bilden diesen Wald, von denen die eine mir sehr merkwürdig erschien, indem sie zur Gattung des Wachholdcrs gebort und doch an Größe und Starke des Stammes die Seestrandssichte ""I. in deren Gesellschaft sie wuchs, noch übertraf. Ich cnnnerte mich, daß in Spanien ein *) Pinus maritima Lamb. 220 Siebentes Capitel. Wachholderbaum 5) gefunden wird, der z. B. in der Gegend von Segovia nach alten Nachrichten selbst zu Balken und anderer Zimmermannsarbeit dient, und ich vermuthete, diese Art, deren Borkommen so beschränkt ist, im Archipel wiedergefunden zn haben. Diese Meinung mußte mir indessen unter einem andern Gesichtspuncte unwahrscheinlich vorkommen, da die geographische Verbreitung der Gewächse in dcr Negel einen geschlossenen Bezirk auf der Erdoberfläche für jede Art nachweist und da man in Italien von keinen Wachholderbäumen gehört hat. Im Orient giebt es hingegen noch andere Arten dieser Gattung, welche an Größe den Fichten nicht nachstehend unter ihrer Krone einen Stamm tragen, und ich glaube mich in der Folge überzmgt zu haben, daß mein Baum schon Tournefort als im Archipel vorkommend bekannt gewesen sei und zu einer Art ") gehöre, welche in der südlichen Krim und an den warmen Abhängen des Caucasus heimisch ist, sich aber in Tassos auf einem isolitten Standpuncte am äußersten nach Westen verbreitet. Man könnte diesen Baum den Sadinabaum nennen, bis sein griechischer Name bekannt werden möchte, da er sich von dem allgemein be> rühmten Sabinastrauch ncbcn kleinlichen Merkmalen vornehmlich durch den baumförmigm Wuchs unterscheidet. Dies ist übrigens das einzige Mal, daß der Sabinabaum mir auf meinen Wanderungen vorkam, und er geHort daher schon wegen seiner Seltenheit in Numelien zu den eigenthümlichsten Erzeugnissen dcr Inscl Tassos. So weit ich nun im Thal von Casavi hinaufstieg, bildeten diese beiden Nadelhölzer, der Sabinabaum und vorzüglich die Seestrandssichte, den Wald, und an Laubholz erschienen nur einzelne Platanen eingestreut. Es bleibt daher einem Andern zu ermitteln, welche Veränderung in den Coniferen auf den höhern Bergen der Insel eintritt, da man voraussetzen darf "*), daß *) Juniperus turifeia L. **) Juniperus excelsa M. B. "*) Wahrscheinlich besteht das Nadelholz der obern Regionen, wie am bilhynischcn Olymp und am Athos, aus i'inuü I'j«^» 1^. u»d 1'. I^!li<'.»" Tassos. 22! oben verschiedene Arten die das wärmste Cli'ma bedürfende Fichte ablösen werden. So wie aber die ganze Insel gleichsam nur ei-ncn einzigen Fichtenwald darstellen soll, so wäre der Ort besonders geeignet, um gründliche Untersuchungen über die klimatischen Sphären südcuropaischer Nadelhölzer anzustellen. Ein Wald von Coniferen duldet in seinem Schatten nur sclten eine fremde Vegetation von Gesträuch und Krautern, gleichsam als würden etwa zufällig keimende Samen von den beständig herabfallenden Nadeln erstickt, oder vielleicht, weil diese, langsam verwesend, nicht wie daß Laub dcr Buche, einen fruchtbaren Humusboden zu erzeugen fähig sind. Wenn man daher in das Thal von Casavi eintritt, so vermißt man ganz jene üppige liancnreiche Vegetation, welche die Ruinen dcr Burg von Panajla einhüllt, und in der That habe ich außer einer sparsamen und einförmigen Bekleidung dcr Felsblöcke durch in ihren Spalten umhcrwuchcrnde Pflänzchcn *), nicht ein einziges Gewächs in diesem Walde angemerkt. I'oir. Diese Vermuthung gründet sich auf Velon's Angabe, der so genau ist und hier (p. 33,), wie am Athos (p. 41.) bc-nerkt, daß die Wälder aus Tannen und Fichten («apinZ et pieces) bestehen. Für ? I'ice» möchte dies Zeugniß ausreichen, da die Tanne damals ((^lus. tiist. p. 51.) wie jetzt im Französischen gupin genannt ward. Für die Bestimmung von r. I^ricio aber hat jener Naturforscher durch eine beigefügte Beschreibung gesorgt, welche die Natur so treu zeichnet und die noch heute wenig gekannte Fichtcnart so treffend characterisirt, daß seine Worte noch nach 300 Jahren eine ehrende, Anerkennung verdienen. Er sagt.- les Pieces sont quelque peu disle-rents a ceulx — — qui naissent es montagnes d' Auvergne: car leurs cones — SOnt dc telle nature qu'cllens tiennent si fort au ra-meau, que quand on les arrache par force, 1' on enleve un esclat u bois, — aussi sont poliz et non rabotcuses comme sont les no- Ltres. I« der That unterscheidet sich I'inu« I,ai-icio koji-. von?. S)'lve-«trig 1^. wesentlich durch die völlige Stiellosigkeit der Zapfen und die glattere Außenfläche dcr Schuppenspitze.- Merkmale, die von keinem botanischen Schrift-stcller dcr neueren Zeit, so viel ich weiß, ebenso gut beobachtet worden sind, ^'cshülb die Diagnosen derselben im Allgemeinen wenig dazu beigetragen ha-l'", diesen schönen und wichtigen Baum kennen zu lehren. ) Mioiomoria grapca Benth, unb Paiiotaria lusitanica L. 222 Siebentes Capitel. Der Bach, dessen Lauf auf den Charten verzeichnet ist, dcr aber in dieser Iahrszeit schon ausgetrocknet war, führte mich eine halbe Stunde weit in's Gebirg, wahrscheinlich die Hälfte des Wegs nach Casavi. An der Stelle, wo ick umkehrte, fand ich im Waloe gegen 30 steinerne Hütten, die jedoch verschlossen und dem Anscheine nach ganz unbewohnt waren. Ich hielt dieses Dorf schon für Casavi, meinte jedoch aus dem wunderlichen Griechisch meines Begleiters zu verstehen, daß diese Hauser zwar den Bewohnern von Casavi gehörten und auch zu dieser Ortschaft gerechnet würden, daß sie aber nur während dcr Olivcn-erndte bewohnt und zu diesem Zwecke erbaut, in der übrigen Zeit leer standen. So sah ich »mine Hoffnung, nach dcr Wc-schwcrde des Wegs mich zu erfrischen, vereitelt, fand inocsscn glücklicher Weise noch eine wohlcingrfaßte Quelle auf, freilich nur schlechtes, im Versiegen begriffenes Waffer, das ich mit unzähligen kleinen Fröschen zu theilen hatte, die in dcr Dürre ihrem baldigen Untergänge entgegensahen. Ich weiß mir nicht zu erklären, daß Herr v. Prokesch das Quellwasser von Tassos vor allen Inseln des Archipels rühmte, da er doch im August dort war und schon jetzt im Anfang des Iunius die Berge hier sämmtlichen Schnee verloren hatten. Auch sind die Thäler so zahlreich, so eng an einander gerückt, und gehen nach allen Himmelsgegenden von den Bergen zum Meere hinab, daß für jedes einzelne, indem alle bewässert sind, nicht viel Wasser abgegeben werden kann, daher die Quellen und Bäche früh versiegen und viel über Dürre oder Veroerbniß des Wassers, wenigstens an der Küste, geklagt wird. Aus dem Rückwege besuchte ich die Wiese am Meere, die sich als ein ferneres Beispiel an die früher mitgetheilten Beobachtungen anreiht, nach denen in Numelien am Meeresufer Wiesen vorkommen, die dem Wicsencharactcr des Nordens entsprechen. Immerhin kann man jedoch wenigstens jin diesem Falle einwenden, daß die Gräser und Kräuter, die diese Wiese zusammensetzen, zum Theil aus Erzeugnissen dcr südcuropaischen Flora bestehen. Allein nach den frühern Mittheilungen verdient es hervorgehoben zu werden, einmal daß die Gramineen hier vor dcn Taffos. 223 übrigen Gewächsen an Masse bedeutend vorwalten und andererseits, daß sie zugleich einen ausdauernden kriechenden Wurzelstock tragen und daher in ächten Orasrascn den Boden dicht bedecken. Indessen wird eine solche Form der Vegetation fast eben so sehr durch die Scheingrascr, als durch die Gramineen selbst begünstigt, und in hohen Wüschen und Halmen verzierten Cypcrus und Simsen die niedrige Grasnarbe, die wiederum selbst vom eingemischten Klee, von blühenden OrchiZarten und Bartsien in bunten Farben prangte *). 3. Iunius. Wir hatten uns noch am Abend wieder eingeschifft, konnten auch während der Nacht eine Zeit lang den Seewind benutzen, aber als die Sonne aufging, befanden wir uns noch an der Insel, ohne Hoffnung den Athos zu erreichen. Dcr Anblick der Westküste von Tassos ist durchaus von der Nord-scite nicht verschieden, ebenso felsig, düster und unwirthbar, nur daß hier der groteske Hintergrund fthlt oder weiter zurücktritt, zu dem der Ipsario von Panajia über den beiden Landungsplatzen sich erhob. Da wir uns hart an dcr Küste hielten, so trat erst gcgcn Mittag, als wir das südwestliche Cap von Tassos hinter uns ließen, dcr Athos in seiner bedeutenden Gestalt unsern Blicken entgegen, nunmehr noch gegen 6 g. Meilen entfernt, obgleich seine Höhe und seine helle Erdfärbung ihn weit näher zu rücken schien. So erhaben und mannigfaltig die Ketten und Bergspitzen der Küste von Thracien und Macedonian, wie der beiden Inseln Tassos und Samothrake auch sein mochten, welche nunmehr fast in jeder Richtung den Horizont einschränkten und diesem Winkel des aegaeischen Meers den Character eines großartigen Golfs darleihen: immer erscheint doch dcr Athos als die höchste, alles Uebrige weit überragende Erhebung, und indem, wie wir sahen, der ebenso nahe Pangcus, dcr uns im *) Unter ben ©väfern sfnb finite ber aužg?seicfmetflen: Andropogon ^aloppnsis Sibth., Briza clalior Sibth. unb baö monocarpi[d)c Hordeum "'■»riümum With. — £)ie übrigen oben bemerftm ^flanjjcn stub t Cyperuä °nSUs L. «Inneus mariümus Lam. — Trifolium siliforme L. var, *lel^ bis z« 600' Höhe hinabsinkend, jedoch übrigens unverändert bis an den Xerrescanal und das Vorgebirge Platy sich ausdehnt. Da wir diese Kette noch oft im Gegensatz zum Athos selbst zu erwähnen haben, so wollen wir sie in der Folge der Kürze wegen mit dem Namen des heiligen Waldes bezeichnen. Die Seitcnabhänge des Kamms sind demnach den beiden Küsten der Halbinsel zugekehrt und beide werden gleichmäßig von bewässerten Thälern und H^ion-Oros. 229 Schluchten reichlich durchschnitten, zwischen denen die Seitenarme der Kette hinablaufen und gewöhnlich in klippenreichen Abstürzen enden. Die Höhe dieser Klippen, stets eine weite und malerische Aussicht über das Meer und zu den Inseln beherrschend, ist häufig zur Anlage der Klöster auscrschen. Wenn nun, diesen schroffen Uferfelsen entgegengesetzt, die Ausmündungen der Thaler nicht selten emeu geschützten Hafenplatz darbieten, so muß man nach einem Blicke auf die physische Gestaltung dieser Halbinsel gestehen, daß sie der Cultur des Bodens die bedeutendsten Hemmnisse entgegenstelle, hingegen zum Erwerb des Fischers, und sogar zum Betrieb des Handels wohl geeignet erscheine. Denn so bergig und unwegsam ist überall die Oberfläche, so völlig ist das Gebirge von Vorland, Hoch-flache oder Thalweitungen entblößt, daß die Bewohner dem Erdboden die nöthigen Nahrungsmittel keineswegs abgewinnen können und daher gleichsam von der Natur auf die Erzeugnisse des Meers angewiesen und bestimmt scheinen, was sie übrigens bedürfen, für die mächtigen Stamme ihres Waldes und für etwaige Früchte ihrer Industrie einzutauschen. In der That besteht auch in den gegenwärtigen und seit langer Zeit dauernden Zuständen, außer daß einzelne Pflanzungen von Trauben, Oliven und Obstbaumen, so wie geringe Gemüsegarten und spärliche Getraideacker unterhalten werden, keine weitere Bebauung des Bodens; allein da die Hajioriten (so heißen die Bewohner der Halbinsel) auswärtiger Hülfsmittel sich erfreuen und da »ihre furchtsame und trage Gemüthsart« sie abschreckt, »das tiefe und stürmische Meer«, an dem sie wohnen, zu befahren: so haben sie weder dcm Fischfang noch dem Handel sich hingegeben und erwerben sich ftibst nur den kleinsten Theil ihrer Bedürfnisse, wenn sie geringe Ladungen Holz (und dieß ist das einzige Er-zrugnlß des Bodens, das sie verwerthen) nach außen verführen. Es gicbt gewiß keinen Ott in Europa, wo die menfchlichm Verhaltnisse seit den Zeiten des Mittelalters so völlig stationär ablieben wären, als in den Klöstern des Häjion-Oros. Wenn 'U"N den ausführlichen Reisebericht von Belon liest, dcr sie vor " Jahren besuchte, so könnte man glauben, dieser Schriftsteller 230 Achtes Capitel. ' habe seine Beobachtungen im verwichsen Jahre angestellt. Hierüber ließe sich nun wohl im Allgemeinen bemerken, daß eine Körperschaft, deren Geist und Form in Jahrhunderten ganz unverändert blieb, und, wäre ihr Beharren gleich an eine edle und ewige Idee geknüpft, nicht ohne Verlust an Kraft und Werth habe bestehen mögen. Und so stimmen alle neuern Beobachter in dem Bekenntniß überein, daß Unwissenheit, Egoismus und an die Stelle der Religion getretener Formendienst als das endliche Ergebniß des vor 1500 Jahren begonnenen und streng ausgeführten Versuchs dastehe, in einem zwar kleinen, aber von den übrigen Menschen sowohl abgesonderten, als unabhängigen Reiche christliche Entsagung und betrachtende Lebensrichtung als Grundlage der Gesellschaft festzustellen. Ein Staat von Mönchen und Eremiten, in dessen Einsamkeit sich mehr als ein byzantinischer Kaiser, vom Glanz und Schrecken der Nelt ermüdet oder gebeugt zurückzog, hat sein geistiges Leben nunmehr so völlig eingebüßt, daß zu Anfang dieses Jahrhunderts ein Officier des gebildeten Europa, der, zum Klosterleben fest entschlossen, am H/»jion-Oros diesen Wunsch zu erfüllen strebte, bald wieder aus Ekel vor seiner entwürdigten Umgebung sich zurückzuziehen nicht umhin konnte. Nachdem das älteste Kloster, Vatoftedhion, von Consiantm dem Großen gegründet war, entstanden wahrend der byzantinischen Herrschaft aUmahlig auch die übrigen, frommen Niederlassungen, überhaupt 20 Klöster mit deren Pertinenzien. Indem ihnen sämmtlicher Grund und Boden der Halbinsel angehört, bilden sie noch heute den kleinen, jedoch durch sich selbst regierten Staat Hujion-Hros, mit der Pforte in keinem andern *) z;er- *) Wenn sich die Klöster unter einander in Rechtsstreitigkciten verwickeln, so rufen sie zwar häufig die türkischen Gerichte zmn Spruche an, allein sie sind dazu nicht verpflichtet, und es liegt ganz im Ginne der türtischrn Vcnvallung, eine Municipalität, wie die vom Monte saut», so lange sie lhre regelmäßige Abgabe zahlt, durchauö ihren innern Anordnungen zu überlassen. Dcr Tribut betrug zur Zeit von ^eate'6 Neise mit dcn üblichen Gr-schciilc« gegen 75MM Piaster, also nach damaligem Geldwcrthe etwa 8MW Francs, Mir hingegen wurde in CaracS eine hehcre Summe genannt, näm< HlijionOros. 23 l hältniß, als daß sie durch Tribut und Geschenke ihre Unabhängigkeit jährlich sich zu sichern genöthigt sind. Ihre Privilegien für eine vom türkischen Reiche abgesonderte Stellung gehen so weit, daß kein Muselmann ohne ihre Erlaubniß die Halbinsel betreten darf. Auch gestatten sie keinem Türken, in ihrer Mitte zu wohnen, mit der alleinigen Ausnahme des aus den Garden des Sultans ^) ernannten Aga's, der den Tribut in Empfang nimmt, die Sicherheitspolizei mit Hülfe einiger im Dienste der Klöster stehenden Soldaten ausübt und in Caraes, dem Hauptorte des H/ljion-Oros, residirt, indessen keinen Harem mitbringen darf. Um die bedeutende Beziehung, in der die Hajioritenklöstcr von jeher zur griechischen Kirche gestanden haben, näher zu bestimmen, hat man den Satz aufgestellt, sie genössen dort desselben Ansehens, wie Nom in der katholischen Welt: womit indessen das Verhältniß nicht rein ausgedrückt wird, da sie keinerlei kirchliche Gewalt ausüben, sondern nur als Wohnsitz der Frommen gepriesen und geehrt werden, indem die Hajioriten den Geboten der Kirche am treusten entsprachen. Sie bilden gleichsam einen höhern und heiligern Mittelpunct für die übrigen von Arabien durch Syrien, Anatolicn und Numelien zerstreuten Klöster der griechischen Kirche, sind aber in geistlichen Angelegenheiten dem Patriarchen von Constantinopcl untergeben. Aus dem religiösen Ansehen, dessen die Calojeren ") d. h. die guten Väter oder Mönche des Athos sich erfreuten, erklärt es sich leicht, wie sie allmählig einen bedeutenden Grundbesitz in den meisten Ländern, ^ wo der griechische Glaube herrscht, erwarben. Am beträchtlichsten sind dir Revenue«, welche sie aus Macedonien und den Für- llch 25000« Piaster als regelmäßiger Tribut, ohne die Geschenke an den Pascha von Galonichi und die Großen des Reichs. Da sich diese beinahe ebenso hoch als der Tribut selbst zu belaufen scheinen, so könnte man wohl annel,-wen, daß die Zahlungen dcs H^ion - Oros sich gegenwärtig auf KtMX» — 12UW0 Francs belaufen mögen. *) Bostandschi, ursprünglich Gärtner. 232 Achtes Capitel. stenthümcrn an der Donau beziehen. Ihre Güter, die den Namen Metochicen *) führen, werden zum Theil durch aus ihrer Mitte ausgesendete Väter verwaltet: in Maccdonien allein liegen gegen 50 dergleichen Höfe, durch welche die Klöster unmittelbar mit Getraidc vcrschcn werden können. Da jedoch so bedeutende Einkünfte dmnoch nicht genügen und da bci getrenntem Haushalt einige Klöster reich, andere hingegen arm sind: so wird das Fehlende durch Almosen gedeckt, indem eine große Anzahl im Reiche umherpilgcrt und die Christen der griechischen Kirche zu frommen Gaben ^) auffordert. Zu dieser Klasse von Calojeren gehörten auch meine Reisegefährten. Hiebei ist zu bemerken, daß die Einzelnen in gewissen Klöstern eignes vermögen besitzen dürfen, ohne, wie sonst üblich, ihr Gut dem Kloster zu überantworten. Dies hat zur Folge, daß sie, bei aller Entfremdung vom Weltlichen, doch gern auf abgesonderten Erwerb Bedacht nehmen, und so kann man sagen, daß hier von den sogenannten drei Gelübden des katholischen Münchsstandes die Keuschheit unverbrüchlich streng, die Armuth etwas nachsichtig beobachtet wi,d: von dem Gehorsam aber befreit sie einigermaßen die republicanische Verfassung, die in der Verwaltung des Ganzen und auch meistcntheils in dem innern Leben der einzelnen Klöster eingeführt ist. Vier Proist:»meni üben die höchste Gewalt auf dcm Monte santo, die nicl't von oben, sondcrn nur durch die Rechte der Untergebnen beschränkt wird. Ihre Würde erlangen sie durch Wahl der Klöster, aber sie dauert nur cm Jahr. Da indessen jedes Kloster sich selbst mit fei- *) Ä5,?iion-Oros weiter auszudehnen, indem auch dic ^lostcvgcbäude in den Städten Numc-liens, die dem H^jion-Oros direct angehören, und wo die milden Spenden zusammenfließen, Metochieen genannt werden. Sie begreifen also sämmtliche Ginnchmeposten der Kloster. Solche Metochieen ohne Grundbesitz giebt es z. B. in Constantinopel! dahin gehörte auch das Kloster zu Enos, cine Me-tochie von Lavra. ") Man klagte jedoch, daß die Almosen in neuerer Zeit spärlicher ein-qingsn, und baß die Finanzen sich in Folqe dessen und wegen deö Drucks nach dem griechischen Kriege verschlechtert hätten, Hlijion-Oros. 233 nen AnM.qenheiten beschäftigt, so beschränkt sich dcr Wirkungskreis dcr Proist^cni auf das Ganze betreffende Maßregeln *), auf die Vcrthcilung und Eintreibung der Steuern und endlich auf höchste richterliche Entscheidungen. Die Verfassung selbst steht unwandelbar fest und kann durch Niemand verändert werden. Zu ihrer besondern, jedoch ebenfalls zeitigen Regentschaft wählcn sich die einzelnen Klöster zwei Vorstände aus ihrer Mitte, die ProclMes ^) genannt werden. Nur die armem, sieben an der Zahl, werden strenger verwaltet, indcm jedcm dcrsclbcn ein einziger Proest Ealojeren an, während Smith auf jenes Kloster nur l60, auf dieß mit En>-schluß der Eremiten nur I2N zahlt, was gewiß zu gering ist, da mir selbst in Lavra versichert ward, zu diesem Kloster gehörten 300 Personen. Allein die Zahl der Calojeren wurde auf mein Befragen in Caracs zu 2^^l«. Deren sind gegenwärtig II. Der Vorsteher einer solchen Gemeinde heißt ^.«lo^. 444) /A).^,«lo!?«5. *"*) '/^^tii-nl oder Pi^'^ial. 54.5.) FUr die Unvcränderlichkeir in den Verhältnissen des Hl'iion-Oros ist es ein interessanter Beweis, daß die Aufzählung von Belon so genau mit diesem Cataloge, der von kcate und Smith übereinstimmend mitgetheilt wov-den ist, zusammentrifft. Er redet zwar von 23 — 24 Klöstern, zählt aber deren nur 21 auf, indem er die Stadt Caracs für ein Kloster rechnet. Die übrigen 2U sind dieselben, wie heutzutage, mit der einzigen Ausnahme von Archanjelos, das nicht mehr zu crislnm scheint oder vielleicht nur ein At,l>. tu'ion war. Statt dessen schll Xiropolamu, welche nach Lcakc eine Zeit lang der Seeräuber wegen verlassen stand. 236 Achtes Capitel. vra (dieses ist jedoch das einflußreichste von allen), Dhionysiu, Caracälo, Nüssicon, Essigmenu, 3irop?t/>mu, Pavlu, Xen6fu, Zogrüfu, Dhochan'u, Cutlunnlsi, Filothe'u, Pandocr/.loras, Sta-vronikita, Gregoriu, Simopetra, Castamonltu. 15 dieser Klöster werden von Griechen, die übrigen von Slaven d. h. Serben, Bulgaren und Nüssen bewohnt. Die slavischen Klöster sind: Chiliand/ui, Pavlu, ten«»fu und Zogrlisu; endlich N'issikon, auf welches ausschließlich Nüssen angewiesen sind. — Nach diesen Andeutungen nehme ich mein Tagebuch wieder auf. 4. Iunius. Bei Sonnenaufgang fanden wir uns dem Kloster Pandocrütoras gegenüber, allein da kein Lüftchen wehte und ein stiller, heiler Tag sich ankündigte, mußten die Nuder noch einmal ergriffen werden, und es wahrte volle 5 Stunden, bis wir endlich im Hafen unter den Klippen landeten, auf deren felsiger Platte das Kloster Pandocrätoras in das Meer hinausschaut. Während dieser Fahrt erfreuten wir uns in der heitern Morgenbeleuchtung des Anblicks der frisch grünen Waldung, die von der Flache des Meers bis zu den sanft geneigten Höhen überall dicht sich verbreitete und in einer Entfernung, wo weder die Klippen noch die Schluchten noch die Krümmungen der Küstenlinie bemerkt werden, vom Cap Platy bis zum Athos einen einzigen, über eine weite Strecke gleichförmig ausgedehnter, mäßig erhöhten Uferabhang mit fruchtbarem Wachsthum zu beleben schien. Je mehr wir inzwischen uns diesem Ufer selbst näherten, desto entschiedener sanken die schattigen Thäler zwischen den hell erleuchteten Armen des beiligen Waldes ein und verschwanden in der Nähe des Meers hinter den Klippen, die nunmehr hier und da zwischen dem Grün des Waldes und dem blauen See in lichter Färbung hervortraten. Selbst von den Klöstern, die so frei über Abgründen da stehen, und von Mauern umgeben, in f" stungsartiger Bauart einst den Seeräubern Trotz boten, blickten vier oder fünf schon aus weiter Ferne gastlich einladend zu uns herüber, von Vatopedhion aus bis zu einem äußersten Puncte, dem Kloster der heiligen Lavra, das jedoch nur vom scharfsichtigsten Auge entdeckt werden mochte, um so mehr als der Athos selbst und ein hoher, zackiger Vorberg, der als eine mächtig Hnjion-Orcs. 237 Borstufe zu seinem Gipfel dcm nördlichen AbHange entgegen geschoben ist, sich hart über Lavra erhebcn und dessen Gemäuer durch den Gegensatz der Große dem Blicke entziehen. Dagegen komtte die Lage von Pandocri.toras, gegen 15U' über dem Meere auf weißem, senl'rcchtcn, von den Welkn bespülten Kalkfels, die Hdfenbucht zu seinen Füßen, genau b'trachtct werden und die stattlichen Gebällde selbst, welche die gangbare Oberfläche dcr Klippe völlig einnehmen, bildeten den abgeschlossenen Mittclpunct eines Gemäldes, dessen Nahmen in der ringsum verbreiteten Waldung rbcnso sicher abgegrenzt werden mochte. Wendete sich nun das Auge von diesem den Character des Hi.jion-Oros vorläufig bezeichnenden Bilde wieder zu den übrigen Landschaften, die über dcm Spiegel des Meers zu einzelnen bedeutenden Gruppen sich absonderten, so-haftete es zuerst am Alhos, der, dem Anscheine nach ganz unerstciglich, bis zur halben Höhe etwa von Wäldern umgürtet, unerwartet aus dcm ebenen Kamm des heiligen Waldes hervorstcigt und auf dcr andern Seite von dem Fuße seines Vorgcbirgs über La'ora eine flache, grüne Erdzunge in's Meer zu senden scheint, indem eine solche Gesichtstäuschung dm-ch die eigne Wölbung dcr Küste bewirkt wird. Neben dcm Athos tritt sodann die Insel Lemnos hervor, ein niedriges Eiland, so tief gelegen, daß, da, in einem Abstände von 12 gcogr. Meilen wahrgenommen, nur die einzelnen Höhenpunktc über den Horizont hervorragen, diese scheinbar ohne Verbindung als ebenso viele ^einzelne Inseln neben einander gestellt erscheinen. Im Osten blieb Samothrake stets sichtbar, dessen höhcrcs Gebirge von etncr Wolkenschicht aufgenommen ward, und wenn man rückwärts den Blick richtete, so erhob sich aus der glatten Spiegelfläche das Gebirge von Tassos, im blaulichen Morgendufte rein abgezeichnet. Endlich um 1«^ bogen wir in die kleine Fclsbucht, den Hafenplatz von Pandocrätoras, ein und mit erleichterter Empfindung sprang ich auf die Steinplatte, wandelte die Treppe, welche in dcr schrägen Klippeinichtung seitwärts ausgchauen ist, zu der Klosterpforte hinauf. Der Haupteingang ist wohl gepflastert, und führt, wie die Auffahrt zu einer Ritterburg, aus dem Thale in bequemen Win- 238 Achtes Capitel. düngen auf die Höhe des Klosters. Vom Hafen gelangt man hingegen durch cine enge Scitcnpforte in den äußern Hofraum und weiter wie durch ein Festungsthor in den innern, wo ein hoher l,nd reich verzweigter Orangenbaum in voller Nlüthcnpracht dcn zartesten Duft verbreitete. In ein Bassin aber sprudelte köstliches, klares Gebirgswafser, dem ich, der gastfreundlichen Gesinnung dicfer Behausung gewiß, noch ehe ich mich angemeldet, nach längerer Entbehrung mit Behagen zusprach. Im Viereck um den Hof lagen die altcrthümlich verwitterten Etcmwande des Hauptgebäudes, in dessen Gänge eine offne Treppe mich einführte. Auf dem Köschk, einem nach dem Meere zu heraustretenden, lichtreichen Erker, waren Einige der Calojercn versammelt, die mich zuvorkommend begrüßten und, ohne viel nach Herkunft und Absicht zu fragen, mir eine reinliche Zelle zur Wohimng anwiesen. Sogleich wurde eine Schüssel Pillav aufgetragen, und im Ucbrigen überließ man mich, falls ich nicht selbst eine Frage oder ein Anliegen an die Calojercn zu richten hatte, schweigend meinen eignen Betrachtungen. Da ich in meinem Zimmer weder Divan noch irgend ein Gerath fand, so kehrte ich bald in den Köschk zurück, dem die ringsum vertheilten Polster, die luftige Vorhalle, so wie die Aussicht auf das Meer, das senkrecht darunter an den Felsen brandete, vor den übrigen Räumen, überbauten Hallen und trüben, ärmlichen Zimmern den entschiedenen Vorzug gaben. Meiner Vorliebe für diesen Brt wurde gern gewillfahrt, und da ich mich bereitete, meinen letzthin erworbenen Sammlungen die nöthige Aufmerksamkeit zu widmen und die im Trocknen begriffenen Pflanzen auf dem Boden auszubreiten, trat ein bisher nicht beachteter Calojer zu mir, der sich alsbald als Arzt des Klosters zu erkennen gab. Er erregte ein günstiges Vorurtheil, indem cr einige italienische Worte redete und verschiedene heilsame Krauter, die am Hüjion-Oros vorkamen, mit den hergebrachten Namen zu bezeichnen wußte; ich bcfrug ihn daher, ob cr die Arzneikunde sniherhin schon ausgeübt und ctwa in Ilalicn erlernt habe; indessen war ich erstaunt zu vernehmen, daß er schon in jungen Jahren am Athos sicb angesiedelt und keine andere Lehrmeister, als die Natur und eigne Häjion-Oros. 233 Erfahrung gehabt habe, cm Bekenntniß, das. er naiv genug ablegte und ftrner zu erkennen gab, wie er, selbst ohne Bücher zu Nathe zu ziehen, mit den Kräutern und ihren Namen von Jugend auf lxkannt, in den einzelnen Fallen seiner praktischen Wirksamkeit als ein ächter Autodidakt nach dem Erfolge seiner Verordnung sich nach und nach selbst eist die zweckmäßigste Methode gebildet habe. So wunderbar dergleichen kindliche Zustande jcncr heilsamen Kunst uns vorkommen müssen, so wäre doch zu bedenken, daß ein solcher Therapeut, auf vegetabilische Heilmittel eingeschränkt, ohne sich der entschieden giftigen Kräuter als der wirksamsten zu bemächtigen, im Allgemeinen nur die natürliche Entwickelung der Krankheiten walten zu lassen pflegt und doch noch zuweilen einen heilbringenden Schweiß hervorzubringen oder eine angemeffcnenc Richtung der Diät m's Werk zu setzen ver. stehen mag. So wie indessen ein Naturarzt nach Art unsers Calojcrs sich leicht in specifischen und universell heilkräftigen Mitteln besangt, so rühmte auch er als das wirksamste aller Kräuter cinc Pflanze, die er Vctmnca *) zu nennen beliebte, und von welcher er behauptete, daß sie nirgends auf der Erde, als am Gipfel des Athos zu finden sei, wo sie freilich so häusig vorkäme, daß, wenn ihrc Tugend im Auslande bekannt windc, gc- *) Vetonica s/?,--^«,/) wird nach Sibthorp in Griechenland 1?ewnlca äinpeciirnZ I,. genannt, eine gleichfalls alpine, über den Pindus und Schar-dagh verbreitete Pflanze, die von dcrNclunica dcü Alhos ganz verschickn ist. Vielleicht entspricht die letztere der ^,,^^ des Dioscorides, von dcr es noch zweifelhaft geblieben ist, auf welche Sidcrttiä sie zu beziehen sei, Ich vermuthete nämlich, daß die gerühmte Athospftanze, ein Halbstrauch der in der alpinen Region dcö Bergs einen vorherrschenden Bestandtheil der Flora zu bilden scheint, mit ßi^rilis ci«ii^I., identisch sein würde. Ich bedauerte lebhaft, daß sie 'in der jetzigen Iahrszeit noch ganz unentwickelt, im lebenden Zustande nicht untersucht werden konnte. Aus dem getrockneten Kraute, das die Priester mir gaben, konnte ich die Gattung ^cimiüs er- enncn. Erst in der Folge habe ich in den dem Kaiserlichen Museum zn ^ len gehörigen Sammlungen aus Rumclien, die von Herrn von Friedrichs- )al herrühren, erkannt, daß die Vctünica des Athos ^im^'s 8i'si:'»meni selbst hatten mir gewiß aus Rücksicht auf meine Sicherheit und ihre eigne Verantwortlichkeit, die Klöster zu bereisen, unter solchen Umstanden nicht gestattet. Anfangs hofften sie, der Mangel an Lebensrnitteln würde die Piraten zwingen, sich auf Gnade oder Ungnade zu ergeben, wozu ihnen, da es in solchen Fällen unter Griechen nie an Unterhändlern fehlt, möglichst billige Be-dingungen vorgespiegelt wurden. Allein in dieser Hoffnung fand man sich gar bald getäuscht, als man in Erfahrung brackte, daß die Seeräuber Nachts bald in diesem bald in jenem Kellacon sich einfanden, zwar nicht um die armen Eremiten auszuplündern, aber doch deren christliche Liebe in Anspruch zu nehmen, die freilich mit Furcht gepaart ihnen das Nothwendige mitzutheilen sich nicht erwehren konnte. Auf diese Art hatten sie sich, ohne wci-tern Schaden zuzufügen, für mehre Wochen vcrproviantirt und hofften, in die Wälder des Athos zurückgezogen, wenn die erste Furcht und die emsige Verfolgung sich gemäßigt hatten, mit günstigem Glücke nach Maccdomen zu entkommen. Dies würde ihnen wahrscheinlich gelungen sein, hätte nicht der Anführer der Milizen sich eine Auszeichnung zu erwerben im Sinne gehabt und zu diesem Zwecke die gewöhnliche Taktik der Klephten befolgt. Auf dem weiten, einsamen Wege, der, den Athos umkreisend, von Lavra nach dem Askitirion der heiligen Anna fühlt, versteckten sich die Soldaten unbcmerlt in den Felsen einer wilden Berg-schlucht, von dcr eine Strecke jenes Ncitpsades beherrscht wird HH'on-Oros. 213 und in deren Nähe sich allen Nachrichten zufolge der Schlupfwinkel der Räuber befinden mußte. Sie vermutheten, daß diese ci-ner trefflichen Quelle, die dort gesammelt wird, nicht würden entbehren können, und lauerten, wie der Jäger, der dcn Ort kennt, wo der Hirsch zu trinken gewohnt ist. Schon am zweiten Tage ihres Aufenthalts in diesem Verstecke fanden die Piraten sich ein und empfingen die Kugeln aus den langen, albanesischcn Flinten, die unvermuthct auf sie abgefeuert wurden. Einige von ihnen blieben auf dem Platze, die Andern flohen, da sie die Verborgenen nicht anzugreifcn vermochten, zurück in dcn Wald. Die Köpfe der Gefallenen wurden ttlumphircnd nach Salonichi gesendet, der Capital« der Milizen erwartete eine Belohnung und von jetzt an wurde die Verfolgung der Ucbrigen auf das Lassigste betrieben, indem man zugleich die Unterhandlungen im Stillen wiederaufnahm. In Caraes kam ich mit den Soldaten, die jenen 'Handsircich ausgeführt hatten, in beständige Berührung. Sie waren, 18 an der Zahl — das ist die ganze bewaffnete Macht im Dienste der heiligen Regierung — meistenthcils Alba-nesen, wilde, verwegene Gesellen, die wohl darnach aussahen, auch ohne Kriegslist mit Piraten einen Kampf auf halbe Sonne bestehen zu können. Einer jener glücklichen Jäger, der in be-sonderm Nufe der Tapferkeit stand, begleitete mich zur Escorte auf dcn Athos. Er hielt es für ganz unmöglich, den Piraten jetzt noch weiter nachzusetzen; hatten sie nur eine einzige Barke in einer unzugänglichen Bucht verborgen, so könnten sie jeden Augenblick fortgehen, und an Lebcnsmitteln hätten sie, wiewohl die Eremiten hartnäckig jeden Verkehr ableugneten, keinen Mangel zu besorgen. So war die Lage der Sache, als ich den Hä-jion-Dros zu durchstreifen mich anschickte und, da die Furcht der Calojeren beseitigt war und die Meinung sich festsetzte, die noch übrigen Piraten halten sich in Folge ihres Unfalls getrennt und Jeder suche sich einzeln zu retten, so versicherte man mich eines völlig gefahrlosen Zustandes und daß die Prmsiümcm mir ohne bedenken erlauben würden, die Klöster zu bereisen. Co wurde mir nun zwar mehr als einmal angedeutet, daß eme höhere Erlaubniß von der Negierungscommission dcs Häjion- 1U* 244 Achtes Capitel. Oros zuvörderst persönlich von mlr eingeholt werben mlijse m,d dasi ich mich daher zunächst nach Caracs zu wenden habe: allein da mir daran lag, den Alhos so bald als möglich bei heitrem Himmel zu besteigen und meine Schiffer, die eigentlich nach 3a-vra mich zu bringen versprochen hatten und nur durch den Wind daran vorläufig gehindert waren, jetzt im Begriff standen, dahin abzugehen: so trug ich kein Bedenken, mich ferner mit ihnen einzulassen und verlangte nur bis zmn andern Morgen in Pan-docrätoras zu bleiben, wozu sich der Capitain in der Hoffnung eines nachträglichen Gewinns gern bereit erklärte. Ich beschäftigte mich inzwischen, wahrend des Nachmittags und Abends die Umgegend des Klosters zu durchstreifen. Wenn man bei Pandocr/»toras landend nur erst dessen Kalkfelsen und in der Ferne den weiß leuchtenden Athos erblickt hat, so kann man leicht eine irrige Vorstellung von dem Felsgebauve der Halbinsel auffassen, und wenn man sich erinnert, daß im westlichen Numclien und Griechenland jene große und eigenthümliche Kalkformation, die aus den carnischen und dman'schen Alpen nach Süden fortläuft, eine so bedeutende Nolle in der Küstenbildung des adriatischen und ionischen Meers spielt, so wird man im Voraus zu der Vermuthung sich hinneigen, dasi auch hier die kreidcartigen Gebilde wiederum vorherrschend auftreten mögen. Indessen ist der Kalkstein auf der Eiligen Halbinsel, gleich wie in Maccdonien, nur von untergeordneter Bedeutung, und namentlich zeigt sich bald, daß die Klippen von Pandocr«-toras, eine durchaus örtliche Erscheinung, mit dem Marmor des Athos keineswegs zusammengestellt werden dürfen. Die geschichteten Kalkfclsen, auf denen jenes Kloster erbaut ist, haben im heiligen Walde keine weitere, zusammenhangende Verbreitung und ruhen unmittelbar auf dem Glimmerschiefer, der fast die ganze Halbinsel zusammensetzt. Gerade an dem Hafenplatze, wo ich an's Land stieg, ist dieses Lagcrungsvcrhältniß vollständig aufgeschlossen, und man kann in der schrägen Berührungslinie beider Felsarten die jüngere Bildung des Kalksteins erkennen. Wenn man von da längs der Küste weiter nach Südostcn geht, so findet man sich sogleich auf dem Glimmerschiefer, der überall an- Hi!jion-Oros. 215 steht und dessen Erddecke an üppiger Pflanzenproduktion dem Kalkgesteine weder nachstellt noch sich durch abweichende Formen der Vegetation auszeichnet. Wer den dichten Pflanzenwuchs und das üppige Wachsthum Von immergrünen Sträuchern auf den dalmatischen Inseln gesehen hat, könnte sich von der Vegetation an den Ufcrabhangen des Häjion-Qros eine ziemlich entsprechende Vorstellung machen, Wenn er sich die Kraft des vegetabilischen Lebens noch bedeutend erhöht und die Mannigfaltigkeit der Formen gleichfalls vermehrt denken wollte. Nirgends in Europa habe ich wenigstens eine solche Dichtigkeit und Fülle dcr Vegetation angetroffen, als im heiligen Walde, und lebhaft vergegenwärtigten sich mir die Darstellungen, welche die Reisenden über das unvergleichlich gesteigerte Leben der organischen Natur in tropischen Gegenden uns überliefert haben. Wenn man solche Wilder freilich nur aus Erzählungen oder Gemälden kennen lernte und ohne eigne Anschauungen kaum zu einer Vergleichmig berechtigt erscheint, so mag cs doch immerhin als ein reiner Eindruck gelten, dasi in dieser Rücksicht der Hüjiotl-Oros alle Gegenden von Rumelien, die ich besucht habe, so sehr hinter sich zurücklaßt, daß, wären nicht die meisten der vorherrschenden Gcsträucharten dieselben, und nur durch höheren Wuchs, dichtere Vereinigung und das Zusammenleben alles dessen, was sonst zerstreut die Landschaften schmückt, hervorsiechend, man vielleicht eine neue und fruchtbarere Zone betreten zu haben sich vorstellen könnte. Bisher ist die Regel gewesen, daß in der immergrünen Küstenregion zwei oder drei Straucharten an Zahl der Individuen die übrigen Gewächse so sehr übertrafen, daß von ihnen allein der Character der Landschaft bestimmt wurde. So waren es bald die zarten Nadeln der Erica, bald die runzlig-wolligen, kaltgrünen Blatter der Cistusrosen, bald das markige, glanzende Laubgewcbe der Lorbecrform, mochte diese nun im Arbutus oder in der Coccuseiche oder im Lorbeer selbst sich ausprägen, welche hier verschwindend dort wieder vorwaltend örtlich einen solchen Einfluß hervorbringen mochten. Am H''»iion-Oros hingegen sind alle jene Grundtvpen des Physiogno-w'schen in kr südcuropäischen Flora auf demselben Puncte ver- 246 Achtes Capitel. webt, gesellig vereinigt und schaffen dadurch ein unerwartet neues Bild. Betrachtet man nun diese charactcristifchen Laubgcstalten der vorwaltenden Sträucher im Einzelnen, so wird man hier sogar vier verschiedene Stufen unterscheiden können, wobei wir von den reichsten zu den zarter gebildeten oder gleichsam vernachlässigten Formm fortschreiten. So wird zucrst das Lorbeerblatt im Ar-butus und in der Steineiche vorgeführt, von den Eisten zeigen sich die beiden gewöhnlichen Arten Vithyniens, ebenso für die Erikcnform Lrica ln'i,oreü, aber zuletzt werden noch zwei oder drei Leguminosensiräucher bedeutend, die gar keine Blatter tragen, in langen, grünen Ruthen sich zwischen das übrige Gebüsch drangen und zum Theil mit Dornen bewaffnet den Zutritt verwehren. Wie nun diese acht immergrünen Gewächse *) gleichartig gemengt ein eignes Gemisch verschiedener Bildungsart darstellen, so stehen sie so dicht und fest durchwachsen beisammen, daß es völlig unmöglich ist, nur zwei Schritte weit in das Dickicht einzudringen. Reitwege und Fußpfade sind künstlich angelegt, die zu den Klöstern und Kellaeen führen, aber übrigens ist die Küste durchaus von diesem unzugänglichen Urgcbüsch bedeckt, welches sich weit über Mannshöhe und an einigen Orten bis zu 13^ erhebt, so daß auch in dieser beinahe waldgleichcn Höhe das Gestrauch gegen alles früher Gesehene eine gesteigerte Lebenskraft anzeigt. Solche Vorzüge entschädigten dafür, daß jetzt, beinahe 40 Tage (S. 46.) nachdem ich sie in Blüthe gefunden, jene immergrünen Straucher mcistcntheils schon Früchte trugen; die Iahrszeit der Leguminosenblüthe schien jedoch noch nicht vorüber zu sein, denn eben Ginster und Spartium waren reichlich mit gelben Schmctterlingsblumen geziert. Wendet man den Blick von diesen hohen Gesträuchartcn zu den weniger hervorragenden Bestandtheilen der Flora, so findet man die Zwischenräume, welche die nach oben zum Lichte drängenden Zweige zwischen den verborgenen Stammen übrig lassen, *) Arbutus Unedo L. Quercus Ilex L. — Cistus salvifolius I/. C. villosus Lam. — Erica arborea L. — Spartium junceum L. Cytisus laniger DC. Genista acanthoclada DC. Hlijion-Oros. 247 von niedrigem Gebüsch, von Schlchen, Myrten, Osiris und ei-ncm von großen, brennend gelben Blumen überladenen Hyperi-cumstrauch ausgefüllt. Auch ranken Lianen hervor, die zuweilen die hohem Sträucher umwinden und sich von beiden Seiten über dcm Reitwege begegnend ein Laubdach über dem Reisenden ausbreiten. An schattenliebenden Kräutern, besonders Leguminose« und Glockenblumen, ist gleichfalls kein Mangel und selbst der kalte, festgetretene Thonboden des Wegs nährt noch seine Rasen von Zwergsimse ^). So ist die Küste weit und breit von einer Einöde freiwillig wuchernder, unbenutzter Gewächse bedeckt, und nur in der nächsten Umgebung des Klosters erblickt man einige Olivenbaume und Spuren von Getraidcbau. Die Klippen selbst gewahren dem Botaniker eine Ausbeute an seltenen Krautern, von denen mehre Griechenland oder dem Häjion-Oros selbst ganz eigenthümlich angehören ^). 5. Iunius. Im Begriff die Barke noch einmal zu besteigen, die mich nach Lavra hinüberführen sollte, wurde mir *) Primus insiiicia L. Myrtus communis L. Osiris alba L. Hypericum olympicum L. - Smilax nigra W. - Psoialta palae-stma G. Trifoliutn Eocconi Sav. Lotus anguslissimus L. Uoiy-cnmm graecum Sm. Campanula ramosissima Sibth. C. lingulaia Kit. Euphorbia verrucosa L. tinb amygdaloides L — Linuro gal-J'cum L. Flypericum deniatum Lois. Ürnitliogalam pyrenaiciim L. Ana pulcliella W. Briza maxima L. — Juncus pygmaeus Thuill. **) i- J8. Campanula rupestris Sibtl). 13crtoroa orbiculata DC. Silene fabaria Ait. SBcfonbcrS iipm wutyevt Static« sinuata L. gem« «fdjeincn fotcjenbe livtm füs bie rupcflve SSegetation d)avact«i|lif«j Mal-colmia incrassata DC. Papaver hybridum L. Ruta graveolens L. Geranium rotundifolium L. Crithmum maritimiim L. Chrysanthemum segetura L. PJantago Coronopus I, Parietaria judaica L. 3tlö ©eflräudj («ten Ficus Carica L. tint Rubus fruiicosus L. auf. -*aume in ben Umsebungen tc6 Älojlerö jinb Cupressus sempervirens L., atanus orientalis L. vm\> Olea europaca L. — ©ie UfcrwQetation ^ SSad)ö bejjejt auš Vitex agnus castus L., Hypericum olympicum mT* DracuncuIus communis Sch. — 3m «nfwut bev S38fgvanb«r Us mt man befonbere Sinapis lauriea Fisch, unb Ilyoscyamus albus L. 2 l8 Achtes Capltel. durch die Proestoten bedeutet, wie ich wohl bcsscr thäte, zuvor mich nach Caraes zu wenden, nicht sowohl weil irgend ein Klo« stcr selbst ohne die Empfehlung und ausdrückliche Erlaubniß der Pro'i'stamcni den Fremdling zurückweisen würde, als damit ich bei etwa eintretenden Gefährlichkeiten auf besondern Schutz nch-nen könne. Zugleich stellten sie mir zur Reise die nöthigen Maul-thicre bis Caracs, das nur eine starke Stunde entfernt ist, zur Verfügung. Indessen verzögerte sich die Abreise bis zum Mittage und man bewirthete mich zuvor mit einem Frühstück aus Pillav: eine besondere Vergünstigung, da seit gestern eine dcr großen Fastenzeiten, die 3i) Tage währt, begonnen hatte, in der, um die ohnehin geltende Enthaltsamkeit von Fleisch noch zu er« höhen, auch Eier, Fische und alles Fette, als Butter und Oel, verbannt werden. Auch für mich gab es wahrend meines Auf' entHalts in den Klöstern kein Fleischgericht, weil ich nicht daran dachte, mir, wie frühere Reisende gethan, zu eignem Bedarfs Tauben zu schießen: aber wahrend die Calojeren um mich her ihr Mittagsbrod aus Salat und in Waffer zu einem Brei gekochten Bohnen verzehrten, ließen sie für mich das beliebte Ncisgericht auftragen, das ohne Fett oder Butter nicht zu genießen ist. Bis auf die sirenge Diät sind die Klöster überhaupt recht eigentlich zum annehmlichen Aufenthalte für Fremde geeignet und besonders dem reisenden Naturforscher zu empfehlen. Die Calojeren sind gewohnt Gaste bci sich zu sehen: denn beständig wandern Pilger der griechischen Kirche zu den Athosklöstern, indem sie, wie die Wallfahrer nach dem heiligen Grabe uud den arabischen Städten, damit ein frommes Werk zu verrichten gedenken. Freilich suchen dicse Frommen noch dadurch ihr Verdienst zu steigern, daß sie den Klöstern reiche Geldgeschenke widmen, freiwillige Gaben, die nicht selten in jrdrm einzelnen Kloster, das sie besuchen, bis zu 1U0U Piastcrn sich belaufen: allein hiedurch sind die Ansprüche vcrhältnißmäßig gewachsen, welche zwar nicht geradezu an den Fremden gerichtet werden, aber ihm fühlbar genug die anscheinende Gastfreundschaft verleiden. So findet er überall freundliche Aufnahme, Unterkunft, Speise und Trank, unentgeltlich die Maulthiere bis zum nächsten Kloster bereit, er empfängt die Ehren- HHion-Oros. 219 besuche der Proüstoten, die sich freuen, einen so ausgezeichneten Fremdling mit ihrer Armuth gastfrei bewirthen zu können, und wenn er am andern Morgen weiter reist, so ist er in drm Falle, zum Abschied ein Geschenk von mindestens 1UU Piastern in den Klosterfond zu entrichten: zumal wenn ein frommgcst'nnter Grieche, der sich vom Segen der Calojeren glückliche Folgen verspricht, als Diener und Zahlmeister handelt, wird man gewiß nicht Gefahr laufen, die Gastfreunde durch eine zu karge Gabe zu beleidigen. Um 12^ stieg ich bei hoher Wärme durch das Gebüsch, das zu dieser Tageszeit nur selten Schatten gewahrte, den Berg gegen Caracs hinan. Der Weg bkibt eine Wcile auf der Grenze des Kalksteins und Glimmerschiefers, die von Pandocrütoras aus gegen Süden in die Halbinsel einschncidet. Der Glimmerschiefer tritt in sehr mannigfaltiger Färbung auf, vom schwarzen bis zu den lichtesten Tönen. Schon früher hatte ich bemerkt, daß der heilige Wald nicht überall so ganz einfach ans Kamm, Seitenarmen und Querthä-lcrn besteht, sondern daß die Verzweigungen der Kette zuweilen dem Haupthöhenzuge fast parallel verlaufen, wodurch die Landschaft einen bedeutendern Gcbirgscharacter gewinnt, so daß das Meer, das sonst überall den entschieden nahen Hintergrund aus-Nlacht, alsdann fast durchaus dcm Blicke eine Zeit lang entzogen wird. In einem Hochthale, das unter solchen Verhaltnissen sich einsamer abschließt, ohne jedoch eines Durchblicks auf die See von Tassos zu entbehren, liegt Caraes *), ein Städtchen von *) Leake schrkb X«^'<.-: und man leitete den Namen von den Nüssen ab, die man von hier ausführen soll. Ich habe jedoch bei Caraes weder Pflanzungen von NusMumen bemerkt, noch im Walde Haselnüsse angetroffen. ic«^ci sind übrigens die Früchte von .l uglun» «-«6»« 1^.. einem Baume, den Sibthorp für die griechische Flora gar nicht aufführt, wahrscheinlich weil er ihn nicht für einheimisch hielt, da er doch häufig angepflanzt wird. 0«. i^lus /^vLilnnll 1.., dessen Nüsse I.^..-««^'« genannt werben, wird hingeben von ihm als am Athos wachsend angegeben (I'iollr. 2. p. 241.) Cara-lannopulos (a. a. O,) hingegen nennt die Metropolis des H-yion-Oros ^«(.«. "nd ich glaubte sie gleichfalls Gtas Garaeü (<'< s«5 /i«(,«,'c) habon anospr^ 250 Achtes Capitel. kaum IU<1 zerstreut liegenden Häusern, durch die umher in den benachbarten Gebirgstheilen hier und da sichtbarcn Kcllaeen anscheinend vergrößert und am Fuße des höchsten Nergkamms gegen 2000' über dem nahen Meere sich ausbreitend. Unmittelbar an dem Dickicht kommt man zuerst neben einzelnen, durch Gärten getrennten Häusern vorüber, dann folgen andere, die näher zusammengedrängt eine enge Straße begrenzen, und bald sieht man sich schon im Mittelpuncte der Stadt, wo die kleinen Häuser, meistenihcils zu Kramläden eingerichtet, den Bazar bilden, von dem man durch ein Seitengäßchen zu der Ummauerung der Klostergebaude gelangt. In dem ersten Hofe liegt links die Wache oder Caserncnstube der im Dienste der Negierung stehenden Soldaten, dann folgt der Audienz- und Geschäfts-Saal der Pro'i'stameni, gegenüber eine Gallcrie und ein Köschk, wo diese sich den Tag hindurch meistentheils aufzuhalten pflegten; dieses nebst einem Rosengarten vollendet den Kreis. In einer andern Abtheilung findet sich die Kirche, die zu den al-testcn der Halbinsel gehört und ehemals nebst den übrigen Bauten als eins der Klöster gerechnet wurde. Mir wurde, als Dimitri mich ohne weitere Förmlichkeit angemeldet hatte, sogleich ein Zimmer der Wache, welches für die Aufnahme von Fremden bestimmt war, mit einem daranstehenden offnen Köschk eingeräumt, wo ich mich zunächst von einem Unwohlsein, das mich befallen, wiederherzustellen versuchte. Ich fühlte mich auch bald stark genug, als die Hitze des Tags anfing sich zu mäßigen, einen Spaziergang durch die Umgebungen der Stadt anzutreten; hier aber verlockte mich, obwohl ich ganz allein war, der Reiz einer so unendlich mannigfachen und eigenthümlichen Vegetation tiefer in's Gebirg, als ich beabsichtigt hatte. Von Pandocrätoras her reicht bis zur letzten Höhe vor Ca-raes die Gebüschvegetation *), welche wir gestern kennen lernten, chen zu hören. ^c«^«l heißt Schädelstätte, und diesen Namen leitet der griechische Reisende von der Niedermetzelung vieler Calojercn durch Michael Pa-laeologos im I. 1285 her. Hiernach schreibe ich auch Caraes. *) Ale acttssorische Begleiter der erst erwähnten 8 vorherrschenden Hlijion-Oros. 25 l i" gleicher Ueppigkeit fast beständig selbst dem Reitenden den Um-blick hersagend, käme er nickt bald an Kcllaeen vorüber, bald über kleine Wiesen *), durch Oelbaumpflanzungcn ") oder zu den winzigen Weingärten der Calojeren. Vor der Stadt aber bctrilt dcr Wanderer unerwartet den dichtesten Hochwald, dcssm Kern die (Zasianie bildet, in den höchsten Stämmen allcs Ucbrige zurücklassend. Die übrigen Baume sind Steineichen und einzelne Weißtanncn haben sich aus dem höhern Gebirge hier herab verloren. Denn daß die Tanne bei Caracs in einer Höhe von 1700'—2 l00' *") ein allzu feuchtwarmes Clima sinde, um sich vollkommen ausbilden zu können, scheint daraus hervorzugehen, daß sie mcistcntheils niedrig bleibt und in solcher Gestalt eine bedeutendere Nolle in dcr Zusammensetzung Ves Unterholzes spielt, Sträucher zcigen sich nach und nach folgende: Ouercus coccisera 1^. 6. iirdorescenZ 1^. 6!eniLl» scllliaz» Viv. ^6enoc»rpu8 interm^clius DO. — Unter den Kräutern, welche in ihrem Schatten oder am Nande des Gebüsches wachsen, sind noch folgende bemerkenswerth: ^ll!»ria oiNcinalis ^Vn6r. ?>sgZMriium lippieenZo ür. ßilene ^rmeri» 1/. <ües»«lium manticum 1^. 0. vi»co8um 1^. Vicia cracca 1^. V. pgnnonic» 8cap-V. onnbl) cliiailles 1^. I^aln^rus granclilinrus 8iblll. (eine Liane, die vielleicht unter allen europäischen Legummosen die größten Blüthen trägt, und wahrscheinlich von der gleichnamigen Art des liot. mk,A. verschieden ist). 1>iso!i>,m prolmmdenZ l.. ^otentill« l»ill» 1^. 8enecia syenic»!»- !?lilNlHil» ponüca XVätll. ^ven» LlerNis. 1^. ^) Eine Waldwiese dieser Art bestand besonders aus vac-^Iis ßlo- «num ^rll«»1tum. Vili. und I.eontc>llon aulumogljs 1^. ^') Das angebaute Land bei Caraes ist ciewöhnlich uon dichten Flie-berhecken (8»mducu8 ni^s» I..) eingezäunt. Im Schatten dieser Hecken ist wiederum eine besondere Flora: Lgmium «ll-iamm sidll,. 1^. m«3«l>«li,m ^liü. I'isum elalum U. L. fni-ven^e 8ib«ll.). (!»mp°!t,uln lumozis-^>ma 8ik«l». Zuweilen auch.- I.)l!,l»m Ii^Zsopilnlin ^.., zjllrtgili vi^Q-usa ^» und allgemein über den Hujion-Oros verbreitet üertelo» arliicülitl» l)<ü. "*) Caraes selbst liegt nach Copland's Bestimmung schon 2l9ä' liber dem Meere. 252 Achtes Capitel. welches zwischen den ohnehin gedrängten Kastanien den Wald fast ganz undurchdringlich macht. Denn es besteht ferner aus Gesträuchen mit stacheligem Laube, aus Ruscus und Ilex, von denen der letztere nicht selten so dicke Stamme ausbildet, wie sie in frühern Zeiten auch im Norden häufig müssen vorgekommen sein, während jetzt mehr als armdicke Zwergbäume, wie die von Caraes, in Deutschland zu den Seltenheiten gehören. So alt nun diese Ilexstämme auch fein mögen, so erreichen sie doch niemals die Höhe der 50 —8U' hohen Castanicnbäume und, ohne im Ocringsten verkrüppelt zu erscheinen, können sie doch nur zum Unterholze gerechnet werden. Gewöhnliches Laubgebüsch findet sich nur selten, z. B. Evonymus und Cytisus, aber eine üppige Kraut- und Farn-Vegetation, die von den Pflanzen der immer« grünen Region ganz verschieden ist, sucht jedes freie Plätzchen mit dichten Nasen zu begrünen. In einer so düstern, wilddurchwachsenen Waldung *) kann es auf mächtigem Humusboden auch an Feuchtigkeit und Bewässerung nicht fehlen, und in der That, wenn man in quelligen Gründen von den Moosen zu den sumpf« liebenden Kräutern, zu dem Gebüsch, durch die Lianen, die es durchsicchten, und zu den ast- und laub reichen Bäumen, die dies Alles beschatten, sich durchwindet, so scheint die Kraft dcs vegetabilischen Lebens sich noch einmal verdoppelt zu haben **). *) Castatiea vesca G. Qnercus I] ox L. Pin us picea L. — Ruscus aculeatus L. R. hypoglossum h. ll«x Aquitolium L. Evo-nymu9 latifoliu« Scop. Cytisus hirsuius Sibth. — Geranium luci-bilicus pendulinus DC. Sclerochloa rigida Lk Honlonin ratni-nu>n L. Afiplcuium Trichomanes Hud?. A. Adiantum nigrurn L. 254 Achtes Capitel. Dl'ml'tri zu den Ohren der Pro/siumeni gelangte, zeigten dieft sich bestürzt und aufgeregt, erbaten sich eine Beschreibung des Unbekannten, verordneten noch am selben Abend einen Etrcifzug durch die Gegend, tadelten, daß ich allein ausgegangen, und ließen von jetzt an meine Wanderungen durch einen bewaffneten Albanesen aus ihrer Wannschaft beschützen. Hr. Samarjidhcs, ein junger Athenienser, der auch zum Besuche in Caraes anwc-scnd häufig mit mir verkehrte, bemerkte hierüber, er habe auf seinen Reisen in Rumelicn die Erfahrung gemacht, daß, wern einmal die Anwesenheit von Räubern in einem Districte zur allgemeinen Kunde gelangt sei, der Reisende diese selbst nicht so Viel zu fürchten brauche, als die Unsicherheit der Gegend überhaupt, die alsdann in einem Grade zunehme, die von der Persönlichkeit dcr Räuber durchaus nicht abhängig sei. Denn cs gebe überall eine Menge von Arbeitern und geringen Leuten, die nur durch die Furcht vor Entdeckung und Strafe abgehalten würden, das Klcphtenhandwerk auszuüben. Finden sich daher als solche anerkannte Klephten irgendwo vor, auf welche bei einer Missethat der natürliche Verdacht und die Rache fallt, so benutzen Andere biefe Zcitumstande, einen Reisenden gelegentlich auszuplündern, wagen adl-r nicht dies zu unternehmen, wenn der Fremde nur vl)n irgend einem Einheimischen begleitet wird, dcr den Klefthten vom griechischen Taglöhner wohl zu unterscheiden weiß. Verwundert erwiederte ich, falls es in Numelicn sich su verhielte, so könne ich doch kaum denken, daß im Gebiet der frommen Klöster unbeschadet der strengen Grundsätze, von denen es beherrscht wird, solche Uebel der Gesellschaft wirklich zu befürchten waren. Der Athener aber meinte: »die Piraten sind nun einmal hier; die Holzhauer, die von den Calojeren aus Ma-ccdonim gemiethet sind, wissen, da5>, wenn sie Euch berauben, Jedermann es den Piraten zuschreibt; ich möchte nicht einmal für die Eremiten einstehen, unter denen wohl Männer sind, die einst wegen ihrer Missethaten auf den Athos flüchteten und die jetzt den Piraten den entschiedensten Vorschub leisten.^ Wei meiner Rückkehr erwiesen mir die Pro'/st:uncni die Ehre, mich zu einer Audienz noch am Abende einzuladen, und, da ich Hch'ion-Oros. 253 durch einw Rückfall meines Uebelbcsindens an das Lager gefesselt mich entschuldigen lassen mußte, kamen sie selbst zu mir: eine überraschend imposante Erscheinung. Alle vicr in würdigster Haltung, von bedeutungsvollem, ernstmildem Gcsichtsausdruck, der sowohl Ehrfurcht als Vertrauen einflößte; zwei von ihnen in hohem Greisenalter, mit herabwallendem, silbernem Bart, der virrte, der am meisten redete, noch ein rüstiger Mann von fünfzig Jahren, brauner Gesichtsfarbe, schwarzem Haar und lebhaft ergreifendem Auge; Jeder aber vor dem Andern durch ein eigenthümliches, immer charactervollcs Gepräge des Physiognomischen ausgezeichnet. Ueberhaupt ist man häusig in dem Falle, die äusiern Formen der Calojeren bewundern zu müssen. Unter den robusten und dickleibigen Gestalten findet man oft die edelsten Priester- und Greifen-Köpfe: ihr starker Wart, dcr sorgfältig behandelt bis auf die Brust in Wellenlinien hcrabfließt, ihre ernsten Züge, ihre unbewegliche Miene, die großen, bedeutende,, Augen erinnern an gewisse Gemälde vun Geistlichen dcs fünfzehnten Jahrhunderts, denen auch die Tracht ziemlich gkich kommt und deren düstere Gesichtsfarbe, wenn sie dort durch die Verschwärzung dcr Dclfarben übermäßig geworden zu sein schiene, hier nicht weniger tief in lebendiger od«) des Athos kennen zu lernen: denn nicht bloß in ihrer Mitte sei der Reichthum an nützlichen und heilsamen Pflanzen, den diestr Berg ernähre, bekannt, sondern sie wüßten, daß er auch im Auslande in großem Rufe stände. Vor vier Jahren etwa sei ein Mann von Stam: bul zu gleichem Zwecke herübergekommen, ein Franzose, der nach der Besteigung des Bergs sich sehr zufrieden bezeigt habe. Ich glaubte in ihren Worten eine Erinnerung an den unglücklichen Aucher-Eloy zu erkennen, dcffen Tod in einem Kloster zu Ispahan kurz zuvor scine Freunde betrübt und der Wissenschaft Nachtheil gebracht hatte. Er schien in gutem Andenken geblieben zu sein, denn als ich von seiner letzten Ncise erzählte, wurde auch semes frühern Unfalls gedacht, als er durch eine Feucrs-brunst in Coustantinopel der Früchte einer beschwerlichen Ncise beraubt, sich entschloß, diese Neise zu wiederholen und seinen Entschluß mit Character und günstigem Erfolge ausführte. Als den Hauptzweck meines Besuchs am Hüjion-Oros stellte ich die Besteigung des Alhos dar, damit mir in dieser Rücksicht keine Schwierigkeiten in den Weg gelegt würden. Ucbrigcns hielt ich es für schicklich, den Wunsch auszusprcchcn, möglichst viele ihrer heiligen, berühmten Klöster zu besuchen, und als ein naiver Zug dieser griechischen Mönche verdient es bemerkt zu werden, daß sie bei dieser Versicherung nicht nach meiner Confession fragten und wohlgefällig meine Huldigung aufnahmen. Sie erläuterten, daß ich den Athos von Lävra am bequemsten ersteigen könne, und auf mein Befragen, ob ich nicht auf ve»-fchicdencn Wegen hin und zurück gehen könne, um den heiligen Berg allerseits kennen zu lernen, gaben sie mir anheim, von Luvra das Cap zu umschiffen und dann die Klöster der Südküste der Neihe nach zu besuchen. Sie wollten ein Rundschreiben für wich ausfertigen lassen, das mir in allen Klöstern eine gute Aufnahme sichern würde, und eine Miliz sollte mich auf dem ganzen 17. 260 Achtes Capitel. Wege begleiten, obgleich von den Piraten nichts mehr zu befürchten wäre: allein meine Sicherheit betrachteten sie als eine Ehrensache. — Der türkische Pascha würde sagen: »ich schütze dich, denn mein Cavüs bürgt für dein Leben mit dcm seinigen;« der griechische Pro'istcimenos hingegen sagte: »ich schütze dich, denn wenn ich nicht hinlänglich für dich sorgte, so würde ich mein Gewissen beunruhigen.« Durch die heutige Excursion wurde meine Ansicht von dem ungewöhnlichen Psianzenreichthmne der Halbinsel noch mehr befestigt, und es ward mir sehr anschaulich, daß Sibthorp am Abhang des Athos in kurzer Zeit einen Catalog von 45U ANctl entwerfen konnte, selbst ohne die höhern Regionen dc6 Wergs zu besuchen ^). Noch heute am dn'tten Tage, wahrend ich stets in derselben Gegend blieb, deren vorherrschende Gewächse außerdem so gleichförmig sich verbreiten, durste ich die Bemerkung niederschreiben, daß ich in jeder Richtung auf je 50 Schritten gewiß eine bishcr noch nicht gesehene Pflanze aufzuzeichnen Gelegenheit fand. In den mannigfachsten Richtungen führen die Maulthicr-pfade, 3—5' breit, durch den Wald, und wenn ein Wiesenplatz, ein Abhang oder das Gartchen eines Kcllaeon den freien Durchblick eröffnet, erscheinen Atbos, Lemnos, das Meer, Samothrake, Tassos und ein oder das andere Litoralklostcr, der Reihe nach am Fuße des waldigen Abhangs hervortretend. Den Eindruck, den die Umgebungen von Caracs selbst immer lebhafter einflößten, suchte ich bei der Rückkehr am spaten Abend in folgenden Worten mir nochmals einzuprägen: »Ein Wasscrfall, der, wenn ich nicht irre, am Wege nach Aropotamu in der tiefen Einsamkeit des Waldes liegt, zeigt in seinen Umgebungen den Character dieser Gegend am höchsten entwickelt. Nirgend sah ich weder unten am Meere, noch auf der Höhe des heiligen Waldes eine solche Ueppigkeit der Vegetation, Mannigfaltigkeit der Formen, Benutzung des Raums durch die ihrem Wildungstriebe frei überlassene Natur, ein solches Ebenmaaß der Bewässerung, nirgends eine so fruchtbare Mischung des aus dcm Glimmerschiefer entstandenen *) Walpole travels p. 442. Hujion-Oros. 26! Erdbodens. Diesen Ort nun erblickt man im frischesten Früh-lingsgrün, in dem Lande die schlanke und zierlich gezähnte Blattform der Castcun'c vorherrschend, dnrch undurchdringlichen Schatten und erfrischende Feuchtigkeit von der glühenden Sonne abgesondert, man lauscht der lebendigen Bewegung im Geräusch von Bächen und zu Springbrunnen eingefaßten Quellen, man athmet eine reine Bcrgluft, bei Tage still, des Abends durch sanftcs Wehen vom Meere bewegt; wo der Pfad sich erweitert, sieht man den tiefblauen Himmel zwischen dem reinen Grün ausgespannt und zuletzt jenen Reichthum und Glanz von Gestirnen, der nur auf des Südens heitren Höhen dem Blicke begegnen mag. Hicmit nun glaube ich den Reiz dieser Gegend in der schönsten Iahrszeit kaum erschöpft und um so weniger übertrieben dargestellt zu haben, als meine körperliche Stimmung solchen Genüssen damals eben störend entgegentrat.« Kaum fühlte ich mich nämlich von meinem ersten Unwohlsein wiederhergestellt, als mich ein Unfall betraf, der üble Folgen hätte haben können, jedoch leidlich vorüberging. An dem Köschk vor meinem Zimmer, das im ersten Stockwerk etwa 12^ über dem Erdboden lag, war eine Treppe so übcl angebracht, daß ich im Dunkeln die Richtung verfehlend unversehens hinabstürzte und mit Kopf und Brust unter Steinen und Scherben auf den Boden schlug. Ich war so glücklich, bis auf Erschütterung und Hautbeschadigung unverletzt zu bleiben und ließ mich trotz einer in Schmerzen durchwachten Nacht nicht bereden, meine Neise auf den Athos länger aufzuschieben. 7. Juni us. Eine schöne Sitte am Häjion-Oros ist, daß zu allen Zeiten des Tags von Unbekannten und Bekannten zu Hause und draußen im Walde zartduftcndc Nostn mit dem dreifachen Zeichen der Begrüßung dem Fremdling dargereicht werden. Wer erfreut sich nicht fern von der Hcimath einer so aufmerksamen und wohlwollenden Gesinnung, und erinnert sich nicht gern, daß bei so manchen Mißständen, die der Berichtende zu rügen wchr unterlassen darf, durch ein solches Zeichen sich erfreuliche "Uge in der Sinnesart der Calojcrcn aussprcchcn. 2um Abschied von den Pro'istamcni's angemeldet, wurde ich 262 Achtes Capitel. in den Audienzsaal geführt, und hatte hier zufällig eine Gelegenheit, die wichtigsten Männer aus allen Klöstern versammelt zn sehen, gegen 40 Calojercn im Kreise gelagert, dcm Ehrendivan der 4 Aeltcsten gegenüber. Schon früh Morgens und am Abend vorher war lebhafte Bewegung in (5araes: denn die große Versammlung zur Wahl der ncuen Negierung war auf den heutigen Tag ausgeschrieben worden, und von allen Seiten trafen die Abgeordneten der Klöster, auf Maulthicrcn reitend, in der Residenz ein. Daß ich nun, ohne Ceremonie in diese Versammlung eingeführt, ihre wichtigen Berathungen unterbrach, schien Niemandem aufzufallen, als mir selbst, dessen Sicherheit an eben diesem Orte dem braven, jungen Albanesen anempfohlen wurde, der mich zu geleiten bestimmt war. Mit dieser Wahl hatte ich Grund zufrieden zu sein. Vor wenigen Tagen erst war auch von ihm sein Probestück gegen die Piraten abgelegt; er zeigte sich einfach, anspruchslos, frei in Haltung und Bewegung, und ging mit seiner schweren, sechsfüßigen Flinte rascher, als die Maulthicre. Nenntes «Uapitel. Besteigung des At hos. Nordöstlicher Abhang des heiligen Waldes. Dessen zwei Psianzenregionen. Ioiron. Quelle des Athanasioö. Laura. Immergrüne Region des Athos. Laubholzregion desselben. Kcrasia. Höhe des Athos. Baumgrenze. Eichengürtel. Coniserengürtel. Capclle Panama. Alpine Flora des Athos. Aufsicht vom Athosgipfel. Rückweg übcr Kerasia nach Pavlu. Geologie des Athos. Rückreise nach Caracs über den heiligen Wald und von da bis zum Canale des Xerres. Wa man in Caraes nicht auf die Beförderung der Reifenden von Seiten der Geistlichkeit eingerichtet war, su hatte ich drei Maulthiere bis Lavra gemiethet, dessen Entfernung wegen des schwierigen Terrains ? Stunden beträgt, und brach um 8^ Morgens auf. Wie wenig die geschichtete Kalkformation, welche bei Van-docrätoras auf dem Schicfergcbirge ruht, für die Zusammensetzung dcs heiligen Waldes bedeute, geht aus dem heutigen Wege hervor, der jenes Gebirge zur Hälfte durchschneidet oder umkreist und sich stets auf Glimmerschiefer und zuweilen auf andern Schieferarten bewegt, z. B. auf Thonschiefer, in dcn jener dann all-lnählig übergeht. Nöthe Farbcn sind überhaupt an vielen Fels-Banden hervorstechend. Außer diesen Abänderungen in der Art des Gesteins selbst kommen jcdoch auch bedeutende Einlagerungen 264 Neuntes Capitel. vor, namentlich große Massen des schönsten, rein weißen Marmors. Diese Marmorfclscn stimmen in ihrer phvsicalischcn Beschaffenheit theils mit dem Gestein von Tassos übercin, welches ich zwar nur in Ruinen kennen lernte, theils, was bedeutender und allgemeiner beglaubigt ist, mit ber Gebirgsart des Athos selbst. Geht man von der Thatsache aus, die ich sowohl heute beobachtete, als in der Folge weiter zu verfolgen Gelegenheit hatte, daß nämlich die Echichtenkövfe des heiligen Waldes, wiewohl steil aufgerichtet, doch nach Norden oder Nord-Nordwcsten überhangen, wobei die Slrcichungslinie des Gcbirgs daher seine Axe in einem Winkel von 5U» —80" *) schneidet, und daß demnach die Schichten des Glimmerschiefers keineswegs an dem ungleich höhern Athos ansteigend sich anlagern, sondern von ihm abgewendet sind: so bildet man sich leicht die Hypothese, daß der heilige Wald in einer andern Epoche entstanden sei, als der Athos, dessen Höhe, Gestalt und Neigungswinkel in so bedeutendem Gegensatze von der kettenförmigen, sanf geneigten, ebenmäßig gelagerten, regelrecht geschichteten Bergmasse der Halbinsel abweicht. Wenn jcdoch die Marmorlagcr des Schiefergcbirgs gleichen Ursprung mit dem Athos selbst haben, was aus der Gleichheit ihres Gcsügcs, ihrer Farbe und sonstiger Eigenschaften sich schließen läßt: so würde, falls ihr Vorkommen mit einer Conglomeratbildung verbunden wäre, daraus auf das relative Alter bcidcr Gebirgsmassen und auf die Gültigkeit jener Hypothese ein sicherer Schluß gezogen werden können. Denn vorausgesetzt, man fände kleinere Marmorstücke von Schicfermasse ganz eingeschlossen , so würde man darin Nollfiücke von dem Athostegel erkennen, welche die später abgesetzten Schicferlagcn bedeckt und eingehüllt hätten. Schon meine heutigen Beobachtungen standen einer solchen Meinung entgegen, die in der Folge durch die Un-' tersuchung der dem Athos unmittelbar anliegenden Schieferberge völlig beseitigt ward. Denn die Marmorlager sind gangförmig *) Dic Gebirgkaxe verläuft vom Athoä z»m Cap Platy gegcn W 43"^ (nach bcr ClMtcnzcichmmg), dic Kette streicht, wmigsicno zwischen Athos und Natopcdhion, zwischen W :md H 7U" W. Wos. 265 von mitcn nach oben zwischen den steilen Schichten des Glimmerschiefers eingekeilt, nicht selten in großen Dimensionen, und sie berühren sich in glatten Flächen, ohne gegenseitig in einander einzugreifen; die Vasis dieser Marmorgänge, auch wo sie in der Nahe des Meers, wie an der Quelle des Athanasios, deutlich aufgeschlossen dastehen, entzieht sich dem Blicke und scheint sich ausweitend nach unten unter dem Glimmerschiefer zu verbreiten, wobei man leicht einen unterirdischen Zusammenhang mit dem Marmor des Athos selbst sich vorstellen mag. So steil nun auch alle Schichten des heiligen Waldes aufgerichtet sind, so bemerkt man doch übrigens nicht immer icne Zeichen einer gewaltsam erschütternden Kraft, der dieses Gebirge seine Erhebung verdankte. In Gegentheil zeigt sich, auf diesem Wege wenigstens, der Parallelismus der Schichten sehr wenig gestört, Unregelmäßigkeiten und Beugungen sind selten und nur eine sehr ausgezeichnete Verwerfung habe ich dicht über dem Kloster Iviron in dem Thale nach Caraes unmittelbar an der Straße bemerkt. Der Hauptkamm des heiligen Waldes selbst zieht sich so ebenmäßig fort und erhebt sich so allmahlig im Südosten von Caraes, daß die gewaltige Kraft, die den Athos aufzurichten vermochte, auf seine Umgebungen verhaltmßmaßig unbedeutend gewirkt zu haben scheint. Weniger regelmäßig sind die Seitenthaler dieses Bergzugcs gcbildct, von denen man eine bedeutende Anzahl auf dem Wege von Caracs nach Laura quer durchschneidet, da, auch wo derselbe hart am Meere angelegt wurde, keine der Ncbenketten zu vermeiden ist. Sind jene Thäler nun zwar im Allgemeinen durchaus als Qucrthälcr zu betrachten, so ist diese Gestalt doch oft wegen der Biegungen der Seitenäsie des Ge-l'irgs milcher deutlich ausgeprägt, und ebenso verschieden zeigten sich Breite und Tiefe der Thaler, wie z. 35. gleich die erste Stunde bis zum Litoralkloster Ioir6n durch eine enge, gewundene, in den hier anstehenden Thonschiefer tief cingeschnittene Schlucht aus dem Hochthale von Caraes an's Meer führt. Ohne Ausnahme aber zeichnen sich diese nordöstlichen Thaler durcl> ih-rcn Wajscrreichlhum aus, und einige der Quellen, die in ihnen 266 Neuntes Capitel. entspringen und sie abwärts bewässern, treten mit ungewöhnlicher Mächtigkeit aus den Felsen hervor. Wenden wir uns nun zu der Vegetation dieser Thaler und Bergketten, so finden wir den früher bezeichneten Character der Flora überall wiederholt und erweitern daher unsere Darstellung auf den ganzen Nordost-Abhang des heiligen Waldes von Pan-docrätoras bis zum Athos. Hierbei ist jedoch die Frage zu beantworten, ob der Hochwald von Caraes als eine besondere, von der immergrünen Gestrauch-Formation in bestimmter Höhe begrenzte Region betrachtet werden dürfe. Im Allgemeinen gehört die Castanie in Südcuropa mehr der immergrünen, als der Laubwald-Region an, allein in den Alpen steigt sie doch bis 2500', auf dem Aetna ^) kommt sie von der Meeresküste bis zu 39em Blicke zu übersehen. Damals erst wurde ich durch den Augenschein belehrt, daß dieser Bcrgzug sich in seiner ganzen Länge in die Gesträuch- und Wald-Region abscheidet. Ich habe Gründe, anzunehmen, daß die mittlere Höhe, in der diese Abgrenzung eines gemäßigten und eines warmen Küsten-Climas sich ausspricht, IM»' beträgt. *) 8mllax »Zpeln I,. 8m, «>i,'>» W. I'lMlus cammuuis 1^. 1'» 268 Neuntes Capitel. Thälern zu verlieren scheint. Fehlt aber hier dem Walde das Nadelholz überhaupt, so tritt hingegen ans dem immergrünen Gesträuch zuweilen eine einsame, hochstämmige Sccstrandssichte *) hervor, die am schattigen Standorte nicht gedeihen kann. Indcs-sen dürfte man sich den Wald selbst doch auch nicht als einen gleichmäßigen Bestand von Castanien und Steineichen vorstellen. An quelligen Orten begegnet man plötzlich einer in solcher Umgebung überraschenden Vegetation von hohen Erlenstämmcn, an Stärke und Verzweigung den Eichen nicht nachstehend, ohne Unterholz, jedoch in ihrem Schatten auf dem sumpfigen Boden einem dichten Gefilde von Schachtelhalm, Rohr oder Widens Nalim gewahrend "). Wie aber die Verbreitung dieser Gewächse in cin wärmeres Clima, das sie nicht verändert hat, bemerkenswert!) erscheint, so wiederholt sich dieselbe Erscheinung in einer Ncihc von Kräutern ^), die im Dunkel der Castanienwaldung gedeihen und sich allmählig zu den oben erwähnten Schattenpsianzen gesellen. Außer der Fichte, dem einzigen Baume, der, zu einer strauchartigen Entwickelung unfähig, sich aus der immergrünen Formation erhebt, kann deren Eigenthümlichkeit noch durch einige andere Gewächse weiter bestimmt werden, welche den früher erwähnten sich mehr oder minder häusig einreihen. Unter diesen wäre zwar nur der stachelblätterige Asparagus als beständiger Begleiter der übrigen anzuführen, allein da dieser Strauch, von seiner geringen Höhe, feinem spanigen Wuchs und schwärzlichen Grün *) Pinus marhima Lamb. *♦) Alnus glutinosa G. Ef|iiisetuni Telmateja Ehrh. Arundo pliragmites L, Iiidens liiparlita L. ***) Orobus niger L. Arabia hirsuta Scop. Circaea lutetiana L. Prenanthes muraiis L. Melittis mclissophyllum L. Limodorum abortivum Sw. Festuca drymeja M. K. — 3u ben fiiblidjen gorau'rt dieser Formation aber gehören: ,^rgbi» 'luri-ill» 1^., (?)snanien die eine auf OÄlnpüimlu ^«.'lkicilolia 2^,, die andere auf Ill^lcla tlelix 1^. wurzelt. — Zu den Kräutern der Gesträuchformcition gehören noch Nr^-lnorp et 8milk proliromug liorae ^necae 2. p. 277 u. f. Von jenen 2li Arten kommen 8 auf Cypern, Creta oder den ionischen Inseln vor, 4 andere auf dem Athos, die übrigen 14 auf dem Fcfllande von Griechenland. **) Adiantum capillus veneris L. *) Lycopodium denticulatum L. 272 Neuntes Capitel. welchen ich mehre Labiaten und Plantaginecn bemerkte, die in das nackte Schiefergesteln von Iviron ncbst andern Kräutern *) ihre Wurzeln einsenkten, theils der Uferstora, wo zwischen dem Gerölle abgerundeter Schiefer- oder Marmor-Stücke gesellige Li-toral-Eliphorbien als die am meisten characteristischcn Formen**) auszuzeichnen sind. Kaum hatte ich Caraes verlassen, als mir eine große Cara-vane von Maulthieren begegnete. Die meisten waren mit Gepäck beladen, an ihrer Spihc ritt ein finster blickender Mann, durch ein reiches Priestergewand als Fremdling bezeichnet, gegen die seltenen Sonnenblicke im Dunkel der Waldpfade durch einen großen Schirm verwahrt und von zahlreichen Dienern und Soldaten begleitet. Ich erfuhr, daß dieser Herr der Bischof von Iünina sei, kürzlich wegen Ungehorsams gegen den Patriarchen nach dem H«jion-Oros verbannt. Man fügte hinzu, er sei nur drei Monate hier zu verweilen genöthigt worden, vermuthlich aber Ware seine Strafe nur deshalb so gelinde ausgefallen, weil es ihm nicht an Mitteln gebräche: denn wem es hieran fehle, möge, einmal in die Klöster verbannt, nicht daran denken, sie jemals wieder zu verlassen. Nach dem Aufzuge, in dem der Hochwürdige jetzt zu seiner Zerstreuung die Halbinsel bereiste, schien er allerdings im Stande gewesen zu sein, seine Verbannung so luxuriös, als die Umstände erlaubten, einzurichten und sich durch Prunk und Dienerschaft für anderweitige Entsagungen zu entschädigen. Nach erlittener Buße, hieß es, würde er übrigens auch in seine Aemter und Würden wiedereingesetzt werden. •) Micromeria graeca B. Stachys arenaria VahL? — Planla#o lanceolala L. PL Coronopus L. — Centranllms ruber DC Zacyn-iha verrucosa G. Trifolium arvense L. **) Euphorbia paralias L. E. chamaesyce L. — Plantago toa-ritima L. Anagallis phoenicea Lam. Phyiolacca decaiidia L.—jefe vßeqctaticn, [o öbivcicljcnb ucn in Ufcvflovra S()Vü? cicnö unb Sitl)i;ntcnö, ennncu an bie £iforalserjcuflnijfe bc6 obtia£ifcl)fn SOieevS. * Athos. 273 Im Kloster Iviron, wo ich um 9^ eintraf, verweilte ich zwei Stunden und fand bei dcn Aeltcsten eine höchst zuvorkom-mcnde Aufnahme. Unter ihnen lernte ich einen würdigen Greis kcnnen, der, einen weitem Gesichtskreis kund gebend, von den Verhältnissen in Consianiinopel unterrichtet, lebhaft über polnische Fragen Aufschluß verlangte. Er klagte über die Einsamkeit seines Lebens, das ftühcrhin wohl, nach dcn lebendigen Augcn und sonstigen Andeutungen zu schließen, bewegt gcnug gewesen sein mochte, und er bemerkte, so sehr die natürliche Schönheit der Halbinsel den Nciscndm ansprechen müsse, sie dem an die Scholle Gebannten, Tag für Tag ohne Wechsel und Fortschritt Hiiilcbenden nicht genügen könne. Wahrend dieser Gcfpräche wurde ich mit Eiern, Brod und Wein, Caffee und Zmlerfrüch-tcn bewirthet, hierauf im Kloster unchcrgcführt. Bei weitem größer, als Pandocrätoras, scheint es auch zu dcn reichern Körperschaften zu gehören, da man ebm beschäftigt war, eine neue (Za-pclle zu erbauen, obgleich die Kirche nicht allein für den Bcdarf der Gemeinde genügen mochte, sondern sogar mir geräumiger und bis auf die Mängel des Geschmacks auch prächtiger erschien, als irgend eine, die ich bis dahin in der griechischen Christenheit gesehen. Einer Inschrift zufolge ward sie im Anfange des elften Jahrhunderts erbaut; das Mittelschiff bildet mit den vier Sciten-gcmächcrn im Grundrisse ein Krcuz, aber an Höhe überragt es dieselben in spitzer Wölbung; die Wände sind durchaus mit abscheulichen Heiligenbildern überladen. Blcidächer bedecken die Kirchen des Häjion-Oros. Von Iviron bis Lavra war ich, ohne zu ruhen, 6 Stunden unterwegs. Der Weg ist cng, uicht selten dem Schwindclgc-nciglen gefährlich, und windet sich längs der Küste auf und ab, jedoch gröMuhcils im Schatten des Waldes von Querthal zu D.u.rthal. Man berührt nur einzelne Kcllaccn, indem die Klöster Filolhcu und Earacalo ein Weniges seitwärts bleiben. So oft man aus dem Walde tritt, erblickt man im Halbkreise die wuseln Tassos, Samothrake und Lemnos, so wie dcn Athos, der "'st dicht vor Lavra durch den mächtigen Vorbcrg seiner nördli-ch"l Abhänge verdeckt wich. Von Tassos Gcdirgsbau crhalt I- 18 274 Neuntes Capitel. man, so deutlich auch die Umrisse dcr Höhen und Thälcr sich abzeichnen, aus diesem anscheinend günstigen Standpuncte, wenn ich nicht irre, eine unrichtige Vorstellung. Man glaubt ein Plateau vor sich zu sehen, dessen Nandkctte, längs der kreisförmigen Küste verlaufend, von der centralen Haupterhcbung nur wenig an Hohe übertreffen wird. Vergleicht man diesen Eindruck mit der oben mitgetheilten Skizze, so scheint dcr optische Fehler darin begründet, daß die erhabene Kette im nördlichen Theile dcr Insel so scharf heraustritt, daß die Südhalfte in ihrer Verkürzung, wiewohl naher gelegen, doch nur als einfacher Abhang jener höchsten Erhebung aufgefaßt wird. Richtiger könnte man vielleicht in solcher Entfernung die verschiedenen Höhcnpuncte vergleichend beurtheilen und in dieser Rücksicht stimmt es mit den Messungen überein, welche mir damals nicht bekannt waren, daß Tassos niedriger sei als Samothrake und daß auch dcr Pangeus die erstere Insel an Höhe übertrifft. Lemnos endlich beschäftigt das Auge wegen der steten Veränderlichkeit, in welcher Gestalt und Größe dieser Insel geschätzt werden müssen, je nachdem matt eben höher oder tiefer an den Abhängen des heiligen Waldes sich befindet: von den höchsten Puncten des Wegs betrachtet, beschreibt das niedrige Eiland einen sehr beträchtlichen Winkel am Horizont. Gerade auf der Mitte des Wegs zwischen Iviron und Lavra liegt der Ruheplatz an der Quelle des heiligen Athanasios, der das Kloster der H-'.jia Lavra im I. 859 gründete. Diese Quelle ist wahrscheinlich eine dcr wasserreichsten von Europa. Sie tritt in einer Kluft aus schönen, weißen Marmorfelscn unmittelbar "als ein Bach von 2' Tiefe und 3' Breite hervor, der von da in einer engen Thalschlucht dem nahen Meere zuströmt. Im I"" nern der Kluft scheint eine Felsspalte sich huhlcnartig fortzusetzen, und, wiewohl ich von Höhlendildung im Bereiche der Halbinsel nichts vernommen habe, so kann man doch wohl mit Wahrscheinlichkeit vermuthen, daß die Quelle bei ihrem Austritte schon ci-ncn weiten, unterirdischen Lauf zurückgelegt habe. Damit das vortreffliche, klare Wasser nicht durch Erde getrübt werde, ist die Quelle von einem vergitterten Gebäude überdacht und nach cincw Athos. 275 allgemeinem Gebrauche mit angekettetem Trmkgcschirr versehen. In dcr Nähe findet sich cm kleines Häuschen mit drei Wänden, ohne Bewohner, nnr zur Pflege für den Vorüberreisenden be: stimmt. Lagerstätten, wenn man etwa an dem reizenden Orte die Nacht zu verweilen belieben möchte, bietet es dar und enthalt auch einen offnen Brodschrank, den eine besondere, annm-thige Sitte stets mit dem Nöthigen versieht. Wer nämlich mit Brodvorrath versehen, wie bei den meisten Reisenden der Fall ist, an diesem Orte vorüberrcist, vergißt niemals, einige Brode für diejenigen niederzulegen, die später, ohne den frischen Trunk mit Speisen würzen zu können, die Straße ziehen mögen, und es versteht sich, daß auf der heiligen Halbinsel mit einem so löblichen Gebrauche von Niemandem Mißbrauch getrieben wird, so wie andererseits das trocken gcbackme Brod, dessen die Calojeren sich gewöhnlich bedienen, alt oder frisch ziemlich gleich genießbar bleibt. Die Quelle des Athanasios gilt für ein äußerst heiliges Wasser und ich will die Legende, an welche dieser Glaube sich knüpft, mittheilen, weil sich der Sinn der Calojeren darin lebhaft ausprägt. Für die Erbauung des Klosters Lavra sein ganzes Vermögen spendend, hatte Athanasios sich im Anschlage dcr erforderlichen Kosten geirrt, und sah eines Tages zu seinem Schrecken ein, daß er weder die Arbeiter gebührend bezahlen, noch den Bau zu einem würdigen Ziele führen könne. Trostlos begab er sich in den Wald, um dem Anblick der Menschen zu entgehen und weil die Verzweiflung, sein frommes Unternehmen nicht vollenden zu können, ihn in die Einsamkeit zu fliehen antrieb. Wald begegnete ihm eine Jungfrau in weißen Gewandern, und mit hei^ lrer Miene bedeutete sie ihm, sich scinem Schmerze nicht hinzugeben, sondern nach Lavra zurückzukehren, indem er jcht durch mächtigen Beistand Alles, was Noth thue, unerwartet vorfinden werde. Ungläubig erwiederte Athanasios, wie er ihr Glauben schenken könne, da sie doch nicht einmal vermöge, für seinen gro-ittn Durst ihm in dem finstern, einsamen Walde einen Trunk Wasser zu verschaffen. Eie aber sprach: zum Zeichen, was dcr Glaube vermöge, trete, deinen Mund zu kühlen und deine Seele 18 * 276 Neuntes Capitel. zu heiligen, eine Quelle aus diesen Felsen hervor. So nun entstand die Quelle des heiligen Athanasios, cr aber erkannte die Panajia, eben, als sie feinen Wlickcn sich entzog, und bei der Heimkehr fand er die Schätze, welche sie verheißen, und vollbrachte die Stiftung des Klosters. Auf dem letzten Theile des Wegs, von der Ql'.clle bis La-vra, umgeht man die Wasis des AthoZ, insofern sein Gipfel Anfangs in Südost, zuletzt beinahe in Südwcst liegt. Unmittelbar an seinem Fuße sich bewegend, gcnießt man einer Reihe, unerschöpflich wechselnder Gcbirgsansichtcn, so oft cine Waldlücke oder ein Thal die hohe Gestalt dem Auge gegenüberstellt. Drei weiße, kegelförmige Fclszackcn, von denen eine die Athosfpitze selbst bildet, steigen ungcmcin schroff aus den nackten Abhängen des Berges hervor; dort oben crbliclc man, wie am bithynischen Olymp, einige sirahlig hcrablaufcnde Qucrlhälcr, aber man kann sie nicht abwärts verfolgen, da die tiefern Abhänge durch waldige Vorbcrge mantclattig eingehüllt werden, aus deren Grün der Athos erst sein blendend weißes Haupt jäh hcrvorstreckt. Der Neigungswmktl der Spitze ist so groß, daß man keine Möglichkeit sieht hinaufzuklimmcn, und auch dcr Winkel dcs ganzm Berges über dem Horizonte von Lavra ist ungemcin groß und übertrifft in dieser Rücksicht die meisten .Alpcnhörner, die ich aus gleicher Nahe gesehen habe. Dies deutet um so mehr auf die Steilheit dcs obern Kegels, als, wie schon früher erwähnt wurde, zwischen diesem und dem Kloster der bedeutendste Vorberg des Athos liegt, von den übrigen dadurch verschieden, daß er allein ohne Hochwald nur auf seiner Kuppe einige Baume trägt. 2l" seinen Abhängen, die unterhalb Lavra an's Meer reichen, berührte ich daher zum ersten Male Puncte der Küstcnrcgion, die, von Waldung oder Hochgcbüsch entblößt, in jeder Richtung einen freien Umblick gestatteten. Diese Nacktheit dcs Berges von La-vra, seine Höhe, Gestalt, Gcsteinsart und sein großer NciMgs-wl':M verbinden ihn näher mit dem Alhos, wahrend die übrige" Vorbergc passend zu dem heiligen Walde gerechnet werden. ^^ mit scheint sich ein Gegensatz zwischen beiden Bergsystcmcn auch in der Vegetation im Großen auszusprcchen. Athos. 277 Das Kloster Hajia Lavra, von l^n Franken Santa Laura genannt, liegt an dem AbHange jenes Vorbcrgs ctwa 2U0' über dem Spiegel des Meers. Diese schräge Berglehne ist unten mit Belbaumen und Wein bepflanzt, die wcitläuftigcn Gebäude kündigen im Voraus an, daß man sich dem größten, dem leitenden Kloster des Hüjion-Qros nähert, worin die einflußreichsten Ca-lojercn ihren Wohnort aufgeschlagen haben. Die Proöstotcn, auf meinen Besuch vorbereitet, empfingen mich, nebst den Aeltesicn in dem Gastzimmer vereinigt, einer geräumigen Halle, welche mir zur Verfügung gestellt ward. Sie erinnerten sich früherer Reifenden und sprachen mit Antheil vom Dr. Zachariä, der im vorhergehenden Jahre ihrc Bibliothek untersucht hatte, von Herrn V. Friedrichöthal, der in einer andern Iahrszeit den Athos bestiegen habe, und einer der Bejahrten gedachte sogar noch des Colonel Lcake und wünschte von dessen Schicksal zu hören. So darf man hoffen, unter diesen Würdigen ein geneigtes Andenken zurückzulassen. 8. Juni us. Am Morgen wiederholten die Aeltesten ihren Besuch und überließen mich übrigens, ohne sich weiter zu nähern, meinen Beschäftigungen, nachdem sie mir das Topographische des Athos zum Behufe meiner Wanderung auseinandergesetzt und nur erklärt hatten, Einer aus ihrer Mitte werde mich auf den Werg beglntcn und sür die erforderlichen Maulthiere hätten sic bcmts Sorge getragen. Das Kloster Hajia Lavra scheint unter allen übrigen sich des größten Besitzstandes zu erfreuen, die grüßten Askitirien, z. B. das der Hajia-Anna, sind von ihm abhängig, des höchsten Ansehens genickt es, in der Ncgierungscommission führt es mit den drei übrigen HaupMstcrn wechselnd den Vorsitz. Die weitläufigen Gebäude schließen mehre Höfe ein; in cincm derselben steht die Hauptkirche frei, davor ein Springbrunnen mit Marnwrbaf-sin. Hier erblickt man zwei herrliche, alte Cyprcssenbäume *) von einer Starke des Stamms, daß sie darüber ihre symbolische Physiognomie einbüßen und das Gepräge dauerhaftester Vegeta- *) Cupre?siis sempervirens L. pyramidal is. 278 Neuntes Capitel. iionskraft dafür eintauschen. Eine dicscr Cyprcsscn, die vom Alter in keiner Rücksicht gelitten haben, mißt 4' über dem Erdboden 15, die andere 12' im Umfange. Diese Stämme sind um so merkwürdiger, als man genau den Zeitpunct kennt, in dem sie gepflanzt wurden und der nach mündlicher oder vielleicht auch schriftlicher Ueberlieferung mit der Gründung des Klosters durch Athanasios zusammentrifft. Es erhellt aus Inschriften, daß diese im I. 859 statt fand, und wenn man rechnet, daß der Heilige nicht den Samen, sondern bereits erwachsene Schößlinge zur Zierrath seines Klosters anpflanzte, so wird man jenen beiden Cypressen mit Grund «in mehr als tausendjähriges Alter ") zuschreiben dürfen. *) Ich kenne keinen zweiten Fall, wo das tausendjährige Alter eines Gewächses auf historische» Documenten beruhte. Von dcr Nose am Dome zu Hildesheim, die noch vor den Zeiten Ludwigs des Frommen gepflanzt sein sollte (s. Noeper in De (5auoolle's Physiologie der Gewächse. Deutsche Ausgabe. 2. p. 846) ist es wahrscheinlich, daß sie öfter erneuert worden fei. Die Annahme, daß Linden von mehr als tausend Jahren eristiren, gründet sich nur auf die unsichere Proportion zwischen Alter und Dicke des Stamms. Nur von Eichen und Taxusbäumen scheint es einige cracte Zahlungen von Jahresringen zu geben, aus denen man ein solches Alter mit derselben Schärfe zu entnehmen vermag, wie aus sichern historischen Daten, während die bekannten Meinungen über das hohe Alter tropischer Bäume einer genauern Begründung bedürfen, theils wegen des ungleichen Wachsthums in verschi^, denen Lebensaltern, theils wegen der Ungewißheit, ob man in tropischen Ll'-» waten die gewöhnlichen Schlüsse aus den Jahresringen ziehen darf. Solchen Zweifeln gegenüber erhält die hinlänglich beglaubigte Nachricht von jenen tausendjährigen Cypresscn zu Hajia Lavra eine besondere Wichtigkeit, wobei ich die Bemerkung der Berücksichtigung für werth halte, daß auch in Ermangelung schriftlicher Urkunden die Tradition in einer so abgeschlossenen und alle diese Jahrhunderte hindurch gleichmäßig erhaltenen Corporation eine hohe Glaubwürdigkeit, wenigstens in Rücksicht auf solch' einen Gegenstand, verdient. Diese nun als unzweifelhaft angenommen, ergiebt sich andererseits das äußerst langsam?, mittlere Wachsthum der (Zypresse in die Dicke, welches nach den oben angeführten Messungen auf lN Jahre eine Zunahme des Durchmessers von nur 5,5—7,0Linien bewirkt hat. Diesem nähert sich indessen der Nan>s-baum, der in einigen Lcbensperiodsn während cine5 Jahrzehnts gleichfalls nur lim 6 Linien an Dicke zunimmt. Was nun endlich die Cyprcssc im V^ Mhos. 279 Durch meine Sammlungen bis zum Nachmittage zurückgehalten, verließ ich Lavra um 4" 15', in der Absicht, die Nacht in einem Kcllaeon zuzubringen und den Athos am frühen Morgen des folgenden Tags zu besteigen. Die Steilheit dieses Bergs gestattet nur einen einzigen Zugang und auch auf diesem würde das Terrain bedeutende Schwierigkeiten entgegenstellen, wenn nicht wegen einer Feierlichkeit, die in der auf dem Gipfel des Athos erbauten Marmorcapelle einmal im Jahre gehalten wird, mühsame Arbeiten zur Verbesserung und Erhaltung des Wegs schon seit Jahrhunderten waren ausgeführt worden. Um jedoch jenen Schlangenpfad, der auf der Südseite des Bergs von dem Kcllacon Kc-rasia zur Capclle führt, zu erreichen, muß man von Lavra aus zunächst den halben Athos zwischen seinem Gipfel und Cap umkreisen, wie aus der eingedruckten Skizze sich entnehmen laßt, zu der ich nur die Bemerkung erläuternd hinzufügen möchte, daß der Weg von Lavra nach Kerasia nicht etwa am Sccstrande, der hier vielm.hr ganz unzugänglich von senkrechten Klippen eingefaßt wird, oder auf der Höhe einer Bcrgtcrrasse sich hinzieht, sondern allmählig oder stufenweise ansteigend bei jenem Kcllaeon, das 3 Stunden von Lavra entfernt liegt, schon die beträchtliche Meereshöhe von beilausig 20U0' erreicht hat. ^ -- Athosspitze. « ^ Lavra. /3 — Kerasia. M, 7 --- Panajia. M F -- Hajianna. , — Pavlu. . M...... — Mein Weg. sondern betrifft, so barf wan auf diese Thatsachen sich stützend nunmehr auch °'"e Vermuthung über das hohe Alter der Cppresse zu Somma bei Mailand 230 Neuntes Capitel. Schon vorhin habe ich eine allgemeinere Bemerkung über dcn Woiberg des Athos mitgetheilt, dcr zwischen diesem und dcmKlo-sicr Lavra, von Hochwald entblößt, sich erhebt und über dessen östliche Abhänge ich nun zunächst der ganzen Länge nach (^ 15^ — 5^ 15') wandern mußte. Er besieht aus schneeweißem, festem Marmor, ohne alle Schichtung, mit den früher erwähnten Einlagerungen im Schicfcrgebirge übereinstimmend. Die Grenze beider Formationen «mß in dcr Nähe von Lavra aufgefunden werden können und fällt wahrscheinlich mit dem Puncte zusammen, wo die dichten Waldungen aufhören und einer niedrigen, immergrünen Gcstrauchvegetation den Boden überlassen. Dieser Gegensatz ist, wie ich schon erwähnte, beim ersten Anblicke so auffallend, daß man ihn gcrn auf den Wechsel dcr Gcbirgsart zurückführen möchte. Allein je mehr man das Gesträuch, das den Werg von Oavra bedeckt, im Einzelnen untersucht, desto weniger wird man geneigt sein, auf einer sulchc:: Meinung zu beharren. Wir haben gesehen, wie von Iviron aus die immergrünen Sträucher allmählig einen höhern Wuchs erreichten und nach und nacl, immer mehr vom Castanicn-Hochwalde verdrängt wurden. Dächte man sich aber die Umgegend von Pandocrutorlis oder das Thal zwischen Iviron und Caraes neben den Werg von Larra gerückt, so würde man keinen ausfallenden Unterschied weder in dcn Strauch-artcn, die das Gebüsch zusammensetzen, noch in den Massmvcr-hältnissen derselben bemerken: nur die Größe, die sie cncichen, ist verschieden. An einer steileren Berglehne und bei minder rci-chcr Bewässerung findet die Vegetation vou Lavra nicht so günstige Lebensbcdingungcn, wie bei Laracs: eine Verschiedenheit, die leicht zu erklären ist, ohne daß man sie der Fclsuuterlage zuzuschreiben nöthig hätte. Das einzige auffallende Phänomen, welches die immergrüne Region des Athos von der des heiligen Waldes trennt und vielleicht auf dem Gegensatze ihrer gcognosti- absprechen, welche nach De Eandolle (I>k>5io!oZ>e ve^lale III. I5rr»ta) i>n I. !832 H/ über dem Vodcn einen Umfang von 2«»' hatte. Ist sie ebenso langsam gewachsen, als die Baume von Laura, so hat sie ein Alter von I3-160l) Jahren erreicht. Athos. 281 schen Unterlage beruhen mag, bcstcht darin, daß be: Lavra zwei holzigc Euphorbicn ^) auftreten, die, sogleich in unzähligen Individuen verbreitet, dem höheren Gesträuche die felsigen Geröll-strcckcn entziehen und diesen Abhängen cincn eigenthümlichen Character verleihen. Eine derselben, die häusigste und streng gcnom< men die allein gesellige, wird ungefähr 3^ hoch; aus dem dau« mendicken Stämmchcn, dcssen braune, glatte Ninde beim Anschneiden die dickweißc Milch reichlich ausspritzt, verzweigen sich zahlreiche, spannenlange Krautäste, die mit schmalen, lebhaft grünen, von den rothen Stengeln herabhangenden Blättern überladen, in der grünlichen Wlüthendoldc enden: diese aber ist besonders an den crbsenähnlichen Capseln kenntlich, indem der Strauch im Winter blüht und den Sommer hindurch seinc Früchte ausbildet, die reif gewordenen lange Zeit tragt und ihre Schale gleichfalls mit dem Milchsäfte des Gewächses versieht. Die andere Art, welche mit dieser in Gesellschaft wächst, ist ihr zwar in manchen Stücken ähnlich, aber ihr niedriger Wuchs, die häufigen Dornen, in welche die Blüthenäste auslaufen, die kleinen myrtenartigen Blätter verleihen ihr gleichfalls einen ganz eigenthümlichen Ausdruck, dcn ich nnt keinem andern europäischen Gesträuche zu vergleichen wüßte. Ich hcbc noch einmal hervor, d^Z diese beiden charakteristischen WolMnlchstrauchcr, gleichsam eine Nachbildung der canarischcn Euvhorbicnbäume in kleinern Ver-haltm'ffcn, nur auf die felsigen Stellen beschränkt bleiben, welche von der starken Humusdecke entblößt sind. Das übrige Gesträuch ist der Litoralformation von Pandocrütoras gleich und unterscheidet sich, wenn nicht einzelne der dortigen Formen verschwinden, nur durch das Auftreten des Wachholdcrs *), zeigt sich also im Allgemeinen weniger verschieden, alä die einzelnen Ufcrsircckcn des heiligen Waldes selbst, wie sie oben verglichen wurden. Hier ist jerncr auch der frühcrhin (S. 94.) beiläufig erwähnte Ort, wo in einzelnen Stämmen die Agriocumariä "*) *) Euphorbia spinosa L. unb dendioides L. **) Juniperus Oxyctdrus L. ***) Arbutus Andiudine L. 282 Neuntes Capitel. den obern Abhang der Uferklivpm schmückt. Nicht zu Waldungen vereinigt, selten übcr 15' hoch, kann sie den Wanderer wohl durch die Schönheit ihrer Gestalt fesseln, aber die Physiognomie dieser Region zu ändern vermag sie nicht. Nur an der Westseite des Athos, in der Nähe des Klosters Pavlu *), habe ich am folgenden Tage ein wirkliches Gehölz aus Andrachnebäumcn angetroffen und damals zugleich dieses Gewächs zum letzten Male erblickend meiner Erinnerung seine kräftige Vegetation eingeprägt. Eben jetzt war die Iahrszcit eingetreten, in welcher der Stamm der Agriocumari'z», ähnlich wie bei den Platanen, seine äußere Rinde abschuppt und selbst hierdurch, wie durch seine Windungen und Farbe, zu der Fabel von erstarrten Schlangen den Anlaß giebt, die nun nach dem Tode glänzendes Laub entfalten und den auf sonnigen Fels gebannten Körper mit ihrer dichten Krone beschatten. Alles ist zart und ebenmäßig an diesem Baume. Die hochrothe Rindenschale, die jetzt einen Stich in's Hellbraune cr-haltcn hat, fühlt sich weich wie Sammet an, und man bcnicrkt mit bewaffnetem Auge eine überaus gleichförmige, feine Behaarung, von der es räthselhaft bleibt, wie sie sich so lange unvcr-stürt auf dem trocknen, bastartigen Organe erhalten konnte. Wo sich die rothe Decke des Stammes abschalt, tritt die neue Ninde glänzend hellgrün und glalt hervor, und so erscheint der Baum stellenweise bunt bemalt und mit rothen Flittern behängen. Der Hochwald des Athos, der dessen mittlere Pflanzenregion bildet und den ich nach anderthalb Stunden (um 5" 45') erreichte, steht in einem scharf ausgesprochenen Gegensatze gegen die Baum-vcgetation des heiligen Waldes. An dem Puncte, wo der Weg nach Kerasia aus der immergrünen Region in den Hochwald übergeht, findet sich ein Gehölz von mehr als 80' hohen Steineichen mit den schönsten Kronen, die, so weit auch die Stamme von einander stehen, doch den Grund durchaus zu beschatten verrm'-gen. Diese Bäume unterscheiden sich von den Steineichen des *) Der Andrachnebaum ist übrigens nicht auf den Athosmarmor beschränkt, indem außer den beiden angeführten Localitäten auch einige Stämme auf dem Glimmerschiefer von Caracalo vorkommen. Athos. 283 heiligen Waldes wesentlich dadurch, daß sie in ihrcm Schatten weder Unterholz, noch Lianen, noch Knuitcrwachsthmn dulden: nacktes Erdreich breitet sich unter ihnen aus. Jenseit dieses tlei-ncn Waldes verändert sich die Scene völlig. Zwar überall dicht bewaldet, erreichen die Baume nirgend die Höhe jener Steineichen. Die Mannigfaltigkeit der Holzarten ist besonders charactc-nstisch. Eichen und Castanien sind vorherrschend, aber Eichen mit abfallendem Lanbe; in einzelnen Gruppen kommen Elsbeer-baumc vor, die den Kastanien an Höhe nicht nachstehen; seltener sind kleinere Baume, etwa 2U" hoch, Hopfcnbuchen und I'/-/ dicke Ilcrsiämme. Dann tritt ohne Niveauunterschied die Wcißtanne auf, aber die Eigenthümlichkeit dcö Nadelholzwaldes wild fast im-Mcr durch eingestreute Castanicn und Eichen aufgehoben. Bemerkenswert!) ist endlich, daß das Gebüsch, welches hier die Zwi-schcnramne ausfüllt und meist 3—4^ hoch wird, wenigstens anfänglich noch durchaus immergrüne Formen enthalt. Wo dieses niedrige Unterholz fehlt, ist der Boden von Farnkraut dicht bedeckt. So vereinen sich in diesem Walde, der den Umgebungen von Caracs übrigens sehr auffallend an Ueppigkeit nachsteht und auch ganz verschiedene Krauter ernährt, fast alle Laubformen Europa's, vom glänzenden Ledcrblatte des Ilex durch die üdrigm immergrünen und Laubholz-Formen bis zu den Nadeln der Tanne *) *) Quercus Ilex L. — Quercua pedimculata Ehrh. Caslanea vesca G. Pyrus toiminalis Elirli. Ostrya caipiniiulia Pers. Hex »quisoliuin L. Pinus Picca L. — 3u einigen ©tiäudjern bev imtnec? flttinen Ste^on, bie in t>crsd)iebcncn £8l;en in ber Söalbunß junict'blctben, fommen nun nod) Rosa canina L. unb tjcfonbcts Rubus fruiicosus L. — Pterife af|nilin,i L. — Untei" ben Ärautcvn finb ifcnige burd) ben ganjon Söatb UciOivitct: Kpipaclis nibra Sw. Veronica aushiaca L. Poly^ala major ,l;!ci|. Asiiayalns monspessnlanus L. Tlialictmrn ma jus Jac<| *öci6 ffiovyommen bee ööviftcn ivivb buvd) bie covfjeasdjenbe SSaumavt bebinßt. £>ie ®ticleiclE)c ivcidjft (;aufic) tn tmtx-vmifcljtci: i&albun^. ©onn voivb bev* be-ldjattctc SSoben juweilen burd) cine bid)tc (sJi-asncivbe uon Dactylis glorne-rav. — Diesen mitteleuropäischen Formen stehen die Kräuter des gemischten Waldes, in welchem die Castanic vorherrscht, «Menüber: 8ilen« ". Caiex Agastacliys Ehrh. Athos. 283 winkliger Biegung überschreitet der Pfad die äußerste Spitze dts Athos und, von hier aus gegen West gewendet, eröffnet er bald ganz neue Breiten des acgacischcn Meers, während die oft betrachteten Inseln des nördlichen Archipels sich dem Blicke entziehen. Statt dcrcn beleben cs nun in großer Entfernung, aber deutlichen Gcbirgsumrissen, winzige, jedoch zahlreiche Eilande, die Neihe von Hajiostrati bis Sc6pelos, besonders das letztere nebst der Tcufelsinscl Iura-pulo bedeutend herüberschcincnd, vielleicht von einer Nergspitze auf Euboea überragt. Hier werde» die Felsen über und unter dem Neitpfade viel iähcr und großartiger und, was bisher durch Wald und Vorbcrge verborgen war, ein großer Theil der Hauptmasse des Athos, zeigt sich plötzlich unmittelbar zur Rechten emporgerichtet, cin weißer, steiler Coloß, hier und da mit Tannenwald verziert, im Uebrigcn nackter Marmor, fast senkrecht, oben mit einzelnen Schneesiccken. Mehrfache Unterbrechungen des Nalds durch Ptcrisnicderung begünstigen diese gigantische Ansicht. Wald darauf gelangt man in eine tiefe, wilde Schlucht, an deren Wänden unförmliche Steinblöcke unchcrgcrollt oder maucr-förmig über einander gelagert sind. 5^om Ausgange des finstern Kessels ragen hohe, dunkle Tannen hcrcin und hiermit beginnt eine düstere Waldstrccke *), dic ausschließlich und dicht mit hochstämmigem Nadelholz bestanden ist. Dies ist der Ort, wo vor wenigen Tagen die Piraten erschossen wurden. Dort aus dem Hochwaldc traten sie arglos hervor, hier an der Fclömaucr lagen die Albanesen im Hinterhalte. Als wir durch die Schlucht kamen, wo nun am Abend eine kalte, strenge Gebirgsluft uns cnt-gcgenwchte, wurden die Maulchlcre unruhig, schauderten mit dem Lcibe, bogen dm Kopf zurück und bestrebten sich, seitwärts *) Dieser Tannenwald ist ohne beträchtliche Ausdehnung und bildet nur e»n untergeordnetes Glied der vorhin geschilderten Naldregion. Vor Kcrüsia kommt man wieder durch Laubholzstrecken. Aber mir waren jene Tannen sehr auffallend, da ich sie, bis dahin ln'r einzeln unter den Vastanien bemerkt 5°Ur, und da dies der erste reine, Yochstämmi^e Conifercmvald war, der mir s^'t mem«,« Besuche des bithymschm Olymps v^rlam. 286 Neuntes Capitel. vom Wege zu den Felsen bergan zu laufen. Auf mein Befragen erzählte der Calojer, daß die Körper der Gebliebenen hier nur leicht mit Laub bedeckt zurückgelassen wären, da man die Ehre des Begräbnisses ihnen nicht habe gestatten können: was unsern Sinnen kaum bemcrklich ward, hatte die Thiere mit Angst erfüllt. Unser Geleitsmann, der Genosse jenes Kampfs, freute sich, dcn Schauplatz seiner Heldenthat wiederzusehen, und verfehlte nicht, das Abenteuer an Ort und Stelle mit lebhaften Farben unserer Phantasie vorüberzuführcn. Unter dicsen Eindrücken, in dem Dunkel des Tannenwaldes, beim ungewissen Lichte anbrechender Dämmerung wurde mir denn freilich etwas unheimlich zu Muthe, um so mehr, als es fast gewiß war, vaß die übrigen Piraten noch in derselben Gegend, vielleicht hart in unserer Nahe, sich aufhielten. Dimitri aber pflegte zu sagen: »sie sind furchtsam, wie gescheuchtes Wild, und werden uns nicht angreifen.« Dies war auch die Meinung des Eremiten, bei dem wir übernachteten und der gewiß vft in persönliche Berührung mit ihnen gekommen war. Das verschwieg er indessen sorgfältig und redete gerade so, wie Sannerjidhes mir vorausgesagt. »Sie kommen in die Kcl-laeen,« sprach er, »und holen sich Brod, wir geben es nicht, aber sie nehmen es, indessen sind sie hier in Kerasia noch niemals gewesen.« Zehn in der Mitte des Waldes zerstreute KeNaeen bilden zusammen die Gemeinde Kerasia, ein Askitirion, das zum Kloster Lavra gehört. Das Kellaron, wo wir noch vor einbrechender Nacht (7^ tt') eintrafen, wurde von einem einzigen, bejahrten Philerimen bewohnt. Es war eine ärmliche, verfallene Hütte, die zwei dunkle Näume, ein Bctstübchcn und oben eine offene Gallerie enthielt, wo ich trotz ihrer gebrechlichen Stützen zu bi-vouakirm beschloß. Neben dem Häuschen fand sich ein kleiner Weingarten, ein Zwirbelfcld, einige Ruthen zum Gemüsebau bestimmt, und das war Alles, was der Greis für dieses Leben bedürfte und seit vielen Jahren besessen hatte. Er redete wenig und äußerte, ohne auf unsere Ankunft und Aufnahme vorbereitet zu sein, weder Verwunderung, noch Theilnahme, noch Sorgfalt: aber die ganze Nacht brachte er, ohne sich einen Augenblick Schlaf zu gönnen, wegen eines verstorbenen Heiligen in Gebeten zu: Mhos. 287 Abends und Morgens und zweimal während der Nacht, als ich erwachte und im Anblick der leuchtenden Gestirne, dem Zauber der Waldesstille hingegeben, zu schlafen säumte, hörte ich stets die leise Stimme des Eremiten in gleichen Tönen fortsummen, und sah, als ich dem Gemache mich näherte, durch die Spalten der locker zusammengefügten Bretter im Schein einer matten Kerze den Grcis vor dem Bildnisse kniecnd, das ihn so lebhaft, so dauernd und doch so friedlich zu bewegen vermochte. Wem sollten bei solchen Eindrücken nicht einige berühmte Verse gegenwärtig sein, die Lord Byron dem Athos widmete und die so genau die Stimmung wiedergeben, welche das Kellacon von Kera-sia einflößt, daß man glauben möchte, hier waren sie gedichtet worden. Der Sinn ist ungefähr, wie selig das Leben des from-nicn Eremiten sei, der, auf des Alhos Felsen einsam ruhend, am Abend von den Höhen durch die heiter milden Lüfte auf die blaue Fluch niederblickt. Ich kenne kein anderes Kellaeon, das auf so bedeutender Höhe unmittelbar zu den Füßen einen engen Durchblick auf das Meer gewährt. Ucbcrhaupt ist die Lage von Kerasia so wunderbar entzückend, großartig und zugleich die Einsamkeit des Gcbirgs, des Nordens Laubgrün, des Südens Küsten farbung und die Frische der reinsten, durch See- und Höhen-Wind stets erneuerten und gemäßigten Luft gewährend, daß man gern weiter mit dem Dichter ausspricht, wer solcher Stunden Neiz genossen habe, müsse sich sehnen, an jenem heiligen Orte zu wohnen, des stillen Manncs Geschicke zu theilen, und reiße sich zaudernd von dieser zauberhaften Scene los. Ware es erlaubt, der Darstellung dieser Situation noch einige weitere Worte zu widmen, so verdiente dies um so eher entschuldigt zu werden, als eine Zeichnung des Orts, dessen Neiz hauptsachlich in dem Wechsel der verschiedenen Ansichten besteht, indem man bald hinab zum Meere, bald rückwärts auf das Hochgebirge blickt, diese wirkungsrnchen Gegensatze durchaus nicht auf einem einzigen "llde zu vereinen vermöchte. Denn, wiewohl das Kellaeon nach allen Seiten von Casta-U'en und Fichten umgeben, nur eine enge Waldblöße einnimmt, ^ ist der Abhang unter derselben doch so abschüssig, das Mar- 288 Neuntes Capitel. morgebirge im Norden aber so hoch und steil, daß man übcr die Baumwipscl hinaus sowohl die Abgründe zum Meere, als die Felswände übersehen kann, übcr welche der Schlangcnpsad zum Athos sich hinaufwindet. Abwärts schaut man bis zum dunkelblauen Spiegel der See in eine einzige, jähe, jedoch durchaus hellgrün bewaldete Thalschlucht, die bei einer Tiefe von etwa 2ftU0^ wegen ihrer geradlinigen, gleichartigen Oberfläche von der größten Wirkung ist. Sie wird jcdcrscits uon einer ungeheuern, senkrechten Marinorllippc eingeschlossen, deren kühne Gipfel noch betrachtlich höher liegen, als Kcrasia, und ebenso fclsig in die Schlucht, als zum Meere abfallen. So treffen die vier bedeutendsten Farben, die eine Landschaft zu zieren vermögen und die hier besonders im Abcndlichte auf das Reinste und Wärmste gehalten sind, das nordische Frühlingswaldgrün, daS Schwarzblau des Meers, der aus Purpur und Lasur gemischte Ton des griechischen Himmels und das Neiß des Marmors in einem engen Keilschnitt und zugleich in massigen Umrissen zusammen. Bon den unendlich schroffen Abstürzen dieser Schlucht wendet das Auge sich gern zur Seite, wo eine einfache Waldansicht, über den Stufenabsatz des Athos und eine freundliche Paßlchne weit ausgedehnt, die wild majestätischen Formen mit dem Stillleben von Kerasia angemessen vermittelt. Tcnn eben am Außeiirande jenes Absatzes oder jener Brüstung, welche die beiden Klippen vvn dem Athos selbst scheidet und einen hohem, reichern Wachsthum der Baume verstattet, liegt unser Kellaeon. Bon der südwestlichen Klippe aber zieht sich ein waldiger Bergrücken zum Athos, welcher die Brüstung westlich begrenzt und über den der Paß nach Hajiamia und Pavlu hinüberführt. Der diesseitige Abhang des-selben ist sanft geneigt und erweitert auf diese Weise das Gcbict der Hochw^ldlandschast. Endlich im Norden, der Mccrcöschlucht entgegengesetzt, wo dicht aus dem Walde die Athoöpyramidc kahl, steil, weiß, fast vegetationslos hoch in dm Acthcr hinaufragt, wird der Sinn des Betrachtenden, vom Erhabensten gefesselt, weder durch die Wildheit der Natur erschreckt, noch durch ihre lebendige Regsamkeit abgelenkt, sondern ihrer stillen G.öße hingegeben, stets einen Gedankenkreis hervorzurufen geneigt sein/ Athos. 280 wie ihn der Greis dieser Zelle, vom Irdischen abgewandt, für immer ergriffen hat. 9. Funius. Ehe ich meine Besteigung des Athos weiter verfolge, will ich zunächst meine Höhendcstimmungen und sonstigen Schätzungen einschalten, um die Darstellung der Vegetati-onsvcrhältnisse in den obern Regionen bequemer daran knüpfen zu können. Die Messungen des Siedepunctes haben für die höchste Spitze des Athos eine Erhebung von 6438, für die Capclle Panajia 4506 pariser Fuße ergeben *). Zur Ersteigung des Bergs habe ich nach den erforderlichen Abzügen von Lavra aus 4^ 3U' gebraucht, und zwar von Lavra bis Kerasta 1> 3U', von da bis zur obern Laubholzgrenze t", im Lanciowalde 45', in der obern Weiß: tannenregion M' und von der Baumgrenze bis zur Spitze 45'. Hieraus crgcbcil sich nach den früher mitgetheilten Bemerkungen folgende Schätzungen: für die Capelle Panajia, die genau an der Grenze des Lariciowaldes und der obern Weißtannenrcgion *) Ich bediente mich zu diesem Zwecke eines englischen Thermometers, auf welchem ich deu vierten Theil eines Fahrenheitschen Grades ablesen konnte. Die auf der Spitze des Athoä um K^ M. angestellte Beobachtung ergab bei einer Lufttemperatur von 12" It. einen Kochpunct von 2W" Ii. Hierfür ist aus den Gindl'schen Tafeln ein Barometerstand non (IL2""",l substituirt vnd in Verglciehung mit der Lusttelnperalur von 2tt" lt. und einem Siedepunkte von 2!^" ^'.^ die obige Meereohöhe über Pa'olli nach den Gauß'schen Tafeln berechnet. Dasselbe Verfahren ist für zwei Beobachtungen von Panajia angewendet, deren mittlerer Werth einm S-iedl^mitt von 2V,75 bei einer Luft-tcmpl'ralur von 12" tt. ergab. Hieraus kenn entnommen werden, wie viel Werth diesm approximativen.Bestimmungen beigelegt werden darf. Copeland fand die Athoöhöhe — 6349', eine Angabe, die, wenn auch englische FHe verstanden smd, doch bei diesen Arten von Messungen noch einen befriedigenden Grad von Uebereinstimmung mit der meinigen zeigt. Sonstige Messun-5«n des Athos, dessen Höhe, von den Alten übertrieben dargestellt, neuerlich '^ist zu gering geschätzt wurde, sind mir nicht bclamit. Nur auf Leake's Charte finde ich, ohne Nachwcisung im Tertc zu finden, die Angabe vcn 47W', hie ohne Zweifel viel zu gering ist. Auch hat Lcake den Athos nicht biegen. Zachariae (Neise S. 2l9.j giebt gleichfalls ohne nähere Nachwei-'""g die Höhe zu 52UU'. 1. 19 290 Neuntes Capitel. liesst, 455^, für die Spitze dcs 2tthos lNiW': diese beiden Wcr-thc geben, mit den directen Messungen verglichen, bm Anhaltspunct für die übrigen; nämlich für Kerasia 2ltt<^, für die obcre Laubholzgrenzc 350l>' und für die Baumgrenze 5250'. Hieran reihen sich zwei Tempcraturbeobachtungen, die zu-gleich einen ungefähren Maßstab für die lliinatische Sphäre dcs Athos zu gewähren geeignet sind. Doch ist eine Bemerkung über die Bewässerung desselben vorauszuschicken. Im Ganzen ist dieser Berg auffallend qucllenarm und eben darin scheint eine eigenthümliche Beziehung zu dem ungewöhnlichen Wasscrreichthum der Quelle dcs Athanasios zu liegen, so wie sich überhaupt in der unbewässcrtcn Oberfläche des Athos ein entschiedener Gegensatz gegen das Schicfergebirge dcs heiligen Wildes ausdrückt. Denn obgleich mein Aufenthalt gerade in die Iahrszeit siel, die dcs schmelzenden Schnees wegen der Bewässerung des Athos am förderlichsten sein muß, so habe ich doch wahrend der Umkreisung des Athos, die mich über jcdcn Wasserabfluß hätte nothwendig führen müssen, von der Quelle dcs Athanasios über Lavra, Kc-rasia und Hajianna bis nach Paulu nicht cinc Quelle auffinden können, und der einzige Bach, den ich überschritt, entspringt in der Nachbarschaft der Piratcnschlucht, wo, wie später cröttcrt werden wird, Glimmerschiefer ansteht, fließt dann neben Kcrasia vorüber und fällt zwischen den beiden gegenüberliegenden Klippen nach kurzem Laufe in's Meer. Wo aber der Athosmarmor in Südwcsten aufhört, zeigt sich sogleich wieder cm höchst wasserreicher Gcbirgsbach, der in der Thalschlucht von Pavlu zum Meere hinabstürzt. Da nun der Schnee des obern Alhos und die Nebel, welche er oft um sein Haupt versammelt, irgend einen Abfluß haben müssen, so ist es einleuchtend, daß fein Marmor von Spalten durchsetzt werde, die jene Feuchtigkeit unterirdisch ableiten, den Bcrührungspunctcn mit dem Glimmerschiefer zuführen und erst hier in wenigen, aber desto reichern Quellen dem Tageslichte sich öffnen. Ja man kann bestimmter behaupten, daß fast alles Wasser des Athos in zwei großen Quellen gesammelt wird, der des Alhanasios am nordöstlichen und dem Bache von Pavlu am südwestlichen Fuße, und bei dieser Anschauung stellt Athos. 291 der Glimmerschiefer des heiligen Waldes ein Filtrum mit unzähligen Poren, der Athos hingegen eine undurchdringliche Marmorsäule dar, worin das Wasser nur einzelne Klüfte aufzufinden vermag, durch welche es in unterirdischen Ccmälen vereinigt hcr-abströmt. Um die Eremiten mit Tnnkwasscr zu versorgen, sind an mehren Orten tiefe, brunnenförmige Lisiernen von geringem Durchmesser ausgemauert, welche theils künstlich mit Wasser gefüllt werden, theils in Felsschluchten auf solche Weise angelegt sind, daß sie von jedem heftigen Regenschauer ihren Antheil empfangen. Zwei derselben lagen so tief (4") im Boden und waren nach oben so gut gegen Erwärmung und Luftwechsel verwahrt, daß ich mich überzeugt hielt, ihr Wasser würde die mittlere Wärme dcs Bodens angenommen haben. Auf diese beiden Cistcrnen beziehen sich meine Temperaturbeobachtungcn. Eine derselben findet sich auf der Spitze des Athos selbst, in einem eingeschlossenen Raume der Capclle, und enthält nach der Versicherung des Calojers Negenwasscr. Dicscs zeigte eine Temperatur von -j- 1" ii. Die andere Cisterne lag in einer Schlucht am^Wcge von Kerasia nach Hajianna, jenseit des Passes, noch im Laubholzwalde. Ihr Wasser hatte eine Warme von 10°, 6 U. (nämlich ^ 5li° l?.). Die Temperatur der Athanasiosquclle konnte ich leider ihrer künstlichen Einfassung wegen nicht bestimmen, und bemerke überhaupt, daß es als ein seltner Glückszufall zu betrachten ist, wenn cs gelingt, in Numelien brauchbare Qucllenwarmcn zu erhalten. Der hohe Werth, den Türken und Griechen in gutts Trmkwasser setzen, die beträchtliche Sommerwärme des Tieflandes, welche diesen Genuß dem Reisenden so wünschenswerth macht, der alte wuselmännische Gebrauch endlich, durch gestiftete Legate in den Einöden der Landstraße herrenlose Brunnen errichten zu lassen, haben es zur Folge gehabt, daß, besonders in dcr Ebene, auch bie kleinste Quelle, ihrem natürlichen Ursprünge entzogen, durch bauten und Nöhrcnlcitungen zum Westen dcs Wanderers vcrän-bert worden ist. Da man nun auf diese Weise über den wirlli-Hen Ursprung des Wassers fast niemals ein Uvthcil bat, da man 19* 292 Neuntes Cupilcl. im einzelnen Falle ungewiß bleibt, ob der Brunnen durch nahe oder ferne Quellen unterhalten werde: so kann man aus ihrcr Temperatur auf das Clima des Orts keine Schlüsse *) bauen. In Gebirgsgegenden, wo es keine größere Straßen giebt, treten diese Schwierigkeiten natürlich seltner ein, aber wir entbehren alsdann der Vcrgleichung mit der Erdwärme dcr Ebene. Aus dem stachen Lande werle ich in der That späterhin nur eine einzige Messung dieser Art mitzutheilen wagen: allein da ich sie im nördlichen Macedomen, zwei Breitengrade vom Athos entfernt, anstellte, glaube ich sie nicht zu dem gegenwärtigen Zwecke benutzen zu dürfen. Nach liner wahrscheinlichen Schätzung wird die mittlereTem-peralur am Mcensufer von Montcsanlo etwa 16° <^. betragen, d. h. ungefähr in der Mitte der Iahrcswarme von Rom (15",5 l^.) und Cagliari (>6'>,6 <^.) liegen"). Die Warme des Erdbodens dürfte am Fuße des Athos damit ziemlich genau übereinkommen. Geht man von dieser Schätzung aus, so findet vom Meeresufer bis zur Spitze dcs Athoß eine Abnahme dcr Erdwärmc ^ii»k statt. Diesem würde nach der von Kamtz ***) für mittlere *) In wie fern gerade durch solche Verhältnisse die Messungen zu niedrige Werthe geben und daher das Clima des Landes kälter erscheint, als es ist, wird uon Kämtz erläutert (Meteorologie Bd. 2. ,». 588.). ") Bouttemperal!,r bei 585",4 Erhebung um 1" c. sinkt. Kämtz hingegen Athos. 293 Breiten aus den Beobachtungen abgeleiteten Warmcabnahme mit der Höhe (5l<)'—«U0' auf 1» s^.) eine Erhebung des Athos von 627l/ entsprechen, ein Resultat, das von unserer Messung nur Um Il^/ abweicht. Nach demselben Verfahren findet man sür die zweite Cistcrne eine Meercöhöhe von lä2U'. Diese Resultate nähern sich vielleicht aus zufälligen Gründen den wahren Höhen mit größerer Schärfe, als die unsichern Voraussetzungen, worauf sie sich stützen, vermuthen lassen. Die Erdwarme auf der Spitze des Athos giebt endlich auch einen ungefähren Maßstab an die Hand, um zu schätzen, wie vicl etwa der Athos höher scin müßte, um auf seiner Spitze ewigen Schnee zu tragen. Wollten wir nach den hierüber aufgestellten Grundsätzen annehmen, daß die Schneegrenze hier mit einer Erdwarme — — t°,5 ^. zusammenträfe, so müßte der Athos ungefähr 10000" oder 360,V höher sein, als er ist, um scinen Schnee das ganz? Jahr hindurch zu bewahren. Dieser Werth stimmt theils mit der Lage des Wergs unter 4N" 9" n.Nr. gut zusammen, so wie z. B. am Caucasus bei entsprechender Erdwarmc die Schneegrenze zu l026<^ gefunden wurde, theils sindct er eme praclische Anwendung auf den gegenüberliegenden thrssalischen Olymp, wahrscheinlich den höchsten Berg NumelienZ, der wenigstens einzelne Sämeclager im Sommer nicht verlieren soll und dessen Höhe Coftcland zu 9757^ bestimmt hat. Ucbri-gens brauche ich kaum zu bemerken, daß diese, wie andere cli-Matologischc Bcmcrrungen, nur den Zweck haben,- eine allgemeinere Vorstellung des Gegenstandes zu vermitteln, da schon die geringe Zahl der Messungen natürlich nicht dazu dienen kann, genügende Beiträge zur Kenntniß der noch unbekannten climatischcn Verhältnisse von Numclien zu liefern. Wenden wir uns nunmehr zu den Wanzcnregionen, die am Athos, stufenweise scharf ausgeprägt, vom Fuße des Bergs bis zum Gipfel auf einander folgen, so halte ich sür angemessen, der besondern Darstellung einige allgemeinere Betrachtungen voraus- ("' a- O. S. 2»X».) ist dcr Ansicht, dch die V«dmn'ännc crst bei W0' um l" 0. sinkt. 294 Neuntes Capitel. zuschicken. Denn wenn wir weiter vom Athos nichts wüßten, als daß er, gleich den meisten übrigen hohen Bergen Europa's, unten einen Laubholzgürtcl, in der Mitte eine Region von Nadelwald und oben einen baumlosen Abhang enthält, so würde die Kenntniß des Niveaus, in dem diese Regionen sich gegen cinan-dcr abgrenzen, schon zu bedeutenden Verglcichungen mit andern Gcbii-qen Anlaß und Stoss darbieten. Als ich den Athos bestieg, setzte es mich nicht wenig in Erstaunen, die obere Grenze des Baumwuchses, durch einzelne verkrüppelte Tannenstamme entschieden ausgesprochen, schon in einer Höhe von 5250' anzutreffen. Aehnliche Verhältnisse am Aetna, wo die Baumvegctcilion bei 6200' aufhört, bestimmten Herrn Philippi ^), örtliche Ursachen für eine solche Anomalie aufzusuchen. Anomal aber erschien die Erscheinung ihm deshalb, weil die verschiedensten, vorherrschenden Gewächse, wie der Weinstock, die Castanie, die Buche, am Aetna 13—1400' höher hinaufsteigen, als am Südabhang der Alpen, die Baumgrenze hingegen fast in derselben Höhe sich einstellt. Er äußerte die Meinung, daß die vulkanischen Processe am Aetnakegel mechanisch die Bil-tmng einer Erdkrume hindern möchten, welche zur Ernährung von Bäumen fähig wäre, und führte zur Unterstützung dieser Meinung die Beobachtung des Herrn Gcmmellaro an, der auf der Höhe von 7800' noch eine einzelne Pappel, freilich nur die einzige und zwar eine b" hohe, gesehen hat, eine Erscheinung, für die man auch in den Alpen weit über der Baumgrenze zuweilen analoge Fälle anzutreffen Gelegenheit hat "). Ich theilte inzwischen die Ansichten Philippi's und versuchte schon damals, die niedrige Baumgrenze des Athos, die noch um 1000' früher eintritt, als am Aetna, ja scgar um 250' früher, als am Nordabhang der Schweizer Alpen, aus örtlichen Ursachen mir einigermaßen verständlich zu machen. *) Vegetation bcö Aetna in drr Zeitschrift »Linnaea« Bd. 7. p. ?56. ") Ich erinnere mich, eine cmzelnc Lärche oberhalb der Baumgrenze beim PaßiiberMM vom Fuschcr Thale nach Heiligenblut in Oberkärnthc» gesehen zu haben. Athos. 295 Am nächsten lag es, der Gestalt dcs Bergs die Baumlosig-kcit seiner obern Abhänge zuzuschreiben. So wie der Aetna cine aus der Verwitterung der Fclsmassen sich bildende Erddccke, kaum von Pflanzen besamt, wieder durch Laven einhüllt, oder durch Erdbeben gleichsam abschüttelt, eben so wenig mochte sie hier an steilen Abstürzen zu haften vermögen, vielmehr entweder soglcich herabrollen, oder bei der freien Lage des Athos an einer stürmischen Küste vom Winde zu Atomen verstreut werden. Diese Betrachtungsweise ist jedoch nicht zu befriedigen geeignet, wenn man die bewaldete und baumlose Region aus diesem Gesichtspuncte vergleicht. Auch die Waldregion enthalt freilich ausgedehnte Lücken, dcrcn Neigung so groß ist, daß weder Baum, noch Gesträuch an der Marmorwand sich zu befestigen im Stande ist. Die höchste Region aber ist im Allgemeinen nicht abschüssiger , als die übrigen Theile des Athos. Auch ist sie durchaus nicht ohne Vegetation, sondern ein niedriges, die Alpenrosen vertretendes Gesträuch kommt bis zum Gipfel vor. Es ist eine alpine Region, im Gegensatz zum Aetnakegel mit einer reichen und eigenthümlichen Vegetation von perennirendcn Krautern und Zwergstrauchcrn, also den charakteristischen Formen der alpinen Flora, geschmückt. Freilich stehen die Bodenverhältnisse in einem bestimmten Gegensatze gegen die Waloregion, jedoch in keinem höhern Grade, als in felsigen Alpcngegcndcn. So weit der dichte Fichten- und Tanneu-Wald reicht, findet sich begreiflicher Weise auch eine starke, vereinigte Humusdecke. Die alpine Region hingegen ist ein Chaos von Fclstrümmern und kleinen, festen Marmorstcmcn: aber in den Spalten und Höhlungen der Fclsblöcke, zwischen dem feinern Gruß und ihn vereinigend, finden sich, so weit überhaupt Gewächse den Abhang beleben, auch jene fetten, tiefen Humusablagrrungcn, welche für die alpine Vegetation so charac» tcristisch sind und dcrcn Lebenslauf bedingen. Sehr irrig würde es sein, von diesen Verschiedenheiten der Erdkmmc den Character der beiden Wanzenregioncn-ableiten zu wollen, wahrend cs in die Augen springt, daß die crsiern vielmehr von den letztem bedingt werden, und daß, wenn die Bäume weiter oben noch die 296 ' Neuntes Capitel. klimatischen Bedingungen ihres Fortkommens fänden, ihr Vege-tationsproccß auch bald eine vereinigte Humusdecke über dem felsigen Untergrunde ausbreiten wülde. Wenn man jcne climatischen Bedingungen für die Waldve-gctation nur in der mittlern Wärme, z. B. des Erdbodens, erblicken wollte, so wäre es leicht nachzuweisen, daß nach dieser Bestimmung der Wald bis auf den Gipfel des Athos reichen müsitc *). Andere climatische Factoren aber sind bei dem gegen-wältigen Zustande unserer Kenntniß nicht anzuwenden. Unter diesen Umständen beschränkte ich mich, die alpine Flora des Athos als etwas Gegebenes, einmal Vorhandenes, als ein von unbekannten, vielleicht historischen Ursachen abhängiges Phänomen zu' betrachten, und legte mir nur noch die Frage vor, ob wohl, falls beständige, klimatische Factoren auf dessen Erscheinung nicht einwirkten, die Waldreqion, sei es durch natürliche Besamung, oder durch die Thätigkeit des Menschen, die alpine Flora allmahlig zu verdrängen und den Gipfel des Bergs zu erreichen fähig sei. Ich ging hierbei von der Betrachtung auS, daß die alpine Fkra des gemäßigten Europa, abgesehen von ihrer Tcmpcratursphne, besonders durch eine eigenthümliche Art der Bewässerung den Waldlegionen gegenüber charactcrisirt werde. Der stetig den Sommer hindurch schmelzende Schnee auf der einen Seite, die häufigen und anhaltenden Nebel, welche sich an die Wergspitzcn hangen, andererseits, bewirken nicht bloß einen ununterbrochenen und reichlichen Zufluß von tropfbarem Wasser, sondern sie vertheilen dasselbe auch gleichmäßig auf die kleinsten Oertlichkeiten, gleichsam als wäre ein Sieb mit feinen Poren über der ganzen Alpenflora ausgespannt, von dem die Feuchtigkeit niedertropfend die humuslosen Felsspalten bestandig abspülte und rein erhielte, um deren Furchen und Spalten, wo die zu-sammcngcschlammte Erdkrume durch die Wurzeln der Gewächse *) Beispielsweise führe ich auo Wahlcnbcrg'ö QuellenbcobachtlNMN an (!<'Io,'Ä fand. Achos. 207 zusammengehalten wird, desto wirksamer zu tränken. Im Gegensatze gegen diese Weife der Bewässerung, welche dem Ursprünge der Gewässer in den Hochalpcn entspricht, haben sich in der Waldrcgion dic Quellen bereits zu Gcbirgsbächen und reißenden Flulhcn vereinigt, wahrend die Nebel, hier in Wechselwirkung mit der Krone der Bäume, ihre Wurzeln erfrischend und zu einem großartigen Vegctationspn'cesse verwendet, weniger auf dic Erdkrume und Fclöunterla^e zu wirken vermögen. Durch dicse Gegcüfähe, die sich indessen nur auf die ruftc-stre Formation der alpinen Flora, nicht auf ihre Wiesen beziehen, schien es einigermaßen erklärlich, daß, wo einmal Wald und Alpenflora sich gegenseitig abgegrenzt haben, diese Grenze auch ill der Folge schwerlich werde verrückt werden können, wenigstens nur zum Nachtheil des Waldes, nicht aber zu dessen Erweiterung. Man erkennt darin Ursachen des Bestehens einer alpine!» Vegetation, auch wo die Meereshöhe deren climatische Bedingungen noch nicht erfüllt. Auf den quellenlosen Alhos aber, wiewohl derselbe nirgends eine Spur von Alpenwicscn zeigt, schienen solche Betrachtungen nicht unmittelbar angewendet werden zu können. Tie Schneclagcr jedoch, welche sich tief in den Sommer erhalten, und mir in jetziger Iahrszeit zuerst in einer Höhe von 53UlV begegneten, entsprechen den so eben angedeuteten Verhältnissen. Bedenkt man sodann die freie, einsame Lage des Bergs über einer warmen und dem veränderlichen Spiel der Winde in Mittlern Breiten preisgegebenen See: so wird man ihn oft im Sommer von Gewitterwolken umlagert sich vorstellen dürfen, von jenen Niederschlagen, die von der wandelbaren Erwärmung und Abkühlung des Hochgebirgs abhängen. Wie sehr sich ferner in der Regenzeit des Herbstes diese Meteore mehren, dafür besitzen wir das Zeugniß von Mr. Lcake *). Bei seinem Aufenthalt am Häjion-Oros im October schreibt er, bie Iahrszeit, den Athos zu besteigen, sei vorüber gewesen. Denn »wenn die herbstlichen Orcane in diesem, dem stürmischsten Winkel eines Meers, das überall unbeständig und Nindsiößcn un- *) No Kliern Greece 3. |>. 127. 298 Neuntes Capitel. terworfcn ist, begonnen haben, so können Wochen vorübergehen, bis ein Tag erscheint, an dem man sicher wäre, einer vollständigen Ansicht der entfernten Puncte vom Gipfel zu genießen.« Endlich könnte man anführen, daß die reinen Sommernächte Griechenlands eine reichliche Thaubildung am Athos ungewöhnlich begünstigen, und man könnte bemerken, daß eben die eigenthümliche Humusanhäufung in den Spalten der Marmorblücke mbst deren nackter Oberfläche selbst auf.eine ähnliche Bewässerung schließen laßt, wie sie mit der Felsvegetation der Alpen in Verbindung steht. Wenn ich durch sulche Betrachtungen mir wahrend meiner Neise die Ausdehnung der Alpenflora am Athos aufzuklaren suchte und sie jetzt ausführlicher mitgetheilt habe, so geschah dies nicht deshalb, weil ich ihnen einigen Werth für die Lösung jenes Problems einräumte, dessen Grundlage, die ursprüngliche Bedingung der niedrigen Baumgrenze, sie eigentlich unberührt lassen. Aber indem sich die Phantasie des Reisenden mit solchen Ideen beschäftigt, lenkt sie, um ihre Hypothesen durch Thatsachen zu regeln, die Aufmerksamkeit auf manche übrigens vielleicht unbeachtet gebliebene Erscheinungen, die Darstellung gewinnt an Zusammenhang und es kommt Einzelnes zur Sprache, das immerhin dazu dient, die Eigenthümlichkeiten des geschilderten Gegenstandes genauer zu bezeichnen, wenn auch die Sätze, zu deren Unterstützung es gesagt wurde, sich nicht bestätigen oder einer schärfern Begründung ermangeln sollten *). Um 4^ Morgens verließ ich Kerasia, um den Gipfel des Athos zu besteigen, welchen nach der Bemerkung des Eremiten ein rüstiger Mann in drei Stunden zu Fuße zu erreichen im Stcmde sei. Der Weg führt steil, oder, wo der Berg felsig wird, im Zickzack bis zur Spitze: an eine tenasscnartige Absonderung desselben ist nicht zu denken. *) Allgemeinere, vergleichende Bemerkungen über diesen Gegenstand, welche bestimmt sind, im Gegensatz gegen diese Erklärungsversuche obiges Problem aus einem gcläutevlen Gcsichtspunctc darzustellen, sind in der vicutt»' Note am Schlüsse dcs Bandes entwickelt. Athos. ' 299 4^ — 5^. Wahrend der ersten Stunde oder bis M einer Höhe von 3500' befand ich mich dem Obigen zufolgs noch in derselben Laubwaldregion, deren Charakteristik uns schon mehrfach beschäftigt hat. Es ist noch übrig, die Bemerkungen hinzuzufügen, welche sich auf ihre obern Abhänge beziehen und wodurch die Ansicht von den Eigenthümlichkeiten dieses Waldes wesentlich näher bestimmt wird. Sein Character, im Gegensatze gegen den heiligen Wald beruhte vorzüglich darauf, daß am Athos cine größere Zahl verschiedener Baumarten in Gesellschaft wächst und daß diese regellos unter einander vertheilt sind: dieser Character verliert sich um so mehr, je höher man ansteigt und je näher man der obern Grenze des Laubwaldes entgegenrückt. Beim ersten Eintritte in diese Region bemerkten wir eine Gruppe von hohen Steineichen, die einen vortheilhafteren Eindruck in Hinsicht auf die Güte des Wachsthums zurückließ, als die folgende Anschauung bestätigte. Allein auch an andern Orten, besonders in den Umgebungen von Kcrasia, spielt die Steineiche eine bedeutende Rolle in der Zusammensetzung des Waldes. Hierauf folgten die Castanien und Stieleichen, den erstgenannten Bäumen an Höhe und Stärke des Stamms nachstehend. Doch fand ich späterhin auch hochwüchsige Casianicn, welche ein schönes Laub-dach ausbreiteten, und zwei Naumartcn, die oberhalb Kerasia fast überall, jedoch nur W einzelnen Stammen unter den Steineichen und Castanien vorkamen, standen diesen an Umfang und Höhe nicht nach: der südcuropaische Ahorn, der in der immergrünen Region auffallender Weise strauchförmig bleibt, liier aber zu einem großen Baume auswachst und der bereits erwähnte Elsbeerbaum, welcher höher als alle übrigen am Athos hinaufsteigt. Die Weißtannc hingegen, die an der Pirattnschlucht einen kleinen Wald für sich bildete, ist weiter oben nur ein untergeordnetes Glied der Laubwaldregion, und zeigt, wie wir sehen werden, von allen Bäumen des Athos die merkwürdigste Verbreitung 5). *) Quercug Ilex L. Caslanea vesca G. Quercus pcdunculata I'Jith. Acer monspesäularium L. Pyrus toiminalis Ehrli, riiius 1»i- 300 Neuntes Capitel. Wenn man der obern Laubwaldgrenze sich nähert, so ver-liett sich eine Waumart nach dcr andern, nur die Stieleiche wird häufiger. Das Unterholz oder Schattengesträuch, welches bisher noch so häusig war, daß die einzelnen Stellen, wo es fehlte, mochten sie nun mit Farnkraut oder mit Gras bewachsen sein, sehr in die Augen sielen, hört nun allmahlig ganz auf. Hausig breitet sich eine starke Grasfläche am Boden aus. So besteht denn der oberste Theil dieser Region, die nach unten so mannigfaltige Erscheinungen darbietet, nur aus einem einfachen Gürtel, den jene Eiche für sich bildet und der in einer Breite von 50»/ sich bestimmt abscheidend weiter abwärts allmählig in den Mischwald übergeht. Denn wahrend bis zu dieser Ucber-ganqsregion (etwa 2600'—3000") sowohl unter den Waldbaumcn selbst die Steineiche und der Ilex in ihrcm immergrünen Laube den Typus dcr Küstenslora bewahren, als besonders im Unterholze die Glieder dieser Flora selbst erst nach und nach verschwinden: so entfaltet der obere Eichenwald selbst vielmehr einen rein mitteleuropäischen Character: cin weitlauftiger, hochstammiger Wald aus einer einzigen Baumart, die im Winter entlaubt ist, siatt des Unterholzes im Schatten der palibkwnen nur eine dichte Grasnarbe, Mangel an Krautern und unter diesen Formen aus Mitteldeutschland *). Können nun also die Eichen überhaupt als die wesentlichsten Typen der beiden untern Stufen dcr Waldregion gelten, so bezeichnen wir die erste durch deren immergrüne, die zweite durch die nordische Art. Wie wenig naturgemäß cs inzwischen erscheine, nach solchen Verhältnissen den Berg in eine größere Reihe von Regionen ") cl!» li. — Zu den früher erwähnten Waldkräutern gesellte sich hier, jedoch t)öd}ft fetten, Brassica cretica Lam. *) Dac:(>li.4 glomerala L. Cephalanthera ensisolia Rich. Mer-tuiialis ovata Slenibg. ") Ma» tmmli>, um hier diese Idee im ganzen Umfange zusammenzustellen, am Athos ) 3»^ lMl'gnme Slräuchcr itt»;nifd)en ©cWvs 9en önsctvoffen. **) Pyrus (orminalis Ehrh. r. Aria Eluli. — ^f(f,ft einzeln 0Rimt q,,^ Mespilns Cotoneastcr L. «or. 1 2a 306 Neuntes Capital. gion dcr Laubhölzer bemerkt. So steigt er von allen Laubbäu-mcn bei weitem am höchsten am Athos hinauf unb beschränkt sich zugleich auf die kälteren Höhen, auf welchen die ähnlichen Formen nicht mehr gedeihen können. 5^ ^__^ 4I>. Auftnthalt bei der Capelle Panajia. Aus dem Lariciowalde tritt man unerwartet auf eine kleine Wiesen-platte, die, genau über der Wendung des Wegs von Lavra nach Kerasia vom Athoskegel vorspringend, gegen das Cap, d. h. nach Südosten, aber nicht weniger gegen Osten bis über Nordost hin« aus, von Felsen umgürtet einen schauerlichen Blick in ungeheure, senkrechte Abgründe gestattet, äion Süd bis West reicht der La-n'ciowald schräg zu ihr hinauf, im Norden starrt der Athosgipfel, sein Fuß im schwarzen Tannenwalde auf die Platte sich stützend. Auf dieser schmalen Flache steht eine offne, der Jungfrau Maria geweihte Capclle, dahcr Panajia genannt. Hier ist eine reiche Flora von Grasern und Krautern, mit Werbcritzcngcstrauch untermischt. Man könnte den Ort keine Alpenwiese nennen, aber die Lage sich gcnau vorstellen, wenn man sie mit jenen Pflanzenreichen Fclsvlatten vergleicht, die man so oft in den Kal^ilpen antrifft. Jene Zwerg-Berberitze ist nebst zwei Gebirgslegumino-sen, einer rothköpsigen Anthyllis und einem Traganth-Astragalus, auf dieser Athosspitze häufig verbreitet, und diese Formen erscheinen wegen ihrer sparsamen Verbreitung auf griechischem Boden besonders charakteristisch *). Oberhalb dieser Platte giebt es keine Fichte mehr, abwärts bis zum Laubwalde keine Tanne. Dieser Punct ist eine äußerst scharfe Vegetationsgrenze: denn mit Ausnahme des eben erwähnten Baums -und jener BerbcriS fand ich, daß kein Gewächs diese Platte wedcr nach oben noch nach unten überschritt. I" man kann noch mehr sagen. Der Wiesengrund selbst, besonders aber die Fclsblöckc am Precipice, find eine äußerst reiche Fundgrube an seltenen und eigenthümlichen Pflanzen. Von dem ganze« Reichthums dieser Vegetation kenne ich kein einziges Gewächs, das *) EerbcrJs cietica L. Astragalus anguslisolius Lam, Antl>y'' lis vuJiieraria L. var. rosca. AthoZ. 307 wir außerhalb dieser Oertlichkcit noch auf irgend cincm Puncte des Athos vorgekommen wäre. Ich könnte erklärend hinzufügen, daß die Pü-tte zugleich die einzige Andeutung einer Bcrgwicse gewesen sei, die ich in diesem Gebirge gesehen: allein wenn dieser Umstand das einmalige Vorkommen der Wiesenpfianzen hinreichend erläutert, so ist tics nicht in Hinsicht auf die reichere Felsbekleidung der Fall. Eben solche Marmorblöckc, wie bei Pa-najia, bedecken den baumlosen Gipfel dcs Alhos von der Spitze bis zur Baumgrenze. Nicht eine einzige Pflanze von Panajia kehrte dort oben wieder, bei identischen Verhältnissen des Wo-dens, aber durch einen Höhenunterschied von 750' getrennt. Je mehr man alpinen Höhen sich nähert, desto bestimmter sind die Niueaugrenzen abgeschnitten, innerhalb deren ein Gewächs ein seinem Lebenskreise entsprechendes Clima findet. Dieses Phänomen , das bei der vcrhaltnißmäßig gleichförmigen Abnahme der Warme schwierig zu erklären sein möchte, glaube ich auf mitteleuropäischen Gebirgen gleichfalls bestätigt zu sehen. Daß die Verschiedenheit der Felsflora von Panajia und vom alpinen Athos keine zufällige Erscheinung, sondern durch die Höhe des Standorts bedingt sei, geht noch deutlicher aus der Betrachtung der Pflanzen selbst hervor, unter denen sich hier noch nicht jene Familien fmden, die, für alpine Höhen characteristic!), fast auf der ganzen Erde, wie an den Polen wiederkehren. Wci Panajia werden die Felfen bei Weitem vorherrschend von Crucife-ren undAlsmecn geschmückt, nicht, daß diese den physiognomischen Character bestimmten, vielmehr sind's meist winzige, gesellige Formen, aber so zahlreich an Arten, daß sie von den damals blühenden oder erkennbaren Gewächsen *) mehr als die Hälfte ausmachten. Bekanntlich giebt es aus diesen beiden Familien *) Clypeola Jonthlaspi L. Vcsicaria utriculata DC. Draba Aizoon Wahl. Isatis tinctoria L. Thlaspi persoliatum L. Aubrie-tiiX «lehoidea DC. Alyssum minimum W. Alsine verna Eaitl. A. r°strata Koch. Arenaria pubescens d'Uiv. Arcnaria serpyllifolia L. Ct>ra3tium jjumilum Curt. — Geranium rotuntlifolium L. Melissa Acinos JBciuh. Krotnus mollis L. Bednm athoum DC. u. f. xo. 20* 3W NeuntcS Capitel. auch alpine Reihen, aber die Arten von Panajia gehören nicht zll diesem Kreise, die Saxifrage« fehlcn, und, was noch mehr beweist, die beiden physwgnomisch bestimmenden Gewächse, An« thyllis und Traganthstranch, tragen vollends den griechischen Typus. Oeftcr habe ich die Bemerkung wiederholt, daß auf den' rumelischen Gebirgen die Puncte, wo zwei Regionen sich berühren, stets eine ergiebige Ausbeute an eigenthümlichen Pflanzen darbieten. Die Platte von Panajia selbst endlich ist theils ohne Spuren alpiner Vegetation, theils besonders durch gelbe Aspho-dclen ^) characterisirt. So kchrcn südliche Formen noch einmal oberhalb des nördlichen Laricio-Waldes wieder. 7" 45'—8^ 15'. Nur bis zur Capelle von Panajia ist der Athos für Maulthiere zugänglich: wenigstens wurde dies vom Al-bancsen behauptet, und er blieb dahcr mit dem Gepäck und unsern vier Thieren zurück. Nur dcr Priester von Lavra, Dimitri und ich bestiegen den Gipfel. Ich fand den Weg zwar viel schmaler als bisher und nur für Fußwandcrer berechnet, aber doch so künstlich im Zickzack angelegt und die kleinen Marmurstücke so sichet zum Auftreten, daß ich mich, ungeachtet der Steilheit des Abhangs, der wahrscheinlich mehr als 30« gencigt ist, kaum erinnere, jemals auf so bequeme Wcise eine hohe Bcrgspihe erstiegen zu haben. Denn der Fußpfad ist grußtcnthcils nur nach vorn geneigt, seitwärts aber rcchtwinklich gegen die Bcrgaxc künstlich eingelegt, was auch leicht geschehen konnte, da es nur darauf ankam, die losen Steine abzutragen, die sich dann fest zusammenlegen und nicht leicht von selbst hinabgleiten, weil sie eckig und klein sind. So ist der untere Theil dcs Kegels durchaus nu't kleinen Marmorsteinen von großer Härte und rein weißer Farbe übersäet, zwischen denen der pflanzennährcnde, schwärzliche Humus sich einsenkt; erst in dcr Nahe des Gipfels vergrößert sich das Volumen dieser Fclssragmente und dort oben findet man zu- *) Asphodeline hiUai Tichb. — Uebrige SSeffanbtydte btesec ^ctm^ tion waren: Rosa pimpineliisolia L. Lamium sdialum Siblli. <»a" Jium cruciata Scop. Platuago lanceolata L, Toa alpina L. «lib Dan-ihonia carinata n. sp. Athos. 309 lcht ein Chaos von «nächtigen Felsblockcn, zwischen dcncn man mühsam emporklimmt, ohne das Ziel der Wanderung zu erblicken, bis man unerwartet auf dem ebenen Boden zwischen den Giftfclfclsen anlangt. Schnee fand sich nur in einzelnen Lagern an dieser, der südlichen Seite des Bergs, und war, im Schmelzen begriffen, an einer Stelle, wo er den Pfad bedeckte, unserm Beginnen hinderlich. Ucbcr der Platte von Panajia breitet sich unmittelbar der Tannenwald aus, aber schon nach 15' hatte ich die obere Grenze der dichten Waldung erreicht, da während der letzten Viertelstunde unterhalb der Baumgrenze nur einzelne Stämme fortkommen. Ich war sehr begierig zu erfahren, aus welcher Tanncn-art diese höchste Waldrrgion gebildet werde, allein bald überzeugte ich mich, daß es die gewöhnliche Wcißtanne sei, deren Vorkommen in dieser Hohe auch sehr gut mit ihrer Verbreitung in den Alpm übereinstimmt*). Da ich nun hier über die Identität der Art unzweifelhaft sein durfte, in der Laubholzrcgion aber keine Tannenzapfen gesehen hotte, so wurde ich zweifelhaft, ob die Tanne von Kcrafia wirklich zu den Wrißtannen gehöre. Allein in der Folge glückte es mir, am heiligen Walde einen einzelnen Baum, mit aufrechten Zapfen beladen, aufzufinden und Mich zu überzeugen, daß nur eine einzige Tannenart ^) am ') In den Alpm lommt I'i„u8 pice» I.. im Durchschnitte bis zu einer Höhe von '1600' uor. Ebenso wird im Durchschnitte der Höhenunterschied zwischen den obern Grenzen gleicher Arten an den südlichen Alpen und am Athos etwa 700' betragen. Dieser Höhenunterschied beträgt nach Herrn PhUippi am Aetna IM»'; dcr Athov steht daher, seiner geographischen Lci^e entsprechend, in pflanzengcographischer Beziehung gerade in dcr Mittc zwischen den Alpen und dem Aetna. ") Als ich hörte, daß man vor einiger Seit eine der Weißtanne nahe verwandte Art auf den ionischen Inseln unterschieden habe, vermuthete ich, baß dle Tanne der Laubholzregion wohl dieser Form angehören möge. Ich )abc mich jedoch im botanischen Garten zu Trieft, wohin jene cephalomschc Tanne, wenn ich nicht irre, durch Herrn Link gelangt war, überzeugt, daß >>e von der Wcißtanne nicht specifisch verschieden sci. Herr Zuccarini äußerte später dieselbe Anficht. 3!tt Neuntes Capitel Athos vorkomme. So bleibt cs denn eine sehr auffallende, gewissermaßen unerklärliche Erscheinung, daß dieser ^aum zuerst einzeln, aber doch zuweilen gesellig, mcist ohne Früchte, aber doch mit eben so üppigem Wachsthum in einer Hödc von 1200' — 3000' am Athos auftritt, daß er dann in der Zone von 3000' — 4500' gänzlich fehlt und über diesem tannenlosen Gürtel wieder in gleicher Gestaltung als der dem kältesten Clima trotzende Waum wiederkehrt. Der dichte Tannenwald ist der Bezirk, innerhalb dessen die dornige Zwcrgberbcritze von Creta ihre Verbreitung beschränkt. Auf der freien Platte von Panajia gedeiht sie am besten, im Walde ist sie das einzige Gestrauch, gewöhnlich 2—3', höchstens 4' hoch; wo die Tannen sich über den Abhang zerstreuen, hört sie auf zu wachsen. Sie ist zugleich nebst den einzelnen Stämmen der Meblbirne das einzige Gewächs, welches nut der Tanne in Gesellschaft vorkommt. Weder Kraut, noch Gras sah ich im Schatten dieser Waldung: nur ein Parasit, die Mistel, wuchert auf einigen Wcißtannen *). Wo aber der Tannenwald aufhört und in einer Zone von etwa 300' nur noch einzelne Stämme in Abständen von 100 und mehr Schritten bemerkt werden, kündigt die alpine Vegetation sich allmahlig an. Eine Krummholzregion, wie auf den Alpen, Caipatcn und Sudeten, giebt es am Athos nicht. Zwar kann man an den höchsten Lariciosichten bei Panajia bemerken, daß die Zweige häusig sich horizontal auszubreiten bestreben: aber die Tanne zeigt dieses Phänomen nicht, und der oberste Waum, der einsam über einer Marmorklippe steht, trägt auf ein cm schlanken Stamm seine mäßig entwickelte Krone und mag eine Höhe von 20' erreichen. Freilich kommen selbst auf der Spitze des Athos liegende Holzgcwächse vor, Rosacccn, aber dies sind kriechende Sträucher, die in den Spalten der Felsblöcke haften, und tonne» nicht als Stellvertreter des Krummholzes gelten, weil ihre Zweige sich nicht nach oben verbreiten: ihre Vegetation entspricht den Zwergwciden und alpinen Nhamnusarten. *) BctLeria cretica L. Pyrus Aria Ehrh. Viscum album h- ?lthoö. 3N 8 15'—9^. Als ich in die baumlose Region eintrat, fürchtete ich schr, in zu früher Iahrszeit den Werg bestiegen zu haben, um cine richtige Ansicht von seiner alpinen Flora erlangen zu können. Uebcrall sproßte zwischen dem Gestein eine Wasft von Zwerggcstrauch und pcremmendcn Kräutern hervor, die Blatt-formen waren mir glößtcnthcils unbekannt: aber nur selten gelang es, cine blühende Pflanze zu erhalten. Erst auf dem Gipfel selbst war die Vegetation weiter fortgeschritten, vielleicht weil cr sich schon längere Zeit vom Schnee des Winters deficit hatte, oder weil cr im höchsten Wechsel der Tag- und Nacht' Wärme durch Thaubildung in hoherm Grade, als der Abhang begünstigt wurde. So enthielten z. B. die Saxisraga-Nasen cine solche Menge Feuchtigkeit, daß daraus auf einen starken Thau oder Nebel am heutigen Frühmoigcn geschlossen werden durfte. Hier war ich nun so glücklich, mir eine Sammlung von mehr alt' 2<» blühenden Gewächsen zu verschaffen, schr eigenthümliche, zum Theil bisher unbekannte Formen. Rechne ich zu diesen noch einige Artcn, welche Herr von Friedrichsthal in der lctz-ten Hälfte des August von der Athosspitzc zurückbrachte, und die ich zu untersuchen Gelegenheit habe, so glaube ich zu einer allgemeinen Uebersicht dieser, wenn auch armen, doch merkwürdigen, und von keinem Botaniker beschriebenen Flora gelangt zu sein. Die Holzgewächsc bestehen aus vier Arten. Von diesen ist eine Daphne mit hellen Wachöl'lülhcn der einzige aufleckte Strauch, der, wenn auch nur sparsam, doch bis zum Gipfel vorkommt: ein ästiges, fußhohes Gewächs, mit Blattern wie BuclMcmm, gewöhnlich untcr Felsblöcken versteckt, so daß die Nacktheit des Kegels durch seine Vegetation nicht belebt erscheint. Außcrdein giebt es nur cincn einzigen aufrechten Strauch, der jedoch nur einzeln vorkommt, eine Art Zwcrgwachholdcr. Die bcidcn andern, schon angeführten, kriechenden Holzpsianzcn standen auf dcn obersten Felsen in Blüthe, eine kleinblättrige Nosc und cine andere Rosaccc, die bisher irrig zu den Pflaumen gc-Nchnct worden ist. Diese vier Gewächse*) rufen dcm Wotaniker, si *) Daphnp hiixisolia Siblh- Juniponi* hemispljacrica Prcs]. «osa olyiiipiva Don. Ha£Uk>a& j)ro4trata (i'jitnus Lab.). 312 Ncunteö Capitel. wenn cr den Athos besteigt, zum Theil die entlegensten und höchsten Bergspitzrn des südlichen Elnopa'ö in's Gedächtnis. Denn wollte er die Daphne noch einmal wiedersehen, müßte er zum Ida auf tzrcta wandern; den Wachholder fände er auf dem Aetna, die Zwergpflaume auch auf dem Ida, adcr auch am Libanon, am Parnaß und vielleicht auch auf dem Biocovo in Dal-maticn. Das ist die merkwürdige Verbreitung dieser Gewächse, auf die berühmten, südöstlichen Berggipfel eingeschränkt. Die alpine Krautvegetation des Athos, eine Fcismsiora, enthält besonders Saxifrageen, Crucifcren und Euphorbiaccen; ferner finden sich Cmnvositen, Lcguminosen, Alsineen, Norraginecn, Corydaleen und Liliaceen ') rcpräfentirt. An Eryptogamen ist diese Region, wie der Athos überhaupt, sehr «rm. Keine Flechte bekleidet den Marmor: nur ein einziges Moos *) habe ich entdeckt. Lebendigen Wesen in dieser Einöde zu begegnen, darf man nicht erwarten. Ein einziger Käfer, ein Cerambyx, wie ich glaube, verbarg sich eilig neben der Capelle. Beim Hinabsteigen verjagten wir im Tannenwalde einen prachtigen Hirsch. Nach diesem allgemeinern Ucderblicke über die Vegetation dcs Athos gehen wir zn einigen Gemerkungen über die Lage des Wergs über, die nur vom Gipfel aus richtig übersehen und in ihrem wahren Verhältnisse zu den umliegenden Landschaften dargestellt worden kann, und wir verweilen zugleich bei den hohen Naturgcnüsscn, welche die Besteigung des Athos gewahrt. In Kerasia hatte ich geglaubt, der westlich vom Kcllacon *) Saxifraga media Gouan. S. sancla nov. sp. — Arabis al-pina L. var, grandiflora. A. drabiiormis m. (l)raba liiila Siu. ucC al.). Authionema atlioum m. Eunomia opposiiisolia DC. — Euphorbia fragifera Jan var. K. tleilexa Sm. E. Myrsiniios L. — Ptar* inicae sp. Astragalus deprossus Sibtli. Anliiyllis inoiiiana L. Are-naria biflora L. Myosotis alpcstris S. Corydalis digitata 1*<-Jis. Scilla bisolia L. Carex sp. ♦♦) Syntiicliia subiilala W. M. var. alpina. Uchos. 313 gelegene, bewaldete Paß gestatte den Zugang zum Athos, der in nördlicher Richtung ganz unersteiglich zu sein schien. Dennoch wendet sich der Pfad sogleich nach Nordosten und findet hier verborgene Schluchten, in denen er schräg und ohne die Hauptrichtung zu ändern bis Panajia aufsteigt. Wenn man nun hier, aus einer Waldschlucht zur andern zu gelangen, die freie Klip-pcnbrüstung umkreist, kann man sehr belohnende Blicke nach rückwärts in die Tiefe und Ferne werfen, weil alle Gegenstände rasch aus dem Meere hervortreten. Dort sieht man zum ersten Male nach den beiden andern Halbinsclstreifen von Chalcidice, nach Longos und Cassandra hinüber, von denen jener, der nächste, mit dem heiligen Walde, diesen vom Athos getrennt gedacht, zu vergleichen wäre. Denn Longos wird auch durch eine Bergkette gestaltet, deren höchste Erhebung (nach Copcland 25W"), nicht wie hier an der äußersten Landspitze, sondern in der Mitte der Halbinsel liegt und mit einer zweiten Spitze an deren Nord-cnde verbunden ist, die zum Zeichen der Vermischung von Griechen und Osmanen Cürvuna "°) genannt wird. Doch über diese Nachbarküsten hinaus öffnet sich schon jetzt ein fernerer Einblick in den griechischen Continent, freilich nur durch einzelne Berg-spitzen am Meereshorizonte ausgedrückt. Zwei Gipfel, von denen der nördliche von Schneelagern glänzt, zeigen sich dort durch einen breiten Hochthalcinschnitt getrennt. Schon freute ich mich, den thessalischen Olymp und das Thal Tempe zu begrüßen, aber ich überzeugte mich später, daß ich, in der Richtung irrend, den Dfsa mit dem Olymp verwechselte. Es ^aren die Berge Ossa und Pelion, die mir aus einer Entfernung von 20 g. Meilen zuerst vom griechischen Festlande herüberwinkten, und die Küsten-kette von Thessalien, die zwischen beiden über den Spiegel der MeereGäche sich erhob. Die hausigen Windungen des Wegs verändern diese Scene beständig. Der Blick nach Süden schließt die mannigfaltigste Fernsicht auf. Von Osten nach Westen beginnt sie mit dem ^) Der Eiirv'.ma ist nach derselben Quelle nur 1842' hoch, die Halbinsel Cassandra aber crhrbt sich nur bis zu 1078". 314 Neuntes Capitel. EliaZberge auf Skyro, beherrscht die Teufels inseln Pipcri, Jura-Pulo und Pelaghisi, findet ihren bedeutendsten Mittelpunkt in dcr Gruppe von Selidromi, Skupelo und Skiatho- und cndct in der Gebirgssenkung südöstlich von ä^olo, zwischen dem Pelion und dem Berge von Skiatho, wo über dem Canal von Triken einige Berge von Nordcuboea erkannt werden, vielleicht sogar der Parnaß, der genau in dieser Richtung liegt, aber 30 g. Meilen entfernt ist. Daß es nicht so ganz unwahrscheinlich sei, den. Parnaß vom Athos erblicken zu können, dafür spricht ein Umstand, der mir in diesem Panorama einer dcr bcmcrkenswcrthc-sten zu sein scheint. Oestlich von Sk<>pclo sah ich am äußersten Horizonte einen schneebedeckten Kegelberg, der viel weiter entfernt zu liegen schien, als irgend ein anderer Punct im Gesichtskreise. Nach der Richtung und Entfernung konnte dies kein anderer Berg sein, als dcr Dhelsi auf Euboea, dessen Höhe Leake zweifelhaft auf 6000' schätzt. Dieser Berg aber ist 25 g. Meilen vom Athos entfernt und erschien noch bedeutend über den Horizont erhoben. Hinreichend erhabene Gegenstände scheinen in diesem Clima und bei günstiger Beleuchtung bis zu zwei Breite-graden sichtbar zu sein. Zuweilen kehrte auch das frühere Wild wieder vom nordöstlichen Archipel, welches mich von Lavra bis zur Wendung um das Cap begleitet hatte: aber auch diese Ansicht hatte jetzt an Umfang gewonnen. Lemnos ward zu einer einzigen, im Vordergrunde ausgebreiteten Insel; jenseits tauchte Tenedos hervor; und eine noch weiter entlegene Bergcontur, das letzte Denkmal von Asien, konnte nur auf den trojanischen Ida gedeutet werden, wiewohl auch dieses Gebirge gegen 25 g. Meilen vom Athos entfernt liegt. Alle Landschaften, welche nördlich von einer Linie, die vom Ossa zum Ida reicht, gelegen sind, wurden bis jetzt nocb durch den vorliegenden Athosgipfel verdeckt. So sehr nun der weite Umblick über eine Meeres-, Insel-und Gestade-Fläche, deren Halbmesser 25 g. Meilen betragt, das Auge zu fesseln vermag, so stark es auch die ärmste Phantasie bewegen müßte, hier so viele berühmte Berge und Eilande des Alterthums auf die bequemste Art in einem einzigen Augenpunkte AthoZ. 313 vereinigen zu können: so ist das Gemälde des Vordergrundes, der Blick in die Tiefe doch viel reicher, lebendiger und anregender. Große Formen, blendende Farben sprechen unmittelbar zum Gemüth. Die tiefen Abgründe, die hohen Marmorfclscn, das mannigfache Grün, das Indigo- und Lasur-Blau: alles dies wirkt auf das Auge in ganz ähnlicher Weife, wie das Ohr durch gewaltige und harmonische Töne gereizt wird, die das empfängliche Organ sodann mit der Stimmung der Sccle zu vermitteln versteht: so wie auch der Landschaftssinn gleich dem musicalischen Gehör theils ein angeborncs Gut ist, theils durch schöne Eindrücke weiter ausgebildet werden kann. Wenn aber schroffe und zugleich in gewissem Sinne versöhnte Gegensätze in dieser Sphäre die größte Wirkung äußern, so ist es hier besonders die Nähe des Mccrs an den wildesten Gestalten der Feste, die der großartigen Natur einen beruhigenden Character verleiht. Denn die stille, blaue Flache erscheint stets in äußerster Nähe, als sähe man von einem hohen Thurme auf die klare Fluth hinab, aber in so großen Verhältnissen, daß, wer den höchsten Gipfel hinaufklimmt, sich wie eine Ameise vorkommt, die einen Kirchthurm zu erklettern bemüht ist. Erst, wenn man einen Berg, der tausendmal größer ist, als der Mensch, beständig vom Fuße bis zum Gipfel übersehen kann, empfangt man sein Bild, so wie es unsern Begriffen von materieller Größe entspricht. Hatte der Frühmorgen durch den klarsten Himmel meine Wanderung so freundlich begünstigt: so drohten die folgenden Stunden wenigstens den sinnlichen Genuß ganz zu vereiteln. Als ich dope bei Trajanopolis hervor, und von da begrenzt der Kamm der südlichen Nhodopekette den Gesichtskreis, ungefähr bis zum magnetischen Meridian, bis zum Pilav-tepe bei Orphan»; das Thal des Carasu (des Nesius der Alten) ist durch die größere Nähe und bedeutendere Erhebung der westlich von seiner Mündung gelegenen Berge ausgedrückt; hierauf scheint der hohe Ge-birgskamm, der sich nördlich und nordwestlich von Seres bis zum Nardar erstreckt, der Schengcl-dagh, von dem noch später die Nede sein wird, weiter zurücktretend sich anzureihen; von da bleibt die Linie bis zum Olymp und Ossa unbekannt; vom Olymp folgt sie dcr thessalischcn Küste bis zum Cap Iivrji; der südliche Gesichtskreis ist oben erwähnt: vielleicht würde dcr lcsbische Olymp hinzuzufügen sein. So groß die Zahl von wichtigen Puncten ist, die von hieraus gesehen werden konnte, so scheint sie doch von Leake *) überschätzt worden zu sein. Wenigstens dürften gegen die Hypothese, daß man vom Athos möglicher Weise die Lage des bithynischen und thcssalischen Olymps vergleichen könnte, dieselben Bedenken geltend zu machen sein, welche dcr Verfasser selbst einer irrigen Meinung dcr Hajioriten, nach deren Angabe die Minarets von Constantinovel in einer Entfernung von mehr als 50 g. Meilen sichtbar wären, entgegengestellt hat: denn der bithynische Olymp liegt in einem geraden Abstände von 6U g. Meilen. *) Northern Greece 3. p. 128. Athos. 319 Um 11" zog sich der Nebel dicht zusammen und von diesem Augenblicke an mußte ich meine Hoffnung, ihn schwinden zu sehen, aufgeben. Won Minute zu Minute nahm er an Dichtigkeit zu und erst bei Panajia trat ich aus der Wolke heraus. Aber auch später verfolgte sie mich und erst im Laubholze durfte ich mich ganz des heitren, südlichen Tags erfreuen. Ich verweilte indessen noch bis 11/' 45' auf der Spitze und beobachtete noch um 11^30' eine Temperatur von 16«,3 15., also cine Zunahme hon beinahe 6" in drittehalb Stunden. Dieses Phänomen ist mir ganz räthselhaft. Woher kommt es, daß bei der stillsten Luft und beständig steigender Wärme hier an dem isolirtcn und dem einzigen Puncte des Gesichtskreises eine Wolke regellos sich bildet, stellenweise verschwindet, aber im Ganzen sich allmählig vergrößert und zuletzt den Gipfel völlig auf mchr als 2000" einhüllt? Statt daß die zunehmende Warme gegen Mittag sie auflöst, wird sie dichter; statt daß der Niedcrschlag eine örtliche Bewegung in der Atmosphäre bedingen sollte, bleibt sie still. Vielleicht war der Erdboden dort oben um Sonnenaufgang sehr viel kälter geworden, als die Luft, vielleicht war dicscr Unterschied der Temperatur gegen Mittag noch gestiegen, als die Luft durch Wolkenbildung und Sonne sich erwärmte, der Felsoberfiache aber eben durch den Nebel die Sonnenstrahlen entzogen wurden. Die Zeit, die ich auf dem Rückwege gebrauchte, kann zur Bestimmung der Rcgionenbreite nicht angewendet werden. Um 12^ 15' erreichte ich die erste Tanne, den Tannenwald selbst und die Berberitzen um 12^ 30', um 12^ 5U' die Platte von Panajia, wo,ich erfreut war, das Gepäck unversehrt und den getreuen Albanesen in der Capelle schlafend wiederzufinden, und mein Mittagsmahl aus Bouillon, Brod und Wein verzehrte. Um 1" 40' verließ ich Panajia und gelangte um 2^ 5' an die obere Eichen-grenze, um 2^ 20' an den Mischwald. Endlich um 2^ 40' traf ich wieder bei dem Eremiten in Kcrasia ein, so daß ich, von hieraus gerechnet, in 3 Stunden hinauf, in 2 Stunden und 5 Minuten wieder herabgestiegcn war. Das Kcllacon gewährte mir Ruhe, Wasser und Wein, aber schon um 3^ 30' setzte ich meinen Weg nach der Südtüste fort. 320 Neuntes Capitel. Er führt zunächst auf die Paßhöhe, die den AthoB mit der hohen Küstcnklippe verbindet und die ich nach einer Viertelstunde erreichte. Man blickt in die Tiefe zu dcn verborgenen Meeresbuchten hinab, die, am Fuße der Kerasischen Thalschlucht, von den vorspringenden Klippen verschränkt jene unzugänglichen, vom Mcere aus unsichtbaren Zufluchtsorte für die flüchtigen Piratcn-schiffe dargeboten hatten. Stets auf schattigen Waldpfaden sich bewegend, überschreitet man den Paß, dessen Höhe nach unsern Schätzungen etwa 2150^ beträgt. Von da geht's in westlicher und südwestlicher Richtung uncrwartc., steil hinab, ohne einen einzigen Absatz, immer tiefer, bis wir um 5^ 15^ Hajianna erreichten, das nur noch einige 10N Fuße über dem Mccre licgt. Es ist eine enge Thalschlucht, die, unmittelbar vom Athos herabreichend, zwischen senkrechten Klippen hinabführt. Ungeachtet ihrer großen Neigung ist sie größtentheils bewaldet. Der Pfad ist für Maulthiere viel weniger gangbar, als der Weg auf dcn Athoskegcl selbst sein würde. Er ist zwar künstlich im Zickzack angelegt, aber dennoch blieb es an vielen Orten erforderlich, Stufen in den Felsen einzuhauen. Es ist sehr beschwerlich, diese rohen, steilen Treppen hinabzusteigen. Wenn man von unten hinaufschaut, begreift man kaum, wie es möglich war, hcrabzu-kommen. Dieser einfache, unmittelbar von der Hohe zum Fuß des Gcbirgs führende Bergabhang ist viel hoher, steiler und gleichmäßiger geneigt, als einer der höchsten Abhänge in den Ty-roler Alpen, der vom Porphyrgebirge der Seißcr Alp in das Ei-fackthal abfallt. Gerade über dem Ursprünge der Schlucht ragt der AthoZgipfel, durch noch jähern Absturz geschieden, hervor. Je weiter ich hinabstig, desto mehr empfand ich dcn Unter-schied des Climas. Die kühle Bergluft von Kerasia war vorüber, drückende Hitze lahmte mcme Schritte. Dieser Gegensatz wurde auch hier in der Vegetation treu abgespiegelt. Jedoch liegt die Grenze des Waldes und der immergrünen Straucher in dieser Thalschlucht tiefer, als gegen Lavra. Sie findet sich, in bestimmter Linie ausgedrückt, etwas oberhalb Hajianna. Die Kellaecn, welche das Askitirion dieses Namens, das größte des Häjion-Oros, bilden, stehen nahe beisammen, und Athos. - 32 l ihre Bewohner zeichnen sich, wie man mir sagte, durch Betriebsamkeit aus. Wohl zwanzig Häuschen *) sah ich hier und dort am Felsen zerstreut, oder in einer künstlichen Terrasse versteckt, die meisten mit kleinen Gärten und mühsam erlangtem Ackergrunde versehen, alle durch eine freundliche Kirche in ihrem Mittelpuncte vereinigt. Von hier bis zum Kloster Pavlu beträgt die Entfernung nur noch eine halbe Stunde, ein Weg, der am Vergge-hänge bequem durch die immergrünen Sträucher hinüberführt. Diese Region ist hier reicher und üppiger entwickelt, als bei Lavra. Aber sie enthält noch jene charakteristischen Formen, welche den Athos vor dem heiligen Walde auszeichnen: die An-drachne und die Wolfsmilchsträucher. So wie aber fast jeder Punct an diesem Gestade seine botanischen Eigenheiten hat, so traf ich auch hier allein ein Gewächs von schr eigenthümlichem, fremdartigem Ansehen. Zwar holzig, aber doch nur wenig verzweigt, mit äußerst schmalen, langen Blättern dicht besetzt: eine Distel acht griechischen Ursprungs, welche die Küsten von Morea Und die cycladischcn Inseln physiognomisch characterisiren soll "). Nichts ist malerischer, als der Anblick des Klosters Pavlu, das man plötzlich, in die erste bewässerte Thalschlucht einbiegend, wie ein Schloß an die Felswand geklebt, vor sich sieht. Gerade da, wo die höchste Erhcbung des heiligen Waldes sich dem Athos anlagert, strömt der Gebirgsbach aus der Waldregion herab. Denn an der Nordküste durch Thalemschnitt und Vegetation getrennt, sind hier beide Systeme genauer verbunden, der heilige Wald steiler und höher "*) emporgerichtet, der Athos in entsprechender Höhe gleichmaßig bewaldet. Diese Waldung nebst ') Im Ganzen gehören zu Havanna 60 Kellaeen und jedes zu 4 — 5 Bewohnern gerechnet, gegen 250 Kellaeoten (nach Carajannopulos a. a. O.). ") Cliamgepeuc« srulicusa V6. — Ferner bemerkte ich hier zuerst: ^onvnlvulug c?2nllatula "') Mcin kann die höchste lichebümi des heiligen Waldes auf 35W' setzen, wenn man Copland's Messung des KcmnnS über Simüpetra von 62W' zu Grunde legt. I. 2l 322 Neuntes Capitel. den hohen Gesträuchen reicht von oben her bis an die Felsplatte, auf der das Kloster des Apostels Paulus erbaut ist. Von dieser Platte, unmittelbar unter der Klosicrmauer, welche die Kirche und die weitlauftigen Gebäude einschließt, reicht eine senkrechte Felswand etwa 15l)^ zum schmalen begrünten Vorlande, das sie vom Meere trennt. Aber diese Felsen stützen nicht bloß das Kloster, die ganze Mündung des Gebirgsthals wird von ahnlichen Massen getragen. Diese überstürzt der reißende, geschwollene Gebirgsbach, und so übersehen wir mit einem Blicke vom Spiegel des Meers bis zum Gipfel des Athos ein großartiges Bild, das durch die beiden Brüstungen des Thals von den übrigen Landschaften abgeschieden wird. In einer Nische der Klostermauern sprudelte uns ein Springbrunnen entgegen, ein befestigtes Thor bot uns den Eingang. Im Innern war man mit großen Bauten beschäftigt, eine neue Kirche war im Werke. Die Calojeren, die gerade zu einem prie-sierlichcn Geschäfte versammelt waren, — auf 5U *) schätzte ich ihre Zahl, — slavischer Abstammung, standen ihren griechischen Brüdern an äußerer Haltung und geistlicher Würde nach. Ein grcßes Gemach wurde mir angewiesen, aus dessen Fenstern ich jählings zum Strande hinabschauen konnte. Unten aber beherrschte die Aussicht den Golf, gegenüber Longos; darüber ragte der Pe-lion hervor, matt von der Abendsonne beleuchtet; von den Inseln war Skiathos sichtbar. 1U. Iunius. Nachdem ich den Athos in dcn meisten Nich« tungen, die meiner Beobachtung zugänglich waren, zu schildern versucht habe, bleiben mir noch einige Erfahrungen darzustellen übrig, welche ich elst in den Umgebungen von Pavlu, wo ich heute verweilte, zu einer bestimmten Ansicht zusammenzustellen vermochte. Sie bclnjfen die Fclsgeschichte des Bergs, über die ich zu Anfang nur eimge einleitende, jetzt weiter auszuführende *) Nach den eingezogenen Erkundigungen gehören ION Calojeren z«M Kloster Pavlu. Dies ist wiederum eine virl höhere Zahl, als in Webber Smith's Liste sich findet, der 26 ansässige, 15 reisende Ealojeren und 2s Eremiten zählt. AthoZ. 323 Bemerkungen mitgetheilt habe. Um jedoch'meine einzelnen Beobachtungen unter einen vereinigenden Gesichtspunct zu bringen, denke ich sie sogleich im Zusammenhange mit der Hypothese vorzutragen, welche ich mir an Ort und Stelle über die Entstehung der Halbinsel gebildet habe, ohne zu verkennen, daß sie zu einer Begründung derselben vielleicht nicht umfassend genug sind. Daß der Marmorkegel dcs Athos eine durch vulkanische Kräfte aus der Tiefe des Meers emporgestiegene Felsmasse sei, bedürfte bei den gegenwärtig in der Geologie geltenden Grundsätzen wohl kaum eines besondern Beweises. Indessen liegt in der Natur ein solcher Beweis vor, jedoch nur an einer einzigen i!o-calität, so weit ich die Halbinsel kenne. Der einzige Werg nämlich, der weder aus Marmor, noch aus Schieftr, noch aus Kalkstein besteht, ist derselbe, an dessen Abhang das Kloster Pavlu erbaut ist, oder das südliche Verbindungsglied dcs Athos und des heiligen Waldes. Das Gestein dieses Bergs ist ein von Fcldstein-masse durchdrungener Quarzfcls; Nester von lauchgrüncm Chlorit kommen darin vor mit einzelnen Glimmerschupften. Diese große Gebirgsmasse, die den ganzen Berg von Pavlu, also die höchste Erhebung der heiligen Waldkette bildet, ruht unmittelbar auf dem Marmor des Athos; auf beider Gesteine Berührungslinie strömt der Gcbirgsbach herab. Der zweite Berg jener Kette, nördlich vom Kloster, besteht schon aus Glimmerschiefer, wie alle folgenden. Dieser ist jenem angelagert: der porphyrartige Quarzberg liegt zwischen Schiefer und Marmor, zwischen dem heiligen Walde und dem Athos eingekeilt. Sein Gestein dürfte daher als diejenige Masse zu betrachten sein, welche die ganze Halbinsel gehoben hat, welche unter ihren Bergen rul)t und nur am westlichen Fuße des Athos, neben dem Schauplatz ihrer größten Kraftentwickelung, sich an das Tageslicht in einem mehr als 3000' hohen Berge hervorgedrangt hat. Wenn man annimmt, daß vor dieser vulcanischen Erhebung der Marmor am tiefsten, der Glimmerschiefer in der Mitte, zu vberst die am Nordcnde der Halbinsel weiter entwickelte Kalkfor-waUon im Grunde des Meers horizontal geruht haben, und daß bcr Marmor, am stärksten der feurigen Gewalt von unten auö- 2l * 324 Neuntes Capitel. gesetzt, sich während der Hebung theils gangförmlg in den Schiefer hinausgedrängt, theils ihn durchbrochen und im Athos sich weit über ihn emporgerichtet habe: so erklären sich alle örtlichen Lagerungsverhältnisse, die am Häjion-Oros beobachtet worden sind, auf befriedigende Weife. In Hinsicht auf den Kalkstein von PandocliUoras wissen wir bereits, daß er sich dort dem Schicftrgcbirge auflagere. Dasselbe Verhältniß wurde später in größerm Umfmige wiederholt in dem nördlichen Theile der Halbinsel beobachtet. Daß aber der Schiefer wiederum sich eben so zum Marmor, wie der Kalkstein zum Schiefer, verhalte, zeigt sich am südlichen Fuße des Athos aufgeschlossen. In der Piratenschlucht bei Kcrasia steht, auf einen kleinen Raum beschränkt, ein Glimmerschiefer an, der dem des heiligen Waldes gleich ist, dessen Schichten aber im Sinne der Athos-Hebung nach Süden abfallen. Noch entscheidender aber ist für dieses Lagcrungsver-hältniß eine Stelle auf dem Wege von Kerasia nach Hajianna, wo noch einmal, in der Thalschlucht des Athos. der Marmor durch Glimmerschiefer überdeckt wird. Die Schichten desselben fand ich hier sehr genau gegen den Athos schräg aufgerichtet: da ich aber hier auf einer um den Berg in Gedanken gezogenen Kreislinie schon um einen halben Quadranten weiter fortgeschritten war, so war der Schichtenfall des Schiefers nicht mehr gegen Süden, sondern gegen Südwesten gerichtet, mit einer Steilheit, die im Verhältniß zur Neigung des Bergs zu stehen schien. Diese beiden Schiefermassen verdankten daher unstreitig die Stellung ihrer Schichten dem unter ihnen emporgestiegenen Athos. Die Beobachtung dieses Verhältnisses im Thale von Haji' anna erschien mir um so wichtiger, als sie in einem wesentlichen Gegensatze grgen den Schichtenfall der Nordseite des heiligen Waldes stand. Dort haben wir gesehen, daß der Schiefer allgemein seine Schichten nach Süden bis Südsüdosten, also im entgegengesetzten Sinne gegen den Athos abfallen ließ. In der Richtung stimmte damit der Schiefer der Piratenschlucht übcrein, der sich im Verhältniß zum Athos entgegengesetzt verhielt; nun wich auch eine andere Schiefermasse von jener constanten Nich-tung ab. Athos. 325 Als ich diese Beobachtungen erwog, glaubte ich noch an die schon früher widerlegte Idee, daß die Halbinsel durch zwei durchgebrochene Massen gebildet sei, einmal durch den Athos, zu dem die benachbarten Schiefer gehörten, und zweitens durch eine Masse, die ich im Norden der Halbinsel voraussehte und an welche die vom Athos abgewendete Bergkette sich hinauflagern würde. Eine ungeschichtete Felsmasse findet sich aber im Norden der Halbinsel nicht. Ich erwähne indessen jene Ansicht nochmals, wejl sie mir zu einer Beobachtung am Athos selbst Gelegenheit gab. Dessen Marmor ist nämlich, wie sich von selbst versteht, zwar nicht geschichtet, aber doch in bestimmten Richtungen zerklüftet und abgesondert. Seine Absonderungsflächen sind stets senkrecht gegen den Zenith gerichtet, während sie in horizontalem Sinne beinahe einen rechten Winkel mit dem Meridiane machen. Betrachtet man diese Flächen als die Ucberreste der durch Erhitzung in Marmor verwandelten Kalksteinschichten, so kann man daraus schließen, daß die Richtung der vulcanischen Kraft in perpendiculärem Sinne stattgesunden habe. Wollte man nun versuchen, sich die Catastrophe der Erhebung vorzustellen, so wäre es schwer einzusehen, wie die Wirkung des Athos sich vom äußersten Ende aus auf eine lange Halbinsel sollte ausgedehnt haben. Eher würde eine einsame Felseninsel entstanden sein. Die Hypothese, daß der Athos die Halbinsel mit sich cmporgeriffen habe, schien es zu fordern, daß seine Schichten nach Südosten aufgerichtet wurden. Außerdem steht das Lagcrungsverhältniß des Schiefers am südlichen Fuße des Athos mit der senkrechten Erhebung desselben in einem befriedigenden Zusammenhange. Die Haltbarkeit eines solchen Naisonncments hangt ganz von der Richtigkeit der Vorstellungen ab, die man sich von der Natur der vulcanischen Catastrophe« überhaupt entwirft. Sie werden, so lange man nur einzelne Inseln und Aulcane, nicht aber Gebirgsketten, hat entstehen selicn, wahrscheinlich stets unvollkommen bleiben. Im vorliegenden Falle ist dies um so gleichgültiger, als eine dirccte Beobachtung iene Ansicht berichtigt und mich über die Anomalie in dem Lagerungsvcrhältnisse des heiligen Waldes bestimmter belehrt hat. Sie bezieht sich auf den zweiten Berg 326 Neuntes Caprtcl. der Kette, vom Athos gerechnet, dcr am Wege von P.ivlu nach Caraes unmittelbar auf den vulcanischen Berg folgt. Es ist für die Geologie des Häjion-Oros ohne Zweifel der wichtigste Punct der Halbinsel und seine felsigen Abhänge sind zur Beobachtung sehr günstig gebildet. Die Lagcrungsverhältnisse zeigen sich am Maulthicrpfade selbst aufgeschlossen. Bis zur halben Höhe des Bergs ist hier der Glimmerschiefer genau im Sinne der Athoserhcbung geschichtet. Die Schichten fallen gegen Westsüdwesten. Eine Fläche vom Gipfel des Athos im Sinne dieses Bergs an's Meer gelegt, würde mit seinem Schichtenfalle, wie mit dem AbHange des ungeschichteten Quarzbergs parallel verlaufen. Oberhalb der mittlern Höhe aber, wo dcr Abhang sehr fclsenreich wird, verändert sich der Schich: tenfall allmählig: die Schichten werden steiler und bald stehn sie senkrecht. In der Nähe des Kamms endlich haben sie eine entgegengesetzte Richtung angenommen. Hier fallen sie gegen Osten, also vom Athos gerade eben so sehr abgewandt, als sie am Fuße des Bergs ihm zugekehrt sind. In dieser Richtung verharren sie auf dem Kamme bis Caraes, indem der Schichtenfall nur all-mahlig von Osten nach Süden übergeht. Dieser Uebergang ist dcr geographischen Lage gegen den Athos mehr oder minder angemessen, indem die Schichten ihm beständig, wie an dcr Nordküste von Pandocrütoras bis Lavra, streng abgewendet bleiben, wiewohl sie dabei immer in steilen Winkeln abfallen. Hierbei ist jedoch zu erwähnen, daß örtliche Verrückungen vorkommen und daß im weitern Verlaufe des Wegs nach Caraes die dargestellte Schichtenlagerung nur selten aufgeschlossen ist. Dafür aber fallt ihre Uebereinstimmung an der Nordküste in die Wagschale. Wie hat man sich nun die Biegung dcr Schichten am ersten Glimmcrschieferberge zu denken? Bedenkt man die doppelte Athoshöhe und sein steiles Emporsteigen, so erscheint es klar, daß hier die Schichten am untern Theile des Bergs einfach mit-gchoben, nach oben aber rückwärts überwerfen sind. Sollte diese Bewegung nach dcr Außenseite des Durchbruchpunctcs der ganzen Kette sich haben mittheilen können? Vielleicht ist es richtiger, in der Erhebung des heiligen Waldes eine gleichzeitige, aber doch Athos. 327 nicht unmittelbar durch den emporsteigenden Athos bewirkte Thatsache zu erblicken. Wenn man sich die Erdbeben in Wirksamkeit denkt, die einer solchen Catastrophe vorauszugehen pflegen und wodurch die Felsschichten in jeder beliebigen Richtung sixirt werden können, denkt man sie sich als die Vorboten des vulcanischcn Durchbruchs, der dann zuletzt an irgend einem einzelnen Puncte gelingt: so wird es nicht auffallen können, daß der heilige Wald cine anomale Schichtenbildung behauptet: um so mehr, als dieselbe am Nordcnde der Insel, oder an den niedrigsten Theilen der Kette, wo die hebende Kraft weniger entschieden wirkte, weit veränderlicher wird und keine bestimmte Strcichungslinie unterscheiden läßt. So scheint bei einer vulcanischen Gebirgserhebung, in sofern sie die Schichtenstcllung verrückt, der Durchbruch eine bestimmte Nichtung der benachbarten Schichten zu fordern, ein Erdbeben aber eine mehr beliebige Nichtung zuzulassen. In der Nahe des Durchbruchs ist daher die einfache, durch die Hebung bedingte Schichtenrichtung vorherrschend; in größerer Entfernung wären die Fclsmassen in mannigfachem Sinne erbebt, diese Richtungen dann nach der Katastrophe festgehalten: aber nichts ist später hinzugekommen, weil es keine horizontalen Schichten auf drr Halbinsel giebt. Dem sei jedoch, wie ihm wolle, so geht doch aus der dcm Durchbruch entsprechenden Anlagerung des Schiefers über dem vulcanischen Berge von Pavlu bestimmt hervor, daß der heilige Wald am Durchbrüche des Athos bethciligt gewesen sei. Ich bin aber ferner auch so glücklich gewesen, zu beobachten, daß nicht bloß auf den Schiefer, sondern auch auf die Kalkformation der Halbinsel der Athos unmittelbar gewirkt habe. Auf dcm Wege von Lavra nach Kerasia, besonders aber in der Gegend von Hajianna findet sich am Fuße des Athos, freilich nur an beschränkten Localitätcn, ein anstehendes Konglomerat, worin Kalk-llücke von einer festen, marmorgleichen Masse eingeschlossen sind. Diese Kalksteine stimmen physicalisch mit der Kalkformation der nördlichen Theile deZ heiligen Waldes überein. Ein unverändcr-les Kalkgestein habe ich jedoch am Athos nicht gefunden. Diese Conglomeratbildung ist sehr einfach aus unserer an- 328 Neuntes Capitel. sänglichen Theorie zu erklären: diese wird wesentlich dadurch gestützt. Wir haben angenommen, daß die «berste Formation vor der Catastrophe die Kalkformation gewesen sei. Wenn sie damals den Schiefer deckte und vor dem Contacte mit der Außenwelt schützte, so konnte nur sie allein verwittern und mit Gerölle be-deckt sein. Als nun die vulcamsche Masse den Athos hervortricl), wurde der Kalkstein nach Nordwesten am weitesten zur Seite geworfen, einige Fragmente seines Gerolles in Süd und Südosten aber von der geschmolzenen oder weichen Marmormasse eingehüllt. So mochte das Conglomcrat am Fuße des Athos entstehen, das aus dem Schiefer nicht gebildet werden konnte, weil dieser kein Gerölle hatte. Ohne das. Alter der Kalkformation bestimmen zu können, ohne durch die Alluviallinie des Xerxescanals meine Ansichten erweitert zu sehen, kann ich über den Zeitpunct der Athoshebung nicht urtheilen. Ein wichtiger Punct wäre hierbei zu berücksichtigen. Die Gcbirgsaxe der Halbinsel steht zwar mit den benachbarten rumelischen Gebirgen in Widerspruch, nicht aber, wie wir sahen, ihre Streichungslinie. Da dieselbe in Uebereinstimmung mit der Gebirgsaxe der Küstcnrhodope eine wcstöstliche Hauptrich-lung hat, da die Absonderungssiächen des Athosmarmors ebenso gestellt sind: so darf man wohl vermuthen, daß der H«jion-Oros mit den Gebirgen des südlichen Thracim und Macedonien gleichzeitig gehoben fci. So hypothetisch bis jetzt solche Anschauungsweisen bleiben mögen, so dienen sie doch theils, die isolirten Thatsachen zu ordnen, theils um planmäßig in der Beobachtung fortzuschreiten. Darum schließe ich diese Darstellung mit der Bemerkung, daß, wer diese geologischen Studien weiter verfolgen wollte, besonders den Fuß des Athos zwischen Pavlu und Lavra an der Nordseite zu umgehen hätte. Ich habe jedoch nicht erfahren können, ob sich dort ein gangbarer Paß finden mag, was bei der Steilheit der Vorberge des Athos an dieser Seite sehr zweifelhaft erscheint, vorausgesetzt, daß die Gesteinsgrenzen nicht tiefer am heiligen Walde lagen. Dagegen giebt es einen Weg von Kerasia nach LaracZ, der wahrscheinlich lehrreich sein wird und den man mir in Lavra, M)0S. 329 um mich nicht bis Caraes mit Maulthieren versehen zu müssen, absichtlich verheimlichte. Er soll sogar nur 4 Stunden lang sein und wäre daher der nächste, um von Caraes den Athos zu besteigen. — Was in meiner Darstellung etwa noch unklar geblieben sein sollte, hoffe ich in dem folgenden Holzschnitte deutlicher ausgedrückt zu haben. Idealer Durchschnitt in der Längsaxe des HHion - Oros. «5 ^ ^ « -- Kalkstein von Pandocrätoras. /3 --- Glimmerschiefer des heiligen Waldes. /5" -- Glimmerschiefer an der Piratenschlucht. 7 --- Quarzreiche Feldsteinmasse von Pavlu. s --- Marmor des Athos. F'— Marmoreinlagerungen im Glimmerschiefer des heiligen Waldes. « -- Conglomerat des Athos. 10. Juni us. Ungestört konnte ich in Pavlu die Zeit meinen Arbeiten widmen; die Calojeren kümmerten sich wenig um Mich. Nur suchten sie mich zu bereden, statt von hieraus auf geradem Wege nach Caraes zurückzukehren, vorher die übrigen Klöster der Südküste der Reihe nach zu besuchen. Sie versprachen mir einen Nachen, um die schwierigen Bergpfade vermeiden 330 Neuntes Capitel. zu können; sie schilderten den Weg nach CaraeZ in den unerfreulichsten Farben. Da jedoch solche Schwierigkeiten in der That nicht vorhanden waren, so konnte man den Zweck, den die guten Aaler hierbei im Auge hatten, leicht errathen. Es war ihnen unbequem, die Maulthiere, auf denen sie mich nach der üblichen Sitte wnterschaffen mußten, einen ganzen Tag zu entbehren, und das nächste Kloster Dhionysiu liegt ganz in der Nähe, Caraes ist 6 Stunden entfernt. Dazu erschien es als eine natürliche Loyalität gegen ihre Brüder, auch den übrigen Klöstern die herkömmlichen Ehrengeschenke zuzuwenden. Ich bedauerte sehr, zu meinem eignen Nachtheile ihrem freundlichen Rathe nicht folgen zu können, und befand mich indessen nach den Mühen der letzten Tage unter ihnm gastlichen Dache sehr behaglich. Ein frischer Seewind kühlte den Abend und lockte die Nachtigallen in Schaa-len herbei, die in der nachbarlichen Waldung sich des Nachts und am Morgen vernehmen ließen. Auch hatte ich mich nun an die Fastenspeisen der Priester gewöhnt und den Reis nebst den Speisen animalischen Ursprungs bis auf die Fische ganz verbannt. Nohe Zwiebeln, die sich hier durch einen nußartigen Beigeschmack auszeichnen, in Essig bereitete Bohnen, mit Oel und Honig gewürzte Brodkuchen, kleine gesalzene und große, frische, vortreffliche Seefische, ein mit Wasser vermischter, trinkbarer Wein: das waren meine Klosiergenüsse. Ganz ruhig und schweigsam blieb es zugleich in den innern Räumen des Klosters bis auf ein stetes, leises Gemurmel, das Tag und Nacht aus der meinem Zimmer nahen Capelle herüberwogte: denn wie Schildwachen, die sich ablösen, wechselten die Priester in jenen Handlungen, wodurch sie ihren Beruf erfüllen. Um 1 ^ 30' verließ ich das Kloster Pavlu und ging über den Kamm des heiligen Waldes nach Caraes zurück, wo ich schon um ss' 45^ anlangte. Anfangs steigt man in nördlicher Richtung steil zu den höchsten Erhebungen der Kette in die Höhe: von der entgegengesetzten Seite, von Lavra aus, kann man sich des Walds und der Vorbcrge wegen keine richtige Vorstellung von diesen Höhen machen. Gegen Pavlu fallen sie unmittelbar vom höchsten Kamme, wie der Athos selbst, zum Golfe hinab. Ich Häjion-Oros. 331 erreichte dcn Kamm erst nach i'/l Stunden und schätze hiernach die Paßhöhe auf etwa 25UU'. Ehe man in dcn Hochwald gelangt, findet man auf diesem Wege die günstigsten Puncte, um den Athos vom Gipfel bis zur Basis bei Hajianna in seiner ganzen Größe zu übersehen. Der Neigungswinkel wird wahrscheinlich gegen 40" betragen. Eine deutliche Vorstellung von diesem Anblicke, wiewohl vom Golfe aus gezeichnet, gewahrt die Titelvignette im achten Bande der Flora graeca, die^den Berg so naturgetreu darstellt, daß ich meinen Weg darauf deutlich wiedererkenne. Bis zur Höhe ist der Saumpfad oft ziemlich schroff, häusig an malerischen Felsen vorüberführend, und für seine Beschwerden entschädigt er weiter oben zuweilen durch eine schöne Perspective auf die gegen den Golf parallel verlaufenden Querthaler. Nachdem ich den Kamm erreicht hatte, traf ich einige Holzhauer, deren Kürbissiasche mit frischem Quellwasser zuvorkommend dargereicht wurde. Bald erblickte ich beide Meere zu meinen Füßen, so oft links oder rechts ein Fels den Durchblick durch den Wald gestattete. Bis dicht vor Caracs geht bann der Weg, wie der Nennsteig des Thüringer Waldes, auf dem Kamme wellenförmig fort, wobei man deutlich gewahr wird, daß man jedes Mal weiter herab, als hinauf zu steigen hat. Der Character dks Gebirgs ist sehr gleichartig. Kurz ehe man Caraes (6" 30') erreicht, führt der Weg rechts in dessen Hochthal hinab. Dieser Weg auf der Wasserscheide ist sehr angenehm, weil er sich beständig im Schatten des Hochwalds bewegt. Aber zugleich bereitet er in den häufigen Fernblicken dem Wanderer bestandigen Wechsel und Anregung. Die Thalaussichten stellen sich immer in den sanftesten Formen dar, von denen man sich so ganz entwöhnt hatte: die Vegetation senkt sich fast ohne Waldblößen zum Spiegel des Meers zu beiden Seiten hinab. Der schönste Durchblick dieser Art ist der, wo das Kloster Filothcu ben Hintergrund der Landschaft schmückt. An andern Orten ist bann wieder eine Vergleichung mit dem südöstlichen Athos gestattet. Der Wald auf dem Kamme des heiligen Waldes theilt 332 Neuntes Capitel. durchaus den Typus des Mischwaldes am Athos. Je nachdem man höher oder tiefer sich befindet, hat er ein mehr oder minder mitteleuropäisches Ansehen. Oft wurde ich lcbhaft an die Bcrg-waldungen des nordwestlichen Deutschlands erinnert, indem sich die Uebereinstimmung der Formen auch auf manche Schattenkrauter erstreckte *). Diese Eindrücke mußten noch überraschender sich vermehren, als ich von dem zweiten, tannenreichen Berge herab-sieigend, mich dem dritten näherte: denn dieser war ausschließlich mit der schönsten, hochstämmigsten Buchenwaldung bewachsen, und so blieb die Buche bis zu den Höhen über Caraes häufig vorherrschend. Nur zuweilen schlichen sich einige Castanienbäume ein, um das südliche Llima geltend zu machen. Die Verschiedenheiten der Waumarten, die Höhe der Stämme, der Mangel an Unterholz, das häufige Votkommen der Weißtanne würden auch hicr bei einer einseitigen Betrachtung im Gegensatze gegen den dichten, Lianen- und Strauch-reichen Casta-nienwald von Caracs eine dritte Region des heiligen Waldes erkennen lassen. Dieselben Grande, welche am Athos einer solchen Ansicht entgegenstanden, gelten auch hier. Allmählig gehen beide Formen des Walds oberhalb Caraes in einander über: Grenzen festzusetzen, würde das natürliche Verhältniß verwirren. 12. Juni us. Früh Morgens, als ich nach Mautthieren für die Landreise nach Salonichi ausschickte, wurde mir em Umstand gemeldet, der mir unvorhergesehene Schwierigkeiten in den Weg zu legen drohte. Das Gerücht, ohne Zweifel auf der Reise vergrößert, hatte folgende Geschichte in der Stadt verbreitet. Vor kurzer Zeit habe zu Salonichi unter den Garden des Pascha ein Capitain seine Untergebenen beredet, unter seiner Anführung heimlich die Stadt zu verlassen und mit dem freien Leben des Klephten das beschwerliche Soldatenhandwerk zu vertauschen. Nicht *) 3. SB. Platanthera bifolia Rich. Neottia nidus avis R'ch' Veronica eerpyllifolia L. Melittis melissophyllum L. — Pier»3 aquilina L. ■— Genista tinctoria L. — Fagus sylvatica L. — ^oc^ wactifen in biefett Sßalbungcn and) ntondje eißent&üniltdje formen, }• »' Hypericum origanisolium d'Urv. Phlomis Junariiolia Sibili. Hlijion-Oros. 333 weniger als Itttt türkische Krieger seien ihm gefolgt, mit diesen gebiete er über die Landstraßen von Chalcidice und alle Reisende würden beraubt, Einige, die sich letzthin gegen versprengte Räuber zur Wehre gesetzt, waren eingeholt und ermordet. So unglaublich oder doch übertrieben mir auch diese Nachrichten erscheinen mochten, so hatten sie doch die unmittelbare Folge, daß Niemand mir für die Reise nach Salonichi seine Maulthiere vermiethen und anvertrauen wollte. Ueberhaupt war die Straße nach Chalcidice schon seit Ialnen verrufen gewesen. Dort war es auch, wo unlängst der Osmanenfreund Urquhait persönliche Abenteuer mit griechischen Klephten bestanden hatte, aus deren Händen er sich nach seinem Berichte durch Geistesgegenwart und Kenntniß griechischen Characters befreite. Auch die Calojeren des Häjion-Oros pflegten, wenn Geschäfte sie nach Salonichi riefen, aus Furcht vor den Herren der Straße der Schifffahrt um die Halbinseln den Vorzug zu geben. Eifrig re-dcte Dimitri mir zu, denselben Weg einzuschlagen, und, wiewohl mir die Seefahrt von Enos in unerfreulicher Erinnerung vorschwebte, so zeigte ich mich doch bereit, seinem Vorschlage zu folgen. Nun fand es sich aber, daß in Xiropotamu, der Hafenstation von Caraes, eben kein segelfertiges Schiff vor Anker lag, und meine Reise, bis ein solches einträfe, in's Ungewisse zu verschieben, konnte ich nicht überredet werden. Glücklicher Weise verbreitete sich durch einige eintreffende Reisende um Mittag ein neues Gerücht, das zwar die frühere Nachricht bestätigte, aber nähere Umstände hinzufügte. Seit 14 Tagen etwa treibe jener Capitain sein Wesen, indessen waren sie selbst wohlbehalten von Salonichi herübergekommen, weil die Klephten sich weiter nordwärts hielten, und auf die constantino« Politcmische Landstraße, die an den Seen vorüber von Orphano nach Westen führt, vorzüglich ihr Augenmerk richteten. Auch habe der Pascha von Salonichi bereits Truppen gegen sie ausgesendet, und man erwarte, daß ein Vergleich werde geschlossen Werdcn. Diese Erzählungen waren in sofern glaubwürdiger, als b'e Fremden auch durch sonstige Neuigkeiten, namentlich, daß Mustapha Pascha von Iänina in Salonichi eingetroffen sei, be- 334 Neuntes Capitel. kündeten, erst kürzlich jene Stadt verlassen zu haben. So fand sich denn zuletzt ein Eigenthümer in Caraes, der sich entschloß, mir drei Maulthiere zu vermiethen und mich in eigner Person begleiten wollte. Die Abreise wurde auf den folgenden Morgen festgesetzt. Noch andere Nachrichten setzten an diesem Tage die Gemüther der frommen Stadt Caraes in Bewegung. Die wichtigste für die Priester selbst war die, daß die versteckten Piraten end-lich, nachdem durch den Pascha von Salomchi ihnen Begnadigung war versprochen worden, den Milizen sich freiwillig ausgeliefert hatten. Man sah ihrer Ankunft stündlich entgegen. Zur großen Befriedigung der Priester kamen sie richtig, ihrer vier (die Uebrigen hatten dem Pardon nicht getraut) nebst dem Anführer selbst gegen Abend an, jedoch in einem merkwürdigen Auszüge, wie ich ihn wahrlich nicht vorausgesehen hätte. Durch Unter-handler war ihnen nämlich eröffnet worden, daß der Pascha nicht bloß bereit sei, ihnen zu verzeihen, sondern, daß er sie auch in Rücksicht auf ihre Tapferkeit in seinen Leibgarden anstellen wolle. Als sie in Folge dessen sich in Lavra einfanden, konnte natürlich nicht die Rede davon sein, sie als Gefangene zu behandeln. Frank und frei, im Besitz ihrer Waffen, zogen sie daher in Begleitung von wenigen Albanesen, mit denen sie alsbald Freundschaft geschlossen hatten, durch den heiligen Wald nach Caraes, wurden hier sehr artig bewillkommnet und im Kloster, wie Krieger, die aus dem Felde heimkehren, bestens verpflegt. Auch hier blieben sie frei, konnten gehen, wohin sie wollten: nur mußten sie binnen einer festgesetzten Zeit in Salonichi sich einstellen. Versäumten sie diesen Termin, so würden sie ihren Anspruch auf Gnade verwirkt haben. Als sie in Caraes anlangten, stierten sie eine Art von Triumphzug. Besonders bewirkte die Neugierde, die sich um sie drängte, ihre Schicksale aus ihrem eignen Munde zu hören, daß die alten, würdigen Calojeren sich Manches von ihrer Würde vergaben. In demselben Saale, wo vor wenigen Tagen in feierlicher Versammlung die neuen Regierungs-Präsidenten erwählt waren, saßen jetzt die Piraten, wohlgefällig rauchend, im zahlreichen Kreise der Priester, nicht etwa, um er- Hlijion-Oros. 333 mahnende Worte zu vernehmen, sondern um Alles zu erzählen, was man zu hören wünschte und um einen langen Abend auf die anmuthigste Weise zu verkürzen: und da die Banditen muntere und aufgeweckte Burschen waren, so schienen selbst vertrauliche Reden und Scherze von einer solchen Zusammenkunst nicht ausgeschlossen zu sein. Welch' ein Land, wo Verbrecher und schimpflichem Tode Geweihte Abscheu, Mitleid, Entfremdung weder in der Gesellschaft, noch selbst bei denen erregen, die den Anspruch machen, im sittlichen Wandel als Vorbilder zu glänzen: und wie vereinigt sich diese Gesinnung mit einer treueren Religionsübung, mit einer strengern Enthaltsamkeit und Bekämpfung der meisten Leidenschaften, als im westlichen Europa leicht mag gefunden werden? Uebrigcns wohnten die Piraten nun dicht neben meinem eignen Gemache, und am andern Morgen hatte ich selbst die Ehre, die persönliche Bekanntschaft des Cauitains zu machen: eine kleine kräftige Figur, braunes Archipelgesicbt, enorme Armmuskeln, scharf gezeichnete, doch rohe Gcsichtszüge, blitzende kleine Augen, der ganze Kopf in einen starken schwarzen Bart, wie in eine Närenmütze, eingehüllt: genau, wie man sich solche Leute zu denken pflegt. Er war leicht und frei in seinen Bewegungen, spielte die Zither und schien von fröhlicher Gemüthsart. Unbefangen sprach er über seine Zukunft. Er sagte: »der Pascha hat versprochen, mich in feine Dienste zu nehmen, doch wciß ich wohl, daß solch' ein Versprechen selten gehalten wird; werde ich statt dessen in Salonichi hingerichtet: so wußte ich dies voraus; ich kann nichts Anderes erwarten.« — Dann spielte er mit meinen Pistolen, warf sie verächtlich in die Luft, sing sie wieder, und weinte, vor solchen Waffen hege er keine Furcht, er wolle sich, ich weiß nicht auf wie viel Schritte, ihrem Feuer gegenüberstellen. Lächelnd erzählte er, er kenne mich schon, er habe aus sei-Ncm Verstecke am Athos uns dicht neben sich vorüberreiten und «ach mehren Stunden wiederzurückkommcn sehen. Damals habe kr feinen Gefährten gesagt: »da ist Jemand, der wahrscheinlich Tausende bei sich führt, aber es ist nicht der Zeitpunct.« »Das war Glück,« dachte ich bei mir selbst. 336 Neuntes Capitel. Wahrscheinlich wäre er indessen weniger vergnügt und vielleicht auch weniger schonend gegen mich selbst gewesen, wenn ihm die Zusage des Pascha's nicht bedeutendes Vertrauen eingeflößt hätte. Ich erinnere mich wohl, daß wahrend des vorhergehenden Jahrs in öffentlichen Blattern davon die Rede war, daß eine Räuberbande von 7—8W Köpfen vom Pascha von Ma-cedonien wäre eingefangen worden. Was diesen höchst übertriebenen Angaben wirklich zu Grunde lag, wurde mir in Caracs erzahlt. Noch von den griechischen Kriegen her hatten in der Morea und in Livadien einige Capitani existirt, die ursprünglich ein unregelmäßiges Corps vielleicht von der angegebenen Zahl befehligt hatten und sich dort in der Folge viele Jahre durch Raubereien erhielten. Alk sie sich nicht mehr länger behaupten konnten, vereinigten sie die nach und nach zusammengeschmolzenen Reste ihrer Banden und zogen im Sommer 1838 in die türkischen Provinzen. Allein da sie hier nicht Raum fanden, ihre frühere Beschäftigung in größerem Maßstabe fortzusetzen, so boten sie dem Mustapha Pascha ihre Dienste an und wurden mit Vergnügen unter dessen Truppen eingereiht. Auf diesem Vorgänge beruhte nun hauptsachlich auch die Hoffnung der Piraten, in Salonichi gleichfalls ihrer anerkannten, militairischcn Brauchbarkeit wegen einen gnädigen Herrn zu finden. In der That wurden sie später in dieser Erwartung nicht gelauscht: als ich in Salonichi war, stolzirte der Lapitain schon in seiner neuen Uni-form durch die Straßen, und seine Erscheinung, ein lebendiges Zeugniß türkischer Rechtspflege, fetzte Alle, die seine Geschichte kannten, in Verwunderung. Zum Zeichen, wie wunderbar erfinderisch hier das Gerücht ist, und wie leicht man sich bereit zeigt, jede Frage aus der Phantasie zu beantworten, will ich auch die andere Nachricht noch anführen, welche damals am Häjion-Oros von Mund zu Munde ging. Es war der Zeitpunct, welcher der Kriegserklärung gegen Muhamed Ali unmittelbar vorausging. Ein fremder Grieche verbreitete in Caraes plötzlich die Nachricht, die er aus einem empfangenen Briefe zu schöpfen behauptete, die Franzosen hätten Chios besetzt und dcr Pforte den Krieg erklart. Dieses H^jion-Oros. 337 Gerücht hatte sich binnen 24 Stunden mit den detaillirtesten Angaben über dcn Hergang, einen Consulatsstreit, ausgeschmückt. Die Erzählung war so bestimmt, sie machte in Caraes ein sol, ches Aufseyen, daß ich mehre Tage dadurch über die Fortsetzung meiner Neise in Besorgniß erhalten wurde. Höchst verwundert war ich, als man in Salonichi von diesen Nachrichten nicht das Geringste wußte. Freilich verbreiteten sie sich spättr^auch dorthin, konnten aber hier bald entlarvt werden. Einige Personen in Caraes mußten es sich zur Aufgabe gemacht haben, von Stunde zu Stunde neue Umstände zu erfinden: zu welchem Zwecke, war nicht einzusehen. 13. Juni us. Um 7" Morgens brachen wir nach Chalci-dice auf, berührten auf der Halbinsel nur noch eins der nördlichen Klöster, Chiliandari, das wir nach 5 Stunden erreichten, und langten noch am Abend bei dem Canale des Hcrxcs an. Die ganze Entfernung von Caraes nach Salomchi, auf einem Reitwege, der ohne Postverbindung ist, wird zu 36 t. Stunden berechnet und gewöhnlich in 3 Tagen zurückgelegt. Dimitri bezeigte sich mit dieser Ncise ziemlich unzufrieden, wiewohl er einsah, daß sie nicht zu vermeiden war: er wünschte die Tage erst vorüber und suchte seine Furcht durch die ernsthaften Gründe, die er seiner Bcsorgniß unterlegte, zu beschönigen. In der That waren wir nicht im Stande, im Falle eines Angriffs irgend einen Widerstand zu leisten. Wir waren zwar vier Männer, da sich deren zwei aus Caracs zur Begleitung der Maulthiere einfanden, jedoch außer meinen beiden Pistolen ohne Waffen. Dies war indessen das Geringste, da man durch Ver»^ thcidigung das Uebel nur zu verschlimmern pflegt: aber die Umstände, unter denen wir abreisten, waren Dimitri verdächtig. Der Tag, an dem wir Caracs verlassen würden, unser Ziel wa, ten lange vorher bekannt gewesen; nur eine einzige Straße führte "ach Maccdonien; die ganze Landschaft wurde durch Rauber in schrecken erhalten; nichts hätte weniger Aussehen gemacht, als k'n Angriff auf uns zu damaliger Zeit: in Caracs sollte es nicht "" schlechten Subjecten fehlen. Nun traf es sich, daß, obgleich 'cl) dk Abreise auf 5" M. festgesetzt und deshalb ein bestimmte' l. 22 338 Neuntes Capitel. Versprechen erhalten hatte, die Maulthiere unter nichtigen Vorwänden ausblieben und erst zwei Stunden später erschienen. Die Begleiter derselben konnten uns nichts weniger als Vertrauen einflößen, und Dimitri machte die Bemerkung, es sei in Griechenland eine gewöhnliche Taktik, daß Leute, die einen Naub beabsichtigten, die Abreise ihrer Opfer um einige Stunden aufzuschieben suchten, damit ihre Gefährten indessen vorausgehen und einen bequemen Ort zum Wcgelagern aufsuchen könnten. Mit solchen Phantasicbildern wurde die Reise angetreten, und, damit wir stets in Spannung erhalten würden, so schreckten uns einmal einige Manner, die sich bei unserer Annäherung rasch im Farnkraut niederbückten, aber sich auch nicht wieder sehen ließen, und dann wieder gegen Abend zwei zerlumpte Krieger, die mit langen Musketen eine Anhöhe am Wege bcs^t hielten, die aber bald uns ihr Oracalls entgcgenriefcn und zu den unregelmäßigen Albancsen gehörten, denen die Bewachung der Grenze anvertraut war und die in Anzug und Bewaffnung unsern Piraten ganz gleich sahen. So glücklich wir nun jetzt und später den etwaigen Gefahren entgingen, so fand sich doch heute an der Straße ein deutliches Wahrzeichen, daß auch außer den Piraten noch andere nichtswürdige Menschen in dem Lande der Priester sich aufhielten. Zu den wichtigsten Lebensbedürfnissen in Numelien, wo es so viele holzarme Provinzen giebt, gehören die Holzkohlen, und im heiligen Walde wird ihre Bereitung in ziemlich großem Maßstabe betrieben. Ich weiß zwar nicht, ob dieser Artikel ausgeführt wird, oder nur zum eignen Bedarfe dient: indessen war am Strande, nicht weit vom Cap Platy, ein sehr großer Vorrat!) aufgehäuft, gewiß mehr als eine mäßige Schiffsladung und bei ihrem hohen Preise von einem sehr bedeutenden Capitalwerth. Diese Kohlen nun waren, vermuthlich einige Stunden, ehe ich vorüberritt, nicht etwa aus Nachlässigkeit, sondern aus Frevel angezündet worden, und, ohne daß irgend ein Mensch in der Nähe gewesen wäre, dem Schaden zu begegnen, war schon ein beträchtlicher Theil der Kohlen in voller Gluth, während verbranntes oder noch glimmendes Holz am Fuße der Meiler die Stellen bezeich- Häjion-Oros. 339 nete, wo man die Brände angelegt hatte. Ucbcr Nacht mußte Alles niedergebrannt sein. Der Weg von Caraes nach Chiliandari ist eine Fortsetzung des Nennsteigs über den Kamm des heiligen Waldes. Erst in der Nähe jenes Klosters reitet man rechts zum Meere hinab. Dieser nördliche Theil des Gcbirgszugcs ist weniger regelmäßig gebaut, als der südliche. Bestimmter kann man diese Verschiedenheit dadurch bezeichnen, daß nach und nach die Thalbildung die Entwickelung des Kamms überwiegt. Caraes selbst lag in einem Hochthale, und so sind alle südlichen Querthaler schräg gegen die Höhe der Kette mit beträchtlichem Niveauunterschiede aufgerichtet. Je weiter man sich vom Athos entfernt, desto niedriger !oird die Kette selbst. Damit ist aber zugleich der Umstand verbunden, daß die Qucrthaler tiefer einschneiden und sich nach oben weniger erheben. Wiewohl sie nun nirgends eine eigentliche Gcbirgslücke, eine Unterbrechung des Kamms bewirken, so kann man sich doch wegen der Entwickelung der Secundär-Ketten eine richtige Vorstellung von diesem Gkbirgstheile machen, wenn man sich eine Neihe von einzelnen, parallelen Ketten denkt, die senkrecht auf der Gebirgsaxe stehen, von Meer zu Meer verlaufen und im Kamme nur durch Querjoche untereinander verbunden sind. Die bedeutendste dieser Secundär-Ketten, die man jedoch auch als Gabclthcilung des Hauptkamms betrachten kann, ist nun die letzte und nördlichste, Mejalivilja genannt, die mit dem Cap Platy endet und dadurch den Golf von Stellaria südlich begrenzt. Mit dieser größern Mannigfaltigkeit der Thaler und Höhen steht es ferner im Zusammenhange, daß die Schichtenstellung hier jene Regelmäßigkeit verliert, die im südlichen Gebiete der Halbinsel bemerkt worden ist. Wahrend die Schieftrsormation noch immer dieselbe bleibt, möchte es kaum eine Himmelsgegend geben , gegen die nicht zuweilen Streichen oder Fallen der Schichten gerichtet wäre*). Erst jenseit Chiliandari verändert sich dann die geognostische Formation selbst. Dort spielt der Kalksicin von ') So zeigt der letzte Berg vor Chiliandari im Gegensatze gegen b:e frühern Beobachtungen einen Schichtcnfall gegen Nordosten. 22* 310 Neuntes Capitel Pandocrätoras eine bedeutende Nolle in der Zusammensetzung der Secundär - Ketten, die der Weg, von dort aus längs des Meers verlaufend, eine nach der andern umkreist oder schneidet. Zuletzt, ehe man die höhere Kette zum Cap Platy in einem lang gewundenen Passe überschreitet, um an das Süogcstade des Golfs von Stellaria zu gelangen, lagert dieser Kalkstein wiederum auf der Schieferformation, welche jene Kette bildet. Dieser letzte Schiefer aber ist viel reicher an Marmorlagern, als die südlichen Berge. Denkt man sich jedes Marmorlager als einen kleinen Hebungspunct, nur durch Größe vom Athos unterschieden, s» wird die Unregelmäßigkeit des Schichtenbaus in dieser Gegend leichter erklärlich. Indessen ganz aus Marmor bestehende Berge giebt es hier eben so wenig, als vulcanisches Gestein. Der Waldcharacter von Caracs bis Chiliandari stimmt vollkommen mit der Darstellung des südlichen Hochwaldes überein. Doch sowie dieser Vegetation kein bestimmtes Gesetz in dem Vorherrschen der Baumarten zu Grunde liegt, so sind es hier besonders lichte Eichenwälder, welche die Gcbirgshöhcn schmücken und die sich von deutschen Waldungen etwa nur durch niedrigeren Wuchs, so wie gegen die Thäler durch eingemischte Stein- und Coccus-Eichen "<) unterscheiden. Indessen tritt in der Gegend von Chiliandari eine gewisse Aenderung in der Vegetation ein. Schon ehe man dahin gelangt, bemerkt man zum ersten Male auf der Halbinsel Platanen im Walde: diese Platanen bilden sodann einige selbstständige Forsten zwischen dem Kloster und Strande. Chiliandari liegt übrigens schon in der immergrünen Region und diese nimmt bald Äon der Küstenfiora der südlichen Halbinsel einen ganz verschiedenen Typus an. Zuerst beginnt im immergrünen Gestrauch eine Cistusrost mit weißen Blumen und schmalen Blattern häusig zu werden, die ich hier zum ersten Male auf rumelischem Boden erblickte. Bald ist sie der vorherrschende Strauch, und, da sie niedriger bleibt, als die übrigen Gebüsche des Häjion - Oros, so verändert *) Quercus pedunculata Ehrh. Q. Ilex L. Q. coccifera L- — Platanus orientalis L. Hüjion-Oros. 3N sich schon dadurch der Anblick der Küsic. Zugleich gicbt es Schluchten am Gestade, die, wie bei Enos, mit Agnus Castus bewachsen sind. Dann aber erstreckt sich der Wald in einer weiten Küstcnlmie bis zur Kette von Platy von den Höhen herab bis an's Mcer: ein großer Pmienhain, der einzige, den ich an den nördlichen Küsten de's acgacifchen Meers gesehen habe. Pinien und Seestrandssichten stehen hier Vermischt in einer weit-läuftigen, hochstämmigen Waldung, die über die Thäler und Vorhügel sich gleichförmig verbreitet. Das Gesträuch dieses prächtigen Hains wird großentheils durch jene Cistusrose gebildet, oder der Boden ist von Farnkraut bedeckt, und da diese Gewächse sich selten über 3^ erheben, jedoch dicht den Wodess bedecken, so kann man ihrc Vegetation mit den Heidelbeeren vergleichen, die in Norddcutschlands Wäldern sich auf ähnliche Weist zu verbreiten pflegen. Ebenso werden die Lücken der Waldung durch Eisten und andere immergrüne Straucher bedeckt ^). Dieser Pinienhain fangt ungefähr an eben dem Orte an, wo an die Schieferformalion die Kalkbergc grenzen. Aber sie verbreitet sich auch auf die Schieferkette des Cap Platy, und die weiße Cistusrose praedominirt schon auf dem Schiefer westwärts von Chiliandari. Auch erscheint der Gegensatz dieser waldigen Küste gegen die Küstenflora von Pandocr-'ttoras bis Lavra weniger bedeutend, wenn man sich erinnert, daß dort nicht selten aus dem Strauchmeere einzelne, hochwüchsige Sccstrandssichten, wie einsame Inseln, hervorragen. Doch bleibt es immer bemerkcns, werth, daß fast jede Küstensirecke auf dieser Halbinsel ohne Wech- ^ sel der Lage und Wodenbeschassenheit und ohne Einwirkung der geognostischen Formationen ihre eigenthümlichen, vegetabilischen Erzeugnisse ernährt, bald die Vaumheide, bald der Ginster, bald Arbutus, bald Cistusrosen vorherrschen. Aber wer kennt die Bedingungen, von denen solche Erscheinungen abhängen und die sich in allen Climaten wiederholen, mag nun der Mensch auf die Vegetation eingewirkt haben, oder nicht? •) Cistug monspeliensis L. Vilex agnus caslus L. — Pinus Pinea L. V. mariiima Lamb. — Pteria aquilina L. 342 Neuntes Capitel. So lange ich mich auf dem Kamme des heiligen Waldes befand, erfreute ich mich oft, wie chcgcstcrn, jener malerischen Durchblicke, wenn durch die Lücken der Waldung bald zur Rechten das jüngst überschiffte Meer mit den Bergen von Tassos und Cavala, bald zur Linken der Golf von Monlcsanto und die Halbinsel Longos tief unten und aus der Ferne, hervortraten. Von dort wchte Morgens ein erfrischender Seewind herüber und die weißen Spitzen der Wogen, die aus der dunkeln Fläche auftauchten, verkündeten stürmische Bewegung auf dem sonst so ruhigen Meere. Dort unten erblickte ich auch das Kloster Vato-pedhion, eins der größten des Bergs, hoch über einer Hafenbucht auf Klippen gelegen. Ganz verschieden aber von allen bisher besuchten ist die Lage von Chiliandari, mitten im Walde, in einem felsenumkranztcn Thale, von reichen Cyprefscn umgeben. Qhne die Calojeren zu begrüßen, ritt ich vorüber, und fand, mit Reisekost versehen, neben einem kühlen Wrunnen im Schatten des Platanenwaldes ei'n Viertelstündchen vom Kloster Mittagsruhe und Schutz gegen die Warme des Tags, die dem kühlen Morgen gefolgt war (1/3l)'—3"). Während wir hier, nach morgenlandischer Weise gelagert, uns Mittagsmahl und Cassee bereiteten, die Maulthiere entlasteten, sie frei umherspringen ließen und Herr und Diener in geselligem Kreise sich unterhielten: ritt ein einzelner Türke die Straße uns entgegen, der sogleich unserer Gruppe sich anschloß, und, um die Sicherheit der Wege befragt, uns jede erwünschte Auskunft über die Zustände von Chalcidice ertheilte. Er war Kaufmann, kannte die Gegend genau, besuchte sie hausig und kam eben, im Wegrisse nach Caraes zu reisen, von Salonichi. Er berichtete, daß bis zu dem Hauptorte der Straße, bis Larc-govi, nichts zu befürchten wäre. Von da führen zwei Wege nach Salonichi, einer üder den Berg Cholomonda und Galatzista, der fruhcrhin schon verrufen gewesen sei, der andere nach Nord-Westen zu den Seen, wo er in die Constantinopolitanische Straße mündet. Dem letztem habe man bisher aus dem angeführten Grunde stets den Vorzug gegeben, aber jetzt sei er wegen der neu organisirten, großen Klcphtenbande gar nicht zu passiren. Hiljion - Oros. 313 Er bestätigte die Nachricht, daß cm Truftpcncorps gegen sie ma-noeuvrire und die wahrscheinlichste Folge davon würde sein, daß die Räuber sich nach Süden in die Berge von Larc'govi zurückzögen. Er selbst war zwar noch über den Cholomonda gereist, allein es hätten sich dort schon einige Strcifcorps blicken lassen, und es wären auch, wie man in Larc'govi versicherte, schon Räubereien vorgefallen, so daß jetzt Nic.nand ohne starke Bedeckung von dieser Stadt nach Salonichi zu reisen wage. Um nun endlich diese ganze Gegend zu vermeiden, gäbe es noch einen dritten Weg (durch den südlichen Theil von Chalcidice), der zuletzt auf die Straße von Cassandra treffe. Indessen wolle er uns nicht rathen, diesen Weg einzuschlagen, nicht bloß, weil er eine Tagereise länger sei und man sich freuen müsse, sobald als möglich gesichert das Ziel der Reise zu erreichen, als besonders, weil längs der Küste des Golfs von Salonichi sich eine Reihe von türkischen Dörfern finde, die wegen des schlechten Gesindels, das sie bewohne, höchst berüchtigt wären. Er selbst, fuhr er fort, hätte auf seiner letzten Reise das Unglück gehabt, in dortiger Gegend in die Hände von türkischen Räubern zu fallen, obgleich freilich der Schaden, da er wenig Geld bei sich gehabt, nicht be. trächtlich zu nennen sei. Ohne Begleitung ritt er durch den Wald, als von beiden Seiten ein Mann aus dem Gebüsche trat und ihm die Muskete vorhielt. Er fragt nach ihrem Begehren; sie erwiedern, er werde es schon wissen und möge ihnen in den Wald folgen. Sie nehmen ihm die Börse, lassen ihm Pferd und sonstiges Eigenthum, erklären aber, er müsse bis zum Abend zu ihrer eignen Sicherheit bei ihnen bleiben, führen ihn tiefer in den Wald, laden ihn ein, an ihrem Mahle Theil zu nehmen, und entlassen ihn zuletzt in aller Freundschaft und Höflichkeit. Ucbrigens, fügte er seinen unerfreulichen Nachrichten tröstend hinzu, möchten wir unbesorgt sein, da ihn, der beständig umher^ reise, ein solcher Unfall nur dies eine Mal betroffen habe, und da man, wenn man es an den nöthigen Erkundigungen nicht fehlen lasse, den Aufenthalt der Klephtcn gewöhnlich frühzeitig genug erfahre, um durch Veränderung des Wcgs oder größere Begleitung sich zu schützen. Nach meinen Erfahrungen bin ich 3ll Neuntes Capitel. überzeugt, baß cr hierin Recht hatte, wenigstens in Hinsicht auf die griechischen Provinzen. Im Schutze einer größcrn, bewaffne« ten Gesellschaft von Reisenden oder unter einer militairischen Bedeckung, wenn sie auch nur aus zwei Mann besteht, kann man sicher die verrufensten District? durchreisen, sei es nun, daß Klcph-ten und Soldaten zusammenhalten, oder daß jene nicht angreifen , wenn fi'e ihr eignes L<-ben dabei in wirkliche Gefahr setzen würden. Da nun unter den loyaler« Slaven das eigentliche Klephtenlcben nicht cxisiirt, so kann, wer die Kosten nicht scheut, ein Jeder, ohne dem Zufalle sein Leben auszusetzen, mit einiger Vorficht die ganze Türkei mit Ausnahme von Nordalbanien in jeder Richtung durchreisen. Mcbr als drei Stunden waren erforderlich, bis wir alle die Ausläufer des heiligen Waldes und ihre Thäler längs der Küste überschritten hatten und zuletzt auf dem Passe, der eine Stunde etwa südlich vom Cap P«,'aty liegt, anlangten. Dieser nördliche Hauptausläufer heißt eben Mejalwilja, die große Warte*). Hier erwartete uns eine sehr belohnende Aussicht. Plötzlich erblickt man zur Linken die berglose Landenge des Terxes urld jenseits den Spicgcl des Meers in der äußersten Bucht des Golfs von Mon-tefaitto; abwärts aber, am Fuße eines felsigen Abhangs, die ' Flache des Meerbusens von Stellaria, der so scharf von seinen beiden Vorgebirgen, Platy und Lcphtheridha, eingeschlossen wird; in dessen Fond auf einer kleinen Landzunge, dem äußersten Vorspringe der jenseitigen Berge von Chalcidice, das Stadtchen Ie-nssos; endlich im Norden glänzten durch die heitere Luft dcs Abends in großer Deutlichkeit viele Puncte von der hohen Küsie bei Orpbano herüber, Spitzen der Nhodope, besonders der Pan-gcus, der noch eben so viel Schluchtenschnce führte, als der Athos. Ein steiler Schlangcnpfad brachte uns bald hinab zum Gestade dcs Golfs, wo bei scheidender Sonne eben mehre Gesellschaften von Fischern ihre Züge bewerkstelligten. Wir suchten diese Gelegenheit zu benutzen, um uns ein frisches und vorzüg« ») M^«).7/ /?/^« (Zachariae Reise S. 220.). Hiijion-Oros. 343 liches Abendbrod zu verschaffen: aber es wurden nur kleine Fische gefangen. Glücklicher Weise entdeckten wir zuletzt einen großen Hummer, auf den die Fischer keinen Werth zu legen schienen, und der, für wenige Piaster eingehandelt, in erfreulichem Gegensatze gegen die Fastenspcisen der Calojeren, später mit Behagen verzehrt wurde. Icrissos war indessen nicht mehr zu erreichen, und ich beschloß daher in Pyrgudhia, einer Metochie des Hlljion-Oros dicht am Hcrxescanale, um Gastfreundschaft zu bitten. Doch wurde es völlig Nacht, bis wir anlangten (8^), und vom Monde, der die Seefahrt von Enos so kraftig beleuchtete, war jetzt erst kaum wieder der erste Streifen sichtbar. Kurz zuvor überschritten wir an einem hölzernen Gchägc die Grenze der Priesterherrschaft, eine Herrschaft, die durch Clima, Gebirgsform, Küstengestalt und Vegetation zu einem fruchtbaren, betriebsamen Leben bestimmt scheint, wo man aber niemals lebendige Bestrebung, svndcrn nur Ruhe und Entsagung gefunden hat: als ware im tiefsten Schatten der verschlungenen Castanienzwcige, in der regsamsten Pflanzcnnatur, in dem Hinblick auf das Schrankenlose des Meers und des in den Aether ragenden Athos, wie in der Betrachtung der wenigstens für den Menschen unendlichen Felsabgründe, als wäre in all' diesem ein größerer Reiz zur Contemplation, als zu jenen leiblichen Genüssen, die zur thätigen Anstrengung, zum Erwerbe des Irdischen anregen. Noten. Erste Note (zu S. ««.). Kalktuff von Vrllssa. Der poröse Kalkstein, dem die heißen Quellen der Ieni-Cablidscha entspringen "), ist von röthlich-gelber Farbe, crystallinischer Structur und faserig abgesondert. Die abgesonderten Fasern haben eine vertical« Stellung: übrigens wurde eine deutliche Schichtung der Formation nicht wahrgenommen. Das Gestein ist durchaus in der Verwitterung begriffen, und zwar auf besondere Weise. An vielen einzelnen Kalkfasern zeigen sich nämlich die Absondcrungsflächen von einer braunen erdigen Masse überzogen. Dadurch wird theils die Co-haesion des Gesteins auf das Aeußerste gemindert, theils entstehen allmählig in demselben linear gestaltete Furchen und Ganäle. Bei dem weitern Fortgange der Verwitterung verschwindet die krystallinische Structur ganz, das Gestein erhält eine bräunlich rothe Farbe und wird verwittertem Kalktuff ähnlich. Sehr häusig enthält dieser Kalkstein große Drusen von dicht vereinigten, spießig-strahligen Kalkspathcrystallen. Ihre Farbe ist gelblich weiß und sie widerstehen der Verwitterung länger. Ich legte mir bei der Betrachtung dieses Kalkgesteins zwei Fragen vor, erstens, ob es ein Product der Thermen selbst sei, und zweitens, ob seine Verwitterung, die für eine an sich feste Felsart ausgezeichnet genannt werden kann, als eine Folge von Gasentbindungen aus den heißen Quellen zu betrachten wäre? Die weitere Untersuchung trat beiden Hypothesen entgegen. *) Fontanier (Vo^n^s ?» Orient p. 85.) irrt, indem er den Ursprung dcr Quellen an der Grenze des Alluviums angiebt. Notcn. 3!7 Zunächst kann gegen die letztere Frage die Lage der Quellen salbst geltend gemacht werden. Aus dem beigefügten Plane ^) geht hervor, daß die Kalkformation um mehr als das Doppelte die Distanz der beiden entferntesten Thermen an Ausdehnung übertreffe. Man könnte sich indessen denken, daß der unterirdische Zufluß der Quellen horizontal unter der ganzen Kalkformation vertiefe und auf diesem Wege zerstörendes Gas entbinde. Dagegen spricht die Gleichheit der Temperatur verschiedener Quellen, die auf eine gleiche Länge des Wegs durch die kalten Gesteinarten hinweist, und ihr hoher Wärmegrad, der nur mit einem steilen Empordringen des Wassers aus großen Tiefen in Verbindung gedacht werden kann. Eine local gesteigerte Verwitterung des Kalkgestems hängt im Allgemeinen von der Einwirkung der Kohlensäure oder dieses Gas enthaltenden Wassers ab. Nirgends zeigt sich an den Quellen oder in ihrer Umgebung eine Entwickelung freier Kohlensäure. Das einzige Gas, welches ich bemerkt habe, war Schwefelwasserstoffgas. Es kommt nur in geringer Menge vor und nirgends brausen die Thermen von Gasperlen auf. Aus diesem Grunde glaube ich, daß die Verwitterung des Kalksteins nur den gewöhnlichen atmosphcm-schcn Einflüssen zugeschrieben werden darf. Was den andern Punct betrifft, ob der Kalkstein ein allmählig gebildeter Absatz aus den Quellen sei, so scheint ihm außer der Oertlichkeit die Ver-glcichung mit den heutiges Tags aus den Thermen abgelagerten Sintern zu widersprechen. Sie sind, entsprechend dem geringen Mincralgehalt derselben, von sehr unbedeutender Mächtigkeit, aber sie zeigen eine ausgezeichnete Uebereinstimmung mit den Sprudelsteinen von Carlsbad. An der Quelle Ieni-Cabltdscha bilden sie einen weißgrauen, dichten Kalkstein von schaliger Absonderung. Er enthält auch Erbsen ") mit conccntrischen Lagen, völlig den Carlsbader Erbscnsteinen entsprechend. Einige Erbsenschalen und gewisse Par-tieen des dichten Gesteins sind durch Eisenoxyd gefärbt. Der Absatz der sogenannten Schwefelquelle, Kökürdli, besteht gleichfalls aus einem dichten Kalks stein von bläulich weißer Farbe und schaliger Absonderung. Der äußerste Rand zeigt blumenkohlartige Bildungen, die durch Eisenoxyd gefärbt sind. Zwischen den Schalen bemerkt man zuweilen Reste von in der Nähe wachsenden Gräsern. Der Mangel des krystallinischen Gefüges und der Kalkspathdrusen, so wie die schatige Absonderung unterscheiden die Bildungen der Quellen auf den ersten Blick von dem Kalkgchein, dem sie entspringen. Noch auffallender, als bei der Ieni-Cablidscha, zeigt sich diese Verschiedenheit an der Schwesel- *) Siehe Pl. I. ") Diese scheinen der Nildung zu entsprechen, die v. Hammer aus verzeihlichem Irrthume Muschelkitt genannt hat. Vcrgl. dessen »leise nach Grussa p. 25. 3t8 Noten. quelle. Ihr liegt ein Kalkfels gegenüber, der von dem früher beschriebenen durch eine röthere Farbe und viel compaktere Beschaffenheit abweicht. Daß gerade hier, wo die Thätigkeit der Thermen sich concennirt, der Kalkstein am wenigsten verwittert auftritt, bekräftigt die obige Bemerkung. Zweite Issote (zu S. ««.). Gypsbildung an der Icm- Vablidscha. Die Vermuthung, daß die drei Quellen bei der Icni-Cablid-scha nur verschiedene Ausflüsse einer einzigen seien, gründet sich a»f einen besondern Umstand. Denkt man sich die Localität als eine quadratisch geformte Erdplatte »on zwanzig Quadratfuß Oberfläche, so treten die Quellen an drei Ecken derselben in einer solchen Richtung des Wasserstroms hervor, daß dieser von einer jeden rückwärts verlängert auf die vierte Gcke treffen würde. Hier nun aber, wo sich demnach die drei Quellen erst durch Verzweigung unter der Erde aus einer einzigen bilden, falls ihre Richtung bis dahin horizontal wir, entdeckte ich ein enges, brunncnartig durch die dünne Humusdecke und den Fels eindringendes Loch. Die hohe Temperatur in demselben verrieth, daß die Quelle ganz oben hindurchsiieße. Nur, weil dieser Trichter, durch welchen das heiße Wasser, bereits ehe es in's Freie tritt, mit der Atmosphäre in Berührung kommt, eine gewundene Röhre bildet, konnte ich das Wasser weder mit dem Arm, noch Geräthschaft erreichen. Seine Gegenwart wurde indessen noch auf andere Weise gewiß. An der Innenfläche des Trichters bemerkte ich einen losen krystallinischen Ueberzug, der sich mit einem Messer leicht abschaben und sammeln ließ. Ich betrachtete diesen Ansiug damals durchaus als ein Sublimationsproduct der Quelle. Es enthält eine Anzahl sehr zarter, weißer Nadeln, besteht jedoch größientheils aus unregelmäßig geformten Körnern, an denen einzelne rhombische Flächen sichtbar sind. Diese Körner sind zum Theil ungefärbt, abcr viele zeigen einen grünlich gelben Anfiug. Dieser Ansiug ist Schwefel, offenbar aus dem Schwefelwasserstoff, der schon hier aus dem Wasser entbunden wird, durch den Einfluß der atmosphärischen Luft und der Wasserdämpfe gebildet. Eine solche Schwefelsublimation bleibt nicht ohne Wirkung auf die Beschaffenheit der Quelle. Denn das Wasser der Ieni«Cablidscha enthält, wo es austritt, nach dem Geruch zu urtheilen, weniger Schwefelwasserstoff, als die Quelle von Kökürdli, welche, ohne vorher mit der Atmosphäre in Berührung zu treten, ihren Gasgehalt bis zum Austritte bewahrt. Wenn nun dieser zarte Anflug von pulverigem Schwefel als ein Product der aus dem heißen Wasser aufsteigenden schwefelwasserstoffhaltigen Dämpfe angesehen werden kann, so liegt dagegen der Bildung )ener Crysialle selbst ein anderer, räthselhafterer Proceß zu Grunde. Die chemische Untersuchung hat nämlich ergeben, daß sie aus Gyps bestehen, und zwar entsprechen die feinen Nadeln beginnender Bildung von Fasergyps im Kleinen. Schwefelsaurer Kalk ist übrigens dieser Gegend fremd, und die Vermuthung liegt nahe, baß tin Zusammenhang zwischen der Entstehung jenes Minerals und Notcn. 319 der Gaöentbindung aus den Thermen bestehe. Denn ber Gyps bildet nur einen lockern Anfing auf dem Kalkgestcin von der Dicke weniger Linien. Der Mangel an Cohaesion mit dem Gestein und die Beschränkung des Vorkommens auf eine einzige Localität, die den Essiuvien der Quelle am meisten ausgesetzt ist, beweist seine Bildung in der Gegenwart. Verschiedene Hypothesen sind möglich, von denm mir eine einzige zulässig erscheint. I) Schwefelsaure Dämpfe können nicht zugegen sein, da die Quelle vielmehr alcalisch reagirt. 2) Zwar enthält die Therme schwefelsaure Salze; da sie jedoch nicht siedet, so ist nicht anzunehmen, daß die festen Bestandtheile von den Dämpfen mit in die Höhe gerissen werden; ferner enthält der Qucllcusmter keinen schwefelsauren Kalk; schwefelsaures Natron, an dem Trichter abgesetzt, würde den kohlensauren Kalk des Gesteins nicht zersetzen; endlich ist die Menge des Wasserdampfs vcrhaltnißmäßig gering und die festen Nestandtheile des Nassers viel unbedeutender, als in ander» Mineralquellen, wo man keine Gyps-bildung aus benachbartem Kalkgestein beobachtet hat. 3) Ist das Schwefcl-wasserstoffgas in Verbindung mit Wasscrdämpfen selbst fähig, kohlensauren Kalk in Gyps zu verwandeln? Vergleichende Versuche würden entscheiden, ob, wenn man siedendes Wasser einige Zeit auf ein Gemenge von Schwefel und kohlensaurem Kalk wirken läßt, sich etwas Schwefelcalcium bildet. Dieses oxydirt sich an der Luft bekanntlich zu Gyps. Ist gegen die Theorie einer Wildungsweise des schwefelsauren Kalks auf diesem Wege nichts einzuwenden, so dürfte sie die Aufmerksamkeit der Geognosten in dem Grade verdienen,» als die Verbreitung des Schwefelwasserstoffs in der vulcanischen Natur die der Orydc des Schwefels übertrifft. Hat man an Schwefelquellen die Verwandlung des kohlensauren Kalks in Gyps nicht häusig zu beobachten Gelegenheit, so ist zu bemerken, daß die Gegenwart heißer Wasserdämpfe zu dieser Wirkungsart nothwendig zu sein scheint. Sollte man indessen auch Bedenken tragen, auf die Bildung des Gyplcs im Großen eine solche Theorie anzuwenden , so ist doch die Zahl wirklicher Beobachtungen über die Entstehung dieses Körpers durch noch jetzt thätige Kräfte zu gering, als daß nicht eine neue Erscheinung dieser Art bemerkenswert!) bleiben müßte. Dritte Note !enbei-g l!e vcgela«. IIt.lv. Seine Messung wird durch Beobachtungen in der westlichen Schweiz und in den österreichischen Alpen bestätig: und auf den ganzen Nordabhana, der Alpen erweitert. Die Baumgrenze blloen t'lnus Allies I^. und !'i>n^ I^aiix 1^. '*) Die ältern Bestimmungen von Schouw (Psi, Geogr. p. 454.) und Leop. v. Buch (Bettschmied Pfl. Gcogr. z>. 73.) gebcn das erstere NesiNtctt. Zwei von Gr. Keyserling und mir im I. !83« in'Südtyrol angestellte Messungen mache ich wegen ihres für diese Untersuchung einflußreichen Resultats bei dieser Gelegenheit bekannt: 1) Obere Baumgrenze am Menzon im Fassa - Thale. 21. Aug. 10" , 5 M. liar. 2l"s'",5. Dirrm. lix. 12",8 IT. lib. 12",8 lt. Sternwarte von Brera erm. /ix. 10" Ii. lib. I?«,7 li. Räch den Gauß'schcn Tafeln berechnet, ergicbt diese Messung eine Höhe von 6938' über dem Meere. 2) Obere Baumgrenze des Martcllthalö am Ortcles. 4 Sept. l>/< M. I^n. 21".5"',l. 'l l>«,m. f.x. ä",2 ll. lib. 5",2 It. Brera. — — I^r- 27"8'",2. 1!,olm. Nx. ll»" II. !ib.19",9U. Ergiebt eine Höhe von 7390' über dem Meere. Wiewohl diese Bestimmungen bis zu KWl»^ von den früher gewonnenen abweichen, so werden sie doch mit diesen durch die Messung der Baumgrenze am Uontc Rosa, welche Baron von Welden zu ?<1W' bestimmte, vermittelt. '*») Die erstere Bestimmung rührt von De Candolle (N^m. <1'/V,l»<'iI 3>) her, die zweite wahrscheinlich von Ramond, mitgetheilt in v. Humboldt's 35I Noten. 4) Im höchsten Theile der Apcnnmcn (42—43°) erheben sich die Weißtann?, Lariciosicl^e und die Buche bio zu ü'XM" -). 5) Am Aetna (3?'/,/) kommt die Lariciosichte bis zu 52W< vor "). L) In Itumelien (W-42") wird die Baumgrenze zwischen 436U" und LlL!»' durch Weißtannen, Zirbelnußsichten, Buchen oder Eichen gebildet "*) ?) Am Caucasus (42^") steigt die Wöißtanne und eme Ficht^'nart nebst der Birke bis 55U0': die letztere kommt aber örtlich noch bel 62»»' vor f) 8) am Piü von Teneriffa findet sich die canarische Fichte bis zu 5900^1'). Aus dieser Zusammenstellung, nach welcher innerhalb des uorauöbesiimm-ten Ländergebiets die Baumgrenze etwa von 44M/ bis zu 7u!ic-u5». Nach Hoffmann's Messung <5)tei!'e l.) am Gran Sasso, der ohne Radclwald ist, kommt die Buche daselbst bis 5500' vor. ") Philippi a. a. O. '") rimis ri^li 1^. bildct die Baumgrenze am Athos und am b'thy' nischm Olymp (5!M0'?); I'imi-i <^l!ml>sli 1^. am Perister, (M!U'); l'^us «>!vuli^ I., am Nidgö (55N') und am ?iubatr,n (lMV); «ju^l^us pe-liui!l:ulg,ll I^>,>!>. vili. diinitt 'l^ü. an der Kobelitza (ill7>^). 1°) Schouw Pft. Geogr. p. 4?2. nach Parrot's Beobachtung. ^) Die obere Grenze von I'nms cllnarisnsis 8^v. wurde von v. Wl<6) gemessen (Canar. Inseln ,,. 129.). -l-^t) An deidrn Abhängen der Aluen nämlich wird die höchste Waldregion vornehmlich durch die Edeltanne aebildet. In wie fern dies zur Erklärung dient, ergiebt sich aus dem Nachfolgenden. Not.'n. 357 Wenn wir dies Phänomen als rin reines Ergebniß der bisherigen Messungen betrachten lind demzufolge al6 mittlern Werth für die Baumgrenze jenes großen Gebiets die Höhe von 60l)l^ bestimmen, von welcher die meisten Beobachtungen in sämmtlichen acht Gcbirg^ügen sich nicht über 5W" entfernen: so haben wir ferner zu bemerken, daß c6 auch eine ganz unbegründete Loraussetzung zu sein scheint, dem Wachsthum der Wälder dieselben climati-schcn Bedingungen unterzulegen, welche für die Verbreitung der einzelnen Pflanzenarten gelten. Ist es gewiß, daß jedes Gewächs seine eigenthümliche, nlcht durch unsere Erkenntniß seiner Structur bestimmbare, sondern nur durch Erfahrung auszumittelndc Temperatursphäre hat, innerhalb deren es gedeiht: so haben wir durchaus keinen Grund, anzunehmen, daß die Bäume als solche im Gegensatze gegen die übrigen Pflanzen einem gemeinsamen, climalischen Gesetze unterworfen seien. Wir haben die Waldregionen dem wissenschaftlichen und dem Wort- Begriffe gemäß nur auf die Vegetation von hochwüchsigen, in Krone und Stamm geschiedenen Gewächsen eingeschränkt und die Gesträuch- oder Krummholz-Regionen ausgeschlossen: der einzige, physiologische Unterschied zwischen Bäumen und Kräutern besteht in der Bildung bcö Holzes und den Gesetzen seines Wachsthums: Holzbildung aber, in Alpen-sträuchern oder dauernden Wurzelstöcken ausgesprochen, ist weder gegen den Pol, noch gegen die Schneelinie der Gebirge durch andere climatische Grenzen eingeschlossen, als die phanerogamische Vegetation überhaupt. Sollte, wo wir keine physiologische Grenze kenne,n, eine climatische gesucht werden müssen? und enthält, wenn nach einer physischen Ursache der Baumgrenze gefragt wird, dies Problem nicht eben solch' eine Forderung? Sobald wir dagegen von der Baumgrenze als solcher absehen und nach den climatischen Bedingungen einzelner Waldbäume fragen: so verliert unser Satz, daß in verschiedenen Breiten der Wald in gleicher Höhe, also in verschiedenem Clima aufhört, sogleich jenen Schein von Anomalie, als gäbe es Vegctationsgrcnzen, die nicht durch das Clima bestimmt wären. Mit der zunehmenden Wärme des Clima's verändern sich regelmäßig die Baumarten, welche die Baumgre^z e bilden. Die Edeltanne und Lärche der Alpen, deren climatische Sphären so groß sind, wachsen in südlichern Hochgebirgen nicht. Die Buche und die Weißtanne, die in der nördlichen Schweiz ?«tt—l0Ul^ *) unter der Baumgrenze zurückbleiben, bilden in Numelien und in den Apenninen die Baumgrenze selbst. Die Laricioflchte, die am Athos ?W^ unter den obersten Weißtannen aufhört, ist derselbe Baum, der am Aetna zu der größten Höhe s,ch erhebt. Diese Beispiele, die aus der obigen L,ste leicht vermehrt werden können, zeigen deutlich, daß, wenn z. B. die Edeltanne am Alhos oder Aelna ihre übrigen Ledenobedin-ßungen fände, oder nicht etwa Mr aus historischen Ursachen von diesen Ner- *) Wahknberg de veget. et climate Helv. 338 Notcn. gen ausgeschlossen wäre, sie die Baumgrenze hier um ?UlV, dort um NttN^ Hinauftücken würde. Je größer daher der Verbreitungsbezirk solcher Waldbäume ist, welch? in den höchsten Regionen der Gebirge sich anzusiedeln bestimmt sind, desto mehr komnn die Baumgrenze mit dem climatischen Abstände der Berge überein. Hieraus erklärt sich, weshalb diese Grenze am Peristeri bei Bitülia den gegenüberliegenden Nidg« um 6N<>^ übertrifft. Die oberste Waldregion des letzter« wird durch die Buche, die des erstern durch die Zirbelnußsichte gebil-det: jene reicht in den Carpaten *) bis 3900', diese bis 480«^ **). Da ferner jene Bäume nördlich von den Alpen in einer größern Reih? von Gebirgen wiederkehren, so ergiebt sich daraus, daß dort die Baumgrenze im Allgemeinen eine weit größere Abhängigkeit vom Clima zeigt, als wir im Süden derselben bemerkt haben. Die folgende Uebersicht ist bestimmt, diese Bemerkung nachzuweisen. Zur Einleitung bemerke ich, daß die drei Bäume, die hierbei besonders in Betracht kommen, die Edeltanne, Lärche und Birke, wo sie in demselben Gebirge vorkommen, ungefähr bis zu derselben Höhe ansteigen, d. h. eine analoge Kältegrenze haben. Wahlenbcrg, an dessen Forschungen solche Untersuchungen stets eine so gründliche Stütze finden, beobachtete in der Schweiz die Edeltanne meist bis 55lM, die Lärche bis 62(M und die Birke bis 5IW' ""). !) In Lappland (68°) wächst die Birke bis I8W^j. 2) Im südlichen Scandinavien (61") findet sich die Birke bis zu 32<1U"1"I-). *) ^Valilenderi; I'Ior» <5»rp. p. 303 seq. ") Dagegen wächst i'nms t^mks» I.. nach De Canbolle in den Pie-montt'ser Alpen uon 5il,'U'—lj»iU!>", nach eigner Beobachtung in Siidtyrrl von l)l-l» 1^. gestattet, m>t iener Temperatursphäre des Gewächses, die von der Wärme während ihrer Aegelationszeit bestimmt ist, durchaus nicht verwechselt werden darf. """) Das Vorkommen der Birke im Caucasus bietet ein entschieden lehrreiches Beispiel für den vorliegenden Gegenstand. Während sie in den Alpen und mit Ausnahme von Scandinavicn in allen nördlich von den Alpen gelegenen Gebirgen bis zum Altai stets einige ltM unter der Baumgrenze, d. h. unter Edeltannen oder Lärchen zurückbleibt, traf Parrot (s. o.) am Caucasus noch fast 890" über der Coniferen- vnd gewöhnlichen Baum-Grenze einm Birkenwald. Weshalb? Weil im Caucasus die obere Conifcrenreszion m>bt durch Edeltannen oder Lärchen, sondern durch Weisttannen und Fichten gebildet wird, die überall tiefer vorkommen, als die Birke. s) Walüvnbelg tlar» 1»ppon. pgg. XXX. für Velul» aid» I^. -Z-Z-) Schouw Pfl. Geogr. p. 467. Noten. 359 3) Im Ural (54") kommt die Edeltanne bis zu 4l1l1lV vor "). 4) In den Sudeten (51°) steigt die Edeltanne bis 38lM' an **). 5) Im Böhmer Walde (19") fand ich die Baumgrenze durch Buchen gebildet bei 3600' >"). 6) In dcn CarMen (49") bildet die Edeltanne die Baumgrenze bei 47W' 5). 7) Der Altai l,47"-51"), an dessen Nordabhange die Lärche bei 55NN', am südlichen Abhänge aber die Zirbl^mßsichte erst bei 65N0" zu gedeihen aufhört f-j-), zeiat bei einer mittlern Wärmeverminderung von mindestens 5° <ü. dennoch günstigere climatische Bedingungen zur Erhebung des Waldes in hli-here Gebirgsregionen. Dirse Uebereinstimmung des Climaö mit der Höhe der Waldregionen im Norden, die nur im Altai eine scheinbare Ausnahme erleidet, und die der gleich hohen Waldgrenze mittlerer Vrciten welentlich gegenübersteht, ist weit entfernt, in den noch übrigen Gebirgen der Erde, deren VegetationsverlMtnisse wir kennen, ich meine unter den Tropen, wiederzukehren oder bestätigt zu werden. Vielmehr spiege't sich auch bei dieser Frage der Satz, daß, je näher nian dem Acquator kommt, desto enger die Verbreitungsbezirke der Psianzen-arten werden. Da wir aber gesehen haben, daß zwei Gebirge nur dann eine Abhängigkeit der Baumgrenze vom Clima zeigen, wenn diese durch dieselben Baumarten gebildet wird: so können wir unter den Tropen eine solche Abhängigkeit von der Breite nicht erwarten. Wir finden sogar das Gegentheil, die Gebirge am Wendekreis beträchtlich höher bewaldet, als am Aequator. Unler den Beobachtungen sind einige der wichtigsten folgende: 1) Wir berücksichtigen zuerst eine Reihe von Messungen, welche zwar außerhalb des Wendekreises, jedoch im Gebiete tropischer Regen und Monsoon's (31° n. Br.) angestellt wurden. Sie betrifft die Beobachtungen Gerard's in der Provinz Kanawar am südöstlichen Abhänge des nordwestliäen Hlmalajah. Dort ^t) reichte die Waldung, aus Eichen, Fichten und Bir- *) Am Ircmel I" südlich von Slatoust von Lessing (Linnaeci 1834. p. 149,) beobachtet. Hier, wo die mittlere Wärme im Meeresmurau kaum 4" l^. überschreiten würde, also um 8" geringer ist, als in Schlesien, um 4" stcnnger als in Südschwedcn, erkennt man bereits in jener Baumgrenze den Unterschied zwischen der climatischen Vegetationsbedingung und der Iahres-warme. ") Meyen Pfl. Gcogr. p. 288. """) Am Rachelberge, wo auf die Buchenregion das Krummholz folgt. Durch das Feklen der Edeltanne wird hier die Baumgrenze hcrabgedrückt. Eine ähnliche Erscheinung scheint sich am Inselsbcrge im Thüringer Walde zu wiederholen. -j-) >Vil!>!<>nkerss Has» Ogrpat. p. I.XIX. -^) v. !.<>(!<'l>m zweiten und auffallendsten der drei Phänomene durch die Hypothese einer für mittlere Breiten allgemein gültigen Bestimmung eine wissenschaftlichere Seite abzugewinnen. Man könnte annehmen, die Verdünnung der Luft gestatte einer Classe von Bäumen nicht, in einer Höhe von mehr als 7UUU' zu uegetiren, man dürfte an die Krummholzregion der gemäßigten Zone erinnern, und das Problem stellen, in wie fern eine solche Beschränkung in den Tropen ausgeglichen werde. Oder man könnte eine Untersuchung an *) v. Humboldt Naturgemälde p. 82. Die Beobachtung bezieht sich auf ^irm» N<<^. i??. Noten. 30 l die Vergleichung der Iahrszciten und Feuchtigkeilsvei Hältnisse knüpfen, und anführen, daß die Holzmasse eines Baums viel größere Ansprüche an dic Circulation des tropfbaren lind gasförmigen Wassers macht, als Vegetabi-lien von geringerm Volumen und kürzerer Lebenszeit. Allein ich glaube nicht, daß bei dem gegenwärtigen Zustande der Wissenschaft solche Untersuchungen irgend einen wahrhaften Erfolg versprechen, und schließe diese Mmcrkungm mit dem Ergebnisse ab, daß die niedrige Naumgrei^e am Äthos und Hindus weit entfernt anomal zu sein und etwa aus die Holzucnvüstungcn der alten Griechen hinzudeuten, vielmehr sich genau an ein allgemeinercü Phänomen anschließt, welches im ganzen Becken des Mittelmeers, am Caucasus und in Teneriffa sich wiederholt. 24 * Verbesserungen und Zusätze. S. 28. l. Z. lies (>s,>il!»,ß!li»m linnun, 8m. — 3l. I. 2. v. u. statt 'l. o!ivl,^«,n>!n «<,>>-. lies '^'. «l>i!l^,>«>^u>n i.. — 3>. I. Z. statt I!>,>.>^,»n ,.!-!^!!is,<>i.l»> ^v. lies I!),.^I^XIN u,i^.<,is<,l!um ,. — 43. Z. 3. v, u. statt ^„„i,,>„>,5 »»,«>«!,!>,>,! ü^>>,!,. lies ^. «.j^^^^^»» ^» — 43. I. 7. v. o. st>itt Pinienwäldchen lies Fichtenwäldchen (i'!,»«-. >!,»liil>»u I.»,»»,.). — 58. l- Z. Dies Geranium ist <>, a,'i>!»«!l.!<,iä>:.' >v. ,,<,>: «i>,l!>. — 59. l. Z. Die beiden hier genannten Pflan>m waren Formen von ^ul«^u« ll>i- — N3. l. Z. statt ^,',.!.,,.!.^ lies ^','!,„^li„>!. — 34. Z. 2. u, u. Das hier verstandene v^li,,i»l,»n aZbr>:^!> d^üllnu,,«,« Linux's (lj»^^» <^,,l. 5. t, 32,) ist l>!.!,> !n,8„>i^,!m >». -— Iu5. Z. I. v, u. Giniae Schliftstellei unterscheiden die am Bosporus heimische Art als i'. v,l!^,»l,,!. So heißt der Vogel bei den Türken. — N8. Z. 8. V. U. statt 1>i»">" c,I°l,,iu ^Iü. lies !'. in,.,.Iu^ »i. (I', »rv^«»« II. ^r.). — 118. Z. I. v. u. statt i'„>,v?,.!^ >,>»,«,' ^ lies ''. >,.m>«» «»l.ic. ^ 125. Z. 8. In Hübsch» Chalfa Rumeli und Nosna übersetzt von v. Hammer finde ich (S, 6?,) die Berichtigung, daß Rusköi d^r eigentliche Ortönaim', Keschan hingegen die Bezeichnung der Gerichtsbarkeit ausdrückt. Nach die em Werte, dessen Nernitzuna, mir erst jetzt zugänglich ist, würden auch noch folgende Ortsnamen verbessert zu schreiben sei,,: statt WU« gara Migal^ara, st. Fered Ferebschik. — >It. Z. ,,. v. u. statt ',',!,„,!,<,„ ,'„!,,,„„ I.. lies '1'»', <;>,«">,,! '!'!„. -— 155. In dem anssef'ihrte» Werke findet sich eine Vesckreibung von Enos sS. 68.), die sehr gut mit den angegebenln Daten übereinstimmt: „Enos nahe am Ausflüsse der Mcmza, auf einer diesem Ausfllisse nahe gelegenen niedern Landspitze. — — Gs erstrecken sich hier ,^wei Landspitzen »n's Meer^ auf der einen liegt Enos «nd auf der andern 3ustta" (^ des Plans). „Zwischen beiden liegt der unter dem Namen Vori Korfusi be: kannte fischreiche See" (Lagunen/«—5), „an bessm Eingang uiele Taliam, d. i, Fischerwarten, aufgerichtet sind." — 162. l. Z. statt ku«!,» I.. lies ll.,«,, .nv^^.i, w. — 167. Z. I. v. u. und S. !68, l. I. statt '>',>!»>I>„n I.l,l>.w ^». lies 's', ci«,^,! i.. Zu dieser Trifolienuegetation sind noch hinzuzufügen: '». ,'l>>!>l»m ^. und «1>,«,>,»!,! u,ivi, so wie das hier erwähnte ^. »u>>>l>,ii,,,',„>, eine aus« gezeickmet? neue Art l'>',. »n.ui!.,,,,, »,.) bildet, die bereits >,n hiesigen botanischen Warten aus den mitgebrachten Samen cultivirt wird. — 209. Z. 2. v. o. statt fällt lies hüllt. — 213. Z. 6 v, u. wie G. Il8. — 2l3. Z. 2. v. u. statt vic!^ 1,,^.-. L. lies v. «'),.l!>!.-> Kit. !,«.: »I. — 216. l. Z. statt <^,„.li. ,'!>>l!5 ,l,^ma„nll!l- I.. — 2<7. Z. !6. ». u. statt 1>'»^,„N,N! ßln^euni «n,. lies u. llllilulillin (1.o!u») üm, !!!,/inn. '/'/„,;,„„■ snvhisf /^F^X CA'IZZXJBER I7MOEBmTrjEAr VO2V KKAIAT. vhMJsr. / <*tt~ f/ $*' a. A'rx-ri//. ft. r/ifr/s/äe/ir "fM A 'r*rtr/. 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