Lehrbueh der Geschichte des Alterthums fiir die otieren Classen fler Realschulen uM anfierer veri andter Lehranstalten. Nacli dem Lelirbuche A. Zeehes fiir Gymnasien bearbeitet von Anton Rebhann k. k. Professor an der Staatsrealschule im VI. Wiener Gemeindebezirke. Mit Erlass des hohen k. k. Ministeriums fiir Cultus und Unterricht vom 24. Februar 1900, Z. 4127, zum Lehrgebrauche an Eealselmlen mit deutscher Unterrichtssprache als allgemein zuliissig erklart. Preis in Leinen getmnden 2 K 40 h, broschiert 2 K. Laibach 1900. Druck und Verlag von Ig. v. Kleiimiayr & Fed. Bamberg. I hi -43> boi) (!) ^ J~6| Vor wort. Wohl nur wenige Lehrbiicher sind bei ibrem Erscheinen von der Kritik in wissenschaftlicher und methodischer Beziehung mit so einmiitbigem Beifalle begriifit worden, wie die gescbicbtlicben Schul- biiober Zeebes fiir Obergymnasien. Und auch in der Praxis haben sicb diese Unterrichtsbebelfe, die mebr als alle anderen ihrer Art der auf das Culturgeschichtliche gericbteten Stromung der Gegen- wart Rechnung tragen, nacb dem iibereinstimmenden Urtbeile aller Fachmanner vortrefflich bewabrt. Mit Riicksicht darauf eracbtete icb es geradezu als Pflicht, Zeehes ausschliefilich fiir Zwecke des Gymnasiums gescbriebene Lehrbiicher durch eine entsprechende, Wesen und Charakter derselben moglichst wabrende Umarbeitung auch in den Dienst der Realschule zu stellen, zumal da ja docb dem historischen Unterricht an allen osterreichischen Mittelschulen das- selbe Ziel gesteckt ist (Instructionen fiir den Unterricht an den Realschulen in Osterreich, S. 104) und der Realschule bisher nur ein einziges lediglich fiir ilire Bediirfnisse berechnetes Lehrbuch zur Verfiigung steht. Autor und Verleger gaben bereitwilligst ihre Zu- stimmung, und so schritt ich denn, auch noch von lieben Freunden dazu ermuntert, mit vrahrem Vergnugen an das Werk der Um- gestaltung. Ob es mir gelungen? — Eben liat der erste Band die Presse verlassen, und indem ich ihn hinaussende und der Offent- lichkeit iibergebe, hoffe ich, dass dieser wie auch die folgenden Bande unter den Fachgenossen an der Realschule sicli recht bald zahlreiche Freunde erwerben mogen. Zeehe verzichtete in seinen Lehrbiichern darauf, dem Texte Abbildungen beizugeben. Auch ich habe darauf verzichtet, und zwar aus demselben Grunde wi,e Zeehe. Es muss angenommen werden, dass gegenwartig alle unsere Mittelschulen iiber die Abbildungen verfiigen, welche fiir den Geschichtsunterricht erforderlich sind; ferner sind unsere jetzigen Anschauungsmittel fiir den Massen- unterricht, abgesehen vom Mafistabe, technisch so vollendet, dass die Illustrationen, welche einem Lehrbuche beigegeben werden konnen, im besten Falle doch nur ein Nothbehelf sind; endlich zerstoren sie nicht selten geradezu den Eindruck, den der Text hervorzurufen bestimmt ist. Dagegen sei im Folgenden — gleichfalls nach Zeehe — angegeben, wo die Abbildungen zu finden sind, welclie der Text des Buches verlangt. Es kommen da, abgesehen von den allgemein bekannten Langi’schen Tafeln zur Geschichte, hauptsachlich die Seemann’schen Bilderbogen (S.), die Langi’schen Gotter- und Heldengestalten (Gest.) und seine Grundrisse hervorragender Baudenkmale (Gr.), endlich Hoppes Bilder zur Geschichte und Mythologie (H.) in Betracht. P. 8: agypt. Tempel (Gr.); p. 14 und 15: babyl.-assyr. Kunst (S. 37 und 38); p. 44 — 46: griechische Gottheiten (Gest. und H.); p. 49 und 50: Schliemanns Ausgr. (Gest. VI und S. 387 und 388 [III. Suppl. 4 und 5]); p. 51: Eimvirkungen des Orients (S. 387, DodvvelPsche Vase, Lotoskelche und Palmetten S. 30 und Tafeln zur antiken Polychromie V); p. 69: Oljmpia (S. 389); p. 71: ver- schiedene Saulenstellung bei den Tempeln (Launitz, Wandtafeln zur Veranschaulichung antiken Lebens V); dorischer und jonischer Stil (S. 379 und 380 und antike Polychromie III); p. 72: archaischer Typus (Gest. XI); p. 82: Theater des Dionysus (Gr.); restaurierte Ansicht der Acropolis (S. 391 und Gr.), Parthenon (Gr.); p. 83: plastischer Schmuck des Parthenon (S. 20 und «Museum», Jahrg. 1897, 2. Heft); p. 84: Vasen (S. 30 und Polychr. V); p. 100: corinthische Ordnung (S. 9 und Hauser, Antike Saulenordnungen IV); p. 101: Mausoleum (S. 7). Hermes des Praxiteles (Gest.); p. 109: Rundtempel auf Samothrace ’ (S. 392); p. 110: Laocoongruppe (Gest. und H.), Sophocles (H.), Apollo von Belvedere (H.), Schlacht bei Issus (S. 189); p. 116: Janus- kopf (S. 29); p. 124: capitol. Juppitertempel (Zieglers Atlas: «Das alte Rom* III); p. 130: Forum Roms (das grobe) (Gr.); p. 157: Arten der kVolbung (S. 11); p. 185: Palatium (Ziegler IV), Theater des Marcellus (Ziegler XIII), Pantheon (S. 11), Statue des Augustus (H.); p. 189: Pom¬ peji (S. 382 und Gr.); p. 191: Forum Trajans (Ziegler III und S. 29); p. 196: Thermen des Caracalla (Ziegler XVI und S. 14); p. 198: Palast desDiocletian (S. 13); p. 203: Basilica (Gr.), Katakomben (S. 40,41,192). Hiezu kommen noch »Der classische Sculpturenschatz*, von dem eben der III. Jahrgang erscheint, das an Abbildungen reiche und in jedem Betracht beachtenswerte Buch: Leben der Griechen und Romer von Guhl und Koner (sechste vollstandig neubearbeitete Auflage, herausgegeben von Rich. Engelmanu. Berlin 1893) und die «Bilder¬ bogen fiir Schule und Haus» (bisber drei Serien mit 75 Nummern). Wie». Juli 1899. A. Rebhann. In h alt Seite 1 Einleitung Die hainitisclicn Agypter . . . I. Zur Geograpliie Agyptens . II. Geschichte der Agypter. . A. Quellen B. Uberblick iiber die agyp- tisehe Geschiclite . . . C. Cultur der Agypter . Die Semiten I. Die Babylonier und Assyrier . A. Zur Geograpliie Babyloniens und Assyriens .... B. Geschiclite der Babylonier und Assyrier .... 1. Quellen 2. Die altesten Staaten in Babylonien, um 3000 bis um 1900 . 3. Die Geschichte Assyriens, etwa 1900 bis um 607 . 12 4. Das (neue) babylonisclie Reich, um 607 bis 539 . 13 C. Cultur der Babylonier und Assyrier.13 Geschichte Zur Geograpliie Griechenlands . . 37 I. Name und horizontale Gliede- rung.37 II. Verticale Gliederung ... 37 III. IIydrograpliie.38 IV. Klima und Producte. . . 39 V. Einfliisse des Landes auf den Charakter und die Entwicke- lung des Volkes : ... 40 VI. Zur Topographie.40 Erster Zeitraum (bis 1000). I. Name und Eintheilung des Volkes.41 II. Anfange der griecli. Geschiclite 42 III. Die griechische Religion . . 42 II. Die Phbnicier.15 A. Zur Geograpliie Phoniciens 15 B. Geschiclite der Phonicier . 16 C. Cultur der Phonicier . . 17 III. Die Israeliten.19 A. Zur Geograpliie Syriens und Palastinas.19 B. Geschichte der Israeliten . 19 C. Cultur der Israeliten ... 22 Die Indogermanen.24 I. Die Inder ....... 24 A. Zur Geograpliie Indiens. . 24 B. Die Geschichte der Inder . 25 C. Literatur.28 D. Kunst.28 II. Die Iranier.29 Zur Geograpliie Irans .... 29 A. Die alten Bactrer .... 30 B. Die Meder.30 C. Die Perser.31 1. bis 5. Geschichte der Perser (558—334) . . 31 6. Leistungen der Perser in der Kunst.35 VViederholung und Abschluss. . . 35 der Griechen. IV. Die griechische Heldensage. Thatigkeit der Heroen . . 47 V. Schliemanns Ausgrabungen . 49 VI. Einwirkungen des Orients . 50 VII. Die griechisehen VVanderungen 52 VIII. Culturverhaltnisse .... 53 Zweiter Zeitraum (1000 — 500). I. Verfassungsformen .... 54 II. Sparta.55 A. Geograpliie Laconiens . . 55 B. Geschichte Spartas ... 55 1. Die Lycurgische Ver- fassung (9. Jahrli.) . . 55 2. Die ersten zwei messe- nischen Kriege ... 58 3. Hegemonie Spartas . . 59 Geschichte der orientalischen Volker. Seite 3 3 4 4 5 6 10 10 10 11 II 12 VI Seite III. Athen.59 A. Geographie Attioas ... 59 B. Geschichte Athens ... 60 1. Athen vor Solon ... 60 2. Die Solonisehe Gesetz- gebung (594) .... 62 3. Die Tyrannis (560—510) 65 4. Die demokratischen Re¬ formen d. Clisthenes (509) 65 IV. Die Colonisation der Griechen 66 V. Nationale Einigungsmittel . . 68 VI. Literatur und Kunst.... 69 Dritter Zeitraum (500 — 338). Erster Absehnitt (500 — 431). I. Die Perserkriege (500—449) . 72 A. Aufstand der Jonier (500 bis 494) .- . 73 B. Die Griechen in der Ver- theidigung (492—479) . 73 C. Die Griechen im Angriffe (479—449). 77 II. Das Zeitalter des Pericles (467 bis 429). 78 A. Die innere Politik des Pericles.78 B. Die auBere Politik des Pericles.79 C. Literatur und Kunst ... 80 D. Hebung d. materiellen Cultur 84 Zweiter Absehnitt (431 — 338). I. Der peloponnesische Krieg (431—404). 84 Seite A. Der zehnjahrige Krieg (431 bis 421).85 B. Bis zum Ausgange derUnter- nehmung gegen Sicilien (419-413).86 C. Der deceleische Krieg (413 bis 404). 88 II. Hegemonie Spartas (404—379) 90 A. Herrschaft der 30 Tyrannen in Athen (404 und 403) 90 B. Waehsender Einfluss der Perser auf die griechi- schen Angelegenheiten (401-387). 91 III. Emporkommen Thebens; Sturz der spartanischen Hege¬ monie (387 — 362)... 93 IV. Begriindung der macedonischen Hegemonie (362 — 338) . 95 Philipp II. (359—336) ... 95 V. Literatur und Kunst ... 98 Vierter Zeitraum (338—146). I. Alexander der GroGe (336-323) 101 A. Seine ersten Regierungsjahre (336—334) . . ' . . 101 B. Der Alexanderzug (334-325) 102 IT. Das Zeitalter der Diadochen (323—301). 104 III. Das Zeitalter der Epigonen (301—146). 105 IV. Cultur.106 Geschichte der Romer. Zur Geographie Italiens . . . .111 I. Lage Italiens.111 II. Horizontale Gliederung . . .111 III. Verticale Gliederung- . . . 111 IV. Hydrograpliie.112 V. Klima und Vegetation . . .112 VI. Einfliisse der geographisehen Verhaltnisse auf die Ge¬ schichte des Landes . . 113 VIL Zur Topographie.113 Vlil. Specielle Geographie Latiums 114 IX. Ethnographische Verhaltnisse im alten Italien . . . 115 Erster Zeitraum. Rom unter Konigen (753 — 509). Romische Geschichtsehreibung und neuere Darstellungen . 116 I. Romisches Religionsrvesen . .116 II. Die traditionelle Geschichte . 118 A. Die Griindungssage . . . 118 B. Die rbmischen Kiinige . . 119 III. Die gesehichtl. Entwickelung bis zum Sturze des Konig- thums.121 A. Der latinische Stadtebund und die Griindung lioms 121 vn Seite B. Bestandtbeile und Gliede- rung der Bevolkerung . 121 C. Die itltesten Verfassungs- zust&nde.122 D. Die reformierte Verfassung 123 E. Fremde Cultureinfliisse . . 124 Zvreiter Zeitraum. Rom als Republik (509 — 30). Erster Abschnitt. Bis zu den puni- scben Kriegen (509 — 264). I. Begriindung der neuen Ver¬ fassung .124 A. Die obersten Beamten . .125 B. Der Senat.125 C. Die Volksversammlungen . 126 II. AuBere Geschichte . . . .126 A. Kftmpfe mit den Sabinern, Aquern und Volskern; Verhiiltnis zum latini- schen Stammesbunde . . 126 B. Kampfe mit den Etruskern 127 C. Kriege mit den Celten . . 127 D. Der letzte Latinerkrieg (340 bis 338) ...... 128 III. Innere Geschiclite .... 129 Fortentwickelung d. Verfassung (Standekampf) .... 129 A. Geschichtlieher Theil . . 129 1. Bis zum Ende des Decem- virats (494—449) . . .129 2. Bis zur Durchfuhrung der vollen Gleichbereelitigung (449-300) . . . . .131 B. Systematiscber Theil . . . 132 1. Magistraturen .... 132 2. Volksversammlungen . . 134 IV. Ausbreitung der romischen Herrschaft iiber die ganze Halbinsel (338 — 264) . 134 A. Die Samnitenkriege (327 bis 290). 134 B. Der Krieg mit Tarent und Pyrrhus (282—272) . . 136 C. Cuitur.138 Zweiter Abschnitt. Bis zum Auftreten des alteren Gracchen (264—133). I. Begriindung der Weltlierrscliaft 140 A. Kriege im Westen, Rom und Carthago (264 — 201) . 140 Seite 1. Aus der alteren Ge- schichte Carthagos . . 140 2. Innere Verhaltnisse Car¬ thagos .141 3. Der erste punische Krieg (264-241) ..... 142 4. Ervverbung Sardiniens, Corsicas, Illyriens und des eisalpinisch. Galliens (241-218).144 5. Der zweite punische Krieg (218—201) . . .144 B. Kriege im Osten mit Mace- donien und Syrien (200 bis 149).149 1. Zvreiter Krieg mit Mace- donien (200—197) . . 149 2. Der Krieg gegen Antio- chus III. von Syrien (192 bis 189).150 3. Dritter Krieg mit Mace- donien (171—168) . .151 II. Erweiterung der Weltherrschaft 151 A. Ervverbungen im Osten . . 151 1. Vierter Krieg mit Mace- donien; Untervverfung Griechenlands (148-146) 151 2. Erwerbung der Provinz Asia (129).152 B. Ervverbungen im Westen . 152 1. Dritter punischer Krieg (149—146). 152 2. Kriege in Spanien (149 bis 133).153 C. Die inneren Verhaltnisse (Cuitur).154 Dritter Abschnitt. Bis zur Errichtung des Kaiserthums (133—30). I. Zeit der beiden Gracchen (133 bis 121).157 A. Ti. Sempronius Gracehus (133 und 132) .... 158 B. C. Sempronius Graechus (123 und 122) .... 159 II. Zeit des Marius und Sulla (113-78).160 A. Krieg gegen Jugurtha (111 bis 106) . . . . . .160 B. Krieg mit den Cimbern und Teutonen (113—101) . 161 VIII C. Marius auf dem Hbhepunkte seiner Maeht (101 — 100) D. Bundesgenossenkrieg (91 bis 88). E. Ausbrueh des Biirgerkrieges zvrischen Marius und Sulla (88 und 87) F. Erster K neg gegen Mithra- dates (87—84) .... G. Revolution in Rom naeli dem Abgange Sulias und ihre Niedervrerfung (87 bis 82). H. Sulla als Alleinberrsclier (82-79). III. Zeit des Pompejus und Časar (78—44). A. Der Fechter- und Sclaven- krieg (73 — 71). . . . B. Beseitigung der Sullanisehen Reformen durch Pom¬ pejus (70). C. Kriege gegen die Seerauber (78—67). D. Letzter Krieg gegen Mithra- dates (74—64) und die Einrichtungen des Pom¬ pejus in Asien (64 — 61) E. Verschworung des Catilina (66—62). E. Das erste Triumvirat (60) . G. Eroberung Galliens durch Časar (58—51) . . . H. Zerfall des Triumvirats (53 bis 50). I. Der zweite Biirgerkrieg (49 bis 45). K. Časar als Alleinherrseher (45 und 44) . . . . IV. Die Zeiten des Antonius und Octavianus (44—31) . . A. Die Wirren nach der Er- mordung Casars (44 u. 43) B. Das zweite Triumvirat (43) C. Die Schlaeht bei Aetiuin (31) V. Die romische Prosa-Literatur im letzten Jahrhunderte der Republik . . . . Seite Dritter Zeitraum. Rom unter Kaisern (30 v. bis 476 n. Chr.). Erster Abschnitt. Die Zeit des Prin- cipats (30 v. bis 284 n. Chr.) I. Von Augustus bis auf Ve- spasianus (30 v. bis 69 n. Chr.).181 1. Časar Augustus (30 v. bis 14 n. Chr.).181 2. Die Claudier (14—68) . 186 3. Galba, Otho und Vitellius (68 und 69) .... 187 4. Verfassung, sociale Zu- stande u. Romanisierung 187 II. Von Vespasianus bis auf Septi- mius Severus (69 — 193) 189 1. Die Flavier (69—96) . 189 2. Die Adoptivkaiser (96 bis 180).190 III. Von Septimius Severus bis auf Diocletian (193—284) . 193 1. Allgemeine Zustande des Reiches.193 2. Einzelne wichtigere Kai¬ ser dieses Abschnittes . 195 Zweiter Abschnitt. Die Zeit der absoluten Monarchie (284-476). 196 I. Diocletian (284—305) und die Thronkampfe nach seiner Abdankung (307—324) . 196 II. Constantin der GroCe (324 bis 337). 199 III. Vom Tode Constantins bis zum Tode des Theodosius (337 bis 395). 200 IV. Untergang des westromischen Reiches (476) .... 201 V. Cultur.202 VI. Ende des Alterthums; Fortleben der Antike.205 Lage der im Texte nicht naher be- schriebenen Orte . . . 207 Seite 162 163 163 164 165 165 167 167 167 168 168 169 171 172 174 174 176 178 178 179 180 180 Begriff der Geschichte. Die Geschichte erz&hlt die wichtigsten Ereignisse aus dem Leben des Menschengeschlechtes in ursachlichem Zusammenhang und zeitlich geordneter Reihenfolge. Beschrankung des Stoffes. Das Menschengeschlecht, dessen Entwickelung der Gegenstand der Geschichte ist, zerfallt in physischer Beziehung in Rassen und in sprachlicher Beziehung in Sprachstamme und Volker. Nur diejenigen Volker werden eingehender behandelt, welche selhst Geschichte gemacht, d. h. auf den Gang der menschheit- lichen Entwickelung in liervorragender Weise eingewirkt hahen. Diese Volker nennen wir Culturvolker; die culturlosen Volker (Fischer-und Jagervolker, Nomaden) werden nur dann heriicksichtigt, wenn sie — was oft vorgekommen ist — die Kreise der Culturvolker gestort liaben. Da die Volker des ostasiatischen Culturkreises (Ghinesen, J apaner) auf die Entwickelung der abendlandischen Cultur keinen Einfluss geiibt hahen, so werden sie in unserer Darstellung der Geschichte, die sich nur mit der Entwickelung der abendlandischen Cultur befasst, ubergangen. Aber auch aus dem Leben der ubrigen Culturvolker konnen wegen der groben Anzahl der Ereignisse nur diejenigen berucksiclitigt werden, welche unsere staatlicli-gesellschaftlichen Verhaltnisse dauernd oder doch fiir langere Zeit bedeutsam beeinflusst haben. Begriff des Culturvolkes. Kennzeichen eines Culturvolkes sind: 1.) Geordnete staatliche Verhaltnisse (Monarchie oder Republik); 2.) Betrieb von Viehzucht, Ackerbau, Gewerbe, Handel und geistiger Tliatigkeit und daher 3.) Gliederung der Bevolkerung in Stande (Bauern, Gewerbsleute, Beamte u. s w.); 4.) lioher entwickelte religiose Anschau- ungen; 5.) melir. oder weniger bedeutende Leistungen in Literatur und Kunst. Quellen; historische Kritik. Ungleich dem Naturforscher, dem die eigene Beobachtung den Stoff seiner Untersuchungen bietet, ist der Geschichtschreiber fast durchaus auf fremde Berichte und auf Uberreste aus vergangenen Zeiten (z. B. Bauten, Gerathe, Munzen, Urkunden) — beide werden Quellen genannt -— angewiesen. Bevor der Historiker auf Grund der vorhandenen Quellen die geschichtliche Darstellung beginnt, muss er sich liber deren Glaub- Zeehe-Rebhann, Geschichte des Alterthums. 1 2 Einleitunfr. wiirdigkeit Klarheit verscliafft haben. Die Untersuchung der Glanb- wixrdigkeit der Quellen heiBt historische Kritik. Hiebei kommt z. B. in Betracht, ob der betreffende Schriftsteller die erzahlten Ereignisse wissen und berichten komite, ob er sie vahrheitsgetreu darstellen wollte, ob eine Urkunde oder Miinze echt oder gefalscht ist, welcbe von mehreren Qnellen, die voneinander abweichende Berichte geben, mehr Glauben verdient, und dergleichen. Beginn des geschichtlichen Lebens der Volker. Die geschichtlichen Anfange ali er Volker sind dunkel; im besten Falle haben wir dariiber Sagen. Die beglaubigte Geschichte eines Volkes kann erst mit seiner Kenntnis der Schrift beginnen, wenn nicht ein fremder Beobachter, wie z. B. Tacitus bezuglich der Ger- manen, uns dariiber Mittheilungen hinterlassen hat. Die Zeit vor der Kenntnis der Schrift gehort, von dem er- wahnten Ausnahmsfall abgesehen, nicht der Geschichte an und wird nur durch die Ethnographie und die vergleichende Sprachforschung beleuchtet. Die erstere bestimmt die groBere oder geringere Ver- wandtschaft der Volker nach Hautfarbe, Schadelbiklung und Kopf- haar, die letztere nach der Verwandtschaft der Sprachen unter der Voraussetzung, dass Volker, welche sicli verwandter Sprachen be- dienen, auch untereinander verwandt sind. Die vergleichende Sprach¬ forschung ist eine Wissenschaft des 19. Jahrhunderts; sie wurde von dem deutschen Gelehrten Bopp begriindet. Durch diese Studien wurde z. B. die einstige Existenz eines indogermanischen Urvolkes festgestellt. Eintheilung der Geschichte. Man theilt die Geschichte ein: 1. ) Nach Zeitabschnitten in a) das Alterthum, welclies von den altesten Zeiten bis zum Untergange des westromischen Reiches (476 n. Chr.) reicht; der Schauplatz sind hauptsachlich die Kusten- lander des Mittelmeeres; — b) das Mittelalter, bis zur Entdeckung Amerikas (1492); der Schauplatz erweitert sich iiber ganz Europa; — c) die Neuzeit, bis zur Gegenwart; alle civilisierten Lander treten in den Kreis der geschichtlichen Betrachtung ein. 2. ) Nach dem Inhalt in a) politische Geschichte, welclie die staatlichen Veranderungen darstellt, und b) Culturgeschichte, welche die Zustando und geistigen Errungenschaften der Volker behandelt. 3. ) Nach dem Umfang in a) Universalgeschichte, welche die geschichtliche Entwickelung aller Volker (in der oben angegebenen Beschrankung), und b) Specialgeschichte, welche die Geschichte eines einzelnen Volkes, Landes n. s. w. darstellt. Geschichte der orientalisctien Vdlker. Haupttrager der historischen Entwickelung ist die mittel- landische Rasse, welche in drei groBe Sprachstamme: den hami- tischen, semitischen und indogermanischen, zerfallt. In der genannten Reihenfolge treten sie in die Geschichte ein. Wahrend der hamitische Sprachstamm, dem heutzutage besonders die Berber 1 angehoren, ein einziges Culturvolk, die alten Agypter, aufzuweisen bat, zerfallen die beiden anderen in mebrere Culturvolker. Das Nil- und das Euphratland sind — von China abgesehen — die beiden Ausgangspunkte der Cultur; in beiden Gebieten bat sich, soviel wir wissen, die Cultur selbstandig entfaltet. Entscbeidend ftir die frulie Culturentwickelung in diesen Landern war ilire uberaus groBe Fruclitbarkeit, wodurch friihzeitig Verdiclitung der Bevolkerung. Theilung der Arbeit und Gliederung in Stande veranlasst wurde. Dasselbe gilt fur .die Gebiete am Hwang-ho und Jang-tse Kiang in China, am Ilermus und Maander in Kleinasien, fur das Pandschab und Gangesland in Indien. Die hamitischen Agypter. I. Zur Geographie Agyptens. 1. Lage und allgemeiner Charakter des Landes. Agypten liiefi und heiBt das Nilthal mit den begleitenden Bergzugen vom letzten Katarakte bei Assuan (im Alterthume Syene, daher Syenit) an bis zur Miindung des Stromes. Zwischen zwei Wtisten, dei- libyscben und der arabischen, dem Meere und dem letzten Katarakte gelegen, bat es die denkbar abgeschlossenste Lage; aus diesem Grunde bat sich hier auch eine ganz eigenartige Cultur entwickelt. 2. Physische Beschreibung des Landes. Agypten, das schmalste Land der Erde, bat im allgemeinen ein nur 15 bis 18 km breiten Culturgebiet, das an Flachenraum Tirol gleichkommt. Da das Land. in der Zone der Passatwinde gelegen, nur sehr wenig Niederschlag(' erhalt, so beruht seine Fruchtbarkeit einzig und allein auf dem Nil. ' Berber ist die arabisclie Umbildung des lat. Wortes Barbari. So nannten die Homer die Bewohner des nicht-agyptischen Afrika, die Libyer. l* 4 Die Agypter. der infolge der tropisclien Regengiisse alljahrlich regelmafiig an- scliwillt und das Land in der angegebenen Breite iiberschwemmt und dadurch befruchtet. Herodot (5. Jahrhundert) nennt daher mit Recht Agypten ein Geschenk des Nil. Der Strom spaltet sich unter- halb Cairo in mehrere Arme, welche ein grofies Deltaland ein- schlieBen; von diesen Armen sind heutzutage infolge Versandung nur zwei: die von Rosette und Damiette, von groBerer Bedeutung, wahrend im Altertbume sieben grofiere Mundungsarme unterschieden wurden. 3. Eintheilung des Landes. Es zerfiel in Ober- und Unter- &gypten, jedes \vieder in eine Anzahl Gaue; das erstere reicbte nordlich bis unterhalb des Fajums, des einzigen fruchtbaren Land- striches abseits des Nilthales. Die Hauptstadt Oberagyptens war Theben, die Unteragyptens Memphis (gegeniiber dem jetzigen Cairo), im Deltalande gewann Sais die hervorragendste geschicht- liche Bedeutung. » II. Geschichte der Agypter. A. Quellen. Die Geschichte der Agypter kann bis ins vierte Jahrtausend vor Christus zuriick verfolgt werden. Dies ist durch ilire friihe Kenntnis der Schrift sowie durch die Erhaltung zahlreicher Denkmaler bedingt. 1. Die agyptische Schrift. a) Ihr Cliarakter. Deu Agvptern verdanken wir die Erfindung der Buchstabenschrift, eine der grofiten menschlichen Thaten iiberhaupt. Ilire Schrift, welche wir mit griecliischem Worte Hieroglyphen nennen, finden wir schon auf den altesten Denkmalern als Buchstabenschrift ausgebildet. Ilirem Ursprunge nach ist sie wahrscheinlich eine Bilderschrift (auf diesem Standpunkte steht noch jetzt die chinesische Schrift), indem man anfangs den Gegenstand, welchen man meinte, durch das entsprechende Abbild bezeichnete. Wahrend die Agypter die als Schriftzeichen gebrauchten Bilder auf den Denkmalern stets genau darstcllten, klirzten sie dieselben fiir das gewohnliche Schreiben auf Papyrus, eiuern Schreibmateriale, welches sie aus den Fasern der Papvrusstaude gewannen, bedeutend ab. Diese Schriftzeichen werden hieratische genannt. Durch noch weitere Abkiirzung entstand die demotische Schrift. b) Ilire Entzifferung. Da das Verstandnis der IIieroglyphen in den ersten Jahrhunderten der romischen Kaiserzeit verloren gieng, musste der Schlussel hiezu erst wieder gefunden werden. Die Die Agypter. 5 Geschichte dieser Entzifferung kniipft an die Eroberung Agyptens durcli Napoleon (1798 und 1799) an, bei welcher Gelegenbeit der beriihmte Stein von Rosette gefunden wurde, der ein Decret zu Ehren eines agyptischen Konigs in griechischer, in Hieroglyphen- und in demotischer Schrift enthalt. Der Vater der Agvptologie ist der Franzose Champollion (f 1832); nach ihm leistete anf diesem Gebiete am meisten der Deutsche Lepsius (f 1884). 2. Die Denkmaler. Ihre iiberaus grobe Anzahl bestelit haupt- sachlich aus Grabern und Tempeln, die mit zahlreichen Inschriften versehen sind. Dazu kommt eine grobe Menge von Papyrusrollen. B. Uberblick iiber die agyptische Geschichte. Da die Agypter nach den Regierungsjahren ihrer Konige rechnen und keine Ara, d. h. keinen festen Ausgangspunkt fiir die Zahlung der Jahre besitzen, so fehlt es an einer sieheren Zeit- bestimmung. Das erste ganz sichere Jahr der agyptischen Geschichte ist das Jahr 663, in welchem Psammetich Konig wurde. 663. Eintheilung der agyptischen Geschichte. Sie zerfallt in vier Hauptabschnitte: 1.) das alte Reich von Memphis; dieser Periode gehoren die Erbauer der groben Pyramiden an; 2.) das mittlere (altthebanische) Reich; 3.) das neue (thebanische) Reich, das Zeit- alter der groben Eroberungen; 4.) die Restaurations-Herrschaft seit Psammetich. 1. Das alte Reich, mindestens seit 3200 v. Chr. Es entstand aus 3200. der Vereinigung zahlreicher kleiuerer Staaten, die einander wohl langere Zeit bekampft hatten, bis sich endlich allmahlich ein einziger Staat von Syene bis zur Miindung des Nil bildete. Dieser tritt uns bereits am Anfange der beglaubigten Geschichte des Landes als ein vollig durchgehildeter Beamtenstaat entgegen. Der gottlich verehrte Konig ist Herr iiber Leben und Eigenthum seiner Unterthanen, und das Land ist durchaus centralistisch verwaltet, die urspriingliche Selbst- verwaltung der einzelnen Bezirke vollstandig verschwunden. Nur in einem so verwalteten Lande konnten Konige die riesigen Graber erbauen lassen, die wir mit griechischem Namen als Pyramiden bezeichnen, von denen die grobten, etwa um 2800 von den Konigen Um 2800. Chufu, Chafra und Menkera erbaut, bei Gize in einer Gruppe stehen. Um 2150 trat, wahrscheinlich infolge einer Revolution, ein Um 2150. aus Theben stammendes Haus an die Spitze des Reiches, doch blieb Memphis die Residenz. Um 2150. Um 1800. Um 1580 bis 063 v.Chr. Um 1480. Um 1300. 603-525. 525. 6 Die Agvpter. 2. Das mittlere (altthebanische) Reich. Damals erreichte Agypten, begiinstigt durch einen 200jahrigen inneren Frieden, seine bochste Bliite. Eine Unterbreclmng erfu.hr diese Entwickelung um 1800 durch den crobernden Einfall der Iiyksos, semitischer No- maden, welche, von der Sinaihalbinsel kommend, Unteragypten eroberten und mindestens 250 Jalire laug beherrschten. Die vveltgeschichtliche Bedeutung ihrer Herrschaft besteht darin, dass sie die gegenseitige Einwirkung der a siatischen und agyptischen Cultur anbalmten und zu den Eroberungsziigen der Agypter, denen sie das Pferd brachten, den Anstofi gaben. 3. Das neue Reich, mit der Hauptstadt Tlieben, etwa seit 1580 bis 663. Die Befreiung des Landes von der Fremdherrscliaft gieng von Oberagypten aus; im Anschluss an dieses Ereignis wurden die Agypter namentlich uuter dem Konige Thutmosis III. (um 1480) zum ersten- und letztenmal in ihrer Gescliichte zu Eroberern und machten das von Semiten bewohnte Gebiet bis an den Euphrat und die Nord- grenze Svrieus filr 300 bis 400 Jalire von sich abhangig. Diese Eroberungskriege enden uuter Ramses II. (um 1300); nach ilirn erlosch wieder der kriegerische Geist des Pharaonenreiches, das allen Einfluss auf die Weltgeschiclite verliert. Im Laufe des 9. Jahrhunderts loste sich die Einheit des Reiches auf, die einzelnen Theilfiirsten- thiimer fielen fremden Eroberern, im S. den Athiopiern, 1 im N. den Assyriern, zur Beute, bis Psammctich die Einheit und Selbstandig- keit des Reiches wieder lierstellte. 4. Die Restaurations-Herrschaft, mit der Hauptstadt Sais, 663 bis 525. In dieser Zeit iiffnete sich der Staat dem Verkelire mit dem Auslande, wodurch auch die Griechen in nabere Beziehungen zu den Agyptern kamen. Sogar an der Durchstechung der Land- enge von Suez wurde damals gearbeitet, doch wurde der .Oanal selbst erst in spaterer Zeit (S. 34) vollendet. Infolge der Schlacht bei Pelusium vrarde Agypten im Jalire 525 eine persische Provinz. C. Cultur der Agypter. 1. Religion. a) Urspriingliche Volksreligion. Bei den Agyptern wurzelt die Religion und der Cultus im Glauben an zahlreiche gute und bose Damonen, welche der Mensch sich giiustig zu stirnmen sucht. Die machtigsten dieser Geister daclite man sicli als Gdtter; 1 Wir nennen Atliiopier die semitisclien Beivobnor von Habescli; die Grieclieu nannten so die hamitiscben IJewolmer Nubiens. Die Agypter. 7 sie wurden in jedem Gaue unter anderen Namen verehrt. Uber ihnen stehen dem Volksglauben zufolge noch die groBen weltregierenden Gotter, welche als Licht- und Sonnengottheiten aufgefasst wurden nnd als deren hochster Ra galt. h) Fortbildung der Religion. Wie der Konig der einzige Herr auf Erden ist, so gilt Ra als das Haupt der Gotter und als Vater des guten Horus und des bosen Set, des Geistes der Fiusternis und der Diirre, der von seinem Bruder bestandig besiegt wird. Unter dem Einfiusse der Priester erlialten allmahlich fast alle Localgotter, so z. B. auch Osiris (urspr. Localgott von Heliopolis), die Bedeutung von Lichtgottheiten. In der Zeit des neuen Reiclies, dessen Hauptstadt Theben war, wurde Amrnon, der Stadtgott Thebens, der oberste Gott. Aus derselben Zeit stammt auch erst die besonders eifrige Verehrung des Osiris und seiner Gemahlin Isis. c) Wie die meisten Volker glaubten auch die Agypter an ein Fortleben nach dem Tode, das sie sich als heitere Fortsetzung des irdischen Lebens dachten. Da sie meinten, dass die fernere Existenz des Menschen von der Erhaltung seines Korpers abhangig sei, sorgten sie hiefiir bestens durch Einbalsamierung ihrer Leiclien. Unzahlig viele solcher Mumien sind noch erhalten. d) Verehrung der Thiere. Die Agypter verehrten zalilreiche Thiere, weil sie glaubten, dass in ihnen Gotter ihren Sitz haben konnten. Diese Anschauung ist ein Rest von Fetischismus, der in der Annahme besteht, dass sich die Gotter in bestimmten Gegen- standen aufhalten. Deshalb galten aber niclit die Thiere selbst als Gotter; daher haben die Agypter sie niclit nur mit thierisehen, sondern auch mit Menschenkopfen dargestellt. Die hochste Verehrung genoss der Apis, der dem Ptah geweihte schwarze Stier zu Memphis. 2. Politisehe und gesellschaftliche Verhaltnisse. Der gottlich verehrte Konig, welcher als Sohn des Sonnengottes galt, nahm despo- tische Gewalt liber Leben., und Eigenthum seiner Unterthanen, die ihm gegentiber rechtlos waren, in Anspruch. Seit dem neuen Reiche treten der Krieger- und der Priesterstand besonders hervor; jeder von beiden bildete einen gesclilossenen erblichen Stand. Ein en Kasten- zwang aber, wie ihn die Inder hatten, kannten die Agypter nicht. 3. Literatur. Die Agypter besaCen eine ausgebreitete poetische und prosaische Literatur. Geschichtlich am wichtigste.ii sind ihre a stronomischen Kenntnisse. Sie rechneten nach Sonnenjaliren von 365 Tagen. C. Julius Časar machte dieses Jalir zur Grundlage der 8 Die Agypter. romischen Zeitrechnung, indem er es zu 365 1 / i Tagen ansetzte und dalier jedes vierte Jahr als Schaltjahr erklarte (julianischer Kalender). Da aber damit das Jahr etwas zu grofi angenommen war, wurde auf Veranlassung des Papstes Gregor XIII. im Jahre 1582 durch eine Commission von Gelehrten bestimmt, dass von den Schlussjahren der Jahrhunderte (Sacularjaliren) nur diejenigen Schaltjahre sein sollten, welche durch 400 theilbar sind (gregorianischer Kalender). Diesen Kalender haben wir noch jetzt; nur die griechische Kirche halt an dem «alten Stile* fest und ist bereits um zwolf Tage hinter. unserer Jahresrechnung zuriick, da sie auch den Ausfall von zehn Tagen im Jahre 1582 nicht annahm. Die astronomischen Beobachtungen der Agvpter wurden besonders durch den heiteren Idimmel des Landes beglinstigt und die matlie- matischen Kenntnisse, eine Vorbedingung zu jenen, durch die wieder- holten Vermessungen des Landes nach den Uberschtvemmungen und durch die Anlage von Canalen zur Vertheilung desWassers ausgebildet. 4. Die bildenden Kunste. Die hohe Stufe, welche die Kunst bei den Agyptern schon im alten Reiche einnahm, beweist, dass bereits eine vielhuudertjahrige Entwickelung den uns bekannten Anfangen des Reiches vorangegangen ist. Am meisten wurde die Baukunst gepflegt. 1. Baukunst. Das schrage Aufsteigen der Bergziige, welche das Nilthal begrenzen, nachahmend, gaben die Agypter vielen Bauwerken schrage Mauern, sie ahmten in den Saulencapitalern Papvrus und Lotosblume nach und schufen, dank ihrem vorzuglichen Baumateriale, das sie wegen der herrschenden Waldarmut friih verwenden lernten, kolossale, noch in ihren Ruinen bewundernswerte Gebaude. Die aus- gedehnteste Ruinenstatte finden wir an der Stelle des alten Theben, mehrere arabische Dorfer sind in die alten Tempel hineingebaut. Der Hohepunkt der agyptischen Baukunst fallt in die Zeit Ramses’ II. a) Tempel. Die Tempel sind der GrdBe und Anlage nach selir verschieden. Sie bestehen oft aus mehreren Hofraumen mit und ohne Saulenumgang; regelmafiig findet sich bei den grofieren ein mit vielen Saulen geschmuckter, flachgedeckter Raum (Hypostyl). Hiezu kommt als dritter Haupttheil das eigentliche Heiligthum. Der Art der Herstellung nach sind sie theils frei aus Stein erbaut, theils in den Felsen gehauen. Fiir die ersteren moge als Beispiel der grofie Saal des Tempels in Karnak, einem Dorfe an der Stelle des alten Theben, dienen, der bei einer Lange von 90 m von 134 riesigen Saulen getragen wird, die am oberen Ende des Capitals I)ie Agypter. 9 6 m Durclimesser haben — die gewaltigsten Saulen, welche je im Innern eines Gebaudes verwendet wurden. Das Meistersttick der agyptischen Felsenbaukunst ist der Tempel von Ipsambul in Nubien. Die schonste Ruinenstatte finden wir auf der Insel Plula bei Assuan. b) Palaste. Sie unterscheiden sich in der Gesammtanlage wenig von den Tempeln. Der bekannteste war der grobe Palast am Mdris- See (im Fajumbecken), vvelchen die Griechen Labjrintli nannten. Er wurde vom Konig Amenemhat IIP (um 2100) erbaut. Ura 2100. c) Pjramiden. Ilire Zahl betragt ungefahr 70, alle gehoren dem alten Reiche an. Sie waren kolossale Ivonigsgraber; die groBte (bei Gize), das gewaltigste Baudenkmal der Erde, hat nocli heute an der Basis eine Lange von 228 m und ist 145 m hoch. 1 d) Obelisken. Sie waren dem Sonnengotte geweihte bobe Spitz- saulen, gewohnlich aus einem einzigen Blocke gehauen, mit Hiero- glyphen gescbmiickt. 2. Sculptur und Malerei. Kem Volk, selbst die Grieclien nicht ausgenommen, bat so viele plastiscbe Werke geschaffen, wie die Agypter. Auch die Statuen der Agypter sind iiberwiegend kolossal und entbehren daher naturgemaB eines feineren Gesichtsausdruckes. Die Kiinstler gaben ibren Scboplungen absichtlich eine wurdevolle Haltung, weshalb uns ihre Darstellungen als steif erscbeinen. Von einzelnen Denkmalern sind zu erwabnen der grobe Sphinx (Lowenleib mit Menschenkopf) bei Gize, aus dem Felsen gehauen, 20 m hocli, das groBte Sculpturwerk der Erde, und die zwei sogenannten Memnons- Statuen, noch jetzt lS 1 ^ m hoch, welche einen Konig des neuen Reiches 2 darstellen. Von eigentlicher Malerei kann man kaum sprechen; zwar ist keine Wand, keine Saule obne farbigen Schmuck, mindestens tragen sie Hieroglyphen, aber diesen Werken fehlt durcbaus die Schattierung und die Perspective. 5. Materielle Cultur. Die Hauptbescbaftigung der Agypter bildeten der Ackerbau und die Viebzucht; docb ragte das Volk auch in der Industrie, z. B. in Glas- und Metallarbeiten, liervor und wurde dadurch ein Lehrmeister anderer Volker. \ on ihnen haben die Phonicier und Griechen manches entlehnt. 1 Das hochste Baudenkmal in Europa, der Thurm des Ulmer I)omes, ist 161 m hoch. (Der Stephanstliurm in Wien ist 137’7 m hoch.) 2 Amenhotep III., den dritten Naclifolger Thutmosis’ III. Die Semiten. Die Semiten bewohnten in der Friihzeit ilirer Geschichte West- asien bis zum westlichen Randgebirge Irans, mit Ausnahme Klein- asiens uud Armeniens. Die semitiscben Culturvolker des Alterthums sind die Babylonier und Assyrier, Phonicier und Israeliten. I. Die Babylonier und Assyrier. A. Zur Geographie Babyloniens und Assyriens. 1. Lage von Mesopotamien, Babylonien und Assyrien. Mit dem Namen Mesopotamien bezeichneten die Griechen seit der Eroberung des persisclien Reiches durcb Alexander den Groben das Land zwiscben Eupbrat und Tigris. Babylonien oder Chaldaa ist das vom unteren Drittel der beiden Strome durchflossene und begrenzte Alluvialland, das, einst ein Theil des persischen Meer- busens, durch die Ablagerungen der beiden Strome gebildet wurde. In der Bibel beiSt das Land Sinear. Assyrien liegt nordlicb von Babylonien an beiden Ufern des Tigris. 2. Physische Beschreibung des Landes. Das Land, welcbes von den in Armenien entspringenden Stromen Eupbrat und Tigris begrenzt wird, ist im Norden ein ziemlich wasserloses Steppen- und Wiistengebiet mit sebr geringen Niederscblagen. Dagegen war es im Alterthume von der Annaherung der beiden Strome an iiberaus fruchtbar. Diese Fruchtbarkeit war eine Folge der Uberschwemmung durcb den Euphrat, die durch die Schneescbmelze in Armenien veranlasst wird und vom Marž bis zum Juni dauert. Babylonien ist daber ein Geschenk des Euphrat. Vorbedingung fiir diese Frucht¬ barkeit war die Regelung des Wasser-Zu- und Abbusses durch An- lage von Dammen und Canalen, die seit der Zerstorung der letzten Reste der alten Cultur durcb die Mongolen im 13. Jahrhundert und infolge der Sorglosigkeit der Turken, denen das Land jetzt gehort, in vollstandigen Verfall geratben sind. Das Land ist heut- zutage wegen der vielen Sumpfe uud der deshalb herrscbenden Fieberluft gefiirchtet, in mancben Theilen fast unzuganglich. Die Babjlonier und Assyrier. 11 3. Geschichtliche Bedeutung Babyloniens. Als einziges grofieres Tiefland im Westen ist es das physische und, dank seiner Fruclitbarkeit und giinstigen Lage, auch das geschichtliche Centrum Vorderasiens und war daher Mittelpunkt allor groBeren Reiche des Orients (des babyloniscken, persisclien, macedonischen, parthischen und neupersischen), deren Hauptstadte an der Stelle der ersten Annaherung der beiden Strome lagen. Hier kreuzen sicb auch die Handelswege vom rothen, mittellandischen, schwarzen, kaspischen und persischen Meere lier. 4. Stadte. Die Hauptstadt Babyloniens war Bakel oder Babylon, an beiden Ufern des Eupbrat in der Nahe des jetzigen Hillab gelegen. Die Hauptstadt Assyriens, Ninive, lag am Tigris in der Nahe des heutigen Mosul. Beide Stadte waren ausgedehnte starke Festungen. B. Geschichte der Babylonier und Assyrier. 1. Guellen. Die wiclitigsten Quellen sind die einbeimiscben Inscbriften, welche in der sogenannten Keilschrift abgefasst sind. Fur die assyrische Geschichte wurden die Ergebnisse der Ausgrahungen maBgebend, welche der Franzose Botta und der Engliinder Layard in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts an der Stelle des alten Ninive vornahmen. In den 50 er Jahren wurden die Ruinen Baby- loniens untersucht; hiezu kam nocli am Ende der 70er Jabre die Durchforscliung der Schutthugel Sudbabvloniens. wodurch auch die alteste Geschichte Babyloniens auf eine gesicherte Grundlage gestellt \vurde. Beide Volker schrieben in der Regel auf Thontafelchen, mit- unter auch auf Prismen und Cylinder von Thon. Die Keilschrift. Auch die Keilschrift, die aus keilformigen Zeichen hesteht, war ursprunglicli eine Bilderschrift. Sie wurde von der altesten nachweisbaren Bevolkerung Babyloniens, den mon- golisclien Sumeriern und Akkadern, die also das alteste asiatische Culturvolk sind, erfunden. Um die EntzifEerung der Keilschrift, die seit der alexandrinisclien Zeit niemand mehr hatte lesen konnen, machten sich besonders verdient der deutsche Gelelirte Grotefend und der Englander Itawlinson, deren Forschungen in die erste Halfte unseres Jahrhunderts fallen. Jetzt ist unter anderen Schnider hi Deutschland auf dem Gebiete der Assyriologie erfolgreich tliatig. 12 Die Babylonier and Assyrier. Um 3000 2. Die iiltesten Staaten in Babylonien, um 3000 bis um 1900. bis um 1900 . Audi hier ist das Entstehen eines grofieren Staates das Ergebnis der durch Kriege veranlassten Vereinigung iiberaus zahireicher localer Herrschaften, von deren einstiger Existenz die nocb vorhandenen Schutthiigel Zeugnis ablegen, welche die Namen der Stadte und der Konige, die einst hier herrschten, inschriftlich aufbewahrt haben. Da im Alluviallande das Steinmaterial fehlte, wurden diese Bauten aus Lehmziegeln aufgefiihrt, welche allmalilich zusammenstiirzten, wo- durch ein schiitzender Mantel um zahlreiche, auf Ziegelu verzeichnete Inschriften gebreitet wurde, die theilweise nocli der sumerischen Zeit angehoren. Es ist schwer, die Zeit, aus welcher diese Ruinen stammen, genauer anzugeben; jedenfalls reichen die altesten liber das Jahr 3000 hinauf. Die Geschichte Babyloniens lasst sidi in eine relativ friihere Zeit zuriick verfolgen, als die Agvptens, wo keine Uberreste aus Um 1900 . der Zeit vor der Einigung des Landes gefunden wurden. Um 1900 erlolgte die Ausbreitung der semitisclien Herrschaft liber ganz Baby- lonien von der Stadt Babel aus, vvodurch allmalilich die sumerische Sprache untergierig. Also erst um 1900 wird Babel die Residenz von ganz Babylonien. Schon einige Jahrhunderte friiher hatten die Babylonier ihre Cultur liber Assyrien ausgebreitet. Um 1900 3. Die Geschichte Assyriens, etwa 1900 bis um 607. bis um 607 . a) Ninus und Semiramis. Die Inschriften wissen nichts von den griechischen Berichten liber Kriegsziige des Konigs Ninus und der Konigin Semiramis am Beginne der assyrischen Geschichte. Eine assyrische Konigin Semiramis lebte um 800; dadurch, dass sie wahrend der Minderjahrigkeit ihres Solines zahlreiche Kriege fiihren lieB, gab sie die Veranlassung zur Sage von jener alteren Semiramis. b) Griindung und Bliite des Reiches. Um 1900 sind die altesten Herrscher Assyriens nachvveisbar; sie residierten in Assar, siidlich von Ninive, das erst spater die Hauptstadt wurde. Zwischen den Konigen Assyriens und Babyloniens brachen vviederholt Kiimpfe aus, welche mit der Unterwerfung des letzteren endeten. Seit 9. Jahrb. dem Anfange des 9. Jahrhunderts wuchs Assyrien durch die liber Die Babylonier und Assyrier. 13 200 Jahre andanernden Kriegsziige seiner Konige 1 zu einem Welt- reiche, dem ersten Asiens, an, welches zur Zeit seiner groBten Aus- dehnung alle semitisclien Volker, das westliche Iran und ftir kurze Zeit auch Unteragypten umfasste. Zur besseren Sicherung ihrer Herrschaft fiihrten die assyrischen Konige die Bewohner unterworfener Landschaften gefangen fort und siedelten an ihrerstatt andere an. c) Sturz des Reiches. Endlich erlag das Reich dem vereinigten Angriffe der Med er und Babylonier, nachdem es durch die noma- dischen Scythen angeblich iiber 20 Jahre lang verheert worden war. Der Sturz des Reiches erfolgte wahrscheinlich im Jahre 607 mit der volligen Zerstorung Ninives. 4. Das (neue) babylonische Reicli, um 607 bis 539. Die Sieger theilten das gestiirzte Reich in der Weise, dass der Tigris die Grenze zwischen dem babjlonischen und dem medisehen Reiche wurde. Der grofite Herrscher und eigentliche Begriinder des Reiches, der zweiien asiatischen GroBmaclit, ist der zweite Konig Nebukadrezar II. (604 bis 562), der auch, da alle in den Ruinen Babels gefundenen Ziegelinschriften seinen Namen enthalten, 2 als Neugrunder dieser Stadt betrachtet werden muss. Sie war von ihm an bis zum Mongoleneinfall im 13. Jahrhunderte vielleicht die groBte Ilandelsstadt der Welt. Dem babylonischen Reiche machte Cyrus, der Begriinder des persischen Reiches, durch die Einnahme Babels im Jahre 539 ein Ende. Anstelle der semitischen Vorherrschaft in Asien trat die indogermanische. C. Cultur der Babylonier und Assyrier. Die Babylonier und Assyrier, welche eigentlich ein Volk bilden und nur dialectisch voneinander getrennt sind, unterscheiden sich auf culturellem Gebiete hauptsachlich dadurch, dass die Assyrier die in Babylonien aus sumerischen und semitischen Bestandtheilen 1 So Assurnafiirpal, welcher iiber Syrien bis ans Mittelmeer vordrang ; Tiglat- pileser III., wolcher Babylon unterwarf; Salmanassar IV., welcher mit der Unter- tverfung Israels begann, die sein Naclifolger Sargon vollendete; Senaclierib, der Agypten bokriegte, das sein Naclifolger Asarliaddon eroberte. Unter der Regierung seines Sohnes Assurbanipal (Sardanapal boi den Grieclien) stellte Psammeticli die Unabliiingigkeit Agyptens wieder lier (S. 6). 2 Er lieB verfallene Tempel wieder herstellen, neue erbauen, die Befestigung Babels erneuern und verstarken, fiir seine aus Medien stammende Gemahlin die berahmten «hangenden Garten» erricbten u. s. w. Um 607. Um 607 bis 539. 604 — 562 539. 14 Die Babylonier mul Assyrier. entvvickelte Mischcultur in sich aufnahmen. Die Assyrier selbst erscheinen nur durch ihre militarische Tiiclitigkeit bedeutsam. 1. Religion, Die Religion der Sumerier war ein an sich tief stehender Schamanismus ; dieser besteht im Glauben an zahlreiche, dem Menschen ubervviegend feindlich gesinnte Damonen, die durch Gebet und Opfer bezvrangen und durch Zauberformeln unschadlich gemacht werden mussen. Man dachte sich diese Geister als Greife, Drachen und dergleichen phantastische Gestalten. Durch die Auf- nahme solcher schamanistischer Bestandtheile wurde die reinere Religion der semitischen Babylonier entstellt; auBer zahlreichen untergeordneten Gottheiten bildeten sie ein System von zwolf grofien Gottern aus, iiberwiegend Gottheiten der Gestirne, an deren Spitze der groBe Lichtgott der Semiten, in Babylon Bel — Herr genannt, stand. Dieses System nahmen auch die Assyrier an, welche noch ihren Landesgott Assur hinzufugten und an die Spitze stellten. Einer eifrigen Verehrung erfreute sich auch Belit = Herrin, die Gemahlin Bels. 2. Literatur, a) Poesie. In der Ljrik liatteu die Babylonier und Assyrier Hymnen, Gebete und Spruche; viel bedeutsamer 'sind die aufgefundenen Bruchstiicke epischer Gedichte, \velche Gottermythen und die Entstehung der Welt . behandeln, und unter denen das Fragment iiber die Silndflut, das bis auf Einzelheiten mit dem biblischen Berichte iibereinstimmt, am bekanntesten wurde. Das Drama fehlt den Semiten. b) Prosa. Die Babylonier ubertrafen durch ihre matliematischen und astronomischen Kenntnisse sogar die Agypter; sie berechneten bereits Sonnen- und Mondesfinsternisse voraus, das ganze Alterthum lernte von ihnen in diesen Wissenscliaften. Dui - ch den Wahn, dass das Schicksal des Menschen aus der Stellung der Planeten erkannt werden konne, wurden sie die Urheber der Astrologie. Von ihnen stammen die Zeichen des Thierkreises, die Eintheilung des Monates in VVochen und die Benenuung der Tage nach Sonne, Mond und den fiinf Planeten. Trager der Bildung waren die Priester, die Chaldaer. 3. Die bildenden Kunste, a) Baukunst. Wegen Mangels an Hausteinen bauten sie mit Ziegeln, die theils an der Luft getrocknet, theils im Feuer gebrannt wurden. Dieses armliche Material ver- anlasste sie, ihre Gebaude mit Metallplatten, bunten Steinen oder einaillierten Ziegeln zu verzieren, und so kamen sie auf das System der Wandverkleidung. Namentlich gilt dies von den babylonischen Die Phouicier. 15 Bauten, wabrend die assvriscben wegen der grofieren Nahe des Gebirges mit Iteliefs enthaltenden Kalksteinplatten geschmuckt sind. Ilire wichtigsten Bauten sind Tempel und Palaste, die sie auf kiinstlichen Terrassen errichteten. Bei Babylon ist der Schutthiigel des Birs Nimrod (arabiscb, Nimrodthurm) erhalten, der von eineni sieben Stockwerke boben tburmartigen Tempel herriibrt. Auf der Statte Ninives wurde ein Konigspalast vollstandig aufgedeckt, der nur ein Stockwerk hatte, gleicbwohl ungefabr 16 m hoch war. Die AVande des Palastes scbmiickten theilweise sculptierte Kalkstein- tafeln, welche mit Keilinscbriften versehen sind. b) Plastik und Malerei. Aufier den eben genannten Platten wurden in Ninive riesige phantastiscbe Sculpturen, welcbe gefliigelte Stiere mit bartigen Menschenkopfen darstellen, als AVacbter bei den Thor- eingaugen gefunden. — Eine selbstandige Malerei hatten sie nicht. 4. Materielle Cultur. Babylonien war berubmt wegen seiner hochentwickelten Kunstindustrie (namentlich AVeberei, Stickerei und Metallarbeiten) und seines bliihenden Ilandels. Es wurde dadurcb Ausgangspunkt des antiken M&J3- und Gewichtssystems, das sicb einerseits nacb Persien, anderseits nacli Griechenland und Italien verbreitete. Diesein Systeme liegt die sexagesimale Rechnungsweise zugrunde, nacb welcber die Zahl 60 dieselbe Rolle spielt, ude bei uns die Zalil 100. Aucb beute theilen wir nocb nach babyloniscbem Vor- gange den Kreis in 360 Tbeile (Grade), die Stunde in 60 Minuten, die Minute in 60 Secunden. Im Gewicbte unterscheiden sie das leichte und das scbwere Talent, ersteres 30-3 kg, letžteres 60’6 kg scbwer; jedes zerfiel in 60 Minen. Bedeutend geringer war das Gold- und das Silbertalent: mit der Einfuhruug gesonderter Gewichte fur die beiden Edelmetalle war die erste Geld\vahrung gescbaffen, wozu sicb diese wegen der relativen Seltenheit ihres Vorkommens, ibrer Dauerhaftigkeit und leichten Tbeilbarkeit besoliders eignen. II. Die Phonicier. A. Zur Geographie Phoniciens. 1. Lage Phoniciens. Man verstelit unter Plionicien den mittleren Tbeil des syrischen Kiistenstriches, itn S. ungefabr bis zum Vorgebirge des Karmel reichend, mit dem westlichen Abbange des Libanon und seiner nachsten nordlichen Fortsetzung. 16 Die Phonicier. 2. Physische Beschreibung des Landes. Das Land, rmr un- gefahr 200 km lang, ist das Abfallsland des Libanon mit einer durchschnittlich 4 bis 8 km breiten Kustenebene, welche durch stellenweise vorspringende Berge in einzelne Abscbnitte getbeilt wird. Der Libanon lieferte vortreffliches Baubolz, namentlich Cedern und Cypressen, ferner Eisen und Kupfer. Das Land ist dank seinen aus- giebigen Niederschlagen sehr fruchtbar. Die Kiiste ist keineswegs reich gegliede.it. Auch ist Phonicien nicht reicb an vorztiglichen Hafen. Trotzdem sind die Phonicier das hervorragendste Seevolk des alten Orients geworden. 3. Einfluss des Landes auf die Seetiichtigkeit des Volkes. Bestimmend hiefiir war: 1.) der Reichthum des dortigen Meeres an Fiscben und die dadurch bedingte friihzeitige Ausbildung des Fisch- fanges (Sidonier = Fischer); 2.) das im Riicken aufsteigende Ge- birge wies die Bewohner auf die See hin (vergleiche Dalmatien, Norwegen);, 3.) die durch Bergvorspriinge voneinander getrennten Theile der Kustenebene konnten besser zur See erreicht werden; 4.) Die Nahe der Insel Cypern, welche vom Libanon aus sichtbar ist. Dazu kam noch 5.) die natiirliche Anlage des Volkes ; 6.) die bobe Entwickelung seiner materiellen Cultur, welche Absatzgebiete braucht.e; 7.) die Lage zwiscben den beiden grofiten Culturstaaten der damaligen Zeit, mit denen die Phonicier auch Karawanenhandel unterhielten. B. Geschichte der Phonicier. Die reichen phonicischen Handelsstatte bildeten kleine selb- standige Staaten, von denen in der altesten Zeit Sidon, die alteste uns bekannte Seestadt iiberbaupt, in spaterer Tyrus die grofite 1400 Bedeutung hatte. Demnach besaB auch in der Zeit von 1400 bis 1100 bis 1100. Sidon, von da an Tyrus den Vorrang unter den phonicischen Stadten. Seitdem Syrien das Eroberungsziel fremder Konige geworden \var, verloren die Phonicier ihre nationale Unabhangigkeit zuerst an die Agypter, dann nacheinander an die Assyrier, Babylonier, Perser und Alexander den GroBen. Die phonicische Colonisation. Die Phonicier, die Englander des Alterthums, sind das erste Volk, welches auf den Gedanken kam, Colonien auszusenden. Diese waren in der Regel nur Factoreien, wie sie z. B. heutzutage grofie |europaisclie Handelshauser an der Westkiiste Afrikas besitzen; in besonders productenreichen Gegenden, Die Phonicier. 17 zuni Beispiel in Nordafrika oder Siidspanien, griindeten sie auch eigentliche Pflanzstadte, d. h. dauernde, feste Niederlassungen. Schon im 15. Jahrliunderte stand ilire Schiffahrt in hoher Bliite. Vom kupferreichen Cypern aus besuchten sie Rhodus und dehnten dann allmahlich ilire Fahrten liber alle InseJn und Ktistengegenden des Archipels aus. Von liier aus befuhren sie einerseits das sch\varze Meer, anderseits das \vestliche Becken des Mittelmeeres und griin- deten auf Sicilien und Sardinien, in Nordafrika und Stidspanien Niederlassungen; alle Niederlassungen im Westen wurden auf die Tyrier zuriickgefiihrt. Namentlich wichtig wurde das im 9. Jahr- hunderte von Tyrus aus gegriindete Carthago, das 'selbst \vieder cine Reilie von Colonien ins Leben rief. Allmahlich, etwa seit dem 13. Jahrliunderte, wurden die Phonicier von den Griechen aus dem ostlichen, spater von diesen und den Romern auch aus dem west- lichen Becken des Mittelmeeres verdrangt. Ihre Fahrten, bei welchen sie sich am Tage nach dem Stande der Sonne, in der Nacht nach dem Polarstern orientierten, dehnten sie bis nach Britannien aus, woher sie das Zimi liolten, das fiir die Bereitung der Bronze wichtig war. Neben dem Seehandel betrieben sie auch Seeraub. 1 Im allge- ineinen tauschten sie gegen die Producte ihrer hochentwickelten Cultur die Naturproducte der von ihnen besuchten Lander ein. G. Gultur der Phonicier. 1. Religion. Wie die verschiedenen semitischen Vblker Syriens, verehrten auch die Phonicier eine grofie Zahl von Geistern, als deren AVirkungen man sich die in der Natur thatigen Krafte dachte. An der Spitze dieser Geister, die dem Menschen theils freundlich, theils feindlich gesinnt sind, stehen der Lichtgott Baal (= dem babylo- nischen Bel), der Ilerr der Schopfung, \velcher sich in der Sonne offenbart, und Baalat (== Belit), die Gottin des Werdens und Ver- gehens in der Natur. Letžtere fuhrte den Beinamen Athar, woraus die Griechen Astarte gemacht haben. Baal heifit als versengender Sonnengott Moloch. Die Gotter der Phonicier haben, der Thatigkeit. des Volkes entsprecliend, eine Beziehung auf Handel und Colonien; daher gilt der Baal von Tyrus, Melkart, als der Gott, der die Erde durch- Der Seeraub war in alten Zeiten ein ganz ehrenvvertes Gewerbe. ^fiehe-Rebhann, Geschichte des Alterthums. 2 18 Die Phonicier. wandert, die Colonien der Phonicier gegrundet und von schadlichen Gewalten befreit liatte. (Der griechische Heracles!) Da die Gottheiten des Naturlebens theils eine heitere, dem Wachsen und Gedeihen in der Natur entsprechende, theils eine diistere, dem Vergehen und Sterben entsprechende Seite besitzen, so verehrten die syrischen Semiten, also auch die Phonicier, ahnlich wie die Babylonier, ihre Gotter theils mit sinnlicher Ausgelassenheit, theils mit Menschenopfern. So wurden dem in Stiergestalt dar- gestellten Moloch Menschen geopfert; dies liegt vermuthlich der griechischen Sage vom Minotaurus zugrunde. 2. Verfassung. Die einzelnen phonicischen Stadte wurden von Konigen regiert und waren voneinander unabhangig. Die Konigs- macht war durch den Adel sehr beschrankt. Was den Konigen an Macht abgieng, suchte man nach auBen durch orientalischen Pomp, mit dem man sie umgab, zu ersetzen. Ein Vorrecht und PViirde- zeichen der Konige von Sidon und Tyrus war der Purpurmantel, und diese Gewohnheit gieng von dort aus auch auf andere Volker iiber und hat sicli bis auf den heutigen Tag erhalten. 3. Materielle Cultur. Wahrend die Phonicier in der Literatur und Kunst nichts Hervorragendes leisteten, war ihre Hauptthatigkeit auf moglichste Steigerung der materiellen Cultur gerichtet. Diese auBert sich in ihrer hochentwickelten Industrie und ihrem lebhaften Ilandel. Beriihmt waren ihre Metali- und Glasarbeiten, ihre Gewebe, die Purpurfarberei und Schiffbaukunst. Ubrigens bildeten sie diese Cultur nicht durchaus selbstandig aus, sondern lernten z. B. die Glas- und Metaliarbeiten von den Agyptern, die Weberei von den Babjloniern; durch ihre Schiffbaukunst aber wurden sie die Lehr- meister des ganzen Alterthums. 4. Weltgeschichtliche Bedeutung des Volkes. Die Phonicier brachten die orientalische Mischcultur an die verschiedenen Ge- stadelander des Mittelmeeres. So lernten auch die Griechen von ihnen die materiellen Errungenschaften des Orients, babylonisches Mafi und Gewicht, die agyptische Buchstabenschrift u. s. w. kennen und erhielten manche Anregungen auf dem Gebiete der Religion und der bildenden Kunst. Die Israeliten. 19 til. Die Israeliten. A. Zur Geographie Syriens und Palastinas. 1. Lage Syriens und Palastinas. Syrien umfasst das ganze Gebiet von Gaza bis zum Euphrat; den siidwestlicben Theil dieses Landes, zu beiden Seiten des Jordan, nannten die Griechen nach den in den Siidwesten der Landschaft eingedrungenen Philistern Philistaa oder Palastina. 2. Physisehe Beschreibung des Landes. Es ist ein Hochland, das im westlichen Theile aus Kalkgebirgen besteht, welche im Libanon und Antilibanon bis 3000 m emporragen; im iibrigen ist es Hochebene. In Palastina selbst erreiohen nur einzelne Berge 1000 m. Die wenigen grofieren Fliisse sind der Orontes, der Lita und der Jordan, welcher im Antilibanon entspringt und im todten Meere miindet. Der Jordan theilt Palastina in einen westlichen und einen ost- lichen Theil, wovon der erstere infolge ergiebigerer Niederschlage viel fruchtbarer und daher auch geschichtlich wichtiger ist. Die schinale Kiistenebene, welche im Gegensatze zum Berglande Kanaan, d. i. Niederland, heiBt, wird von einer einformigen, hafenlosen Diinen- lciiste begrenzt; den einzigen brauchbaren Hafen hat Joppe. 3. Eintheilung Palastinas. Das West-Jordanland zerfiel in der Richtung von S. nach N. in die Landschaften Judaa mit der Haupt- stadt Jerusalem, Samaria mit Sichem, der alteren, und Samaria, der jiingeren Hauptstadt, und Galilaa mit der Stadt Nazareth. 4. Geschichtliche Bedeutung Syriens. Diese beruht haupt- sachlich darin, dass hier aus agyptischen und babylonischen Bestand- theilen eine Mischcultur entstand (S. 6), die in ihren Grundziigen schon im 15. Jahrhundert ausgebildet ist. Als Beispiel gelte die Umwandlung des agyptischen Sphinx, der hier die phantastischen Fliigel bekam, welche die Mischgestalten v.pn Ninive zeigen, und als weiblicli gedacht wurde; so lernten «die» Sphinx die Griechen kennen. B. Geschichte der Israeliten. Name des Volkes; Quellen. Der Name Israeliten {— Streiter Gottes) ist der eigentliche Nationalname; den Namen Hebraer, d. h. die Eingewanderten, erhielten sie von der alteren Bevolkerung des Landes; der viel jiingere Name Juden ist vom Namen des Stammes 20 Die Israeliten. Ura 2000 bi s um 1300. Um 1300 bis um 1000 . Juda abgeleitet. Es ist das einzige Volk des Altertkums, das sicli erlialten hat, und dessen Gesckichte wir in die Zeit vor der Staaten- griindung zuriick verfolgen konnen. Die Hauptquelle bilden die biblischen Schriften des alten Bundes, welche durcb die Ergebnisse der Assjriologie vielfack bestatigt werden. 1. Von den Anfangen des Volkes bis zur Eroberung Palastinas; Zeit der Patriarchen, etwa 2000 bis um 1300. Um 2000 kam Abraham an der Spitze eines semitischen Stammes aus Ur in Chaldaa nack Palastina, welckes von Stammen der semitiscken Kanaanaer bewoknt war. Ikm folgten als Fiikrer des Stammes Isaak und Jakob. Infolge einer Hungersnotk zog Jakob mit seinen Leuten nack Agjpten, wo er sick im Lande Gosen, das man im ostlicken Deltalande suckt, niederlieB. Wegen der Frokndienste, mit welchen die Pkaraone sie bedriickten, verliefien sie unter der Fukrung des in den agyptiscken Wissensckaften unter- rickteten 3Ioses das Land, entgiengen glticklick den Nachstellungen der Agypter, litten in der sinaitisclien 'Wiiste vielfack Notk, erkielten kier die Gesetzgehung vom Berge Sinai, erokerten nock unter der Fukrung des Moses das Ost-Jordanland und bracken nack dessen Tode liber den Jordan in das gelobte, d. k. verkeifiene, Land ein. 2. Von der Eroberung Kanaans bis zur Errichtung der Monarchie; Zeit der Richter, etwa 1300 bis ungefahr 1000. In fortwahrenden muhevoHen Kampfen kemacktigten sick die Israeliten des West-Jordanlandes, wo sie sick nack Stammen an- siedelten, welcke ikren Ursprung von den Soknen Jakobs ableiteten. Die Kanaanaer versueliten wiederkolt, den eingedrungenen Fremden das Land wieder zu entreifien; aufierdem drangten nun auch andere Stiimme, wie z. B. die machtigen Moabiter, ins frucktbare Cultur- land. Aus der Gefahr, von diesen Feinden erdriickt zu werden, wurde das Volk durch tiichtige Fiikrer, welcke Richter (Sckofetim) genannt wurden, gerettet, Es war das Heldenzeitalter des Volkes. Als es aker den wiederkolten Angriffen der Pliilister erlag, ver- langte es die Einsetzung eines Konigs, wie ikn andero Volker auck liatten, und veranlasste Samuel, den letzten Rickter, Saul zum Konige zu salben. Die Israeliten. 21 3. Die Kbnigsherrschaft bis z ur Theilung des Reiclies, et.wa von 1000 bis ura 930. a) Saul. Nach der gliicklichen Abvvehr der Pliilister und der ostlichen Nomadenvolker gerieth er in Streit mit Samuel, der nun den Hirtenknaben David zum Konige salbte. Im Kampfe mit den Philistern fand Saul den Tod. Um 1000 bis um 930. b) David. Er sicherte die Unabliangigkeit des Volkes von den Philistern fiir immer und machte den Einfallen der Nomaden im S. und O. ein Ende. Den Staat dehnte er siidlich bis zum rothen Meere, nordlick bis zum Libanon aus. Er erhob Jerusalem zur Hauptstadt und erbaute sich einen Palast auf Zion. Das Land theilte er in zvvolf Districte, an deren Spitze er im Gegensatze zur biskerigen patriarchalischen Verwaltung konigliche Bearnte stellte. Er umgab sicli mit einer Leibwaclie. c) Salomo. Das Hauptinteresse wendete er kostspieligen Bauten, besonders dem Tempelbau auf Moria, zu und fiihrte eine ver- schwenderisohe Iiofhaltung ein, vreskalb er die Bevolkerung mit Steuern druckte. Die materielle Bliite des Reiches suchte er zu hebeu durch Verbindung mit auswartigen Fiirsten, namentlicli mit Hiram, dem Konige von Tyrus, mit welchem gemeinsam er die ein- traglichen Fahrten nach dem Goldlande Ophir im ostlichen Arabien unternahm. Dadurch wurde die bisherige Abgesclilossenheit des Landes beseitigt und fanden aucli fremde Gotzendienste Eingang. d) Rehabeam. Da die Klagen des Volkes nicht beriicksichtigt wurden, schritt es zur Selbstliilfe. Die nordlichen Stamme fielen vom Hause Davids ab und bildeten das Reich Israel; nur die siidlichen Stamme Juda, Simeon und ein Theil von Benjamin blieben dem Konigshause treu. Sie bildeten das Reich Juda (um 930). 4. Von der Theilung des Staates bis zum Untergange der politischen Freiheit der Israeliten, ura 930 bis 586. a) Das Reich Israel (um 930 bis 722). Trotz der grofieren Ausdehnung kam der nordliche Staat zu keiner inneren Ruhe und fand friiher seinen Untergang. Bestimmend hiefiir waren die vielen Kampfe mit den benachbarten Staaten, namentlich mit Damaskus und Juda, haufige Thronkampfe infolge Mangels einer Erbmonarchie, das Eindringen fremder (syrischer) Culte und die dadurch veranlassto Bekampfung der zum Heidenthume neigenden Konige durch die Um 930 bis 586. 22 Die Israeliten. Um 870. Um 850. 722. Um 730 und um 600. 586. 539.- Propheten, namentlicli Elias (um 870) und seinen Schiller Elisa (um 850). Durch das Aufstreben der assyrischen Macht seit dem 'J. Jahrhunderte vrarde das Land zuerst tributpflichtig gemacht und im Jabre 722, nach der Eroberung der Hauptstadt Samaria durch Sargon, dem assyrischen Reiche einverleiht; 27.000 Ehrsvohner wurden in die Gefangenscbalt gescbleppt und an ihrerstatt Fremde angesiedelt, die mit den Resten der zuriickgebliebenen Bevolkerung zum Misclivolke der Samariter verschmolzen, welcbes von den Juden gebasst und verachtet war. h) Das Reich Juda (um 930 bis 586). Zwar fand auch hier der syrische Baalsdienst wiederholt Eingang, dennoch behauptete sicb auf die Dauer der Jehovah-Cultus mit seinem Mittelpunkt in Jerusalem. Dies war hauptsachlich das Verdienst der Propheten Jesaia (um 730) und Jeremia (um 600). Ebenso blieb die Krone erblich im Hause Davids, obwohl es an Thronkampfen gleichfalls nicht fehlte. Nachdem Juda zuerst den Assyriern, dann Nebukadrezar tributpflichtig geworden war, versuchte es mit Hilfe Agyptens, von Babylonien abzufallen. Aber Nebukadrezar eroberte und zerstorte Jerusalem und fiihrte einen Theil des Volkes sammt dem geblen- deten Konige Zedekia in die babylonische Gefangenschaft ab (586). Damit endet die politische Selbstandigkeit der Israeliten. Selbst in der Fremde liielt das Volk, getrostet durch die Propheten Ezechiel und Daniel, an seiner nationalen und religiosen Eigenart fest. Cyrus gestattete nach der Eroberung Babylons (539) den Israeliten, in ihre Heimat zuriickzukehren. Der Tempel wurde wieder aufgebaut. O. Cultur der Israeliten. 1. Religion. Ungleich allen anderen Volkern des Alterthums glaubten die Israeliten an einen einzigen Gott, den sie Jehovah nannten. Der Mittelpunkt des Gottesdienstes war die Bunde slade im Salomonischen Tempel. Gott wurde besonders durch Gebet und Opfer verehrt; letztere waren tlieils blutige, tbeils unblutige. Der Stamm Levi, dem Moses angehort hatte, bildete den erblichen Priesterstand, das jeweilige Haupt der Familie Aarons bekleidete die Wiirde des Hohenpriesters. Die Propheten waren die Wacbter und Ausleger des Gesetzes; sie lehrten, dass Gott weniger auf auBerlichen Gebets- und Opfer- dienst sehe als vielmehr auf Reinheit des Herzens. Die Israeliten. 23 2. Verfassung. Die Verfassung der Israeliten muss als Then¬ krat ie bezeichnet werden, da als das eigentliche Oberhaupt des Volkes Jehovah galt. Auck nacli der Einfiihrung des Konigtliums erhielt sich die herkommliche Gliederung des Volkes in Stamme, Geschlechter und Familien, deren Haupter oder Alteste sowohl im Kriege als im Frieden (als Anfiihrer, Richter und Rathgeber) einen bedeutenden Einfluss ausiibten. 3. Literatur, a) Poesie. Beim Mangel einer Mytbologie fehlt das Epos; umso bedeutender sind die ]yrischen und lyrisch-didaktischen Dichtungen der Israeliten. Rein lyrisch sind die Psalmen und das Hohelied, theilweise auch die Werke der Propheten; lyrisch-didaktisch das Buch Hi ob, die Spriiche sowie der andere Theil der prophetischen Werke. Dem Inhalte nach ist die Poesie durchaus religios. h) Prosa. Von grofier Wichtigkeit sind ihre historischen Schriften (der Pentateuch, d. i. die 5 Biicher Mosis, das Buch der Richter, der Konige u. s. w.). In allen iibrigen Wissenschaften leisteten sie nichts. 4. Kunst. Zur geringen Begabung der Semiten fiir die Kunst uberhaupt kommt bei den Juden noch das Verbot, Jehovah bildlich darzustellen. Daher gelangten bei ihnen weder Sculptur noch Malerei zur Entwiclcelung. Aber selbst fiir den Bau des Tempels auf Moria liefi Salomo Bauleute aus Tyrus kommen, da nach seiner eigenen Angabe die Juden von der Baukunst nichts verstanden. Dieser Tempel bestand aus drei Haupttheilen, namlich aus zwei Vorhofen und dem eigentlichen Heiligthume, welch letzteres wieder drei Raume, und zwar die Vorhalle, das Heilige und das Allerheiligste, enthielt. Diese Anlage deutet auf agyptischen Einfluss. Im Innern waren die \Vande mit Cedern-und Cypressenholz vertafelt und mit Gold iiberzogen. 5. Weltgeschichtliche Bedeutung des Volkes. Wahrend bei anderen Culturvolkern des Alterthums nur wenige Hochgebildete zu monotheistischen Anschauungen vordrangen, wurden sie einzig und allein bei den Juden Gemgingut des Volkes. Die Bedeutung der Semiten beruht hauptsachlich auf der Pflege der materiellen Cultur (Industrie und Handel). Ihre niichtern- praktische Anlage beweist auch der Umstand, dass sie keine Mytho- logie besitzen, weshalb ihnen — mit Ausnahme der Babylonier und Assyrier — das Epos fehlt. Die Indogermanen. Eintheilung und Bedeutung der Indogermanen. Indogermanen Asiatische Europilische Inder, Iranier, Armenier Griechen, Italiker, Celten, Germanen, Slaven. Die Inder und die Iranier nannten sicli selbst Arier (wahr- sclieinlich = Edle). Die Indogermanen, welche ihren Namen nacli den beiden auBersten der diesem Spracbstamm angehorenden Culturvolker fiihren, traten in der oben angegebenen Reihenfolge in die|_Geschichte e in; nur die Celten bracliten es zu keiner bolieren Culturentwicke- lung. Die Cultur der Menschheit heruht wesentlich auf der Thatig- keit der Indogermanen, die freilicli die altere hamitiscke und semitiscbe Cultur theihveise in sicli aufgenommen kaben. Ihrer Naturanlage nacli sind sie ausgezeichnet durch besonders lebhafte Phantasie, so dass sie eine reiche Mythologie ausgebildet und grofi- artige Epen geschaffen liaben. In ihrer Mythologie spielt der Kampf der guten Liclitgottheiten gegen die verderblichen dunklen Machte (Finsternis, Diirre u. s. w.) eine grobe Rolle. Dem Aufenthalte nacli unterscheiden sie Gottheiten des Himmels, der Erde und der Luft. Die Verwandischaft der indogermanischen Sprachen im Wort- schatze mogen die Worte fur «Mutter» veranschaulichen; es sind dies: indisck mata, griechiscli meter, lateinisch mater, altslavisch mati, althochdeutsch muoter. I. Die Inder. A. Zur Geographie Indiens. 1. Schauplatz der indischen Geschichte. Es ist dies der nordliche Tbeil Vorderindiens, vom Abhange des Himalaja bis zum Vindhjagebirge, durchflossen vom Indus, Ganges und Bralimaputra. Dekhan eroberten wolil die Inder, olme es indes zu ihrer dauernden "VVohnstatte zu machen. Die Inder. 25 2. Physische Geographie des Landes; Einfluss auf die Geschichte des Volkes. Infolge der strengen Abgeschlossenheit Vorderindiens und seines grofien Reichthums an allen moglichen Naturproducten, der den Verkehr mit fremden Volkern entbehrlich erscbeinen liefi, hlieb die Entwickelung der Inder so ziemlich auf sich selbst angeiviesen und wurde erst seit Alexander dem GroBen, der einen Tlieil des Landes eroberte, einigermafien von der Cultur der westlichen Volker beriihrt. Die groBe Fruchtbarkeit des Landes beruht liauptsachlich auf den reichen Niederschlagen, welche regelmafiig mit dem Eintritte der SW. und SO. Monsune (Sommer und Herbst) erfolgen. Nur das Indusgebiet, welches abseits der Monsune liegt, leidet geradezu an Regenmangel und ist deslialb mit Ausnahme des Pandschab (= Fiinf- stroinland), das von den fiinf ostlichen Zufliissen des Indus durch- flossen wird, im nbrdlichen Theile Steppe, im siidlicben geradezu Wiiste. Dagegen ist das Alluvialland des Ganges, der mindestens zwolf den Rliein an Wassermenge iibertreffende Nebenfliisse aufnimmt, von unerschopfliclier Fruchtbarkeit, es ist daher auch hauptsaclilich die Geburtsstatte der indischen Cultur. B. Die Geschichte der Inder. Die Geschichte der Inder zerfallt in zwei Hauptperioden, von denen die zweite sich wieder in drei Abschnitte gliedert. 1. Die Inder im Induslande, um 2000 bis um 1300. Da das Kabulthal allein den Zugang von Iran nacli Indien vermittelt, so miissen auch die Arier auf diesem Wege, auf welchem alle spateren Eroberer (Perser, Alexander, Mongolen) eingedrungen sind, nach Indien gekommen sein. Sie liefien sich zunachst im Indus- gebiete nieder und verdrangten die schvvarze Urbevolkerung der Dravidas (um 2000). Hier bildeten die Inder kleine Reiche, an deren Spitze Konige standen, neben denen sich noch die alten patriarchalischen Verhalt- nisse mit den Rechten des Hausherrn, Gemeinde- und Gauvorstehers erhalten haben. Dem Charakter des Landes gemaB betrieben sie ^iehzucht und in geringem MaBe Ackerbau. Ilire religiosen Anscliau- ungen waren damals noch einfach. Als Hauptgott erscheint Indra, der Herr und Furst im Wolkenreiche. Sein Hauptgegner ist Vritra, Um 2000 bis um 1300. Um 1300 bis um 500. 26 Die Inder. der die Wolken in Burgen gefangen lialt, bis Indra sie im Kampfe unter Donner und Blitz befreit und den befruchtenden Kegen zur Erde sendet. Von einem machtigen Priesterstande findet sicli damals keine Špur; jeder Familienvater brachte selbst die Opfer dar, auBerdem verelirte man die Gotter durch feierliche Hymnen. Noch hat das Volk einen kriegerischen Cbarakter. 2. Die Inder im Gangeslande, etwa seit 1300. In diesem Zeitraum entwickelte sich der iibermachtige Einfluss der Religion und der Priester auf das ganze staatliclie und sociale Leben des Volkes. a) Bis zum Auftreten Buddhas, etwa 1300 bis um 500. Neue Kampfe. In fortgesetzten heiBen Kampfen mit der Ur- bevolkerung bemachtigten sicli die Arier zuerst des nordwestlichen und dann des siidostlichen Gangeslandes. Es war das Heldenzeit- a lter des Volkes (vgl. die Zeit der Richter bei den Israeliten), weshalb diese Kampfe den historischen Hintergrund fiir das altere Volksepos der Inder, das Mahabharata (= die groBe Geschichte des Bharata), bilden (vgl. Ilias und Nibelungenlied), wahrend die spiiteren Kampfe um die Erwerbung Dekhans dem jilngeren Ramajana zugrunde liegen. Anderung des Volkscharakters. Im schwiilen Gangeslande mit seiner iippig wuchernden Vegetation verlor das kriegerische Volk seine frische Jugendkraft und erschlaffte. Hier, wo alles schnell reift und sclmell zugrunde geht, wurde der Gedanke von der Wert- losigkeit alles Irdischen die Grundlage der Lebensauffassung. Da ferner in Indien die Natur ihre Gaben uberreich spendet, schatzten die Inder auch den Wert der Arbeit gering und verlielen einerseits einer phantastischen, anderseits einer beschaulichen Geistesrichtung. Dieser Umschvvung auBert sich besonders in der Religion, im socialen Leben und in der Literatur. 1.) Religion. Die alte heitere Naturreligion wurde hier zur dusteren Lehre von der Erlosung vom irdischen Leben. Mittelpunkt der Religion wurde der Glaube ati das Brahma, worunter die Kraft des Gebetes verstanden wurde; es iibertrifft an Macht alle alteren Gotter, die man durch BuBiibungen, Gebet und Opfer geradezu zwingen kann (Schamanismus). Den Inder qualt aber nicht nur die Last des diesseitigen Lebens, sondern auch die Furclit vor der Die Inder. 27 Wiedergeburt und immer neuen Todesarten. Dagegen hilft nur vollige Abkehr vom Leben; aus diesem Grunde sieht der Inder von nun an seine Lebensaufgabe nicht mehr in Arbeit und Thatigkeit, sondern in der Bufie und Weltentsagung. Im weiteren Verlaufe der Entwickelung gestaltete die Priesterlehre das Brahma zum persdnlichen Gotte Bralima, dem »Ahnherrn aller Welt». 2. ) Sociales Leben. Hieher gehort die Entwickelung des Kasten- systems, demzufolge jedem durch die Geburt sein Beruf und seine Lebensstellung unwiderruflich angewiesen war. Die vier Kasten waren nach ihrem Range: der Priesterstand (Brakmanen = Beter), der Kriegerstand, der Nahrstand, der sich mit Ackerbau und Gewerbe beschaftigte, und der dienende Stand, dem die unterworfene Ur- bevolkerung angehorte. 3. ) Literatur. Seit dieser Zeit ist die ganze Literatur vom Einflusse der Religion beherrscht und erhalten die alteren Werke, wie das Mahabharata, ausgedebnte Zusatze im Sinne der Brahmanen. Einen Umschwung aller Verhaltnisse rief das Auftreten Buddhas liervor. b) Der Buddhismus. Buddha 1 (= der Erkennende), welcher der Solin eines reichen adeligen Grundbesitzers war und um das Jalir 480 starb, lehrte Um 480. gleiclifalls, dass alles Irdisclie von Ubel sei. Die einzige Mogliclikeit, vom irdischen Leid erlost zu werden, hoten Entsagung, Geduld, Barmherzigkeit. Die Opfer und ubertriebenen BuBubungen der Brahmanen verwarf Buddha. Als das hochste dem Menschen erreich- bare Ziel bezeichnet er das Nirwana (= Verwehen), worunter er das Erloschen der Gedanken, einen Zustand a bsoluter Puhe ver- stand. Buddha verwarf aueh die Kasteneinrichtung. Hauptsachlich infolge des letzteren Umstandes verbreitete sich der Buddhismus rasch uber ganz Vorderindien und veranlasste dadurch die Brah¬ manen zu Anderungen ihrer Lehre. c) Der neuere Brahmanismus, etwa seit 500. XJ m 500. Wenn die Brahmanen ihre Stellung behaupten wollten, so mussten sie den abstracten Standpunkt aufgeben und dem Verlangen des Volkes nach Vielgotterei durch Schaffung concreter Gotter- gestalten entgegenkommen. Deshalb griffen sie zwei vom Volke 1 So nannten den Reformator seine Jiinger, er selbst naimte sich G-autama. 28 Die Inder. liingst besonders verehrte Gotter Vishnu uud Siva beraus und stellten sie mit Brahma zu einer Dreieiuigkeit (Trimurti) zusammen in der Art, dass Brabma als Schopfer, Vishnu als Erhalter und Siva als Zerstorer alles Seins galt. Auch schmiickten sie jetzt nach dem Vorgange der Buddhisten ihren Gottesdienst auf das reicbste mit einem Bilderdienste aus, den die fruhere Zeit nicht gekannt hatte. Hiedurch sowie durcli die Verfolgung des Buddliismus gelang es den Brahmanen, diese Lehre in Vorderindien (mit Ausnahme von Ceylon) auszurotten, dagegen verbreitete sie sick liber ganz Ostasien — die erste Weltreligion — , wobei sie freilich durcli den Schama- nismus der Mongolen so entstellt wurde, dass sie heutzutage eine in odem Formelwesen erstarrte Religion ist (Gebetmaschinen in Tibet!). O. Literatur. Die Sprache der Inder ist das Sanskrit, das zum Theile die altesten Formen des Indogermanischen erhalten hat. 1. Poesie. Die Lyrik schuf Hymnen zu Ehren der Gotter, wovon uns nocb Proben in den Veden (= Wissen), der Bibel der Inder, erhalten sind. Die altesten dieser Hymnen reichen nock in die Zeit hinauf, da die Arier am Indus wohnten. Von den beiden grofien Volksepen erzahlt uns das Mahabharata denUntergang eines Helden- geschlechtes durcli den Kampf mit einem andern, das jiingere Ra- majana die Thaten Ramas, der als Incarnation Vishnus galt. Unter den asiatisclien Volkern bildeten die Inder allein das Drama aus, als dessen groBter Vertreter Kalidasa gilt, dessen Lebenszeit nicht festgestellt ist. 2. Prosa. Ikre culturgeschichtlich wichtigste Tkat schufen die Inder auf dem Gebiete der Matliematik ; von iknen stammt namlich der Gedanke, den Wert der Zahlen durch die Stellung der Ziffern auszudriicken. Wir nennen die Ziffern arabische, weil sie uns durch die Vermittlung der Araber zugekommen sind. D. Kunst. Da der altere abstracte Brahmanismus die Kunst nicht benothigte, so verdanken die vorhandenen Denkmaler erst dem Buddhismus ihre Eutstehung. 1. Baukunst. Die Denkmaler sind hauptsachlich Grab- und Tempelbauten; die ersteren sind Frei-, die letzteren Frei- und Grottenbauten. Die Inder. 29 a) Grabbauten. Die wichtigsten sind die Stupas, kuppelformige Rundbauten, welche iiber den Reliquien Buddhas und seiner Anhanger erricbtet wurden. b) Tempel. Die Freibauten lieifien Pagoden. Sie bil den einen mit Mauern umgebenen Hain, der heilige Gebaude in verschiedener Grobe und Anzahl umschliefit. Die Mauer tragt an den Ecken und iiber den Eingangen hohe Thiirme in der Form von Stufenpyramiden. Unter den Grottentempeln ist der bedeutendste der Kailasa in Ellora, nordostlich von Bombay, wo ein ganzer Berg zu ober- und unterirdischen Felsbauten (Tempel und Einsiedlervvolmungen) um- gestaltet ist. Von den unterirdischen Grottentempeln sind am bekanntesten die Tempel der Insel Elefanta bei Bombay. 2. Plastik und Malerei. Das phantastische Wesen der Inder zeigt sich namentlich darin, dass sie ihre Gotter mit mehreren Kopfen und Armen darstellen. Entsprechend dem Volkscliarakter zeigen die dargestellten Gestalten keine Muskeln und keinen Knochenbau uud machen daher den Eindruck des Weichlichen und Schlaffen. il. Die Iranier. Zur Geographie Irans. 1. Lage Irans. Wir verstehen unter Iran die Hochebene zwischen dem kaspischen und dem arabischen Meere, dem Tigris und dem Indus; es steigt im Innern zu Stufen von 1500 bis 1800 m an und ist von machtigen Randgebirgen umgeben, welche eine Hohe von 4000 bis 6000 m erreichen. 2. Zur politischen Geographie des alten Iran. Die geschicht- lich wichtigsten Landschaften sind Bactrien, Medien und Persien. Bactrien war das Gebiet am oberen Oxus (Arnu). Die Haupt- stadt war Bactra (jetzt Balcli). — Medien liegt im nordwestlichen Iran zwischen dem Elburz und dem westlichen Randgebirge. Haupt- stadt: Ecbaiana (Hamadan). — Persien, siidostlich von Medien, besteht im nordlichen Theile aus einer weiten Hochebene, dann aus zahlreichen parallelen Bergketten, die durch dazwischen liegende Thalstufen voneinander getrennt sind, endlich aus einem schmalen, ebenen Kustenstreifen, der reicli an Datteln ist, im Siiden. Haupt- stadt: Persepolis. 30 Die Iranier. A. Die alten Bactrer. Zoroaster und das Avesta. Uber die politischen und Cultur- verhaltnisse Irans bis auf die Perserzeit lierab fehlen uns zusammen- hangende Nachrichten. Die Bedeutung der Bactrer liegt auf reli- gidsem Gebiete. Denn von ihnen verbreitete sich die Religion des Zoroaster zu den anderen iranischen Volkern. Ob dieser Name eine historische Person oder einen Gott bezeichnet, ist liicht entschieden. Die Kenntnis der Lehre Zoroasters schopfen wir aus dem Avesta, der Bibel der Iranier, welche in einem ostiranischen Dialecte, den man Zend nennt, abgefasst ist. Zoroasters Lehre. Sie unterscheidet ein Reich der lichten und der finsteren Geister, an deren Spitze Ormuzd und Ahriman stehen. Zwischen beiden Reichen besteht ein fortwahrender Kampf. Der urspriinglich physische Gegensatz von lichten und finsteren Miichten hat jetzt eine moralische Bedeutung erhalten; die ersteren kiimpfen fiir Wahrheit, Recht und Ordnung, die letzteren fiir das Gegentheil. Jeder Mensch kann und šoli an diesem Kampfe an der Seite der guten Machte theilnehmen; er kann dies dureh eifrige Arbeit, Urbarmacliung des Landes, Todtung scliadlicher Tliiere u. s.w. Vor allem wird verlangt, die Wahrheit zu sagen und die Luge zu meiden. Da die Ormuzdlehre mehr abstracter Art war, so blieben dem Volke die alten indogermanischen Gotter immer die Hauptsache; unter ihnen trat in spaterer Zeit besonders der Lichtgott Mithra hervor. B. Die Meder. In Medien gab es eine Anzahl kleinerer Fiirstenthiimer, welche den erobernden Konigen von Ninive erlagen. Allmahlich wurde das Jahrk. Land geeinigt, machte sich um die Mitte des 7. Jahrhunderts von Assyrien unabhangig und dehnte seine Herrschaft wohl liber ganz Iran aus. In Verbindung mit Babylonien sttirzte es das assyrische 607 . Reich um 607 und gewann dadurch und dureh fernere Kampfe die Herrschaft iiber alles Land ostlich vom Tigris, liber Armenien und Kleinasien bis an den Halys (Kisil Irmak). Die Unzufriedenheit der Meder mit ilirem letzten Konig Astyages, einem grausamen und wolliistigen Herrscher, benlitzte Cyrus, der Sohn des persischen Unterkonigs, um jenen vom Tlirone zu stofien. Das erreichte er 550 . durcli den Sieg bei Pasargada im Jahre 550. Die Iranier. 31 C. Die Perser. 1. Aus der Vorgeschichte der Perser. Wie die Inder, Meder, Germanen u. s. w. zerfielen auch die Perser in der alten Zeit in eine Anzahl Stamine, Geschlechter und Familien, welche in patriarchalischer Weise lebten. Die Hegemonie iiber das Land gewann der Stamm der Pasargaden, deren vornehmstes Geschlecht die Achameniden waren, denen auch Cyrus angehorte. Die alteren Konige achteten die Rechte des Volkes; erst nach Darius gewinnt der Konig despotische Gewalt. 2. Cyrus, 558-529. a) Begriindung des Reiches. Im Jahre 558 folgte Cyrus seinem Vater als medischer Vasallenkonig in Persien. Durch den Sieg bei Pasargada hegriindete er das Perserreich, da sicli ihm, wie Medien selbst, so auch die zum medisehen Reiche gehorigen Landschaften entweder sofort oder nach kurzen Kampfen unterwarfen. Dieses Reich erweiterte er bedeutend durch die Unterwerfung des lydischen und des babylonischen Reiches. b) Unterwerfung des lydischen Reiches (546). 1. A u.s der Vor¬ geschichte Lydiens. Kleinasien war von zahlreiehen indogermanischen Stammen bewohnt. Von ihnen entwickelten nur die Lyder im Hermus- thale, dem fruchtbarsten Alluviallande der Halbinsel, eine sehr alte Cultur. Die Anfange des lydischen Staates kennen wir nicht. In fort- gesetzten Kampfen eroberten die Konige Kleinasien Ostlich bis zum Ilalys, der Grenzfluss gegen Medien und Persien wurde, und machten die bliihenden griechischen Colonien an der Westkiiste, mit Ausnalime Milets, tributpflichtig. Die Lyder ubermiitelten den Griechen manche Errungenschaften der asiatischen Cultur. Ihnen wird auch die Erfindung des Geldes zugeschrieben; dieses aber durcli Aufpragung eines Steriipels mit der Biirgschaft des Staates versehen zu haben, ist das Verdienst der kleinasiatischen Griechen. Zur Zeit des Cyrus war Konig von Lydien der durch seinen Reicli- tlium beriihmte Crosus, an dessen Ilofe hellenische Cultur Eingang gefunden hatte. 2. Krieg zwischen Cyrus und Crosus. Gegen den Aufschwung der Perser bildeten Agypten, Babylonien und Lydien einen Bund. Cyrus griff den Crosus rasch an und belagerte nach einer 558 - 529 . 546 . 32 Die Iranier. 539 . 529 . 529 - 522 . 525 . unentschiedenen Schlacht am Halys den ljdischen Konig in seiner Hauptstadt Sardes, bevor nocli dessen Bundesgenossen eingetroffen waren, eroberte die Stadt und nahm den Konig gefangen. Der drohenden Knechtschaft wollte Crosus durch Selbstverbrennung entgeben, Cyrus behielt ibn jedoch als Ratligeber an seiner Seite. Im Anschluss an diesen Krieg unterwarf der persische Feld- herr Harpagus die griechischen Colonien in Kleinasien sammt den nachstgelegenen Inseln, mit Ausnahme von Samos. c) Unterwerfung des babylonischen Reiches (539). Babylon wurde durch die Ableitung des Euphrat, an dessen beiden Ufern die Stadt lag, erobert und damit dem babylonischen Reiche ein Ende gemacht (S. 13). Auch Syrien und Phonicien fiigten sicb ohne Widerstand der persiscben Herrscbaft. d) Tod des Cyrus (529). Uber seine \veiteren Thaten sowie tiber sein Ende haben wir keine sicheren Nachrichten. Vermuthlich fand er im Kampfe gegen einen turanischen (mongolischen) Stamm den Tod. Er war ein milder und woblwollender Herrscher. 3. Cambyses, 529 — 522. Seine wichtigste That ist die Eroherung Agjptens, der einzigen damals nocli unabhangigen orientalisclien GroBmacht. Cambyses besiegte die Agypter bei Pelusium, nahm Memphis ein und den Konig gefangen (525). Seitdem war Agypten bis auf Alexander den GroBen eine persische Provinz, woran auch die \vieder- bolten Aufstandsversucbe des Landes nichts anderten. — Auch die Libjer in den Oasen westlich vom Nil und Cyrene (Barka) unter- warfen sicb. Hierauf eroberte Cambyses Nubien, musste aber wegen Mangels an Lebensmitteln umkehren. Die Heeresabtheilung, welche er gegen die durch ihren Ammonsdienst beriibmte Oase Siva schickte, wurde von einem Sandsturme verschuttet. Der falsche Smerdis. Sclion vor dem Abmarsche nach Agypten liatte Cambyses seinen Bruder Bardija, welchen die Grieclien Smerdis nennen, hinricbten lassen. In seiner Abwesenheit bemachtigte sicb ein Magier, 1 Gaumata, seine Ahnlichkeit mit Bardija beniitzend, der 1 Die Meder und die Perser nannten ihre Priester Magier; die Bedeutung des Wortes ist unbekannt. Die Iranier. 33 Regierung. Er wurde aber nacli neun Monaten entlarvt und durch die persischen Stammesfiirsten getodtet (521). Kurz vorher war Cambyses auf dem Riickwege aus Agypten gestorben. 4. Darius I., 521—485. 1. Wiederherstellung des Reiches. Darius, der nach dem kiuderlosen Tode des Cambyses den Tbron bestieg, stammte aus der jiingeren Liuie der Achameniden. Die unterworfenen Volker beniitzten den Thronvvechsel, um ibre Unabhangigkeit zu erringen, und erhoben sich; docli Darius warf alle Aufstande nieder. Zum Andenken daran lieb der KOnig auf dem Felsen von Bisutun, mehr als 90 m iiber dem Thale, ein Relief mit einer Keilinsckrift anbringen; letzteres stellt ihn selbst dar; hinter dem auf dem Boden liegenden Gaumata, auf den er seinen Fub setzt, stehen noch neun gefesselte Rebellen; iiber dem Ganzen schwebt das Bild des Ormuzd. 2. Angriffskriege des Konigs. Naclidem Darius das Reich wieder bergestellt hatte, schritt er zu Eroberungen. a) Er erweiterte durch Kampfe mit den Indern seine Herrschaft bis an den Indus und iiber das Pandschab. b) Zug gegen die Scythen (508?). Die Scythen, wahrscheinlich indogermanischer Abstammung, wohnten im N. des schvvarzen Meeres und des Kaukasus sowie in Turan, iiberwiegend als Nomaden. Naclidem Darius bereits die Griechen am thracischen Chersones und Byzanz unterworfen hatte, strebte er nach der Herrschaft iiber die Gebiete im N. des sclrvvarzen Meeres. Er schickte eine Kriegsflotte, welche die asiatischen Griechen stellen mussten, an die Miindung der Donau, iiberschritt selbst mit einem groben Heere auf einer Schiffbriicke den Bosporus, durchzog Thracien und riickte ins Scythenland ein, naclidem er iiber die Donau, nahe dem Beginn ihres Deltas, eine Brucke hatte schlagen lassen, zu deren Bewachung er die griechische Flotte zuriicklieb. Die Scythen zogen sich vor ihm ins Innere des Landes zuriick'’ (vgl. Napoleon I. in Russland 1812), iudem sie das Land verwiisteten, um Darius der Lebensmittel zu berauben. (Typisches Verlialten der Nomadenvulker in der Verthei- digung.) Er musste daher umkelireri und gelangte nach groben Verlusten iiber die Donaubriicke, deren Erhaltung Histiaus, Tyrann von Milet, gegen den Rath des Atheners Miltiades durchgesetzt hatte, auf die Balkanlialbinsel und nach Asien zuriick. Das Hauptziel der Unternehmung wurde nicht erreicht; doch gelang es dem von Zeehe-R e bhann, Geschichte des Alterthums. d 521 . 521 — 485 . 508 ? 34 Die Iranier. ihm zuriickgelassenen persischen Feldherm, die thracischen Stamme unterthanig zu machen und auch Macedonien der persischen Ober- hoheit unterzuordnen. c) Im Jahre 492 begann Darius deu Krieg mit Griechenland, das aber weder er noch seine Nachfolger unterwerfen konnten. 3. Organisation des Reiches. Darius ist der erste asiatische Fiirst, welcher anstelle einer durcb Eroberung aufgericbteten losen Verbindung der Reichstheile ein geregeltes Verwaltungssystem einfiihrte. a) Das Konigthum war nicht despotisch, sondern durcb die Stammesfursten beschrankt; jeder Perser konnte beim Konige, der sich allerdings mit einem streng geregelten Ceremoniel umgab, Rechtsschutz suchen. Er residierte je nach der Jabreszeit in Suša und Babylon oder in Persepolis und Ecbatana. h) Zum Zwecke der Verwaltung wurde das Reich in StatthaHer- schaften oder Satrapien eingetheilt, deren Zahl wechselte. An der Spitze der Satrapie stand der Satrap, der entweder nur die biirger- liche Verwaltung, Rechtspflege und Einhebung der Steuern besorgte oder auch das stehende Heer, das in der Provinz lag, befehligte. Die Satrapen wurden durcbaus dem herrschenden Volke, den Persern, entnommen; um die Soline der vornehmen Perser fiir ihren kiinftigen Beruf vorzubereiten, wurden sie am Konigshof erzogen. Die Satrapen wurden durch eigene Beamte, »Augen und Ohren des Konigs* genannt, uberwacbt. Zur schnellen Besorgung der koniglicben Befehle wurde eine Reichspost eingefiibrt. c) Sorge fiir die materielle Cultur. Darius liefi StraBen anlegeu und den Nilcanal vollenden (S. 6). Er fiibrte eine Reichs-Gold- 1 und Silhermiinze auf Grund des babylonischen Gewichtssystems und eine regelmafiige Grundsteuer ein, die sicb nach dem Umfange, aber auch nach der Bodenbeschaffenheit der Satrapie richtete; Persien war steuerfrei. Im Sinne der Zoroastrischen Lehre wurde der Ackerban eifrigst betrieben und die Anlage herrlicher Parke (Paradiese) gefordert. 5. Verfall des Reiches, 485—334. Bald nach dem Tode des Darius trat der Verfall des Reiches ein. Dieser wurde veranlasst durch die Parteiungen am koniglichen Hofe, die grofie Verscbiedenheit der einzelnen Volkerschaften, die 1 Der Dareikos hat einen Wert von ungefahr 12 1 / 2 fl. Wiederholung und Abschluss. 35 ungliicklichen Kriege mit den Griechen, die zahlreichen Aufstande Agvptens und einzelner Satrapen und die Verweichlichung der Perser. Im Jahre 334 begann Alexander der GroBe die Eroberung des Reiches. 6. Leistungen der Perser in der Kunst. Da die Perser die Lehre Zoroasters annahmen und in der Literatur nicbts Nennenswertes leisteten, bleibt nur noch die Kunst zu besprechen. Sie beginnt mit Cyrus und zeigt babylonische, agyp- tische und griechiscbe Einfltisse. a) Baukunst. Erhalten sind Reste von Grab- und Palastbauten; die ersteren sind entweder Frei- oder Felsbauten. Der bekannteste Freibau ist das Grab des Cyrus bei Murghab (in der Nahe von Pasargada), ein kleines tempelartiges Gebaude von rechteckigem Grundrisse, das sich auf einer Stufenpyramide erhebt und den Leichnam des Konigs in einem vergoldeten Sarge entbielt. Die be- deutendsten Felsengraber sind die Konigsgraber bei Persepolis im Innern einer 300 m hoben Felswand, welche mit Reliefs gescbmiickt ist. — Die bedeutendsten Reste eines Palastbaues sind die viel- bewunderten Ruinen des von Alexander niedergebrannten Konigs- palastes von Persepolis. Dieser war nach assyriscbem Vorbilde terrassenformig aus schonen Marmorquadern erbaut, welche mit Reliefs reich verziert waren. Aus diesem groben Ruinenfelde ragen besonders vier gegen 17 m hohe Siiulen empor. b) Plastik und Malerei. Es liaben sich nur Reliefs erhalten. Als deren Vorbilder dienten die assyrischen Arbeiten; besonders erwabnenswert sind kolossale Thiergestalten als Wachter bei den Thoren (S. 15). Werke einer selbstandigen Malerei sind nicht auf uns gekommen. Wiederholung und Abschluss. 1. ) Die altesten Anfange der gesellschaftlichen Ordnung zeigen patriarchalischen Charakter (S. 23, 25, 31). Infolge der kriegerischen Thatigkeit der Konige wird die Despotie die herrschende Regierungs- form im Orient und ist es geblieben (S. 7, 27, 31). 2. ) Von Amerika abgesehen, ist die Schrift an drei Stellen, namlich in Agypten, Babylonien und China, erfunden worden; von diesen Landern aus hat sie sich immer weiter verbreitet. Jede Schrift ist urspriinglich wahrscheinlich eine Bilderschrift gewesen (S. 4, 11). 36 Wiederholung und Abschluss. 3. ) Im textilen und keramisehen Gewerbe finden wir die ersten Anfange kiinstlerischer Ausschmuckung. Der wiohtigste Fortscliritt in der Geschichte der Kunst ist, dass sie in den Dienst der Religion tritt, indem sie Tempel und Gotterbilder schafft. 4. ) Die Baukunst entwickelt sicb friiher als die Plastik, diese friiher als die Malerei (S. 9, 15, 35). Die Formen der Baukunst sind durch die Art des Baumateriales bedingt (S. 8, 14, 29). 5. ) Die Ausgangspunkte unserer Cultur sind Tieflander an groben Flussen gewesen (S. 3, 10); dagegen ist in Amerika die Cultur ein Kind des Hochlandes (Mexico, Peru). 6. ) Aus Asien stammen die meisten unserer Culturgewachse und Haustliiere, so a) Weizen, Gerste, Reis, Hulsenfrtichte, Flachs, Agrumen (Limone, Orange), Kirsche, Aprikose, Pfirsich, Olbaum, Mandel, Datteljmlme; b) Rind, Schal, Ziege, Esel, Kameel, Huhn, Taube, Fasan, Pfau. 7. ) Die Summe der materiellen Cultur des Orients ubernahmen die Griechen, aucli ibre geistige Entwickelung wurde vom Orient nicht unbedeutend beeinflusst. Sie sind die Trager der ferneren geschich tli oh en Ent \vickelung. Die Griechen. Zur Geographie Griechenlands. I. Name und horizontale Gliederung. 1. GroSe des alten Griechenland. Als Griechenland (Hellas) in geographischem Sinne bezeichneten die alten Griechen den slidlichen Theil der Balkanhalbinsel (im allgemeinen siidlich volu 40.° n. B.), in ethnographischem Sinne alle von Griechen bewohnten Land- schaften und Inseln. Hellas reiclite im N. etwas weiter als das heutige Griechenland und umschloss bedeutend mehr Inseln. 2. Horizontale Gliederung. . Griechenland ist das reichst gegliederte L and der Er de; hiebei ist zu bemerken, dass der Osten reicher gegliedert ist als der Westen und dass die Gliederung von N. nach S. zunimmt. Durch den ambracischen und corinthischen Meerbusen (Golfe von Arta und Lepanto) im Westen und den malischon und saronischen Busen (Golfe von Zeituni und Agina) im Osten wird Hellas in Nord-, Mittel- und Siidgriechenland oder Peloponnes gegliedert; letzteres wird durch den argolischen, laco- nischen und messenischen Golf (Golfe von Nauplia, Marathonisi und Koron) in weitere vier Halbinseln zertheilt, was ihm die Gestalt eines Maulbeerblattes verleiht (Morea). Griechenland ist das auf- geschlossenste Land der Erde: kein Punkt des Peloponnes ist liber 52, keiner in Mittelgriechenland iiber 60, keiner in Nord- griechenland liber 102 km vom Meere entfernt. II. Verticale Gliederung. 1. Das Bergland. Griechenland ist fast durchaus ein felsiges Gebirgsland, welches meist aus weifiem, dichtem Kalksteine besteht. Es erreicht, vom 01ymp abgesehen, in den hochsten Theilen nur 2400 bis 2500 m, gehort also ganz dem Mittelgebirge an. Dadurch, dass Gebirge von entgegengesetzter Richtung zusammentoBsen, ent- steht eine Anzahl von Kessellandschaften, wie sie kein anderes Land Europas in diesem MaBe besitzt. 38 Die Griechen. a) Nordgriechenland. Ungefahr am 40. Breitengrade beginnt der Pindus, der als Wasserscheide zwischen dem adriatischen und dem agaischen Meere nach S. zieht. An seinem nordlichen Ende setzt sich das cambunische Gebirge an, das in nordostlicher Richtung streicbt und mit dem schluchtenreichen 01ymp (3000 m, hochster Berg Griechenlands) in Verbindung steht, an welchen sicb Ossa und Pelion in siidostlicher Riclitung anschliefien. Vom Siidende des Pindus zieht der Othrys in ostlicher Richtung bis ans Meer. b) Mittelgriechenland. Hier finden wir einzelne, lose mit- einander zusammenhangende Bergziige, deren wichtigste sind: 1.) der Ota, parallel mit dem Othrvs; er endet nahe dem Meere mit einer steilen Felswand, zwischen welcher und dem malischen Golfe der Engpass der Thermopylen lag, der infolge von Flussansclrsvemmungen nicht mehr existiert; 2.) der doppelgipfelige Parnass (bochster Gipfel 2460 m ), 3.) Helicon, 4.) Citharon und 5.) Parnes. c) Peloponnes. Der Mittelpunkt des Berglandes daselbst ist die Landschaft Arcadien, ein Hochland, das nach N. und W. terrassen- formig abfallt und nach S. zwei parallele Kettengebirge aussendet: den bis 2400 m hohen Taygetus und den niedrigeren ostlichen Parnon. d) Die Inseln. Auch die Inseln, welche schon nach der Richtung ihrer Aneinanderreihung als losgerissene Theile des Festlandes er- scheinen, sind durchaus gebirgig. 2. Das Tiefland. Es ist in sehr geringer Ausdehnung vorhanden. Die grofite Ebene ist die thessalische, ihr folgt an Ausdehnung die bootische, welche theilweise vom Copais-See ausgefiillt war. Beido Ebenen sind wichtige Schlachtfelder. III. Hydrographie. Dass sich bei der beschriebenen Natur des Landes keine be- deutenden Fliisse entvvickeln konnten, liegt auf der Hand. Die meisten sind nichts als Giefibache und versiegen im Sommer; selbst die wenigen grofieren sind wasserarm und nicht einmal fiir kleine Barken schiffbar. Die sechs wichtigsten Flusse sind: der Peneus (Salamvria) in Thessalien mit dem wegen seiner iippigen Wiesen und Walder beriihmten Durchbruchsthale Tempe zwischen 01ymp und Ossa, der Achelous (Aspropotamo) im westlichen Mittelgriechenland, der Cephisus in Bootien, der Eurotas (Iri) in Laconien, der Pamisus (Pirnatsa) in Messenien und der Alpheus (Rufia) in Elis. Geograpliie Griechenlands. 39 IV. Klima and Producte. 1. Klima. Das Klima Griechenlands ist durch e/ne hohere Jahres- temperatur und einen auBerst trockenen Sommer gekenuzeichnet. In allen Theilen des Landes fallt Schnee, er hleibt aher nicht einmal auf dem 01ymp das ganze Jahr iiber liegen. Der bedeutende Hohen- unterschied im Innern bewirkt selbst bei geringer Entfernung sehr nierkliche klimatische Verscbiedenheiten; so ist zu derselben Zeit in der Entfernung einer Tagreise noch W in ter im stidlichen Arcadien, Friihling am Eurotas, Beginn der Ernte in der messenischen Ktisten- ebene. Die regenreichste Zeit ist der Herbst und ein Tbeil des Winters, und zwar erhalten die westlichen Landschaften wegen der berrscbenden Westwinde viel mebr Niederschlage als die Ostlichen. 2. Producte. Griecbenland erfreut sich keiner hervorragenden Fruchtbarkeit; denn da der grofite Tbeil der Gebirge aus Kalk bestebt, der nicht leicht verwittert, so ist der Boden iiberwiegend wenig ergiebig. Am frucbtbarsten sind wegen der Schlammablage- rungen diejenigen Gegenden, welche einst von Seen ausgefiillt waren, wie die Tieflandschaften von Tliessalien und Bootien, ferner die Miindungsgebiete der Fltisse, soweit sie nicht versumpft sind, endlich die Alluvialebenen von Eleusis (fur Ackerbau), von Athen und Ma- ratbon (fur Wein, 01- und Obstbaume). a) Mineralreich. Im allgemeinen ist der griecbiscbe Kalkboden au mineralischen Schatzen arm; nur im krystallinischen Gesteine des Ostens findet sich reichlich Marmor, aufierdem kommen auch Metalle daselbst vor. h) Pfktnzenreich. Das wichtigste Getreide war die G er ste; tibrigens war das Lan d auf Einfuhr von Getreide angewiesen. Der vorherrschende Culturbaum war schon im Alterthume der Olbaum, daneben waren noch besonders die Feige und der Weinstock wichtig. Die feineren Obstsorten, wie Pfirsich, Aprikose, die Agrumen, wurden den Griechen erst spat oder gar nicht bekannt. Griechenland (sammt deri" Inseln), jetzt eines der \valdarmsten Liinder, batte schon im Alterthume Mangel an Wald, weshalb na- mentlich Schiffbauholz eingefuhrt wurde. Die baufigsten Waldbaume sind mebrere Arten imrnergruner Eiclien und die Buclie; das cha- rakteristische Pflanzenkleid sind Matten und Gebusch. c) Thierreich. Infolge des mageren Bodens waren von jeher Schaf- und Ziegenherden besonders wichtig, die Zucht des Rindes nnd des Pferdes trat mehr zuriick; das Meer war sehr ergiebig an Fi sclien. 40 Die Griechen. V. Einfliisse des Landes auf den Charakter und die Entwickelung des Volkes. 1. ) Die reiche Kiistengliederung und die zahlreichen Inseln lenkten friih die Blicke des Volkes auf das Meer und begiinstigten die groBartige griechische Colonisation. 2. ) Die durch die zahlreichen abgeschlossenen Landschaften bedingte Scliwierigkeit des Landverkehres und die leichte Verthei- digungsfahigkeit ersterer rief den Geist des Particularismus und das Entstehen zahlreicher kleiner Staatswesen hervor (vgl. damit die Schweiz und auch Deutschland). 3. ) Der wenig ergiebige Boden erzog die Griechen zu einem arbeitsamen und geniigsamen Volke. 4. ) Da der Osten Griechenlands von der Natur mehr begiinstigt ist durch das Vorkommen von Marmor und Metallen, die groBere Kiistengliederung, den Reichthum an guten Hafen 1 und die grofiere Anzahl von Inseln, so sind die eigentlich historischen Landschaften im Osten gelegen. 5. ) Der Einfluss der Natur auf die verschiedene Ausgestaltung der Gotterhegriffe in den einzelnen Landschaften wird bei der Religion besprochen werden. VI. Zur Topographie. 1. Das Festland. Nordgriechenland enthielt zwei durch den Pindus voneinander getrennte Landschaften, namlich das fruchtbare Thessalien und das rauhe, iiberwiegend von Illyriern betvohnte Epirus. In Mittelgriechenland lagen neun Landschaften: Acarnanien, Atolien, das \vestliche Locris, Doris, Phocis, das ostliche Locris, Bootien, Attica und Megaris. Der Peloponnes zerfiel in die sechs Landschaften: Achaia, Elis, Messenien, Laconien, Argolis und Arcadien. 2. Die Inseln. Sie sind, namentlich im Osten, in groBer Zalil vorhanden und lassen sich zu Reihen und Gruppen zusammenfassen. Im W. liegen die jonischen Inseln, im O. im Anschluss an die Richtung von Euboa, Attica und Argolis die Cycladen, ihnen gegen- iiber an der asiatischen Kiiste die Sporaden und im N. die Inseln des thracischen Meeres. Abgeschlossen wird der Archipel durch das langgestreckte Creta (Candia). 1 An der Westkuste haben nur Patra und Pylos gute Hafen. Name und Eintheilung des Volkes. 41 Erster Zeitraum. Von den altesten Zeiten bis zum ScMusse der Wanderungen, etwa bis 1000, Heroenzeitalter. 1. Naine und Eintheilung des Volkes. 1. Name und Einwanderung des Volkes; die Pelasger. Wie die Germanen hatten auch die Griechen in der altesten Zeit, in der sie in zahlreiche Volkerschaften zerfielen, keinen G e s a m m tn amen. Bei Homer, der altesten und wichtigsten Quelle fiir diesen Zeitraum, heifien die Griechen iiberwiegend Achaer, nach dem machtigsten Stamme, oder Argiver, nach den Bewohnern des bedeutendsten Reiches (Argos), oder Danaer, nach dem m}’thischen Stammvater der Argiver. Der Name Hellenen war urspriinglich auf einen Theil der Bevolkerung Thessaliens beschrankt und gieng erst allmahlicli auf das ganze Volk liber. Die Romer nannten das Volk Griechen, wahrscheinlich nach einem Zweige der Hellenen, der in Epirus um Dodona wohnte und ihnen deshalb friih bekannt wurde. Die Griechen sind in vorgeschichtlicher Zeit in die Balkan- halbinsel eingewandert. Sie waren damals im wesentlichen nocli Nomaden und besaBen als indogermanisches Erhe eine Naturreligion, d. h. die Naturkrafte und ihre Thatigkeiten wurden als Auherungen gottlicher Wesen aufgefasst. Den Hauptbestandtheil dieser Religion hildeten die Kampfe der Lichtgotter gegen die Machte der Finsternis. Die Griechen erzahlen, dass vor ihnen iiberall Pelasger gewohnt haben; iiber deren ethnographische Stellung und ihr Verhaltnis zu den Griechen sind wir nicht unterrichtet. 2. Eintheilung der Griechen in vier Stamme; ihre Wohnsitze. Das alteste Zeugnis iiber Ursprung und Wesen eines Volkes ist nebst der Religion die Sprache, die stets in Dialecte zerfallt. Die griecliische Sprache zerfallt in zwei Hauptdialecte, den dorischen und den jonischen. Diejenigen Stamme, welche nicht doriscli und nicht jonisch spraclien, bezeichneten die Griechen als s olisch; als ein Zweig der Aolier werden die Achaer angesehen. Die Aolier nebst den Achaer n bewohnten Thessalien, Mittel- griechenland, mit Ausnahme von Doris und Attica, ferner Achaia, Elis, Arcadien und die nordwestliche Kuste Kleinasiens; die Jonier Attica, die meisten Inseln des Archipels und die mittlere Westktiste Kleinasiens; die Dorier den ganzen Peloponnes, soweit er nicht aolisch war, die siidlichen Inseln des Archipels nebst Creta und die siidwestliche Kuste Kleinasiens. Diese Vertheilung der Stamme war das Ergebnis der dorischen Wanderung (um 1000). 42 Die Griechen. II. Anfange der griechischen Geschichte. 1. Unsicherheit der altesten Geschichte. Audi die alteste griechische Geschichte ist sehr unsicher (S. 2), umsomehr, als wir die Verbreitung der Schreibkunst bei den Griechen kaurn weit iiber das Jahr 800 hinaufrucken diirfen. Am meisten Licht fallt auf diese dunkle Zeit durch die Religion, die Sagen, soweit sie urspriinglich und demnach. ein Product des dichtenden Volksgeistes sind, und die Ausgrabungen Schliemanns. Die alteste literarische Quelle der Griechen, Homer, gehort erst der Mitte des 9. Jahrhunderts an. 2. Allgemeiner Charakter dieser Zeit. Die Friihzeit des grie¬ chischen Volkes miissen wir uns als eine Zeit fortwahrender Fehden und Kampfe sowohl zu Lande als zu Wasser vorstellen. Aus diesem Grunde lagen aucli fast alle alteren Stadte Griechenlands auf oder an Hiigeln und Bergen. Eine Erinnerung an die allgemeine Un¬ sicherheit zu Lande diirfen wir wohl in der Erwahnung von Riesen und Unholden (vgl. Theseussage ) erkennen; der Unsicherheit zur See machte angeblich Minos, Konig von Creta, der wohl als mjthisch aufzufassen ist, durch Aufrichtung eines groben See- reiches im agaischen Meere ein Ende. III. Die griechische Religion. 1. Zusammenhang mit der indogermanischen Zeit. Der hocliste Gott der Griechen war der alte arische Iiimmelsgott, der bei ihnen Zeus (indisch Djaus, bei den Germanen Ziu) heifit. Neben dem Himmel verehrten sie seine Erscheinungen: das Himmelsgewolbe (Uranos, indisch Varuna, d. i. das Bedeckende, Umfassende), das Licht, die Morgenrotlie, Blitz, Wind, Regen. 2. Entwickelung der religiosen Anschauungen nach Zeit und Ort. Anstelle der Naturbedeutung der Gottheiten trat ziemlich spat die von moralischen Wesen, welche einen machtigen Einfluss auf das Leben der Menschen ausiiben. In den einzelnen Landschaften wurde der eine oder der andere Gott ganz besonders verehrt. Auf die ver- schiedene Auffassung eines und desselben Gottes iibten die klima- tisclien und meteorologischenV erhaltnisse der einzelnen Landschaften einen sehr bedeutenden Einfluss aus. So erscheint Zeus im Cultus des regenreichen Dodona als ein gewaltiger Gewittergott, im trockenen ostlichen Griechenland aber, z. B. in Athen, als ein verschlingender Ihre Religion. 43 Gott der Diirre, der besonders auf Hoben, um welche sich die Wolken zusammenballen, verehrt wurde. Kein Volk hat eine so reiche Mythologie entwickelt wie die Griechen. Unsere Hauptquellen ftir die Kenntnis der griechiscben Religion sind Homer (Iliade und Odyssee) und Hesiod (um 800). A. Entstehung der Welt und der Gotter; Bedeutung des Epos fiir die Religion. Nach Homer entstand die Welt aus dem Oceanus (dem Erde und Meer rings umfiiefienden Weltstrome), nacli Hesiod aus dem Chaos, der Finsternis. Vom Oceanus stammen die finsteren Machte, die Titanen, ab. Von diesen waren Kronos und Rhea die Eltern des Z e us, Poseidon und Hades, welche die Herrschaft im Himmel, im Meere und in der Unterwelt untereinander getheilt haben. Der lichte Himmelsgott Zeus stofit die finsteren Titanen ins Reich der Finsternis, den Tartarus, hinab; ebenso werden die dunklen Geister des Westens (Sonnenunterganges), die Giganten, wegen ibrer Frevel vernichtet. In diesen Kampfen ist die Erinnerung an die uralten Kampfe zwischen den lichten und finsteren Gattern erhalten, aber bei dem Mangel von uberwaltigenden Naturereignissen in Griechenland (im Gegensatze zu Iran und Indien) wesentlich gemildert, der Kampf selbst fiir immer beendet. Von Zeus und seiner Gemahlin Hera stammen die wichtigsten tibrigen Gottheiten als Sobne und Tochter ab. Da der Heldengesang (Homer) die Gotter ins menschliche Treiben hineinzog, mussten die Dichter die friiher mebr unbestimmten Naturgottheiten mit bestimmten korperlichen und geistigen Eigen- scbaften umgestalten. B. Die Hauptgottheiten. Die Griechen theilten ihre Gottheiten nach dem Wohnort ein in solche des Himmels (ihr Sitz ist der 01ymp), des TVassers und der Erde nebst der Unterwelt. Aus der unbegrenzten Zahl von Gottheiten hoben sie nach Homer sechs Gotter und sechs Gottinnen als die hčichsten hervor; es sind dies: Zeus und Hera, Apollo und Artemis, Ares und Aphrodite, Hermes und Athene, Hephiistus und Hestia, Poseidon und Demeter. 1. Die Gottheiten des Himmels. Unter %ien ragen Zeus, Athene und Apollo ganz besonders hervor. Um 44 Die Griechen. a) Zeus. 1.) Physiscke Bcdcutung. Er ist der allgemeine Himmels- und Wettergott, der je nach den verschiedenen kli- matischen Verhaltnissen der einzelnen Landschaften verschieden aufgefasst wurde (S. 42). Bei Homer heiBt er der AVolkensammler, der Schwarzumwolkte etc. 2. ) Ethische Bedeutung. Er ist der oberste der Gotter, Vater der Gotter und Menschen. Die wichtigsten Einrichtungen des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens stehen unter seinem Schutze. Er schenkt den Konigen ihre Gewalt, schiitzt die Baths- und Volks- versammlungen, ist der Hiiter des Hauses, der Schirm der Schutz- flehenden und der Fremdlinge und entscheidet im Kriege. 3. ) Verehrung. Eine uralte Cultusstatte des Zeus war Dodona, wo er ohn e Abbild im Freien verehrt vrarde und das alteste Orakel des Altertbums das Blatterrauschen einer alten Eicbe als seinen Willen deutete. Hauptfestfeier zu seinen Ehren waren die olympischen Spiele. Ihm war der Adler, der Konig der Vogel, lieilig. 4. ) Darstellung des Gottes. Nachdem man sich langere Zeit mit einem Symbole des Gottes, z. B. einem Steine oder Pfahle, beholfen hatte, schritt man zur bildlichen Darstellung, deren beruhmteste die Gold-Elfenbein-Statue des Phidias (5. Jahrh.) in 01ympia war. Der Gott war als Konig dargestellt, auf einem Throne sitzend, mit dem Scepter in der Hand. Seine Gemahlin ist Hera, die regenspendende Himmelskonigin und Beschiitzerin der Ebe. b) Pallas Athene. 1.) Physische Bedeutung. Sie ist ursprunglicli die Gottin des Blitzes (Pallas = die den Blitz Scliwingende). 2. ) Ethische Bedeutung. Da das Gewitter bei den Indogermanen iiberhaupt als Kampf aufgefasst wird (S. 24), so wurde sie leicht zur Gottin des Krieges, die den Feldherrn mit Geistesgegenwart ausriistet. Entsprechend der Anschauung, dass Wolken und Nebel Gespinste seien, fasste man sie aucb als Gottin des Spinnens und Webens und scboner weiblicher Handarbeiten im allgemeinen auf. Endlich wurde sie die Gottin der Weisheit. 3. ) Verehrung. Sie wurde besonders als Schutzgottin der Stadt Athen verehrt. Das alle vier Jahre begangene Fest der groBen Panathenaen war die groBte religiose Feier in Athen. Ibr waren der Olbaum und die Eule geweiht. Ihre Rcligion. 45 4.) Darstellung der Gottin. Sie wurde hauptsiichlich als Kriegs- gottin mit Lanze, Schild und Helm dargestellt. Die beiden be- rtihmtesten Bilder der Gottin, die anf der Akropolis standen, schuf Phidias. c) Apollo. 1.) Physische Bedeutung. Seiner Naturbedeutung nacli ist er ein Licht-, speciell ein Sonnengott, wie sein Beiname Phobus (= der Leuchtende) beweist. Aueh er bekampft die Machte der Pinsternis, die er durch seine Pfeile, d. h die Sormenstrahlen, besiegt. Ein solcher finsterer Geist war auch der Drache Python, von dessen Bezwingung der Gott den Beinamen « der Pythier» bat. 2. ) Etbische Bedeutung. Ethisch aufgefasst ist er der Gott der geistigen Klarheit und sittlichen lieinheit. In ersterer Beziehung blickt er sogar in die Zukunft und wird daher der Gott der Weis- sagung; da die Dichter auch als Seber gelten, ist er der Gott der Dichtkunst und des Gesanges, der Fiilirer der Musen. In sittlicher Beziehung basst er das Moralisch-Finstere, darum verfolgt er alle Frevler und Missethater. 3. ) Verehrung. Die Hauptstiitte seiner Verebrung war Delphi, wo ein Orakel des Gottes, das beriilmiteste der alten Welt, den Fragenden sagte, was sie thun sollten. Ihm zu Ehren wurden die delphischen Spiele gefeiert. Der Lorbeer war ihm heilig. 4. ) Darstellung des Gottes. Er wird als jugendlich-kraftiger Gott dargestellt; das beruhmteste Bild ist der Apollo vom Bel- vedere im Vatican in Kom. Die ubrigen Hauptgottbeiten konnen nur kurz ervvahnt werden. d) Hephastus; phvsische Bedeutung: das Feuer, weshalb er zum kunstreicben Scbmiede wird. e) Hestia; physische Bedeutung: das Feuer, daher Mittelpunkt des hauslichen (Herd-) Cultus. 1) Artemis, die Mondgottin; sie durchzieht als kiihne Jagerin die Walder. g) Ares, urspriinglich wahrscheiidich der finstere Gewitterhimmel, wird der Gott des Kampfgewuhles. h) Aphrodite, die Gottin der Schonheit und Liebe. i) Hermes, der Geist des Windes, wird spaterhin als der schnelle Gotterbote aufgefasst. 2. Die Gottheiten des Wassers. Unter ihnen ist der mach- tigste Poseidon, der Gott des Meeres. Da die Meereswogen die Felsen des Ufers erschiittern, galt Poseidon auch als Urheber der Erdbeben. Er wurde mit dem Dreizaok abgebildet. Seine Gemahlin lieifit Amphitrite. 46 Die Griechen. Seine Cultusstiitten lagen besonders am Meere. Da die Phan- tasie der Griechen die Meereswellen mit htipfenden Pferden verglich, so wurde er, z. B. bei den isthmischen Spielen, dnrch ritterliche Wettkampfe gefeiert. Ihm war das Pferd heilig. Die Griechen verehrten bei jedem Flusse und jeder Quelle eine Gottheit; der angesehenste Flnssgott war der Achelous. 3. Die Gottheiten der Erde und der Unterwelt. Da die Erdgottheiten Wachsen und Gedeihen der Pfianzen hedingen und diese ihre Wurzeln in den Schofi der Erde senken, so stehen die irdischen und unterirdischen Gottheiten in engem Zusammenhange. Besonders wichtig sind: a) Demeter (und ihre Tochter Persephone). Sie war die Gottin des Ackerbaues und der damit verbundenen hoheren Gesittung. Ihre Tochter wurde durch den Gott der Unterwelt geraubt. b) Dionysus (Bacchus), der Gott des vegetativen Naturlebens iiberhaupt, des Weines im besonderen. c) Hades (Pluton), der Herrscher in der Unterwelt. Das Leben in der Unterwelt erschien den Griechen als ein Schatten- oder Traumleben, so dass die Abgeschiedenen Schatten genannt vrarden. In diesem Scheinlehen setzt der Todte seine Lieblingsbeschaftigung fort. Unter agvptischem Einflusse bildete sich die Vorstellung von drei Richtern in der Unterwelt aus: Minos, Aacus und Rliada- manthys, welche den Scliuldigen an den Ort der Qual, den Tartarus, verweisen, wahrend die Guten ins Elysium gelangen. C. Allgemeine Auffassung der Gotter und ihre Verehrung; Stellung des Priesterstandes. Entsprechend ihrem Volkscharakter und der freundlichen Natur des Landes fassten die Griechen ihre Gotter als heitere Wesen, deren Leben als ein verklartes Abbild des menschlichen Treibens auf. Dem- gemafi lebt Zeus im 01ymp mit den iibrigen Gottern wie ein Konig auf Erden; minder wichtige Angelegenheiten entscheidet er selbst, wichtigere werden dem Rathe der versammelten Gotter vorgelegt; die Gotter essen Ambrosia und trinken Nektar, erfreuen sich an Gesang und Scherzen, werden von menschlichen Leidenschaften bewegt, sind also keine sittlich-reinen Gestalten. Von Alter und Tod hleiben sie unberiihrt, doch ist ihre Wirksamkeit durch das Schicksal beschrankt. Diesem Charakter der Gotter gemaB war aucli ihre Verehrung heiter. Sie hestand hauptsachlich in Gebet, Opfern und Festspielen. (Vgl. dagegen die Inder S. 27.) Heldensage. 47 Im Gegensatze zu den orientalischen Staaten bat bei den Griechen der Priesterstand keine selbstandige Stellung eingenommen, ist auch nicht Trager der Bildung geworden. Die Priester waren im wesentlichen Verwalter des Tempelgutes und Hiiter des Gotterbildes; wemi auch einzelne priesterliche Amter erblich waren, so standen sie docli alle unter der Aufsicht des Staates. IV. Die griechisclie Heldensage. Thatigkeit der Heroen. Die Heroensagen sind iiberaus zablreicb; sie geboren ihrem Ursprunge nach verschiedenen Landschaften an und wurden erst allmahlich infolge des gesteigerten Verkehres Gemeingut der Nation. Wir gewinnen aus ihnen das Bild einer wilden Zeit voli Kampf und Raub, kiihner Geivaltthaten und Unternehmungen. Die bedeutendsten Sagenkreise sind: 1. Die Argonautensage. Um Jolcus am pagasaischen Meer- busen safien die aolischen Minyer, welcbe unter der Leitung des Konigssohnes Jason auf dem Schiffe Argo die gefahrvolle Fabrt nach dem fernen Sonnenland, an dessen Stelle man spater Colchis setzte, unternahmen, um das goldene Vlies zu bolen. Der Sage liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Dam on en der Diirre die wertvolle (goldene) Regenwolke entfiihrt haben und die Lichtgotter zu ihrer Wiedergewinnung ausziehen (S. 24). 2. Die Theseussage. Theseus, dem Soline des atlienischen Konigs Ageus, wird besonders die Todtung mehrerer Rauber und Unholde und die Erlegung des Minotaurus, eines Menschen mit einem Stierkopf, auf Creta zugeschrieben. Das erstere kann als Erinnerung an die Gewaltthatigkeiten jener Zeit gelten, wogegen einzelne Manner schiitzend auftraten; die Erlegung des menschen- fressemlen Minotaurus im cretischen Labyriuthe kann als Verdran- gung des phonicisclien Baal-Moloclidienstes aufgefasst werden. 3. Die Sagen von Argos. Die beiden wichtigsten sind die dieracles- und die Pelopssage. a) Heraclessage. Heracles, den die Dorier zum Ahnherrn ihrer Konige machten, stammt aus dem Geschlechte des Danaus; des letzteren 'lochter, die Danaiden, die in der Unterwelt zu der unausfuhrbaren Arbeit verurtheilt wurden, ein bodenloses Fass mittelst eines Siebes nbt Wasser zu fullen, stellen die Natur von Argolis dar, dessen durchlassiger Boden das Wasser immer wieder verschwinden liefi. 48 Die Griechen. In Heracles stellten die Griechen das Ideal eines Helden dar, der uniibertroffene Werke des Muthes ausfiihrte und sich zur Siihne fiir seine Frevelthaten (z. B. die Ermordung seiner Kinder) freiwillig in den Dienst seines verachtlichen Vetters Eurystheus, des Konigs von Mycena, begab, auf dessen Befebl er die zwolf Tbaten ausfiihrte, die ibn mit anderen Sagenkreisen in Beriihrung brachten. In dieser Sage ist der Einfluss des plionicischen Sonnengottes Melkart zu erkennen, nacb dessen Beispiele die Griechen Heracles bei der Ausfiihrung seiner Thaten weite Raume durchwandern liefien. Einige seiner Thaten gestatten eine Erklarung durch die Natur des griechischen Landes. Beim Orte Lema (Argolis) steht ein Karst- berg, der Wasser einschliirft. An anderer Stelle brechen infolgedessen machtige Quellen hervor, die, wenn sie auch an einer Stelle verstopft werden, docli an einer anderen wieder hervorsprudeln und das Land versumpfen. Das sind die stets nachwachsenden Haupter der ler- naischen Hydra. — Das Gebiet von Stymphalus (Arcadien) wird ofters iiberschwemmt, wodurch todliche Fieberluft entsteht (die menschenfressenden stymphalischen Vogel, welche Heracles tbdtet, d. h. er entsunipft das Tlial); noch jetzt zieht der dortige fischreiche See zahlreiche Wasservogel an. — Der Kampf mit deni Flussgotte Achelous deutet darauf hin, dass man dem Flusse durch miihsame Arbeiten fruchtbares Land abgevvann. b) Pelopssage. Anstelle der Heracliden traten spater als Herren in Mycen a die Pelopiden, die ihren Ursprung von Pelops, dem angeblich aus Kleinasien eingewanderten Sohne des Tantalus, ableiteten. Dieses Geschlecht ist durch seine Greuelthaten beriichtigt. Aus ihm stammt Agamemnon, der Fiihrer der Griechen vor Troja, sein Sohn Orestes ist sein Nachfolger in Mycena, sein Enkel wird von den eindringenden Doriern gestiirzt. 4. Sagen von Theben. In Bootien entstanden die beiden itltesten Staatswesen in Orchomenus (Sitz der Minyer) und in Theben (angeblich gegriindet von dem Phonicier Cadmus). In letzterer Stadt regierten die Cadmeonen, denen auch Odipus angehorte, der Morder seines Vaters und Gemahl seiner Mutter, der das Rathsel der Sphinx loste. Nachdem er sich zur Strafe tur seinen zweifachen Frevel geblendet hatte, fand er im Haine von Colonus bei Athen Entsuhnung. Gleich- wohl lastete der Gotterflucli auf seinen Nachkommen: seine beiden Soline todteten sich gegenseitig, seine Tochter Antigone wurde lebendig begraben. Schliemanns Ausgrabungen. 49 5. Die Sage vom troj anischen Kriege. Im nordwestlichen Kleinasien entstanden friili zwei kleine Staaten der den Griechen nahe verwandten Dardaner and Trojer. Die Hauptstadt der letzteren war Ilium oder Troja. Mit diesen geriethen die Griechen wegen der Entfiihrung Helenas, der Gattin des spartanischen Konigs Menelaus, in einen zehnjahrigen Krieg. Die Fiihrung des Heeres lag in den Handen Agamemnons, des Bruders des Menelaus. Troja wurde endlich zerstort. Die Ilias enthalt nur eine Episode aus dem zehnten Kriegsjahre, den Zorn des Achilles und die dadurch bedingten Ereignisse; sie endet mit der Leichenfeier Hectors. 6. Odysseussage. Odysseus kam erst nach lOjakrigen Irr- fahrten in sein Inselkonigreich Itliaca zuriick. Uber seine Abenteuer berichtet die Odyssee, welche aus einer Zeit stammen muss, in der den Griechen die westlichen Theile des Mittelmeeres noch fast ganz unbekannt waren. Mit Ausnahme der Odysseussage spielen alle diese Sagen, soweit das europaische Festland in Betracht kommt, auf der Ostseite Griechen- lands in fruchtbaren Thiilern oder Ebenen, wo wir demnach die altesten griecbiscben Staatswesen anzunehmen haben. Die Existenz dieser alten Staats\vesen ist eines der \vichtigsten Resultate der Sage und wird bestatigt durch die Ausgrabungen Schliemanns. V. Schliemanns Ausgrabungen in Troja, Mycenii, Orchonienus und Tiryns (1870 — 1888). 1. Ausgrabungen in Troja. Schliemann deckte beim Hiigel Hissarlik, etwa 5 km vom Hellesponte entfernt, neun Ansiedlungen auf, von denen jede folgende auf Trummern .der alteren erbaut war. Der merkwurdigste Fund daselbst war ein Schatz von Gold: Diademe, Gefafie, Armbander u. s. w. 2. Ausgrabungen in Mycena. Hier wurden sechs Graber mit 19 Leichen aufgefunden. Vor allem vvichtig ist der reicbe Fund von Goldgegenstanden, darunter sieben Gesiclitsmasken, aufierdem wurden besonders Dolche aus Bronze mit eingelegten Goldornamenten ausgegraben. 3. Ausgrabungen in Orchomenus. Von dieser Stadt ist nur melir das sogenannte Schatzhaus des Minyas vorhanden, ein Rundbau, ahnlicb dem «Scliatzhause» des Atreus in der Stadt Mycena. Beide gelten als Graber. In einem Nebenraume fand Schliemann den Rest Zeehe-Rebhann, Geschichte des Altei*thums. 4 50 Die Griecben. der Dečke aus Stein mit einem a us Rosetten und Spiralen ge- bildeten Relief-Ornamente, das einem Wandgemalde sehr ahnlich ist, vrelches man in einem Grabe des agjptischen Theben ge- funden bat. 4. Ausgrabungen in Tiryns. Die Burg dieser Stadt war von einer Mauer umscblossen, welche aus fast unbehauenen, bis 3 m langen und 1 m breiten und boben Felsblocken gebildet ist (sogenaunte cjclopische Mauer). Hier legte Scbliemann einen Palast blob, dessen Grundriss mit deu Hauptbestandtbeilen des bomeriscben Konigspalastes uber- einstimmt. Als Wandscbmuck entdeckte er grobe sculptierte Alu- bastertafeln (vgl. S. 14) und ein Wandgemalde, das der Steindecke vom Scbatzbause des Minyas sebr ahnlich ist. Ergebnisse. 1.) Die drei zuletzt genannten Statten zeigeu uns die gleicbe * mycenische* Culturperiode; Troja ist viel alter und nahert sich ibr erst in den jiingeren Gegenstanden. 2.) Die Ausgrabungen bevreisen uns in Ubereinstimmung mit der Sage die Existenz alter Reiche an den betreffenden Stellen. 3.) Die gefundenen Gegenstande zeigen, dass Einfliisse der agyptischen und asiatiscben Cultur auf die altesten Bewobner der beiden Gestade des agaiscben Meeres statt- gefunden baben. 4.) Zablreiche Gegenstande haben einen eigen- thumlicben, von der orientalischen Art abweichenden Charakter. 5.) Da Spuren der mycenischen Cultur an der ganzen Ostseite Griecbenlands., auf den Inseln und auch in Kleinasien gefunden wurden, so muss hieij?' eine Bevolkerung mit gleicbmabiger Cultur verbreitet gewesen sein. 6.) Die gewaltige Burg und die groben Schiitze der Graber in Mycena beweiseu die lange Dauer der dortigen Herrschaft, fur die man, wie fur die myceniscbe Cultur iiberhaupt, 1500 etwa die Zeit von 1500 bis 1000 wird ansetzen diirfen. 7.) Diese bis 1000. Cultur ist vielfach im Einklange mit der bomeriscben Dichtung, die theilweise nocb dieser Periode angebort. VI. Einwirkungen des Orients (Agyptens, Phoniciens) auf die Griecben in der heroischen Zeit. Die altesten Griecben wurden von der uberlegenen Cultur des Orients vielfach beeinflusst; die agyptische Cultur wurde ihnen (vor Psammetich) durcb die Phonicier vermittelt, die babylonisch-assyriscbe entweder ebenfalls durcb sie oder durcb die Bevohner Kleinasiens. Die Griechen selbst waren sicli dieses Sacliverhaltes bewusst und Eimvirkungen des Orients. 51 fassten ihre Meinung liber die Einwirkung der Phonicier in der Sage vom phonicischen Konigssohne Cadmus zusammen, den sie iiber Creta, Rhodus, Thera und Melos, also Stationen der Phonicier, nach Bootien gelangen liefien.l Die wichtigsten orientalischen Eintvirkungen betreffen die Religion, Sage, Buchstabenschrift, Kunst und materielle Cultur. 1. Religion. Da die Inder und Iranier Menschenopfer nicht kannten, so weisen die bei den Griechen erwahnten, z. B. die beabsicktigte Opferung Iphigeniens in Aulis, auf fremden (semitischen) Einfiuss hin. Hieher gehoren auch die Kampfe des Theseus mit dem Mino- taurus und den Amazonen. 2. Heldensage. Am wichtigsten ist der Einfiuss des phonicischen Melkart (S. 18) auf die Ausgestaltung der Heraclessage (Kampf mit dem nemeischen Ld\ven, dem cretischen Stiere, die weiten Wa nderungen). 3. Buchstabenschrift. Herodot leitet die Kenntnis der Schrift von der Einwanderung des Cadmus ab. Dass das griechische Alphabet aus dem phonicischen stammt, betveisen auch die altesten auf uns gekommenen Inschriften, die dem 7. Jahrhundert angehoren. Von den Griechen erliielten das Alphabet die Rdmer, von diesen die Deutschen, die Slaven unmittelbar von Griechenland aus, so dass alle heutigen Alphabete Europas auf dieselbe Quelle zuriickgehen. 4. Kunst. In der Ra ukunst ist wiclitig die Verwendung kolossaler Quadern zum Maucrbau (Mycena) und die Bekleidung der Wande mit Metallplatten, z. B. in Tiryns; auch finden sich im Innern der Mauern von Tiryns und Mycena, ganz ahnlich vie in den nord- Mrikanischen Stadten der Phonicier, iiberw6lbte Kammern, die als Magazine angesehen werden. Auf dem Gebiete der Plastik zeigen den orientalischen Einfiuss zahlreiche Fliigelgestalten, wie Spliinxe, Greife u. s. w. (vgl. S. 14- und dia Dodwell’sche Vase 1 ), und das Gowenthor beim Eingange zur Burg von Mycena (vgl. S. 15). Im Kunstgeiverhe verdient Erwahnung, dass die Blatter der Palme und die Bliite des Lotos das wichtigste Motiv der griechischen Fliichen- decoration sind. 1 Nadi dem Altortlmmsforschor Dodwell (geb. 1767 zu Dublin) genannt. Pie Vase ist ein altgriecbisches Thongefiifi mit Tliierreihen und eiuer Jagdscene orientaliscliem Stile. Sie befindet sich in Miinchen. 52 Die Grieclien. 5. Materielle Cultur. Die Grieclien lernten viele Hausthiere und Culturpflanzen (S. 36), ferner den Bergbau, die Metallarbeiten, Webereien u. s. w. der Orientalen kennen und vertauscbten das altere offene Woilenkleid mit dem genahten linnenen Chiton (S. 177). VIL Die griechischen Wanderungen. Ursachen von Vdlkenvanderiingen. In der Geschichte werden nicht selten Wanderungen von Volksstammen erwahnt; theils gehen sie von Steppenvolkern aus, z. B. den Hunnen, Magyaren, theils von Culturvolkern in der Friihzeit ihrer Entwickelung, wo sie sich nocb leicht vom Boden losreifien. Hauptgriinde fiir Wanderun gen sind der Mangel an Lebensmitteln, die Verdrangung durch Fremde, endlick Eroberungs- und Raublust. Das Ziel solcher Wanderungen sind in der Regel mildere, also siidlicher gelegene Gegenden. Die Zeit der griechischen "VVanderungen ist ganz unsicher; es Um 1000. kann nur fiir ihr Ende mit einiger Wahrscheinlichkeit das Jahr 1000 angenommen vverden. Sie setzten das ganze Volk in Bewegung und erfassten das eigentliche Griechenland, die Inseln und Kleinasien. A. Wanderungen in Griechenland selbst. Sie zerfallen in drei, nach der Uberlieferung voneinander abhangige Abschnitte; es sind dies 1.) der Einbruch der Thessaler in Thessalien, 2.) die Wan- derung der Booter, 3.) der Aufbruch und die Wanderung der Dorier. Der letzte Abschnitt ist der wichtigste. Ein wildkraftiger Volksstamm, Thessaler genannt, drang aus Illyrien iiber die Passe des Pindus ins fruchtbare Peneusbecken ein, das nach ihnen den Namen Thessalien erhielt. Die achaisch-aolischen Booter wurden zum grofieren Theile zu Leibeigenen gemacht. Ein Theil der Booter entzog sich der Fremdherrschaft durch die Auswanderung ins fruchtbare Becken des Copais-Sees und unterwarf es. Die Dorier wurden, vvahrscheinlich durch den Einfall der Thessaler, aus ihren LVohnsitzen in der Nahe des 01ymp auf- gescheucht, liefien sich voriibergehend in dem kleinen Doris nieder, das fiir ihre Bediirfnisse bald nicht ausreichte, und zogen dann, mit Atolern verstarkt, unter Anfiihrung der Nachkommen des Heracles von Naupactus (Lepanto) aus iiber den corinthischen Golf, um sich nach zahlreichen Kampfen des grofiten Theiles des Peloponnes zu Cultur der heroischen Zeit. 53 bemachtigen. So tritt im Peloponnes anstelle der Herrschaft der Achaer die der Dorier, anstelle der Pelopiden treten die Heracliden, die bereits vor den Pelopiden in Mycena regiert hatten. Ergebnis. Die Atoler begriindeten an der Westseite des Pelo¬ ponnes den Staat E lis, die Dorier in den drei fruchtbaren Thal- ebenen des Pamisus, Eurotas und Inachus die Staaten Messenien, Laconien und Argolis. Die einheimische achaische Bevolkerung wurde theils unterworfen, theils drangte sie sicli nacli dem N. der Halbinsel in der Landscbaft Achaia zusammen, deren fr liber e jonische Bevolkerung sicb hauptsachlich nacli Attica fliiclitete. Nur Arcadien blieb in seinen alten Verhaltnissen. B. Besetzung der ostlichen Inseln und des westlichen Kleinasiens. An die Wanderung von N. nacli S. scliloss sicli als Fortsetzung die von W. nach O. Durcli die letztere wurden die Inseln des agaischen Meeres und die ganze Westkiiste Kleinasiens in griecbiscbes Land verwandelt. Trager dieser Wanderungen waren besonders die Jonier, welche sicli in Attica zusammendrangten; neben ihnen betheiligten sich aber auch die beiden anderen Stiimme an der Auswanderung. Die kleinasiatiscben Colonien lagen den Land- scbaften des betreffenden Stammes in Europa gegentiber, daber sind im N. die aolisch-achaischen, in der Mitte die jonischen und im S. die dorischen Colonien zu suchen. Die bliihendste unter diesen Stadten war das jonische Milet. Die \vichtigsten Folgen der Wanderungen. 1.) Die Wohnsitze der griechisclien Stamme vvurden fiir alle Zukunft festgestellt; 2.) die ge- Waltigen Erschiitterungen machten den Einrichtungen der heroischen Zoit vielfacli ein Ende; 3.) durch die achaisch-aolische Colonisation ist die Eriimerung an die alteren Kampfe, welche der Sage vom trojanischen Kriege zugrunde liegen, wieder aufgefrischt und da- durch Inhalt und Charakter der Ilias wesentlich bestimmt worden. VIII. Culturverhaltnisse ani Ende der heroischen Zeit. Die Hauptquellen fiir die Kenntnis dieser Zeit sind Homer und Hesiod (S. 43). Des letzteren Hauptwerke sind <- Die Abstam- mung der Gotter» (Theogonie), worin er die verschiedenen Gotter- sagen der Griechen in genealogisclien Zusammenhang zu hringen versucht, und <- Die Werke und Tage*, ein goldenes Schatzkastlein mit allerlei Leliren liber Landbau und Schiffahrt sowie fiir das hausliche und biirgerliche Leben. * 54 Die Griechen. 1. Verfassung. Die zahlreichen kleinen Staaten der Griechen werden von Konigen regiert. Sie sind oberste Richter, Feldherren und Priester. Die Gewalt ist erblich und rtihrt yon Zeus her. Sie ist beschrankt durch den Bath der adeligen Geschlechter. Die Gemeinfreien werden nur versammelt, nm die Beschlusse des Konigs und des Rathes zu vernehmen. Die Einkiinfte des Konigs bestehen in dem Ertrage seiner Giiter, in Ehrengaben aus der Beute und Spenden des Volkes. 2. Religion. Neben dem alteren Cultus ohne Gotterbild und Tempel (S. 44) findet sich bereits der jiingere mit Bildern und Tempeln. Envahnt werden die O rahel von Dodona und Delphi; Priester deuten die Zukunft aus der Beobachtung von Ilimmelszeichen, aus dem Vogelflug oder den Eingeweiden der Opfertbiere. 3. Recht. Das Ricliteramt iibt der Konig nach dem Rathe der Vornebmen. Bei Mord und Todtscblag haben die Verwandten des Getodteten zwar die Pflicht der Blutrache, in der Regel begniigt man sich aber mit einer entsprechenden Bufie in Rindern und Scbafen (« Wergeld » bei den alten Germanen). 4. Sitte. Walirend die Konige in befestigten Burgen wohnen, lebt das Volk auf dem Lande zerstreut. Es beschaftigt sich fast aus- scbliefilicb mit Viehzucht, Acker- und Weinbau, daneben finden wir auch die Anfange des Gewerbes. Das Leben hat einen heiteren Cha- rakter; bei frohlichen Mahlzeiten werden durch wandernde Sanger die Heldenthaten der Vorfahren gepriesen. ZT^elter ZeltraiO-m. Vom Abscblusse der Wanderungen bis zum Beginne der Perserkriege, Um iooo um 1000 bis 500. Zeit der Aristokratie und der Tyrannis, Hegemonie bis 500. Spartas, Emporkommen Athens, Colonisation. I. Die verscliiedenen Verfassungsformen der griechischen Staaten. 1. Aristokratie. Nach den Wanderungen trat gegeniiber dem Konigtbume die Macht des Adels bedeutsamer hervor. Dies zeigt sich in der Beseitigung der Erblichkeit, in der Beschrankung der Amtsdauer auf eine gewisse Zeit und in der Verminderung der Gewalt. So wurde der Konig allmahlich ein Beamter des Adels, d. h. die Aristokratie war begriindet. Diese gieng meist in die Oligarchie, d. h. in die Herrschaft weniger bevorrechteter Familien iiber. Die Bltitezeit der Adelsherrschaft ist das 8. Jahrhundert. Sparta. 55 2. Tyrannis. Da die Oligarchen in der Regel das Volk bedriickten, so verlangte dieses zunachst geschriebene Gesetze zum Schutze gegen die Willkiir des Adels; haufig gaben die berrschenden Geschlechter nach, \venn nicht, so beniitzte ein ebrgeiziger Mann aus dem Volke oder aucb aus den berrschenden Geschlechtern die Unzufriedenheit des Volkes, um, auf eine Leibwache gestiitzt, eine Alleinherrschaft zu begriinden. Die Bltitezeit der Tyrannis ist das 7. Jakrhundert. Besonders beriihmte Tyrannen waren P eri and er in Corinth, Pisi- s trat us in Athen und Polycrates auf Samos. Meist endete die Tyrannis infolge Missbrauches der Gewalt sclion in der zweiten Generation. Die Tyrannen suchten ilire Stellung durch gegenseitige Unterstiitzung zu befestigen und forderten die materiellen Interessen und die Kunst; dadurcb untergruben sie aber ihre eigene Stellung, denn ein Volk, das reich geworden ist, verlangt audi politische Freiheit. 3. Sieg der Oligarehie und der Demokratie. Nacli dem Sturze der Tyrannis folgte entvveder vvieder eine, in der Regel gemahigtere, Oligarehie oder die Herrschaft des Volkes, die Demokratie. Die erstere finden wir hauptsacblich bei den Doriern, die letztere bei den Joniern. Die Demokratie wurde zur Ochlokratie, wenn sie zu einer Herrschaft des Pdbels ausartete. II. Sparta. A. Geographie Laeoniens. Laconien ist vorherrschend Gebirgsland, das im W. von dem Taygetus , im O. von dem Parnon durchzogen wird. Beide enden in schmalen, felsigen Halbinseln, welche den laconischen Golf um- schlieBen. Die geschichtliche Bedeutung der Landschaft beruht auf der fruchtbaren Ebene des Eurotas, an dem die offene Stadt Sparta lag. 4 B. Gesehichte Spartas. 1. Die lycurgische Verfassung. Die Zeit, welche dem Einbruche der Dorier in den Peloponnes unmittelbar folgte, ist hochst ungenau bekannt und namentlich die Chronologie bis um 500 vollig unsicher, da die Griechen lange keinen allgemein anerkannten Ausgangspunkt fur die Zeitrechnung hatten. Es ist sogar zweifclbaft, ob Lycurg, der als Begrunder der spartanischen Staatsordnung aufgefasst und ins 9. Jahrhundert 9. Jahrh. 56 Die Griechen. gesetzt wird, eine liistorische Personlichkeit oder ein spartanischer Heros ist. Auch lasst sich nicht angeben, welche Einrichtungen er schon vorfand, welche von ilim selbst herrtihren und velche der nachlycurgischeu Zeit angehoren. Man kann daher nur die aus- gebildete spartanisclie Verfassung im Zusammenhange darstellen. Bei der spartanischen Verfassung kommen vesentlich dreiPunkte in Betracht: die Bevolkerung, die politischen Einriclituiigen und die Zucht. a) Die Bevolkerung. Sie zerfiel in die lierrschenden Dorier und die unterworfenen Achaer; die letzteren waren theils Perioken , theils Heloten. Die Dorier. Sie bildeten den einzigen politisch berechtigten Theil der laconischen Bevolkerung. Sie hatten iliren Sitz in Sparta und hiefien deshalb Spartiaten. Von jeder Arbeit befreit, widmeten sie sich ausschliefilich dem politischen Leben und dem militarischen Dienste. Die Perioken («Umwohnende») bildeten den Nalirstand und beschaftigten sich mit Ackerbau, Handel und Gewerbe. Sie varen personlich frei, aber politisch rechtlos, mussten Abgaben zahlen und Kriegsdienste leisten. Die Heloten Varen Staatssclaven, die gleich den mittelalter- lichen Leibeigenen an die Scholle gebunden varen. Sie mussten von dem ihnen zur Bebauung zugewiesenen Ackerlande den Spartiaten bestimmte Abgaben liefern. Ihre Zahl var sehr grofi, ihre Behandlung schlecht. Freilassung durch den Staat kam vor; diesem dienten sie auch als Leichtbevaffnete, seit dem peloponnesischen Kriege selbst als Hopliten, d. i. als schverbevaffnete Fufikampfer. h) Die politischen Einrichtungen. Sie sind eine Fortbildung der komerischen Zustande; es kommen daher, vie in jener Zeit, Konigthum, Rath und Volksversammlung in Betracht. Eine neue Einrichtung ist das Ephorat. d) Konigthum. Eigenthiimlich ist fiir Sparta die Einrichtung des Doppelkonigthums, das sich am besten als Folge der Einigung zveier Herrschergeschlechter, die friiher zvei einzelnen Staatsvesen im Eurotasthale vorstanden, erklaren lasst (vgl. das Doppelkonig- thum des Romulus und Titus Tatius in Rom). Die Stellung des heroischen Konigs als obersten Richters, Priesters und Heerfiihrers war in Sparta durch den grofien Einfluss des Rathes und der Ephoren so beschrankt, dass sich der Konig nur als Feldherr verhaltnismafiig selbstandig bewegen konnte. Lycurg. 57 /S) ^sz 5/2 c/er Alten (Gerusia). Er bestand aufier deri Konigen aus 28 liber 60 Jahre alten Spartiaten, welche durch den Zuruf des Volkes auf Lebenszeit gewahlt wurden. Sie waren nnverantwortlicb. Der Rath hatte politische und richterliche Belugnisse; erstere bestanden in der Vorberatlmng derAntrage fiir die Volksversammlung und — im Vereine mit den Konigen und Ephoren — in der obersten Regierungsthatigkeit, letztere in der obersten Strafrecbtspflege. y) Volksversammlung. Zu ilir batten alle liber 30 Jahre alten Spartiaten Zutritt; sie trat jeden Monat einmal unter dem Vorsitze der Ephoren zusammen. Die Volksversammlung entschied iiber Krieg und Frieden, wahlte die Geronten und Ephoren und hatte wohl auch die Gesetzgebung. ()) Ephorat. Sein Ursprung ist dunkel. Die fiinf auf Jahresfrist von der Volksversammlung gewahlten Ephoren (= Aufselier) er- scheinen seit dem 5. Jahrhundert als die entscheidende Behorde, neben der das Konigthum, die Volksversammlung und selbst der Rath zuriicktreten. Ilire vier wichtigsten Bechte waren: Sie leiteten die Volksversammlung und den Rath, deren Beschliisse sie ausfiihrten, hatten ein allgemeines Aufsichtsrecht liber die Jugenderziehung, konnten die Konige zur Verantwortung ziehen und ins Gefangnis iverfen und liberwachten die Gebarung mit den Staatsfinanzen. Allgemeiner Charakter dieser Verfassung. Sparta hatte nur scheinbar ein Konigthum, in Wirklichkeit bestand eine Oligarchie. Daher betreibt Sparta nach auBen eine oligarcliische Politik und bekampft die Tyrannis und die Demokratie. c) Zucht. Ihr Ziel war, die Spartiaten korperlich moglichst stark und \vaffengeiibt zu machen. Die geistige Bildung trat da- gegen zuriick. Schwackliche Knaben wurden ausgesetzt; vom siebenten Jahre an wurden die Knaben vom Staate in grofien Erziehungshausern erzogen. Vom zwolften Jahre an sohliefen sie auf Streu. Alljahrlich Vurden sie gegeifielt; wer es am langsten aushielt, galt als Sieger. Vom 18. bis zum 20. Lebensjahre leisteten die Jlinglinge im Innern niilitarischen Dienst. Vom 20. Jahre an gehorte jeder Spartiate einer Zeltgenossenschaft von ungefahr 15 Mitgliedern an und musste in seiner ganzen Lebensweise die groBte Einfachheit einhalten. Das Hauptgericht war die «schwarze Suppe>, ein in Blut gekochtes und mit Salz und Essig gewiirztes Schweinefleisch. Der Staat duldete kis zum Ausgange des 4. Jahrhunderts nur Eisengeld, der Besitz 58 Die Grieclien. 8. Jahrh. 7. Jahrh. von Gold oder Silber war bei Todesstrafe verboten. Dieselbe Strafe war auf die Ausvvanderung gesetzt, denn sie galt als Fahnenflucht, da der Spartiate rom 20. bis zum 60. Jahre kriegsdienstpflichtig war. Seine Lieblingsbeschaftigung im Frieden war die Jagd (vgl. die alten Germanen). Beurtheilung. Sparta glich auch im Frieden einem Kriegslager, kein Wunder, dass die Spartaner bis zur Schlacbt bei Leuctra (371) als unbesiegbar galten. Niemals hat eine Verfassung zu Gunsten des Staates so rucksichtslos ins Familienleben eingegriffen. Wahrend die Pflege der Wissenschaften und Kunste das Werk der Jonier (Athener) war, bat sich Sparta dadurcb wesentliche Verdienste um Griechen- land erworben, dass es durch seine militarische Erzieliung und stramme Staatsordnung die Widerstandskraft der Griechen bedeutend starkte. Einen solchen Staat drangte es zu Eroberungen, Messenien bel ihm zum Opfer. 2. Die ersten zwei messenischen Kriege. Die Ursache beider Kriege war die Eroberungslust der Spar¬ taner. Die Veranlassung zum ersten Kriege gaben verschiedene Grenzstreitigkeiten; beide Kriege sin d von der Sage verherrlicht, die Chronologie steht nicht fest. Geographie Messeniens. Messenien, die siidvvestliche Ab- dacbung des Peloponnes, ist die fruchtbarste und mildeste Land- scbaft Griechenlands, in der schon Datteln von geringerer Qualitat reifen. Das Land besteht theils aus niedrigen, isolierten Berggruppen, theils aus der Ebene des Pamisus, die durch einen Hohenzug, auf welchem die Festung Ithome lag, in einen nordlichen und sudlichen Theil zerfallt; im ersteren stand die Bergfestung /ra. Pylos (S. 40) galt als Herrschersitz Nestors; Messene ist eine Schopfung erst des 4. Jalirliunderts. Erster messenischer Krieg (8. Jahrhundert). Nacli zwei unentscliiedenen Schlachten zogen sich die Messenier auf die Berg¬ festung Itliome zuriick, deren endliche Eroberung durch die Spar- tiaten den Ausgang des Krieges entschied. Ein Theil der Messenier wanderte aus, die iibrigen wurden zu Perioken herabgedriickt; ein grober Theil des Landes wurde eingezogen und in moglichst gleiche Ackerlose flir die Spartiaten getheilt. Zweiter messenischer Krieg (7. Jahrhundert). Eine Niederlage der Spartaner im Kampfe gegen Argos ermuthigte die Messenier, die Waffen fur ihre Freiheit zu ergreifen. Unter der Fiilirung des Geographie Atticas. 59 Aristomenes behaupteten sich die Messenier langere Zeit, unter- stiitzt durch Zuziige aus Argos und Arcadien und begiinstigt dureh Streitigkeiten in Sparta. Letztere beendete der Dicbter Tjrtaus, welcher die Spartaner zur Eintracht und zu neuer Kampfeslust ent- flammte, wahrend die Messenier durch den Abfall der Arcadier schweren Schaden litten. Sie zogen sich daher auf die Bergfestung Ira zuriick, mit deren Einnahme der Krieg endete. Abermals wanderten viele Messenier aus, die zuriickbleibenden wurden zu Iieloten gemacht. 3. Kriege Spartas mit Argos und Arcadien; Hegemonie Spartas im Peloponnes. Die Spartaner fiihrten aucli wiederholt Kriege mit Argos. In diesen dehnten sie wohl ihr Gebiet ostlich vom Parnon bis ans Meer aus, eine vollige Besiegung der Argiver gelang ihnen aber ebensotvenig wie die Unterwerfung Arcadiens, gegen das sie gleich- falls ihre Waffen erhoben. Deshalb suchten sie auf friedlichem Wege ihre Machtstellung zu erhohen, und zwar durch Vertrage mit den meisten Stadten des Peloponnes, darunter aucli Tegea, der damals machtigsten Stadt Arcadiens, und Corinth, der grofiten damaligen Seestadt Griechenlands. Nur Argos und Achaia hielten sich ferne. Auf Grund der geschlossenen Vertrage erkannten die verbiiudeten Stadte Sparta die militarische und politische Fiihrung (Hegemonie) zu, verpflichteten sich zur Zahlung bestimrnter Geldsummen und Stellung von Truppen, iiber welche Sparta den Oberbefehl hatte. Ein Bundesrath, in welchem die einzelnen Mitglieder gleichberechtigt waren, entscliied unter Spartas Vorsitz mit Stimmenmehrheit iiber Krieg und Frieden. In ihren inneren Angelegenheiten waren die Bundesglieder frei. Ergebnis. So stand Sparta seit der Mitte des 6. Jahrhunderts 6. Jahrh. an der Spitze des Peloponnes; es galt im tibrigen Griechenland und im Ausland als die einzige griechische GroBmaclit, weshalb in den Perserkriegen die Griechen auch auherhalb des Peloponnes, Athen nicht ausgenommen, die spartanische Hegemonie anerkannten. III. Athen. A. Geographie Atticas. Attica, die stidostliche Halbinsel Mittelgriechenlands, enthalt eine Menge einzelner, durch kleine Ebenen gesonderter Gebirgs- glieder von sehr verschiedener Kichtung. Im Norden schliefien es 60 Die Grieclien. die bewaldeten Zilge des Citharon und Parnes ab. Die tibrigen, baumlosen Berggruppen sind der marmorreiche Pentelicus, der honigreiche Hymettus und das silberreicbe Laurinmgebirge. Von den Ebenen kommen liauptsachlich die von Athen und die von Eleusis in Betracbt. Die Bewohner der ersteren betrieben besonders Wein-, Oliven- und Feigenbau, vveshalb sie Getreide vom Auslande, uamentlich aus den pontischen Gewassern, bezogen; die von Eleusis dagegen betrieben ergiebigen Ackerbau. Die Stadt Athen lag zwei Stunden vom Meere entfernt, ihre wichtigsten Hafen waren der von Phaleron und der Piratis. Den altesten Kern der Stadt bildete die Burg Acropolis mit ihrer nachsten D mgebung; auf ibr standen die altesten Heiligtliiimer sowie die Wohnung des Konigs. Nahe der Ostkliste Atticas lag das Dorf Marathon, im Norden Decelea. B. Gesehichte Athens. Die Gesehichte Athens in diesem Zeitraume zerfallt auf Grund der Verfassungsentwickelung in vier Abschnitte: 1.) Die Zeit vor Solon; 2.) die solonische Verfassung; 3.) die Tyrannis des Pisistratus ; 4.) die Begriindung der Demokratie durch Clisthenes. 1. Athen vor Solon. a) Herrschaft der Konige. Einigung des Landes. In Attiea gab es in alter Zeit mehrere, politisch voneinander unabhangige Gemeintvesen, deren Vereinigung zu eiuem Staate mit Athen als Hauptstadt die Sage dem Theseus zuschreibt, der auch den orientalischen Eintluss in Attiea beseitigte. Aucli fiir Athen sind die Einrichtungen der homerischen Zeit: dreifache Stellung des Konigs, Bath der Alien und Volksver- sammlung, mafigebend (S. 56). Der letzte Konig soli Codrus gevvesen sein. Die Sage erzahlt, dass er dem Orakelspruche gemafi freiwillig in den Tod gieng, um sein Land vor den Doriern zu retten, welche nach der Besetzung des Peloponnes angeblich auch gegen Athen herangezogen waren. b) Herrschaft des Adels (der Eupatriden). 1. Begriindung der Aristokratie. In Wahrheit wissen wir weder, \vann die Konigsherrschaft endete, noch konnen wir mit Sieherheit feststellen, wie sich der Ubergang zur aristokratischen Iiepublik, welche dem Konigthume folgte, vollzog. Kylon und Dracon 61 Der Adel berief aus seiner Mitte Beamte an clie Spitze des Staates, welche sich in die friiheren Machtbefugnisse der Konige theilten und fiir welclie der Name «Archon» (Regent) iiblich wurde. Nach der Uberlieferung wabrte ihre Amtszeit anfangs lebenslanglich, spater wurde sie — derselben Uberlieferung zufolge — auf zelm Jahre und endlich auf ein Jabr herabgesetzt. Um das Jahr 682 gab es neun auf ein Jahr gewiihlte Archonten. Um 682. Allmahlich sank die Bedeutung des Archontats, in der Zeit des Pericles war es eine bedeutungslose Ebrenstelle. Da aucli der Rath nur aus Eupatriden gebildet wurde, so war der Sturz des Konigthums ausschliefilich dem Adel zugute gekommen. 2. Opposition des Volkes; Kylon und Dracon. Gegen diese unbeschrankte Adelsherrscbaft erhob sich seitens der nichtadeligen Bevolkerung eine Opposition , die theils politischer, tbeils wirt- schaftlicher Art war. Die erstere batte ihren Grund in der Recht- losigkeit des Volkes und in der Unsicherheit des Rechtes, die letztere in der materiellen Noth der Landleute, die infolge des Kriegsdienstes und der Getreideeinfuhr aus den Pontusgegenden zu Pachtern oder Taglohnern herabgesunken waren, wahrend der ganze Grund und Boden den Adeligen gehorte. 1 Aufierdem bestanden harte Schuld- gesetze, nach welchen der zahlungsunfahige Schuldner vom Glaubiger als Sclave verkauft werden konnte. Auf die Unzufriedenheit des Volkes bauend suclite Kylon (630) 630. die Tyrannis an sich zu reiben. Er bemachtigte sich mit Hilfe seines Schwiegervaters, des Tyrannen von Megara, der Acropolis, wurde aber von den Bauern, die in die Stadt gestromt waren, und dem Adel vertrieben. Durch den Versuch Kylons erschreckt, lieBen sich die Eupa¬ triden zur Aufzeichnung des bestehenden strengen Rechtes herbei, "vvomit sie den Archonten Dracon bpauftragten (um 624). Weil aber Um 624. dieser das bestehende Recht nicht milderte und die sociale Prage nicht berucksichtigte, so bestand die Unzufriedenheit des Volkes mit den politischen und wirtschaftlichen Verhaltnissen fort, und es drohte eine Revolution auszubrechen; da wurde Solon der Retter des Staates. Vgl. damit die lieutigen Zustande in Irland. 62 Die Grieclien. 2. Die solonische Gesetzgebung. a) Burger. Solon stammte aus dem Geschlechte des Coclrus ; er war Iiaufmann und hatte auf weiten Reisen eine groBe Erfahrung er- worben. Sein Wahlspruch var: «Alles mit MaB.» Da er sich des allgemeinen Vertrauens seiner Mitbiirger erfreute, w&hlten ihn die 594. Eupatriden in kluger Nachgiebigkeit zum Archon fiir das Jahr 594 und beauftragten ihn, eine neue Staatsverfassung zu entverfen, \velche in diesem und in den folgenden Jahren zustande kam. Entsprechend den beiden Quellen der Unzufriedenheit fiibrte er wir,tsch a/ tliche und politische Reformen ein. Dazu erliefi er nocli Bestimmungen iiber Sitte und Erziehung. a) Wirtschaftliche Reformen. Solon bob alle Schulden, welche auf den Grundstiicken lasteten oder bei denen der Scbuldner selbst als Pfand diente, und ebenso die Schuldknecbtscbaft auf. Viele in die Fremde verkaufte Burger wurden auf Staatskosten zuriickgekauft. Um die Existenz des kleinen Grundbesitzes fiir die Zukunft zu sichern, setzte er ein Mafi fest, welches der Grundbesitz des ein- zelnen niclit uberschreiten durfte. h) Politische Reformen. Eintheilung der Biirgerschaft. Wahrend bisher nur die adelige Geburt politische Rechte gab, regelte Solon das MaB der politischen Rechte und Pflichten der Burger nach dem groBeren oder geringeren Ertragnisse aus dem Grundbesitze. Darnach theilte er die Bevolkerung in vier Classen: 1.) die GroBgrundbesitzer, welche mindestens 500 Scbeffel Getreide oder ein entsprechendes MaB anWein oder 01 ernteten; 2.) dieRiiter, welche ein Streitross halten mussten, mit 300 bis 500 Scheffel Jahresertragnis; 3.) die Gespannhalier , velche ein Gespann zur Bestellung ilirer Felder halten konnten, mit 150 bis 300 Scheffel, die eigentlichen Bauern; 4.) die Theten, denen ihre Acker noch weniger einbrachten oder die gar keinen Grundbesitz hatten, sondern von Handel, Ge- werbe oder Taglohn lebten. Wahrend die ersten drei Classen als Reiter und Hopliten sowie durch Zahlung von Abgaben dem Staate dienten, zahlten die letzteren keine Steuern und leisteten, wenigstens urspriinglich, keine Kriegsdienste. Dafiir standen sie aucli an poli¬ tischen Rechten den ersten drei Classen nach; als sie aber in den Perserkriegen als Leichtbewaffnete und als Flottenmannschaft wichtige Dienste leisteten, erhielten sie auch politische Gleichstellung mit jenen. So herrschte z\vischen Rechten und Pf/ichten ein schones EbcnmaB. Solonisclie Gesetzgebung. 68 Volksversammlung, Rath und hochste Beamte. Die drei politiscli mafigebenden Factoren der koniglichen Zeit finden wir auch in der solonischen Verfassung vertreten; doch ist die Entscheidung an die Volksversammlung gekommen und der Einfluss der hochsten Beamten, die anstelle des Konigs getreten sind, sehr eingeschrankt. 1. ) Volksversammlung. Zur Theilnahme daran waren alle iiber 20 Jahre alten athenischen Burger berechtigt. Die drei Hauptrechte der Volksversammlung waren die Gesetzgebung, die Wahl der hochsten Beamten und Entgegennahme ihrer Rechenschaftslegung, die Ent- scbeidung liber Krieg und Frieden sowie iiber den Abschluss von Biindnissen. 2. ) Rath. Er bestand aus 400 Mitgliedern, die nur den ersten drei Classen entnommen vverden durften. Er bildete die berathende Behorde der Archonten und hatte auBerdem das Recht, iiber die der Volksversammlung vorzulegenden Antriige einen Vorbescbluss zu fassen und als hochste Regierungs- und Verwaltungsbehorde iiber alle Beamten und die Finanzen die Auisicht zu fiihren. Da er jahrlich erneuert wurde, entwickelte sicli in seinem SclioCe keine standige Politik. 3. ) Archontat. Daran 'anderte Solon nichts, es blieb ausschlieC- lich der ersten Classe vorbehalten. 4. ) Areopag, das alteste athenische Blutgericht. Solon bestimmte, dass nur Archonten, welche ihr Amt tadellos verwaltet hatten, auf Lebenszeit in den Areopag eintreten durften, und wies ihm folgende drei Rechte zu: er blieb der oberste Gerichtshof liber die schvversten Verbrechen, wie Mord, Brandstiftung, Landesverrath u. dgl.; er erhielt das Recht, das sittliche und religiose Leben der Burger zu iiber- wachen; endlich bekam er die Befugnis, Beschliisse des Rathes und der Volksversammlung, die ihm mit dem Staatswohle unvertraglich schienen, fiir ungiltig zu erkliiren. 5. ) Heliaa. Die Heliiia war ein Geschwornengericht, an vvelches von gewissen Entscheidungen der Ar«honten appelliert werden komite. Seine Mitglieder wurden aus iiber 30 Jahre alten, unbesclioltenen Biirgern aller Classen erlost. c) Bestimmungen iiber Sitte und Erziehung. Solon erliefi eine Menge von Vorschriften, die den sittlichen Zustand der Burger heben sollten. Besonders betonte er den Wert der Arbeit; niemand solite seines Gewerbes wegen verachtet werden, Miifiiggang wurde strenge bestraft. 64 Die Griechen. Solons Gesetze erstreckten sich aber auch auf die Erziehung, deren Ziel dio gleichmafiige Ausbildung des Korpers und Geistes war. Demnach zerfiel der gesammte Unterricht in Gymnastik, Grammatik und Musik. Der Ausbildung des Korpers dienten die Pal&stren, private Ringschulen fiir Knaben, und die Gymnasien, Staatsanstalten fiir Jiinglinge. Die Grammatik vermittelte die Kenntnis des Lesens und Schreibens; die Musik (Saitenspiel und Gesang) solite die Leidenschaften mafiigen und edlere Gefiikle entwickeln. Dem Elementarunterricbte folgte die Lectiire der Dichter, namentlich Homers. Von den Gymnasien abgesehen ward aller Unterricht in Privatschulen ertheilt; doch waren alle Eltern verpflichtet, fiir die Erziehung ihrer Kinder zu sorgen, widrigenfalls sie das Recht auf Altersversorgung durch die Kinder verloren. Mit dem 18. Lebens- jahre that der heranwachsende Burger Wa£Eendienste im Innern, mit dem 20. trat er in den Vollbesitz der Rechte und Pflichten eines Staatsbiirgers. Jeder Burger war verpflichtet, bei inneren Zwistigkeiten Partei zu ergreifen. b) Metoken und Solaven. AuBer den Biirgern gab es in Athen noch Metoken und Sclaven. Die Metoken waren Fremde, die sich langere Zeit in Athen aufliielten und besonders mit Gewerbe, Industrie und Handel beschaftigten. Sie mussten Kriegsdienste und Steuern leisten, durften aber keinen Grundbesitz erwerben; vor Gericht mussten sie sich durch einen Burger vertreten lassen. Die Sclaven waren theils in der Familie, theils im Geschafte des Herrn thatig, nur ausnahmsweise wurden sie als Ruderer auf Kriegsschiffen verwendet. Ihre Lage war verhaltnismafiig giinstig. Solon schiitzte sie durch eigene Gesetze gegen Misshandlungen. Das ganze Geschafts- und politische Leben des Alterthums ist durch die Sclaverei bedingt; denn die Sclaven besorgten unter der Uberwachung des Herrn die mechanische Arbeit und ermoglichten ihm die haufige Theilnahme an den Staatsgeschaften und die Be- werbung um die Amter, die zum Theile unbesoldet waren. Doch gab es auch zahlreiche freie Handwerker, Verkaufer und Arbeiter, die sich keine Sclaven halten konnten. Solons letzte Lebensjahre. Solon liefi die neuen Gesetze auf holzerne Pfeiler aufschreiben, welche auf der Burg aufgestellt wurden. Zugleich liefi er die Burger schworen, zehn Jahre lang an ihnen i Solonische Gesetzgebung. 65 nichts zu andern. Sodann begab er sich ins Ausland (Sage iiber sein Zusammentreffen mit Crosus). Die Zumuthung, die Tyrannis an- zunehmen, wies er mit Entschiedenheit zuriick, gegen Pisistratus ergriff er selbst noch die Waffen. Bald darauf starb er. 3. Die Tyrannis, 560 bis 510. Die gemafiigten Reformen Solons stellten keine vollige Befrie- digung in Attica her; am unzufriedensten waren die armen Hirten und Kohlenbrenner im Gebirge. An diese scliloss sich Pisistratus , ein Verwandter Solons, an und bemachtigte sich der Tyrannis. Die Fiihrer des Adels vertrieben ihn zweimal, aber seit dem Jahre 538 war seine Alleinherrschaft unbestritten. Pisistratus ist der Begriinder der athenischen Seemacht. Seine Herrschaft zeigt die typischen Ziige der Tyrannis: durch Biindnisse mit anderen Tyrannen befestigte er seine Stellung, durch Forderung von Handel und Gewerbe liob er die Einkiinfte des Staates, er begiinstigte die Baukunst und die Dichtkunst (der beriihmte Lyriker Anacreon lebte an seinem Hofe). Die solonische Verfassung lieB er bestehen, doch verlor die Volksversammlung alle Bedeutung und er selbst besetzte die Amter. Der Erbe seiner Machtstellung wurde sein Solin Hippias, der sich Willkiir und Ungerechtigkeiten zuschulden kommen lieB. Gegen ihn und seinen jiingeren Bruder Hipparch bildete sich eine Ver- schworung, der jedoch nur letzterer zum Opfer fiel. Seitdem regierte Hippias, um seine bedrohte Herrschaft zu behaupten, mit noch rucksichtsloserer Harte. Da verband sich der Adel mit den Spartanern gegen ihn, und so gelang es, den Tyrannen zu sturzen (510). Er fluchtete sich ins persische Reich. Hiemit ward die Tyrannis in Athen fiir immer beseitigt. 4. Die demokratischen Reformen des Clisthenes (509). Die Reformen des Clisthenes (509). Nach der Vertreibung des Hippias suchten die Adeligep. ihre friiheren Vorrechte wieder zu erlangen. Aber der Eupatride Clisthenes stellte die solonische Verfassung wieder her und bildete sie im Sinne der Demokratie weiter fort. 1.) Er zerlegte Attica in 30 Theile und vereinigte durch das Los je drei derselben zu einer Phyle; hiedurch wurde die altere Eintheilung der Bevolkerung in vier (Geschlechter-) Phylen, die bisher Grundlage der Verwaltung war, beseitigt. Wahrend in den alten Phylen die verwandten Geschlechter vereinigt varen, wurden jetzt Zeehe-Rebhann, Gesehichte de3 Alterthums. 5 560 — 510 . 538 . 510 . 509 . 66 Die Griechen. einander fremde Geschlechter zu einer Phyle vereinigt, so dass das Ubergewicht der adeligen Geschlechter gebrochen wurde, umsomehr, als Clisthenes in die zehn Phylen auch zahlreiche Metoken aufnahm. 2. ) Jede Phyle vvahlte 50 Vertreter in den Batli, der demnach jetzt aus 500 Mitgliedern bestand. Die Vertreter jeder Phyle, die Pry- tanen, iibernahmen abwechselnd je fiir den zehnten Theil des Jahres die Besorgung der Geschafte unter dem Namen der Prytanie. 3. ) Clisthenes begrundete auch das Scherbengericht oder den Ostra- cismus. Wenn ein Mann des Strebens nach der Tyrannis verdachtig schien, solite er durch eine Volksversammlung, an welcher minde- stens 6000 Burger theilnehmen mussten, auf zehn Jahre aus Athen verbannt werden. Die Abstimmung erfolgte in der Weise, dass die theilnehmenden Burger den Namen des betreffenden Mannes auf ein Thontafelchen (Ostrakon) schrieben, das sie dann in eine Urne legten. IV. Die Colonisation der Griechen. Es kommen hiebei vorziiglicli Veranlassung, Ort, Zeit, Betheili- gung der einzelnen Stamme und das Verhaltnis zum Mutterland in Betracht. Die wichtigsten Veranlassungen zur Ausfiihrung von Colonien war'en Ubervolkerung, innere Kampfe, Lust an Abenteuern und die Riicksicht auf den Handel. Zuerst setzten sich die Griechen im ostlichen Theile des Mittelmeeres fest, aus dem die Phonicier rasch verdrangt wurden, sodann auch im westlichen, wo ihre Thatigkeit spater vor den Romern fortgesetzt wurde. Im Anschluss an die dorische Wanderung dauerte die Colonisation Jahrhunderte hindurch fort; ihre Bliitezeit waren das 8. und 7. Jahrhundert. Am lebhaftesten betheiligte sich daran der leichtbewegliche jonische Stamm. Ungleich den romischen Colonien waren die griecliischen von der Mutterstadt vollstandig unabhangig, nur ein Pietatsverhaltnis, das sich namentlich im Cultus und in Festfeiern auBerte, bestand zwischen Mutter- und Tochterstadt. Wahrend der Perserkriege blieben die Colonien theilnahmslos. 1. Jonische Colonien. a) Europaisclie Jonier, namentlich die Athener und die Euboer. Athen wurde der Ausgangspunkt fiir die wichtigsten jonischen Colonien, namlich die Cycladen, Ephesus und Milet. Auf Euboa waren Eretria und Chalcis besonders thatig. Letzteres grundete auf der dreifingerigen Halbinsel zwischen dem thermaischen (Golf von Saloniki) und dem strymonischen Meerbusen (Golf von Orfani) 32 Stadte, weshalb sie den Namen Chalcidice Colonisation. 67 erhielt. Auch die angeblich alteste Colonie in Unteritalien, Cuma, wurde von Euboa aus gegriindet; ebenso Zancle auf Sicilien, das spater von Messeniern besetzt und deslialb Messana genannt wurde. h) Asiatische Jonier, namentlich Milet. Milet soli mebr als 80 Colonien an den getreidereicben Ktisten der pontisclien Gewiisser angelegt haben. Von diesen wurde Sinope selbst wieder Ausgangs- punkt zahlreicber Pflanzstadte. Im Norden des scbwarzen Meeres waren besonders die Flussmiindungen giinstige Platze; hier bliihte im Alterthum infolge des Getreidehandels Olbia, wi» beutzutage das nahe gelegene Odessa. Phocaa griindete das wichtige Massilia (Marseille). 2. Aolisch-achaische Colonien. Im O sten breiteten sie sich iiber den nordwestlichen Tbeil Kleinasiens aus; es waren dies liaupt- sachlich Ackerbau-Colonien. Von Lesbos und Cyme (bei Phocaa) aus wurden allmahlich Troas und Mysien besetzt. Im Westen, in Unteritalien, legten die Aolier und Achaer bltiliende Handels- Colonien an, so namentlich Sybaris, Croton und Locri. 3. Dorische Colonien. Die Dorier besetzten zuerst die siidlichen Inseln des Archipels und das siidwestliche Kleinasien, spater wendeten sie sich nach dem Westen. Am wichtigsten war die colonisierende Thatigkeit Coi-inths, Megaras, Spartas und Theras (Santorin). Corinth legte Colonien an auf den jonischen Inseln, namentlich auf Corcyra (Corfu), dem Knotenpunkt aller Seewege im jonischen Meere. Von hier aus fuliren die Corinther tlieils nordlich zu den Ulyriern, theils westlich nach Italien und Sicilien (Syracus). Megara colonisierte das wichtige Byzanz, Sparta Tarent. Von Thera aus \vurde auf dem Plateau von Barka Cyrene gegriindet. Bedeutung und Entwickelung der Colonien. Durch die zahlreichen griechischen Colonien verbreitete sich griechische Bildung iiber die Gestade des ganzen Mittelmeeres. In den meisten entwickelte sich ein bliihendes Industrie- und Handelsleben, das in Kiirze grofien Wohlstand und infolgedessen Woli)leben und Luxus hervorrief. Die Colonien entwickelten sich in mancher Bezichung rascher als das Mutterland. Hier finden wir die ersten Tyrannen (in Milet schon vor 700), Um 700. die ersten schriftlichen Gesetzgebungen, die friihesten hervorragenden Leistungen auf dem Gebiete der Literatur, namentlich in der epischen und lyrischen Poesie, in der Philosophie und Geschichtschreibung, und ebenso in der bildenden Kunst. 68 Die Griechen. V. Nationale Einigungsmittel. Je weiter sich die Griechen ausbreiteten, desto groBer war die Gefahr, dass sie auf fremdem Boden ilire nationale Eigenart einbiifiten. Davor bewahrte sie vor allem ihre allen anderen Volkern iiberlegene sittliche und geistige Bildung, deren Vorziige sie gerade in der Fremde besonders schatzen lernten. Aufierdem wirkten hauptsachlich drei Einricbtungen einigend: das delpbiscbe Orakel, die Amphictyonien und die groben Nationalspiele. 1. Das delphische Orakel und seine Bedeutung. Delphi lag in einer groBartig wilden Gegend am siidwestlichen Abhange des Parnass. Aus einem Erdspalte stiegen gasartige Dampfe empor, denen begeisternde Wirkung zugeschrieben wurde. Uber diesem Schlunde stand der goldene Dreifufi der Seberin Pythia, welche einzelne Worte ausstieB, aus denen die Priester zusammenhangende Satze, gewobnlich in Hexametern abgefasst, bildeten. Die Orakel- spriiche waren meistens unbestimmt und doppeldeutig gebalten. Urspriinglich ein Heiligtbum von localer Bedeutung, wurde Delphi durch die Dorier zur national-hellenischen Statte der Mantik emporgehoben, an welcbe sicb die Griechen (aucb Nicht-Griechen, z. B. Crosus) in allen wicbtigen Angelegenbeiten, wie: Ausfiibrung von Colonien, Anderung der Verfassung, Beilegung von Streitig- keiten griecbiscber Staaten untereinander u. s. w., um Rath wendeten. Dadurch wurde es fiir das 8. bis 6. Jahrhundert zum religiosen und auch politischen Mittelpunkte des Volkes. Allmahlich verlor das Orakel an Bedeutung, seitdem die Priester sicb bestecben liefien, und als sie in den Perserkriegen vom Kampfe gegen den Nationalfeind abriethen, war sein Einfluss vollig dahin. 2. Die Amphictyonien. Die Griechen verstanden darunter einen Bund der Nachbarn (Amphictyonen) zum gemeinsamen Schutze eines Heiligthums und zur gemeinsamen Abbaltung eines religiosen Festes. Am beriihmtesten wurde die delphische Amphictyonie, die sich um das Heiligtbum Apollos bil dete und scbon im 7. Jahrhunderte fast alle Stamme des Mutterlandes umfasste. Sie bescbrankte sich nicbt auf den religiosen Zweck, sondern strebte dariiber hinaus aucb die Auf- rechtbaltung gewisser Regeln im Verkehre zwischen den amphictyo- nisclien Staaten an. So verpflichtete z. B. der Amphictyoneneid die Mitglieder, keine verbiindete Stadt von Gruud aus zu zerstoren und keiner im Kriege das Wasser abzuscbneiden. Die Nationalspiele. 69 3. Die Nationalspiele. Kein Volk hat der Ausbildung der korperlichen Krafte so viel Aufmerksamkeit zugewendet wie die Griechen. Mit den korperlichen Ubungen war aber audi geistiges Ringen verbunden. Der Preis der hocbgefeierten Sieger bestand in einem Kranze, der aus den Zweigen desjenigen Baumes geflochten wurde, welcber dem betreffenden Gotte geweibt war. Die beriihmtesten Spiele waren die olympischen. Sie wurden im Tempelbezirke von 01ympia in Elis abgehalten und waren von zweierlei Art, und zwar: a) Gymnastische Spiele im Stadium (192 m lang). Sie bestanden urspriinglich aus dem einfachen Wettlaufe, spater aus dem Pentaihlon, d. i. Fiinfkampfe, der den Weitsprung, den Speerwurf, den Lauf, das Discuswerfen und den Ringkampf umfasste. Der Discus war eine linsenformige metallene Scheibe. Spater kam noch das Pancration, d. i. Ring- und Faustkampf verbunden, hinzu. b) Ritterliche (circensische) Spiele im Hippodrom (Rennbahn). Sie kamen im 7. Jahrhunderte hinzu und sind ein Ausdruck der bedeutend gesteigerten Macht der Adelsgeschlechter (vgl. die mittel- alterlichen Turniere). Sie bestanden uvesentlich in Wettfahrten mit dem Viergespann, wozu spater auch das Wettreiten kam. Die olympischen Spiele fanden alle vier Jabre statt, weshalb der Zeitraum von einer Festfeier zur anderen, 01ympiade genannt, seit dem 3. Jahrhunderte von den Griechen allgemein zur Jahres- zahlung benutzt wurde. Als Ara galt das Jahr 776, in welchem die Namen der Sieger zum erstenmal aufgeschrieben wurden. Die drei iibrigen Nationalspiele sind die nemeischen, welche in Nemea zu Ehren des Zeus, die isthmischen, welche auf dem Isthmus von Corinth zu Ehren des Poseidon, und die pythischen (delphischen), welche in Delphi zu Ehren Apollos gefeiert wurden. Bei den letzteren waren Wettkampfe im Spiele auf der Kithara und der Flote, den zwei wichtigsten Instrumenten der griechischen Musik, die Hauptsache. VI. Literatur und Kunst. In diesem Zeitraume gelangt das hellenische Wesen anstelle der friiheren uberm&chtigen orientalischen Einflusse zu selbstandiger Ent\vickelung (S. 51). Die literarische und klinstlerische Thatigkeit dieser Zeit geliort zum weitaus groBten Theile Kleinasien und den Inseln im Archipel an. Die Kunst steht wesentlich noch im Dienste der Religion. 776 . 70 Die Griechen. A. Literatur. Bei den Griechen gelangte zuerst die Poesie, erst spater auch die Prosa zur Entwickelung. 1. Epos. Uber Homer und Hesiod siehe S. 53. Das Epos wurde, freilich mit abnehmender Kraft, noch bis zum Schlusse dieses Ab- schnittes gepflegt, indem bei Homer nur angedeutete SagenstofEe weiter ausgefiihrt wurden. Von diesen Werken sind nur wenige Bruch- stucke erhalten. Die Pflege des Epos fallt zusammen mit der Zeit der Aristokratie; es ist die poetische Hauptthat der Jonier. Al s Fabeldichter zeichnete sicli Asop aus, ein Zeitgenosse Solons, doch ist sein Leben durchaus sagenhaft. Die unter seinem Namen erhaltene Sammlung gehort ein er viel spateren Zeit an. 2. Lyrik. Die Bliite der Ljrik, die bei den Griechen mit Musik (Saiten- und Flotenspiel) und haufig auch mit Tanz verbunden war, fallt hauptsachlich mit der Zeit der Tyrannis zusammen. Auch sie nahm ihren Ausgang bei den Joniern, erreichte aber ihren Hohepunkt bei den Aoliern und Doriern. Von der griechischen Lyrik sind nur wenige Uberreste auf uns gekommen. Den Ubergang vom Epos zur Lyrik bildete die Elegie. Die griechische Elegie hat mit der modernen nur den Namen gemein. Dem Inlmlte nach war sie urspriinglich, ahnlich dem Epos, liber- wiegend kriegerisch; die Form ist das Distichon, d. h. die Verbindung von Hexameter und Pentameter. Die altesten Elegiendichter sind Tyrtaus, Solon und Tlieognis . Aus der Elegie entstand das kiirzere Epigramm, das ebenfalls in Distichen abgefasst war, ursprtinglich eine poetiscli6 In- oder Auf- schrift. Der grofite Meister auf diesem Gebiete war der Jonier Simonides von Keos, welcher in der Zeit der Perserkriege lebte. Auf dem Gebiete der eigentlichen Lyrik waren beriihmt: Arion Um 600. (um 600) am Hofe des Tyrannen Periander von Corinth, der etwas jiingere Ibycus aus Bhegium in Unteritalien, Alcaus und Sappho auf Um 600. Lesbos (beide um 600), der etwas jungere Jonier Anacreon (S. 65) Um 480. und der Thebaner Pindar (um 480), von dem wir namentlich viele Loblieder auf die Sieger in den Wettkampfen erhalten haben. B. Kunst. Auch die Kunst wurde zuerst besonders in Jonien und auf den Inseln getibt. Die Malerei spielt in diesem Zeitraume noch keine selbstandige Rolle. Kunst. 71 1. Baukunst. Auch in Griechenland ist der Tempelbau am wichtigsten. Der alteste erhaltene Tempel Griechenlands ist das Heraum in 01ympia (8. Jahrh.). a) System des Tempelbaues. Der griechische Tempel, der sich regelmafiig auf Stufen erliebt, ist im wesentlichen ein Scliutzliaus fiir das Gotterbild und daher im Vergleiche mit der christlichen Kirclie klein. Der Grundriss bildet ein Rechteck mit dem Eingang an einer Schmalseite; die zwei Haupttheile sind die Celi a, d. b. der Raum, in welchem das Gotterbild stebt, und zu dem noch eine Vorhalle und ein Hinterraum kommen konnen, und die Saulen , welche das Gebiilk und das Giebeldacb tragen und haufig als Halle die Cella umgeben. Das Gebalke bestebt aus drei Haupttbeilen, namlicli dem Archi- trav, einer unmittelbar iiber den Saulen aufliegenden Steinbalkenlage, dem Friese und dem Geison (Kranzgesimse), das zum Scbutze des Gebaudes weit vorragt. An den beiden Scbmalseiten bildet das Dacb Ulit dem Kranzgesims ein dreieckiges Giebelfeld, das mit Statuen gescbmuckt ist. b) Der dorische und der jonische Stil. Der Hauptunterschied zwiscben beiden beruht in der Verscbiedenheit der cannelierten, d. b. mit boblen Streifen versehenen Saulen. Der doriscbe Stil ist einfacher. In der dorischen Ordnung bestebt die Saule aus dem Schafte (obne Basis) und dem Capital, letzteres wieder aus zwei Theilen: dem Wulste (Echinus) und der Platte (Abacus). Die doriscbe Situle ist kiirzer und gedrungener als die jonische, entsprechend dem ernsteren dorisclien Wesen; sie misst in der Ilohe funf bis sechs untere Durchmessei'. Beim Gebalk ist besonders die eigentliumliche Bildung des Frieses zu erwitbnen. Er bestebt namlich aus den Triglyphen und den Metopen; erstere, iiber den Saulen und in der Mitte zwischen je zwei Saulen angebracht, sind kleine Pfeiler mit je zwei ganzen uud zwei halben senkrechten Einschnitten, letztere sind Steinplatten, welcbe mit Reliefs gescbmuckt sind. Bei der jonischen Ordnung besteht die Saule aus den drei Theilen: D as is, Scliaft und Capital, das letztere wieder aus zwei Theilen; einem kleineren Echinus und den Voluten (Scbneckenwindungen)- Ikre Hohe betragt acbt bis neun untere Durchmesser. Der Fries kesteht aus gleicbmabig aneinander gereibten Steinbalken, welche ^it Reliefs gescbmuckt sind. c) Polychromie. Die Freude an der Farbe, welche dem ganzen Orient und dem christlichen Mittelalter eigeiithiimlich war, finden 72 Die Griechen. wir auch bei den Griechen: sie bemalten ihre Gebaude und Marmor- statuen.' Solange sie mit Tuff und Kalkstein bauten, legten sie der Be- malung ein warmes Roth zugrunde und verkleideten die oberen Theile des Gebalkes mit gelben und schwarzen Terracotten. Seit sie infolge der Eroffnung Agyptens im 7. Jahrhunderte mit dem reinen Marmor- bau begannen, wurde namentlich Hellblau und Roth verwendet. 2. Plastik. Fiir das Studium des menscklichen Korpers, dessen Darstellung die Hauptaufgabe der Plastik ist, waren der eifrige Besuch der Ringschulen und die Gegemvart der Kiinstler bei den National- spielen, welche die Bliite des Volkes versammelten, besonders gunstig. In diesem Zeitraume machte aber den Kiinstlern die tecbuische Aus- fiihrung noch grobe Schwierigkeiten. Im 7. Jahrhunderte trat anstelle des Lothens der Erzplatten die Technik des Erzgusses, und ungefahr gleichzeitig, wieder infolge des lebhafteren Verkehrs mit Agypten, begann der Aufschwung in der Verwendung des Marmors; beide Techniken wurden wieder zuerst auf den Inseln gepflegt. Es wurden damals Werke der religiosen und der profanen Plastik geschaffen. Nachdem die Griechen die Stufe der Symbole uberschritten hatten, schufen sie zuerst aus Holz, spater aus Erz und Marmor Gotterbilder, deren alteste unter dem Einflusse der agyptischen Plastik (S. 9) einen feierlich-ernsten Charakter an sich tragen. Man nennt diesen Stil den archaischen. Dagegen schuf die profane Plastik belebtere und naturwahrere Gestalten, seit es Sitte wurde, den Siegern in den Nationalspielen Statuen zu errichten. HDritter Zeitraum. Vom Beginne der Perserkriege bis zur Begriindung der macedonischen Hegemonie, 500 bis 338. Bliitezeit des Volkes. Er s ter Abschnitt: Vom Beginne der Perserkriege bis zum Anfange des peloponnesisclien Krieges, 500 bis 431. Zeit der Demokratie, Hegemonie Athens. 500—449. I. Die Perserkriege, 500 bis 449. Die Perser besaben eine ungeheure Uberlegenheit an /jnanzieller und militarischer Kraft, kampften aber ohne Begeisterung, nur durcli das Machtgebot ihres Konigs gezwungen. Die Griechen, Burger freier 1 Die Farblosigkeit der Gebaude und Statuen in der neueren Zeit wurde dadurch veranlasst, dass die ausgegrabenen antiken Kunstwerke entfarbt waren. Die Perserkriege. 73 Gemeimvesen, traten in voller Wertschatzung ihrer sittlichen und geistigen Cultur und daher mit gehobenem Muthe in den Kampf ein; auch waren sie ihren Feinden an Kriegskunst und in der Bewaff- nung iiberlegen. Daneben fin den wir infolge der Zersplitterung der Griechen freilich aucli Mangel an Ausdauer, Uneinigkeit und sogar Bestechlichkeit. Die grofiten Verdienste erwarb sich in diesem Kri ege At h en. Die Ursache des Krieges war die Eroberungslust des persischen Konigs, die Veranlassung dazu die Unterstiitzung der aufstandischen Jonier durch Griechen des Festlandes. A, Der Aufstand der Jonier, 500 bis 494. Die grieehischen Stadte Kleinasiens erfreuten sich unter der Herrschaft der Perser eigener Verwaltung, doch wurden sie von sogenannten Tjrannen iiberwacht, welche den Persern ergeben varen. Ein solcher Tyrann war auch Histiaus von Milet, der zum Danke fiir die Errettung des Darius und seines Heeres ein Sttick Land in Thracien erhalten hatte, dann aber infolge Verdaclitigung an den persischen Hof berufen worden war, wo er in einer Art ehrenvoller Gefangenschaft lebte. Von hier aus forderte er Aristagoras, seinen Schwiegersohn und Nachfolger in der Tyrannis von Milet, auf, die Jonier zum Abfalle von den Persern aufzureizen. Wahrend die Jonier, an welche sich die aolischen und dorischen Stadte grofitentheils anschlossen, die Tyrannen vertrieben, wendete sich Aristagoras an die Griechen des Mutterlandes um Hilfe, erhielt jedoch nur von Athen und Eretria eine geringe Anzahl Schiffe. Nachdem die Jonier und die Athener Sardes niedergebrannt hatten, zogen sie sich vor den verfolgenden Persern gegen die Kiiste zuriick and wurden zu Lande bei Ephesus geschlagen; auch die Flotte der Aufstandischen wurde besiegt, worauf Milet erstiirmt und nieder¬ gebrannt wurde. Plistiaus ward von den Persern gekreuzigt, Arista¬ goras, der entkam, fiel im Kampfe" gegen die Thracier. Darius beschloss nun, sich an den europaischen Griechen zu rachen. B. Die Griechen in der Vertheidigung, 492 bis 479. Erster Kriegszug der Perser im Jahre 492. Die Perser unternahmen den ersten Kriegszug zu Lande — durch Thracien und Macedonien — unter der Anfuhrung des konig- lichen Schwiegersohnes Mardonius. Er erreichte sein Ziel iiberhaupt 500 - 494 . 492 — 479 . 492 . 74 Die Griechen. 490 . 480 und 479. nicht; das Landheer erlitt im Kampfe mit den Tliraciern grofie Verluste, die begleitende Flotte scheiterte am Berge Athos. Der einzige Gewinn war die Unterwerfung der Kiisten Thraciens und Macedoniens. Zvveiter Kriegszug der Perser i. J. 490; Miltiades. Vorerst schickte Darius an die einzelnen griecliischen Staaten Gesandte, welche von ihnen Erde und Wasser als Zeichen der Unter- werfung verlangen sollten. AVahrend die meisten sich fiigten, wurden in Sparta und Athen die Boten des Konigs getodtet. Um dem Miss- gescbicke des ersten Zuges zu entgehen, wurde der zweite unter der Anfiihrung des Datis und des Artaphernes zur S e e unternommen; sie hatten den Befebl, die Inseln im agaischen Meere zu uuterwerfen, Athen und Eretria zu ziichtigen und Hippias zuriickzufiihren. Nachdem Naxos und Eretria genommen waren, schiffte die Flotte liber den Euripus nach Attica und landete bei Marathon. Hier wurden die Perser trotz ilirer Ubermacht von 9000 Atbenern und 1000 Pla- taern — die Spartaner hatten die erbetene Hilfe nicht geschickt — unter Flihrung des Miltiades besiegt und zum Abzuge veranlasst. Da der Versuch, Athen von der Seeseite her zu iiberrumpcln, miss- lang, trat die persische Flotte die Eiickfahrt an, auf welcher Hippias starb. Miltiades, damals der einflussreichste Mann in Athen, unternahm mit der Flotte, welche ihm seine Mitbiirger zur Verfugung stellten, einen Zug gegen Paros, weil es sich auf Seite der Perser geschlagen hatte; der Zug misslang, Miltiades wurde schwer verwundet und starb im Staatsgefangnisse, da er den Ersatz der Kriegskosten, wozu ihn das Volk verurtheilt hatte, nicht leisten konnte. Dritter Kriegszug der Perser, 480 und 479. 1. Vorbereitungen zum Kriege in Athen und im Peloponnes; Themistoeles und Aristides. Nach dem Tode des Miltiades waren in Athen die angesehensten Manner Themistoeles und Aristides. AValirend der letztere, ein conservativ gesinnter Staatsmann, an der bisherigen Entwickelung Athens festhielt, betrieb ersterer, ein kiihner, an Rath und Erfindung unerschopfiicher Mann, mit allem Eifer die Umgestaltung Athens zu einer Seemacht. Er siegte liber seinen Gegner, der durch das Scherbengericht verbannt wurde. Da die Burger das Ertragnis der laurischen Silbergruben fiir die Die Perserkriege. 75 Flotte bestimmten, so hatten die Athener beim Wiederbeginne des Krieges verhaltnismafiig die meisten Trieren (Schiffe mit drei Reihen von Ruderbanken). Naclidem Xerxes, der Solni und Nacbfolger des Darius, einen Aufstand in Agypten unterdriickt hatte, fiihrte er seine ungeheure Landmacht, angeblicli 1,700.000 Mann FuBvolk und 80.000 Reiter, iiber den Hellespont durch Tliracien und Macedonien, wahrend sie die gewaltige Flotte, angeblich 1200 Fahrzeuge, in der Nahe der Kiiste begleitete. Unter dem Eindrucke der groben Gefahr vereinigten sich trotz der abratbenden Mahnung des delpiiisclien Orakels die Spartaner (mit ihrem Bunde) und die Athener zur gemeinsamen Abwehr des Feindes. Sparta erhielt den Oberbefehl. 2. Kampfe in den Thermopylen und bei Artemisium; Leo- nidas. Wegen der Unverlassliclikeit der thessaliscben und mittel- griechischen Bevolkerung wurde der erste Beschluss, den Tempepass zu vertheidigen, aufgegeben, und erhielt der spartanische Konig Leo- nidas den Befehl, den Thermopylenpass, ebenfalls eine vorzugliche Vertheidigungsstellung, zu halten, bis in seinem Riicken die Griechen e in grofieres Heer aufgestellt hatten. Mit etwa 7000 Hopliten, unter denen sich 300 Spartaner, 700 Thespier und 400 Thebaner 1 befanden, vertheidigte Leonidas den Engpass gegen die wiederholten Angriffe der Perser, bis sie ihm infolge des Verrathes des Ephialtes auf einem Gebirgssteig iiber den Ota in den Riicken kamen. Um un- Piitzes BlutvergieBen zu vermeiden, entlieb er den groGten Theil seines Heeres, zu dessen Deckung er mit seinen Spartanern, den Thespiern und den Thebanern den Heldentod starb. 2 Infolge des Verlustes der Thermopjden verliefi die griechische Flotte ihren Standplatz bei Artemisium, wo sie der feindlichen Flotte zweimal bedeutende Verluste beigebracht hatte, und zog sich in die Bucht 'fon Salamis zuriick. Die persischen Streitkrafte riickten nunmehr z u Wasser und zu Lande gegen Attica vor. 3. Seeschlacht bei Salamis. Die Athener raumten in grobartiger Entschlossenheit ilire damals nocli offene Stadt und brachten die 1 Theben wurde von meilisch gesinnten Oligarchen regiert. Die 400 aber Sehorten der nationalen Partei der Stadt an. 2 Den Ruhm der Gefallonen verkundete ein steinerner L8we und die In. Sclirift auf ihrem Grabe : « Wanderer, kommst du nach Sparta, verkundige dorten, du habest Uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz uns befahl.» 480. 480 . 76 Die Griechen. 479 . nicht vraifenfahige Bevolkerung und ihre bewegliche Habe nach dem Istbmus, wahrend die Waffenfahigen sich auf die Flotte begaben, die Themistocles als «die rettende holzerue Mauer* des Orakels deutete. Nun zerstorten die Perser Athen. Angesichts der feind- lichen Ubermacht waren die Griechen nahe daran, aus Kleinmuth sich in den Peloponnes zuriickzuziehen. Da veranlasste Themistocles, welcher sich jetzt mit Aristides versohnte, durch die Mittheilung, dass sich die Griechen zerstreuen wollten, den Perserkonig zum Angriffe, den dieser mit der Besetzung der schmalen Ausgange zu beiden Seiten der Insel Salamis begann. In den engen Gewassern waren die kleinen, leichtbeweglichen Schiffe der Griechen im Vor- theile, dazn kam die iiberlegene Leitnng und die Begeisterung der Griechen, die in den Einzelkampfen, in welche sich die Seeschlacht aufloste, vollstandig siegten. Die Flotte und der groBte Theil des Landheeres der Perser trat mit dem Konige den Riickzug an; doch wurde Mardonius mit 300.000 Mann Kerntruppen zuriick- gelassen, um mit Beginn des nachsten Frtihjahres den Kampf zu erneuern. 4. Die Schlachten bei Plataa und am Vorgebirge Mycale. Nachdem die Athener die persisclie Zumuthung, ihre Sache von der der ubrigen Hellenen zu trennen, entschieden zuruckgewiesen hatten, fiel Mardonius aus seinen Winterquartieren in Thessalien abermals in Attica ein, und Athen, das, nur nothdiirftig wieder aufgebaut, von seinen Bewohnern neuerdings verlassen \vorden war, gieng zum zweitenmal in Flammen auf. Jetzt riickten endlich auch die Spar- taner mit dem Buudesheer unter Pausanias, dem Vormunde des minderjahrigen Sohnes des Leonidas, heran, wahrend sich Mardonius nach Bootien zuriickzog. Mit 110.000 Mann, dem groBten Heere, das Griechenland je aufgebracht hat, hesiegten die Griechen bei Plataa das dreifach iiberlegene feindliche Ileer, das zum groBten Theil e vernichtet wurde; auch Mardonius fiel im Kampfe. Nach der Schlacht bei Salamis fuhr die griechische Flotte unter der Anfiihrung des spartanisclien Konigs Leotychides und des Atheners Xanthippus nach Jonien, dessen Bevolkerung abermals zum Abfalle geneigt var. Angeblich an dem Tage der Schlacht bei Plataa siegten die gelandeten Griechen bei Mycale, iufolgedessen die Perser Jonien raumten, das somit befreit war. Ergebnis. Durch den bisherigen Verlauf des Krieges waren die Griechen so erstarkt, dass sie nunmehr zum Angriff iibergehen konnten. Die Perserkriege. 77 C. Die Grieehen im Angriffe, 479 bis 449. 1. Eroberung von Byzanz; Pausanias. Da die Grieehen un- moglich daran denken konnten, die Perser zu Lande anzugreifen, so musste die Bedeutung der Kriegsflotte und damit die der Athener steigen. Zunachst handelte es sich fiir die Grieehen darum, sich in den thracischen Gewiissern und im siidlichen Kleinasien oder auf Cypern festzusetzen, um einem neuen persisehen Heere den Weg nach Griechenland zu versperren. Nachdem Pausanias den groBten Theil Cyperns gewonnen hatte, eroberte er auch das wichtige Byzanz. Als er sich aber in lioch- verratherische Unterhandlungen mit dem persisehen Hofe einlieB, um sich mit dessen Hilfe von der Ubermacht der Ephoren zu be- freien, wurde er von diesen abberufen und fand bald darauf in Sparta ein gewaltsames Ende. Die Fiihrung der griechisclicn See- macht gieng nun auf die Athener iiber, die damals von Aristides und Cimon, dem Sohne des Miltiades, geleitet wurden, vahrend sich die Spartaner, unwillig iiber die steigende Macht Athens, von der weiteren Theilnahme am Kriege ganzlich zuriickzogen. Durch die Fiirsorge des Themistocles vvurde Athcn beiestigt, der Piraus zum Haupthafen umgestaltet und die Flotte hedeutend vermehrt. 2. Begriindung der athenischen Hegemonie zur See; die Schlachten am Eurymedon und bei Salamis; Cimon. Die jonischen Inseln und Kiistenstadte schlossen sich an Athen an und anerkannten dessen Hegemonie (476). Der Mittelpunkt des neuen Bundes, einer Art Amphictyonie, wurde das Apollo-Heiligthum auf Delos, wo der ge- meinsame Bundesschatz hinterlegt wurde. Der gerechte und maBvolle Aristides ordnete die Beitrage der einzelnen Bundesglieder an Geld, Schiffen und Mannschaft, der tapfere und freigebige Cimon setzte an der Spitzo der Bundesflotte den Kampf gegen die Perser fort, die er aus den letzten von ihnen besetzten Punkten im agaischen Meere vertrieb, dann in den cyprischen Gewassern aufsuchte und am Eury- medon vollstiindig besiegte (465). Nachdem die Athener sodann einen neuerlichen Aufstand der Agypter unterstiitzt batten, versuchten sie die ganzliche Verdrangung der Perser aus Cypern. Bei der Belagerung der Stadt Citium fand Cimon den Tod; gleich darauf siegte die athenische Flotte bei Salamis (449) — der letzte grofie Kampf im 50jalirigen Ringen. Wohl fanden auch jetzt noch einzelne lcleine ZusammenstčBe zwiscben den beiden Volkern statt, doch sind wir daruber nicht naher unterrichtet; ebensowenig wissen wir etwas von einem Friedensschlusse. 479 — 449 . 478 . 476 . 465 . 449 . 78 Die Griechen. Die wichtigsten Folgen der Perserkriege. 1.) Die kleinasia- tischen Griechen waren frei; 2.) Atlien wurde durch die Aufriehtung der Hegemonie zur See die zweite GroBmacht Griechenlands; 3.) Griechenland erreichte den Hohepunkt seines geistigen und kiinst- lerischen Schaffens, und Athen wurde die geistige Hauptstadt der Nation; 4.) die Eifersucht der Spartaner gegen Athen war erwacht und bestimmte den Fortgang der politischen Ereignisse; 5.) in Athen kommt die schrankenlose Demokratie zum Siege. Die Zeit, in welcher diese Folgen der Perserkriege zutage traten, nennen wir das Zeitalter des Pericles. II. Das Zeitalter des Pericles, 467 bis 429. Charakter des Pericles. Aristides und Themistocles waren in den 60er Jahren gestorhen; der erstere im Vollbesitze des Ver- trauens seiner Mitbiirger, der letztere als Gast des persischen Konigs, nachdem er wegen seines Prahlens aus Athen verbannt, auBerdem von den Spartanern des Einverstandnisses mit dem Perserkonige verdachtigt und deshalb verfolgt worden war. Die conservative Richtung des Aristides setzte Cimon, die demokratische des Themi¬ stocles aber Pericles fort. Dieser, der Sohn des Xanthippus, vereinte mit dem Adel der Geburt auch liohen geistigen Adel, der namentlich in der begeisterten Pflege der Literatur und Kunst zum Ausdrucke kam. Ein ausgezeichneter Staatsmann, bedeutender Feldherr und grofier Redner, widmete er seine reichen Geistesgaben dem Wohle seiner Vaterstadt, welche unter seiner vieljahrigen, zuletzt auch von den Aristokraten anerkannten Leitung ihre politische, geistige und materielle Bliite erreichte. A. Die innere Politik des Pericles. a) Die Verfassung Athens. 1. Stellung des Pericles. Pericles war ein entschiedener und aufrichtiger Anhanger der Demokratie, deshalb vertraute ihm das Volk und ordnete sich willig seiner iiberlegenen Bildung und staats- mannischen Einsicht unter. Es erwaklte ilm durch viele Jahre zum ersten Feldherrn, als welcher er die aufiere Politik leitete und die Volksversammlung beriel; er fiihrte als Schatzmeister die Aufsicht iiber die Staatscasse und sammtliche Finanzbeamte, auch war er Leiter der dffentlichen Bauten. Wie ein Monarch regierte er bis zu seinem Tode den athenischen Staat. Zeitalter des Pericles. 79 2. Vollendung der Demokratie. Pericles vollendete den demo- kratischen Ausbau der Verfassung. a) Der Areopag wurde auf die Blutgerichtsbarkeit beschrankt und die Aufsicht iiber die Gesetzgebung und Verfassung der Heliaa iibertragen. b) Die Geschwornen erbielten fiir die Zeit ilirer Inanspruchnahme bei den Gerichten einen taglichen Sold ausbezalilt. Sclion friiher war den armeren Biirgern Kornvertheilung auf Staatskosten bewilligt worden; spater kam nocb der Sold fiir die Theilnahme an den Verhandlungen des Rathes und der Volks- versammlung sowie das Theatergeld hinzu, welch letzteres auch den armeren Biirgern die Mčiglichkeit bot, an den edelsten, Geist und Gemiith bildenden Vergniigungen Athens theilzunehmen. b) Die Verwaltung Athens. 1. Staatseinkiinfte. Die seclis \vichtigsten regelmaBigen Ein- kiinfte waren die Zolle, die Steuer bei jedem Kaufe, die Erwerb- steuer der Metoken, der Ertrag aus den verpachteten Bergwerken und Grundstiicken, die Strafgelder und Tribute der Bundesgenossen. Fiir Kriegszwecke wurde eine auflerordentliche Vermogenssteuer ein- gehoben, die besonders die Reicheren traf. 2. Miinzwesen. Das griecbische Gewicbts- und Miinzsystem ist vom babylonischen abhangig. Das scbwere aginatische Talent (= 36 kg) war das altere, das leiclitere euboiscbe (— 26 kg), welclies unter Solon aucb in Atben eingefiilirt wurde und gewohnlich das attische biefi, das jiingere. Das attische Talent (ungefiilir 5400 Kronen) zerfiel in 60 Minen, die Mine in 100 Draclimen zu 6 Obolen. Die Athener hatten, wie die Griechen iiberliaupt, Silberwhlirung. Die gewohnliche Miinze war die Draclime. B. Die auBere Politik des Pericles. 1. Die Beziehungen zu Sparta; der dritte messenische Krieg (464 — 455). Wahrend Cimon, dem Pericles die Fortsetzung des 464 — 455 . Kampfes mit den Persern iiberlie.fi, trotz der zwisclien Athen und Sparta bestehenden Spannung auf ein Biindnis mit diesem Staate hinarbeitete, bereitete Pericles Athen fiir den entsckeidenden Krieg mit Sparta vor, den er als unvermeidlich voraussah. Die Spannung zwischen den beiden griechiscben Grofimachten kam im dritten messenischen Kriege zum Ausbruche. 80 Die Grieclien. Eben wollten die Spartaner die Insel Thasos, welche vom athenischen Bunde abgefallen war, durch einen Einfall in Attica unterstiitzen, als sie durch ein heftiges Erdbeben, das Sparta in einen Schutthaufen verwandelte und die Messenier und Iieloten zur Erhebung reizte, in die grofite Noth versetzt wurden. Da wendete sicb Sparta an Atben um Bundeshilfe, die ihm auch auf Anrathen Cimons gewahrt wurde. Cimon selbst fiihrte ein atheniscbes Hilfs- corps nacb Messenien, docb wurde es von den Spartanern aus Misstrauen wieder zuruckgeschickt. Daruber entstand eine grobe Aufregung in Atben, und Cimon wurde verbannt (nach fiinf Jahren wurde er auf Anregung des Pericles wieder zuriickberufen). Als sich die Messenier endlich ergeben mussten und freien Abzug erbielten, wurden sie von den Atbenern in Naupactus angesiedelt. 2. Ausbreitung der athenischen Hegemonie zu Lande und zur See. Die Athener versuchten vergebens, ihre Hegemonie auch iiber einen Theil des Peloponnes und Mittelgriechenlands auszubreiten. Von den Spartanern wurden sie (457) bei Tanagra, von den The- banern (447) bei Coronea geschlagen, und so musste Pericles froh sein, dass Sparta einen 30jahrigen Frieden zugestand, wodurch der beiderseitige Besitzstand anerkaunt wurde. Umso gltickliclier war Athen in der Festigung seiner Stellung zur See. Da die Bundesgenossen lieber Geld als Schiffe stellten, tibernahm Athen die Sorge fiir die Kriegstiicbtigkeit der Flotte, die allmahlich eine athenische wurde. Die demokratische Partei setzte es ferner durch, dass 1.) der Bundesschatz von dem offenen Delos nach Athen iibertragen, 2.) die Jahresbeitrage erholit und 3.) die Bundes¬ genossen tbeilweise der Gerichtsbarkeit der athenischen Heliasten unterstellt wurden. Dadurch sanken die Bundesgenossen fast zu Unterthanen herab, und erbielten die Bundesbeitrage, iiber die Pericles frei verfiigen konnte, geradezu den Charakter eines Tributes ; auch wurde hiedurch Athen stark genug, um einzelne widerstrebende Bundesglieder zu unterwerfen. Aus dem athenischen Seebunde war ein groBes atheniscbes Reich geworden. C. Literatur und Kunst im Zeitalter des Pericles. Die Zeit des Pericles ist das goldene Zeitalter der griechi- schen Poesie und Kunst; die Bliitezeit der Wissenschaft war noch ni elit gekommen. Pericles zog die groBten Dichter, Kiinstler und Gelehrten in seine Nahe und machte dadurch Athen zur geistigen Hauptstadt der Nation. Zeitalter des Pericles. 81 1. Literatur. a) Poesie. Die politische Erhebung Griechenlands in den Perser- kriegen brachte die dritte grofie Dichtart, das Drama, zur Entfaltung. Die Bliitezeit der attischen Demokratie ist auch die Blutezeit des griechischen Dramas. Die grofiten Tragodiendichter sind Aschylus, Sophocles und Euripides. Die literaturgescbicbtlicbe Legende stellt bedeutsam diese drei Tragiker mit dem Tage von Salamis zusammen. Aschylus, ein 45jahriger Mann, kampfte in der Schlacbt bei Salamis, wahrend der lSjahrige Sophocles bei dem wegen dieses Sieges veranstalteten Peste den Reigen ftihrte und Euripides am Tage dieser Schlacbt geboren wurde. Von den beiden ersteren sind uns je 7, von Euripides 17 Tragodien erhalten. Ilire Stoffe entnahmen die tragischen Dicbter mit Vorliebe der Gotter- und Heldensage. Die Auffiihrung der Tragodien, die unser Trauer- und Schau- spiel umfassen, stellte bedeutende Anspruche an die Ausdauer der Zuscbauer, da sie seit Aschylus in der Form der Trilogie stattfand, d. h. es wurden nacbeinander drei Tragodien desselben Dicliters aufgefiihrt, denen noch ein erheiterndes Satyr-Drama folgte, in welchem vermummte Satyren den Chor bildeten. Die Komodie gelangte erst wahrend des peloponnesischen Krieges zur Bltite. Um die Schauspieler iiber den Chor hervorragen zu lassen, gab man ihnen hohere Schube (die Kothurne). Da derselb.e Schauspieler mehrere Personen darstellen musste, trugen sie kiinstleriscb aus- gestattete Gesicbtsmasken, die uberdies die Stimme verstarkten. Auch die Frauenrollen wurden von Mannern gegeben. Die griechischen Tbeater waren im Freien und bestanden aus drei Haupttheilen, der Orchestra, der Biilme und dem Zuschauer- raume. Die Orchestra war ein kreisrunder Raum inmitten des Theaters, auf welchem sich der C hop aufstellte, der unter von Floten- und Saitenspiel begleiteten Tanzbewegungen den Eindruck, den die auf der Btihne sich abspielende Handlung auf ihn ausubte, in Form eines Ratbes, Trostes oder einer Mahnung kundgab. An die Orchestra schloss sich nacb vorne, durch Stufen mit ihr verbunden, die Btihne, Welche die Form eines Rechteckes hatte, nacb rtickivarts, durch einen vertieften Canal von ihr getrennt, der Zuschauerraum. An der der Orchestra zugekehrten Front des Bubnengebaudes war eine bewegliche Zeehe-Rebhann, Geschiehte des Altert.hums. 6 82 Die Grieclien. Decoration augebracht, clurcli welche die Ortsveranderung der Scene angedeutet wurde. Die Sitze des Zuschauerraumes stiegen in con- centrisclien Ivreisen um die Orchestra aul. Das bedeutendste attische Theater war das des Dionysus am siidostlichen Abliange der Burg, das 15.000 Zusehauer fasste. h) Prosa. In dieser Zeit kommen besonders die Philosophie und die Geschichtschreibung in Betracht; ihre Wiege ist das reiche Jonien. a) Philosophie. Vorlaufer der philosophischen Denker, welche eine Erklarung der Weltvorgange suchen, waren die sogenannten sieben Weisen Griechenlands, die dem sechsten Jalirhunderte an- gehoren und durch praktische Lebensweisheit und Pflege der Tugend Lehrer und Eathgeber des Volkes waren. Die bedeutendsten Vertreter der Philosophie, mit der anfangs auch Mathematik und Astronomie verbunden war, waren Thales aus Milet, einer der sieben Weisen, der erste Grieche, welcher den Eintritt einer Sonnenfinsternis bestimmte, und Pythagoras aus Samos, ein Zeitgenosse des Pisistratus, der bereits die Unsterblichkeit der Seele und die Kugelgestalt der Erde lehrte. h) Geschichtschreibung. Der Vater der Geschichtschreibung Um 450. ( h« c? der Geographie) ist Herodot (um 450) aus Kleinasien. Er stellt den Kampi: zwischen den Grieclien und Persern bis zum Jahre 478 dar und legt als Episoden die Geschichte der Lydier, Perser, Agypter, Babylonier und Scythen ein. Er lebte eine Zeitlang in Athen und liefi sich zuletzt in Thurii nieder. r 2. Kunst. Nachdem schon Cimon durch die Erbauung des Theseus-Tempels, des besterhaltenen griechischen Tempels, und die Ausmalung der «bunten Halle*, einer der Siiulenhallen, welche den Markt umgaben, mit der kunstlerischen Ausschmiickung Athens begonnen hatte, erreichte diese unter Pericles ihren Hahepunkt. Niemals sonst hat ein Staat einen verhaltnismaBig so groben Theil seiner Einkunfte (iiber ein Drittel) fiir Zwecke der Kunst ver\vendet. a) Baukunst. Am wichtigsten sind die Bauten auf der Acropolis. Wenn man auf der Westseite zur Burg emporstieg, gelangte man durch das tempelartige Prachtthor der Propylaen auf die Scheitelflache, welclie mit Tempeln, Statuen und Gartenanlagen bedeckt war. V r on den ersteren sind besonders der Parthenon und das Erechtheum bemerkenswert. Zeitalter des Pericles. 83 Der dorisclie Parthenon, ein Tempel der Pallas Athene, hat acht Saulen an den Schmal- und siebzehn an den Langseiten. Er gehort zu den grofieren griechischen Tempeln und ist 70 m lang, 31 m breit, 26 m hoch. Er war auch zur Aufbewahrung des Staats- schatzes bestimrat. Erst am Ende des 17. Jahrbunderts wurde der bis dahin wohlerhaltene Tempel durch eine Bombe in zwei Theile zerrissen. Das jonische Erechtheum, ein kleinerer Tempel, benannt nach Erecbtheus, einem attiscben Heros, ist durch seine Zierlichkeit ausgezeichnet; das Gebalke der einen Halle wird von Karyatiden (Korbchen tragenden Madchen) gesttitzt. AuBerhalb Atticas sind am bertihmtesten der Tempel der Athene auf Agina aus der Zeit Cimons und der Zeus-Tempel in Olympia aus der Zeit des Pericles, beide im dorischen Stile. b) Plastik. Sie erreichte zur Zeit des Pericles in der Aus- bildung der Gottertypen ihren Ilohepunkt. 1 Diesen erstieg sie nach langerer Entwickelung infolge der Thatigkeit des Phidias, des ver- trauten Freundes des Pericles. Phidias bringt das Hoheitsvolle, Majestatische, Ruhig-Gottliche zum Ausdruck, er liebt deshalb die Darstellung des Zeus und der Athene. Seine drei wichtigsten Werke sind: a) die Athene Promachos, das 16 m hohe Erzbild der Gottin auf der Acropolis; b) die Ausschmuckung des Parthenon mit Reliefs, von denen die Darstellung des Zuges der Panathenaen das grofite und schonste Relief des Alterthums ist; c) die Goldelfenbein- statue des Zeus in 01ympia (S. 44), die beriihmteste griechische Statue. Der zweitgroBte griechische Plastiker ist Polyclet aus Sikyon. Aus seiner Schule giengen viele Statuen von Siegern bei den Nationalspielen hervor; er vertritt dalier gegentiber dem attischen Idealismus den Bealismus (S. 72). c) Malerei. Bis in die Zeit Cimons war die Malerei nur colo- rierte Umrisszeichnung ohne Modellierung und Schattierung. Der erste groBe Maler war Polygnot, Cimons Freund, welcher die • hunte Halle* mit grofiartigen Bildern schmlickte. 1 Das sogenannte griechische Profil an den Idealgestalten jener Zeit bestelit darin, dass die Stirnlinie olme Unterbreclmng mit der geraden Nasen- linie zusammentrifft und der "VVinkel der Štirn- und Nasenlinie zum Obrlappclien fast ein rechter ist. 84 Die Griechen. D. Hebung der materiellen Cultur. Wahrend Athen auf die Einiuhr von Rohproducten, namentlich Getreide (S. 39 und 62), angewiesen war, komite es verschiedene Industriegegenstande ausfdhren, was den vielbeneideten Wohlstand der Stadt zur Folge hatte. Namentlich geschatzt waren die atlienischen Thonvasen. Pericles, miter dessen Regierung Thurii und Amphipolis gegrundet wurden, machte Athen, das nach den Perserkriegen aus einem Ackerbaustaat ein Gewerhe- und Handelstaat wurde, zur groBten und reichsten Stadt Griechenlands. Athen war die erste Stadt, in welcher Armenarzte angestellt und Versorgungsanstalten filr alte Leute errichtet wurden. Zweiter Abschnitt: Vom Beginne (les peloponnesischen Krieges bis zur Schlacht bei Charonea, 431 bis 338. Niedergang Athens und der Griechen nberhaupt, Hegemonie Spartas und Thebens. Innere Kiimpfe. 431—404. I. Der peloponnesische Krieg, 431 bis 404. a) Ursache des Krieges. Sie lag im Gegensatze zwischen Sparta und Athen. Dieser Gegensatz wurzelte im Stammesunterschiede der Dorier und Jonier und betraf besonders folgende Punkte: 1.) Sparta war conservativ, Athen fortschrittlich gesinnt; 2.) Sparta vertrat daher die Aristokratie, Athen die Demokratie; 3.) Sparta war arm, Athen reich; 4.) Sparta war die groBte Land-, Athen die groBte Seemacht; 5.) Sparta kiimmerte sich wenig um Wissenschaft und Kunst, Athen war die gei- stige Hauptstadt des Volkes. Auch war Griechenland fiir zwei GroB- machte zu klein; fast ganz Hellas wurde in den Kampf hineingezogen. 435—432. h) Veranlassungen. 1.) Streitigkeiten im jonischen Meere (435 bis 432). Als das Volk in Epidamnus, einer Colonie der Corcjraer, von den vertriebenen Adelsgeschlechtern bedrangt wurde, wendete es sich um Hilfe an Corcyra, eine Colonie Corinths, und, von jenem abgevviesen, an Corinth selbst, welches bereitwillig darauf eingieng. Die nach Epidamnus segelnde Flotte der Corinther wurde aber von den Corcyraern angegriffen und besiegt. Zudem schlossen diese ein Biindnis mit Athen, und in einer zvveiten Seeschlacht entriss das Erscheinen attischer Schiffe den Corinthern den beinahe errungenen Sieg. 432. 2.) Der Abfall Potidaas vom atlienischen Bunde (432). Des- halb reizten die Corinther Potidaa, die einzige dorische Colonie auf Chalcidice, zum Abfalle von Athen, das die abtriinnige Stadt 429. erst im Jahre 429 wieder unterwarf. I)er peloponnesische Krieg. 85 3.) Bas Vorgehen Athens gegen Megara (432). Alter Groll gegen deri kleinen Nachbarstaat veranlasste die Athener, den Megareern den Idandel mit allen athenischen Bundesstaaten zu untersagen, um sie zum Anschluss an Athen zu nothigen. Da durch Megara drei leicht zu sperrende Passe in den Pelopomies fiihrten, komite Sparta dieses Vorgehen Athens nicht dulden, ohne seiner GroGmachtstellung etwas zu vergeben. Die Corinther hetrieben auf der Bundesversammlung in Sparta den Krieg gegen Athen, der auch beschlossen wurde. Die beiden Gegner waren einander ebenburtig. Der spartanische Bund komite 60.000 Hopliten ins Feld stellen, Athen hatte eine Landmacht von nur 30.000 Mann. Dagegen beherrschte es mit 300 Kriegsschiffen die See und verltigte iiber einen grofien Schatz. Freilich waren die athenischen Bundesgenossen weit verstreut und theilweise zum Abfalle von der verhassten Tyrannenstadt Athen geneigt. Der Krieg zerfallt in drei Abschnitte. A. Der zehnjahrige Krieg, 431 bis 421. 1. Die ersten Kriegsjahre bis zum Tode des Pericles (431 bis 429). Der Krieg wurde von den Thebanern, den Bundes¬ genossen Spartas, eroffnet. Sie iiberfielen das mit Athen verbiindetc Plataa, der Uberfall misslang aber vollig. Nun riickten die Spartaner in Attica ein. Auf des Pericles Rath iluchtete die Landbevolkerung nacli Athen. Wahrend die Spartaner das Land verwiisteten, schickte Pericles die Flotte zur Pliinderung der laconischen Kiiste aus. Da brach in Athen eine verheerende Pest aus (430), die drei Jahre lang wtithete, die sittlichen Bande lockerte und die Bevolkerung entmuthigte. Auch Pericles starb an den Folgen der Pest. Gleichwohl behaupt-eten sich die Athener hinter den Mauern ilirer Stadt. 2. Vom Tode des Pericles bis zur Besetzung von Pylos durch die Athener (429 bis 425)-. Die Spartaner auderten nun ihre Taktik und bekampften die athenischen Bundesgenossen (so Plataa ) oder unterstutzten ihre Abfallsversuche, so Mjtilene (auf Lesbos). Letzteres gewannen die Athener zuriick, worauf die besonders schuldigen Oligarchen, angeblich iiber 1000, hingerichtet wurden (429)- Dagegen tiel Plataa infolge der gemeinsamen Belagerung durch die Thebaner und Spartaner, der Rest der Vertheidiger, iiber 200 Mann, wurde getiidtet (427). 4S2. 431—421. 431—429. 430. 429-425. 429. 427 . 86 Die Griechen. Wichtiger und fiir Atlien verhangnisvoller wurde der Wandel im Innern. Nacli dem Tode des Pericles begann die Ausartung der Volksherrscliaft, die Ochlokraiie. Ebenso ehrgeizige als unbesomiene Demagogen, deren einflussreichster der Gerber Cleon war, drangten sicb zur Leitung des Staates lieran und gewannen das Vertrauen der Masse, indem sie deren Launen schmeichelten. So rissen Mangel an Uberlegung, leichtfertige Beliandlung der Staatsgeschafte, Will- kiir und Bestechlichkeit der Heliasten, Reclitsunsiclierheit und ge- hassige Anfeindung der Reicheren ein, die sich von diesem Treiben unwillig abwandten und in ihrem gemafiigteren Theile die Aus¬ artung der Demokratie bekampften, wahreud die Unnacbgiebigeren sogar mit dem Feinde in Unterhandlungen traten (Typus der Massenh errsch aft). 3. Von der Besetzung der Stadt Pylos bis zum Friedens- 425—421. schlusse (425 bis 421). Eine Wendung in den Gang des Krieges brachte der atheniscbe Feldherr Demosihenes, der Pylos besetzte, wodurch er die Spartaner an ihrer empfindlichsten Seite traf. Als diese die gegeniiberliegende Insel Sphacteria besetzten, wurden sie von den Athenern eingeschlossen und gezwungen, sich zu ergeben. Damit hatte das Gliick der Athener den Hohepunkt erreioht. Denn jetzt rafften sich die Spartaner unter der Anfuhrung des tiichtigen Brasidas auf und folgten dem Hilferufe der von Atlien abgefallenen thracischen Kustenstadte; am schwersten wog fiir Atlien der Verlust von Amphipolis. Gegen Brasidas wurde Cleon ahgeschickt; 422. es kam zur Seeschlacht bei Amphipolis (422), in welcher die Athener vollstandig geschlagen vrarden. Da beide Feldherren deri Tod fanden, gewann in beiden Staaten die Friedenspartei die Oberhand; deren Haupt war in Atlien der mafivolle Nicias, der den nach ihm benannten Frieden zum Abschlusse brachte. Die drei Bedingungen waren: der Friede dauert 50 Jahre, der Zustand vor dem Ausbruche des Krieges wird wieder hergestellt, die Gefangenen und die besetzten Orte werden lierausgegeben. B. Vom Wiederausbruche des Krieges bis zum Ausgange der 419—413. Unternehmung gegen Sicilien, 419 bis 413. Mit dem Ausgange des Krieges waren die spartanischen Bundes- genossen unzufrieden, da ihr Interesse nicht geniigend beriicksichtigt war. Deshalb traten Corinth, Megara und Theben in Gegensatz zu Sparta; bald vereinigten sich auch die peloponnesischen Demokraten Der pelopounesisclie Krieg. 87 unter der Fiihrung von Argos zum Sturze Spartas. Zwar verbanden sich die beideu Grofistaaten zur Durchflihrung des Friedens; da aber eine ehrliche Aussohnung zwischen ihnen nicht stattgefunden liatte, bradi der Krieg baJd \vieder a us. Die Veranlassung dazu gaben gegenseitige Klagen uber Ver- letzung der Friedensbedingungen (Sparta behielt Amphipolis, Atlien Eylos) und die Kriegslust des Aldhiades. Alcibiades, ein Verwandter des Pericles, Schiller des Socrates, war von der Natur mit Gaben des Geistes und Korpers verscliwen- derisch ausgestattet; er war aber niemals an Geliorsam gewohnt worden und lernte audi als Mann nicht, sich selbst zu beherrschen. Die Sucht, um jeden Preis zu glanzen und sich als unentbehrlich zu erweisen, war die Triebfeder seines Handelns, das Wohl der Vaterstadt galt ihm weniger als sein eigener Ruhm. 1. Schlacht bei Mantinea (418). Unter dem Einflusse des kriegslustigen Alcibiades schloss sich Athen an den demokratischen Bund im PeJoponnes an. Zwischen den einander feindlichen Biind- nisseu begann im Jahre 419 der Kampf, der trotz der Unterstiitzung der Argiver durch die Athener mit dem Siege der Spartaner bei Mantinea endete, wodurch Spartas Herrschaft im ganzen Peloponnes wieder hergestellt wurde. Obwohl unter solchen Verhaltnissen der baldige Wiederausbruch des Krieges wahrscheinlich war, unternahmen die Athener doch einen Zug nach Sicilien. 2. Die Unternehmung gegen Sicilien (415 bis 413). a) Veran¬ lassung. Der erbitterte Krieg, in welclien das ganze Mutterland und die jonischen Colonien hineingezogen worden \varen, ergriff endlich auch die sicilischen Stadte. Als Gesandte der Stadt Segesta (oder Egesta) Athen um Hilfe gegen Seiinus und Syracus baten, bescblossen die Athener auf Betreiben des Alcibiades eine grofiartige Unternehmung zur Eroberung der Insel und betrauten mit der Fiihrung Alcibiades, Lamachus und Nicias. h) Verlauf. Vor der Abfahrt der Flotte wurden in einer Nacht zahlreiche Marmorhermen 1 beschadigt. Als Urheber dieses Religions- frevels wurde von seinen Gegnern Alcibiades bezeichnet. Er verlangte sofortige Untersuchung, sie wurde aber verschoben, und die Flotte lief aus. In seiner Abwesenheit aber wurde die Untersuchung gegen Alcibiades wieder aufgenommeu. Er wurde zuriickberufen, wodurcli 1 Es waren viereckige, auf den Wegen aufgestellte Pfeilev mit dem Kopfe des Gottes Hermes, 418. 15 4ia. 88 Die Griechen. dem ganzen Unternehmen die Seele geraubt war. Da er die Ver- urtlieilung durcli seine Feinde fiirchtete, entiioh er mich Sparta; er ward zum Tode verurtheilt, obwohl der Frevel, den vielleicht seine Feinde veriibt hatten, nicht aufgeklart wurde. Das Hauptergebnis des ganzen Unternehmens war die vergebliche Belagerung von Syracus, damals der grofiten Stadt Siciliens, einer corintiiisohen Colonie, die nach der Herrschaft liber ganz Sicilien strebte. Schon hatten die Atkener die Stadt zu Lande eingeschlossen und der Ubergabe nahe gebracht, als die Spartaner auf Anrathen des Alcibiades iliren Stammesgenossen unter Gylippus Hilfstruppen schickten, wodurch die Dinge eine vollstaudige Wendung nahmen. Zwar erhielten audi die Athener unter Demostlienes ansebnliche Verstarkung; dennoch wurde ihre Flotte im Hafen eingeschlossen und konnte trotz der keftigsten Kampfe den Ausgang nicht erzvvingen. Deshalb traten die Athener den Riickweg zu Lande an, auf welchem sie von den Syracusiern verfolgt wurden. Hiedurch sowie durch den Mangel an Lebensmitteln erlitten sie groBe Verluste. Der Best des Heeres ergab sich endlich und wurde von den Siegeru grausam behandelt; die meisten Gefangenen wurden Sclaven oder fanden einen qualvollen Tod in den Steinbriichen. Demostlienes und Nicias \vurden hingerichtet, Lamachus war schon walirend der Belagerung gefallen. Ergebnis. Die stolzeste Macht, welche die Athener jemals aus- geriistet, war vernichtet, die finanziellen und militarischen Iiilfsmittel des Staates schwer geschadigt. Es war die entscheidende Wendung im groBen Kriege. 413 — 404 . C. Der deceleische Krieg, 413 bis 404. 1. Vom Wiederausbruche des Krieges bis zur Zuriick- 413 - 411 . berufung des Alcibiades (413 bis 411). Auf den Ratli des Alcibiades besetzten die Spartaner noch vor derEntscheidung auf Sicilien Decelea in Attica und bedrangten dadurch Athen. Wahrend die jonischen Bundesgenossen, von Alcibiades aufgereizt, von Athen a bBelen, schlossen die Spartaner unter Mitwirkung des Alcibiades mit Tissa- phernes, dem Satrapen des siidlichen Kleinasiens, ein Biindnis, demzu- folge dieser den Spartanern Geldmittel zur Bemannung einer Flotte zur Verftigung stellte. Als aber Alcibiades, der sich inzwischen in Sparta verhasst gemacht hatte, am Hofe des Satrapen erschien, wusste er diesen zur Neutralitat zu bewegen. Zugleich trat er mit den Der peloponnesische Krieg. 89 Athenern wegen seiner Zuriickberufung in Verbindung und wusste es, indem er persische Hille in Aussicht stellte und von dem Fiihrer der atheniscben Flotte, Thrasybulus, unterstiitzt wurde, dahin zu bringen, dass er zuriickberufen ward (411). 2. Alcibiades als Anfiihrer der athenischen Flotte (411 bis 407). Die Spartaner fuhren nun in die pontisclien Gewasser, da sich der Satrap des nordlichen Kleinasiens, Pharnabazus, auf ihre Seite gestellt liatte und sie den Athenern die Getreidezufuhr abschneiden wollten. Unter der Anfiihrung des Alcibiades und des Thrasybulus erkampften aber die Atliener im Jahre 410 einen groben Seesieg bei Cyzicus, und im folgenden Jahre nahmen sie auch Byzanz. Als zwei Jahre darauf Alcibiades im Piraus landete, wurde er mit grobem Jubel empfangen. Aber bald anderten sich die Verhaltnisse. Anstelle des Tissa- phernes wurde Gyrus der Jiingere, der Bruder des persischen KSnigs Artaxerxes II., mit der Statthalterschaft des stidlichen Kleinasiens betraut, der durch bedeutende Gelduuterstiitzung den Spartanern die Aufstellung einer tlichtigen Kriegsflotte ermbglichte, an deren Spitze der verschlagene und thatkraftige Lysander trat. Gegen den Befehl des Alcibiades lieb sich in seiner Abwesenheit sein Unter- feldherr in einen Kampf mit der feindlichen Flotte ein und wurde geschlagen; infolgedessen wurde Alcibiades von den Athenern ab- gesetzt und zog sich als Privatmann nach Thracien zuriick. 3. Von der Absetzung des Alcibiades bis zum Ende des Krieges (407 bis 404). Der Naclifolger Lysanders, der edle Calli- cratidas, schloss mit iiberlegener Macht den athenischen Feldherrn Gonon, den Naclifolger des Alcibiades, in Mytilene ein. Da rafften die Athener alle Krafte zusammen und riistetcn nochmals eine bedeutende Flotte aus, der es durch den glanzenden Sieg bei den Arginusen gelang, Gonon zu befreien (406). Da bereitete die Pobelherrschaft Athen den Untergang. Die Anfiihrer der Flotte wurden falschlich angeklagt, die "Leichen der Gefallenen nicht ge- borgen zu haben, das von Oligarchen verhetzte Volk verurtheilte sie zum Tode, und sechs von ihnen wurden hingerichtet. Nur Socrates hatte seine Stimme muthig fiir die unglucklichen Feld- herren erhoben. Schnell brach iiber Athen das Verderben herein. Lysander, der abermals das Commando iiber die Flotte erhielt, iiberfiel die Athener am Ziegeniiusse {Agospotamoi, 405) und verniclitete ohne 411 . 411 — 407 . 410 . 407 — 404 . 406 . 405 . 90 Die Grieclien. 404 — 879 , 404 . • BIutvergieBen die athenische Flotte; nur Conon rettete sich mit neun Schiffen. Athens Widerstandskraft im offenen Kampfe war gebrochen. Lysander beraubte nun Athen aller Bundesgenossen, sturzte ilberall die Domokratie und iibergab die Regierung oligarchiscb gesinnten Mannern. Dann aperrte er mit der Flotte den Piraus, wahrend der spartaniscbe Konig Pausanias Athen zu Lande belagerte. Infolge Mangels an Lebensmitteln musste sich Athen ergehen; die harten Friedensbedingungen lauteten : 1.) Auflosung des athenischen Seebundes ; 2.) Anerkennung der spartanischen Hegemonie ; 3.) Aus- lieferung der Kriegsflotte; 4.) Niederreifiung der langen Mauern, mit denen Themistocles und Pericles Athen mit den Hafen Phaleron und Piraus verbunden hatten ; 5.) Zuriickberufung der Verbannten. Folgen. Die politische Machtstellung Athens war gebrochen; Sparta wurde das alleinige Haupt Griechenlands und drangte die Demokratie iiberall zu Gunsten der Oligarchie zuriick. Der nahezu 30jtihrige Krieg hatte die sittliclien Grundlagen des Volkes zerstort. II. Hegenionie Spartas, 404 bis 379. A. Die Herrsehaft der 30 Tyrannen in Athen und ihr Sturz durch Thrasybulus, 404 und 403. 1. Herrsehaft der 30 Tyrannen (404). Vor ilirem Abzug aus Attica stellten die Spartaner 30 Oligarchen, die spater als die 30 Tyrannen bezeichnet wurden, an die Spitze der athenischen Staatsverwaltung und liefien zu ihrem Schutze eiue spartanische Besatzung auf der Burg zuriick. Die Oligarchen, unter denen Critias und Therumenes den meisten Einfluss hatten, beseitigten die Solo- nischen Gesetze, besetzten die Beamtenstellen nur mit Parteigenossen und entwaffneten alle Burger bis auf 3000; missliebige oder gefahr- liche Personen wurden theils hingerichtet, theils verbannt. Die Oli¬ garchen veranlassten auch die Ermordung des Alcibiades, der sich damals in Kleinasien aufhielt, aus Furcht, er komite ihnen gefahrlich werden. (Typus der Schreckensherrschaft.). Allmahlich trat unter den Oligarchen selbst eine Spaltung ein. Wahrend Critias, der thatsachlich das Haupt geworden war, auf dem Wege der Einsehiichterung und der Gewalt fortschreiten wollte, trat Theramenes infolge verletzter Eitelkeit fiir eine Milderung des Terrorismus ein; er musste aber auf GeheiB seines Gegners den Giftbecher leeren (vgl. die demokratische Schreckensherrschaft in Iiegeinonie Spartas. y 1 der franzosischeu Revolution, Robespierre und Danton). Athen fand nun in ganz Griechenland Theilnahme, und die athenischen Fliicht- linge wurden trotz des spartanisohen Verbotes in Theben auf- genommen. 2. Sturz der 30 Tyrannen (403). Von Theben aus unternahm Thrasybul, einer der Verbannten, der die Geacliteten sammelte, den Sturz der Tyrannen. Er schlug sie in der Nalie des Piraus, Critias bel im Kampfe. Wohl erhielten die Dreifiig Unterstutzung durch Lysander, doch der Konig Pausanias und die Ephoren vermittelten aus Eifersucht gegen jenen einen Frieden zwischen den Verbannten und der Stadt Athen, dessen Bestimmungen waren: 1.) Wieder- hersteRung der Solonischen Verfassung; 2.) Ertheilung einer all- gemeinen Amnestie. B. Waehsender Einfluss der Perser auf die griechisehen Angelegenheiten, 401 bis 387. 1. Die innere Zerriittung des Perserreiches und der Riick- zug der 10.000 Griechen. Der jungere Cyrus suchte mit Unter- stiitzung seiner Mutter seinen Bruder Artaxerxes II. vom Throne zu stofien und zog zu diesem Zwecke ein groGes Barbarenheer zu- sammen, das er durch 13.000 griechische Soldlinge verstarkte. Mit diesem Heere uberschritt er den Euphrat, aber erst bei Cunaxa, nordlich von BabjTon, kam es 401 zwischen den beiden Briidern zur Schlacht, in der Cyrus fiel. Die Griechen hatten auf dem rechten Fliigel gesiegt. Aber ihre Fiihrer wurden durch Tissaphernes bei einer Zusammenkunft, zu der er sie unter dem Vorwande der Unter- handlung geiaden, treulos iiberfallen und ermordet. Unter der Fiihrung des Atheners Xenophon, der bisher als Privatmann den Zug begleitet hatte, traten die Griechen, noch 10.000 Mann stark, den Riickzug an. Nach Uberwindung gr o B er Sch wierigke iten, welche ihnen die Beschwerden des Marsches, die Ungunst des Klimas und die feindselige Gesinnung der Bevolkerung bereiteten, gelangten sie durch Kurdistan und Armenien ans Meer, das sie bei Trapezunt erreichten; von da retteten sie sich nach Byzanz. Dieser Zug ist ein schoner Beweis von der Uberlegenheit der Griechen gegeniiber den Persern; wenn diese gleichwohl jetzt einen entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Griechen ausiibten, so ist dies dem verderblichen Hader der letzteren untereinander und dem Buhlen um die Gunst des GroBkonigs zuzuschreiben. 403 . 401 — 387 . 401 . 92 IJie Grieclien. 2. Kampfe der Spartaner mit den Persern in Kleinasien 400 - 394 . (400 bis 394). Nach der Scblacbt bei Cunaxa wurde Tissaphernes nach Kleinasien geschickt, um die Jonischen Stadte wieder zu unter- werfen. Infolge dessen wendeten sich diese an Sparta um Hilfe, die ihnen auch gewahrt wurde. Jetzt trat der Bost der 10.000 Griechen, 6000 Mann, die bister in Thracien als Soldner gekampft hatten, in den Dienst der Spartaner, welche namentlicli seit der Ubernahme 396 . des Commandos durcli den Konig Agesilaus im Jahre 396 den Persern empfindliche Verluste beibrachten. Um die Spartaner aus Asien zu entfernen, reizten die Perser die Sparta feindlich gesinnten Stadte Griechenlands zum Kriege gegen Sparta auf. 395 — 387 . 3. Der bootisch-corinthische Krieg (395 bis 387). Sparta hatte sich durcli seine Willkiirherrschaft allgemein verliasst gemacht, deshalb schlossen Thehen, Corinth, Athen und Argos einen Bund gegen Sparta, den der persische Konig durch Geldzahluugen unter- sttitzte. Als Lysander im Kampfe gegen die Thebaner bei Haliartus 395 . gesclilagen und getodtet wurde (395), riefen die Spartaner Agesilaus aus Asien zuruck. Wahrend Agesilaus auf dem Wege des Xerxes nach Griechen- land vordrang, wurde die spartanische Flotte von der persischen unter dem Commando Conons bei Cnidus vollstandig gesclilagen 394 . (394). Infolge dessen gieng Jonien an die Perser verloren und brach die spartanische Ilegemonie im Archipel zusammen. Conon stellte die langen Mauern Athens und die Befestigung des Piraus mit persischem Gelde wieder her. 394 . Zwar bahnte sich Agesilaus durch den Sieg bei Coronea (394) den Weg nach dem Peloponnes; die Verbundeten suchten nun aber durch die Besetzung der Isthmuspasse bei Corinth — dalier der Name des Krieges — Sparta auf den Peloponnes zu beschranken und brachten ihm daselbst bedeutende Verluste bei. Deshalb schickten die Spartaner den gewandten Unterhandler Antalcidas zum persi¬ schen Konige, mit dem er einen Frieden vereinbarte, den die 387 . anderen Griechen annehmen mussten (387). Die wichtigsten Bestimmungen des Antalcidischen Friedens waren: 1.) Die griechischen Stadte in Kleinasien bleiben beim per¬ sischen Reiche; 2.) alle Hegemonien in Griechenland werden aufgelost, so dass alle Stadte voneinander unabhangig sem sollen, mit Ausnahme der Inseln Lemnos, Imbros und Skyros, die den Athenern zugesprochen werden; 3.) Sparta ubernimmt die Ausfiihrung des Friedens. Hegemonie Tliebens. 93 Ergebnis. 1.) Die sittliche Verwilderung der Griechen hat neue Fortscliritte gemacht; 2.) das Soldnerwesen, ein bedenkliches Zeichen gesunkener Biirgertugend, breitete sich auch in Griechenland mehr aus, so dass sich die Begriffe «Burger» und * Soldat « nun trenuten; 3.) die Freibeit der Jonier und damit eine Hauptfrucht der Perser- kriege war vernichtet. III. Emporkonimen Thebens; Sturz der spartanisohen Hegemonie, 387 bis 362. Geographie Bootiens. Bootien ist eine theilweise von ver- einzelten Berggruppen erfulite Landschaft; im SW. liegt der Helicon, weiter ostlich der Citharon, das Grenzgebirge gegen Attica. In der Mitte des Landes liegt die zweitgro£te Ebene Griechenlands, die grofitentheils vom Copais-See, auf dessen Boden jahrlich zweimal gesaet und geerntet werden kanu, eingenommen wird. Die wichtigsten Stadte waren: Theben, Orchomenus, Plataa und Tanagra. Kampfe der Thebaner gegen die spartanische Ubermaeht. Veranlassung. Trot« des Antalcidisclien Friedens dfichte Sparta nicht daran, auf seine Hegemonie zu verzichten; es setzte vielmehr seine Willkiirherrschaft fort und liefi sich gegen mehrere Stadte Gewaltthatigkeiten zuscbulden kommen. Als nun einige Stadte auf Chalcidice, welche sich durcli Oljnth bedroht sahen, die Spartaner um Hilfe baten, schickten diese die erbetene Unterstiitzung. Auf dem Wege dahin besetzte der spartanische Fiibrer Phobidas im Ein- vernehmen mit den thebanischen Oligarchen die Cadmea (382) und veranlasste die Haupter der Gegenpartei zur Flucht nach Athen, wo sie gastlich aufgenommen wurden. Darunter befand sich auch Pelopidas, einer der Fiihrer der thebanischen Demokraten. Verkleidet kehrte dieser mit einigen anderen Fluchtlingen nach Theben zuriick und ermordete mit Hilfe seines Freundes Epaminondas die Haupter der oligarchischen Partei. Das Volk schloss sich an die demokra- tischen Fiilirer an und zwang die Spartaner zum Abzuge (379). Infolge dessen kam es zvvischen Sparta und Theben zum Kriege. 1. Theben in der Vertheidigung (379 bis 371). Nach einem misslungenen Uberfalle, den die Spartaner auf den Piraus machten, trat Athen offen auf die Seite Thebens. Wahrend die Atliener einen neuen Seebund aufrichteten, der die Spartaner wiederholt zur See besiegte (er zahlte 70 Mitglieder, wahrend der erste Bund 1000 387—362 382 . 379 . 379-371 <14 Die Grieclien. umfasst hatte), dehnten die Thebaner ihre Hegemonie iiber einen gr o Ben Theil Bdoiiens a us, naclidem sie die wiederholten Einfalle der Spartaner zuriickgewiesen hatten. Infolge dessen erwachte die Eifersucht der Athener, die sie veranlasste, sich den Spartanern zu 371. nahern. Deshalb wurde ein Friedenscongress nach Sparta berufen (371), auf welcbem der Antalcidische Friede erneuert wurde. Doch Epa- minondas, der Vertreter Tbebens, erklarte, dass seine Vaterstadt auf die Hegemonie iiber Bootien nicht verzichte. Die Spartaner Selen nun neuerdings in Bootien ein, wurden aber von den Thebanern unter der Anfuhrung des Epaminondas bei Leuctra zum erstenmale 371. vollstandig gescblagen (371). Nun war Theben stark genug, zum Angriffe gegen Sparta iiberzugehen. 371—362. 2. Theben im Angriffe (371 bis 362). Epaminondas und Pelo- pidas strebten nach der Aufrichtung der thebanischen Hegemonie. Beide theilten sich in die Arbeit: Epaminondas ubernahm die Erschiitterung der spartanischen Hegemonie im Peloponnes, Pelo- pidas die Aufrichtung der thebanischen Hegemonie in Thessalien. a) Thessalien. Hier war die bedeutendste Stadt Phera, deren Tyrannen n^ch der Einigung der ganzen Landschaft strebten. Die Thebaner suchten dies ebenso zu verbindern, wie die Begrundung des macedonischen Einflusses in Thessalien. Daher unternahm Pelo- pidas drei Ziige gegen den Tjrannen von Phera. Wohl hatte er bedeutende Erfolge in Thessalien und schlichtete aucli Thron- streitigkeiten in Macedonien; da er aber auf dem dritten Zuge bel, brach das kaum begriindete Ubergewicht Tbebens im Norden wieder zusammen. h) Der Peloponnes. Zum Sturze Spartas unternahm Epaminondas im Einveriiehmen mit den Argivern, Arcadern und Eleern vier Ziige in den Peloponnes. Vergebens versuchte er Sparta, das Agesilaus deckte, durch Uberrumpelung zu erobern, dagegen schwachte er es fiir immer dadurcb, dass er den einzelnen Cantonen der Arcader in der neuerbauten Stadt Megalopolis einen politischen Centralpunkt schuf und die Unabhangigkeit Messeniens, das in Messene eine selbstandige Hauptstadt erhielt, wiederberstellte. Auf dem vierten 362 . Zuge siegten wobl die Thebaner bei Mantinea (362), doch fiel Epa¬ minondas in der Schlacht. Sterbend rieth er den Thebanern, Frieden zu schliefien, und sie folgten seinem Rathe. Ergebnis. Die spurtanisclie Hegemonie war fiir immer ge- stiirzt. Die Machtstellung Tbebens war das Werk weniger begeisterter Macedonische Hegemonie. 95 Manner, mit deren Tode Theben in die fruhere Bedeutungslosigkeit zuriicksank; die Griechen hatten ihre Krafte neuerdings geschwacht nnd ermoglichten dadurch die Einmischung Macedoniens. IV. Begriimluiig der inacedonischen Hegemonie, 362 bis 338. 362 — 338 . Geographie Macedoniens. a ) DasLand. Macedonien erstreckte sicli von Epirus und Thessalien bis an die Westgrenze Tbraciens. Uberwiegend ist es Gebirgsland; das Tiefland im N. des thermaischen Busens ist der politiscbe Mittelpunkt des Landes. Zwei bedeutendere Eiiisse, Axius (Vardar) und Strjmon (Struma), gehoren in ihrem Mittel- und Unterlaufe dem Lande an; zwischen ihren Mlindungeii lag die dreifingerige Halbinsel Chalcidice, ganz besetzt mit griechiscben Colonien, welche hier Macedonien vom Meere abscbnitten. Die Residenz war in alter Zeit Aga, seit Philipp II. Pella. h) Die Bevolkerung. Die Macedonier waren urspriinglicli den Griechen stammverwandt, wurden ihnen aber durch Vermischung mit nacbriickenden illyrischen Stammen mehr und melir entfremdet. Nur das konigliche Gesclilecht und der kriegerische Adel nahmen die griechische Bildung in sich auf; die Masse des Volkes, Jager und Bauern, hielten sich von ihr ferne. In den Zusammenhang der weltgeschichtlichen Entwickelung trat das Land erst seit der Thron- besteigung Philipps II., der einen entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Griechen ausiibte. Philipp II., 359 bis 336. 359 — 336. A. Seine Thaten bis zur Einmischung in die grieehisohen Angelegenheiten, 359 bis 355. 359 — 355. Als Pelopidas die Streitigkeiten im macedonischen Konigshause schlichtete, nahm er als Geisel fiir die Einhaltung der von ihm fest- gestellten Ordnung den Prinzen Philipp nach Theben mit, wo dieser die griechische Bildung in sich auf-nahm, aber auch die griechische Uneinigkeit an der Quelle kennen lernte. Im Jahre 359 gelangte Philipp auf den Konigsthron. Zunachst schuf er sich ein tiichtiges Heer. Er fiihrte die allgemeine Wehrpflicht ein und schuf die beriihmte macedonische Phalanx, die, mit 6 m langen SpieBen bewaffnet, ein festgeschlossenes Ganzes bildete, das nur schwer zersprengt werden komite. Dann eroberte er die Stadte Amphipolis, Pydna und Potidaa und gewann dadurch den Zutritt zum Meere. Athen komite ihm 96 I)i e Griechen. nicht entgegentreten, da sich infolge abermaliger Bedriickung der Bundesgenosseii audi der zweite athenische Seebund aufgelost liatte. Das eigentliche Lebensziel Pbilipps II. war, die Hegemonie iibcr Griechenland zn gewinnen und danil mit Hilfe der Griechen das Perserreicli zu unterwerfen. Die Gelegenhe.it zur Einmischung in die griechischen Angelegenheiten hoten ilirn die Griechen selbst mit ihren fortwahrenden Streitigkeiteu. B. Philipps II. Einmischung in die griechischen Streitigkeiten, 355 — 338 . 355 bis 338. g 55 _ 346 . 1. Der phocische oder heilige Krieg, 355 bis 346. a) Veranlassung. Die Phocier wurden von den Thebanern an- gefeindet, weil sie sich ihrer Hegemonie nicht unterwerfen wollten. Auf deren Betreiben wurden sie wegen Benutzung des dem delphischen Gotte geweihten Gebietes von Cirrha von den Amphictyonen zu einer sehr hohen Geldstrafe verurtheilt, weshalb sie sich zum Kampfe ent- schlossen. b) Verlauf des Krieges. Die Phocier pliinderten die Tempel- schatze von Delphi, um so die Soldner zu bezahlen, mit denen sie einen \vahren Vernichtungskrieg gegen Theben und dessen Bundes- genossen begannen. Da zu den letzteren auch die Thessaler gehorten, so fielen die phocischen Soldner in Thessalien ein, wahrend eine Partei daselbst Philipp zu Hilfe gerufen liatte. Philipp besiegte die Phocier und unterwarf Thessalien. Seine Absicht, in Phocis einzurilcken, vereitelten die Athener, indem sie den Termopylenpass besetzten. Er zog sich daher zuriick und dehnte seine Herrschaft iiber die Halbinsel Chalcidice aus, wahrend sich der Kampf zwischen Phocis und Theben wegen Mangels an Geld in die Lange zog. Endlich riefen die Thebaner Philipp zu Hilfe. Dieser riickte in Phocis ein, 346 . zerstorte daselbst sammtliche Stadte und machte dem lOjahrigen Kriege ein Ende. Durch Beschluss der Ampliictyonen \vurden die Phocier aus dem Bunde ausgeschlossen und ihre beiden Stimmen an Philipp iibertragen. 2. Philipp il. und Demosthenes. a) Charakter und Bestrebungen des Demosthenes. In Athen, dessen Macht seit der Auflosung des zweiten Seebundes auf Attica und Euboa beschrankt blieb, war zur Zeit, als Philipp in den Gang der Geschichte Griechenlands einzugreifen begann, der bedeutendste Pliilipp II. und Demosthenes. 97 Mann Demosthenes. Sein Vater war Fabrikant und binterliefi seinein unmundigen Sohne ein bedeutendes Vermogen, das aber dieser infolge der Gewissenlosigkeit seiner Vormllnder grofitentheils verlor. Obwobl ihn die Natur nicbt zum Redner bestimmt zu haben schien, iiberwand er docli durcli eisernen FleiG und unerschiitterliche Ausdauer alle entgegenstehenden Schwierigkeiten, so dass er der erste Redner seines Volkes und des Alterthums wurde. Feste sittliclie Uberzeugung, gliihende Vaterlandsliebe, unbeugsamer Muth und bober idealer Scbwung zeichneten ihn vor allen aus; keine Schwierigkeit und keine Verdachtigung hielt ibn ab, auf dem als richtig erkannten Wege zu beharren. In seiner ersten philippischen Rede suebte er seine in verderbliches Genussleben versunkenen Mitbllrger wieder mit idealem Sinne zu erfiillen, sie iiber die wahren Absichten Pbilipps als des grofiten Feindes der Griechen aufzuklaren und zu Vor- kampfern der griechischen Freiheit zu macben. Zuerst lenkte er ihre Aufmerksamkeit auf die Lage 01ynths. h) Eroberung 01ynths durch Philipp (348). Oljnth, dasHaupt 348 . von 32 cbalcidiscben Stadten, war damals das einzige viderstands- fabige AuGenwerk Athens. Demosthenes veranlasste namlich durch seine drei olynthischen Reden, dass die Stadt ins atlienisclie Biindnis aufgenommen und, als sie Philipp angriff, aucb unterstiitzt wurde. Da aber die gesa.ndte Hilfe nicht ausgiebig genug war, so erlag die Stadt, worauf sie sammt den 32 anderen Stadten von Philipp zerstort wurde. c) Der philocrateische Friede (346). Nach dem Verluste von 346 . 01ynth var aucb Demosthenes fiir den Frieden mit Philipp. Aber die Gesandtschaft, welche zu diesem Behufe an Philipp abgieng und Ascliines und Philocrates zu Fuhrern hatte, zog ihre Aufgabe in verratherisclier Weise hin. Philipp machte inzwischen neue Er- oberungen in Thracien, worauf er die Entscheidung im phocischen Kriege herbeiftihrte. Atlien konnte, auf sich beschrankt, — Sparta hielt sich ganz ferne — den Ausgang des Krieges nicht hindern. d) Der siebenjahrige Scheinfriede zwischen Philipp und Athen (346 bis 339). VVahrend sich in Atlien die Friedens- und 346 — 339 . die Kriegspartei bekampften, setzte Philipp sein Bestreben, Athen zu isolieren, mit Erfolg fort. Als er aber aucb Bjzanz, das fiir Athen wegen der Getreidezufuhr besonders wichtig war, belagerte, brach auf Betreiben des Demosthenes der Krieg wieder aus. Im Bunde mit den Persern zwangen die Athener den macedonischen Konig, die Belagerung von Byzanz aufzuheben (339). Zeehe-Rebhann, Geschichte des Alterthums. 7 98 Die Griechen. 339 u.338. e) Der heilige Krieg gegen Amphissa (339 und 338). Die del- phische Amphictyonie beschloss, Amphissa, das sicli ein Stlick des heiligen Gebietes von Cirrba angeeignet liatte, zu bekriegen und Philipp zum Bundesfeldherrn zu bestellen. Philipp rtickte rasch durch die Ther- mopjlen vor, wendete sich aber nicbt gegen Amphissa, sondern besetzte zunachst Elatea, das den Zugang zu Bootien beherrschte. Unter dem Eindrucke dieser Nachricht riss Demosthenes seine Mitbiirger zum Ab- schluss eines Bundes mit Theben hin; es war seine letzte grobe That fiir die Freiheit seinesVolkes, das ihm in Anerkennung seiner Verdienste einen goldenen Kranz widmete. Neue Verbundete schlossen sich an, und Philipp wurde in zwei Gefechten besiegt. Als er aber nacli der 338. Zerstorung Amphissas in Bootien einriickte, erfolgte im Jahre 338 die Entscheidungsschlacht hei Charonea. Trotz der grofiten Tapferkeit der Griechen trug Philipp einen glanzenden Sieg davon. Charonea ward das Grab der griechischen Freiheit. Theben, Chalcis, Corinth und Ani- bracia erhielten macedonische Besatzungen, Athen, das Philipp nicht reizen wollte, einen billigen Frieden. Hierauf berief Philipp eine Versammlung der Griechen nach Corinth, die nur von Sparta nicht beschickt wurde. Hier wurde die Selbstandigkeit aller hellenischen Staaten verktindet und der Nationalkrieg gegen die Perser unter Anfiihrung Pliilipps beschlossen. Aber mitten in den Vorbereitungen 336. zu diesem Kriege wurde Philipp im Jahre 336 zu Aga ermordet. V. Literatur und Kunst. 1. Literatur. a) Poesie. Nachdem die iibrigen dichterischen Gattungen den Hohepunkt erreicht und iiberschritten hatten, gelangte auch die Komodie in Athen zur Vollendung. Ilir grofiter Meister war Aristo- 430. phanes (um 430), ein Gegner der unumschrankten Demokratie, deren Schattenseiten er riicksichtslos angriff. b) Prosa. Wie in der Zeit der Perserkriege die Poesie, so erreichten jetzt die Wissenschaften grofitentheils den Hohepunkt ihrer Ent- ivickelung bei den Griechen. Es komrnen hauptsachlich Geschicht- schreibung, Philosophie und Beredsamkeit in Betracht. 1.) Geschichtschreibung. a) Thucydides ist der groBte Ge- schichtsclireiber der Griechen und des ganzen Alterthums. Da er zu spat kam, um Amphipolis vor dem Angriff e des Brasidas zu schiitzen (S. 86), gieng er in die Verbannung und schrieb die Geschichte der ersten 21 Jahre des peloponnesischen Krieges. Literatur und Kunst. 99 b) Xenophon verfasste die Anabasis, in welcher er den «Riick- zug der Zehntausend« beschrieb, ferner eine griechische Geschichte, welche im Anscliluss an Thncydides die Zeit von 411 bis 362 dar- stellt, daun als eine seiner letzten Arbeiten die Cjropadie, einen historischen Roman, worin er die Lebens- und Regierungsgeschichte des Cyrus, des Begriinders des persischen Reiches, erzahlt. 2.) Philosophie. a) Die Sophisten wandten sich gegen alle herkommlichen Vorstellungen in Sitte und Religion und trugen dadurch wesentlich zur Zersetzung des alten Glaubens und der guten Sitte bei. Als Lehrer der Rhetorik, d. h. der Theorie der Beredsamkeit, erniedrigten sie die Redekunst zur blofien Declamation ebenso ftir wie wider jeden beliebigen Gegenstand. Ihr grofiter Gegner war Socrates. b) Socrates (469 bis 399). Socrates war der Sohn eines 469—399. athenischen Bildhauers. Er lebte sehr einfach. «Je weniger wir be- diirfen*, sagte er, «desto naher sind wir den Gottern; denn diese bediirfen nichts.» Der schulmafiigen Thatigkeit der Sophisten ab- geneigt, liefi er sicli uberall auf Markt und Platzen in zwanglose Gesprache mit Vertretern der verschiedensten, ain liebsten der unteren Stande ein und suchte sie durch fortgesetztes Fragen (Socratische Methode) zu belehren. Im Gegensatze zum Diinkel jener war er bescheiden und erklarte, nichts zu wissen, obwohl ihn d as delphische Orakel als den weisesten Griechen bezeichnete. Er war der schrankenlosen Demokratie wegen ihrer Ausschreitungen abgeneigt; er wurde deshalb von den Demagogen angefeindet und, weil er behauptete, dass ibm eine innere Stimme (Daimonion) sage, was er zu thun und zu lassen habe, angeklagt, da.ss er die Jugend verderbe und neue Gotter einfiihren wolle. Zum Tode verurtheilt, leerte er in voller Seelenruhe den Giftbecher. Seine bedeutendsten Schiller sind Xenophon und namentlich Plato. c) Plato. Plato entstammte einem der vornehmsten Geschlechter Athens. Er machte Reisen nacli Agypten, Unteritalien und Sicilien, lehrte fast 40 Jahre lang in der Akademie, einem Gymnasium bei Athen, weshalb die von ilim begriindete Schule die akademisclie heifit, und starb, bis zum Tode geistig thatig, als 80jahriger Greis. Gleich Socrates gelangte er zu monotheistischen Anscbauungen, glaubte an die Unsterblichkeit der Seele und behandelte besonders die Ethik. Die alte Moral hatte befohlen, den Freund zu lieben und dem Feinde soviel als moglich zu schaden. Plato wies es ab, 100 Die Grieclien. irgend ein Unrecht zu thun, und sei es auch zur Vergeltung, denn damit beflecke sich die Seele. Vier Cardinaltugenden setzte er au: Weisheit, Tapferkeit (Willensenergie), Besonnenheit (Selbstbeherr- schung) und Rechtthun (Gerechtigkeit). d) Antisthenes, der Begrunder der cynischen Schule, sobenannt nach dem athenischen Gynmasium Cynosarges. Er stellte ganzliche JBodiirfnislosigkeit und Abkehr vom staatliclien und geistigen Leben als Tugend und Ziel des menschlichen Strebens hin. Der cynischen Schule, welche Riickkehr zum Naturzustande predigte, gehorte Dio- genes von Sinope an. 3. ) Beredsamkeit. Auch die Beredsamkeit, die zuletzt in die Literatur eintrat, erreichte die hochste Ausbildung in Athen, dessen demokratisclie Verfassung vom Staatsmanne die Macht der Rede verlangte. Darum waren die groben Staatsmanner der alteren Zeit, wie Themistocles und Pericles, auch treffliche Redner; ihre Reden waren einfach und ohne Aufwand von sprachlichem Prunk und von Gelehrsamkeit. Erst die Sophisten erhoben die Bered¬ samkeit zu einer schulmaBig zu erlernenden Kunst, wobei es ihnen besonders auf schonen und gewandten Ausdruck, rhythmischen Bau der S&tze u. dgl. ankam. Ein hoclibegabter Redner war Aschines, der Parteiganger Pliilipps II., der grofite war Demosthenes. 4. ) Naturivissenschaften, Matliematik und Medicin. Wahrend in der friiheren Zeit Matliematik, Astronomie und Philosophie noch ungetrennt waren, wurden jetzt alle diese Wissenszweige von Facli- gelehrten bearbeitet; ebenso loste sich die Geographie von der Geschichte, die bei Herodot noch verbunden sind. Der erste wissen- schaftliche Vertreter der Medicin ist Hippocrates aus Kos. Bis auf ihn hatte sich die Arzneikunde als eine Geheimlehre gewisser Priester- geschlechter, z. B. der Asclepiaden, 1 fortgepfianzt. 2. Kunst. a) Baukunst. Dieser Zeit ist das Aufkommen der corinihischen Saulenordnung eigenthumlich. Das Capital der corinthischen Saule liat im wesentlichon die Form eines geoffneten, von Acanthusblattern gebildeten Kelches, der von einer zweiten hoheren, aber derselben Basis entsprieCenden Blattreihe uberragt wird. 1 So benannt nach Asclepios, dem Gotte der Heilkunde. Alexander der GroBe. 101 Der Athene-Tempel in Tegea zeigt zuerst die Verwendung aller drei Stilarten. Von weltlichen Bauwerken ist besonders das Mausoleum zu erwahnen, ein prachtiges Grabdenkmal, vvelches eine verwitwete carische Konigin ihrem Gemahle Mausolus um 350 in Halicarnass errichten liefi. b) Plastik. Auf diesem Gebiete sind die groBten Meister Scopas aus Paros und Praxiteles aus Athen, welche anstelle der erhabenen Gottergestalten (Zeus, Athene) in der Zeit des Phidias die anmuthigen (Aphrodite, Apollo, Dionysus und Hermes) darstellen. c) Malerei. Auch sie verlieB den hohen, idealen Standpunkt der friiheren Zeit (Polygnot) und strebte nach tauschender Naturnach- ahmung. Am beriihmtesten waren die Jonier Zeuxis und Parrhasius (um 400). _ Um 40 °- "Vierter Zeitranm. Von der Schlacht bei Cbaronea bis zur Unterwerfung der Griechen durch die Romer, 338 bis 146 (alexandriniscbes oder bellenistisches Zeitalter). Macedoniscbe Hegemonie, Ausbreitung der griecbischen Gultur iiber den Orient, innere Kampfe. I. Alexander der GroBe, 336 bis 323. 336—323. A. Die ersten Regierungsjahre des Konigs bis zum Beginne des Perserkrieges, 336 bis 334. 336 —334. Alexander, der Solin und Nachfolger Philipps II., hatte von seinem Lehrer Aristoteles eine sorgfiiltige Erziehung erhalten. Nach- dem er bereits als 18 j9.hr iger Jiingling bei Cliaronea die erste Probe seiner militarischen Tiichtigkeit abgelegt hatte, unterdriickte er nach seiner Thronbesteigung rasch die Aufstandsversuche, welche die Nachricht von der Ermordung seines Vaters in Griechenland hervorgerufen hatte, und lieB sicli auf der Versammlung in Corinth zum Feldherrn der Griechen gegen die Perser bestimmen. Ilierauf Unterwarf er die illyrischen Volkexschaften im Norden des Balkan. Da verbreitete sicli in Griechenland das Gerucht, dass Alexander in diesen Kampfen gefallen sei; infolgedessen brach ein Aufstand aus, an dessen Spitze Theben stand. Rasch erschien Alexander und machte dem Aufstande durch die Zerstorung Thebens, wo er nur die Tempel und das Haus Pindars verschonte, ein Ende; 30.000 The- baner vvurden als S daven verkauft, dagegen erhielt das mit Theben verbiindete Athen einen glimpflichen Frieden. 102 Die Griechen. 334-325. 334 u. 333. 334. 333. 333-331. 332. 331. 331—327. B. Der Alexanderzug, 334 bis 325. 1. Bis zur Schlacht bei Issus (334 und 333). Nachdem Alexander den Antipaier zum Reichsverweser bestellt katte, zog er im Friikjahre 334 mit 35.000 Mann iiber den Hellespont, nm das persische Reich zu erohern. Noch im Friihjahre 334 scklug er das feindlicke Heer am Granicus, worauf er die ganze Westkiiste und auck den Siiden Kleinasiens kesetzte. Nackdem er den Winter in Gordium zugebrackt katte, zog er iiber die Iiochflache im Innern und den Taurus nack Cilicien und nach kaldiger Genesung von einer schweren Krankheit nach Syrien, wo er das persische Reichsheer unter dem Konige Darius III. kei Issus voli stan di g besiegte (333). Dieser flok mit Hinterlassung seines reicken Lagers; die Mutter, die Gemaklin und die Kinder des Darius wurden gefangen, aber von Alexander achtungsvoll behandelt. Die Frucht des Sieges war die Erwerbung Syriens. 2. Von der Schlacht bei Issus bis zur Schlacht bei Gauga- mela (333 bis 331). In Syrien leisteten nur Tyrus und Gaza Wider- stand. Das erstere wurde nach siebenmonatlicher kartnackiger Ver- tkeidigung erobert, Gaza wurde erstiirmt. Nun war der Zugang zu Agypten offen. Hier wurde Alexander als Befreier vom verhassten persischen Joche mit Jubel aufgenommen und von den Ammon- priestern in der Oase Siva als Solin ihres Gottes begriikt. Nackdem er den Grund zur spateren Weltstadt Alexandria gelegt und die Verwaltung des zerriitteten Landes geordnet katte (332), kehrte er nack Asien zuriick. Er zog liber den Eupkrat und Tigris, um den Darius zu verfolgen, der nach der Schlacht kei Issus zur Erlangung des Friedens vergekens die Abtretung Vorderasiens angeboten und nun bei Gaugamela ein riesiges Heer aufgestellt katte. Nach hart- nackigem Kampfe erfockt hier Alexander einen vollstandigen Sieg (331), der das Vordringen nach Iran ermoglickte. 3. Die Eroberung Irans (331 bis 327). Zunachst kesetzte der Sieger die persischen liesidenzen Babylon, Suša und Persepolis; in letzterer Stadt wurden ungeheuere Scliatze gefunden, die prachtigen Gemacher aus Cedernholz im Konigspalast aus Račke wegen der Zerstorung der griechiscken Tempel niedergebrannt. Hierauf brack Alexander zur Verfolgung des Darius auf, der weiter nach Osten flok, vakrend der Abfall der GroBen und die Auflosung seines Heeres weiter fortschritt. Nackdem Darius durck eine Verschworung von persischen Wiirdentragern den Tod gefunden katte, eroberte Alexander Alexander der Grofie. 103 auch den ostlichen Theil Trans und drang bis zum Jaxartes vor. Bessus, der ehemalige Satrap von Bactrien, welcher den Konigstitel angenommen hatte, wurde bingerichtet. 4. Der Zug nach Indien (327 und 326). Im Jahre 327 schritt 327 u. 326. Alexander zur Eroherung Indiens, das damals in zahlreiche kleine Konigreiclie zerfiel. Nachdem er den 4000 m hohen Pass des Hindu- kusch iiberschritten und durcb das Thal des Kabul den Indus erreiclit hatte, schlug sich der Konig Taxiles, dessen Reich ostlich vom Indus lag, auf seine Seite. Sodann besiegte Alexander den Konig Porus, dessen Reich noch weiter ostlich lag, in zwei Schlacliten, in welchen die Griechen zum erstenmale mit Kriegselephanten zu kampfen hatten, die ihnen grohe Verluste beibrachten. Nach dem Friedensschlusse mit Porus, der ebenso wie Taxiles ein Vasall Alexanders wurde, zog dieser im Pandschab weiter nach Osten, musste aber am Hypliasis umkehren, weil sich sein Heer veigerte, gegen den Ganges vorzu- dringen. Nun fuhr er unter schweren, durch die Brahmanen hervor- gerufenen Kampfen den Indus abwarts bis zu seiner Miindung, wo er einen Hafen und Schiffswerften anlegte; dadurch und durch den sich anschliefienden Zug des Nearchus wurde der indische Ocean dem griechischen Handel geoffnet. Der Zug nach Indien war vor allem eine Entdeckungsfalirt. 5. Riickkehr und letzte Regierungsjahre Alexanders (325 325—323. bis 323). Wahrend Nearchus mit einem Theile des Heeres den Riickweg zur See antrat und gliicklich an die Euphratmiindung ge- langte, zog Alexander mit dem Reste des Heeres unter unsaglichen Entbehrungen durch die Wiiste von Beludschistan nach Persis zuriick. In Suša wurde darauf die gliickliche Riickkehr mit grofiartigenFestlich- keiten gefeiert. Unablassig bemiiht, durch Begrundung eines neuen Culturlebens das Morgenland dauernd mit dem Abendlande zu verschmelzen, und mit den Vorarbeiten zur Eroherung Arabiens beschaftigt, starb Alexander, kaum 33 Jahre alt, zu Babylon (323). 323. 6. Alexanders Culturarbeit. Die weltgeschichtliche Bedeutung des Alexanderzuges ist, dass durch ihn der griechischen Cultur das ganze vordere Asien bis zum Indus und Syr eroffnet \vurde. Alexander griindete in den persischen Provinzen zahlreiche Stadte, in denen er griechische und macedonische Soldaten ansiedelte. Die wichtigste unter diesen Stadten ist das agyptische Alexandria, das, dank seiner giinstigen Lage an der Grenze von zwei Meeren, bald eine kVeltstadt gevvorden und aucli geblieben ist. Den Handel 104 Die Griechen. fcirderte er durck Anlegung von Strafien und Hafen, Unternehmung von Entdeckungsfahrten etc. Um die (Mentalen fiir die griechiscke Cultur zu gewinnen, musste er ihnen in mancher Bezielmng entgegenkommen ; kielier gehort: a) die Ausiibung unbeschrankter Herrschergewalt und die Annabme des persischen Hofceremoniels sammt der iiblichen Kniebeugung bei feierlichen Anlassen; b) die moglichste Sckonung der in den ein- zelnen Theilen des Reiches herrschenden Eigentkiimlichkeiten; c) die Verleihung von hoben Beamten- und Officiersstellen an vornebme Ein- heimische und die Aufnahme zablreiclier Orientalen in sein Heer; d) Alexander vermalilte sich selbst mit einer Tochter des Darius und veranlasste aucli seine Freunde und 10.000 Soldaten, vornebme Perserinnen zu ehelichen. Die Begiinstigung der Orientalen rief den Umvillen der Griechen und Macedonier hervor. Es entstand eineVerschw5rung gegen das Leben des Konigs, an der angeblicb auch Parmenio,einst der Freund Alexanders, und sein Solin Pbilotas theilnabmen, weswegen sie hingerichtet vvurden. 7. Alexanders Charakter und Fortleben in der Sage. Er ist einer der grofiten Feldherren und Staatsmanner der Geschichte. Voli idealen Scbwunges und voli Begeisterung fiir das Hellenentbum, ist er ausgezeichnet durcb Vertrauen, Woblwollen, Freundesliebe undBeschei- denbeit. Diese edlen Eigenscbaften traten aber spaterhin in den Hinter- grund, und nicbt selten lieB er sicli vom Jabzorne, der durcb zunehmende Trunksucht gesteigertwurde,zuGewaltthatigkeitenhinreifien; sotodtete er im Jabzorne Clitus, der ilirn am Granicus das Leben gerettet liatte. Das meteorartige Auftauclien und Verschvinden Alexanders iin Oriente, die Ausfubrung gewaltiger Thaten, die sonst Generationen in Ansprucb nelmien, endlich die Eroffnung des Wunder- und Marcben- landes Indien machten ibn zum Mittelpunkt einer reichen Sagen- bildung, die schon im Altertkum, und zwar in Agypten, begann und in zahlreicben Alexanderliedern des Mittelalters Ausdruck fand. 323—301. II. Das Zeitalter der Diadochen, 323 bis 301. Da Alexander keinen allgemein anerkaunten Erben seines Reicbes liinterlieB, brachen unter seinen Generalen (Diadochen) erbitterte Kampfe aus, deren endlicbes Ergebnis die Theilung des Weltreiches in drei groBe und mehrere kleine Reiche war, die nacli und nacb alle dem romiscbeu Reiche einverleibt wurden. In diese Kampfe wurden auch die europaischen Griechen binein- Die Diadoclien. 105 .gezogen, die nach dem Tode Alexanders, von Demosthenes auf- gereizt, vergebens ilire Freiheit wieder zu gevvinnen suchten. Das Bundesheer der Griechen wurde von Antipater in Tbessalien ge- schlagen, worauf die griecbischen Staaten Frieden schlossen. Athen erhielt eine oligarchische Verfassung und eine macedonische Be- satzung, Demosthenes, dessen Auslieferung der Sieger verlangte, floli und gab sich selbst den Tod (um 322). 322. Die Kampfe zwischen den Generalen des verstorbenen Konigs wurden anfangs dem Namen nacli fiir den Bruder und dann den nachgeborenen Solin Alexanders gefiilirt, die aber, gleich den iibrigen nachsten Verwandten des Konigs, im Verlaufe der Kriege ermordet wurden. Hierauf kampften die Generale fiir clie Errichtnng selbstan- diger Konigreiche. Nach der Schlacht bei Ipsus (301), in vvelcher Antigonus, der das ganze Keich Alexanders unter seiner Herrschaft ver- eiuigen wollte, fiel, bildeten sich endlich folgende drei groBere Iieiclie: a) das syrische Reich unter den Seleuciden, bis 64 v. Clir.; b) das agyptisclie Reich unter den Ptolemaern, bis 30 v. Chr.; c) Macedonien und Griechenland, anfangs unter Konigen aus verschiedenen Ilausern, spater unter den Antigoniden, bis 168 v. Chr. In Kleinasien entstanden einige kleinere Reiche, unter denen Pergamum wegen der Pfiege der Kunst am wiclitigsten wurde. III. Das Zeitalter der Epigonen, 301 bis 146. 301—146. Allgemeine Lage der europaischen Griechen. Trotz wieder- holter Anlaufe vermochte Macedonien nicht, ganz Griechenland dauernd unter seiner Hegemonie zu erhalten. Sein Bestreben ver- eitelten besonders die lange sclnvaukende Thronfolge in Macedonien, die Einfalle der Celten in Macedonien und die Grundung des atolischen und des achaischen Bundes in Griechenland. 1. ) Es vergiengen nahezu 50 Jahre nach dem Tode Alexanders, bis das Geschlecht der Antigoniden (nach dem Begriinder der Dynastie Antigonus benannt) dauernd den macedonischen Konigsthron gewann. 2. ) Die Einfalle der Celten (280 und 279) erschiitterten Mače- 280 u. 279. donien; infolge einer vernichtenden Niederlage vor Delphi raumten sie Griechenland und Macedonien und liefien sich im Innern Klein- asiens (Galatien) nieder. 3. ) Da sowohl der atolische Bund, dem sich vorzugsweise die Stadte Mittelgriecbenlands anschlossen, als der achaische, der sich 106 Die Griechen. hauptsachlich von Stadten des Peloponnes gebildet hatte, nach dem- selben Ziele, der Hegemonie, strebte und iiberdies der achaische Bund an Sparta einen Gegner hatte, so nahmen dadurch die Kampfe in Griechenland nur zu, und erst die Unterwerfung des Landes 3 46. durch die Romei (146) machte ihnen ein Ende. IV. Cultur. Allgemeiner Charakter. Bisher war die griechische Cultur auf die Griechen beschrankt. Durch die Eroberungszuge Alexanders wurde sie zu zahlreichen orientalischen Volkern getragen, welche dadurch auf eiue hohere Bildungsstufe gehoben wurden. Da aber der Orient selbst eine uralte Cultur ausgebildet hatte, so wirkte diese auch auf die griechische zuriick, wodurch eine eigenartige Mischcultur entstand, welche die alexandrinische oder hellenistisclie genannt wird. Der fremde Einfluss auBerte sich vor allem auf dem Gebiete der Religion, Literatur und Kunst, aber auch auf dem der Sprache, indem orientalische Worte und Redeweisen, die sich den veranderten Lebensbedingungen anpassten, in die griechische Sprache eindrangen. Durch die Aufnahme orientalischer Elemente in den Kreis griecliischer Anschauung und Sitte wurde die allmaliliche Zersetzung der antiken Welt eingeleitet. A. Religion. Wahrend der Staat officiell an der alten Religion und die Kunst an den iiberlieferten Gottertypen festhielt, wendeten sich die Ge- bildeten vom herrschenden Volksglauben ab und suchten einen Ersatz hiefiir in der Philosophie. Anderseits drangen orientalische Gotter- gestalten ein, die freilich hellenisiert wurden; so die agyptischen Gottheiten Serapis und Isis und der persische Lichtgott Mithra. Es entsprach ferner der im Orient iiblichen religiosen Weihe des Konigthums, dass die Seleuciden und die Ptolemaer gottliche Verehrung fiir sich in Anspruch nahmen; einen Anfang davon sehen wir bei den Griechen schon gegen Ausgang des 5. Jahrhunderts, indem sie zu Ehren Ljsanders Altare errichteten und Opfer dar- bracliten. B. Literatur. Die literarische Thatigkeit dieser Zeit zeigt einen entschieden wissenschaftlichen Charakter. Es entstand ein eigener Gelehrten- stand. Die wichtigsten Mittelpunkte der literarischen Thatigkeit Cultur. 107 waren Alexandria und Pergamum ; l in Alexandria fanden die Ge- lehrten in zwei grobartigen Bibliotheken den reiclisten Stoff fiir ihre Thatigkeit und in dem Museum einen sorgenlosen Unterhalt. a) Poesie. Das Uberwuchern der Gelehrsamkeit aucb auf diesem Gebiet erzeugte eine besondere Vorliebe fiir das Lehrgedicht. Einer besonderen Pflege erfreute sich das Idjll, welches im Gegensatze zur berrschenden Ausartung der Civilisation die begliickte Einfach- heit des Volks-, namentlich des landlichen und Hirtenlebens, in Erzahlung und Schilderung darstellt. Der bedeutendste Vertreter dieser Richtung ist der Sicilier Theocrit (um 270), der auch eine Um 270. Zeitlang in Alexandria lebte. b) Prosa. Am meisten Pflege fanden die Geschichtschreibung, Geographie, Pliilologie, Philosophie, Matbematik und Physik. 1 . ) Geschichtschreibung. Die bedeutendsten Geschichtschreiber sind: a) Polybius aus Megalopolis (um 150). Er schrieb die Ge- schichte des romischen Reiches vom Beginne der punischen Kriege bis zur Eroberung Griecbenlands (146). b) Dionysius aus Hali- carnass, ein Zeitgenosse des Augustus, schrieb die romische Gescliichte von den altesten Anfangen bis zum Beginne der punischen Kriege. c) Plutarcb aus Charonea, im 1. Jahrh. n. Chr. Seine Lebens- beschreibungen bedeutender griechiscber und romischer Staatsmanner sind eine- der wichtigsten Quellen der alten Gescliichte. 2. ) Geographie. Ilir tl os s durcli den Alexanderzug und ver- schiedene Entdeckungsreisen, wie z. B. die des Pjtheas von Massiliu, welcber um 330 v. Chr. die Kiisten des westlichen und nordlichen Europa von Gades bis Tliule (Shetlandinseln) sowie die germanischen Nordseekiisten befuhr, iiberreicher Stoff zu, so dass die verschiedenen Zweige dieser Wissenschaft (physische, politisclie, mathematische) einen groben Aufschwung nahmen. Die beriihmtesten Geographen waren: a) Er at o sthen es (um 220), Bibliothekar in Alezandrien, der Um 220. erste Grieche, welcher die Grobe der Erde genau zu bestimmen versuchte. b) Hipparchus, um 150 v. Chr., der groBte Astronom des Um 150. Alterthums, der die Ortsbestimmung nach geographischer Lange und Breite einfiihrte. c) Strah o, Zeitgenosse des Augustus. Er schrieb eine ali- gemeine Lander- und Volkerkunde der drei den Alten bekannten Erdtheile, das grobte derartige Werk des Alterthums. 1 Auch Antiochia und Pella waren ivichtige Pflegestiitten der Literatur. Ob das Pergament in Pergamum erfunden worden ist, ist niclit gewiss. 108 Die Griechen. 2. Jalirh. d) Ptolemaus, im 2. Jalirh. n. Chr., schuf ein astronomisches n. Chr. System, das nacli ihm benannt und erst seit Copernicus (im 15. Jalirh.) allmahlich beseitigt wurde. Er lehrte, dass die Erde Kugelgestalt liabe, dass sie der unbewegliche Mittelpunkt des Alls sei, und dass der ganze Sternenhimmel sich in der Richtung von O. nach W. um sie drehe. 3. ) Philologie. Man nannte diese Wissenschaft damals Gram- matik. Die Philologen haben durcli kritische Ausgaben der Werke der alteren Schriftsteller der spateren Forscliung den Boden bereitet. 4. ) Philosophie. Aristoteles. Die Pliilosophie wurde besonders deshalb betriebeu, um einen Halt ftir das sittliche Leben und dadurch auch Gliickseligkeit zu gewinnen. Der grofite griechische Philosoph nach Plato und zugleich der groBte griechische Gelehrte ist Aristoteles, 384. der berulimteste Schiller Platos. Er war im Jahre 384 zu Stagira in Macedonien geboren. Als Alexander nach Asien iibersetzte, begab er sich nach Athen, dem Mittelpunkte der philosophischen Studien, und eroffnete 322. eine Schule im Lyceum, ostlich von Athen. Er starb im Jahre 322. Aristoteles liat nicht nur alle Theile der Philosophie behandelt, sondern auch auf fast allen Gehieten der Geistes- (Logik, Psychologie, Poetik, Rhetorik, Politik) und Naturwissenschaften (Zoologie, Botanik, Astronomie, Physik) mit grofiem Erfolge gearbeitet. Seine Philosophie umspannt den gesammten Inhalt des damaligen Wissens. Bei seinen Forschungen gieng er von der Erfahrung aus, so dass er den Stand- punkt des Empirismus einnimmt im Gegensatze zu Plato, der, von der Erfahrung absehend, nur auf demWege des Denkens (Idealismus) das Wesen der Dinge zu erforschen suchte. Aristoteles ist einer der groCten Lehrer der Menschheit. Die wichtigsten philosophischen Schulen der alexandrinischen Zeit waren: a) Die peripatetische Schule des Aristoteles, so genannt, weil ihr Stifter bei seinen Vortragen auf- und abzugelien pflegte. Um 300. h) Die epicureische Schule, begriindet von Epicur (um 300), der mabvollen Lebensgenuss als das hochste menschliche Gliick bezeichnete. Um 300. c) Die stoische Schule, welche Ženo (um 300) begriindete. Er lehrte, die Gliickseligkeit bestehe in der Tugend, und die Unter- driickung der Leidenschaften erzeuge Seelenruhe, die am besten in der Einsamkeit gedeihe. Alle Menschen sind dem Stoiker im Grunde Burger eines Staates; so sind die Stoiker die ersten Verkiinder des Welthurgerthums. Ženo lehrte in der «bunten Halle* (Stoa), woher der Name der Schule. Cultur. 109 o.) Mathematik und Physik. Als Mathematiker ragen besonders hervor: Euclicles in Alexandria (um 300), der Verfasser des ersten Um 300. streng systematischen Lehrbuches der elementaren Mathematik, und Diophantus von Alexandria (um 300 n. Chr.), der grofite griechisclie Arithmetiker. Der beriihmteste Physiker war Archimedes in Syracus (3. Jahrh.). Man schrieb ilirn die Erfindung vieler Heb-, Stofi- und Schleudermaschinen zu. Er ist ferner beruhmt durch die Auffindung des nach ihm benannten hydrostatischen Princips und durch die Herstellung von Brennspiegeln. Ileron (um 100) ist der Erfinder des Heronsballes, des Saughebers und der Dampfturbine. C. Kunst. a) Baukunst. In diesem Abschnitte gelangte der corinthische Stil zu immer allgemeinerer Anwendung, entsprechend der gesteigerten Prachtliebe, die aucli in der reichen Bemalung und verschwenderischen Vergoldung der Bautheile Ausdruck fand. Der Grundriss der Tempel vrarde mannigfaltiger; auBer den rechteckigen wurden auch Kreis- und Vieleckbauten beliebt. Da sicli die grofiartigen Bauten Alexan- ders und der Diadochen nicht erhalten haben, so kennen wir die Baukunst dieser Zeit hauptsachlich aus den Nachforschungen, welche auf Samothrace von osterreichischen und in Pergamum von preufiischen Gelehrten veranstaltet wurden. b) Plastik. Der grofite Plastiker der Zeit ist der Peloponnesier Lysippus, von dem allein Alexander sicli plastiscli darstellen liefi. Er ist ein Vertreter des vollendeten Bealismus und schuf gerne Kolossalgestalten. Der Koloss von Bhodus, eine 33 m hohe Statue des Sonnengottes, stammte vielleicht aus seiner Schule. Aus dieser Zeit stammen auch die beruhmte Laocoongruppe, die Sopliocles- statue im Lateran und die schonste Idealgestalt der Zeit: der Apollo vom Belvedere im Vatican (S. 45). c) Malerei. In der alexandrinischen Zeit erweiterte sicli dasStoff- gebiet der Malerei iiher das ganze geschichtliche und wirkliche Leben, nur die Landschaftsmalerei gehort erst der romischen Zeit an. Das Strcben nach Pracht aufierte sich besonders in der Vorliebe fiir das Mosaik, d. h. die Herstellung von Bildern mit farbigen Steinchen oder gefarbten Glasstiften, welche in eine weiche Masse gesteckt wurden. Ursprunglich wurden nur Ornamente, in dieser Zeit aber sogar grofie Gemiilde in dieser Technik geschaffen. Das beriihmteste 110 Die Grieclien. Beispiel hiefiir ist das groBe Bild der Alexanderschlaclit (bei Issus), das in Pompeji gefunden wurde und nach einem hellenistischen Vorbilde gearbeitet ist. Der groBte Maler der Zeit ist Apelles, von dem allein sicli Alexander in Farben darstellen lieB. D. Materielle Oultur. In den persischen Residenzen faud Alexander ungeheure Mengen von Gold und Silber, die an seine Generale und Soldaten vertheilt wurden und dadurch in den Verkehr kamen. Infolgedessen ent- wickelte sich ein grofiartiger Luxus, der sicli besonders in dem aufier- ordentlich regen Betriebe der Kunste und des Kunsthandwerkes sowie in der massenbaften Verwendung von Edelsteinen und kost- baren Gewandern — Seide wurde aus China bezogen — offenbarte. Die gesteigerten Bediirfnisse riefen auch einen aufierst lebhaften Ifandel hervor, der namentlich mancbe Gewiirze des Orients nach Europa brachte. Die groflte Handelsstadt war Alexandria; nur Rhodus und Cartbago konnten mit ilirn wetteifern. Immer mehr scbied sich die Bevolkerung in eine geringe Zahl Reicher und eine groBe Menge Armer. Bedeutung der alexandrinisclien Cultur. Wenn auch die Werke der Literatur und Kunst dieser Zeit nicht den liohen Wert derjenigen der pericleischen Zeit erreichen, so besitzen sie doch in ihren besseren Erscheinungen eine groBe Bedeutung an sich. Dazu kommt die auBerordentlich hohe geschichtliche Bedeutung dieser Cultur; denn: 1.) sie ist die Grundlage der ganzen romischen Cultur; 2.) wahrend in der classischen Zeit der freie Grieche im Burger aufgegangen war, kam jetzt das Recht des Individuums, sein Leben nach freiem Ermessen zu gestalten und sich auch vom Staatsleben abzuwenden, zum Durchbruclie; 3.) diese Cultur hat die nationale Abgegrenztheit der einzelnen Volker uberwunden, wodurch auch der Gegensatz zwischen den Griechen und den Barbaren, namentlich in den grofien Handelsstadten mit ihrer bunt gemischten Bevolkerung, gemildert wurde. Daher bezeichnet das Wort «Hellene» weniger eine Nationalitat als eine gewisse Bildung. Die Romer. Zur G-eographie Italiens. I. Lage Italiens. Italien besteht aus einer langgestreckten schmalen Halbinsel zwischen dem tyrrhenischen und dem adriatischen Meere und einer nordlich daran sicli anschliehenden Tiefebene, welche durch die Alpen von dem iibrigen Enropa geschieden wird. Den westlichen Abschluss des tyrrhenischen Meeres bilden die Inseln Sardinien und Corsica, die einst ebenso miteinander zusammen- hiengen, wie Sicilien mit Italien, Afrika mit Sicilien; noch jetzt ist das Meer zwischen Sicilien und Afrika seiclit und enthalt melirere Inseln. Von der Balkanhalbinsel ist Italien durch die 70 km breite Strahe von Otranto getrennt; im SW. nahert es sich durch die Insel Sicilien, von der es durch die an der schmalsten Stelle nur 3 km breite Strahe von Messina getrennt ist, Afrika bis auf 150 km, wodurcb das Mittelmeer in ein westliches und ein ostliches Becken zerfallt. Diese centrale Lage machte Italien zum Sitze eines Mittel- meer-Reiches geeignet. II. Horizontale Gliederung. Italien hat nur im S. und W. eine reichere horizontale Glie¬ derung; doch dringen die Golfe der Westseite (von Genua, Neapel und Salerno) nicht tief in das Land ein, wahrend im S. der tief- einschneidende Golf von Tarent die Auflosung in zwei kleinere Halb- inseln bewirkt. Die Ostkiiste ist wenig gegliedert. III. Verticale Gliederung. 1. Das Hochland. Die Apenninenhalbinsel wird ihrer ganzen Erstreckung nach vom Apennin durchzogen, einem ziemlich einfach gebauten Kettengebirge, das aus Kalk besteht. In der Mitte er- weitert er sich zum wilden Hochlande der Abruzzen, dessen hoclister Gipfel Gran Sasso (2900 m) ewigen Schnee tragt. Der Apennin setzt sich auch noch nach Sicilien hinein fort, wo er nalie dem Nordrande der Insel hinzieht. Im W. begleiten den Apennin niedere Bergketten, 112 Geograpliie Italiens. der sogenannte Subapennin, der aus vulcanischem Gesteine besteht. Anstelle ehemaliger Krater haben sich Seen gebildet. Noch jetzt bat Italien mit den zugehorigen Inseln vier thatige Vulcane; es sind dies auGer zwei Vulcaneti auf den liparischen Inseln der Vesuv,. ungefahr 1300, und der Atna, liber 3300 m hoch. AuGerdem ist noch in den phlegraischen (= verbrannten) Feldern, nw. von Neapel, die Schwefeldampfe ausstoBende Solfatara tliatig. 2. Das Tiefland. 1.) Die lombardisch-venetianische Tiefebene, ein groBes, iiberaus fruchtbares Alluvialland zwischen den Alpen und dem Apennin, das grdite Schlachtfeld Europas. Sie wird vom Po und tlieilweise von der Etsch durchflossen, die beide ein groBes Delta bilden. Der bedeutendste Nebenfluss des Po ist der Ticino. 2.) Auf der Halbinsel. Auf der begiinstigteren Westseite liegen: die kleine tippige toscanisclie oder etrurische Ebene am Arno, die romische Campagna an der Tiber, im Altertbum ein bliihendes Culturland, jetzt ode und ungesund, und die im vollsten Schmucke der stidlichen Natur prangende neapolitanische Campagna am Yol¬ tarno, der Garten Italiens. Aufierdem liegen im Westen die Maremmen. Es sind dies schmale Kiistenstreifen, welche sich vom Miindungsgebiete des Arno mit geringen Unterbrechungen bis Neapel liinziehen und von Fieber- luft (Malaria) aushauchenden Sumpfen erfiillt sind. Die Maremmen siidostlich von Rom lieiBen pomptinische Siimpfe. Den siidostlichen Theil Italiens nimmt die hiigelige Ebene von Apulien ein. IV. Hydrographie. Wahrend antike Schriftsteller die GroBe und Menge der schiff- baren Fliisse Italiens ruhmen, besitzt jetzt die Halbinsel keinen ein- zigen schiffbaren Fluss, da selbst der groBte, die Tiber, nur bis Rom fiir Boote fahrbar ist. Die Ursache hievon liegt in der Abnahme der Niederschlage, die infolge der Entwaldung des Apennin eintrat. Gegenwartig ist in Italien nur ein Achtel der Flache mit Wald be- deckt, die Mehrzahl der Italiener kennt den Wald gar nicht. Die vvichtigsten Fliisse Italiens si eh oben! V. Klima und Vegetation. 1. Klima. Der Norden Italiens hat binnenlandischen Charakter; im Halbinsellande sind die Sommer heifi und regenarm (S. 39), die Winter milde und namentlich im Siiden reich an Niederschlagen. Geographie Italiens. 113 2. Vegetation. Italien \vechselte im Laufe der Jahrhunderte dreimal sein Pflanzenkleid ; es war in der vorgeschichtlichen Zeit ein IValdland , gleich Mitteleuropa, wurde in der Zeit der romischen Konigsherrschaft und der Republik erst ein Acker-, dann ein Wein- land, endlich in der Kaiserzeit ein Gartenland. Am wichtigsten flir diesenWandel der Vegetation wurde di e griechische Colonisation; denn die Griechen machten Unteritalien und Sicilien zu einem bliihenden Ackerlande und pflanzten Olbaum, Feige, Myrte, Lorbeer, Pinie, Cypresse u. s. w. an, die sie selbst zum grofiten Theile dem Oriente verdankten. Die Romei bracbten sp&ter aus Asien mehrere Obst- baume (Kirsche, Aprikose, Pfirsicb, Kastanie) nach Italien. VI. Einflusse der geographischen Verhaltnisse Italiens auf die Geschichte des Landes. 1. ) Im Gegensatze zu Griechenland ist in Italien der Schauplatz der geschichtlichen Entwickelung die Westseite, weil sie eine bessere Gliederung, fruchtbare Tieflander, groBere Fliisse, reichlichere Nieder- schlage und zahlreichere und grofie Inseln besitzt. 2. ) Dei• einheitliche Bau der Halbinsel war eine giinstige Vor- bedingung fur die Aufrichtung eines einzigen Staatswesens; nur in Mittelitalien begiinstigte die Abgeschlossenheit einzelner Landscbaften politischen Particularismus. i 3. ) Durch die Anderung der Ac&scnrichtung des Gebirges in Unteritalien wurde der siidostliche Theil der Halbinsel fur fremde — griecbiscke — Colonisten zuganglich. 4. ) Der Gegensatz zwischen dem rauhen Innern und den milden, immergriinen Uferlandschaften veranlasste die wiederholten Einfalle und das auf dauernde Niederlassung daselbst gericbtete Vordringen der Bewohner des Innern in die Kiistengegenden. 5. ) Wahrend der Grieche vor allem Seemann ist, ist der Italiker vorwiegend Ackerbauer. VII. Zur Topograpliie Italiens im Alterthunie. Wahrend Italien in physikalischer Beziehung in die ober- italieniscbe Tiefebene und die Halbinsel der Apenninen zerfallt, gliedert es sich in historischer Beziehung in Ober-, Mittel- und Unteritalien. Zeehe-Rebhann, Geschichte des Alterthums. 8 114 Die Romer. Oberitalien reichte von den Al pen bis zu den Fliisschen Macra und Rubico und zerfiel in vier Landschaften, namlich: in Galliu cisalpina, d. i. Gallien diesseits der Alpen, Ligurien, Venetien, wozu in der Kaiserzeit noch Istrien zum groBten Theile kam. — Mittel- italien, bis zum Silarus und Frento, zerfiel auf jeder Seite in drei Landschaften. Im Westen lagen: Etrurien, Latium und Gampanien; im Osten: Umbrien, Picenum und Samnium. — In Unteritalien lagen auf jeder Seite zwei Landschaften, im Wešten: Lucanien und das Gebiet der Bruttier; im Osten: Apulien und Calabrien. Von den Inseln war am wichtigsten Sicilien, dessen Inneres Rom mit Getreide versorgte, wahrend die Kiisten ein bliihender Kranz reicher Handelsstadte schmuckte. Aufierdem kommen fiir die romiscbe Gescbichte nocli die auch geographisch zu Italien gehorigen Inseln Sardinien und Corsica in Betracht. VIII. Specielle Geographie Latiums. Das alte Latium reichte von der Tiber bis Circeji und land- einwarts bis zu den Vorhohen des Apennin; spater wurde es in siid- ostlicher Richtung bis iiber den Liri s (Garigliano) hinaus erweitert. 1. Oro- und Hydrographie. Latium ist theils Tief-, theils Hochland. Einst gut angebaut und dicht bevolkert, ist das Tiefland lieutzutage ein odes Weideland, was durch ungiinstige geschicht- liche Ercignisse, namentlich vielfache Kampfe im Mittelalter, und die Zunahme der Malaria herbeigefuhrt wurde; letztere entsteht besonders durcb die Verdunstung des an zahlreichen Stellen hcrvor- tretenden Quellwassers. In der Mitte der Landschaft erhebt sich die . ringformige Gruppe der Albaner Berge bis zu 950 m Hohe. Der bedeutendste Fluss ist die Tiber. Oberhalb Roms nimmt sie den Anio auf, bei Ostia mlindet sie. 2. Topographie. Rom verdankt sein erstesWachsthum der Tiber, die hier den Verkehr aus dem Innern sammelt und an ibrer Mundung den einzigen bedeutenden Hafen der angeschwemmten latiniscben Kuste bildet. Die Tuffhugel, welche an dieser Stelle das linke Tiber- ufer umsaumen, gewahrten Baugrund und Schutz. Das weitere Einpor- bliiben zur Hauptstadt Italiens und zur Hauptstadt der damaligen Welt wurde durch die Lage in der Mitte der Halbinsel und in der Mitte des Mittelmeerbeckens begunstigt. Das alte Rom lag am linken Ufer auf sieben Hfigeln, und zwar trug der palatinische Hligel den altesten Stadttheil, erst gegen das Ende der Republik griff es auf Geographie Italiens. 115 das rechte Ufer hintiber. Von den iibrigen Stadten Latiums verdienen neben der Hafenstadt Ostia noch Laurentum, Lavinium, Albalonga, Tusculum, Prane ste und Tibur (Tivoli) erwalmt zu werden. IX. Die etlinographischen Verhiiltnisse im alten Italien. Alt-Italien war, wie Alt-Griechenland, von vielen Volkerschaften bewohnt, die sechs verschiedenen Volkern angehorten; es sind dies die Ligurer, Etrusker, Illyrier, Griechen, Celten und Italer. Uber die Herkunft der Ligurer und Etrusker ist nichts bekannt; die iibrigen gehoren dem indogermanischen Sprachstamme an. Die Ligurer wohnten am ligurischen Meerbusen. Die Etrusker oder Tyrrhener bewohnten vor der celtischen Einvvanderung auch oinen groben Theil der Po-Ebene; von den Celten im N. und den Iiomern im S. bedrangt, wurden sie auf Etrurien beschrankt. Zwischen 600 bis 500 erreichten sie den Hohepunkt ibrer Macbt und be- lierrschten, nach den Grieclien und Phoniciern die grobte Seemacht des Alterthums, das nach ihnen benannte tyrrhenisclie Meer, wurden aber spater von den Iiomern untervvorfen. Beriilimt waren ihre Metal 1- arbeiten. Zu den JIJyriern gehorten die Veneter ostlich von der Etsch, die Istrer, welche der Halbinsel Istrien den Namen gaben, und die Japyger (in Apulien und Calabrien). Die Griechen griindeten nameni¬ li ch im 8. und 7. Jahrhunderte zahlreiche Colonien in Unteritalien. Die Celten (Gallier) drangen etwa seit 400 in Italien ein und setzten sich im Polande fest. Weitaus der wichtigste Stamm waren die Italer, da sie die Trager der geschichtlichen Entwickelung in Italien sind. Diesem Sta m m e gehoren die zahlreichen Volkerschaften Mittel-.und Unter- italiens an. Er z er f ali t in zwei groBe Zweige: den latinischen im W. und den umbrisch-sabellischen im O. Der latinische Zweig war urspriinglich auf Latium be¬ schrankt, ihm gehorten auch die Romer an. Zu dem umbrisch- sabellischen Zweige gehorten die Umbrer, Sabiner, Herniker, Aquer, Volsker, Samniten mit den Lucanern, Campanern und Bruttiern und andere kleinere Volkerschaften. 116 Die Romer. ZErster Zeitra/u.:m. Rom unter Konigen, 753 bis 509 v. Chr. 1. Romische Geschichtschreibung. Infolge ganzlieh mangelnden oder imr sehr unsicheren Quellenmateriales ist die altere romisclie Geschichte bis weit ins 4. Jahrhundert herab hochst unverlasslich und verworren, zumal — im Gegensatze zur griecliischen — alle Volkssagen fehlen und die einheimische Religiou uns sehr ungenau bekannt ist. Die wichtigsten romischen Geschicbtschreiber, auf deren Berichte wir fiir die altere Zeit wesentlich angewiesen sind, Livius und Dionysius von Halicarnass, lebten in der Zeit des Augustus. 2. Neuere Darstellungen. Grundlegend wurde das Werk Niehuhrs, dessen dreibandige romische Geschichte bis zur Einigung Italiens reicht. Jetzt ist der groBte Kenner der romischen Geschichte Theodor Mommsen; die er sten drei Bande seines Werkes schlieBen mit der Schlacht von Thapsus (46 v. Chr.), der fiinfte Band behandelt die Zustande des romischen Reiches in den ersten drei Jahrhunderten der Kaiserzeit (der vierte Band ist nicht erschienen). I. Rihnisches Religionsvvesen. A. Die altromischen Gottheiten. Die alteste Grundlage der romischen Religion war, wie bei den iibrigen Indogermanen, eine einfache Naturreligion (S. 41); friih trat besonders die Verehrung der auf den Ackerbau beziiglichen Gottheiten hervor. Die phantasie- armen, praktisch-niichternen Romer haben weder eine reiche Mytho~ logie noch scharf abgegrenzte Gottercharaktere ausgebildet; daher sind ihre Gottheiten schwer auseinander zu lialten, und wurden spater auf beiden Gebieten die griechischen Vorstellungen heriiber- genommen. Die romischen Gotter wurden ursprunglich ohne Abhilder verehrt; man besaB nur Symbole, z. B. das Feuer der Vesta, den Speer des Mars, den Kieselstein des Juppiter u. s. w. (S. 44 und 72). Es sind besonders zwei Gruppen von gottlichen Wesen zu unterscheiden: die personlich gedachten Gotter und die geisterhaft wirkenden Damonen (Genien). 1.) Ursprunglich genoss besondere Verehrung J anus, der Schutz- gott aller Eingange, dessen auch spater bei allen Opfern zuerst gedacht wurde. Man stellte ihn als Doppelkopf dar. Er wurde auch als erster Konig von Latium gedacht, zu dem Saturnus, ursprunglich Religion. 117 ein Gott der Saaten, als Lehrer des Ackerbaues gekommen sei. Juppiter ist ein Licht- und Wettergott, der durch Himmelszeichen den Gottervrillen andeutet. In der alteren Zeit tritt er besonders als Kriegsgott liervor, der neben Mars den Sieg verleiht. Mars, ur- spriinglich ein Gott des Friihlings und des Gedeiliens, wurde spater der eigentliche Kriegsgott. Der sabiniscbe Mars heil.it Quirinus, der spater als der vergotterte Romulus galt. Jun o ist die weibliche Macht des Lichthimmels; Diana galt als Lichtgottin; Minerva wurde friib in geistigem Sinne als Gottin des Denkens und Empfindens aufgefasst. Venus ist urspriinglich eine Gottin der Blumen. Neptun gelangte als Meergott erst durch griechischen Einfluss zu einiger Bedeutung, die Gottheiten des Feuers waren Vol c anus und Vesta. 2.) Damonen, d. h. gottliche Wesen, welclie erst dadurcli eine eigene Personlichkeit gewinnen, dass sie an bestimmte Individuen, Ortlicbkeiten oder Handlungen gebunden sind. So glaubte man z. B., dass jedem mannlichen Wesen ein Genius, jedem weiblichen eine Juno zugrunde bege. Unter diesen Geistern, welche spater als Genien bezeichnet wurden, sind besonders wicbtig: a) die Laren, welche, urspriinglich schiitzende Geister der Flur, spater gew6hnlich als verklarte Geister der Verstorbenen betrachtet und am Herde, wo ihre Holzbilder standen, verelirt wurden; b) die Larven, unter denen man die Geister der bosen Menschen verstand; c) die P en at en, die Schutzgotter des Hauses. B. Cultus und Priesterthiimer. Die Verebrung der romisclien Gotter bestand in Gebeten und Opfern, namentlich Suhnopfern. Die Priester unterstandeu jederzeit den Staatsbeamten, in deren Auftrage sie handelten (S. 47); ihr Amt. war in der Regel lebenslanglich und unbesoldet. Die zwei wichtigsten Collegien waren: 1.) Die PontiHces mit dem Pontifex Maximus an der Spitze. Nach Mommsen fiilirten sie ib ran Namen von dem ebenso heiligen wie politisch wiclitigen Geschafte, den Bau und das Abbrechen der Tiberbriicke zu leiten. Es waren romische Ingenieure, die das Ge- heimnis der Mafie und Zahlen verstanden, weshalb sie auch den Kalender des Staates zu fiihren, dem Volke Neu- und Vollmond und die Festtage abzurufen und dafiir zu sorgen hatten, dass jede gottesdienstliche wie jede Gericbtshandlung am rechten Tage vor sich gehe. 118 Die Romer. 2.) Die Auguren; sie deuteten den Willen der Gotter vor jeder Staatshandlung aus dem Fluge oder Gesclirei gewisser Vogel, be- sonders der Adler, oder suchten den Ausgang einer Unternehmung aus dem Frafie der heiligen Hiihner zu erforschen. Auflerdem sind die vestalischen Jungfrauen, die Haruspices, die Fetialen, die Salier und die drei Flamines hervorzuheben. Die Vestalinnen hatten besonders fiir die Erhaltung des heiligen Feuers in ihrem Tempel zu sorgen. Die Haruspices, welclie stets Etrusker waren, verstanden sicli auf die Schau der Eingeweide der Opfertbiere, auf Deutung und Siihnung der Blitze. Die Fetialen vollzogen die Ceremonien, welche mit der Anktindigung des Krieges oder dem Abschlusse eines Biindnisses verbunden waren. Die Salier standen im Dienste des Mars, dem zu Ehren sie im Marž einen Umzug mit Tanz auffuhrten. Die Flamines bildeten kein Collegium, sondern waren Einzelpriester, die zu Ehren des Juppiter, Mars und Guirinus tilglich Opfer darbrachten. II. Die traditionelle Geschiclite. A. Die Griindungssage. Inhalt, Ursprung und allgemeine Verbreitung der Sage. Die Erzahlungen von den Irrfahrten des Aneas, seiner Ankunft in Latium zur Zeit des Konigs Latinus, der Grundung Laviniums durch ihn, Albalongas durch seinen Solin Ascanius, der kouig- lichen Herrschaft der Silvier in Albalonga, sowie von der Ab- stammung des Romulus und des Remus vom dreizelmten Silvier Numitor, endlich die Erzahlung von der Grundung Roms selbst enthalten gar keinen geschiclitlichen Kern. Urspriinglich gab es zwei Formen der Griindungssage: die romische, welche an Albalonga, und die griechische, welehe an Aneas ankniipfte. In unserer Uberlieferung sind bereits beide mit- einander verschmolzen. Die griechische ist ein Auslaufer der Sage vom trojanischen Kriege; wie so viele griechische Stiidte, lieC man auch Rom von einem der auf der Riickfahrt verschlagenen Helden dieses Krieges griinden. Diese Form der Sage hat in Rom selbst erst im 3. Jahrhundert Eingang gefunden. Nach der romischen Fassung war Aneas der Vater oder Schwiegervater des Romulus; spiiter schob man, um die chronologischen Schwierigkeiten zu beseitigen, die alba- nische Konigsliste ein, deren einzelne Namen sammt den ihnen bei- gegebenen Jahreszahlen gar erst aus der Zeit des Augustus stammen. Konigszeit. 119 Dass die Erzahlung in Rom schliefilich allgemein geglaubt wurde, erklart sich aus Folgendem: 1.) Die Ankniipfung an einen beriihmten homerischen Helden schmeichelte den Romern; 2.) die Sage wurde namentlich durcli den groBen Einflnss des julischen Geschlechtes, welchem Časar angehorte und das so seinen Ursprung bis auf Venus, die Mutter des Aneas, zuriickfiihren komite, weiter ausgebildet. Die Verbindung der Aneassage mit dem julischen Geschlechte liegt in der Aneis Vergils vor. B. Die romisehen Konige. Die traditionelle Gescliichte der Konigszeit bestelit iiber\viegend aus Sagen, welche ersonnen wurden, um eine Einrichtung des spateren romisehen Staates zu er ki aren oder zu begrunden. So wurde z. B. der Hauh der Sahinerinnen erdichtet, um die romisehen Hochzeits- gebrauche, denen zufolge die Braut scheinbar aus dem Elternhause geraubt wurde, zu er ki aren; um den spateren Gebrauch, dass Staats- verbreclier vom tarpejischen Felsen hinabgesturzt vvurden, zu erklaren, wurde die Erzahlung von der treulosen Tarpeja ersonnen; so wurde die Abstammung des Konigs Targuinius aus Tarquinii und, des Servius Tullius von einer Sclavin zur Erklarung der beiden Namen erfunden (etymologische Sage). Dazu kommen nocli Ruckschlusse aus den Einrichtungen der historischen Zeit auf die friihere; so wurde z. B. die Zalil der Senatoren und ihre Berufung durch den K dni g nach den in der historischen Zeit iiblichen Einrichtungen angenommen; dasselbe gilt fiir die angeblichen Rechte der Volks- versammlung seit Servius etc. Ob, von Romulus abgesehen, alle oder einzelne Konigsnamen historisch sind, wissen wir nicht. Die \vichtigsten Thaten, welche die Uberlieferung unter die einzelnen Konige vertheilt, sind: 1.) Griindung und Befestigung der Stadt; 2.)Unterwerfung der benachbarten Ortschaften; 3.) Gliederung der Biirgerschaft; 4.) Feststellung der politischen und militarischen Einrichtungen; 5.) Ordnung des Cultus und Einsetzung der Priester- schaften; 6.) Errichtung der altesten offentlichen Gebaude; 7.) Aus- breitung der romisehen Herrschaft tiber Latium. Diese Thaten werden auf die einzelnen Konige so vertheilt, dass jedem von ihnen eine bestimmte Beziehung zur Stadt, zum Staate und zur Landsch.aft zugeschrieben wird. So wird den ersten vier Konigen die Begriindung, den letzten drei die Abandcrung der Verfassung zugeschrieben. 120 Die Romer. Gliederung der Bevolkerung. 121 lil. Die geschichtliche Entwickelung von der Besetzung Latiums durch die Latiner bis zum Sturze des romischen Kdnigthuins. A. Der latinische Stadtebund und die Griindung Roms. Die a lteste Ansiedlung der Latiner erfolgte nach Geschlechtern, indem sich die verwandten Familien nebeneinander niederlieBen. Bei Uberfallen hatten die Geschlechtsgenossen, welche einen Gau bewobnten, eine gemeinsame Zufluchtsstatte auf einem Berge oder Hiigel, Capitolium genannt. Gewiss wurde zuerst das isolierte Albaner Gebirge, «die natiirliche Burg von Latium», besetzt. Hier lag Alha- longa, das als Haupt aller iibrigen latinischen Gemeinden, also auch Roms, galt. Naheres dariiber ist nicht bekannt, ebensowenig wie iiber die Zerstorung des Vorortes. Die einzelnen Gaue waren in altester Zeit vollig unabhangig voneinander, jeder wurde von einem Fiirsten unter Mitwirkung des Rathes der Alten und der Volksversammlung (vergl. die homeriscben Zustande) regiert. Alle latinischen Gemeinden zusammen bildeten einen Bund, an dessen Spitze Albalonga stand. Der Mittelpunkt dieser Vereiniguug war ein gemeinsames Fest im Albaner Gebirge zu Ehren des latinischen Stammgottes Juppiter (vgl. die griechischen Amphictyonien). Es war eine Zeit des Kampfes, ahnlich dem deutsclien Mittelalter (S. 42). Rom entstand durch die Verbindung der drei Gaue der Ramner, Titier und Lucerer. Die Ramner waren auf dem palatinischen, die Titier auf dem quirinalisclien, die Lucerer auf dem calischen Hiigel angesiedelt; die gemeinsame Burg lag auf dem capitolinischen Hiigel. B. Bestandtheile und Gliederung der Bevolkerung. Die Bevolkerung zerfiel in Burger, Clienten und Schiven. Die Biirger waren die Gesammtheit der freien Geschlechtsgenossen (Patricier). Die Clienten («Horige») oder Plebejer 1 waren Freie, die selbst oder der en Vorfahren durch Dedition (Vertrag mit einer besiegten Gemeinde), Einwanderung oder Freilassung unter die Schutzhoheit eines Biirgers (Patron) gekommen waren und zu ihm in einem erblichen Abhangigkeitsverhaltnisse standen. Die Biirgerschaft bestand aus einer Anzahl von Geschlechtern, deren Mitglieder sich als Nachkommen eines gemeinsamen Ahnherrn betrachteten. Aus der Vereinigung dieser Geschlechter zu einem Ganzen entstand die Volksgemeinde. Diese zerfiel in 3 Stamme (Tribus), namlich in die ehemals getrennten Gemeinden der Ramner, Titier und Lucerer, jeder Stamm in 10 Gurien, jede Curie in 1 Der Name bedeutet «Volksmenge» im Gegensatze zum herrschenden Stande der Patricier. 122 Die Romer. 10 Geschleehter. 1 Die gesammte Gemeinde bestancl demnach aus 3 Tribus, 30 Curien und 300 Geschlechtern. Die einzelnen Ge- scblecbter bestanden aus einer Anzahl von Farnilien, deren Ober- haupt (Pater familias) das vollste Verfiigungsrecht liber seine Kinder besafi; er koimte sie aussetzen, verkaufen, enterben, geifieln, ja — bis in die Zeit Constantins — sogar todten. C. Die altesten Verfassungszustan.de. Wie bei den Griecben, kommen der Konig, der Rath und die Volksversammlung in Betracht. 1. Konig. Der Konig, der von der Volksversammlung gewahlt und vom Katbe bestatigt wird, besitzt, wie bei den Griechen, mili- tarische, richterliche und priesterlicbe Gewalt. a) Er ist der Fiihrer des Heeres, zu welcbem jede Tribus 1000 Mann FuBvolk und 100 Reiter stellt. Das alteste Heer (Legion, d. h. Aufgebot) besteht demnach aus 3000 Mann FuBvolk und 300 Reitern. h) Er besitzt die ganze Criminalgericlitsbarkeit. Das Symbol dieser Gewalt waren die Fasees, Ruthenblindel mit je einem Beile, welcbe ihm seine Amts- diener, die Lictoren, vorantrugen. c) Er ist der hocliste Priester und ernennt alle iibrigen. 2. Rath der Alten (senatus — Gerusia). Er ist wohl ursprung- lich eine Vertretung der Geschlechter, von denen jedes ein Mitglied entsendete; die Uberlieferung kennt aber nur mehr seine Zusammen- setzung und Berufung durch den Konig. Die Zalil der Senatoren wird auf 300 angegeben. Der Senat konnte nur liber solche Gegen- stande verhandeln, welche ihm der Konig vorlegte; aucli war er nur eine berathende, keine beschliebende Behorde. 3. Volksversammlung (Curiatcomitien). Ihre Rechte kennen wir nich t. Zugeschrieben werden ihr folgende: a) Wahl des KOnigs, h) Anderung der Verfassung, c) Erklarung eines Angriffskrieges. — Die Abstimmung erfolgte nach Curien, einfach mit Ja oder Nein. Die Clienten (Plebejer) waren wahrend der ganzen Konigszeit nicht stimmberechtigt. 1 Jedes Geschlecht fillirte eiaen Namen, der fast stets auf *ius» auslautete. Zur Bezeicknung des Individuums trat vor den Geschlechtsnamen der Vorname (= unserem Personennamen), wiilirend hinter demselben der Name der unter dem betreffenden Geschlechte inbegriffenen Familie folgte, welcher der Trager an- gehorte, z. B. Marcu s (M. Vorname) Tullius (Geschleclitsname) Cicero (Familien- name). Dazu kamen noch Namen zur Eriunerung an Kriegsthaten, wie Africanus, z. B. Publius (P.) Cornelius Scipio Africanus. Adoptierte fiihrten den vollen Namen des Adoptivvaters und ihren Geschlechtsnamen mit der Endung -anus, z. B. Caius (C.) Julius Časar Octavianus (Sohn des Octavius). In der altesten Zeit findet sich neben einem Individualnamen (Romulus) aucli der Gebrauch zweier Namen (Numa Pompilius). Reformierte Verfassung. 123 D. Die reformierte Verfassung. Nachdem bereits Tarquinius Priscus eine Reform der Verfassung angebahnt hatte, fiihrte sie Servius Tullius durch. Der Kernpunkt der Reform dreht sicli um die Frage der Stellung der Clienten, die, soweit sie nunmehr Kriegsdienste leisten mussten, als Plebejer bezeichnet wurden. Es geht daher seitdem die patricische in die patricisch- plebejische Biirgerschaft uber. Bei der reformierten Verfassung kommen die Tribus- und die Centurienordnung in Betracht. 1. Die Tribusordnung. Unter Tribus ( von der jiingeren verscliieden (S. 65—66). 124 Die Romer. Bcnicrkungen znr Tabellc. 1. ) l)ie Sckatzung des Vermogens (Census) wurde jedes fiinfte Jalir (Lustrum) vorgenommen. 2. ) Als Ritter dienten solche Grundbesitzer, deren Reichthum den Census der ersten Classe noch iiberstieg. 3. ) In jeder Classe war die eine Halfte der Centurien des FuBvolkos dem zablreicheren ersten Aufgebote (Junioren), die andere der Seserve (Senioren) zugewiesen; dem ersteren gehorte man vom vollendeteu 17. bis zum vollendeten 46. Lebensjahre an. 4. ) Die Wehrordnung ist spiiterhin auch als Ralnnen fiir die politische Thatigkeit des Volkes beibehalten worden. Patricier und Plebejer, alle Mit- glieder der Vermogensclassen traten als ein «Volk inWaffen» nacli Centurien zu- sammen und stimmten nacli Centurien ab (Centuriat-Comitien). Beurtheilung der Centurienverfassung. Sie hat einen tirno- kratischen Charakter; denn urspriinglich waren nur die grund- besitzenden Burger in die Olassen aufgenommen, und die erste Classe hatte in Verbindung mit den Rittern die Majoritat, obwohl sie die Minderzahl der Burger umfasste. — Es lassen sich mehrere Ahnlichkeiten mit der solonischen Verfassung erketmep. E. Fremde Cultureinflusse. Schon in der Konigszeit macbten sicb etruskische und nament- lich griecbische Einflusse bomerkbar. Von den Etruskern wurde unter anderem die Anwendung des dem dorischen verwandten etrus- kiscben Stiles beim Baue des capitolinischen Juppiter-Tempels und die Verwendung derWolbung bei den Cloaken entlehnt. Griecliiscbe Einflusse fanden namentlich von Cuma (S. 67) her Eingang. Grie- chischen Ursprunges sind: 1.) die Buchstabensclirift, die im Zeitalter der Tarquinier in Rom bekannt wurde; 2.) die Darstellung der Gotter in menschlicher Gestalt, dieAufnahme griechischer Gottheiten, wie des Apollo, der Ceres u. s. w.; 3.) das MaB- und Gewichtssystem; 4.) die Einfiihrung des Census nacli dem Beispiele Solons; 5.) die Verbreitung von Hausthieren (Esel und Maulthier) und Gartengewachsen (S. 113). !Zi-weiter Zeitraio-m. Rom als Republik, 509 bis 30 v. Gbr. Erster Absclinitt. Von der Begrtindung der Republik bis zum 509—264. Anfange der punisclien Kriege, 509 bis 264. Ansbreitung der romischen Herrscliaft liber Italien, Zeit der Aristokratie, Stiindekampf. I. Begriindung der neuen Verfassung. Der Sturz des Kdnigthums war in Rom wie in Griechenland (S. 54 und 60) das Werk des Adels, der Patricier, dem audi die Friichte der Verfassungsanderung zugute kamen. Dem Konigthume Begriindung der Republik. 125 folgte daher die Aristokratie ; aucli in der neuen Verfassung kommen die obersten Magistrate (anstelle des Konigs), der Senat und die Volksversammlung in Betracht. A. Die obersten Beamten (Magistrate). 1. Consulat. Die hochsten Beamten waren die zwei Consuln. Sie wurden von den Centuriat-Comitien aus den Patriciern gewahlt. Im wesentlichen besafien sie die militarische und richterliche Ge\valt des Konigs; aufierdem beriefen sie den Senat und leiteten die Centuriat-Comitien. Das priesterliche Amt des Konigs wurde einem Opferkonig iibertragen, der vom Pontifex Maximus auf Lebenszeit aus den Patriciern ernannt wurde. Die Macht der Consuln war beschrankt : 1.) durch die ein- jahrige Dauer des Amtes und die Verantwortlichkeit; 2.) durcli die Einfiihrung der Provocation, d. h. der Berufung des vom Consul zum Tode oder zu einer Leibesstrafe (spater auch einer hoheren Geldstrafe) verurtheilten Verbrecliers ans Volk. 2. Dictatur. In Kriegsnothen und bei Bewegungen im Innern wurde von einem der beiden Consuln auf hochstens sechs Monate ein Dictator ernannt, der durcli die Provocation nicht beschrankt war. Der Einfiihrung der Dictatur lag die Absicht zugrunde, die Wiederherstellung der Einheit der obersten Gewalt fiir eine kurze Zeit zu ermoglichen. Unter dem Dictator stand der von ihm er- nannte Befehlshaber der Reiterei. B. Der Senat. 1. Zusammensetzung. Nach dem Sturze des Konigtliums wurde der Senat durch die Aufnahme von Plebejern wieder auf die Normal- zahl von 300 Mitgliedern erhoht und diese bis auf Sulla beibehalten. Die fernere Ergiinzung fand durch den Eintritt der hoheren Beamten nach Ablauf ilires Amtsjahres statt, so dass die Volksversammlung ein indirectes Wahlrecht liatte. Die Erganzung stand urspriinglich den Consuln zu. Da die Mitgliedschaft lehenslanglich war, entvvickelte sich im Senat im Gegensatze zum athenischen Ratlie (S. 63) eine standige Politik. 2. Befugnisse. Der Senat, welcher in der Konigszeit nur eine beratliende Korperschaft war, wurde allmahlich die obersie Ver- \valtungs- und Begierungsbehorde (vgl. S. 57 und 63). Er verfiigte die Aushebung der Mannschaft, verliingerte den Feldherren das Commando, 126 Die Romer. genehmigte Friedensschliisse, hatte die Aufsicht liber Religiou uud Cultus, die Vorberathung der Gesetze und verfiigte liber die Staatscasse. Seine Macht erreichte ihren Hohepunkt im zweiten punischen Kriege; er entschied damals liber die gesammte innere und aufiere Politik. G. Die Volksversammlungen. 1. Centuriat-Comitien. Ilire fiinf Befugnisse waren: das Redit der Gesetzgebung, die Erklaruug eines Angriffskrieges, die Wahl der hochsten Beamten mit Ausnahme des Dictators, das Provocations- reclit und (spater) die Bestatigung der Staatsvertrage. 2. Curiat-Comitien. Sie entschieden unter dem Vorsitze des Pontifex Maximus liber gentilicische Fragen, z. B. den Austritt aus einem Gesdileckt oder dem Patriciate. Politiscke Rechte liatten sie nicht mehr. Beurtheilung der neuen Verfassung. Die neue Verfassung bat einen streng aristokratischen Charakter; denn die Patrider liatten die Entsdieidung im Senat und das hJbergewicht in den Centurien; sie allein konnten zu politischen, militarischen und priesterlichen Amtern gelangen und biiteten das ungeschriebene Redit. II. AuBere Gesdiichte. I)ie Ausbreitung der riimiscben Herrschaft iiber Latium und die angrenzenden Gebiete, 609 bis um 338. A. Kampfe mit den Sabinern, Aquern und Volskern; Verhaltnis zum latinischen Stammesbunde. In den ersten Jahrbunderten der Republik hatte Rom zahl- reiche, im einzelnen ganz unsichere Kampfe mit den Nadibarvolkern, namentlidi den Sabinern, Aquern und Volskern zu besteben. Diese Kampfe, welche als oft wiederbolte Grenziiberfalle aufzufassen sind, lassen sicli nur in ihrem Resultai erkennen: sie hatten eine lang- same, aber bestandige Ausbreitung der romischen Herrschaft und die friilie Romanisierung dieser Stamme zur Folge. Fr lihe sclion fiel Rom die Leitung des latinischen Bundes (Hege- monie) zu. Der Bundesvertrag vom Jahre 493 bestimmte gegenseitigen Rechtsschutz, Conubium und Commercium, d. h. Ehe- und Handels- gemeinschaft, und gleichen Antheil an dem Kriegsgewinne (Beute und Landereien) zwischen Rom und dem Bunde, die aucli in der Heeres- fiihrung abwechselten. Gleichwohl werden aucli spater noch Kampfe zwischen Rom und der einen oder auderen latinischen Stadt berichtet. Kriege mit den Etruskern und den Galliern. 127 B. Kampfe mit den Etruskern. Zur Zeit der Griindung der romischen Republik stand die Macht der Etrusker, die mit den Carthagern das tyrrhenische Meer beherrschten, noch auf ihrem Hohepunkte, so dass der erste Zusammenstofi zwischen beiden zu Ungunsten Roms endete. 1. Der Krieg mit Porsena. Porsena, Stadtkonig von Clusium, wollte die Verwirrung in Rom beniitzen, um die etruskische Macht tiber Latium auszudehnen. Der Krieg, welcher einen fiir die Romer ungliicklichen Veri auf nahm, ist vielfach sagenhaft, da die Romer spater durch Erdichtung von Heldentbaten (Horatius Cocles, Mucius Scavola) den Ausgang fiir sicli ruhmlicher gestalten wollten. Die Romer mussten geloben, das Eisen nur mebr fiir Ackerbau- gerathe — nicht auch fiir Waffen — zu vertvenden. 2. Kriege mit Veji. Im siidlichen Etrurien lag das machtige Veji, mit dem die Romer zwei grofiere Kriege zu fiihren liatten. a) Krieg in den Jahren 477 bis 474. Dieser Krieg ist durch 477 — 474 . die Niederlage bekannt, welche die Fabier an der Cremera erlitten. Hiebei fand das ganze fabische Geschleclit, mit Ausnahme eines einzigen in Rom zuriickgebliebenen Knaben, den Untergang. Ein 40jahriger Waffenstillstand beendete den Krieg. b) Krieg. in den Jahren 406 bis 396. Da die Etrusker im Norden 406 — 396 . damals von den Galliern bedrangt wurden, wurdeVeji nur von einigen siidetruskischen Stadten unterstiitzt. Die lange Belagerung der Stadt, die durch manclierlei sageidiafte Zuthaten ausgeschmiickt ist, fiihrte endlich unter der Anfiihrung des Dictators Marcus Furius Camillus ... . * zur Eroberung Vejiš. In diesem Kriege wurde, da das Heer auch im Winter im Felde blieb, die Soldzalilung eingefiihrt. Um 280 ordneten sich die Etrusker, deren Machtstellung in- Um 280 . zwischen durch die Gallier gebrochen worden war, der romischen Fuhrung unter. C. Kriege mit den Gelten (Galliern). 1. Eroberung Roms durch die Gallier. Auf ihrem Vordringen aus dem Polande nach S. kamen die Gallier uach Etrurien und belagerten Clusium, dessen sich die Riimer annahmen. Infolge dessen zogen die Gallier gegen die Romer und schlugen diese an der A 77/a bis zur Vernichtung (387); Rom wurde erobert und zumTheile nieder- 387 . gebrannt, nur das Capitol wurde behauptet. Auf die Nachricht, dass 128 Die Homer. andere Volker in ihr Gebiet eingefallen seien, zogen die Gallier gegen Bezahlung von 1000 Pfund Goldes ab. Es ist der schwerste Sc h lug, den Rom je erlitten hat. Gleichwohl hat die Uberlieferung auch diesem Kriege eine fiir die Romer giinstige Wendung gegeben, welche an den Namen des groben Camillus angekniipft wurde. Darnach wurden die Gallier von Camillus vertrieben, in einer Schlacht besiegt, ihr Anfiihrer Brennus getodtet und das gezablte Gold ihnen wieder abgenommen. Dem Drangen der Fiihrer der Plebs, die Ruinen Roms zu verlassen und nach Veji zu iibersiedeln, trat Camillus erfolgreicb entgegen. Rom wurde in Eile, daher unregelmaBig und unschon, wieder aufgebaut, Camillus als zweiter Griinder der Stadt gepriesen. 2. Spatere Kampfe mit den Galliern. Noch vviederholt ver- suchten die Gallier, sich in Latium festzusetzen, jedoch ohne Erfolg. Die Uberlieferung berichtet die sagenhaft ausgescbmuckten Zwei- kampfe des Titus Manlius Torquatus und M. Valerius Corvus, welche 334 . fiir die Romer riibmlich ausgiengen. Im Jabre 334 schlossen sie mit den Galliern Frieden und Freundschaft. 340 — 338 . D. Der letzte Latinerkrieg, 340 tais 338. Wie in Athen (S. 80), entwickelte sich auch aus der romischen Hegemonie iiber Latium naturgemaB eine Herrschaft, so dass sich die Latin er liber Verletzung des Vertrages besclrvverten und, als ihre Bitte um Zulassung zum Consulat und zum Senat abgewiesen wurde, die Waffen gegen Rom ergriffen. Da die Latiner den Romern durcbaus gewacbsen waren, so bedurfte es der strengsten Disciplin und des grofiten Opfermuthes seitens der Romer, bei denen damals T. Manlius Torquatus und P. Decius Mus besonders hervorragten. Der erstere liefi seinen eigenen Sohn hinrichten, weil er sich gegen seinen Befehl mit einem Latiner in einen Zvveikampf ein- gelassen hatte; der letztere entschied durch seine freiwillige Todes- ■weihe die Schlacht am Vesuv zu Gunsten der Romer. Als namlich die romischen Haufen auf der Seite vvankten, wo Decius Mus befehligte, liefi er sich durch den Pontifex Maximus den unterirdischen Gottern weihen, was nach romischer Ansicht den Sieg herbeifiihren musste; dann sprang er aufs Ross und sturmte in das dichteste Getummel der Feinde. Als er todt zusammenhrach, ein Zeichen,. dass die Gotter das Opfer gnadig aufgenommen, sturzten sich die Romer begeistert auf die Latiner und trieben sie in die FluchL Standekampf. 129 Der latinische Bund wurde aufgelost. Einige Stadte erhielten das romische Biirgerrecht, andere wurden untertlianig, einige blieben auf Grund eines eigenen Vertrages unabhangig. Gleichzeitig schlossen Capaa, die grafite Handelsstadt Mittel- italiens, und die Gampaner, welche Schutz gegen die Samiiiten suchten, ein iimiges Blindnis mit Rom, vvodurch dessen Maclit so bedeutend erliobt wurde, dass es den Kampf um die Herrscbaft iiber Mittelitalien aufnehmen konnte. III. Innere Geschichte. Fortentwickelung der Verfassung (Standekampf). Der Hauptinhalt der folgenden Gescliichte ist der sogenannte Standekampf, d. h. das erfolgreiclie Bestreben der Plebejer, sich zuerst Bechtsschutz gegen die patricischen Ubergriffe und dann auch politische Gleicliberechtigung mit den Patriciern und Antheil am Gemeindefande zu erwerben. Die Grenze zwischen beiden Ab- schnitten bildet das Ende des Decemvirats. A. Gesehichtlicher Theil. 1. Vom Beginne des Standekampfes bis zum Ende des Decemvirats, 494 bis 449. In diesem Abschnitte sind besonders vvichtig: 1.) die Einsetzung des Volkstribunats, 2.) die Einsetzung des Decemvirats, 3.) die Gesetze des Horatius und Valerius. a) Einsetzung des Volkstribunats (angeblich 494); Coriolan. Zur politischen Reclitlosigkeit der Plebs war ein sclrvverer socialer (S. 61) Ubelstand gekommen. Die Zerrtittung des Staates beim Sturze des Konigthums hatten namlich mehrere benachbarte Volkerscliaften zu Angriffen auf Rom beniitzt, wodurch gerade die kleinen plebejischen Bauern hart getroffen worden waren, zumal da der Nutzgenuss des Gemeindelandes gegen Abgabe des Zehnten nur den Patriciern gestattet war. Da die Burger iiberdies sich selbst ausriisten mussten, so waren sie in Schulden gerathen (der ZinsfuB war auch in Rom sehr hocli) und den Bestimmungen des aufierst strengen Schuld- rechtes, wonach der Schuldner und seine Angehorigen Sclaven des Glaubigers wurden, preisgegeben (vgl. S. 61). Da der Senat die Be- schwerden der Plebejer abwies, verlieBen sie Bom und begaben sich auf den am nordlichen Ufer des Anio gelegenen heiligen Berg in der Zeehe-Rebhann, Geschichte des Alterthums. 494 - Um 9 130 Die Romer. Absicht, aus Rom ganzlich auszuvvandern. Nun sahen sich die Patricier zu Unterhandlungen genothigt und mussten den Plebejern bedeutende Zugestandnisse einraumen; diese waren: 1.) Bevvilligung einer Am- nestie; 2 .) Beseitigung der driickendsten Schuldgesetze; 3.) Einsetzung zweier plebejischer Schutzbeamten, der Volkstribunen, denen zvvei Aditen als Gehilfen untergeordnet wurden. Vergebens versuchte bald darauf Coriolan gelegentlich einer Hmigersnoth, den Plebejern gegen das Versprechen, ihnen auf Staatskosten billiges Getreide zu verabfolgen, das Tribunat zu entreifien. Von der Plebs zum Tode verurtheilt, musste er fliehen und starb im Auslande. u. 450. b) Das Decemvirat (451 und 450). Zehn Jahre lang, von 462 bis 452, beantragten die Tribunen die Aufschreibung der Gesetze, die, bisher mundlich fortgepflanzt (S. 61), von den patricischen Magistraten nach Willkiir ausgelegt werden konnten. Endlicb gaben die Patricier nach und willigten in die Wahl von zehn Mannern (Decemvirn), unter gleichzeitiger Einstellung der Wahl von Consuln und Tribunen. Diese stellten zehn eherne Gesetzestafeln auf dem Forum auf. Zum Abschlusse des Werkes wurden fiir das nachste Jahr abermals Decemvirn gevvahlt, worunter auch Plebejer waren. Das zweite Decem¬ virat fugte noch zwei Gesetzestafeln hinzu. Nach der Uberlieferung missbrauchten die Decemvirn des Jahres 450, deren Haupt der stolze Appius Claudius war, ihr Amt, verletzten die Gesetze und traten am Schlusse des Jahres nicht zuriick. Als Appius Claudius Verginiu, die Tochter eines Biirgers, einem seiner Clienten als Sclavin zusprach und der Vater, um die Ehre der Tochter zu retten, sie mit eigener Hand todtete, brach die Revolution aus. Abermals zogen die Ple¬ bejer auf den heiligen Berg, und wieder mussten sich die Patricier zu Verhandlungen und Zugestandnissen herbeilassen. 449 . c) Die Gesetze der Consuln Valerius und Horatius (449). Nachdem die Decemvirn ihr Amt niedergelegt hatten — Appius Claudius starb im Gefangnisse, — vermittelten die beim Volke beliebten Consuln Lucius Valerius und M. Horatius einen Ausgleich, der im wesentlichen drei Bestimmungen enthielt: 1 .) Die Beschliisse der Tribut-Comitien sollen auch fiir die Patricier Geltung haben; 2 .) es soli kein Magistrat gewahlt werden, dem gegenuber das Pro- vocationsrecht nicht galte; wer einen solchen wahle, sei des Todes schuldig; 3.) die Todesstrafe soli denjenigen treffen, der einen Volks¬ tribunen, einen Adil, Richter oder Decemvir verletzt. Standekampf. 131 2. Vom Sturze des Decemvirats bis zur DurchfUhrung der vollen Gleichberechtigung, 449 bis 300. Die Patricier versuchten den Bestrebungen der Plebejer entgegen- zutreten; gleichwohl ruhten die Tribunen, die Vorkampfer der Plebs, nicht, bis die volle Gleichberechtigung errungen war. Sie wurde be- sonders durch das Gesetz des Canulejus (Conubium und Militartribunat) und das des Licinius (Zulassung zum Consulate) herbeigefiihrt. Hiezn kommt die demokratische Umgestaltung der Comitien (S. 134). a) Das Gesetz des Canulejus (445). Der Tribun Canulejus for- derte: 1.) Zwischen Patriciern und Plebejern sollen rechtsgiltige Elien abgeschlossen werden konnen; 2.) einer der Consuln soli aus den Ple¬ bejern gewahlt werden. Den ersten Antrag mussten die Patricier nacli hartnackigem Widerstande genehmigen, wobei bestimmt wurde, dass Kinder solcher Miscbehen dem Stande desVaters folgen sollten; dem zweiten wichen sie durch die Einsetzung einer neuen Magistratur aus. Die Patricier setzten nainlich durch, dass jahrlich ein Senats- beschluss dartiber entscheiden solite, ob Consuln oder Kriegstribunen mit consularischer Gewalt, drei bis seclis an der Zahl, gewahlt \verden sollen ; zu letzterem Amte erbielten auch die Plebejer Zutritt. Das Militartribunat umfasste aber nicht die ganze consularisclic Gewalt, da fiir die Vornahme des Census eine eigene Magistratur, die Censur eingefiibrt wurde (443). b) Die licinischen Gesetze. Die Tribunen Licinius Štolo und Lucius Sextius setzten nacli zehnjahrigem Kampfe unter Ver- mittlung des M. Furius Camillus drei Antrage durch; von diesen sollten zwei die Noth der armeren Plebejer lindern, der dritte den Ehrgeiz der reicheren Plebejer befriedigen. Sie lauteten: 1.) Die Schulden sollen nach Abzug der bereits gezahlten Zinsen in drei gleichen Jahresraten getilgt werden; 2.) jeder romische Burger soli Antlieil an dem durch Eroberungen gewonnenen Gemeindeland erhalten, keiner aber melir als 500 Joch (125 ha) besitzen diirfen; 3.) es sollen wieder Consuln gewalilt und einer von ihnen jedesmal den Plebejern entnommen werden. Die Patricier konnten schlieBlicli die Annahme dieser Antrage durch die Centurien nicht mehr hindern, trennten aber von der Consulargewalt die Gerichtsbarkeit ab und setzten hiefiir ein eigenes patricisches Amt, die Pratur, ein (367). Auch erfolgte damals die Einsetzung einer neuen patricischen Magistratur, der curulischen Adilitat, zur prachtigeren Feier der groben Festspiele. 449 — 300 . 445 . 443 . 367 . 9 * 132 Die Romer. Nach der Wahl des L. Sextius zum Consul erhielten die Plebejer allmahlich auch Zutritt zu den iihrigen biirgerlichen Amtern. 300 . Im Jahre 300 wurden den Plebejern auch die politisch einfiuss- reichen Collegien der Pontifices und der Auguren zuganglich gemaclit. Die Erreicbung ilires Zieles wurde den Plebejern besonders durch die vielen Kriege erleichtert, da diese die Patricier nothigten, jenen immer wieder entgegenzukommen (Einwirkung der aufieren Politik auf die innere). AuBerdem gab es wahrscbeinlich auch unter den Patriciern mitunter Gegensatze; darauf deutet besonders der Umstand hin, dass drei Versuche, die Tyrannis zu errichten, erwahnt werden. DieseVersuclie machten der gewesene Consul Spurius Cassius 486 , 439 , (486), der Plebejer Spurius Malius (439) und der Retter des Capitols, 384 . M. Manlius Capitolinus (384). Alle drei Manner wurden hingerichtet. B. Systematiseher Theil. 1. Magistraturen. Unter Magistratur verstanden die Romer das ordentliche poli- tische Amt und auch den Inhaber dieses Amtes, das unbesoldet und in der Regel einjahrig war. Die wichtigeren einzelnen Magistraturen waren aufier den bereits besprochenen noch die Censur, Quastur, Pr a tur, Adilitat und das Volkstribunat. a) Censur. Die beiden Censoren wurden auf 18 Monate gewahlt, ihre Amtshandlungen galten jedoch fur fiinf Jahre. Ihr wichtigstes Befugnis war: 1. ) Die Aufstellung der Burgerliste, indem sie auf Grund des von ihnen abgeschatzten Vermogens der Burger diesen die Stellung in den servianischen Classen und die Tribus zuwiesen. 2. ) Die Aufstellung der Senatsliste. Sie zerfallt in die Revision der Senatsliste, d. h. die Priifung und eventuelle Aus- scheidung unwiirdiger Senatoren, und in die Erganzung der Lucken, die, soweit die hoheren Wurdentrager nicht ausreichten (S. 125), ihrer Willkiir uberlassen war. 3. ) Finanzielle Rechte. Mit Ausnahme der Staatscasse unterstand den Censoren das ganze bewegliche und unbewegliche Staatsgut. Sie verpachteten die Staatslandereien, vergaben die Staats- bauten und erhielten sie in gutem Stande. Die Censoren waren thatsachlich von jeder Verantwortliclikcit frei. Die Magistrature!). 133 h) Quastur. Die Quastur, welclie vermutklich schon seit der Begriindung der Republik bestand, wurde schon im Jahre 421 der Plebs zuganglich. Die Quastoren tvaren entweder stadtische oder Feldherren-Quastoren. Die ersteren waren Untersuchungsrichter, untergeordnete Beamte der Consuln, an derenstatt sie bis in das zweite Jahrhundert liinein die Criminalgerichtsbarkeit ausiibten. Schon friihe hatten sie aucli die Aufsicht iiber die Staatscasse und besorgten die Einhebung der Steuern. Die Feldherrempiastoren waren die Gehilfen der Oberfeldherren, ilmen lag besonders die Verwaltung der Kriegscasse ob. Die Zahl der Quastoren stieg all- mahlich von 2 auf 26. c) Pratur. Der Prator iibte die stadtische Rechtspfiege. Ur- spriinglich gab es nur einen Prator, spater wurde zur Schlichtung der Streitigkeiten zwischen Nicht-Biirgern oder einem Burger und einem Niclit-Biirger ein zweiier Prator gewahlt. d) Adilitat. Urspriinglicli wurden jahrlich zwei plebejische Adilen gevvahlt, welche unverletzlicli waren und den Tribunen bei der Rechisp/lege lialfen; die Aufsicht iiber den Getreidemarkt und die polizeiliche Gewalt sclieint spateren Ursprunges zu sein. Im Jahre 367 kamen zu den beiden plebejischen noch zwei patricische Adilen hinzu. Beide Arten von Adilen hatten grofientheils dieselben Geschafte zu besorgen, namlich den hauptstadtischen Verkehr zu tiberwachen und die Volksfeste zu veranstalten. Die letztere Thatig- keit wurde spater ihre Idauptaufgabe. e) Volkstribunat. Die Volkstribunen wurden von den Plebejern auf ein Jahr gewahlt und galten in ihrer amtlichen Thatigkeit als unverletzlich. Sie hatten zunachst das Recht, den einzelnen Plebejer gegen die Zufiigung eines Unrechtes durch den Consul, dann die ganze Plebs gegen ein magistratisches Decret oder einen Senats- beschluss durch ihren Einspruch (veto) zu schiitzen. Sie konnten jeden, der sich an der Plebs jergriff, verhaften und an Geld, ja sogar an Leib und Leben strafen und endlich in von ihnen be- rufenen Sonderversammlungen der Plebejer selbstilndig mit dem Volke verhandeln und iiber ihre Antrage abstimmen lassen. Seit 286 erhielten sie aucli Einfluss auf die Gesetzgebung und das Recht, im Senate zu sitzen, zu reden, ja in Ausnahmsfallen den Senat zu berufen. 134 Die Romer. 286. 338—264. 327—290. 2. Volksversammlungen. a) Centuriat-Comitien. Sie erfuhren, ahnlich wie die solonische Verfassung (S. 65 und 79), vvahrend des Standekampfes und nach dem- selben eine Umgestaltung in demokratischem Sinne; diese erfolgte: 1.) durch die Aufnalime der nicht grundbesitzenden Burger in die Centurien; 2.) durcb die Herabsetzung des Mindestvermogens fiir die Aufnahme in die Classen auf 4000 Assen 1 ; 3.) durch die Zuweisung der gleichen Anzahl von Stimmabtheilungen, namlich 70, an jede Classe, wodurch das TJbergewicht der ersten Classe gebrochen wurde. b) Tribut-Comitien. So hiefien die plebejisclien Sonderversamm- lungen, weil sich die Plebs nach Tribus versammelte, deren Zalil infolge der Erweiterung des romischen Stadtgebietes in der zweiten Halfte des 3. Jahrhunderts auf 35 erhoht wurde. Durch den Dictator Hortensius erhielt um 286 jede Beschlussfassung dieser Versamm- lungen auf dem Gebiete der Gesetzgebung die gleiche Reclits- verbindlichkeit wie ein Beschluss der Centurien. Im besonderen wahlten sie die plebejischen Adilen und die Volkstribunen. Die Bedeutung der Tribut-Comitien niihrn immer mehr zu, da ihnen die Gesetzgebung zum weitaus grofiten Theile zufiel; die hoheren Gemeindebeamten wurden stets von den Centurien, die niederen, z. B. die Quastoren, von den Tribus gewahlt. Ergebnis. Da die Curiat-Comitien politisch bedeutungslos vvaren, die Centurien in demokratischem Sinne umgestaltet wurden und die Tribut-Comitien an sich einen demokratischen Charakter hatten, so endete der Standekampf mit dem Siege der Demokratie, deren Hauptstiitze das Tribunat war. IV. Ausbreitung der romischen Herrschaft iiber die ganze Halbinsel, 338 bis 264. A. Die Samnitenkriege, 327 bis 290. a) Verhaltnis der Machtmittel. Die Samniten, da s bedeutendste der sabellischen Volker, waren an Volkszalil den Romern ebenbiirtig, an politischer Organisation, militarischer Ausbildung undBe\vaffnung aber standen sie ihnen nach. Sie hielten noch an dem lockeren Gauverbande (S. 121) fest, demzufolge sie erst im Kriege einen gemeinsamen Fiihrer einsetzten. b) Ursache. Die Romer standen nach der Auflosung des Latiner- bundes und der Vereinigung mit den Campanern an der Spitze einer machtigen Eidgenossenschaft, die im weiteren Vordringen iiber 1 Der As war eine Kupfermiinze und hatte damals einen Wert von etwa 3 / 4 Gulden. Die Samnitenkriege. 135 Campanien begriffen war. Anderseits hatten bereits seit der zvveiten llalfte des 5. Jahrbunderts die Samniten begonnen, sicli liber Cam¬ panien und Lucanien auszubreiten, ein Zusammenstob zvvischen beiden war somit unvermeidlicb. Die Uberlieferung ist mit zahlreicben sagenhaften Zutliaten ausgeschmuckt, ein Beweis von der Bedentung dieser Kriege, die iiber die Herrschaft in Mittelitalien entschieden. 1. Der erste Krieg mit den Samniten (327 bis 304). a) Ver- 327 — 304 . anlassung. Die Romer liatten, um ihre Herrschaft iiber Campanien zu sichern, in Fregella an der Grenze von Samnium eine Colonie angelegt. Darauf besetzten die Samniten ihrerseits die campanische Doppelstadt Neapolis und Palaopolis, die allein noch in Campanien von Rom unabhangig war. Als nun die Romer die Stadt angriffen und eroberten, bracb zwischen beiden Volkern der Krieg aus. h) Verlauf des Krieges. Die Kriegsschauplatze waren besonders Apnlien und Campanien. Das liervorragendste Ereignis im Felde war die EinschlieBung eines romisclien Heeres in den caudinischen Passen (321). Die Samniten schlossen mit den Consuln gegen Auf- 321 . gebung der Colonie Fregella Frieden, doch musste das romische Heer unter dem Joclie abziehen. Da der Senat den Vertrag nicht bestatigte, wurde der Krieg fortgesetzt. Fiir die Romer war besonders giinstig, dass sich die Apulier und Lucaner an sie anschlossen, was sie zur An- legung der Colonie Luceria (315) im Riicken der Samniten beniitzten. 315 . Im Jabre 310 traten die Etrusker auf die Seite der Sam- 310 . niten, wurden aber von den Romern in zwei Feldzligen besiegt und zum Frieden genotliigt (308). Aucb die Samniten wurden in 308 . den folgenden Jahren wiederholt besiegt. Sie baten desbalb um Frieden, den die Romer gevvabrten (304). Die Samniten behielten ihre Unabhangigkeit und schlossen mit Rom ein Biindnis. Da sicli tlieils im Laufe des Krieges, theils zu Ende desselben die Umbrer und mehrere sabellische Stamme an der Ostkiiste an die romische Eidgenossenschaft ^anschlossen, so waren die Samniten vom Meere fast ganz abgeschlossen, das romische Gebiet aber bedeutend er\veitert. Die Romer sicherten es durch Colonien, d. h. Festungen mit romischen Biirgern, die im politischen Verbande mit Rom blieben (Gegensatz zu den griechischen Colonien). 2. Der zweite Krieg mit den Samniten (298 bis 290). Die 298 — 290 . Veranlassung zum Wiederausbruche des Krieges ist ungewiss. Der Krieg, den die Riimer mit einem erfolgreichen Angriff auf Samnium 136 Die Romer. begannen, wurde fiir sie gefahrlich, als sich die Etrusker, Gallier und Umbrer a n ilire Feinde anschlossen. Aber der Sieg der Romer 295. bei Sentinum (295) liber die Samniteu und Gallier verschaffte den ersteren das Ubergewiclit iiber ilire Gegner, die ohne Hoflnung auf Sieg, aber voli Trotz und Todesmutli den Krieg nocli einige Jahre 291. fortsetzten. Im Jahre 291 griindeten die Romer im Grenzwinkel von Samnium, Apulien und Lucanien Venusia und besetzten es mit 20.000 Colonisten, worauf der Consul Manius Curius Dentatus den Krieg im folgenden Jahre beendete. Die Samniten mussten Gebietstheile abtreten, behielten aber 290. ilire Selbstandigkeit. Die Romer vollendeten noch im Jahre 290 die Unterwerfung der Sabiner und Picenter und brachten bis zum 280. Jahre 280 ganz Etrurien in Abhangigkeit. Ergebnis. Die romische Bundesgenossenschaft erstreckie sich nunmehr iiber ganz Mittelitalien. Durch den nachsten Krieg fiel den Romern auch Unteritalien zu. 282—272. B. Der Krieg mit Tarent und Pyrrhus, 282 bis 272. 1. Ursache und Veranlassung. Die Ursache war das Misstrauen Tarents gegen Rom, das durch die Anlage von Venusia Tarent nahe geriickt war, die Veranlassung, dass die Romer dem Hilfegesuche der griecliischen Colonie Thurii gegen die Angriffe der sabellischen Lucaner Folge gaben. Der Consul Fabricius besetzte die Stadt, was bei den Tarentinern Unwillen und Besorgnis hervorrief. Deshalb griffen die Tarentiner eine romische Flottenabtheilung von zehn Kriegsschiffen an, die in den Ilafen von Tarent eingefahren war, . tiberfielen Thurii und entrissen es den Romern. Eine romische Ge- sandtschaft, welche von Tarent Genugthuung verlangte, wurde in roher Weise beschimpft, weshalb die Romer den Krieg erklarten. Die reiclie Industrie- und Ilandelsstadt Tarent, die grofite Stadt Unteritaliens, konnte zwar liber 30.000 Mann aufstellen und fand Bundesgenossen an den Lucanern und Samniten, war aber trotzdem der romischen Bundesgenossenschaft nicht gewachsen, zumal da in der demokratisch verwalteten Stadt infolge des Reichthums Wohl- leben und Verweichlichung herrschte (S. 67). 2. Verlauf des Krieges. Da die ersten Zusaminenstofie mit den Romern ungliicklich ausfielen, wendeten sich die Tarentiner um Ililfe an den klihnen und ritterliclien Konig Pyrrlius von Epirus, Krieg mit Tarent und Pyrrhus. 137 der mit 20.000 Mann Fubvolk, 3000 Reitern und einigen Kriegs- elephanten in Italien landete. So kam es zum ersten Zusammen- stoBe Roms mit der griechischen Phalanx. Die Romer griffen den Pyrrlius bei Heraclea (280) an, wurden 280. aber gesclilagen, wobei die Reiterei und die Elephanten den Aus- schlag gaben. Die Romer mussten Unteritalien raumen. Pyrrhus zog durch Samnium und Campanien nach Latium, kehrte abor in der Nahe Roms um, weil die Romer daselbst ein neues Heer auf- stellten. Audi die Unterhandlungen, welche Pyrrhus im Laufe des Winters durch den geschickten Unterhandler Cineas in Rom an- kntiplte, ftilirten zu keinem Ergebnisse. Der romische Senat er- klarte damals gemaC dem Antrage des blinden Appius Claudius, mit einem auf italischem Boden stehenden Feinde iiberhaupt nicht unterliandeln zu konnen, ein Grundsatz, der forthin in Rom Geltung behalten bat. Im Jahre 279 eroffnete Pyrrhus den Feldzug mit einem Angriff auf Apulien, zu dessen Schutze die Romer lierbeizogen. Doch vvurden sie in der zvveitagigen Schlacht bei Ausculum (279) von Pyrrhus mit 279. grobem eigenen Verluste besiegt. Gerne folgte Pyrrhus dem Hilfe- rufe der Syracusier gegen die Carthager und fuhr im Jahre 278 278. nach Sicilien hinuber. Wahrend Pyrrhus mit Hilfe der Sicilier den Carthagern fast alle sicilischen Besitzungen entriss, dann aber, wegen seiner Gewalt- thaten von seinen Bundesgenossen verlassen, nach Unteritalien zuriickkehrte (275), hatten die Romer die Samniten bedrangt und sicli mehrerer Stadte in Lucanien und bei den Bruttiern bemachtigt, Als Pyrrhus wieder in Italien erschien, raumten die Romer Unter¬ italien, und als er sie bei Beneventum im Jahre 275 angriff, wurde 275. er mit grobem Verluste gesclilagen. Er raumte hierauf Italien, lieb jedoch eine Besatzung in Tarent zuriick; wenige Jahre darauf fand er in einem Strabenkampf in Argos den Tod. Ergebnis. Die Romer unterwarfen nun ganz Unteritalien sammt Tarent (272). Die griechischen Stadte in Unteritalien wurden unter Anerkennung ihrer Autonomie romische Bundesgenossen und bildeten die Grundlage der romischen Seemacht. Im Jahre 272 272. schloss sich auch Samnium der romischen Bundesgenossenschaft an. Ein spaterer Aufstand der Samniten vvurde blutig unterdrlickt und in ihrem Gebiete die Colonie Beneventum angelegt. Seit dem Jahre 265 265. beherrschte Rom die ganze Halbinsel bis zum Arno und Asis (Esino). 138 Die Romer. Durch Vermehrung seiner Colonien und die Anlage fester Strafien, wie z. B. der durch ihre besondere Festigkeit beriihmten, Rom mit Capua verbiudenden Via Appia, sicberte sicb Rom seine Herrschaft liber die neueroberten Gebiete. G. Cultur. 1. Heerwesen. Seit den Kriegen mit den Galliern hatte das Heerwesen eine maunigfache Umgestaltung erfabren. Die Legion bestand aus 4200 Mann FuBvolk und 300 Reitern. a) Das FuBvolk war in drei Reihen hintereinander aufgestellt; in der dritten Reihe standen die Dienstaltesten, Triarier genannt. Jede der drei Reihen war in zehn Manipeln getheilt, welche bei den ersten zwei je 120, bei den Triariern 60 Mann stark waren. Die einzelnen Manipeln waren durch Zwischenraume voneinander getrennt. Die 1200 Leichtbewaffneten, welche nicht in Manipeln ge¬ theilt waren, wurden den tibrigen Truppen beigegeben. b) Die Reiterei war auf den Fliigeln aufgestellt. Da zu den romischen Biirgern eine etwas grofiere Zahl von Bundesgenossen kam, so zahlte ein consularisches Heer, d. h. ein von einem Consul gefiihrtes Heer von zwei Legionen, ungefalir 10.000 Mann. Wahrend der Hauptvorzug der Phalanx in der festen Gescldossenheit und der darauf beruhenden bedeutenden Defensiv- kraft bestand, war die Manipularordnung jdurch ihre leichte Mandvrierfahigkeit ausgezeichnet. 2. Die Vervvaltung Italiens. Die Romer stiitzten die Verwaltuug ihres Herrschaftsgebietes auf die Stadte, deren Zahl mit der Aus- breitung der romiscben Herrschaft aucli im Innern der Halbinsel zunahm, vvodurch die altere bauerliche Verfassung der Gaue all- mahlich beseitigt wurde. Den Stadten wurde das umliegende bauer- liche Land zur Verwaltung und Rechtspflege zugetheilt, so dass die Beamten der Stadte zugleich auch Reichsbeamte waren. Die Stadte zerfielen nach ihrer verschiedenen Stellung zu Rom in zwei Haupt- gruppen: a) Stadte mit romischem Biirgerrechte, b) Bundesstadte. a) Je nachdem diese Stadte das volle oder ein beschranktes Btlrgerrecht liatten, zerfielen sie in romische Burgercolonien und in Municipien. a) Romische Burgercolonien. Sie wurden von staatswegen zur Sicherung neugevvonnenen Gebietes, also aus militarischen Rlick- sichten angelegt. Die Colonisten blieben romische Burger mit allen Recbteu und Pflieliten. Cultur. 139 /3 ) Municipien. Ilire Bewohner hatten das commercium und conubium mit Rom, aber sie durften weder das Stimmrecht in den Volksversammlungen ausiiben, noch waren sie selbst zu irgend einem Anite wahlbar. Redit wurde ihnen von einem romischen Prafecten gesprochen, den der Prator zu Rom alljahrlich fiir die betreffende Gemeinde ernannte. Nach und nach erhielten sie das volle romische Biirgerrecht und mit diesem eigene Magistrate und eigene Verwaltung ihrer Gemeindeangelegenheiten. h) Die Stellung der Bundesstadte war durch einen Vertrag geregelt, der ilire Selbstandigkeit anerkannte und das MaB ihrer Leistungen, Stellung von Hilfstruppen oder SchifEen, bestimmte. Stellung Boms als Oberliaupt Italiens. Italien bildete keinen einheitlich verwalteten Staat in modernem Sinne, sondern die Stadt Rom stand an der Spitze eines Bundes von hauptsachlich stadtischen Gemeinden. Dem Haupte war die aufiere Politik, der Oberbefehl im Kriege, die Aufrechterlialtung des Friedens zwischen den einzelnen Stadten sowie die Schliclitung der inneren Streitig- keiten vorbelialten. Rom hat die Bundesgenossen durcli Forderung von Truppen und Kriegsschiffen riicksichtslos ausgeniitzt, niemals aber ihnen einen Tribut auferlegt (Gegensatz zu Athen). Infolge der verscliiedenen Stellung der einzelnen Gemeinden zu Rom und der dadurcli entstandenen Eiferstichteleien unter ihnen beherrschte Rom sie alle um so leichter. Wie friiher den Latinern, stieg auch der erweiterten Bundes- genossenschaft gegenuber die Macht Roms mehr und mehr. So wurde den Bundesgenossen das Recht der Silberpragung genommen, seit um den Beginn der punischen Kriege Rom von der Kupfer- zur Silberwahrung iihergieng; es schloss sich dabei der herrschenden attischen Wahrung an und setzte den Denar der Drachme (etwa 45 kr.) gleich. 3. Finanzwesen. a) Einnalimen. Die Einnahmen des Staates bestanden im Ertragnisse des. Staats-Grundbesitzes und in dem Tributum. Uber das Tributum siehe S. 123. b) Ausgaben. Diese Itetrafen damals hauptsachlich die Kosten fiir den Cultus, das Bauwesen (Strafien, Wasserleitungen) und den Sold der Truppen; die Ehrenamter waren unbesoldet, und den Unterricht iiherlieC der Staat ganz der Privaterziehung (S. 64). 4. Beschaftigung, Sitten und Charakter der Romer. Die Grundlage der Volkswirtschaft war der Ackerbau, der nebst der 140 Die Romer. 264—133. 264—201. 9. Jalirh. Viehzucht auch spater allein als des vornehmen Freien wiirdige Arbeit galt; Handwerk und Lohngewerbe war liauptsachlich in Handen der Sclaven nnd Freigelassenen. Die Romer dieser Zeit zeichnet grofie Einfachheit und Recht- schaffenheit aus. Die Einfachheit aufterte sich damals auch im Unter- richte, der wohl nur die Kenntnis des Lesens, Sclireibens und Rechnens vermittelte; die Gymnastik bildete keinen wesentlichen Tlieil der Er- ziehung. Fiir das Staatsleben vvurde der romische Jiiiiglirig namentlich durch den Besuch der Gerichtsverhandlungen herangebildet. Im Gegensatze zu dem leichtlebigen Griechen ist der Romer ernst und etwas schwerfallig, iiberaus angstlich in religiosen Dingen, in politischer Bezieliung conservativ nach Bauernart. Den Verrath ara Vaterlande, der in der griechischen Geschichte wiederholt vor- kommt, kennt er kaum. Durch diese Eigenschaften waren die Romer zur Herrschaft berufen. Die Kehrseite dieser guten Eigenschaften ist, dass sie keine Anlage zur Poesie und Kunst besafien; auf diesen Gebieten wurden sie daher vollig von den Griechen abhangig. Zweiter Abschnitt. Vom Beginne der punisclien Kriege bis zum Auftreten des alteren Graechen, 264 bis 133. Blutezeit der Republik, Ausbreitung der romischen Herrschaft liber das Mittelmeer. I. Begriindung der Weltherrschaft. A. Kriege im Westen, Rom und Carthago, 264 bis 201. 1. Aus der alteren Geschichte Carthagos. 1. Griindung Carthagos. Nach der Sage floh im 9. Jahrhunderte die Kduigstochter Dido aus Tyrus und grundete in der Nahe des jctzigen Tunis die Stadt Carthago = Neustadt. Dank ihrer vor- trefflichen Lage (nahe der friiheren Miindung des Bagradas, in der reichsten Getreidelandschaft Nordafrikas, mit dem besten natiirlichen Hafen im Golfe von Tunis, gegeniiber Sicilien) bliihte die Stadt rasch auf und wurde, nachdem die Phonicier im O. langst von den Griechen zuriickgedrangt worden waren, die erste Seemacht im westlichen Becken des Mittelmeeres. 2. Ausbreitung der Macht Carthagos. a) In Afrika. Die Carthager hatten die ganze Nordkiiste Afrikas von Cyrenaica bis zur Strahe von Gibraltar und selbst einen Theil der Westkiiste Afrikas bis iiber die canarischen Inseln unterworfen. lnnere Verlialtuisse Carthagos. 141 h) AuBerlialb Afrikas. Wie die Phonicier des Mutterlandes, legteu auch die Carthager iiberseeische Colonien an und breiteten dann ibre Herrschaft liber Sardinien, Corsica, das westliche Sicilien, einige kleinere Inseln des westlichen Mittelmeeres (z. B. Malta) und das siidliche Spanien aus. Ihr Streben, sicb ganz Siciliens zu bemachtigen, vervvickelte sie in Kriege mit den Griechen daselbst, wodurch der Sturz Carthagos vorbereitet wurde. 3. Kampfe mit den Griechen. Auf Sicilien war die machtigste Stadt das dorische Syracus. Durch die gliickliche Abwehr der Athener in seinem Selbstbewusstsein gehoben, strebte Syracus nicht minder nach der Seeherrschaft als Carthago. Es iibernahni die Flihrung der sicilischen Griechen gegen die Carthager, als diese im Jahre 480, zur selben Zeit, da die Griechen des Mutterlandes den 480 Angrifl: des Morgenlandes abzuwehren hatten, den Angriff auf die sicilischen Griechen eroffneten. Diese Kriege, welche mit zwei langeren Unterbrechungen bis zum Jahre 275 (Eingreifen des Pyrrhus) dauerten, 275 wurden mit wechselndem Erfolge gefiihrt, doch behauptete Syracus im 4. Jahrhundert unter der Anfiihrung des Tyrannen Dionysiifs des Alteren das Ubergewicht. Dagegen versuchte Agathocles, der sich einige Jahrzehnte vor Pyrrhus zum Tyrannen von Syracus empor- geschwungen hatte, vergebens, Carthago zu erobern, und nach dem Abzuge des Pyrrhus kam Sicilien, mit Ausnahme der Gebiete von Messana und Syracus, in die Hande der Carthager. 2. lnnere Verhaltnisse Carthagos. 1. Politische Zustande. a) Verfassung. Die Verfassung war oligarchisch. Die laufenden Geschafte erledigte der Ratli der Alten, der einschliefllich der beiden jalirlich gewahlten Konige (Sufetten- Kichter, S. 20) 30 Mitglieder zabite. Die eigentlich entsclieidende Behorde aber war die Korperscliaft der Hundert Manner, vvelche, wie das spartanische Ephorat, zur Beschrankung der koniglichen Gewalt eingesetzt worden war. Das Collegium der Hundert, welches die Vertretung der adeligen Familien bildete und sich selbst erganzte, komite die Konige sogar mit dem Tode bestrafen. Das Volk scheint sehr wenig Eintluss gehabt zu haben. b) Vcrhaltnis zu den Bundesgenossen und den Unterthanen. Carthago beraubte diese ganzlich ihrer Selbstandigkeit; aufierdem wurden sie hart behandelt und mit Abgaben gedriickt, so dass sie durch den Sturz der regierenden Stadt nur gewinnen konnten. 142 Die Romer. 2. Militarische Einrichtungen. Carthago war im Gegensatze zu Rom eine Seemacht, die groBte der damaligen Zeit. Die Landmacht bestand zumeist aus auslandischen Soldnern, da die Carthager iind ihre Bundesgenossen dem Kriegsdienste abgeneigt waren. 3. Finanzielle Verhaltnisse. Wahrend in politischer und mili- tarischer Hinsicht die Romer den Carthagern entschieden uberlegen waren, iibertraf das Einkommen des carthagischen Staates das des rdmischen Staates beiweitem. Freilich musste im Falle eines langeren Krieges die Haupteinnahmsquelle, die Schiffszolle, nahezu versiegen. So waren Rom, das damals noch iiberwiegend ein Ackerbau- staat war, und Carthago, in welchem trotz bedeutender Plantagen der Handel die wichtigste Rolle spielte, einander ebenbiirtige Gegner (vgl. Athen und Sparta im peloponnesisclien Kriege). 264 — 241 . 3. Der erste punische Krieg, 264 bis 241. 1. Ursache. Als die Romer nach dem Abzuge des Pyrrhus ihre Herrschaft iiber ganz Italien ausgedehnt hatten, geriethen sie mit Carthago infolge gegenseitiger Eifersuclit in Widerstreit. 2. Veranlassung. Die Veranlassung zum ersten puniscben Kriege (punisch der romische Ausdruck ftir phonicisch) bot die Bewilligung des Hilfegesuches der Mamertiner (d. h. Marssohne) durch die romische Volksversammlung. Diese campanischenSoldnerwarenausdem syracu- sischen Dienste entlassen worden und hatten sichl/e.ssa.na.sbemachtigt; da sie nun von dort aus Beuteziige unternahmen, wurden sie von dem Konige Hiero von Syracus bekriegt und in Messana eingeschlossen. In ilirer Bedrangnis wendeten sie sich an die Romer um Hilfe, welche diese gewahrten, damit die Stadt nicht in die Hande der Carthager falle; doch besetzten die letzteren noch vor dem Eintreffen der romischen Unterstutzung Messana. Der Schauplatz des Krieges war hauptsachlich SiciJien, dessen Besitz schon wegen der Lage der Insel fiir eine italische wie fiir eine am afrikanischen Gegengestade lierr- schende Macht von der grofiten Wichtigkeit war. 264 — 260 . 3. Verlauf des Krieges. a) Landkrieg auf Sicilien, 264 bis 260. Nach den ersten Erfolgen der Romer, welche Messana eroberten, schlug sich Hiero auf ihre Seite; er blieb ihnen zeitlebens ein treuer Bundesgenosse. Im Vereine mit ihm eroberten die Romer die ganze Insel bis auf die carthagischen Seefestungen. Um auch diese zu gcwinnen, entschlossen sich die Romer zur Erbauung einer KriegsHotte. Der erste punische Ivrieg. 143 h) Landkrieg auf und Seekrieg hei Sicilien, 260 bis 256. In 60 Tagen erbauten sie eine starke Flotte, welche sie besonders mit Bundesgenossen, spater mit Sclaven bemannten. Der romische Consul C. Duilius erfocht bei Myla 260 mit Hilfe der Enterbriicken den 260. ersten rdmischen Seesieg. Da aber der Landkrieg auf Sicilien keinen besonderen Erfolg hatte, besckloss der Senat, Carthago in Afrika anzugreifen. Mit einer Flotte von 330 Schiffen fuhr der Consul M. Attilius Regulus nach Afrika. c) Landkrieg in Afrika, 256 und 255. Nacbdem die Versuche 256 u. 255. der Carthager, den Frieden zu erlangen, an den hohen Forderungen der Romer gescheitert waren, rusteten sie sich mit aller Kraft und warben den tiichtigeii spartanischen Soldnerfiihrer Xanthippus an. Dieser siegte in der Ebene bei Tunes, dank seiner Uberlegenheit an Reiterei, iiber Regulus, welcher dann vermuthlich in carthagischer Ivriegsgefangenschaft starb; die Erzahlung von seinem qualvollen Tode ist erdichtet. Nur 200 Mann retteten sich an die Kiiste und ■vvurden von einer romischen Flotte abgeholt, welche aber auf der Riickfahrt infolge eines Sturmes grobtentheils zugrunde gieng (255). d) Abermals Landkrieg auf und Seekrieg bei Sicilien, 254 bis 241. Die Romer eroberten Panormus; alle ihre Versuche 254—241. aber, den Carthagern mittelst einer neuerbauten Flotte ihre letzten Stiitzpunkte Drepana und Liljbaum zu entreifien, scheiterten. Die Homer enisagten darum dem Seekrieg und beschrankten sich auf die Beobachtung der feindlichen Festungen. Auch die Carthager beschrankten sich nun — zu ihrem Verderben — auf den kleinen Krieg; diesen fiihrte seit 247 der tuchtige Hamilcar Barcas von 247. den Bergen Heirkte (bei Panormus) und Eryx aus mit Erfolg. Da entschloss sich, wahrend der Senat unthatig blieb, eine Anzahl patriotischer Manner, eine neue Flotte zu bauen und sie dem Staate zur Verfiigung zu stellen. Mit ihr erfocht der Consul C. Lutatius Catulus bei den agatischen Inseln einen Sieg liber die carthagische Flotte (241), worauf Hamilcar unbeschrankte Vollmacht 241. erliielt, Frieden zu schliefien. Die Carthager mussten auf Sicilien und die ihnen gehorigen Inseln zwischen Sicilien und Italien verzicliten (Hiero beliielt sein Gebiet) und 3200 Talente 1 Ivriegskosten zahlen. Ergebnis. Die Romer gewannen die erste uberseeische Be- sitzung oder Provinz und brachen das Ubergeivicht der Carthager zur See. 1 In der romischen Geschichte sind stets attische Talente (S. 79) gemeint. 144 Die Romer. 4. Erwerbungen der Romer in der Zeit zwischen dem ersten und zweiten 241 — 218. punischen Kriege, 241 bis 218 (Sardinien, Corsica, lllyrien, cisalpinisches Gallien). a) Erwerbung Sardiniens und Corsicas. Unmittelbar nach dem Ende des ersten punischen Krieges brach in Carthago wegen Itiickstandes des Soldes der drei Jahre wahrende Soldnerkrieg aus, welcher mit grofier Grausamkeit gefuhrt und nur mit harter Miihe von Hamilcar Barcas unterdruckt wurde. Die Verlegenheit der Car- thager bentitzend, bemachtigten sich die Romer Sardiniens und Corsicas, beschrankten sich aber, wie die Carthager, auf die Be- setzung der Kustengegenden (zweite romische Provinz). b) Besetzung einiger Punkte Illyriens (= Dalmatien, Bos- nien, Albanien). Infolge eines zvreimaligen siegreichen Kampfes 229—219. gegen die seerauberischen IJlyrier (229 und 219) besetzten die Romer Apollonia, Epidamnus und Corcyra und legten dadurcli den Grund zur spateren Provinz Illyrien. Durch diese Kriege wurde die angestrebte Sicherung der Ktisten Italiens erreicht. 225—222. c) Erwerbung des cisalpinischen Galliens, 225 bis 222. Unter den Galliern, welche das Land zwischen den Apenninen und den Alpen bewohnten, waren die Bojer und Jnsubrer die machtigsten. Den Kampf begannen die Gallier, um dem Vordringen der Romer Einhalt zu tbun. Die letzteren entscbieden den Krieg durch die Ersturmung von Mediolanum und sicherten sich den Besitz der Provinz Gallia cisalpina durch die Anlage der starken Colonien Placentia und Cremona. Es war fiir die Romer sehr. wichtig, dass Oberi talien bereits in ihren Han den war, als Hannibal daselbst erschien. 218—201. 5. Der zweite punische (hannibalische) Krieg, 218 bis 201. Veranlassung. Zum Ersatze fiir den Verlust Siciliens und 236. Sardiniens begann Hamilcar Barcas im Jahre 236 die Eroberung Spaniens, das reich a,jiBergwerksschatzen war und dessen abgehartete Bevolkerung tiichtige Soldaten lieferte. Was er glucklich begonnen, setzte nach seinem Tode sein Schwiegersohn Hasdrubal fort, der Neu-Carthago (Cartagena) griindete und die Eroberungen bis an den Um 226. Ebro ausdehnte. Um 226 schlossen die Romer mit Sagunt (jetzt Murviedro) ein Bundnis und verstandigten hievon Hasdrubal, der bereits versprochen hatte, die Eroberungen nicbt liber den Ebro Der zweite punische Krieg. 145 auszudehnen. Als er durch Meuchelmord gefallen war, ubernahm im Jahre 221 sein Schwager, der 29jahrige Hannibal, Ro ms groBter Feind, das Commando in Spanien. Schon als Knaben batte ihn sein Vater ewigen Hass gegen die Komer schworen lassen. Er war von Jugend auf ans Lagerleben gewohnt, der Liebling der Soldaten, abgehartet, einer der grofiten Feldherren der Gescbichte, unerschopf- licb an Kriegslisten aller Art und nicbt minder bedeutend als Staats- mann. Als er nach acbtmonatlicber Belagerung Sagnnt eroberte und die Cartbager seine Auslieferung verweigerten, da erklarten die Romei den Krieg. Sie beschlossen, die Carthager in Spanien und von Sicilien aus in Carthago anzugreifen; die erstere Aufgabe erhielt der Consul P. Cornelius Scipio, die letztere der Consul Tiberius Sempronius. Hannibals schnelles und erfolgreicbes Vorgehen vereitelte jedocb diesen Kriegsplan. Verlauf des Krieges. I. Hannibals ummterbrochener Siegeszug, 218 bis’216. 1. Ubergang iiber die Pyrenaen und Alpen. Im Friib- jabre 218 brach Hannibal, nachdem er seinen Bruder Hasdrutial zum Commandanten in Spanien bestellt hatte, von Neu-Carthago auf, uberscbritt den Ebro und unterwarf die Volkerschaften bis zu den Pyrenaen, vvelche er nahe ihrem Ostende mit 50.000 Mann FuBvolk und 9000 Reitern iiberstieg. Theils durch Unterbandlungen, theils durcb Kampfe babnte er sich den Weg durch das sudliche Gallien. Indem er ein galliscbes Heer umgieng und dem Consul P. Cornelius Scipio, der erst nach seiner Landung in Massilia von Hannibals Zuge Kenntnis erbalten batte, zuvorkam, uberscbritt er bei Avignon die Rh6ne, iiberstieg, wahrscheinlich den kleinen St. Bernhard beniitzend, unter groben Scbwierigkeiten (Feindselig- keiten der Bevobner, Unbilden der Witterung — es war schon September — Mangel einer gebahnten Strahe) in funfzebn Tagen die Alpen und erschien mit noch 20.000 Mann Fufivolk, 6000 Reitern und einigen Elephanten, fiinf Dlonate nach seinem Abmarsche von Neu-Carthago, in Oberitalien, wo sich mehrere celtische Stiimme ihm anschlossen. Die Romer mussten nun den Krieg defensiv fubren. 2. Der Krieg bis 216. P. Cornelius Scipio hatte seinen Bruder Cnaus mit dem grofieren Theile des Heeres nach Spanien geschickt, mit dem Reste kehrte er nach Italien zuruck, um Hannibal entgegen- zutreten. Bevor noch der vom Senate zuruckberufene Ti. Sempronius Zeehe-Rebhann , Geschichte des Alterthums. 221 . 218 — 216 . 10 146 Die Romer. eingetroffen war, lieB sich Scipio mit Hannibal am Ticinus in ein Reitertreffen ein (218), in welchem er besiegt und scliwer verwundet wurde. Der Rest seines Heeres vereinigte sich mit den inzwischen eingetroffenen Truppen des zweiten Consuls; aber auch dieser wurde von Hannibal an der Trebia noch im Jahre 218 vollstandig ge- schlagen. Die Gallier schlossen sich jetzt allenthalben dem Sieger an; der Vormarsch nach Mittelitalien war ermoglicht. Von Rom aus fiihrten damals zwei Kunststrafien nach dem Norden. Die westliche endete bei Arretium, die ostliche bei Ariminum. Hier erwarteten die Consuln des Jahres 217, C. Flaminius und Cnaus Servilius, den Gegner. Hannibal zog aber mit gr oBen Ver lušten nahe der Westktiste Etruriens vier Tage und drei Nachte lang durch das uberschwemmte Arnothal und umgieng die Stellung des Flaminius bei Arretium. Dieser eilte Hannibal nach, gerieth aber in den Passen am trasimenischen See in einen Hinterhalt und wurde vollstandig 217 . geschlagen und getodtet (217). Etrurien war verloren. Hannibal zog jetzt nicht nach Rom, wo die Centuriat-Comitien Quintus Fabius Maximus zum Dictator wahlten, sondern nach Apulien, um die romischen Bundesgenossen, besonders die sabellischen Stamme, zum Abfalle zu bewegen. Wahrend Hannibal darnach trachtete, durch neue Siege das feste Gefiige der Bundesgenossenschaft zumWanken zu bringen, vermied der Dictator jede Hauptschlacht; dagegen suchte er durch vorsichtig fortgesetzte Verfolgutig kleinerer feindlicher Abtheilungen und durch Abschneiden der Zufuhr das carthagische Heer aufzureiben. Aber diese Strategih des Fabius, der als Cunctator, d. h. Zauderer, verspottet wurde, erregte in Rom Unzufriedenheit, und das Volk wiinschte eine entscheidende Schlacht. Fiir das Jahr 216 wurden L. Amilius Paullus und C. Terentius Varro zu Consuln gewahlt, von denen der letztere, der Candidat desVolkes, zur Entscheidung drangte. Hannibal, 50.000 Mann stark, vernichtete, namentlich mit Hilfe seiner iiberlegenen Reiterei, das 86.000 Mann starke romische Heer bei 216 . Canna (216) vollstandig; der weitaus groBte Theil des Heeres fiel, darunter auch Amilius Paullus. Nun traten die meisten Stadte der Bruttier und Lucaner, die Samniten und die Stadt Capua zu Hannibal liber; aufierdem schlossen Philipp III. von Macedonien und Syracus, wo Hiero gestorben war, mit Hannibal ein Biindnis. Hannibal be- herrschte nun den Siiden Italiens bis zum Volturno und zu dem M. Gargano; doch reicliteu seine Streitkrafte — etwa 40.000 Mann — nicht aus, um dieses Gebiet zu decken, sich gegen die romischen Festungen zu schiitzen und den Offensivkrieg weiter zu fiihren; auch waren die Romer jetzt klug genug geworden, um ihre tlichtigsten Der zweite punische Krieg. 147 Feldherren, M. Claudius Marcellus (*das Schwert Roms») und Q. Fabius Maximus («den Schild Roms»), bis zn ihrem Tode an der Spitze der Heere zu lassen. II. Zeit des sohwankenden Kriegsgliickes, 216 bis 211. 1. Der Krieg in Italien. Nach der Schlacht bei Canna zog Haimibal nach Campanien, besetzte Capua, was die Romer nicht zu verhindern vermochten, und iiberwinterte daselbst. Es gelaug Marcellus, Hannibal zweimal bei Nola zu schlagen (216 und 215), worauf der letztere nach Apulien zog, um die zu ihm abgefallenen Bundesgenossen vor den Romern zu schiitzen. So wurde Hannibal, der vergebens auf Unterstiitzung von auBen her vvartete, in die Defensive gedrangt, und der Krieg in Italien loste sicli in Festungs- kampfe und Streilziige auf und trat in seiner Bedeutung zuriick hinter den Ereignissen auf den Nebenschauplatzen Spanien, Griechen- land und Sicilien. Der bedeutendste Erfolg Hannibals war die Erwerbung Tarents (212), hingegen eroberten die Romer Capua, seinen IIauptwaffenplatz (211), nachdem Hannibal vergebens die Stadt zuerst durch den Angriff auf das romische Belagerungsheer, dann durch einen Zug gegen Rom zu entsetzen versucht hatte. Die an- gesehensten Einwobner Capuas gaben sicli selbst den Tod oder wurden liingerichtet, andere in die Scla\erei verkauft. 2. Die Kriege auf den Nebenschauplatzen. a) In Sicilien eroberte M. Claudius Marcellus das von Archimedes vertheidigte Syracus (212), die machtigste Festung des griechischen Alterthums; es wurde gepliindert und seiner Kunstschatze theilvceise beraubt. Die Truppen, welche nun die Carthager nach Sicilien ■ schickten, konnten nicht verhindern, dass im Jahre 210 die ganze Insel in den Besitz der Romer kam. b) Philipp III. von Macedonien fiihrte den Krieg mit den Romern (215 bis 205) in liissiger Weise. Fur die Romer bekiimpfte haupt- sachlich der atolische Bund den Konig, der so nicht dazu kam, Hannibal zu unterstiitzen. Im '"Jahre 205 wurde im ivesentlichen der friihere Zustand wieder hergestellt. c) Am wichtigsten vvaren fiir den Ausgang des ganzen Ivrieges die Kiimpfe in Spanien. Die beiden Briider Cn. und P. Cornelius Scipio drangten Hasdrubal immer weiter nach dem Siiden zuriick, so dass er trotz der Unterstiitzung von Carthago nicht nach Italien ziehen komite. Sie eroberten fast ganz Spanien; als sie aber ihre Streitkrafte tlieilten, unterlagen sie und fielen beide im Kampfe (211). 216 — 211 . 216 u. 215. 212 . 211 . 212 . 210 . 215 — 205 . 211 . 10 * 148 Die Romer. 200 . 211-207. 207. 207—201. 206. 204 . Hierauf erhielt der 27jahrige gleichnamige Sohn des P. Cornelius Scipio, ein hochbegabter, edler und gebildeter Mann, durch Beschluss des Volkes das Commando in Spanien. Dieser vollendete die Erobe- rung des carthagisclien Spanien (206), docb konnte er nicbt bindern, dass Hasdrubal liber die Pyrenaen entkam. Dieser zog liber die Alpen und marscbierte, durch Gallier verstarkt, an der Ostkiiste Italiens siidtvarts, um sicb mit seinem Bruder zu vereinigen. III. Hannibals Niedergang, 211 bis 207. Hannibal batte sicb, in der Defensive ebenso Meister wie friiher im Angriffe, vor M. Claudius Marcellus, der nacb Beendigung des Krieges auf Sicilien in Unteritalien commandierte, und vor Q. Fabius Maximus, derTarent durcbVerrath einnahm, in das Gebiet der Bruttier zuriick- gezogen. Als er von der Ankunft seines Bruders Kunde erhielt, riickte er ibm nacb Apulien entgegen. Die Romer boten alles auf, die Vereinigung der beiden Bruder zu verhindern. Sie stellten 23 Le- gionen ins Feld. Der Consul Claudius Nero liefi Hannibal von einem Theile seines Heeres beobachten, wahrend er mit dem Reste zur Verstarkung seines Collegen nacb 'Norden zog. Hasdrubal, dessen an Hannibal entsendete Boten von den ROmern gefangen vurden, verirrte sich in Umbrien, wurde von den beiden Consuln am Me- taurus (207) angegriffen und verlor Scblacht und Leben. Hierauf zog Nero wieder nach Apulien, wo Hannibal, nichts ahnend, stehen ge- blieben war. Als er den Ausgang der Scblacht erfahren hatte, 1 zog er sicb wieder ins Gebiet der Bruttier zuriick. Pom war gerettet. IV. Der letzte Widerstand Hannibals in Unteritalien und die Entsobeidung in Afrika, 207 bis 201. Hannibal hielt sich in Bruttien noch vier Jahre. Im Jabre 206 war P. Cornelius Scipio nach Italien zurlickgekehrt. Er wurde fiir das nachste Jahr zum Consul gewahlt und erhielt vom Senate die Erlaubnis, nach Afrika iiberzusetzen, um dort den Krieg zur Ent- scheidung zu bringen. Nach seiner Landung in Afrika (204) schloss sich der ostnumidische Konig Masinissa, welchen die Cartbager seines Gebietes beraubt hatten, an ihn an, wahrend der westnumidiscbe Konig Syphax auf Seite der Cartbager stand. Nacbdem Scipio die Cartbager zweimal besiegt und Syphax gefangen genommen batte, beriefen die Carthager Hannibal zuriick. Vergebens sucbte dieser 1 Cl. Nero lieB das blutige Haupt Hasdrubals den Vorposten Hannibals vor die FiiBe werfen. Kriege mit Macedonien und Syrien. 149 bei einer Zusammenkunft mit Scipio einen giinstigen Frieden zu erlangen. Es kam zur Schlacht bei Zama (202), wo das schwachere 202. Heer Hannibals vernichtet wurde. Die Carthager mussten sicb den barten Bedingungen der Horn'er fiigen. Friedensbedingungen. Die Cartbager mussten: 1.) Spanien und die Inseln im Mittelmeer abtreten; 2.) das Reich des Syphax an Masinissa ubergeben; 3.) 10.000 Talente Kriegskosten zahlen; 4. ) die Gefangenen, die Flotte und die Elepkanten ausliefern; 5. ) sie durften von nun an aufierhalb Afrikas gar nicht, in Afrika nur mit Bewilligung der Romer Krieg fiiliren. — Scipio erliielt den Ehrennamen «der Afrikaner*. Ergebnis. Carthago war a Is GroBmacht vernichtet. Rom he- herrschte nun das westliche Becken des Mittelmeeres. Hingegen war Italien weitliin verwiistet, der Bauernstand schwer geschadigt und die Bevolkerung durch das lange Lagerleben entsittlicbt (S. 90). Die abgefallenen italischen Gemeinden wurden strengstens bestraft, die Celten fast vollig ausgerottet. Zum Schutze gegen die celtiscben Alpenstamme legten die Romer Aquileja an, worauf sie auch Istrien unterwarfen. B. Kriege im Osten mit den hellenistisehen Staaten Macedonien und Syrien. Errichtungen von Clientel- (Vasallen-) Staaten, 200 bis 149. 200—149. Uberblick iiber die politisehe Lage im Osten. Da die drei Grofimachte (S. 105), welche aus der Monarcliie Alexanders des Groben kervorgegangen waren, statt zusammenzuhalten, einander wiederholt bekampften, erleickterten sie den Romern die Einmischung in ihre Streitigkeiten und hiedurch die allmahliche Unterwerfung des Ostens. In Grieckenland zumal lieCen der a tolische und der achaische Bund infolge ihrer kaufigen, aufreibenden Kampfe um die Hegemonie das Land zu keiner Ruhe kommen. Die kleineren hellenistisehen Staaten Pergamum, Bithjnien, Rhodus hielten im Interesse ihrer Sicherheit uberwiegend zu Rom und reizten es wieder- holt zur Bekampfung der Grofimachte auf. 1. Zvveiter Krieg mit Macedonien, 200 bis 197. 200—197. Die drei Veranlassungen waren der Hass der Romer gegen Philipp III. wegen seines Anschlusses an Hannibal, der Versucli Philipps, Agypten die griechischen Seestadte in Kleinasien und auf den Cycladen zu entreifien, und der Krieg Philipps mit Pergamum, 150 Die Romer. das im ersten Kriege mit Macedonien die Romer unterstutzt hatte. Da die Romer den Krieg mit geringen Streitkraften unternahmen, waren die ersten Jalire erfolglos. Die Entscheidung fiihrte der Consul 197. Titus Quinctius Flamininus durch den Sieg bei Cynoscephala (197) herbei, infolge dessen Philipp Frieden scbloss. Die Friedensbedingungen waren: 1.) Philipp musste alle auswartigen Besitzungen abtreten; 2.) er verpflichtete sich, ohne Genehmigung des romischeu Senates keinen Krieg zu fiihren; 3.) er musste sein Heer vermindern und die Kriegsflotte ausliefern und 4.) die Kriegskosten zablen. In Ausfiihrung des ersten Punktes erklarte der Griechenfreund Flamininus bei den isthmischen Spielen die Griechen fiir frei. Allein die Freilieit machte die Griechen wehrlos, denn nur in Macedonien konnten sie noch eine Stiitze gegen Rom iinden. 192 — 189 . 2. Der Krieg gegen Antiochus III. von Syrien, 192 bis 189. 1. Veranlassung. Antiochus versuelite, ahnlieh wie Iriiher Philipp III., Agypten die asiatischen Besitzungen (in Cilicien und Syrien) zu entreifien und bedrohte aucli Pergamum und Rhodus. An seinem Hofe lebte damals Hannibal, der nach dem Ende des zweiten punischen Krieges an die Spitze der Verwaltung Carthagos getreten war und den Staat in militarischer und finanzieller Beziehung wieder gelioben hatte, weslialb die Romer nicht ruhten, bis er seme Vater- stadt verlieB. Er und die Atoler, welche mit dem Ausgange des Krieges gegen Philipp unzufrieden waren, drangten zum Kriege. 2. Verlauf des Krieges und Friedensbedingungen. Im Ver- trauen auf die Angabe der Atoler, dass ganz Griechenland zum Kampfe gegen die Romer bereit sei, war Antiochus nach Griechenland iiber- gesetzt. In seinen Erwartungen betrogen, wurde er in den Thermopylen von den Romern vollstandig geschlagen. Hierauf setzten diese unter der Anfuhrung des L. Cornelius Scipio, dem sein Bruder Publius beistand, nach Kleinasien liber und besiegten den Antiochus trotz seiner zweifachen Ubermacht bei Magnesia (vvestlich von Sardes) 190 . ganzlich (190). Infolge dieser Niederlage bat der Konig um Frieden, den die Romer gewahrten. Die wichtigste Friedensbestimmung war die Abtretung Kleinasiens westlich vom Halys und nordlich vom Taurus. Dieses Gebiet theilten die Romer unter ihre Bundesgenossen Rhodus und Pergamum so, dass ersteres den kleineren sudlichen, letzteres den groBeren nordlichen Theil erliielt. Nie mehr lieB sich Syrien in einen Krieg mit Rom ein. Audi die Atoler mussten sich der romischeu Oberlioheit unterordnen. Erweiterung der romischen Weltherrschaft. 151 3. Der Tod Hannibals und Scipios (um 183). Hannibal, der liacli dem Friedensvertrage hatte sollen ausgeliefert werden, floli nacli Greta und dann nach Bithynien, wo er sich vergiftete, als die Romer auf seine Auslieferung drangen. P. Cornelius Scipio vvurde von seinen Gegnern der Unteršchlagung von Staatsgeldern im syrischen Kriege angeklagt. Wohl ergriff das Volk fiir ilm Partei; dennoch verlieb er unmuthig Rom und starb bald darauf in Campanien. 3. Dritter Krieg mit Macedonien, 171 bis 168. Perseus, derSohn und Nachfolger Philipps, kniipfte Verbindungen mit den Rom feindlichen Stadten in Griechenland sowie mit dem Konige Genthius des sudlichen Jllyrien an und begann zum Kriege zu rusten, was die Romer als Bruch des Friedens vom Jahre 197 betrachteten. Nachdem wegenUnfahigkeit der Anfiihrer und schlechter Disciplin im Heere die ersten Jahre fiir die Romer erfolglos geblieben waren, beendete der Consul L. Amilius Paullus, der Sohn des bei Canna gefallenen Consuls, den Krieg rasch durch den entscheidenden Sieg bei Pydna 168. Auch Genthius wurde bald besiegt, beide Konige vvurden gefangen genommen. Die Friedensbedingungen waren: 1.) Ma¬ cedonien wurde in vier Republiken aufgelost, die kein Commereium und kein Conubium untereinander liaben durften und jabrlich 100 Ta¬ lente nach Rom entrichten sollten; 2.) Illyrien wurde in drei Re¬ publiken getheilt, die bald darauf die Provinz Illyrien bildeten. Damalige Stellung Roms. Mit der Schlacht bei Pydna war die romische Weltherrscbaft vollendet. Die ganze civilisierte Welt anerkannte jetzt im Senat iliren obersten Gericbtshof, dessen Gom- missionen auftauchende Streitigkeiten entscliieden. Das Clientel- verbaltnis musste nothwendig zur vollstandigen Unterwerfung fiibren. II. Erweiterung der roiiiisclien IVeltherrschaft. Umwamllung der Clientelstaaten in Provinzen, 149 bis 133. A. Ervverbungen im Osten. 1. Vierter Krieg mit Macedonien, 148 bis 146; Untervverfung Griechenlands, 146. 1. Krieg mit Macedonien. Da die Macedonier mit den Bestim- mungen des letzten Friedens unzufrieden waren, fand ein Abenteurer namens Andriscus, der sich fiir einen Sohn des Perseus ausgab, bei Um 183. 171 — 168. 168 . 149—133. 148—146. 146. 152 Die Romer. 129 . 149 — 146 . ihnen Anhang, so dass es ihm gelaiig, sich in Macedonien und einem Theile Thessaliens festzusetzen. Die Romer beendeten den Krieg rasch und machten nun Macedonien zu einer romischen Provinz (146). 2. Unterwerfung Griechenlands. a) Veranlassung. Die Romer liatten die Griechen fiir ihre Hinneigung zu Perseus im dritten macedonischen Kriege schwer bestraft. In Epirus wurden 70 Stadte gepliindert und 150.000 Einwohner in die Sclaverei verkauft; un- gefahr 1000 vornehme Achaer, darunter der Gescliiclitschreiber Polybius, waren als angebliche Anhanger des Perseus nach Italien abgefiihrt worden, von wo der iiberlebende Rest im Jabre 151 nach Hause entlassen wurde. Diese schiirten nun den Ilass der Achaer gegen die Romer, \velche in dem alten Streite zwischen dem Bunde und Sparta wegen der Weigerung des letzteren, dem Bunde bei- zutreten, Sparta recht gegeben liatten, und hetzten zum Kriege. h) Verlauf des Krieges. Trotzdem fanatische Parteifiihrer an der Spitze der Achaer standen, gelang es dem Consul L. Mummius, sie auf dem Isthmus zu schlagen, worauf sich alle griechischen Stadte, auch das feste Corinth, ergaben. Letzteres wurde zerstort; zahlreiche griechische Kunstwerke wurden nach Rom geschleppt, Griechenland wurde ein Theil der Provinz Macedonien, bis es unter Augustus eine eigene Provinz wurde. 2. Erwerbung der Provinz Asia, 129. Von der Herrschaft der Seleuciden war zuerst Pergamum ab- gefallen, wo die Attaliden die Konigswiirde erwarben. Sie zeichneten sich besonders durch Pflege der Wissenschaften und Kunste aus. Als die Romer auf die Geschicke des Ostens Einfluss zu gewinnen begannen, schlugen sich die Kbnige von Pergamum auf ihre Seite. Attalus III. setzte im Jahre 133 durch ein Testament die Romer zu Erben seines Reiches ein, das unter dem Namen Asia eine romisclie Provinz wurde. B. Ervverbungen im Westen. 1. Der dritte punische Krieg, 149 bis 146. 1. Veranlassung. Der numidische Konig Masinissa entriss den Cartliageru durch wiederholte Uberfalle einzelne Gebiete. Die Romer, an welche sich die Carthager um Abhilfe wendeten, gaben ihnen unrecht, so dass die letzteren endlich in der Verzvveiflung zu den Kriege in Spanien. 153 Waffen griffen, um sich des ubermiithigen Nachbars zu erwehreu. Darili erblickte der Senat, in welchem der Censor M. Portius Cato die Seele der Kriegspartei war, einen Bruch des letzten Friedens, und so wurde an Carthago der Krieg erklart, zumal da es durch sein neues Aufbliiben den Neid der Romer erregte. 2. Verlauf des Krieges. Die Romer hatten es auf den Unter- gang Carthagos abgeseben; daher liefien sie sich, als die erschreckte Gegnerin um Frieden bat, zuerst Geiseln stellen und, nachdem ein starkes romisches Iieer in Afrika gelandet war, alle Kriegsscbiffe und Waffen ausliefern. Als auch dieses gescbehen war, verlangten sie, dass die Carthager ihre Stadt, welche zerstort werden solite, raumen und sich landeinwarts niederlassen sollten. Da begannen die'Carthager mit Aufgebot aller Krafte einen Yerzweifiungskampf, infolge dessen die stark befestigte Stadt zwei Jahre lang dem romischen Heere widerstand. Erst als im Jahre 147 P. Cornelius Scipio Amilianus, der Solin des Siegers von Pydna und Adoptiv- enkel des Siegers von Zama, das Commando ubernabm, erreichte Rom sein Ziel. Scipio schloss die Stadt zu Laude und zur See aufs engste ein und gab sie dem Hunger preis. Endlich nabm er sie im Sturme, aber aucb jetzt nocb musste secbs Tage lang Strafie um Strafie und Haus um Haus erkampft werden, bis endlich mit der Einnahme der Burg der letzte Widerstand der Bevolkerung scliwand, die im Verlaufe des Krieges von 700.000 Kopfen auf 50.000 herabgesunken war. Im Auftrage des Senates wurde die Stadt ganzlich zerstort und der Pflug liber die Stelle gefiilirt, auf der sie gestanden war. Scipio erhielt den Ebrennamen «der Afrikauer*. Ergebiiis. Das carthagiscke Gebiet wurde romiscbe Provinz unter dem Namen Africa. 2. Kriege in Spanien. 1. Veranlassung. Durch den zweiten punisclien Krieg batten die Romer den O. und S. Spaniens gewonnen, woraus sie zwei Provinzen, das dies- und das jenseitige Spanien, bildeten, deren Grenze der Nordabfall der Sierra Morena war. Die Celtiberer, die kriegeriscbe bauerliche Bevolkerung des Innern, 1 und die Lusitanier, die Be- wohiier des heutigen Portugal, machten wiederholte Einialle ins ' Die Griechen nannten sie Celtiberer, weil sie durch Mischung von Iberern und Celten entstanden war. Die Iberer waren die alteste Bevolkerung der Halbinsel; ihre Naclikommen sind die Basken. 14 154 Die Komer. romische Gebiet, so dass hier der Krieg selten ruhte. Die Romer fiihrten ihn mit groBer Treulosigkeit und Grausamkeit, weshalb sicli ihre Feinde auch aufs aufierste vvehrten. 149—140. 2. Verlauf der Kriege. a) Gegen die Lusitanier, 149 bis 140. Diese leisteten unter der Anfiihrung des tiichtigen und kiihnen Viriathus, eines ehemaligen Hirten, den Romern im kleinen Kriege. wozu das gebirgige Land besonders geeignet ist, erfolgreichen Wider- stand. Als Viriathus auf Veranlassung der Romer durch Meuchel- mord aus dem Wege geraumt. wurde, mussten sicli die Lusitanier ergeben. 143—133. b) Gegen Numantia, 143 bis 133. Der Krieg mit den Celtiberern, welche sich an Viriathus angeschlossen hatten, besclirankte sicli bald auf den Widerstand der festen Stadt Numantia (Quellgebiet des Duero), das erst nach zehnjahriger Belagerung von dem jiingeren Scipio durch Hunger bezvmngen wurde. Die Stadt fiel den Romern als ein Trtimmerhaufen in die Hande, der Rest der Bevolkorung wurde verkauft, Scipio erhielt den Beinamen «der Numantiner*. So war nunmehr die ganze Halbinsel, mit Ausnahme eines Tlieiles der Nordkiiste, der erst unter Augustus erobert wurde, romisch. Ergebnis. Da die noch nicht unmittelbar unterworfenen Lander Numidien, Agjpten und Syrien keine selbstandige aufiere Politik mehr befolgten, so konnten sich die Romer -von jetzt ab als Herren des ganzen Mittelmeerbeckens betrachten. C. Die inneren Verhaltnisse (Oultur). 1. Die Provinzialverwaltung. a) Einrichtung der Provinz. Die Romer iibertrugen die Grund- ziige der italisclien Verivaltung auch auf die Provinzen und sttitzten daher deren Verwaltung auf die Stadte. Somit wurde jedes neu erworbene Land zunachst in eine Anzahl von Verwaltungsbezirken zerlegt, die ihren Mittelpunkt in einer grofien Stadt hatten, von wo aus der ganze Bezirk verwaltet wurde. Die Stadte zerfielen in: a) ahgahenpflichtige, welche entweder eine Naturalabgabe oder eine bestimmte Steuer (tributum) zu entrichten hatten; sie bildeten die Mehrzahl; h) begiinstigte, welche in der Regel nur zur Stellung von Truppen oder Schiffen verpflichtet waren. b) Der Statthalter und seine Beamten. Bis auf Sulla wurde fiir jede Provinz ein eigener oberster Beamter, Prator, erwahlt, dem die erforderlichen Unterbeamten beigegeben wurden. Der Statt- Innere Verhaltnisse. 155 lialter hatte: 1.) das Commando iiber die dortigen Truppen; 2.) die oberste Gerichtsbarkeit; 3.) die oberste Yerwaltung. c) Lage der Provinzial-Bewohner. Die Lage d er Provinzen war bis zur Kaiserzeit eine ungiinstige; denn die Statthalter suchten sich, da sie haufig durch Bekleidung eines Amtes in Rom in Sclmlden gerathen waren, wahrend der einjahrigen Dauer ilirer Stellung finanziell zu erholen, weshalb sie die Bewolmer scbonnugslos aussaugten. Aufierdem wurden die Provinzen noch ausgebeutet durch die PUchter der Staatseinnahmen, welche die Steuern in mehrfachem Betrage einhoben, und durch die romischen Kaufleute, welche den einheimischen Handel und Verkehr ganz an sich zu ziehen wussten und die Bevolkerung durch Wuchergeschafte zugrunde richteten. 2. Verhaltnisse in Rom und in Italien. a) Politische Zustande. 1. Die Nobilitat und der Senat. Seit der Geburtsadel des Patriciates seine Bedeutung verloren hatte, entstand ein neuer, der Amtsadel oder die Nobilitat. Dazu gehorten die Angehorigen der- jenigen Familien, deren A^orfahren eines der curulischen Amter (curulische Adilitat, Pratur, Consulat, Censur) bekleidet hatten. Die Mitglieder der Nobilitat (die Nobiles oder Optimaten) schlossen sich den ubrigen Biirgern gegeniiber ab und suchten die hoheren Staatsamter nur Bewerbern. aus ibrer Mitte zuganglich zu machen. Die Hauptstiitze hatte die Nobilitat im Senate, der aus den ehe- maligen hochsten Wurdentragern, also den Nobiles, durch den Censor ergiinzt wurde. So gewann die Verfassung den Charakter einer Oligarchie. 2. Verhaltnis zu den Bundesgenossen. Es ware billig und im Interesse des Staates gewesen, wenn den Bundesgenossen, welche starker als die romischen Burger zum Kriegsdienste herangezogen wurden und ihre Truppen selbst besolden mussten, das volle Biirger- recht zuerkannt worden ware. Dies strebten die Bundesgenossen auch an, doch wollte weder.„das Volk noch die Nobilitat etwas davon wissen. h) Sociale Verhaltnisse. 1. Aufkommen der Latifundien und Verfall des Bauern- standes. Das unvertheilte, nicht verpachtete Gemeindeland war durch Occupation in die Hande verhaltnismafiig weniger, hauptsachlich der Nobilitat angehoriger Burger gelangt, da die betreffende Be- stimmung der Licinischen Gesetze (S. 131) bald in Vergessenheit 156 Die Romer. gerathen war. Auf diesen ausgedehnten Giitern (Latifundien) betrieben die Reichen besonders 01- und Weinbau oder unterhielten grobe Herden, beides mit Hilfe von Sclaven, die in immer grofieren Scharen aus dem Ausland eingefiihrt wurden. Mancher kleine Bauer wurde mit Gevvalt seines Besitzes beraubt, die meisten giengen aber zugrunde: 1.) weil die Provinzen ganze Getreideflotten nach Rom schickten, vvelche den Preis des heimischen Getreides so herab- drilckten, dass der Bauer nicht mebr concurrieren konnte, und 2.) weil sie auf den Giitern der Reicben nicht mehr Arbeit fanden, da die Sclaven billiger zu stehen kamen. Die verarmten Bauern zogen nach demVerlust ihres Besitzes nach Rom, wo sie die Menge des neuerungssuchtigen Proletariates der Hauptstadt vermehrten; denn sie konnten sich nicht, wie heutzutage, dem Geiverbe zuwenden, da dieses in den Handen der Sclaven und Freigelassenen war, vvelche es fiir ihre Herren hetriehen, und iiherdies als entehrend galt (S. 140). 2. Der Ritterstand. Er ist aus der Biirgerreiterei hervorgegangen, die gegen Ende des 2. Jahrhunderts eingieng. Die Angehorigen der ritterlichen Familien begannen, wie die Nobilitat, sich als ein eigener Stand abzusclilieBen. Da sie von den Amtern im allgemeinen aus- geschlossen waren, warfen sie sich auf die Geldgeschafte und pliinderten als Steuerpachter und Kaufleute die Provinzen. Sie bildeten dem Amtsadel der Nobilitat gegeniiber den Geldadel. 3. Zunahme vonLuxus und Wohlleben. Je mehr sich einzelne Familien bereicherten, desto mehr schwand die alte Einfachheit und Biederkeit und desto mehr rissen Geldgier, Genussucht und Prunk- sucht ein, wogegen alle Luxusgesetze nichts halfen. Bestechlichkeit der Beamten und Stimmenkauf bei Wahlen waren damals all- hekannte Ubelstande. 4. Schaulust der Menge. Je rechtloser in politischer Hiusicht und je armer die Menge wurde, desto mehr schwanden Opfervvilligkeit und Liebe zum Vaterlande. Das Volk vviinschte vor allem billiges Getreide und glanzende Spiele. Damals gab es zvvei Arten von Staatsspielen: 1.) circensische Spiele, vvelche im Circus Maximus oder im C. Flaminius abgehalten vvurden; sie bestanden im Pferde- rennen und besonders im Wagenwettfahren; 2.) die aus Etrurien am Beginne des ersten punischen Krieges eingefiihrten Gladiatorenspiele 1 und die Thierhetzen, deren Auffuhruug im Amphitheater stattfand. ' Sclaven, meist tapfere Kriegsgefangene, wurden in eigenen Fechterschulen zu Gcladiatoven herangebildet. Die beiden Gracchen. 157 5. Hellenisierung der romischen Cultur. Die Ausdehnung der romischen Herrschaft iiber Unteritalien und die griechischen Staaten des Ostens hatte eine durchgreifende Hellenisierung der gesammton Cultur (Religion, Literatur und Kunst) der Romer zur Folge. c) Religion. In der Zeit des zweiten punischen Krieges war die Hellenisierung der romischen Religion (S. 124) vollzogen, so dass damals das ganze System der griechischen Gottheiten eingeburgert war. Nach dem zweiten punischen Kriege begann der Verfall der romischen Religion durcli das Eindringen der griechischen Philosophie, die in religioser Beziehung unglaubig war, und durch die politische Entwickelung des Volkes, welche es mit sich brachte, dass das religiose Interesse hinter das politische zuriicktrat. d) Literatur. In der Literatur wurde namentlich das Epos und das Drama, nach griechischen Vorbildern gepflegt. Unter den Dramatikern sind am begabtesten die Komodiendichter Plautus (um 250-184 v. Chr.), der eigentliche romische Volksdichter, und Terenz (um 200-159 v. Chr.), der Liebling der vornehmen Stande. e) Kunst. In der romischen Kunst war anfangs alles eiruskisch, spater alles griechisch. Von den Etruskern entlehnten die Romer das Princip des Gewolbebaues, das sie als Tonnen-, Kuppel- und Kreuz- gewolbe in der grofiartigsten Weise weiter entwickelten. Die wichtigsten Bauwerke dieser Zeit sind die Tempel, von denen die meisten im corinthischen Stile gehaltene Rundtempel sind. Hinsichtlich der Plastik und Malerei ist fast nur das eine zu erwahnen, dass die Romer damals ihre Stadte mit den geraubten Schatzen der griechischen Stadte schmuckten. Dri t ter Abschnitt. Vom Auftreten des alteren Gracchen bis zur Errichtung des Kaiserthums. 1B3 bis 30 v. Chr. 133—30. Verfall der Republik, Zeitalter der Biirgerkriege. I. Die Zeit der beiden Gracchen, 133 bis 121. 133—121. Oppositionelle Bestrebungen. Gegen die ungesunden Verhalt- nisse erhob sich eine z\veifache Opposition, eine gemafligtere und eine scharfere. Das Haupt der ersteren Partei war der alte, ehren- werte M. Portius Cato, ein Anhanger der guten alten Sitte, welcher, 158 JDie Romer. gestiitzt auf die Bauernscliaft, die alten einfachen Zustande wieder herstellen volite. Dagegen strebte die Partei der scharferen Oppo- sition, welche sich besonders auf den Stadtpobel stiitzte, Beschrankung der Senatsgewalt und Steigerung des Einflusses der Comitien an. Da dies aber mir Mittel zum Zwecke und dieser selbst die Besserung der elenden Lage der meisten romischen Burger war, so ist das Grundmotiv fiir die Revolution, die durch dieses Bestreben herbei- gefiibrt \vurde, kein politisches, sondern ein sociales. Den Weg der Kevolution betraten die beiden Gracchen. 133 u. 132. A. Ti. Sempronius Gracchus, 133 und 132. Ti. Sempronius Gracchus war der Sohn der edlen, hocbgebildeten Cornelia, einer Tochter des alteren Scipio, velclie sich nach dem Tode ibres Gemahls ausschlieblich der Erziehung ibrer Kinder widmete. Im Jahre 134 wurde er zum Volkstrihunen gewahlt. 1. Erneuerung des Licinischen Ackergesetzes. Gleicli nacli Antritt des Tribunates erneuerte er das in Vergessenheit gerathene Liciniscbe Ackergesetz, vvelchem zufolge niemand mehr als 500 Joch Staatsland besitzen solite, mit dem Zusatze, dass es gestattet sei, fiir zwei Sobne ebenfalls 500 Joch zu besitzen; der Rest solite herausgegeben und in Losen von 30 Joch den verarmten Burgern als unverauBerliches Paclitgut zugeviesen verden. Die Nobilitat gcwann den Tribunen M. Octavius, velcher dagegen Einspracbe erhob. Deshalb wurde er auf Befehl des Gracchus unter Zustimmung des Volkes von der Tribunenbank entfernt (erster revolutionarer Schritt des Gracchen), das Ackergesetz angenommen und eine Commission von drei Miinnern — er selbst, sein Bruder Caius und Appius Claudius, sein Sehwiegervater — eingesetzt, welche das Gesetz durchfuhren sollteu. 2. Weitere Antrage und Ermordung des Ti. Gracchus. Gracchus stellte weitere volkstliumliclie Antrage in Aussicht, so die Vertheilung der Schatze des Attalus III. unter das Volk zur An- schaffung von Ackergerathen undVieh (zweiter revolutionarer Schritt, Eingriff in das finanzielle Redit des Senates), um audi fiir das nachste Jalir zum Tribunen gewablt zu werden. Als die Mehrzahl der Tribus ihm gesicbert schien, stiirten die Nobiles die Comitien; Gracchus \vurde auf der Fluclit vom Capitole getodtet, mit ihm \vurden iiber dreihundert seiner wehrlosen Anbanger ersclilagen. Die beiden Gracchen. 159 B. C. Sempronius Gracchus, 123 und 122. Der jiingere Gracchus, begabter, leidenschaftlicher und riick- sichtsloser als sein Bruder, ein feuriger Redner, wurde fiir die Jahre 123 und 122 zum Trihunen gewahlt. Auber dem Hasse gegen die 123 Herrschaft der Nobilitat trieb ihn auch die Rachsucht zum Kampfe. Er griff in die verschiedensten Zweige der Senatsgewalt ein, wodurcli er im Falle des Sieges den Sturz des Senates herbeigefiibrt liaben wiirde. Die wichtigsten seiner Antrage waren: 1. ) Das Getreidegesctz. Jeder arme Burger, der sicli in Rom meldet, solite monatlich vom Staate ein gewisses MaB Getreide ungefahr um den balben Preis bekommen (S. 79). 2. ) Das Gesetz iiber die Gesclnvornengerichte. Die Mitglieder der seit der Mitte des zweiten Jahrhunderts bestelienden standigeu Gerichtshofe, welche liber Erpressungen in den Provinzen, Unter- schleife und Hochverrath zu richten batten, waren Geschworne, welche bisber dem Senatorenstand entnommen wurden. Gracchus setzte durch, dass sie in Zukunft aus Angeliorigen des Ritterstandes gebildet wurden. Er bezeichnete selbst den Antrag als einen Dolcb, mit dem sicli die beiden Adelsparteien zerfleiscben sollten. 3. ) Auf Grund eines Ackergesetzes setzte C. Gracchus die Aus- fubrung von Colonien in Italien fort und debnte sie auch auf auBeritalische Lunder, z. B. auf Carthago, aus, wodurch mit dem bisherigen Grundsatze, dass aufierhalb Italiens keine romischen Burger standig wohnen konnten, gebrochen wurde. Alle diese Antrage wurden angenommen. 4. ) Gesetz iiber die Verleihung des Biirgerrechtes an die itali- sclien Bundesgenossen. An sich war dieser Antrag billig und auch im Interesse des Staates, dem dadurch frische Krafte zugefiihrt worden waren, anderseits musste er die Macht des Trihunen erhohen. Der Antrag war aber den Biirgern nicht genehm, weil sie ihre Vor- rechte nicht mit neuen Biirgern theilen wollten. Gracchus sank in der Volksgunst, und er musste den Antrag fallen lassen. Dies beniitzte der Senat zum Sturze des verhassten Trihunen. Der von ihm gewormene Tribun M. Livius Drusus beantragte namlich im Gegensatze zu Gracchus, der eben zur Einrichtung der neuen Colo- nie in Afrika weilte, die Anweisung von 36.000 Ackerlosen in Italien selbst. Obwohl dies unmoglich war, da das verfiigbare Ackerland daselbst bereits aufgetheilt war, liefl sich die Menge doch iiberlisten und wahlte Gracchus nicht mehr zum Trihunen fiir das Jahr 121. 160 Die Romer. 113 — 78 . 111 — 106 . 112 . 111 . Als nun der Senat vorschlug, dass die Griindung der Colonie an der Stelle Carthagos unter bleiben solle, kam es zwischen der Senats- partei und den Gracchanern zum Kampfe, in welchem Caius und angeblicb 3000 seiner Gesinnungsgenossen den Tod fanden. Das An- denken der Graccben blieb geachtet, ihre Mutter durfte nicht einmal Trauerkleider anziehen. Ergebnis. Nach dem Untergange der beiden Gracchen gewann der Senat seine erschutterte Herrscliaft wieder zuriick, raffte sicb aber aucb jetzt nocb zu keiner Reform auf. Nachdem die Ackerlose fiir freies Eigenthum erklart worden waren, verkauften sie die Besitzer wieder oder wurden daraus vertrieben, so dass die vor- gracchiscben Zustande wieder zuriickkehrten. Die ganze Jammerlichkeit der Senatsregierung zeigt aber erst der Krieg gegen Jugurtba. II. Die Zeit des Marius und Sulla, 113 bis 78. A. Der Krieg gegen Jugurtha, 111 bis 106. 1. Veranlassung. Micipsa, der Solin und Nachfolger Masinissas, setzte zu Erben seines Reiches Numidien 1 seine Sohne Adherbal und Hiempsal und seineu Neffen Jugurtha ein und stellte das Testament unter die Biirgschaft Roms. Da sich die Erben liber die Gesammtregierung nicht einigen konnten, kam es zuUnterhandlungen wegen einer Theilung, wahrend welcher Jugurtha den Hiempsal todten lieb. Daraufhin floh Adherbal nach Rom, und die Romer schickten eine Gesandtschaft nach Numidien, welche, von Jugurtha bestochen, ihm die fruchtbare Westhalfte des Reiches zuwies, wahrend sich Adherbal mit den Sandwiisten des Ostens begntigen musste. Gleichwohl belagerte ihn Jugurtha in Cirta (Constantine), lieB ihn nach Eroberung der Stadt unter Martern todten und die envachsenen mannlichen Bewohner, darunter viele Italiker, hinrichten (112). Auf Betreiben des Tribunen C. Memmius musste der Senat nun an Jugurtha den Krieg erklaren (111). 2, Verlauf des Krieges. Als der bestochene romische Befehls- haber dem Jugurtha das Reich wieder zuerkannte, erhob sich in Rom grofier Unwille, so dass Jugurtha zur Verantwortung nach Rom berufen wurde. Er liefi aber einen Tribunen gegen das Verhor Einspruch erheben und einen Enkel Masinissas in Rom ermorden, 1 «Numider» ist die romische Umgestaltung des Wortes «Nomaden». Krieg mit den Cimbern und Teutonen. 161 weil dieser Anspriiche auf Numidien erhob. Jetzt wurde er aus Rom ausgewiesen und der Krieg gegen ihn erneuert. I)a aber die Disciplin im Heere scblecht war und mehrere Feldherren sich bestechen liefien, nahm der Krieg anfangs einen fiir Rom ungtinstigen Verlauf. Eine Wendung zum Besseren trat erst mit der Ubernabme des Ober- befehles durch den Consul Q. Metellus ein (109). Jugurtlia musste zu seinem Schwiegervater Bocchus, dem Konige von Mauretanien, fliehen. Der Nachfolger des Metellus, C. Marius, der Sohn eines Bauern aus Arpinum, konnte trotz mancber Erfolge das Hauptziel, die Gefangennahme Jugurthas, nicht erreichen. Erst sein Quastor L. Cornelius Sulla machte dem Kriege ein Ende, indem er Bocchus bewog, Jugurtha auszuliefern. Marius feierte einen Triumph und lieG wenige Tage darauf Jugurtha hinrichten. Ergebnis. Das westliche Numidien wurde zu Mauretanien ge- schlagen, das ostliche einem Enkel Masinissas ubergeben. B. Der Krieg mit den Cimbern und Teutonen, 113 bis 101. 1. Veranlassung. Die Romer hatten die barbarischen Volker, welche nordlich von Italien in den Alpen (Celten) und ostlich auf der Balkanhalbinsel (Rlyrier) wohnten, wiederholt bekampft und theilweise unterworfen. So unterwarfen sie auch die Carner, wahrend sie mit den Tauriskern in Karnten Gastfreundscbaft schlossen. Als die letzteren von den germanischen Cimbern und Teutonen, die aus ihrer Heimat im nordlichen Deutschland aufgebrocben waren und nun in den Alpen erschienen, angegriffen wurden, nahmen sich die Romer ihrer an, wodurch der ZusammenstoB zwiscben diesen und den Germanen erfolgte. 2. Verlauf des Krieges. Die Germanen siegten bei Noreja (in der Niihe von Neumarkt in Steiermark), zogen aber dann westlicb durch die Alpenlander nach Gallien, wo sie noch vier romische Heere schlugen, welche zum Schutze der kurz vorber gewonnenen Provinz Gallia Narbo erschienen waren. Die wiederholten Bitten der Germanen um Land wiesen die Romer ab. Wahrend nun die Teutonen Gallien verheerten, fielen die Cimbern in Spanien ein, wurden aber von den Celtiberern zuriickgedrangt. Hierauf vereinigten sich wieder beide Volker und fielen nochmals in Gallia Narbo ein. Die Romer wahlten nun funf Jahre hindurcb (104 bis 100) Marius zum Consul, der sich sofort nach Gallien begab und zunachst die ganz zerriittete Zucht im Heere wieder herstellte. Unterdessen trenuten sich die 109 . 113 - 101 . 104 — 100 . Zeehe-Rebhann, Geschichte (les Alterthums. 11 162 Pie Rorner. beiden Volkerschaften zu ihrem Verderben und beschlossen, einzeln in Italien einzufallen, die Cimbern liber die Ost-, die Teutonen iiber die Westalpen; so trafen die letzteren zuerst mit Marius zu- 102 . sammen, der sie bei Aqua Sextia (Aix) vollstandig besiegte (102). Inzwisohen zogen die Cimbern iiher den Brenner gegen Trient; das hier aufgestellte romische Heer lief aus Angst vor den gewaltigen Gestalten, die mit wildem Gescbrei heranstiirmten, auseinander, so dass sicb die Cimbern ohne Widerstand liber die Po-Ebene ergossen. Aber Marius schlug auch sie im folgenden Jahre bei Vercella ganzlich 101. aufs Haupt (101). Die Cimbern und Teutonen waren vernichtet. 101 u. 100 . o. Marius auf dem Hohepunkte seiner Maeht, 101 und 100. Marius stand nacli seinen Siegen liber die Germanen aul dem Hohepunkte seiner Macht; er wurde als dritter Grunder Roms gepriesen. Seine militarischen Erfolge beruhten zum Theile auf der von ihm vorgenommenen Heeresrefonn. 1. Veranderungen im Heerwesen. Marius gestattete im 107. Jahre 107, wahrscheinlich infolge der Massenaushebungen fiir den cimbrischen Ivrieg, jedem freigeborenen Burger den Eintritt in das Heer. VVahrend die Reicheren dem Heeresdienste sich zu entziehen suchten, driingten sich die Armen in Menge heran, weil der Krieg reiche Beute versprach. Das Biirgerheer wurde ein Soldnerheer, das dem siegreichen Feldherrn unbedingt ergeben war und sich um den Staat wenig klimmerte (S. 93). Hinsichtlich der Aufstellung wurde jeder Unterschied nach dem Dienstalter beseitigt und die Legion in zelin Coliorten eingetheilt, jede in der Regel 600 Mann stark, so dass jetzt die Legion gewohnlich 6000 Mann FuBvolk zabito, welche Marius in einer nichtunterbrochenen Front aufstellte. Marius fiihrte fiir die Legion ein gemeinsames Feldzeichen, den Adler, ein, das seitdem blieb, und machte den Wurfspeer zur Waffe der ganzen Legion. Die Reiterei wurde von den fremden Volkerschaften beigestellt. 100. 2. Marius und die Revolution des Jahres 100. Im Jahre 100 erhielt Marius zum sechstenmale das Consulat. Im Vertrauen auf das Heer verhand er sich mit Glaucia und Saturninns, den damaligen Ftihrern der Volkspartei, um die Ilerrschaft der Nobilitat zu stlirzen. Die beiden letzteren nahmen die Bestrebungen des C. Gracchus wieder auf, ohne auch dessen sittlichen Adel zu besitzen. Glaucia lieB sogar seinen Gegencandidaten um das Consulat fiir 99 auf Der Bundesgenossenkrieg. — Blirgerkrieg zwisclien Marius und Sulla. 163 offener StraGe erschlagen. Da musste Marius, der seine Freundc nicht zu ziigeln imstande war, im Auftrage des Senates einschreiten, so dass es zu einer formlichen Schlacht in Bom kam, wobei die beiden Volksfiihrer den Untergang fanden. Aber auch Marius \var politisch vernichtet. D. Der Bundesgenossenkrieg, 91 bis 88. 91 -88. 1. Veranlassung. Im Jahre 91 hatte der Tribun M. Livius 91. Drusus, der Sohn des gleichnamigen Gegners des C. Gracchus, den Bundesgenossen zugesichert, dass er ibnen zum Biirgerrechte ver- helfen wolle; denn aucb ein Theil der Nobilitat war jetzt mit Riick- sicht auf das Staatswohl (S. 159) dafiir. Er wurde aber ermordet uud damit die Hoffnung der Bundesgenossen vereitelt. Da griffen die sabellischen Volker zu den Waffen, wahrend die latinischen uiul griechischen Stadte, anfangs auch die Etrusker und Umbrer, Rom treu blieben. 2. Verlauf des Krieges. Die Bundesgenossen wollten sich nicht mit dem Abfalle von Rom und der Errichtung eines eigenen Staates begniigen, sondern Bom selbsi vernichten. Ihr Heer betrug 5- bis 600.000 Mann. Als sich im Jahre 90 infolge der geringen 90. Fortschritte der Romer auch umbrische und etruskische Gemeinden erhoben, gaben die Romer hach und gewahrten noch im Jahre 90 90. den treugebliebenen und im Jahre 89, als bereits der Krieg mit 89. Mithradates drohte, allen Bundesgenossen das Biirgerrecht. Die Neubiirger wurden zunachst, um die Bildung anderer Ma- joritaten als der bisherigen zu verhindern, auf acht Tribus beschrankt, wodurch ihr Stiminrecht in den Tribut-Comitien zu einer leeren Form herabgedriickt wurde. Gleichwohl horie der Krieg auf. E. Ausbruch des Biirgerkrieges zwischen Marius und Sulla, 88 und 87. 88 u. 87. 1. Veranlassung. Der Tribun P. Sulpicius setzte im Jahre 88 88. durch, dass die Neubiirger und Freigelassenen in alle 35 Tribus vertheilt werden sollten, was an sich billig und zudem geeignet war, die Machtstellung der Tribunen wesentlich zu erhohen. Da der Consul L. Cornelius Sulla, dem bereits das Commando gegen Mithradates iibertragen worden war, sich dagegen erklarte, so wurde ihm auf Antrag des Sulpicius das Commando vom Volke abgenommen und dem Marius iibertragen. n* 164 Die Komer. 2. Anfang des Biirgerkrieges. Sulla lag vor Nola. Als er von diesem Beschlusse horte, zog er mit semen Legionen gegen Rom und n ah m die Stadt ein. Er hob die Sulpicischen Gesetze auf, Sulpicius und elf Gesinnungsgenossen, darunter Marius, wurden geachtet, d. h. zum Tode verurtheilt, und die demokratische Um- formung der Centuriat-Comitien (S. 134) wieder beseitigt. Hierauf 87. liefi Sulla nocb die Consuln fur das Jabr 87 wahlen, setzte aber uur die Wahl eines Gesinnungsgenossen durch, neben dem der ent- scbiedene Demokrat L. Cornelius Cinna gewablt wurde. Anfangs des Jabres 87 schiffte er sich nach Asien ein. 87—84. F. Erster Krieg gegen Mithradates VI. von Pontus, 87 bis 84. 1. Veranlassung. Von den Staaten, welche von Syrien un- abhangig wurden, waren die bedeutendsten die Konigreiche Pontus und Armenien. Ersteres gewann unter Mithradates VI. eine grobe Ausdehnung, da dieser grausame Kouig seine Herrschaft fast iiber alle Klistenlander des scbwarzen Meeres erweiterte. Als er aucb den Konig Nicomedes III. von Bithjnien vertrieb und dieser die Romer zu Hilfe rief, begann Mithradates den Krieg gegen Rom. 2. Verlauf des Krieges. Nach der Besetzung Bitbyniens riickte Mithradates in die Provinz Asien ein, wo er, als «rettender Gott» gegen die romische Ausbeutung begriibt, alle daselbst anwesenden Italiker, Sclaven und Freie, Manner und Frauen, an einem Tage todten lieb; so fanden 80- bis 150.000 Menschen den Tod. Hierauf verlegte er, wie einst Antiochus, den Krieg nach Griechenland, das . er ebeufalls zum nationalen Kampfe gegen Rom aufforderte, machte Athen zu seinem Stutzpunkt und besetzte ganz Griecheidand sowie einen Tlieil Macedoniens. Inzwischen landete Sulla an der Kiiste von Epirus mit 30.000 Mann. Nach wiederholten Stiirmen nahm er Athen, schlug nocb im 80. Jahre 86 das pontische Heer bei Ch&ronea und im folgenden Jabre 85. ein zweites bei Orchomemis. Daraufhin raumte Mithradates Griechen¬ land, und /Sulla setzte nach Asien iiber, obne sich darum zu kiimmern, dass ihn die siegreicbe Revolution in Rom neuerdings abgesetzt und einen anderen Feldherrn entsendet hatte. Als Sulla am Hellespont 84. ersehien, schloss Mithradates Frieden (84). Ergebnis. Mithradates musste alle Eroberungen herausgeben T die Kriegskosten zahlen und die Gefangenen, die Uberlaufer und die Revolution in Rom und ihre Niederwerfung. 165 Kriegsflotte ausliefern. Die Provinz Asien biifite ihre Untreue mit vollstandigem finanziellen Ruin. Die Bewohner mussten die seit fiinf Jahren riickstandigen Steuern nachbezahlen, aufierdem burdete Sulla der Provinz 20.000 Talente als Kriegskosten-Entschadigung auf. Die Urheber des Massenmordes wurden bingerichtet. G. Die Revolution in Rom naeh dem Abgange Sullas und ihre Niederwerfung, 87 bis 82. 1. Vorgange in Rom und in Italien wahrend Sullas Ab- vvesenheit (87 bis 83). Cimi a betrieb sofort die Wiederlierstellung der Sulpicischen Gesetze sowie die Amnestierung der Geacliteten. Wolil musste er vor den Optimaten fliichten, aber Marius, der aus Afrika nach Italien zuriickgekehrt war und eino Rotte illyrischer Sclaven um sich gesammelt hatte, verband sich mit ihm, Rom wurde belagert und erobert. Nun begann die Blntherrschaft des Marius, indem auf seinen Befehl fiinf Tage und fiinf Nachte lang gemordet wurde, wobei die Haupter der Nobilitat den Tod fanden. Hierauf ernannte ihn Cinna zu seinem Collegen, docb starb er sclion wenige Tage nach dem Antritte seines siebenten Consulats; seine entmensehte Horde, 4000 Mann, musste niedergehauen werden. Cinnli blieb nun von 87 bis 84 Consul und ernannte aucli seine Collegen, ohne das Volk zu befragen. Als er sich endlich zum Heere begab, um Sulla ent- gegenzuziehen, wurde er von den meuternden Soldaten erschlagen (84). 2. Beendigung des Biirgerkrieges durch Sulla (83 und 82). Im Friihjahre 83 landete Sulla unbehindert mit seinem Heere in Brundisium. Verstarkt durch die Reste der Nobilitat, brach er den Widerstand der Marianischen Partei in zahlreichen Kampfen zuerst in den einzelnen Landschaften Italiens; durch den Sieg vor Rom in dem nachtlichen Riesenkampfe am collinischen Thore brachte er auch die Hauptstadt in seinen Besitz. Nach dem Ende des Krieges in Italien iiberwaltigte Cn. Pompejus im Auftrage Sullas die Ma- rianisch-demokratische Partei auf Sicilien und in Afrika, spater auch in Spanien. Letzteres komite erst beruliigt werden, nachdem der Marianische Statthalter Sertorius von einem seiner Unterfeld- herren ermordet worden war. H. Sulla als Alleinherrscher, 82 bis 79. 1. Die Schreckensherrschaft. Auf Antrag des Senates wurde Sulla vom Volke die Dictatur auf unbestimmte Zeit iibertragen. Er begann sein Werk mit einer systematischen Schreckensherrschaft 87-82. 87—83. 87—84. 84. 83 u. 82. 82 - 79. 166 Die Komer. (S. 90). Zahlreiche Gegner der Nobilitat wurden geachtet, ihr Ver- mogen, nach Abzug einer Belohnung fiir den Morder, zu Gunsten des Staates eingezogen, ihre Kinder v on jedem Amte ausgeschlossen. Er stellte ganze Proscriptionslisten auf, in welchen die Namen der Geachteten verzeichnet waren; es waren besonders Marianisclie Senatoren und Ritter. Ihre Anzahl betrug mehrere Tausende. Zahl- reiche Anhanger Snllas bereicherten sieli hiebei und gaben sich einem iibertriebenen Luxus hin, der die sittlielie Entartung steigerte. Seine Veteranen stattete er auf Kosten derjenigen Gemeinden, die zu Marius gebalten hatten, mit Ackerlosen aus, deren Zahl auf 120.000' angegeben wird, 10.000 Sclaven der Geachteten schenkte er die Freiheit und gewann hiedurch eine Anhangerschaft, auf deren Er- gebenlieit er sich unbedingt verlassen komite. 2. Neuordnung des Staatswesens. Sulla bezweckte die Wieder- herstellung der Senatsherrschaft; seine Mafiregeln betrafen: a) den Senat selbst, b) die hoheren Magistrate, c) das Tribunat, d) die Volksversammlung. a) Der Senat wurde durch Aufuahme von 300 Rittern erganzt, die Censur beseitigt, so dass die Senatoren unabsetzbar vrarden, die Geschwornengerichte wurden ihnen wieder zurtickgegeben; in Zukunft sollten schon die Quastoren, deren Zahl auf 20 erhoht wurde, nach Ablauf ihres Amtsjahres die Berechtigung zum Eintritt in den Senat haben. b) Die politische Gewalt der hochsten Behorden wurde von der militarischen getrennt. Die beiden Consuln besorgten im ersten Jalire nur Verwaltungsgeschafte, die auf acht vermehrten Pratoren nur die Reclitspflege in Rom und Italien; fiir das zweite Amtsjahr erhielten sie durch Senatsbeschluss als Proconsuln und Propratoren ein Commando in einer der zehn Provinzen. c) Die tribunicische Gewalt schmalerte Sulla, indem er 1.) die Befugnis der Tribunen, mit dem Volke zu verkehren, von der Er- laubnis des Senates abhangig machte und 2.) bestimmte, dass, wer Tribun gewesen, sich um kein hoheres Amt bewerben durfte. Da- durch sollten die faliigeren und ehrgeizigeren Manner vom Tribunate ferngehalten werden. d) Sulla bestimmte, dass Gesetzesantrage nur nach voraus- gegangener Zustimmung des Senates aus Volk gebracht vverden durften. Fechter- und Sclavenkrieg,— Beseitigung der Sullanischen Reformen. p67 So gab Sulla dem Senate wieder diejenige Stellung zurtick, die er vor dem Auftreten der Gracchea innegehabt hatte. Sullas Tod. Als Sulla den Staat geordnet hatte, legte er, fiir Freund und Feind unervvartet, im Jahre 79 die Dictatur nieder und zog sich ins Privatleben zuriick. Im folgenden Jahre starb er; sein Leichenbegangnis \vurde mit grobem Geprange abgelmlten. III. Die Zeit des Pompejus und Časar, 78 bis 44. A. Der Fechter- und Sclavenkrieg, 73 bis 71. Da der Senat die Polizei schlecht handhabte, waren sclion wiederholt in Italien Sclavenaufstande, in Sicilien im 2. Jahrhunderte sogar zwei Sclavenkriege ausgebrochen, welche den Romern mebrere Jahre zu thun gaben. Dasselhe geschah aucli jetzt, als eine Anzald Gladiutoven aus einer Fechterseliule in Capua entkommen war; bald schloss sich ihnen eine grobe Zabl Sclaven an, so dass sich endlich (nach der niedrigsten Angabe) 40.000 Bewaffnete zusammenfanden. Unter der Anfiihrung des Thraciers Spartacus durchzogen sie sieg- reicli fast ganz Italien und erfiillten Rom selbst mit Angst. Da erhielt der Prator J/. Licinius Crassus (Pompejus bekampfte damals den Sertorius) auBerordentlicherweise den Oberbefehl, und es gelang ihm, Spartacus in Lucanien zu besiegen. Dieser fiel, tapfer kampfend; 6000 Gefangene wurden ans Kreuz geschlagen. Einer Abtheilung von Sclaven begegnete Pompejus bei seiner Rtickkehr aus Spanien und vernichtete sie ohne Schwierigkeit, so dass er sich riihmte, aucli den Gladiatorenkrieg beendet zu haben. B. Beseitigung der Sullanischen Reformen durch Pompejus, 70. Charakter des Pompejus und sein Anschluss an die Volks- partei. Er war ein ehrlicher Mensch, ein tapferer Soldat, aber kein Feldherr und Staatsmann ersten Ranges, besonders fehlte ihm rasche Plntschlossenheit. Da ..er nach der Allcinherrschaft strebte, verband er sicb mit der Volkspartei, weil er dadurch sicherer zum Ziele zu gelangen glaubte. Er setzte es durch, dass 1.) das Tribunat seine friiliere Be- deutung zuriick erhielt; 2.) die Geschwornenliste aus Senatoren, Rittern und den Spitzen der auberhalb der beiden bevorrechteten Stande stehenden Biirgerschaft gebildet wurden; 3.) die Censur wieder hergestellt wurde. 78 - 44 . 73 — 71 . 168 Die Romer. 78—67. G. Die Kriege gegen die Seerauber, 78 bis 67. 1. Veranlassung. Noch mehr als die Land- hatte der Senat die Seepolizei vernachlassigt, ja sogar die Kriegsflotte war nach der Vernichtung Carthagos eingegangen. Da nun die zahlreichen Kriege und Umwalzungen (Zerstorung Corinths und Carthagos, die Biirger- kriege in Italien) viele Burger und Provinzialen um Hab und Gut gebracht hatten, suchte sicb so mancher durch Seeraub einen neuen Lebensunterhalt zu verschaffen. Die Seerauber beherrschten damals das ganze Mittelmeer sammt den Kiistengegenden, sie bildeten einen formlichen Staat mit fester Organisation, iiber 400 Orte sollen sie eingenommen oder gepliindert haben. Ihre Scblupfwinkel hatten sie an den buchtenreichen Steilkiisten von Mauretanien, Dalmatien, Creta und Cilicien, wo sie sicb mit ihren kleinen, schnell segelnden Schiffen leicbt verbergen konnten. 2. Verlauf der Kriege. Nachdem der Senat gegen sie mehrere Unternehmungen obne besonderen Erfolg ausgertistet hatte, ubertrug 67. das Volk trotz des Widerstrebens des Senates im Jabre 67 Pom- pejus die unumschrankte militarische Gewalt gegen die Seerauber auf drei Jahre. Pompejus reinigte zuerst das westliche, dann das ostliche Mittelmeer von den Piraten und machte in einem Viertel- jahre dem ganzen Seerauberivesen ein Ende. Wahrend friiber die gefangenen Seerauber ans Kreuz geschlagen worden waren, siedelte sie Pompejus an verschiedenen Orten, namentlicb in Cilicien, an. 74—64. D. Der letzte Krieg gegen Mithradates, 74 bis 64, und die 64—61. Einrichtungen des Pompejus in Asien, 64 bis 61. 1. Krieg gegen Mithradates. 1.) Veranlassung. Als der Konig Nicomedes III. von Bithynien in seinem Testamente die Romer zu Erbeii seines Reiches einsetzte und diese das Erbe antraten, wodurch sie Nachbarn des pontischen Konigs wurden, erklarte letzterer den Romern den Krieg und begann ihn mit dem Einfall in Bithynien. 2. ) Verlauf des Krieges. a ) Unter dem Commando des 74—66. L. Licinius Lucullus (74 bis 66). Lucullus vertrieb den Feind aus Bithynien und tlel dann in Pontus ein. Mithradates fiob nach Armenien, dessen Konig Tigranes sein Schwiegersohn war. Lucullus folgte ihm, eroberte Tigranocerta, die neuerbaute Hauptstadt Ar- meniens, und schlug das pontisch-armenische Heer der beiden Konige bei Artaxata, der alten Hauptstadt. Eine Meuterei seiner Soldaten, die wegen der langen Dienstzeit und des strengen armenischen Verschw6rung des Catilina. 169 Winters unzufrieden waren, zwang ihn zur Umkehr, worauf Mithra- dates nach Pontus zuriickkehrte. Lucullus aber wurde abberufen, alle seine Eroberungen giengen verloren. h) Unter dem Commando des Cn. Pompejus (66 bis 64). Nun erliielt Pompejus auch den unumschrankten Oberbefebl im Mithradatiscben Kriege. Er verdrangte den Mithradates rasch aus Pontus. Wieder floh dieser zu Tigranes, der ihn aber diesmal, da er selbst ron den Parthern bedroht wurde, fallen liefi und mit Rom Frieden schloss. Hierauf verfolgte Pompejus den Mithradates, der sich auf die Halbinsel Krim fluchtete, bis an den SiidfuB des Kaukasus, dessen Bevolkerung er der romischen Oberhoheit unter- warf. Wegen der groBen Terrainschwierigkeiten aber kehrte er um, so dass am Kaukasus die romische Herrschaft ebenso ilire Grenze fand, wie die persisclie und die hellenische. Als sich Mithradates auf allen Seiten verlassen sah, gab er sich selbst den Tod. 2. Eroberung Syriens und Neuordnung der asiatischen Verhaltnisse durch Pompejus (64 bis 61). Nach der Beendigung des pontisch-armenischen Krieges zog Pompejus nach Syrien, auf das die Herrschaft der Seleuciden infolge Abfa.lles der ferner wohnenden Volkerschaften schon lange beschrankt war. Er machte das Land zur romischen Provinz (64). In Palastina, das sicli unter den Makkabaern von. der syrischen Herrschaft befreit liatte, stritten sich damals die beiden Brtider Aristobulus II. und Hyrkanus II. um die Herrschaft. Von beiden zu Hilfe gerufen, beschrankte Pompejus den Hyrkanus auf die Hohepriesterwiirde und machte das Land zinspflichtig. Jerusalem erhielt eine romische Besatzung. Hierauf ordnete Pompejus noch die Verhaltnisse in Kleinasien und danil kehrte er nach Italien zuriick. Es war nicht zu erwarten, dass sich Pompejus, der im Orient liber Kronen verfiigt hatte, in Rom wieder in die Rolle eines einfachen Biirgers hineinfinden werde. E. Die Verschworung des Catilina, 66 bis 62. 1. Veranlassung. Die Demokraten, deren Haupter damals Crassus und Časar waren, furchteten, dass sich Pompejus nach seiner Riick- kehr aus Asien, wie einst Silila, der Herrschaft bemachtigen komite; deshalb wollten sie vorher die Staatsgewalt an sich rciBen und, wie es scheint, Crassus und Časar die Militar-Dictatur verschaffen. Sie lieBen sich in eine Verschworung mit lierabgekommenen und darum anarchistisch gesinnten Sull&nern ein, welche die Tage des Cinna 66 - 64 . 64 — 61 . 64 . 66 - 62 . 170 Die Romei-. herbeiwiinschten, um ihrer Schulden los zu werden. Das Haupt dieser Leute war der ehemalige Prator L. Sergius C ati lin a, cin Mann von hervorragenden Eigenschaften des Korpers und Geistes, dem aber jeder sittliche Halt fehlte. Catilina solite Consul werden und dami den Demokraten die ersehnte Militargewalt verschaffen. 2. Verlauf der Verschworung. Nachdem die erste Bevverbung Catilinas um das Consulat fiir das Jalir 65 erfolglos geblieben war, 63 . beschlossen die Verschworenen, ihm das Consulat fiir das Jahr 63 zu verschaffen. Aber infolge der Vereinigung der Nobilitat und der Ritter wurde M. Tullius Cicero gewahlt. Nun solite die Wahl Cati- 62 . linas zum Consul fiir das Jahr 62 durch Ermordung des die Wahl leitenden Consuls und der unbequemen Mitbewerber erzwungen werden. Cicero erfuhr aber dieses Vorhaben durch seine iSpione, daher erschien er am Wahltage mit einer Leibwache, so dass die Verschworenen keinen Angriff wagten. Nun berief Cicero den Senat zu einer Sitzung, in welcher er gegen den arnvesenden Catilina die erste seiner vier « Catiliuarischen Reden » hielt. Unter dem Eindrucke dieser Rede verliefi Catilina Rom und begab sicli nach Etrurien, wo inzwischen die Verschwo- renen Truppen zusammengezogeu hatten; vorher hatte er noch mit den in Rom zuriickgebliebenen Verschworenen ausgemaclit, dass Cicero ermordet, Rom an zwolf Stellen angeziindet und seinem heran- ziehenden Heere die Thore geoffnet werden sollten. Dieser Plan wurde aber da durch vereitelt, dass Cicero schriftliche Beweise von der Schuld der in Rom zuriickgebliebenen Verschvvorenen in dieHand bekam, welche er dem Senate vorlegte; vorher noch hatte er fiinf ihrer Haupter ver- haften lassen. Trotz der Bemiihungen Casars, deren Leben zu retten, verurtheilte sie der Senat zum Tode und beauftragte Cicero mit der Aus- fiihrung des Urtheiles; dieser liefi sie in der Nacht erdrosseln, worauf ihm der Senat den Ehrennamen «Vater des Vaterlandes* beilegte. Infolge der Nachriclit iiber diese Vorgange loste sicli das Heer Catilinas zum grofiten Theile auf. Der Rest wurde bei Pistoria ver- 62 . nichtet, Catilina war unter den Getodteten (62). Ergebnis. Der Senat trug seinen letzten Sieg iiber die Demokratie davon und fiihlte sicli so befestigt, dass er den Anspriiclien des Pompejus entgegentrat; die Demokratie (Časar) erlitt eine schwere Niederlage. Charakter und friihere Wirksamkeit Casars. C. Julius Časar, aus selir vornehmem Geschlechte, das seinen Ursprung bis auf Anchises und Venus zuruckleitete, Neffe des Marius, Schwiegersohn Das erste Triumvirat. 171 des Cinna, fiildte sich friih zur demokratischen Partei hingezogen. Sulla achtete ilm, docli retteten ihn din Fiirbitten seiner Ver- wandten. Er machte die iibliche Beamtenlaufbalm durch, nahni an der Catilinarischen Verschworung tlieil und verwaltete das jenseitige Spanien, nachdem Crassus den Gliiubigern Casars fiir dessen Schulden (ungefahr 2 1 / a Mili. Gulden) Biirgschaft geleistet hatte. Biese groben Schulden hatte er sich hauptsachlich als Adil durch die Veranstal- tung von iiberaus glanzendeu Spielen aufgebiirdet. Časar ist Itoms groBter Feldherr und Staatsmann, ein hervorragender Redner und Schriftsteller, ausgezeichnet durch besoudere Scharfe und Klarheit des Verstandes. F. Das erste Triumvirat, 60. 60 Veranlassung zum Abschlusse des Triumvirats. Als Pompejus in Italien ankam (61), loste er gegen die allgemeine Erwartung sein Ileer auf und begab sich mit nur geringem Gefolge nach Rom, wo er einen zweitagigen, iiberaus glanzenden Triumph feierte. Als er aher vom Senate 1.) Bestšitigung seiner Einrichtungen in Asien, 2.) das zweite Consulat und S.) Landanweisungen fiir seine Soldaten ver- langte, wurde er abgewiesen. Deshalb naherte er sich dem Fiihrer der Volkspartei Časar, der eben aus Spanien zuriickgekehrt war, wo er sich Kriegsruhm erworben hatte und seiner Schulden ledig geworden war. Da die Ritterpartei sich gerne auf die Seite der Machtigen schlug, so schloss sich auch M. Licinius Crassus, der reichste Mann des damaligen Rom, 1 dem Bunde an. Man nennt diesen Bund vom Jahre 60 das erste Triumvirat. 60 1. Casars Consulat (59). Der Vereinbarung der drei Macht- 59 haber gemiiB erhielt Časar fiir 59 das Consulat. Er setzte mit Umgehuug des Senates beim Volke durch, dass die Veteranen des Pompejus mit Land betheilt und dessen Einrichtungen in Asien bestatigt wurden. Ebenso liefi er sich vom Volke nach Ablauf seines Amtsjahres das diesseitige Gallien und Rlyrien auf fiinf Jahre iibertragen, wahrend doch bisher der Senat die Vertheilung der Provinzen voimahm. Um sein Ansehen wenigstens scheinbar zu wahren, iibertrug dieser ihm auf den Antrag des Pompejus auch noch das narbonensisclie Gallien. Die personlichen Beziehungen zwischen Časar und Pompejus wurden dadurch noch inniger, dass 1 Crassus soli ein Vermogen von 7100 Talenten besessen baben. Ilim galt nur derjenige als reich, der aus seinem Einkommen ein Heer erbalten konnte. 172 Die Romer. Pompejus Casars Tocliter, Julia, zur Gemahlin na,hm . Bevor Časar in seine Provinzen abgieng, wurde noch Cicero als Gegner der Triumvirn aus Rom entfernt. Infolge eines Volksbeschlusses, welcher denjenigen mit der Verbannung bestrafte, der mit Missachtung des Provocationsgesetzes einen Burger hatte hinricbten lassen, begab er 58 . sieh nach Thessalonice (58). 56 . 2. Zusammenkunft in Luca (56). Je mehr Casars Ansehen und Macht durch seine Erfolge in Gallien (S. 173) stieg, desto mehr naherte sich Pompejus der Senatspartei. Er liefi Cicero zuriickrufen. Da aber der Senat die Ackervertheilung an seine Veteranen ruck- gangig machen wollte, begab er sich mit Crassus zu Časar nach Luca, wo die drei Machthaber ihr Biindnis erneuerten. Pompejus 55 . und Crassus sollten zu Consuln fur das Jalir 55 gewahlt werden, nach Ablauf ihres Amtsjahres ersterer die beiden Spanien, letzterer Syrien als Provinz auf funf Jahre (54 bis 50) erhalten, vvogegen 49. Časar die beiden Gallien bis Ende des Jahres 49 zugestanden wnrden. Der Senat war nicht imstande, diesen Beschlussen entgegenzutreten. 58 — 51 . G. Eroberung Galliens durch Časar, 58 bis 51. 1. Verhaltnisse in Gallien vor Casars Ankunft. Gallien, das Hauptland der Celten, reichte im O. bis an den Rhein. Es erfreute sich damals einer crheblichen materiellen Bliite, die im guten Stande von Ackerbau, Viehzucht, Bergbau, Industrie und Handel ihren Ausdruck fand. In politischer Beziehung stand es mit dem Volke schliinm. Bei der geringen Entwickelung des stadtischen Wesens lebte das Volk in Gauverbanden; seine frtiheren Rechte waren durch das Emporkommen eines fehdelustigen Adels und durch die maclitige Priesterschaft der Druiden, die zugleich iliiter des Wissens waren, vielfach eingeschrankt worden. Die hochste Form politischer Einigung, welche diese Nation erreichte, war die Hegemonie. So bildeten die Stamme zwischen Rhein und Seine den Bund der Belgen, die Stamme in der Normandie und Bretagne den aremoricanischen Bund, im mittleren Gallien rangen die Aduer und Seguaner um das Ubergewicht. Den SO. des Landes besafien die Romer als Provinz Narbo, den SW. zwischen Pyrenaen und Garonne die iberischen A guitanicr. Die Celten waren kriegslustig, verwegen im Angriff, aber ohne Ausdauer, prablerisch und eitel. Časar in Gallien. 173 2. Unterwerfung Galliens. Gerade als Časar in Gallien ankam, brachen die celtischen Helvetier aus ihrer Heimat, der lieutigen Schweiz, in Gallien ein. Entsclilossen, ihre Niederlassung daselbst nicht zu dulden, riickte er ihnen entgegen, schlug sie (58) und zwang 58. sie, nach Helvetien zuriickzukehren und die romische Oberhoheit anzuerkennen. Scbon friiber hatte sich der deutscbe Heerfiihrer Ariovist, der tiber den Rhein gekommen war, im Lande der Secpianer niedergelassen, nachdem er diesen gegen die Aduer die Hegemonie liber Mittelgallien verschafft hatte. Als nun Ariovist die Aduer wegen Yerweigerung des Tributes angriff, riefen diese Časar zu Hilfe. Časar riickte Ariovist entgegen und warf ihn iiber den Rliein zuriick. So war Mittelgallien unterworfen. Im folgenden Jahre besiegte 57. Časar die Belgen und die Aremoriker, und im Jahre 56 zwang sein Unterfeldherr Crassus, der Solni des Triumvirn,. auch die Aquitanier zur Ergebung. So war im Jahre 56 die Eroherung Galliens vollendet. 56. 3. Sicherung Galliens gegen die Germanen und Briten (55 55 u. 53 und 53). Als imWinter 56/55 einzelne germanische Stamme liber den Niederrliein kamen, drangte sie Časar zuriick und zog selbst zwei- mal (55 und 53) nach Germanien, um die Germanen von weiteren Einfallen. in Gallien abzuschrecken. Um auch die Briten von der Unterstiitzung ihrer festlandischen Stammesgenossen abzuhalten, zog Časar zweimal (55 und 54) nach Britannien, doch gelang es ihm 55 u. 54 hier ebensowenig wie in Germanien, dauernde Eroberungen zu machen. 4. Aufstand der Gallier unter Vercingetorix (52). Nachdem 52. mehrere vereinzelte Aufstande, welche von den Belgen ausgegangen waren, unterdriickt worden, erhob sich (52) die ganze celtische Nation von den Pyrenaen bis an den Rhein unter Vercingetorix. Die Entscheidung fiel bei Alesia, wo Vercingetorix von Časar eingeschlossen und belagert wurde. Die Gallier vereinigten wohl ilire gesammten Streitkrafte zum Entsatze, doch wurden sie ge- schlagen, worauf sich Alesia ergab. So war Gallien eudgiltig fiir 52. die romische Herrschaft gewonnen. Ergebnisse. 1.) Die Romer gewannen mit Gallien ein neues Land fiir Ackeranweisungen und im Rhein eine sicliere Grenze gegen die Germanen. 2.) Romische Sprache und Sitte verbreiteten sich rasch iiber die neue Provinz, aus den Celten und den romischen Colonisten bildete sich ein romanisches Volk. 3.) Časar erwarb durcli diesen Krieg, den er selbst beschrieb, ein tiichtiges Heer und viele Schatze und erstarkte dadurch zum Kampfe mit Pompejus. 174 Die Komer 53—50. H. Zerfall des Triumvirats, 53 bis 50. Da sowohl Časar als Pompejus nacli der Alleiiiherrschaft strebten, mussten sie miteinander in Kampf gerathen. Der Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen ihnen wurde beschleunigt: 1.) Durch die Annaherung des Pompejus an den Senat, der ihm, als es infolge der Umtriebe der Parteien in Rom neuerdings zu StraBenkampfen kam, gegen alles Herkommen zur Herstellung der Ordnung die Dictatur in Form eines Consulates ohne Collegen 52; 53. iibertrug (52); 2.) durch die Ermordung des Crassus (53) in einem 54. Kriege gegen die Parther und 3.) durch den Tod der Julia. 51. Seit dem Jahre 51 beschaftigte sich der Senat mit der Frage der Abberufung Casars aus GalJien. Pompejus drang darauf, dass 49. Časar vor Schluss des Jahres 49 das Commando niederlege. Der letztere erklarte sich damit durch einen bestochenen Tribunen unter der Voraussetzung einverstanden, dass auch Pompejus, der sich seine Statthalterschaft vom Senate neuerdings hatte verlangern lassen, auf seine aufierordentliche Stellung verzichte. Pompejus ver- weigerte dies aber trotz eines ihn dazu auffordernden Senats- beschlusses. Als sich nun das falsche Geriicht verbreitete, dass Časar im diesseitigen Gallien Truppen zusammenziehe, begann Pompejus eigenmachtig mit Kriegsrustungen, der Senat erklarte das Vaterland in Gefahr und rief die gesammte Burgerschaft unter die Waffen. Časar zogerte nun im Interesse seiner eigenen Sicherheit nicht langer; 49. an der Spitze einer einzigen Legion uberschritt er den Rubico (49), den nach der Sullanischen Staatsordnung kein Feldherr ohne Ge- nehmigung des Senates mit seinen Truppen iiberschreiten durfte. 49—45. I. Der zweite Biirgerkrieg, 49 bis 45. 49 u. 48. 1. Der Krieg bis zum Tode des Pompejus, 49 und 48. a) Krieg um den Besitz Italiens, Spaniens und der 49. Inseln (49). Časar drang mit grofier Schnelligkeit bis Picenum vor und verstarkte sein Heer theils durch Aushebungen im durchzogenen Gebiete, theils durch Heranziehung seiner gallischen Legionen. Auf die Nachricht von diesen Erfolgen hin verlieG Pompejus Rom und schiffte sich in Brundisiurn zur Uberfahrt nach Illyrien ein, was Časar vergebens zu verhindern suchte. Ohne ein ernstliches Gefecht liatte der letztere nach zwei Monaten eine Armee von zehn Legionen bei- sammen und war im Besitze von ganz Italien mit Rom, wo ihm auch die Staatscasse und alle Kriegsvorrathe in die Hande gefallen waren. Der z\veite Burgorkrieg. 175 Darauf zog er nach Spanien, um die Legaten des Pompejus zu bekampfen. Er schlug sie in der Schlacht bei Uerda am Segre, einem nordlichen Nebenflusse des Ebro, worauf sich ihm das jenseitige Spanien, wo er einst Proprator gewesen war, freiwillig anschloss. Sodami kebrte er nach Rom zuriick, vvahrend seine Unterfeldherren durch Besetzung der wichtigsten Getreideprovinzen Sardinien und Sicilien die Absiclit des Pompejus, Italien auszuhungern, vereitelten. b) Entscheidung in Macedonien (48). Časar fuhr nun nacb 48. lllvricn und suchte Pompejus in Dyrrhachium, das dieser zu seinem Hauptwaffenplatze gemacht batte, einzuschliefien, wurde aber von Pompejus geschlagen. Er zog hierauf nach Thessalien, wohin ihm Pompejus, von den siegesgewissen Senatoren gedrangt, zu seinem Verderben folgte. Hier wurde sein melir als doppelt so starkes Heer von Časar bei Pbarsalus (48) vollstandjg geschlagen. Infolge dessen 48. fielen Macedonien und Griechenland dem Sieger zu. Pompejus floh nach Agypten, wo er im Auftrage des jugendlichen Konigs ermordet wurde. Bald darauf erschien Časar vor Alexandrien. 2. Die Kampfe Casars in Afrika, Asien und Spanien, 48 bis 45. 48—45. a) Krieg in Agypten (48 und 47). Als Časar den Thronstreit 48 u. 47. zwischen Cleopatra und ihrem Bruder zu Gunsten der ersteren scblichtete, entstand in Alexandrien ein Aufstand, der ihn eine Zeit- lang in grobe Gefabr brachte. Er verschanzte sich in der koniglichen Burg und im benachbarten Theater und steckte die agyptische Flotte in Brand, wobei auch eine Bibliothek (S. 107) in Flammen aufgieng. Aus der Gefahr wurde er erst durch das Entsatzheer befreit, welches ihm Mithradates von Pergamum zufiihrte. bj Krieg gegen Pharnaces in Pontus (47). Nacbdem Časar 47. die Verhaltnisse in Agypten geordnet batte, zog er gegen den Sohn des Mithradates, Pharnaces, welcher von der ihm von Pompejus iiber- lassenen Idalbinsel Krim aus den Romern Pontus wieder entrissen hatte. Časar riickte in Pontus ein und schlug ihn nach fiinftagigem Feldzuge bei Žela. 1 Pharnaces'"kam auf der Flucht um. c) Krieg in Afrika (46). Nach der Schlacht bei Pharsalus fliicli- 46. teten sich die meisten Republikaner in die Provinz Afrika, da sie am Konige von Numidien einen Riickhalt hatten, dem sie jene Provinz als Lohn zusiclierten. Citsar zog auch dahin gegen sie zu Felde und schlug sie bei Thapsus vollstandig. Die Fuhrer der 1 Deslialb schrieb er einem Freunde: «Ich kam, sah, siegte». 176 Die ROmer. Optimatenpartei todteten sich selbst, die beiden Sohne des Pom- pejus entkamen nach Spanien. 45. d) Letzter Kampf in Spanien (45). Die Legaten Casars hatten das Land nicht beruhigen konnen, die Bevolkerung lud dalier die Pompejaner ein, nach Spanien zu kommen. So erfolgte die letzte Entscheidung in diesem Lande, und zwar bei Munda, sudlich von Cordova, in einer aufierst blutigen Schlacht, in der Časar nur mit der groBten Anstrengung den Sieg davontrug. Damit endete der Biirgerkrieg; Časar \var nun Alleinherrscher. 45 u. 44 . K. Časar als Alleinherrscher, 45 und 44. 1. Wiederherstellung der Ordnung. Ungleick Sulla begann Časar nicht mit einer Schreckensherrschaft, sondern verzieh vielen seiner Gegner, so auch dem Cicero, und erlieB (44) eine allgemeine Amnestie. Er suchte die hervorragenderen Manner aller Parteien an sich zu ziehen, um mit ihrer Hilfe den Staat auf Grund der neu errichteten Monarchie zu ordnen und zu verwalten. 2. Casars Stellung als Alleinherrscher. Seit dem Ausbruche des Biirgerkrieges wurden ihm allmahlich die liochsten Elirenstellen der Republik iibertragen. Er wurde wiederholt Consul, lebenslangliclier Censor, Dictator und Tribun. Durch Senats- und Volksbeschliisse ex - hielt er noch auBerordentliche Vorrechte, so: selbstandige Ent¬ scheidung iiber Krieg und Frieden, freie Verfugung iiber das Heer und die Finanzen, das Recht der Ernennung der Statthalter, die Leitung der Beamtenwahlen u. s. w.; iiberdies wurden ihm noch allerlei Ehren zutheil: er erhielt den Titel «Vater des Vaterlandes*, der Monat, in dem er geboren wurde, ward nach ihm »Julius* benannt u. dgl. Zum Ausdrucke der Alleinherrschaft nannte er sich standig Imperator und lieB Mtinzen mit seinem Bilde pragen. Seine Macht umfasste im wesentlichen die des alten Kdnigthums, doch lehnte er die Krone wiederholt ah, da sie beim Volke hochst unbeliebt war. 3. Casars Thaten als Alleinherrscher. Auch als Alleinherrscher suchte er das demokratische Programm des C. Gracchus durchzu- fiihren. Er strebte demnach a) sociale Hebung des romischen Volkes, b) Herabdriicknng des Senates zu einer berathenden Behorde, c) Aus- gleichung der Rechtsverschiedenheit der verschiedenen Staats- angehorigen an. a) Er suchte die Noth des Volkes moglichst zu mildern. Diesem Zwecke diente die Herabsetzung der Schulden, die Aulliihrung Časar als Alleinlierrscher. 177 von grofien Bauten, die Bestimmung, dass die groBen Viehziichter mindestens ein Drittel ihrer Hirten aus erwaclisenen Freien zu nehmen hatten, die Abschaffung der Verpachtung der directen Steuern in den Provinzen, die Verbesserung der Polizei sowie der Gericlitsbarkeit, die er zvvischen dem Senat und den Rittern tbeilte. Besonders wichtig aber wurde die Ansiedlung zahlreicher verarmter Burger in den Provinzen, namentlich in Gallia Narbo, Carthago, 1 Corinth. Das sittliche Leben der hoheren Stande suchte er durch strenge Strafen gegen Ehebruch und Wucher sowie durcli Gesetze gegen den ubermaBigen Luxus zu heben, welcher besonders in der Uppigkeit der Gelage und der Kostbarkeit der Gewander zum Ausdrucke kam. Die Kleidung der Romer bestand wie bei den Griechen aus hemdartigen Unterkleidern zum Anziehen und mantel- formigen Oberkleidern zum Umwerfen. Zur ersten Art gehorten die Tunica (der Chiton der Griechen, S. 52), zur zweiten die Toga (das Himation der Griechen). Die Farbe der gewohnlichen Mannertoga war weiB, die der Amtsbewerber kreideweifi (Toga candida, daher Candidaten). Tunica und Toga der Senatoren und hoheren Magistrate waren mit Purpurstreifen berandert. Bald wurde es aber Mode, ganz purpurne Gevvander aus Wolle oder Seide zu tragen, deren An- schaffung ungelieure Summen verschlang. b) Die letzte Entscheidung in allen Staatsangelegenheiten n uh m er fiir sich selbst in Anspruch und driickte dadurch den Senat wieder zu ein er berathenden Behorde herab (S. 122). Die ganze ausiibende Geivalt beliielt er in seiner Hand. Er verwaltete die Finanzen, bestellte die Provinzial-Stattlialter, die er streng be- aufsichtigte, entscliied wichtige Rechtsangelegenheiten nicht selten selbstandig, ordnete das verfallene Heerwesen, errichtete an den Grenzen des Reiches Stationen mit bestandigen Besatzungen u. dgl. c) Mit dem Grundsatze, dass Italien das herrschende Land und die Provinzen Unterthanengebiete seien, brach er vollstandig und strebte Gleichstellung der Provinzen mit Italien an. Deshalb nahm er auch Nicht-Italiker in den Senat auf. Časar schuf eine neue Reichsgoldmiinze (Aureus = 25 Denaren) und fiihrte nach Ordnung des zerriitteten Kalenders anstelle des friiheren Mond- jahres von 355 Tagen das agyptische Sonnenjahr ein. (Vgl. S. 8.) ' Diese Colonie war nach dem Sturze des C. Gracchus wieder eingegangen. Zeehe-Rebhann, Geschichte des Alterthums. 12 178 Die Romer. Ergebnis. Durch diese Mafiregeln strebte Časar eine Staats- verwaltung an, die unseren modernen Einrichtungen sich nahert; die ganze Kaiserzeit liatte zu thun, um auszufiihren, was er beab- sichtigt, und zu vollenden, was er angefangen hatte. Er ist that- sachlich der erste Kaiser. 1 44. 4. Casars Ermordung (44). Personliche und politische Beweg- griinde fiihrten zur Ermordung des Dictators. C. Cassius, dem Časar die gewimschte stadtische Pratur nicht gegeben hatte, wird als An- stifter der Versčhworung bezeichnet. Er gevann den edlen und be- liebten M. Junius Brutus, einen begeisterten Anhanger der Republik, fiir seinen Plan. Allmahlich erweiterte sich der Kreis der Yer- 44. schvorenen auf ungefahr 60; ilirein Hasse erlag Časar im Jahre 44 am 15. Marž; von 23 Dolchstichen durchbohrt, sank er im Senat an der Statue des Pompejus nieder. 44—31. IV. Die Zeiten des Antonius und Octavianus, 44 Ms 31. 44 u. 43. A. Die Wirren naeh der Ermordung Casars, 44 und 43. 1. Allgemeine Lage in Rom. Nach der Ermordung Casars, welche allgemeine Bestiirzung hervorrief, suchte dessen ergebenster Freund, der Consul M. Antonius, in den Besitz der hochsten Macht zu gelangen. Auf seinen Antrag bestatigte der Senat sammtliche Verfiigungen Casars und ertheilte auch den Mordern Amnestie. Nichtsdestoweniger entllammte Antonius die Erbitterung des Volkes gegen die Morder durch offentliche Verlesung des Testamentes Casars, der die Burger reichlich bedacht hatte, und durch die Leichenrede bei dem feierlichen Leichenbegangnisse des Ermordeten und zwang dadurch die Yerschworenen zur Flucht. Brutus und Cassius, die Haupter der Verschworenen, begahen sich in ihre ihnen vom Senate verliehenen Provinzen Macedonien und Syrien. 44 u. 43. 2. Mutinischer Krieg (44 und 43). Bald erwuchs aber dem Antonius ein gefahrlicher Gegner in dem erst 19jahrigen Octavian, dem Grofineffen und Universalerben Casars, 2 der trotz seiner Jugend eine seltene mannliche Umsicht und Entschlossenheit entwickelte. Er hrachte einen Theil der Truppen des Antonius auf seine Seite, worauf er durch Cicero mit dem Senat in Verbindung trat. Als Antonius vom Senate die Verleihung des diesseitigen Gallien 1 Die Worte «Kaiser» und «Czar» stammen vom Worte «Casar». 2 Er war ein Enkel einer Schwester Casars. Das zweite Triumvirat. 179 verlangte, wurde er abgewiesen, nnd als er sich nun mit Waffengewalt in den Besitz dieser Provinz setzen wollte, wurde ihm voin Senat auf Betreiben Ciceros, der in seinen beriihmten Philippischen Reden Antonius als den gefahrlichsten Feind der Republik bezeichnete, der Krieg er ki ari:. Diesen fiihrten im Auftrage des Senates die beiden Consuln und der Proprator Octavian. Die Entscheidung erfolgte bei Mutina: Antonius wurde geschlagen und begab sich ins jenseitige Gallien, mit dessen Statthalter M. Amilius Lepidus er schon seit einiger Zeit in Unterhandlungen stand. Da die beiden Consuln den Tod gefunden hatten, war Octavian der alleinige Anfiihrer des sieg- reichen Heeres. Als ihn nun der Senat beiseite zu schieben suchte, beschloss er, sich mit Antonius zu verstandigen. B. Das zweite Triumvirat, 43. 43 1. Griindung des zweiten Triumvirats (43). Nachdem sich Octavian das Consulat erzwungen hatte, ruckte er ins diesseitige Gallien ein und schloss mit Antonius und Lepidus bei Bononia zur gemeinsamen Beherrscliung des romischen Reiches das zweite Triumvirat. Die drei Manner theilten untereinander die Provinzen des Westens; der Osten, der sich in den Handen des Brutus und Cassius befand, solite in einem gemeinsamen Kriege gegen die Ver- scliworenen erobert vverden. Um die Gegner zu vernichten und die Mittel zum Kriegfiihren zu erlangen, wurden umfassende Pi-oscrip- tionen veranstaltet. Unter den Ermordeten befand sich auch Cicero, dessen Kopf Antonius mit dem Zehnfachen des ausgesetzten Preises bezahlte und auf der Rednerbiihne ausstellte. Die angemahte Gewalt liefien sich die Triumvirn vom Volke bestatigen. 2. Der philippensische Krieg (42). Brutus und Cassius hatten 42 in Macedonien und Syrien ein grofies Heer gesammelt. Im Herbste 42 zogen Octavian und Antonius gegen sie. Bei Philippi kam es innerhalb 20 Tagen zu zwei Schlachten, in denen die Republikaner erlagen; beide Fuhrer todteten sich selfest. Z)ie Sieger trenuten sich; Octavian gieng nach Italien zuriick, um an die Veteranen Landereien zu verschenken, Antonius vollendete die Unterwerfung des Ostens. 3. Auflosung des Triumvirats. Im Jahre 40 theilten die 40 Triumvirn das romische Reich so untereinander, dass Antonius den Osten, Octavian den Westen — eine Linie stidlich von Scodra (j. Scutari) in Illyrien bildete die Grenze — und Lepidus Afrika erhielt. Auch vermahlte sich damals Octavians Scliwester, die edle 12 * 180 Die Romer. Octavia, mit Antonius. Wahrend Antonius am Hofe der Cleopatra ein schwelgerisches Leben fiihrte, bekampfte Octavian den Sextus Pom- pejus, der von Sicilien aus, das ihm die Triumvirn nebst Sardinien, Corsica und dem Peloponnes iiberlassen hatten, das Mittelmeer unsicher machte; nach zweijahrigem Kampfe besiegte er ihn und beraubte ihn seiner Gebiete. Zugleicli zwang Octavian den Lepidus, der si eh mitPompejus inUnterhandlungen eingelassen hatte, auf Afrika zu ver- zichten und sich als Pontifex Maximus ins Privatleben zuriickzuziehen. C. Die Schlaeht bei Actium und die endgiltige Errichtung der Monarchie, 31. 1. Veranlassung. Als Antonius an Cleopatra und ihre Kinder die asiatischen Provinzen verschenkte und Octavia verstiefi, ver- anlasste Octavian den Senat, an Cleopatra den Krieg zu erkliiven. 2. Schlaeht bei Actium. Die Entscheidungsschlacht erfolgte bei Actium. Antonius war an Land- und Seemacht iiberlegen; auf Wunsch der Cleopatra entschied er sich ftir eine Seeschlacht. Octavians Flotte befehligte der grofite romische Admiral M. Vipsanius Agrippa, und so wurde die feindliche Flotte vollstaudig geschlagen. Als Cleopatra flob, verliefi Antonius den Kampfplatz nocli vor der Entscheidung; sein Landlieer ergab sich am siebenten Tage nach der Schlaeht, nachdem es vergebens auf die Wiederkehr seines Feld- herrn gewartet hatte. Octavian verfolgte die Fluchtigen nach Agypten, wo sich zuerst Antonius und dann auch Cleopatra selbst todtete. Agypten wurde ein Theil des romischen Reiches. Ergebnis. Octavian machte den lOOjahrigen inneren Kampfen ein Ende, gah dem Reiche den Frieden zuriick und errichtete end- giltig die Alleinherrschaft. V. Die romische Prosa-Literatur im letzten Jahrhuiulerte der Republik. Damals gelangte bei den Romern die Prosa zu classischer Voll- endung. Am wichtigsten waren ihre Leistungen in der Beredsamkeit, Geschichtschreibung und Philosophie. 1. Beredsamkeit. In der alteren Zeit war die Beredsamkeit bei den Romern eine natiirliche; der hervorragendste Redner dieser Art war C. Gracchus. Seit der Mitte des 2. Jahrhunderts eignete man sich. hei griechischen Rhetoren die nothige allgemeine Bildung an und liefi sich iiber Satzhau, Vortrag, Haltung, kurz alle Augustus. 181 rhetorischen Kunstmittel unterricliten (S. 100). Die hervorragendsten Vertreter der schulmaBigcn Beredsamkeit in Rom waren Cicero und Časar. 2. Geschichtschreibung. Cornelius Nepos scbrieb Biographien beriihmter Feldherren und Staatsmanner, Sallust verdanken wir die Monograpliien ilber die Catilinarische Versclnvorung und den Krieg gegen Jugurtha, Časar die Beriolite iiber seine Thaten in Gallien und im Biirgerkriege. 3. Philosophie. Die Riimer liielten sicli auf diesem Gebiete scla- visch an die Leistungen der Griechen und beschaftigten sich fast nur mit der Ethik, die nach dem Verfalle der Religion den Gebildeten den Stiitzpunkt fiir ihr moralisches Verhalten bieten solite. Das grofite Verdienst um die Verbreitung der Philosophie erwarb sich Cicero, dessen von edler Humanitat durchwehte Schriften auch nocli auf die folgenden Geschlechter von machtiger Wirkung waren. IDritter Zeitraru-m.. Rom unter Kaisern, 30 v. bis 476 n. Chr. Er s ter Absclinitt. Die Zeit (les Principats (von Augustus bis auf Diocletian), 30 v. bis 284 n. Chr. Quellen. Die wichtigsten literarischen Quellen sind Tacitus (um 80) und Dio Cassius (3. Jahrhundert). Ihre Angaben tverden er- ganzt und vielfach auch berichtigt durch die von Tli. Mommsen herausgegebene Sammlung lateinischer In schriften. I. Von Augustus bis auf Vespasianus, 30 v. bis 69 u. Chr. Die Kaiser aus dem julisch -claudischen Hause; Galba, Otho und Vitellius. Begriindung und Fortbildung des Principats, Biiitezeit der romiscben Poesie und Kunst. 1. Časar Augustus, 30 v. bis 14 n. Chr. 1. Begriindung der neuen Verfassung. Im Jahre 27 legte Octavian die auBerordentliche Maclit, welche er nocli immer auf Grund des zweiten Triumvirats inne hatte, nieder und begriindete die neue Staatsordnung. Diese kanu nicht als Monarchie bezeichnet werden, da die staatsrechtlich geregelte Nachfolge felilte und Octavian die Factoren der republikanischen Verfassung nicht beseitigte. Riclitiger 30 v. bis 284 n. Chr. 30 v. bis 14 n. Chr. 27. 182 Die Romer. kanu man sie als Diarchie («Zweiherrschaft»), d. h. als Theilung der Staatsgewalt zwischen Augustus und dem Senate bezeichnen. Fiir seine neue Machtstellung gebrauchte Augustus gerne den Aus- druck Princeps («erster Burger*), so dass man die voii ihm be- griindete Verfassung, die sich etwa 300 Jahre hielt, auch als Principat bezeichnet. Einen eigentlichen Amtstitel fiilirt jedoch der neue Herrscber nicht; denn das Wort Imperator wird seit Augustus zum Vornamen der Kaiser anstelle des bisher gebrauchten Pranomens, und der Ausdruck Augustus bezeichnet eine religiose Weihe. Die Voraussetzung fiir die neue Staatsordnung bildete das grobe Friedens- bedurfnis der Volker nach dem lOOjahrigen Biirgerkriege. a) Stellung des Princeps. Die Stiitzen seiner Macht waren die proconsularische und die tribunicische Gewalt. Die erstere war zeitlich und raumlich nicht beschrankt und verlieh ihm den Ober- befelil iiber sammtliche Truppen, das Recht, alle Officiere zu er- nennen und alle Soldaten zu entlassen; sie bildete den eigentlichen Sch\verpunkt seiner Macht. In den nicht vollig beruhigten Landern und in den Grenz- provinzen wurden stehende Truppen unterhalten, deren Gesammt- zahl (unter Augustus etwa 300.000 Mann, zur Halfte Nichtbtirger) mit Rucksicht auf die Grobe des Reiches (iiber 5 1 / 2 Millionen km 2 ) sehr klein war. Dadurch war von vornherein eine Angriffspolitik ausgeschlossen. Auch in Italien gab es stehende Truppen, und zwar: a) die erst 9000, dann 10.000 Mann starken kaiserlichen Leibwachen (Pratorianer) unter dem Commando der zwei Gardeprafecten; b) die stadtische Polizeimannschaft — seit Tiberius — unter dem Com¬ mando des Prafecten von Rom; c) die 3000 Mann starke, militarisch organisierte Feuerwehr unter dem Wacheprafecten. Augustus rief auch eine standige Kriegsflotte ins Leben, deren Stationsplatze Misenum und Ravenna waren. Die tribunicische Gewalt bedeutete wegen der mit ihr verbun- denen Unverletzlichkeit, des groben Einflusses auf die Gesetzgebung und des fast schrankenlosen Vetorechtes die hochste biirgerliche Macht. Dazu kamen zahlreiche Einzelrechte, so: Beeinflussung der Beamtenwahlen, Uberwachung des Senates, Oberaufsicht iiber die Provinzen, Entscheidung iiber Krieg und Frieden; der Kaiser erlieb auch rechtsgiltige Verfiigungen, ernannte die Geschwornen und galt als oberste Appellationsinstanz fiir alle Biirger. Augustus. 183 b) Stellung des Senates. Der Senat, in seiner Zusammensetzung Tom Kaiser abhiingig, wurde von diesem berufen; der Kaiser gab auch gew6hnlich zuerst die Stimme ab und beeinflusste dadurcb das Collegium. Die Mitregierung des Senates auCerte sich besonders auf dem Gebiete der Verwaltung. a) Provinzialverwaltung. Die Provinzen theilte Augustus in kaiserliche und senatorische. Die Statthalter der ersteren ernannte der Kaiser selbst, die der letzteren der Senat, doch kam dem Kaiser ein Beaufsichtigungsreclit auch iiber die senatorischen Provinzen zu. Augustus fiihrte in den meisten Provinzen Landtage ein, die aus den Abgeordneten der sich selbst verwaltenden Stadte gebildet wurden und das Recht hatten, W(insche und Beschwerden zur Kenntnis der Regierung zu bringen (Anfange einer Reprasentativ- Verfassung, einer constitutionellen Monarchie). Uberhaupt haben die besseren Kaiser der Verwaltung der Provinzen ibre besondere Auf- merksamkeit zugewendet, sie vor den Bedriickungen der nun be- soldeten Beamten geschiitzt und die weitere Ausgleicliung zwiscben Italien und den Provinzen durcb Verleihung von Btirgerrecbt, Griindung von Colonien etc. angebahnt. b) Finanzverwaltung. Anfangs schied das Principat scharf zwischen der Privatcasse des Herrschers (Fiscus) und der Staatscasse (Arar). Die Verwaltung der letzteren stand dem Senate zu, erst Nero scbeint die Verfiigung tiber sie fur sich beansprucbt zu haben. Die Kaiser bestritten den Sold der Truppen sowie die Kriegsausgaben und sorgten fur wichtige Zweige der hauptstadtischen Verwaltung. Ihre Haupteinkiinfte bestanden im Ertragnis ihrer Latifundien und im Tributum der kaiserlichen Provinzen. 2. Die Kriege unter Augustus. Diese hatten einen defensiven Charakter und bezweckten besonders die Gewinnung der Donau- und die Sicherung der Rheingrenze. Nachdem Augustus selbst in den Jahren 35 bis 33 die Besiegung der illyrischen Pannonier begonnen hatte und im Jahre 29 Bulgarien 29. und Serbien (Provinz Mosien ) untervvorfen worden waren, liefi er durcb seine Stiefsohne Drusus und Tiberius in den Jahren 15 und 14 15. u. H. die ratischen und die celtischen Volkerschaften der Alpenlander unterwerfen. Aus dem Gebiete dieser Volker vrarden die Provinzen Ratien mit Vindelicien, Noricum und Pannonien gebildet. Zur Sicherung Galliens fiihrten Drusus (12 bis 9) und Tiberius (8 v. 12-9. bis 6 n. Chir.) erfolgreiche Kampfe gegen die Germanen des nw. 8 v. bis 6 n. Chr. 184 I)ie Rom er. Deutschlauds. Schon schien es, dass dieses dauernd der romischen Herrschaft einverleibt werden solite, als der Sieg des Cherusker- fursten Armin uber den unfahigen Stattlialter P. Quinctilius Varus . Chr. im TeutoburgerWalde (9 n. Chr.) Augustus bestimmte, die Reichsgrenze an den Rhein zuriickzuverlegen. Die weitere Thatigkeit des Augustns betrifft die Religion, Lite¬ ratur, Kunst und die materielle Cultur. a) Religion. Infolge des regen Wecliselverkehres, inwelchenRom seit der Eroberung des hellenistischen Ostens mit dem Oriente trat, drangen im letzten Jalirliunderte der Republik orientalische Gott- heiten in den Kreis der griechisck-romischen ein, so dass allmahlich eine formliche Gottermischung eintrat. Namentlicli verbreitete sick die Verelirung der Isis und des Serapis (S. 106), von welchen die erstere als Scliutzgottheit bei Seereisen, der letztere als Ideilgott verehrt wurde, der Astarte (S. 17) und des Mithra (S. 30 und 106). Besonders wichtig wurde seit Augustus der Kaisercultus, d. h. die Verehrung des kaiserlichen Genius (S. 117). Jede Stadt hatte einen eigenen Flamen des Augustus, in allen Provinzen erlioben sich Altare des Augustus und der Roma, so dass dieser Cultus der eigentliclie Ausdruck der Reicbsreligion wurde. h) Literatur. 1.) Poesie. Von Augustus und dessen Freunde Macenas vielfach gefordert, erreicbte damals die Poesie (wie die Kunst) ihren Hohepunkt. Sie ist dem Inhalt und der Form nach yom Hellenismus abhangig, so dass sie besonders lyrische und episclie Werlce schuf und sich nach der metrischen und poetischen Technik der Griechen richtete. a) Lyrik. Der Lyrik gehoren die bedeutendsten poetischen Leistungen der Romer an. Die Elegie erreicbte ihre groBte Vollendung in den Werken des Ovid, Tibull und Properz. Der liervorragendste Odendichter ist Horaz. Er ist auch der bedeutendste Vertreter der Satire, worin er ohne Bitterkeit die Thorheiten seiner Zeit geiBelte. b) Ep o s. Das National-Epos der Romer war die Aneis Vergils, welcher sich in den Irrfahrten des Aneas die Odyssee und in den Kampfen um die Herrschaft uber Latium die Rias zum Muster nakm. Auch Ovid gehort durch seine Metamorphosen (. 202 Die Romer. dessen Tode der Romer Orestes, die Kaiser ein- und absetzten. 1 Kaum liatte der letztere seinen Sohn Romulus Augustulus zum Kaiser erlioben, so riefen die Soldtruppen, denen die begehrte Land- anweisung in Italien verweigert worden war, den Odoaker zu ihrem Fiihrer aus; dieser setzte den Romulus ab, nannte sich selbst «Konig der German en in Italien* und machte damit dem letzten Reste des Reiches ein Ende. V. Cultur. 1. Religion. Seit Valentinian I. war das Heidentlium, von Rom abgeselien, fast nur mehr aul dem Lande verbreitet; bald ver- stummten die Orakel und verfielen die Tempel. Durch den Sieg des Christentlmms wurden, namentlicb in den unteren Standen, die sitt- lichen Zustande gebessert, die Ehe wieder geheiligt, die Fechterspiele allmahlich beseitigt; dagegen bestand die Sclaverei, wenn aucli ge- mildert, nocli fort, und eine griindliche sittliche Erneuerung fuhrte erst der Bund des Christentlmms mit dem Germanenthume herbei. Anderseits wurde die Kirche durch den Anschluss an den Staat zum Theile verweltlicht, was manche eifrige Christen veranlasste, sich in die agyptische Wiiste zuriickzuziehen, wohin sich schon im 3. Jalir- hunderte bei Verfolgungen einzelne gefliichtet hatten. So entstand das Mdnchswesen. Um die Mitte des 4. Jahrhunderts vereinigte Pachomius die Einsiedler (Monche, Eremiten) zu klosterlich-gemein- samem Leben auf Grundlage der Geliibde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams gegen den Oberen. Ihre Lebensaufgabe erblickten diese Monche ausschliefilich in Gebet und Beschauung. Auf diesem Standpunkt ist das Monchswesen des Orients bis heute geblieben, wahrend es im Abendlande durch den heiligen Benedict ein wichtiger Culturfactor geworden ist. 2. Literatur. 1.) Das Heidenthum. Wahrend die Poesie durchaus verfallen ist, finden wir noch einige beachtenswerte Erscheiiiungen auf dem Gebiete der Geschivhtschreibung. Der bedeutendste damalige Geschichtschreiber war Ammianus Marcellinus, dessen Werk die wichtigste Quelle fiir den Beginn der Volkerwanderung ist. 2.) Das Christenthum. Die christliche Literatur zeigt im ganzen ein erfreulicheres Bild; die vorziiglicheren Werke gehoren aber auch 1 Die letzten Namenkaiser \varen: Avitus (455 und 456), Majorianus (456 bis 461), Severus (461 bis 465), Antliemius (467 bis 472), 01ybrius (472), Glycerius (473), Julius Nepos (f 480), Romulus Augustulus (475 und 476). Cultur. 203 hier der Prosa an. Hicronvmus (f 420), der die Bibel aus dem hebraischen Urtext ins Lateinische iibersetzte, machte das Lateinische zur Kirchensprache, wahrend es friiber das Griechisclie gewesen war. a) Apologetik (d. i. Vertheidigung des Christentbums gegen lieidnische Angriffe). Die bedeutendsten Apologeten sind Ambrosius, Bischof von Mailand und Zeitgenosse des Theodosius, und Augustin, Bischof von Hippo (f 430). b) Geschichtsclireibung. Der bedeutendste Geschichtschreiber ist Eusebius, der eine Kirchengeschicbte und eine Biographie Con- stantins, seines Zeitgenossen, in griechischer Sprache verfasste. 3. Kunst. 1.) Das Heidenthum. Es scliuf noch immer bedeutende Werke der Baukunst (S. 198 und 200), dagegen konnten sich die Plastik und Malerei von dem tiefen Verfalle seit dem Ausgange des 2. Jahrhunderts nicht mehr erholen. DieVorliebe fiir schwer zu bearbeitendes Material, z. B. Porphyr, und kostbare Stoffe (Mosaik) schadigten den innerenWert dieser Kunste; hiezu kam die Erscliopfung der antiken Welt aucli auf diesem Gebiete. So schmiickte man den zu Ehren Constantins errichteten Constantinsbogen mit Reliefs vom Trajansbogen. 2.) Das Christenthum. Es maclite in der Kunst von den Er- rungenschaften der heidnischen Zeit Gebrauch. a) Baukunst. Dem 4. Jahrhunderte gehort die Entstehung des christlichen Kirchenhaustiles an. Die altesten Kirchen werden Basi- liken genannt; als ihrVorbild dienten die den offentlichen Basiliken 1 ahnlichen Raume in den Palasten reicher Romer, in denen die Christen anfangs nicht selten zum Gottesdienste zusammenkamen. Der Grundriss der Basiliken, an welchem die Kirche im wesentliclien festgehalten hat, umfasst: 1.) die halbkreisformige Apsis mit Sitzen fiir den Bischof und die anderen Geistlichen; 2.) den Raum fiir die Aufstellung des Altars; 3.) das Langsschiff, durcli Saulenreihen in drei oder fiiuf Raume getheilt, fiir die Laien. Die Bache Dečke wurde aus Holz hergestellt, bisweilen war der offene Dachstuhl siclitbar. Die bekanntesten Basiliken sind St. Paul und St. Clemens in Rom. ■b) Plastik und Malerei. Die Plastik trat im Christenthume friih zu Gunsten der Malerei zuriick. Die Anfange der Malerei zeigen uns die Katakomhen von Rom, die in den ersten vier Jahrhunderten als Bcgrabnisstatten, nicht aber, wie man vielfach gemeint hat, als Ilallen, die dem offentlichen Verkelire dienten. 204 Die Romer. Versammlungsorte fiir die Abhaltung des Gottesdienstes dienten. Sie bestehen aus engen, hochstens 1 m breiten Gangen, zu deren beiden Seiten die Leicben in Nisclien, die man mit einer Platte verschloss, geborgen wurden. An einigen dieser Platten findet man Basreliefs und Fresken ohne kiinstlerischen Wert. Besonders haufig wird Christus als guter Hirte dargestellt, eines der schonsten Katakombenbilder zeigt ibn in der Gestalt des Orpbeus. Wenn bier nocb die Symbolik, z. B. der Fisch als Zeichen fiir Christus, tiberwiegt, so zeigen uns die Basiliken einen bedeutsamen Fortschritt. Sowobl die Seitenwande als namentlicb die Apsis wurden mit groben Mosaikbildern auf Goldgrund gescbmiickt, deren Inhalt der heiligen Geschichte entnommen ist, und deren Gestalten eine bobeitsvolle Rulie ausdriicken. 4. Materielle Cultur. Die materiellen Zustande waren infolge der traurigen politiscben und socialen Verhiiltnisse im allgemeinen trostlos. Die vielen Kriege und Tbronkampfe rafften einen groben Theil der Bevolkerung, die auch an Kraft und Scbonheit abgenommen hatte, hinweg; bald nacli dem Tode Constautins war der acbte Tbeil Campaniens verodet, Apulien entvolkert, in Etrurien griff die Malaria um sich, in Oberitalien gab es nacli dem Zeugnisse des beil. Am- brosius nur mehr «Leichen von Stadten*. Landvvirtschaft, Handel und Gewerbe sanken immer tiefer herab; dadurch und durcb die Abnabme der Bevolkerung wurde wieder die Finanz- und Wehrkraft des Reiches gescliwacht. Besonders kennzeichnend ist eine kasten- artige Abgeschlossenheit der Stiinde, indem auber den Decurionen 1 und Bauern (Colonen, S. 193) seit Constantin auch verschiedene Gewerbsleute, die unteren Beamten und Soldaten erblicb an ibren Stand gefesselt waren. Der Hauptgrund biefiir war ein finanzieller; die Decurionen kafteten namlicb fiir den Eingang der Steuern, die Mitglieder der Gewerbsgenossenschaften fiir die diesen auferlegten Geldleistungen, die Einrichtung des Colonats sicherte dem Staate die Grund- und Kopfsteuer, denn die letztere musste der Grob- grundbesitzer fiir seine Colonen entrichten; dagegen waren die Be¬ amten, Veteranen, Scbiffscapitane u. a. steuerfrei. Jeder lebte auf einen kleinen Raum besekrankt, der geistige Horizont wurde immer enger, 2 die Vaterlandsliebe borte auf, und die Germanen mussten 1 So hieCen die Mitglieder der stiidtischen Senate. 2 Noch im 4. Jahrliunderte gab es in Rom 29 offentliche Bibliotlieken, seit 450 wobl keine einzige mehr. Ende des Alterthums; Fortleben der Antike. 205 als Befreier ersclieinen, auch wenn sie sich einen Tlieil des Acker- landos abtreten liefien. So geht auch auf materiellem Gebiete die Lebenskraft des Altertlmms zu Ende. VI. Ende des Alterthums; Fortleben der Antike. Mit dem Zusammenbruclie des romischen Reiches und der damit zusammenhangenden Auflosung der antiken Welt vollzieht sich oines der wichtigsten Ereignisse der Weltgeschichte. Erklarungs- griinde hieftir sind besonders der Druck der Mili tar- und Beamten- herrscliaft, die militiirische Schwache des Reiches, die kastenartige Gebundenheit, die Abnahme sowio der korperliche und sittliche Verfall der Bevolkerung. Christenthum und Germanenthum wurden die Trager der ferneren geschichtlichen Entwickelung. Was das Alterthum auf den verschiedenen Gebieten reiner Geistesthatigkeit geleistet, gieng jedoch nicht verloren. Unser ge- sammtes Geistes- und Culturleben hat in ihm seine Wurzeln. Auš dem Oriente sind unsere Religionsbegriffe geflossen, Grieclienland, das schon alle dichterischen Gattungen und fast alle Wissenschaften gepllegt, welche noch heute die Gelehrten beschaftigen, hat namentlich fiir Kunst und Schonheitssinn ewig giltige Vorbilder und Gesetze aufgestellt, und Rom hat die Rechtsverhaltnisse der menschlichen Gesellschaft im Staats-, Gemeinde- und Privatleben mit einer solchen Verstandesscharfe festgesetzt, dass die iiberwaltigende Macht der romischen Rechtsbestimmungen noch gegenwiirtig in allen Cultur- staaten bemerkbar ist. Probe der Hieroglyphen. Uberschrift des sogenannten Todtenbuches nach dem Turiner Exemplare. ha I I I u em ro. u en per em haru s. tes 'kil. i ? em nuter-cher t’et-tu haru n © se-chu. 5 keras ^ žrtJL j _i ak emcliet per an usiri Die Ubersetzung lautet: »Anfang von den Capiteln liber das Herausgehen am Tage, liber die Erhebung der Verklarten in der Unterwelt. Sie werden gesprochen am Tage des Begrabnisses (fiir) das Eintreten nach dem Herausgehen des Osiris (d. h. des dem Osiris gleich gewordenen Verstorbenen)». Determinative, d. h. erkliirende Zusatze, welche nicht gelesen \vcrden, sind: 1. Schreitende Beine, auf Bewegung deutend; 2. Sonnenscheibe, allgemeines Zeit- determinativ; 3. Krahn mit 1 zur Erklarung des Begriffes «erheben»; 4. Determinativ zu «verklart»; 5. Pluralzeiehen; 6. Determinativ fiir «Land»; 7. Sarkophagdeckel und Mumienbinde determinieren «Sarg». Probe der Keilsehrift. Anfang der groBen dreisprachigen Behistuninschrift. Die ersten beiden Zeilen geben eine Probe der persischen Keilsehrift und Spraehe, die dritte Zeile gibt die susische, die vierte die babylonische Ubersetzung. m Ti -Tir v Ti m 5=r k-