mm IN UNIVERZITETNA KNJIŽNICA ipziger chaftliche Studien DS II 48 845 29 gegeben von der luristen-Fakiiltat Heft 29 — Die Erbenhaftung nach rbmischem Reeht Erster Teil Das Živil- und Amtsrecht Von Dr. Viktor Korošec Dozenten fiir rbmisches Recht an der Universitat Ljubljana Verlag von Theodor Weicher in Leipzig 1927 o 3 : Leipziger rechtswissenschaftliche Studien herausgegeben von der Leipziger Juristen-Fakultat — Heft 29 — Die Erbenhaftung nach romischem Recht Erster Teil Das Živil- und Amtsrecht Von Dr. Viktor Korošec Dozenten filr rSmiacbes Recht an der Universitat Ljubljana Verlag von Theodor Weiclier in Leipzig 1927 ki Vč Unveranderter fotomechanischer Nachdruck Zentralantiquariat der Deutschen Demokratischen Republik Leipzig 1970 Vorwort. Beim AbschluB der ersten Halfte meiner Arbeit drangt es mich allen jenen, die mich in meinen wissenschaftlichen Studien gefordert haben, meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen. Zunachst dem hohen kgl. jngoslavischen Unterrichtsministerium fiir die Ver- leihung eines Staatsstipendiums, das mir durch drei Semester den Studien- aufenthalt in Leipzig ermoglichte, sodann allen meinen verehrten Lehrern an den Universitaten von Ljubljana und Leipzig. Der Ra um laBt es nicht zu, hier jedem einzelnen von ihnen namentlich zu danken, so sehr ich dies wiinschte. Indessen mochte ich doch mit dem Ausdruck besonderen Dankes des Herrn Professor Krek in Ljubljana gedenken, dessen Pandektenubungen mich zu romisch-rechtlichen Studien anregten. der mir dann weiterhin den Weg zur akademischen Laufbahn geebnet, mich in jeder Weise gefordert und mir auch bei dieser Arbeit immer mit Rat und Tat beigestanden hat. Ferner danke ich herzlichst den Herren Professoren Siber in Leipzig, A. B. Schwarz in Ziirich fiir zahlreiche wichtige Ratschlage, dem Herrn Geheimrat Alfred Schultze in Leipzig fiir die iiberaus freundlichen Hinweise auf germanistische Parallelen. Mein innigster Dank gilt jedoch Herrn Professor Koschaker in Leipzig, unter dessen Augen ich die Arbeit begonnen und abgeschlossen habe. Was ich ihm ver danke, laBt sich in kurzen Satzen nicht sagen. Mit geradezu vaterlicher Giite stand mir Herr Professor Koschaker in jeder Hinsicht allzeit zur Seite; er stellte mir nicht nur seine reiche Privatbibliothek zur Verfugung, sondern besprach nahezu jeden Teil der Arbeit mit mir durch, sah die einzelnen Entwiirfe in aufopferungsvollster Weise durch und sicherte schlieBlich ihre Drucklegung. Mein warmster Dank gilt endlich der hohen Leipziger Juristen- fakultat, die mir die besondere Ehre zuteil werden lieB, die Arbeit in die von ihr herausgegebenen „ Leipziger rechtswissenschaftlichen Studien" aufzunehmen und die damit deren Drucklegung ermoglichte. Ljubljana, den 24. Juni 1927. Viktor Korošec. Inhaltsverzeichnis Seite § 1. DieErbenhaftungimrSmischenRecht. 1—11 I. Abgrenzung des Stoffes. 1 H. Die Quellen. 2 III. Die bisherige Lebre. 5 IV. Die einzelnen Perioden . 7 Erster Abschnitt. — Ius cirile. §2. DieherrschendeLehreinihrenHauptriehtungen. . 12—24 I. Allgemeines. 12 II. Vererbung der PersSnlichkeit. 12 III. Vererbung der patria potestas. 14 IV. Lenel. 21 V. Siber. 23 § 3. Der m a t e r i a 1 i s t i s c h e Charakter der zivilen hereditas 24—38 I. Allgemeines. 24 II. Bechtsgeschichtlichea. 25 III. Etymologie. 28 IV. Der vvirtsehaftliche und kulturelle Hintergrund. 29 § 4. Die passive Unvererblichkeit der Obligationen nacb iuacivile .38—64 I. Der streng pereonliche Charakter der rSmischen Obligation . . 38 II. Ertraglichkeit der Schuldenvererbliohkeit fur die Zivilrechtsperiode 46 III. Vermeintliche Quellenbedenken. 52 IV. Rechtsvergleichendee. 61 V. Die einzelnen Beweise fiir die Unvererblichkeit der Schulden . . 62 §5. „Sponsio“ und „stipulatio“ .65—72 I. Die Sponsion. 65 II. Die Stipulation. 66 § 6. Actio familiae ercisundae, capitis deminutio und das Manzipationstestament .72—79 I. Actio familiae erciscundae. 72 II. Capitis deminutio. 74 III. Manzipationstestament. 77 §7. Die aktive Unvere'rblichkeit .79—85 I. Grundsktzliches. 79 II. Actio furti. 80 III. Actio fiduciae. 82 IV. Adstipulatio. 84 VI Seite §8. DieLeiohnamshaftung. 85—94 I. Indirekte Zwangsmittel. 85 II. Die Leiclmamshaftung in der Rechtsvergleichung. 85 III. Die Leiclmamshaftung im romischen Recht. 89 §9. Hereditassacrorum .94—108 I. Die Bedeutung der Religion in der Antike. 94 II. Totenkult und „sacra“. 95 III. Die Pontifikaldekrete. 99 IV. Sacrahaftung und Schuldenvererbung. 107 Zvveiter Abschnitt. — Ius honorarium. §10. Die Unhaltbarkeit der živilrechtlichen Schulden- unvererblicbkeit in der amtsrechtlichen Periode 109—116 I. AUgemeines. 109 II. Wirtschaftliche Zustande. 110 III. Der EinfluB des griecbischen Recbt9. 112 IV. Zivilrechtliche Ansatze. 114 § 11. Amtsrechtlicbe Vererblicbkeit von Kontrakts- aktionen .116—127 I. Trager der Reform. 116 II. Die Wahrscheinlichkeit einer derartigen prktoriechen Reform . 117 III. Art und Weise der Durehfiihrung der amtsrechtlichen Reform . 124 IV. Der Zeitpunkt der Reform. 126 V. Die Beurteilung der Reform. 127 R i v. i t.= Rivista italiana per le scienze giuridiclie, Roma. Den Zitaten aus G a i. (institutionum commentarii quattuor) liegt die vierte Auflage von Seckel-KUbler, Leipzig 1921, zugrunde. § 1 . Dii Erbeiiliaftung im romischen Rechte. I. Abgrenzung des Stoffes. Der Tod des Menschen rollt auch in reclitlicher Hinsicht einen ganzen Komplex von Problemen anf, die jede Rechtsordnung in ihrer Art and Weise zn losen versucht. Als Recbtssubjekt war der Verstorbene an verschiedenen Rechtsverhaltnissen beteiligt; fiir diese gilt es nun zu bestimmen, welcbe von ibnen zugleich mit dem Tode des Tragers unter- geben, welche bingegen auf andere, von der Rechtsordnung zu bestimmende Rechtssubjekte iibertragen werden sollen, mag dies mit einer Anderung in Form, Fassung und Inhalt der betrefFenden Rechtsbeziehung verbunden sein oder nicht. Es liegt auf der Hand, daB bei der Aufstellung und Weiterbildung dieser Rechtsnormen die allgemeinen wirtschaftlichen, kulturellen und religiosen Anschauungen eine iiberaus wichtige Rolle spielen. Darum weisen auch die Rechtssysteme verschiedener Volker, besonders, wenn sie anderen Kulturkreisen angehoren, unter den Gebieten des Privatrechts gerade im Erbrecht die grofiten Verschiedenheiten auf. So zeigt uns die Rechtsvergleichung im Erbrecht bei den primitiven Volkern ein recht buntes Bild 1 ). Das Erbrecht der Nomaden ist wesentlich verschieden von dem eines Ackerbau treibenden Volkes. Aber auch bei einem und demselben Volke ist das Erbrecht in seinem Normeninhalte keineswegs etwas Stabiles, Unveranderliches. Anders gestaltet es sich im Zeitalter der Tauschvvirtsehaft, anders in den Perioden der Greld- und Kreditwirtschaft. Daher muB sich auch jede erbrechtliche Forschung, die nicht im voraus auf die Aufdeckung der letzten Zusammenhange verzichten will, dieser gerade dem Erbrecht so stark immanenten Abhangigkeit von den gesamten Kultur- und Wirtschaftszustanden dauernd bewuBt sein. Die vorliegende Arbeit soli einen Beitrag zur Erforschung der Frage liefern, inwieweit im romischen Recht der Erbe fiir die Schulden des l ) Post, GrundriB der ethnologischen Jurisprudenz, II. Band, Oldenburg-Leipzig 1895, S. 171 f£.; Derselbe, Afrikaniscbe Jurisprudenz, Oldenburg-Leipzig 1887, S. lff.; T h u r n w a 1 d s. v. Erbe und Koschaker s. v. Erbrecht im Eberts Reallesikon der Vorgeschichte, Band III, Berlin 1925, S. 109 ff. Leipziger rechtsw. Studien. Heft 29: Korošec. 1 2 Erblassers haftete. Um die Untersuchung nicht zu selir anwachsen zu lassen, wollen wir uns nur auf die beim Tode des Erblassers scbon bestebenden Schulden and Verbindlichkeiten beschranken; daher soli die in der letzten Zeit wiederholt behandelte * *) Frage nach dem Scbieksal der suspensiv bedingten Verbindlichkeiten in d en Rahmen unserer Erorterungen nicht einbezogen werden. Die gleichfalls engverwandte Frage nach dem Schicksal der Forderungen, die dem Erblasser zustanden, wird nur insoweit beriicksichtigt werden, als sich dies zur Klarlegung unseres Problems als unumganglich notwendig erweisen wird. Da das romische Recht im Gegcnsatz zum modernen als das Primare die „actio“ und nicht das „ius“ hinstellt, verwandelt sich die Frage nach der Haftung des romischen Erben in die Frage nach der Vererblichkeit bzw. dem Erloschen der einzelnen Aktionen. Dies war anch der klassische romische Standpunkt, der nur den Ubergang oder das Untergehen der betreffenden actio oder einer bestimmten G-ruppe derselben (poenales, populares) feststellt 2 ). Vor allem gilt es einen Uberblick tiber das uns vorliegende Quellen- material zu geben, wobei natiirlich die Details den weiteren Ausfuhrungen vorbehalten bleiben sollen. II. Die Quellen. Eine einheitliche Darstellung der Haftung des' romischen Erben finden wir weder bei einem Klassiker, noch gibt sie uns Justinian selbst. Unser Problem greift zu sehr sowohl in das Gebiet des Erbrechts, als auch in dasjenige des Obligationenrechts ein — somit der Rechtsgebiete, die im romischen Recht einen langen Entwicklungsgang durchgemacht haben — , als dafi seine Losung schon in klassischer Zeit so ausgereift ware, um eine einheitliche systematische Darstellung zu ermoglichen. Die Byzantiner fuhlten sich jedoch einer derartigen Aufgabe offenbar nicht gewachsen. Der einzige Versuch, die Frage systematisch zu behandeln, begegnet uns bei Gaius 4, 112—113: N on omnes autem actiones, quae in aliquem aut ipso iure conpetunt aut a praetore dantur, etiam in heredem aeque conpetunt aut dari solent. Est enim certissima iuris regula ex maleficiis poenales actiones in heredem nec conpetere nec dari solere, uelut furti, ui bonorum raptorum, iniuriarum, damni iniuriae, reli. i) F. E. V a s s a 11 i , L’ origine della trasmissibilita ereditaria dei crediti e debiti condizionali in Riv. Ital. 56. Band (1915), S. 195—211; Derselbe, „Dies vel condicio* im Buli. 27, S. 192 ff.; S. Riccobono, Formazione del domina della trasmissibilita ali’ erede dei rapporti sotto condizione (Studi Perozzi), Palermo 1925. *) Siebe die in A. 1 auf S. 3 und in A. 2 auf S. 4 angefiihrten Stellen. 3 113. Aliquando tamen etiam ex contractu actio neque heredi neque in heredem conpetit. Nam adstipulatoris bereš non babet actionem, sed et sponsoris et fidepromissoris bereš non tenetur. DaB diese Ausfubrungen wohl die beste klassiscbe systematische Leistung auf diesem Gebiete darstellen, erseben wir daraus, daB sie Justinian als Grundlage ftir seine systematisehe Bebandlnng der Frage (Inst. 4, 12,1) nabezu wortlich ubernahm: Non omnes autem actiones, quae in aliquem aut ipso iure competunt aut a praetore dantur, et in beredem aeque competunt aut dari solent. Est enim certissima iuris regula ex maleficiis poenales actiones in beredem non competere, veluti furti, vi bonorum raptorum, iniuriarum, damni iniuriae.Aliquando tamen etiam ex contractu actio contra heredem non competit, cum testator dolose versatus sit et ad heredem eius nibil ex eo dolo pervenerit. Poenales autem actiones, quas supra diximus, si ab ipsis principalibus personis fuerint contestatae, et beredibus dantur et contra heredes transeunt. Hier begegnen wir der strengen Unterscheidung zwischen den passiv grundsatzlich unvererblicben actiones ex maleficio und den grundsatzlicb vererblichen actiones ex contractu. Der Grundsatz der Unvererblichkeit von Ponalklagen auf Schuldnerseite wird iibrigens wiederholt aucb von anderen Klassikern 1 ) sowie von Gajus 2 * * * * ) selbst noch ausgesprocben, obne daB jedoch gleicbzeitig aucb fiir Kontraktsaktionen eine allgemeine Hegel aufgestellt wiirde. Den Grundsatz von der Vererblicbkeit der Scbulden des Erblassers findet sich meines Wissens zum ersten Male klar ausgesprocben bei Cicero (Pro Roscio Comoedo 18, 55), der hierbei die Erbenbaftung als etwas so sieher Feststebendes 8 ) erwahnt, daB er davon ausgebend die Haftung des Gesellschafters begriindet: Simillima enim et maxime gemina societas bereditatis est; quem ad modum socius in societate babet partem, sic bereš in bereditate babet *) Maecianus (9. fideic.) D. 35, 2, 32 pr.; Ulpianus (41. Sab.) D. 47, 1, 1 pr. Bei den einzelnen Aktionen wird die passive Unvererblichkeit mit dem Hinweis auf ihren piinalen Charakter begrundet: Ulp. (23. ed.) D. 9, 3, 5, 5 (quod liber periisse dicetur); eod. 5, 13 (ne quis in suggrunda); Ulp. (23. ed.) D. 11, 3, 13 pr. (de servo corrupto); Ulp. (18. ed.) D. 9, 2, 23, 8 (legis Aquiliae); Ulp. (36. ed.) D. 27, 3, 1, 23 (rationibus distrabendis); Ulp. (41. Sab.) D. 47, 1, 1 pr. (furti); Ulp. (38. ed.) D. 47, 7, 7, 6 (arborum furtim caesarum); Ulp. (56. ed.) D. 47, 8, 2, 27 (de hominibus armatis coactisve et vi bonorum raptorum); Ulp. (56. ed.) D. 47, 8, 4, 16 (de turba); Ulp. (62. ed., dazu L en el, Ed. 3. Aufl., S. 424, N. 11), D. 43, 4, 1, 8 (si quis dolo malo fecerit, quo minus quis in possessionem sit). 2 ) Gaius (2. ed. prov.) D. 50,-17, 111, 1. *) Emilio Costa, Cicerone giureconsulto, I, II diritto privato, Bologna 1911. S. 231: La regola invece, giusta la quale ciascun erede risponde delle passivita. ertditarie in proporzione della sua quota, . . . . e addotta fra le piu sicure ed inconcusse anche dal Nostro. 1 4 partem. Ut heres šibi soli, non coheredibus petit, sic socius šibi soli, non sociis petit; et quem ad modum utergue pro sua parte petit, sic pro sna parte dissolvit, heres ex ea parte, qua hereditatem adiit, socius ex ea, qua societatem coiit. Deutlich spricht hier Cicero aus, daB dem Erben entsprechend seiner Erbschaftsquote sowohl die aktive (petit) als auch die passive (dissolvit) KLagelegitimation zusteht. DaB Cicero damit nur kontraktliche, nicht auch deliktische Obligationen, insoweit es sich um passive Vererblichkeit handelt, im Auge hat, darauf weist, ganz abgesehen von dem auf nicht- ponale Obligationen hindeutenden „dissolvere“, auch die Ablehnung der passiven Vererblichkeit der poena hin, der er anderwarts x ) sehr entschieden Ausdruck gibt. Neben diesen allgemeinen Einstellungen hat aber das rbmische Recht auf dem Gebiete der Erbenhaftung Rechtsinstitute ausgebildet, welche in hohem MaBe auch die spatere Rechtsentwicklung zn beeinflussen vermochten. Die meisten von ihnen verdanken ihre Entstehung dem Album des Prators und sind dann zum Teil durch die klassische Jnrisprudenz weiter ausgebildet worden: die satisdatio suspecti heredis, die zweifache separatio bonorum (zugunsten des servus cum libertate heres institutus und der Glaubiger), das ius abstinendi und das spatium deliberandi. Justinian schloB endlich mit der Einfiihrung des beneficium inventarii (C 6, 30,22) im Jahre 531 die Entwicklung ab. Neben den Quellenstellen, die einen mehr oder weniger allgemeinen, ganze Aktionengruppen umfassenden Charakter tragen, begegnen wir bei den Klassikern einer stattlichen Anzahl von Bestimmungen, die die Vererblichkeit der einzelnen Aktionen regeln 2 ). Dieser kurze Uberblick mag geniigen, um uns die gewaltige Ent- wicklung ahnen zu lassen, die die Versuche unser Problem zu losen im romischen Recht durchgemacht haben. Man sieht, wie sich die verschie- densten rechtssetzenden Paktoren daran betatigt haben: die Pratur, die Juristen und endlich Justinian selber. Die Tatsache, daB erst der groBe Kodifikator mit seinem Inventarbenefiz die Entwicklung abgeschlossen hat, laBt uns begreifen, warum es zu einer sjstematisch-einheitlichen Bearbeitung dieser Frage im romischen Recht nie gekommen ist. *) Cicero, de natura deorum, S, 38, 90: Quem vos praeclare defenditis, cum dicitis eam vim deorum esse, ut, etiamsi quis morte poenas sceleris effugerit, eipetantur eae poenae a liberis, a nepotibus, a posteris. O miram aequitatem deorum! Ferretne civitas ulla latorem istius modi legis, ut condemnaretur filius aut nepos, si pater aut avus deliquisset? Vgl. Mitteis, RPR., I, S. 95 f., A. 7. «) Neben den in der Anmerkung 4 zitierten Beispielen seien hier noch einige weitere angefuhrt: Ulp. (1. ed.) D. 2, 3, 1, 4 (si quis in ius dicenti non obtemperaverit); TJlp. (4. ed.) D. 2, 13, 13 (de edendo); Ulp. (5. ed.) D. 2, 7, 5, 4 (ne quis eum, qui in ius vocabitur, vi eximat), u. a. 5 III. Die bisherige Lehre. In der romanistischen Rechtsvvissenschaft hat man m. E. bister zn wenig Wert darauf gelegt, in den die Erbenhaftung regelnden Normen verschiedene Schichten zn unterscheiden. Selbst die modernen interpolationistiscben Forscbnngen — so Anerkennenswertes sie aucb auf dem erbrechtlichen Gebiete geschaffen haben —, richten ihr Augenmerb nur auf die Sauberung des klassiscben Rechts von den byzantiniscben Zutaten, ohne den Auf ban des klassischen Rechts selbst zn untersuchen. Als herrscbende Lehre 1 ) kann man hente die Unterscheidnng zwiscben den grnndsatzlich vererblichen Kontrakts- nnd den grundsatzlich passiv unvererblichen Deliktsaktionen bezeiehnen. Die ponalen Aktionen gehen erst nach erfolgter Litiskontestation passiv auf die Erben fiber. Insofern *) Francke, Beitrage zur Erl&uterung einzelner Rechtsmaterien, GSttingen 1828, S. 1—43; Kierulff, Theorie des Gemeinen Civilrechtes, Altona 1839, I. Band, S. 218—227; Savigny, Syetem des heutigen rSmischen Rechtes, V. Band, Berlin 1841, §§210—212; Miihlenbruch-Glflck, Ausfuhrliche Erlauterungen der Pandeeten, 43. Teil, Erlangen 1870, S. 14 ff.; B e k k e r , Die Aktionen des rOmischen Privatrechts, I. Teil, Berlin 1871, S. 173 ff.; Wi n d s e h ei d - K i p p , Lehrbuch des Pandektenrechts, 9. Auflage, II. Band, § 359, S. 529 ff., ebenso dessen italienische Ubersetzung von F a d d a - Bensa, Torino 1925, II, S. 394ff.; Vangerovr, Lebrbucb der Pandekten, Marburg- Leipzig 1863, I, §145, Anm. II, S. 215 ff.; Arndts, Lehrbuch der Pandekten, 13. Aufl., Jena 1886, S. 964ff.; Baron, Pandekten, 9. Aufl., Leipzig 1896, S. 163 und S. 747ff.; Brinz, Lehrbuch der Pandekten, III. Band, 1. Abt., 2. Aufl., Erlangen 1886, S. 29 f. und 203 f.; Dernburg, Pandekten, 6. Aufl., Berlin 1900—1901, D. B., S. 355 und III. B., S. 331; Regelsberger, Pandekten, I, Leipzig 1893, S. 447; Puchta, Pandekten, 12. Aufl., Leipzig 1877, S. 1341; Ko ep p en, Lehrbuch des heutigen rOmischen Erbrechts, Wurzburg 1895, S. 207f.; Karlo wa, RSm. Rechtsgeschichte, II, Leipzig 1901, S. 9081; SalkowBki, Institutionen, Leipzig 1907, 9. Aufl., S. 96 und 527. — Von den Modernen: Mitteis, RPR., I, S. 97 ff.; D er s e lb e, tJber die Herkunft der Stipulation, in der Festschrift fiir Bekker, 1907, S. 133 f.; Sohm- Mitteis-Wenger, Institutionen, 17. Aufl., Munchen-Leipzig 1923, S. 553; Czyhlarz-San N i c o 1 6 , Institutionen, 18. Aufl., Wien-Leipzig 1924, S. 337; J 6 r s , ROmisches Recht: Gescbichte und System dea r6mischen Privatrechts, Berlin 1927, S. 217 und passim. G ir ar d, Manuel, 7. Aufl., Pariš 1924, S. 938 f.; Girard-Mayr, Geschichte und System des rOmischen Rechtes, Berlin 1908, S. 969 ff.; B e 11 i , in Rend. Ist. Lomb. 49 (1916), S. 230; Boniante, Istituzioni di diritto romano, 8. Aufl., Milano 1925, S. 136 und 526ff.; Costa, Storia del diritto romano privato, 2. Aufl., Torino 1925, S. 532, 534, 440f.; Serafini-Giammichele, Istituzioni di diritto romano, 9. Aufl., II. Band, Roma 1914, S. 38 und 283; Scialoja, Diritto ereditario romano, Roma 1914, S. 16; F a d d a , Concetti fondamentali del diritto ereditario romano, II. Teil, Napoli 1902, S. 326 f.; Buckland, A manual of roman private law, Cam¬ bridge 1925, S. 186 f., 192 f. und 368; Kr e 11 er, Erbrechtliche Untersuchungen auf Grund der graeco-0gyptischen Papyr«isurkunden, Leipzig-Berlin 1919, S. 28; Cornil, Droit romain, Bruselles 1921, S. 357; Jobbe-Duval, Les morts malfaisants, Pariš 1924, S. 247, A. 4; Levy-Bruhl, La fonction du trbs ancien testament romain, in NRH. 45 (1921), S. 665; Michon, La succession ab intestat d’aprea les XII Tables, in NRH. 45 (1921), S. 147. 6 in der grundsatzlichen TJnvererblichkeit der Deliktsaktionen durch die Haftung der Erben auf Bereicherung ein Korrektiv geschaffen wird, gelangt man zu wenig iibersichtlichen Ergebnissen, die die systematische Einheitlicbkeit dnrcbaus vermissen lassen’). Im Gegensatz znr herrschenden Lebre vertraten bisher E s m e i n l 2 ), C u q 3 ), Kniep 4 ), Saleilles 5 6 * ) und Kooiman 5 ) die Ansicht von der urspriinglicben Unvererblichkeit aller Scbnlden und Fordernngen, somit aller obligationenrechtlichen Aktionen; erst in spaterer Zeit seien die Kontraktsaktionen vererblich geworden. Obwobl es der letzteren Ansicbt bisber nicht gelungen ist sich durchznsetzen, so ist docb ibr Einfiufi anf die berrscbende Lehre unver- kennbar, indem — von nicht Geringeren als M i 11 e i s ’) und G i r a r d 8 ), l ) Man vgl. z. B. die Darstellungen von Windscheid, II, § 359, S. 581 ff., Anm. 10 ff., V a n g e r o w , 1. c., u. a. s ) Debiteurs prives de sepulture, in Melanges d’areheologie et d’histoire par 1 ’Ecole franfaise de Rome, V, 1885, S. 221 ff.; Courtes etudes: I. L’intransmissibilite premiere des creances et des dettes, in NRH. 11 (1887), S. 48 ff. ») Recberches historiques sur le testament per aes et libram, in NRH. 10 (1886), S. 542ff.: anders jedoch Manuel des institutions juridiques des Romains, Pariš 1917, S. 365: Les Romains ont admis assez vite la transmissibilite active et passive des creances; vgl. auch daselbst S. 821. *) Gai institutionum commentarius secundus, 1. Teil, Jena 1912, S. 166 f., 188 f. *)R. Saleilles, Le principe de la continuation de la personne du defunt par 1’heritier en droit romain (in Festschrift fiir O. Gierke, Weimar 1917, S. 1015 bis 1034), S. 1020: L’intransmissibilite initiale de 1’obligation tant aetive que passive, mais surtout passive, est aujourd’hui un fait aequis. Les creances furent les premiere« a faire breche a ce principe d’intransmissibilite, et ce ne fut guere que vers le V« siecle que les dettes passerent h la charge de l’heritier. — Vgl. auch S. 1032. 6 ) Fragmenta iuris Quiritum, Amsterdam 1914, S. 3ff., XXI, XXV, XXXVI, S. 161 ff. und pasBim. — Das Werk stand mir erst nach AbschluB meiner Arbeit zur Verfugung und ich freue mich, in vielen Punkten zu gleichen Ergebnissen gelangt zu sein. i) RPR., I, S. 97: An sich laBt sich aus dem Gedanken der Universalsukzession ... die unbeschr&nkte Haftung fur die Schulden deB Erblassers noch nicht mit Sicherheit ableiten. Wenn, wie vvahrscheinlich, der AuBgangspunkt aller Schuld auch bei den R8mern die Deliktshaftung ist, und wenn, wie wir gleichfalls annehmen diirfen, das Delikt schon seit sehr fruher Zeit.eine bloB pers6nliche, nicht- vererbliche Haftung erzeugt hat, so kann man vielleicht eine Entvvicklungsphase annehmen, in vvelcher bei dem Tode des Erblassers vererbliche Verpfliehtungen nicht gegeben sein konnten. Vgl. auch M i 11 e i s, Ober die Herkunft der Stipulation, in Festschrift fur Bekker, S. 133. 8 ) Manuel, 7. Aufl., S. 938: L’heritier est enBuite tenu des dettes. Cette charge, inconnue anciennement s’il y a eu une epoque ou les obligations etaient des liens attaches a la personne, ne se transmettant ni activement ni pasBivement,. wobei Girard fur die MOglichkeit dieser Annahme in der Anm. 7 Es m ein und C u q zitiert. Ebenso Girard-Mayr, S. 969 und Anm. 2. t Arangio-Ruiz 1 ) und De Francisci 2 ) — die Moglichkeit der urspriinglichen Unvererblichkeit aller, somit aucli der Kontraktsaktionen, grundsatzlich zugestanden, oder dock die fruhere allzu schroSe Zuriick- weisung einer derartigen Moglichkeit nunmehr wesentlich gemildert wird 3 ). Schon aus diesem Grande konnte man sich wohl fragen, ob in der erwahnten Ansicht doch nicht ein gesunder Kern steckt. Bevor wir uns in die kritische Beurteilung der herrschenden Lehre einlassen, ist es vor allem notwendig, die Methode unserer Behandlungs- weise darzulegen. IV. Die einzelnen Perioden. Es ist schon daranf hingewiesen worden, wie gerade fiir jede erbrechtliche Untersuchung die historisch-genetische Einstellung unent- behrlich ist. Im hochsten MaBe gilt dies fiir die Prage der Erbenhaftung, in der sich die Kreise des Obligationen- und des Erbrechts schneiden. Angesichts der f ortwa.hr enden Entwicklung und Vervollkommnung, die im romischen Recht gerade diese beiden Rechtsgebiete Vor allen anderen kennzeichnet, begreift man es leicht, daB sich um das Zustandekommen der Normen iiber die Erbenhaftung so viele rechtssetzende Paktoren: der Prator, die Juristen und endlich noch Justinian verdient gemacht haben. Denn die Entwicklung, sei es des Obligationen- sei es des Erbrechts, muBte notgedrungen immer wieder das Bediirfnis nach einer Erganzung und Revision der Erbenhaftung auf die Tagesordnung stellen. Die Romer, deren Starke in der Anwendung und nicht in der syste- matischen Zusammenfassung des Rechts lag, trugen den Erfordernissen *) Corso di istituzioni di diritto romano, I—II, Napoli 1921—1923: I, S. 179: Se questa trasmissibilita attiva e passiva, indubitabile non solo pel diritto elassico ma anche pel diritto vigente negli ultimi gecoli della repubblica, sia primordiale, o se, .sia stata preceduta da un periodo in eui debiti e crediti si estinguessero con la morte di una delle parti (o almeno con quella del debitore), e problema al quale non si pub dare, allo stato delle nostre conoscenze, una risposta certa. — Vgl. noch daBelbst A. 1 und II. S. 324. *) Studi sopra le azioni penali e la loro intrasmissibilita passiva, Milano 1912, S. 5, Antn. 2: Che uno stadio primitivo simile (namlich die Unvererblichkeit) si possa ammettere anche per le obbligazioni ,ex contractu" e ipotesi ch’ io ritengo accettabile. — Dagegen vollig im Sinne der Lehre Bonfantes neuestens in der Storia del diritto romano, I, Roma 1926, S. 327. 3 ) E. Costa, Storia del diritto romano privato, 1. Aufl., Torino 1911, S. 435: La morte d’uno dei soggetti estingue 1’obbligazione ex delicto, .... Ma non estingue invece giammai, neppure nel piu antico tempo, 1’obbligazione nata da negozi; vgl. dazu die 2. Auflage, Torino 1925, S. 440: La morte d’uno dei soggetti estingue Tobbligazione ex delicto,.S. 441: Invece la morte del debitore non da luogo di regola nelTeta storica ali’ estinzione deli’obbligazione nata da negozi; .... Si estinguono colla morte deli’ obbligato soltanto le obbligazioni dei garanti, che rispecchiano uno stadio arcaico, e risentono ancora deli' intima aderenza del rapporto obbligatorio alla persona stessa che 1’ ha assunto. 8 der Zeit Rechnung, ohne da£ sie es, wie wir oben ausfiihrten, zu einer einheitlich durcbgreifenden Regelung gebracht hatten. Aus diesem Grande kann aber aucb nur eine nacb den in Betracht kommenden Perioden gesonderte Untersachnng za einem befriedigenden Ergebnis fiihren. Dieses Vorgehen wird auch erst die Beantwortang der Prage ermoglichen, ob wahrend der ganzen tausendjahrigen Entwicklang, die das romische Recht von der Dezemviralgesetzgebung bis auf Jastinian darchgemacht hat, unser Problem eine einbeitliche Losung oder vielleicbt mebrere, zu ver- scbiedenen Zeiten verscbiedene Losungen gefanden bat. Vor allem gilt es nun die Perioden zu bestimmen, die unserer Forscbung zugrunde gelegt werden sollen. Aus dem Vorbergebenden ergibt sicb von selbst eine Dreiteilung: justinianiscbes, klassiscbes und vorklassisches Recbt. Fraglicb bleibt es dabei nur, ob das vorklassiscbe Recht bezuglich unseres Problems einen einbeitlicben Standpunkt einnahm, oder ob wir nicbt aucb hier zwei verscbiedene Recbtsscbicbten, von denen die eine auf' das ius civile zuriickgeht, wahrend die andere durcb das ius honorarium hinzugefiigt wurde, unterscbeiden konnen. Dabei miissen verscbiedene Erwagungen und Fragen berucksichtigt werden. Bringt uns die allgemeine wirtscbaftlicbe und kulturelle Ent- wicklung auf den Gedanken, daB der Erbenbaftung seitens des ius civile eine andere Losung als seitens des ius honorarium zuteil geworden ist? Sind wir ferner imstande, diese Perioden gegenseitig abzugrenzen? Haben sicb endlicb Rechtsiiberlieferungen aus der altesten Zeit erbalten, die hinreichen, um dar aus die damaligen Recbtsnormen mit einiger Sicberbeit erschlieBen zu lassen? Alle diese Fragen kann man vollauf bejaben. Als Grenze im oben erwahnten Sinne konnen wir etwa den Zeitraum zwischen dem zweiten und dem dritten Punischen Kriege bezeichnen. Den n gerade in diesen Jabrzehnten macbte Rom auf den verscbiedensten Gebieten gewaltige TJmwandlungen durcb 1 ). Die zablreicben mit Erfolg beendeten Kriege mit Karthago (201, 146 v. Chr.), Mazedonien (197, 167 v. Chr.), Syrien (189 v. Cbr.), Korinth (146 v. Cbr.) bracbten bis dabin ungeahnte Mengen von Gold und Silber in die Tiberstadt und warfen ganze Sklavenheere auf den Markt. Die Folgen zeigten sicb bald in den verscbiedensten Bereichen sowohl des offentlichen als auch des Privatlebens. *) Auch Riccobono, Fasi e fattori deli’ evoluzione del diritto romano, in Melanges Cornil, II, 246, versetzt in diese Zeit den Umschwung in der Rechts- entwicklung: Nella prima fase la formazione del diritto segue il ritmo dello sviluppo e della crescente potenza di Roma, onde ben presto, dopo le guerre puniche, il diritto ci si presenta molto complesso, costituito da vari ordinamenti giuridici, coesistenti e diversi per la sfera di applicazione e per la intrinseca struttura. — Bonfante, Lezioni di storia del commercio, I, Roma 1925, bezeichnet die Zeit von 754—146 v. Chr. als „evo agricolo“ (S. 98). — Ahnlich aetzt 6. Ferrero, GrCBe und Niedergang Roms, deutsche tlbers., II, S. 379 in die Zeit um 150 v. Chr. eine Wirtschaftskrisis. 9 Der Charakteristik wegen mag hier zunachst auf die groBen Ande- rungen, die schon das auBere Bild Roms erfukr, hingewiesen werden. In dieser Zeit (179 v. Chr.) wurde der pons Aemilius * * * 4 ), die erste Brucke mit steinernen Pfeilern erbaut und im Jakre 142 v. Chr. in eine solche ganz aus Stein umgebaut. Ahnlich wie man seinerzeit aus dem Beute- erlos nach der Schlacht bei Benevent 5 ) die zweite romische Wasserleitung, den Anio vetus, errichtet hatte (272 v. Chr.) 3 ), so kamen nunmehr in kurzer Zeit zwei weitere, die Aqua Marcia 4 ) (144 v. Chr.) und die Aqua Tepula 4 ) hinzu. Vom Cato Censorius wurde im Jahre 184 v. Chr. die erste Basilika erbaut, welcher in kurzer Zeit zwei weitere, die Fulvia (179 v. Chr.) und die Sempronia (170 v. Chr.), folgten 5 ). Im Jahre 143 v. Chr. fiihrte Q. Metellus Macedonicus die erste marmorne Saulenhalle in Rom auf 6 ). Alle diese auBeren Veranderungen und vor allem die Hast, mit der sie vorgenommen worden sind, lassen deutlich erkennen, welche groBen Umwandlungen damals in Rom vor sich gegangen sind. Die bisherige Bauernstadt am Tiber wollte und muBte nun als Beherrscherin des Mittelmeerbeckens eine ihrer neuen Stellung entsprechende auBere Gestalt annehmen. Noch tiefer greifend waren freilich die Umwandlungen, die sich im Innern vollzogen haben. Der Bauernstand, der bisherige Trager und Hauptpfeiler des Staates, war in seinen Grundlagen erschiittert worden. Die vielen Kriege rieben den Menschenbestand stark auf, durch das lange Kriegerleben wnrde mancher Arm dem Pfluge abwendig gemacht, bedeutende Strecken Italiens wurden durch den zweiten Punischen Krieg verwiistet, und selbst denjenigen, die der vaterlichen Scholle treu geblieben waren, wurde durch die billige Arbeitskraft der Sklaven, sowie durch die infolge der Getreideeinfuhren T ) immer mehr herabgedriickten Getreidepreise das Auskommen auBerordentlich erschwert. Der bisherige Klein- und Mittel- *) Otto Richter, Topographie von Rom, in Miillers Handbueh, dritter Band, dritte Abtl., zweite H&lfte, 2. Aufl., Munchen 1901, S. 51. ’) Mommien, Rbmische Geschichte, 11. Aufl., I, S. 449. s ) Richter, o. c., S. 316 f. 4 ) Richter, o. c., S. 317. 6 ) Richter, o. c., S. 50. o) Richter, o. c., S. 51 f., 57, 218. ’) Kromajer, Die wirtschaftliche Entwicklung Italiens im 2. und 1. Jahr- bundert v. Chr., in Ilbergs Neuen Jahrbuchern, Bd. 33, S. 157, A. 1, und F er r er o, GrbBe und Niedergang Roms, II, 379 ff., unterschatzen m. E. doch zu sehr diesen Umstand. Obwohl in Latium der Bauer das Getreide vorwiegend fur eigenen Bedarf produzierto, so wird er wohl einen Teil davou auch in die Stadt verkauft haben, um mit dem Erlose seine geringen Bedurfnisse, bezuglich deren er von anderen abhangig war, decken zu konnen. Durch die allzusehr herabgedruckten Getreidepreise trat auch fur ihn einmal, wenn auch infolge der Produktion vorwiegend fur Eigenbeaarf be- deutend ipater, das MiBverhaltnis zwischen den Produkten und der geleisteten Arbeit deutlich zutage, was wohl manchen zum Aufgeben des Landbaues bewogen haben wird. 10 besitz wurde von dem GroBgrundbesitz aufgesogen, welcher nunmehr die Sklavenwirtschaft durchfiihrte. Dort, wo friiber etwa 17 Familien romischer Bauern ihr Auskommen gefunden batten, wurden nun zwei Sklavenfamilien mit insgesamt 25 Sklaven zur Bewirtschaftung ange- siedelt 1 * ). Gleiehzeitig vollzog sicb in Rom der IJbergang aus der biskerigen geschlossenen Hauswirtschaft zur Geld- und Kreditwirtschaft. Auch diese Tatsache hatte eine starke Abwanderung zu anderen Berufen (Handel, Gewerbe) zur Folge, wodurcb die Reihen des Bauernstandes noch mehr gelichtet wurden. Geradezu klassisch spiegeln sich alle diese Umwandlungen im Leben Catos des Alteren (234—145) wider*), der in jungen Jabren nocb selbst mit den Sklaven zusammen auf dem Felde gearbeitet und dabeim mit ibnen an einem Tiscbe dasselbe Brot gegessen und denselbenWein getrunken hatte 3 ), wahrend in sijinem Alter alles dies ins Gegenteil umgeacblagen zu baben scbeint. Hatte er friiber niemals mit den Sklaven wegen der Hauskost ge zank 1 4 * j, so abndete er spater eifrig die bei der Zubereitung von Speisen begangenen Versehen mit Peitscbenbieben. Hatte er anfangs den Landbau aus Bediirfnis und mit groBem Eifer betrieben 6 ), so erblickte er spater darin nur noch Zeitvertreib 4 ), beteiligte sicb dagegen um so eifriger an Spekulationsunternehmungen. So zeigt sicb im Leben Catos des Alteren mar kant die gewaltige soziale Umschichtung, die sicb gerade zu seiner Zeit in Rom vollzog und die das bisherige bauerliche Rom mit vorberrschendem Mittelbesitz in das neue Rom iibergehen lieB, in welchem der geringen Zabl der steinreichen Nobilitat und Ritterscbaft die groBe Zahl des berd- und landlosen GroBstadtproletariats gegeniiberstand. Dieser bastige IJbergang Roms von der geschlossenen Familien- und Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft zog aucb auf dem Gebiete des Rechts groBe Umwandlungen nach sich. Das auf die bisherigen Wirtsehafts- verhaltnisse zugescbnittene ius civile mit seinem starren Legisaktionen- system 6 ) trug den Erfordernissen der Zeit nicbt mebr Recbnung. Unter dem EinfluB der wirtschaftlichen Veranderungen wurde seit dem Beginn *) Kromayer, o. c., S. 167. 3 ) Teuffel-Kroll-Skutsch, Geschichte der romischen Literatur, 6. Aufl., 1. Band, Leipzig 1916, S. 218. — Aus der Tatsache, daB Cato der Altere an der Grenze zweier Perioden steht, beantwortet sich auch die Frage, ob er in seinem Buche ,Do agri cultura liber* die geschlossene Familienwirtschaft, oder die Tausch- und Stadt- wirtschaft vor Augen hat; es sind eben SchSpfungen der Obergangsperiode. Vgl. anderer- seits dazu Gummerus, Der romische Gutsbetrieb als wirtschaftlicher Organismus nach den Werken des Cato, Varro und Columella, Leipzig 1906, S. 24. 3 ) Plutarch, Cato der Altere, c. 3. *) Plutarch, Cato, c. 21. s ) Plutarch, Cato, c. 25. «) (Jber den literarischen Ursprung des Terminus .legis actiones* m. E. richtig WeiB in Pauly-Wissowa, Real-Enzykl., s. v., 12. Band, 24. Halbband, S. 1838. 11 des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts die an sich bedeutend altere *) rechtscbaffende Tatigkeit des Prators viel intensiver. In diese Zeit fallt auch die lex Aebutia (zwischen 149 und 126 v. Chr.) * 2 ), die dem Formular- verfabren volksgesetzliche Geltung verlieh. Neben dem Erbrecht erfreute sich gerade das Obligationenrecht einer besonderen Forderung seitens des Prators. Es wurden neue Aktionen eingefiihrt (depositi, commodati, negotiornm gestorum, quod metns causa, vi bonorum raptornm, de dolo), die bestehenden (iniuriae, legis Aquiliae) weiter ausgestaltet und die Personalexekution zugunsten der Vermogens- vollstreckung immer mehr in den Hintergrund gedrangt. Der innere Ausbau der Obligation veranderte sich in mancher Hinsicht gegeniiber dem der Zivilrechtsperiode, wie dies neulich Riccobono 3 ) klargelegt hat und worauf wir noch zuriickkommen werden. Da die Erbenhaftung mit der Frage nach der Vererblichkeit der sich gegen den Erblasser richtenden obligationenrechtlichen Aktionen aufs engste verbunden ist, kann man der erwahnten groBen Verschiedenheit der Obligationenstruktur nach Živil- und nach Amtsrecht nur durch eine gesonderte Behandlung beider Perioden Reehnung tragen. Dies gestattet auch die Quelleniiberlieferung. Insbesondere kann man hierfiir auf die Biirgschaft verweisen, die in ihren alteren Formen als sponsio 4 ) und fidepromissio unvererblich, in der jiingsten als fideiussio 5 ) dagegen vererblich ist und dadurch schon die allgemeine Entwicklungslinie ahnen laBt. Sonach wollen wir im folgenden die Erbenhaftung gesondert nach vier Perioden: derjenigen des ius civile, des ius honorarium, des klassischen Rechts und endlich des justinianischen Rechts erortern, von denen der vorliegende Band sich mit den beiden ersten beschaftigt. Allerdings wird auch diese Einteilung nicht auf die Spitze getrieben vverden konnen, da die einzelnen Aktionen (actio depositi u. a.) des Zusammenhanges halber zweckmaBiger im klassischen Recht behandelt werden, obwohl es sich auch bei ihnen schon um pratorische Einwirkungen handelt. *) Vgl. Wlassak, Die klassisehe ProzeBf ormel, I. Teil, Wien-Leipzig 1924, S. 137, A. 27, S. 131, A. 18; Derselbe, Der Ursprung der romischen Einrede, Wien 1910, S. 5ff. ’) Girard, La loi Aebutia in Melanges de Droit Romain, I, Histoire des sources, Pariš 1912, S. 65—174; zustimmend Bonfante, Storia del diritto romano, 3. Aufl., I, Milano 1923, S. 438. ') Riccobono, La fusione del ius civile e del ius praetorium in nnico ordinamento, im Archiv fvir Rechts- und Wirtschaftsphilosophie, Band 16 (1922/23), S. 503—522, iiber die Obligation S. 510 ff.; zustimmend Partsch in SZ. 44, 561. Vgl. auch Melanges Cornil, II, S. 308, Nr.„ 35 und 36. ‘) Gai. 3, 120; 4, 113. ‘) Gai. 3, 120. Erster Abschnitt. Ius civile. § 2 . Die herrscliende Liehre in ihren Hanptrichtungen. I. Allgemeines. Die herrschende Lehre l ) halt auch fiir die alteste Periode der romischen Rechtsgeschichte an der passiven Vererblichkeit der Kontrakts- aktionen fest, ja man betrachtet die Frage nach dem Schicksal der Sebnlden als das Wesentliebe der Erbfolge 2 ). Allein schon in der weiteren Frage, woranf die Schuldenvererbnng letzten Endes zuriickzufiihren sei, gehen die Ansichten der Gelehrten weit auseinander. II. Vererbung der Personlichkeit. Eine grobe Anzahl von Romanisten, darunter M i 11 e i s 3 ), leiten die Schuldenvererbung aus der Auffassung der hereditas als Vererbung der Personlichkeit des Erblasaers auf den Erben her. „Nicht das Vermogen als solches, sondern die Personlichkeit wird ererbt” 4 ), B der Universal- sukzession des Erben liegt der Gedanke zngrunde, dab in den Nackkommen nach romischer Auffassung das Individuum fortlebt“ 6 ). Schon an und fiir sich ist es wenig wahrscheinlich, dab sich in der Zivilrechtsperiode der Homer, der auf allen anderen Kulturgebieten, in der Literatur, Kunst, Wissenschaft und Religion, einen auffallenden Mangel an Einbildungskraft und schopferischer Phantasie zeigte, gerade und nur auf dem Gebiete des Erbrechts zu solchen philosophischen Abstraktionen emporgeschwungen hatte 6 ). Die Richtigkeit unserer Er- *) Siehe die oben S. 5, A. 1 angefiihrte Literatur. >)E. Demisch, Die Schuldenerbfolge im attischen Recht, ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Universalsukzessiou, 1910, S. 2. •) RPR., I, S. 97 ff. und passim. *) Mitteis, RPR., I, S. 96. 8 ) M i 11 e i s, RPR., I, S. 106. °) Cuq, NRH. 10, 542: Cest la une idee abstraite qu’il suffit de signaliser pour qu’on .puisse affirmer auseit6t qu’elle a ete etrangfere k 1’ancient droit. 13 wagung wird durcb die Tatsache bestatigt, dafi man weder bei einem Klassiker nocb in der jnstinianischen Kompilation den Gedanken von der Identifizierung der Person des Erben mit derjenigen des Erblassers aus- gesprochen findet. Dieser Idee begegnet man hingegen erst in der 48. Novelle 1 ) nnd nocb bier in sebr bypotbetiscber Form. Dank den Forscbungen Holders 2 ) und Bonfantes 3 ) wissen wir, daB die Identifizierung des Erben mit dem Erblasser nocb von den Glossatoren als eine Fiktion aufgefaBt wurde; erst die Romanistih des neunzebnten Jahrbunderts ging mit einem bewundernswerten Eifer 4 5 ) daran, diese Fiktion weiter auszubauen. Wie weit die alten Romer von einer Anffassung der bereditas als Ererbung der erblasseriscben Personlicbkeit entfernt waren, zeigt deutlicb die Hereditasdefinition, die Cicero in den Topiča 6 * ) bringt — also in einer Scbrift, die von dem fiir die Gericbtsreden immer mebr oder weniger bestehenden Verdacbt einseitiger Darstellung frei ist. Er will ein Beispiel fiir eine Musterdefinition geben; darum lafit er sie Scbritt auf Scbritt vor dem Leser ersteben, bis er zum Ergebnis gelangt: Hereditas est pecunia, quae morte alicuius ad guempiam pervenit iure.nec ea ant legata testamento ant possessione retenta. Mit dem ausdriicklicben „confectum est“ bringt Cicero seine TJberzeugung zum Ausdruck, eine erscbopfende Definition der bereditas gegeben zu baben. Bei dieser liegt jedocb der Nacbdrnok deutlicb genug auf der materiellen, vermogensrecbtliehen Seite (pecunia) und eine Anffassung von der Ererbung der Personlicbkeit des Erblassers ist mit ihr nicbt vereinbar 6 ). i) Nov. 48 praef: xakoi yt toTg ^fiszegots Soxet vofioig ev jrg eivai ngogomov x6 tov xXt]Qov6/j.ov, xal to tov eig avtov TzaoajiEujzovTog tov x).žjqov, . . . bis auf das fehlende to vor tov xXt]qovo/tov vollig iibernommen im Scholion 'Asi tovtov zu Basilic. 41, 6 (Heimbach 4, 162). s ) H 6 1 d e r, Die Stellung des rbmischen Erben, in SZ. 16, 221 ff., beBondere 5. 221—227, 236 ff., 288. ! ) Bonfante, Scritti I, S. 158 ff.; zustimmend S. S o 1 a z z i, Rivista ital. 58 (1916), 277. *) Vgl. H S 1 d e r , SZ. 16, 228 ff.; Bonfante, Scritti I, 159 ff. 5 ) Topiča, 6, 29: Hereditas est pecunia. Commune adhuc; multa enim genera pecuniae. Adde quod sequitur: quae morte alicuius ad quempiam pervenit. Nondum est definitio; multis enim modis sine hereditate teneri pecuniae mortuorum possunt. Unum adde verbum: iure; iam a communitate res diiuncta videbitur, ut sit ezplicata definitio sic: Hereditas est pecunia, quae morte alicuius ad quempiam pervenit iure. Nondum est satis; adde: nec ea ant legata testamento aut possessione retenta; con- feetum est. *) Ebenso S i b e r, Geschichtliches und Kechtsvergleichendes nber die Haftung fiir NachlaBscbulden, S. 11: Die mystische Auffassung der Erbfolge als einer ,Nach- folge in die gesamte PersSnlichkeit des Erblassers 8 ist demnach — 14 Auch die vom Prator geschaffene Erbfolge sowie die dabei ge- wahrten Rechtsmittel sind auf die bona und nicbt auf' die Personlich- keit des Erblassers eingestellt (bonorum possessio , interdictum cpiorum bonornm). Parallel damit haben die interpolationistischen Forsebungen Longos 1 ), Bonfantes 2 ) und Albertarios 3 ) ergeben, daB die Bezeicbnnngen „successio in universum ius“, „successio in omne ius“, „universitas“ byzantiniscb sind. Gerade dies sind jedoch Ausdrucks- weisen, die die letzte Vorstufe des Gedankenganges bildeten, welcber zur Annahme der Identitat des Erben mit dem Erblasser fiibrte. Somit erweist sich die Mitteissche Theorie fiir die al teste Zeit als unrichtig; denn wenn die klassiscbe Lehre von der successio in locum, in ius demortni sich im justinianischen Recbt zn einer successio in „omne“ ins, in „ universum 14 ins, in „universitatem“ umgewandelt bat 2 ), so haben wir es mit einer Entwicklung zn tun, bei der es wohl erforderlich ist, zunachst zu untersucben, ob in diesem Punkte die Rechtsanschauungen der vorklassiscben Zeit die gleicben waren als die der klassischen Zeit. Diese Frage wird in den folgenden Paragraphen erortert werden. Vorber sollen jedoch nocb die wichtigsten von den anderen Begriindungen der Schuldenvererblichkeit ftir die alteste Zeit gepriift werden. III. Vererbung der patria potestas. Unter den italieniscben Romanisten erfrent sich vielfacber Zustimmung die von Scialoja nnd Bonfante 4 ) aufgestellte Lehre, die von der Notwendigkeit, die klassische von der vorklassischen hereditas zu nnter- scbeiden, ausgehend, das Wesen der vorklassiscben hereditas in der dem altesten riSmischen Recht ebenso fremd wie dem klassischen. — Herrn Professor Siber, der mir in liebenswiirdigster Weise noch vor dem Erscheinen die zitierte Ab- handlung zur Benutzung uberliefi, sei auch hier mein herzlichster Dank ausgesprochen. — Gleichfalls ablehnend R. Saleilles, Le principe de la continuation de la personne du defunt par 1’heritier en droit romain (in Festschrift fur O. Gierke), S. 1032 und passim, und S. Solazzi, Contro la rappresentanza del defunto, in Riv. ital. 58, 277. J ) Longe, L’origine della successione particolare nelle fonti di diritto romano, Buli. 14 (1902), S. 127 3. und S. 224 ff.; Buli. 15 (1903), S. 283 ff. *) Bonfante, La .successio in universum ius“ e r„univeraitas“, Scritti I, S. 250ff.; Istituzioni, 8. Aufl., S. 528. 3 ) Albertario, Actio de universitate e actio specialis in rem, Annali Perugia, 1919, vol. XXXI., S. IV, vol. I. *) Scialoja, Buli. 3 (1890), S. 176 f.; Diritto ereditario romano, Roma 1914, besonderB S. 7ff.; Bonfante, Buli. 1 (1888), S. 249 und Scritti I, besonders die Ab- handlungen: L’origine deli’.Hereditas' e dei .Legata' nel diritto successorio romano, S. 1013.; II concetto dommatico deli’eredita nel diritto romano e nel diritto moderno, S. 152 3.; Le critiche al concetto deli’ originaria eredita sovrana e la sua riprova. S. 188 3.; Teorie vecchie e nuove sull’ origine deli’eredita, S. 469 3'. 15 Vererbung der bausvaterlichen * **) ) s ) Gewalt, das Wesen der klassischen hereditas hingegen in der Vererbung des Vermogens erblickt. Die Schulden seien von Anfang an vererblicb gewesen 3 ) 4 ), denn der Hausvater habe sie als Reprasentant, als Organ der Familie, die einen politischen Organismus (organismo politico) 4 *) darstellte, eingegangen. Daher fallen auch dem Erben, der an die Stelle des Erblassers tritt, alle derartigen Verpflicbtungen zur Last. *) S c i a 1 o j a, Diritto ereditario romano, S. 11: Quindi la suocessione universale e, secondo la nostra opinione, sviluppata dal Bonfante . . ., la successione nel pošto di capo della lani igli a, organismo politico naturale: 1’ acquisto del patrimonio, con tutti gll elementi attivi e passivi, e conseguenza deli’ assunzione della direzione familiare. Cfr. auch S. 17: . . essendo in Roma la eredita una successione nella sovranita sul gruppo familiare, . . . s ) Bonfante, Scritti I, S. 102: L’hereditas e stata sempre nel diritto romano una trasmissione della familia: trasmissione della familia nel senso di patrimonio nell’ eta storica, trasmissione della familia nel senso di complesso di persone e di beni oggetto della potesta unitaria del capocasa nelle origini. — Scritti I, S. 115: Nella familia classica, alla morte del paterfamilias ciascuno de’ sui piu prossimi diventa un sovrano (sc. della famiglia), ,singuli singulas familias habent“: soltanto il paterfamilias pub costituire un solo tra i sui o un estraneo heres nel patrimonio. Ma nell’ eta primitiva, quando il gruppo agnatizio (o gentilizio) era ancora in piedi, successore nella sovranita non doveva essere altri che 1’heres. — Scritti I, S. 148 f.: . . . . il diritto successorio romano per la parte che concerne 1’,hereditas', ha mutato nella sua funzione sociale; di trapasso della sovranita familiare divento nel diritto storico il trapasso de’ beni a causa di morte; — Scritti I, S. 100: Teši: ,1’ hereditas deriva dalla successione originaria nella sovranita entro la famiglia romana' und Scritti I, passim. — Derselhe, Storia del diritto romano, 3. Aufl., I, S. 159: L’eredita romana primitiva non aveva lo scopo di trasmettere il patrimonio, bensi di trasmettere tutto il vario complesso di poteri che costituisce la sovranita sulla famiglia concepita come un organismo politico. — Der- s e 1 b e , Istituzioni, 8. Aufl., S. 524: l’erede era precisamente il successore nella potesta sovrana sul gruppo agnatizio o sulla gens e solo in conseguenza anche nei beni: ossia l’eredita originaria serviva a scopo di trapasso della sovranita anzichb di trapasso patrimoniale. s ) Scialoja, Diritto ereditario, S. 16: Noi pero possiamo fin da ora affermare con certezza che, per quanto lontano si spinga l’indagine, 1’erede e subentrato sempre ne’debiti del defunto; S. 45 ff., bes. S. 53: La spiegazione (der Schuldenvererbung) sta appunto in quel concetto della potesta del pater familias sul gruppo famigliare. Questi gruppi famigliari hanno bisogno d’un certo crediio ed b per soddisfare questo hisogno che essi, mettendosi a contatto con gli altri gruppi, assumono obbligazioni le quali si concentrano nel capo della famiglia, ma avendo riguardo alla vita economica della famiglia nel suo complesso, passano di capo in capo. *) Bonfante, Scritti I, S. 133: Pertanto il successore, poichb non avviene che derivi il diritto dal suo predecessore e lo converta in diritto suo, ma subentra nel pošto del suo predecessore, continua la carica o la missione pubblica, b naturale che sia pienamente obbligato alla pari del suo predecessore ali’ osservanza dei patti stretti da costui come rappresentante del corpo sociale. **) Bonfante, Scritti I, S. 43, vgl. S. 105, 106 und passim; Corso di diritto romano I, S. 5; Storia I, S. 70. 16 Die Bonfante-Scialojasche Theorie wurde zwar von der Mehrzahl 1 ) der italienischen Gelehrten angenommen, sie fand aber auch sowohl in der Heimat als aufierhalb derselben entscbiedene Gegner (S ib er 2 ), Arangio-Ruiz 3 ), Coli 4 ), P er oz z i 5 )). Im Rabmen der vorliegenden Abbandlung ist es unmoglich, zn dieser Lehre in allen ibren Einzelbeiten Stellnng zn nehmen. Da sie jedoch die Schulden- vererbung in ihrem Ausgangspnnkte (hereditas = trapasso della sovranita) verankert, mufi ihre Grundlage docb kurz iiberpruft werden. Vor allem soli das bobe Verdienst, welcbes die Untersucbungen von Scialoja und Bonfante fiir die Klarung der Scbuldenbaftung des Erben baben, voli anerkannt werden. Einerseits haben sie namlich die Notwendigkeit der Unt.erscbeidung zwiscben der klassiscben und der alteren hereditas scbarfsinnig berausgearbeitet *), andererseits den byzantiniscben Ursprung der Ausdriicke: successio in „universum ius“, in omne ius, „in universitatem a nacbgewiesen 7 ) und dadurcb fiir das Erbrecbt die Entwicklungslinie vom klassiscben bis zum byzantini- scben Recbt freigelegt. In der Grundauffassung der hereditas ver- mag icb jedoch den grofien Meistern der italienischen Romanistik nicbt zu folgen. Schon Contardo Ferrini 8 ), selbst ein iiberzeugter 9 ) Anhanger der behandelten Hypotbese, konnte sicb schwerwiegenden Bedenken, die sie in ibm wachgerufen batte, nicht verschliefien. Diese, sowie die von anderen erbobenen Einwendungen versucbten Scialoja 10 ) und Bonfante 11 ) zuriickzuweisen; es ist ihnen jedoch m. E. nicbt gelungen *) Siehe Bonfante, Scritti I, S. 156. >) Geschichtliches und Rechtsvergleichendes iiber die Haftung fiir NachlaB- schulden, S. 3. 3 ) Le. genti e la citta, Messina 1914, S. 17, und 58 ff., dazu Bonfante, Le critiche al eoncetto deli’ originaria eredita sovrana e la sua riprova, in Scritti 1, S. 188—249, bes. S. 232 ff. und passim. 4 ) Lo sviluppo delle varie forme di legato nel diritto romano, Roma 1920, S. 32—37. 5 ) Istituzioni II, S. 349 f. Dazu die Repliken Bonfantes in Scritti I, S. 208 ff., 221 ff., 478 ff. •) Bonfante, Scritti I, S. 102 und passim; Scialoja, Diritto ereditario romano, S. 50 f. ’) Cfr. A. 2 auf S. 14; Scialoja, Diritto ereditario romano, S. 84 ff., 95. s ) Manuale di Pandette, 3. Aufl., Milano 1908, S. 736 und A. 1. Dazu Bon¬ fante, Scritti I, S. 189 f. und passim. *) Die Belege bei Bonfante, Scritti I, S. 189 f., bes. A. 3 und S. 242, A. 2. 10 ) Diritto ereditario romano, S. 19 ff. tl ) Le critiche al concetto deli’ originaria eredita sovrana e la sua riprova, in Scritti I, S. 188 ff.; Teorie vecchie e nuove sull’ origine deli’ eredita, S. 469 ff. 17 sie zu entkraften. DaB es sich bei B o n f a n t e s Ausfiihrungen um eine Hypothese handelt, geben S c i a 1 o j a 1 ) und Bonfante 2 ) selbst zu. Eine groBe Schwierigkeit fiir ihre Beurteilung besteht darin, daB die ihr zugrunde gelegten Verhaltnisse etwas unklar in die „origini u , „eta primitiva 11 verlegt werden. Dieses Zeitalter wird dem klassischen oder dem gescbicbtlichen gegeniibergestellt 3 ). Obwobl sich derartige Perioden mit Jahreszahlen kaum abgrenzen lassen, vermiBt man doch sebr eine, wenn auch noch so hypothetiscb ausgesprochene Andeutung, in welche Periode, die zivilreehtliche, amtsrechtliche, oder etwa nur vor- historiscbe, man eine derartige Rechtsordnung verlegen soli. Um in dieser Auseinandersetzung moglichst verstandlich zu bleiben, mochte ich zur Richtigkeit der Hypothese nur fur die živil- und amtsrechtliche Periode Stellung nehmen. Die Vorgeschickte, somit die Zeit etwa vor 500 v. Chr. — denn die Zwolftafelgesetzgebung als Kodifizierung des geltenden Gewohnheitsrechtes wird das Recht bis zum genannten Zeit- punkte wiedergegeben haben — schlieBe ich von der Betrachtung aus- driicklich aus; fiir die vorhistorische Periode Roms laBt sich ja in unserer Frage ebensoviel teweisen als widerlegen. Fiir die živil- und amtsrechtliche Periode erscheint die Hypothese Bonfantes als unhaltbar. Soweit wir sehen konnen, stehen wir iiberall in der romischen Rechtsgesckichte vor der Tatsache, daB die Familie, unter der manus 4 ) des paterfamilias stehend, sich nach seinem Tode auflost. Ulpians Ausspruch (D 50,16, 195, § 2, 46° ed:) „patre familias mortuo singuli singulas familias habent" gilt anch fiir die Anfange der romischen Rechtsgeschichte 4 * *). Das Zwolftafelgesetz zeigt sich sogar der sachenrechtlichen Teilung des Nachlasses oder einer communio auBer- ordentlich zuvorkommend, indem es im Gegensatz zu seiner sonstigen Sparsamkeit mit Aktionen fiir jeden der beiden Falle eine entsprechende actio (familiae erciscundae und communi dividundo) gewahrt. Um so weniger glaubhaft ist es, daB die damalige Rechtsordnung sich der ein- facheren und zweifellos alteren personlichen Auflosung der Familien hemmend in den Weg gestellt hatte. Alle sni werden sni iuris, wahrend nach Bonfante s ) dies nur der vom Erblasser als heres Bezeichnete geworden ware. Erwagen wir nun kurz die einzelnen Moglichkeiten, die sich aus dieser Annahme ergeben: Unterstellen wir zu diesem Zwecke, daB nur Diritto ereditario romano, S. 35: Ma per quanto grave sia il valore degli argomenti portati dal Bonfante, essi non possono indurci a una completa persuaeione. s ) Z. B. Scritti I, S. 60, 232. und 403. a J Bonfante, Scritti I, S. 102, 115 und paBsim; S c i a 1 o j a, Diritto ereditario romano, S. 11 (nei tempi piu anticbi: nel diritto piu progredito). *) Zu diesem Ausdrucke ofr. M i 11 e i s , RPR., I, S. 75. 4a ) So auch Bonfante, Storia del diritto romano, 3. Aufl., I, S. 70. 5 ) Vgl. Scritti I, S. 231 ff. Leipsiger rechtew. Stadien. Heft 29: Korogoc. 2 18 einer von den Sohnen im Testamente als heres eingesetzt wnrde und fragen wir nach dem rechtlichen Schicksal seiner Geschwister. DaB e i n B rud er iiber seine Geschwister, iiber seine Mutter und infolge der Entwicklung in spateren Generationen auch iiber seine Onkel und Tanten, GroBonkel usw. die patria potestas ausgeiibt hatte, kann fiir das romische Recht kaum behauptet werden. Hatte es in Rom jemals eine solcke Ordnung gegeben, so wiirde man in der bistoriscben Zeit nicht eine Summe unabhangiger, kleiner, gegenseitig koordinierter x ), gleicbsam aut horizontaler Ebene liegender Familien als Aufbauzellen des Staates vor- finden, sondern wabrscbeinlicb hatte die gescbicbtliche Entwicklung zu einem irgendwie feudalen, vertikalen Gesellschaftsaufbau gefiihrt, der vielleicbt den Lehensverhaltnissen des Mittelalters nabe gekommen ware. Vor aUem ware dabei die Entstebung einer absoluten patria potestas unmoglich gewesen oder mindestens ibr Weiterbesteben sehr bald in Frage gestellt worden. Es leucbtet ein, dafi sicb die nunmebr der potestas unterworf'enen Briider, oder gar Onkel und GroBonkel von dem nur auf Grund der Testamentsbestimmung so viel gliicklicher gestellten „heres u auf lange Zeit nicht so bevormunden und beherrschen liefien wie seine Kinder. Findet man denn auch die leiseste Špur von einer solcben „briiderlichen" Gewalt vor ? Ist es auch nur denkbar, daB sie das ius vitae ac necis, das ius vendendi umfaBt hatte! Noch schwieriger wird die Frage im Falle mehrerer Testaments- erben. Wer ererbt hier die souverane hausvaterliche Gewalt? Die Moglichkeit einer Teilung, die dem Kollegialprinzip in der Magistratur entsprochen hatte, scheidet von vornberein aus; denn die patria potestas liegt immer in den Handen ein e s Einzelnen, sie ist unteilbar, und es gibt keine Macbt, die ihrer Ausiibung Schranken setzen konnte. Der Familienrat 2 ) bat wohl in Ausnahmefallen das Recht, gehort zu werden, aber auch nichts mebr; von einem Interzessionsrecht kann keine Rede sein. Noch mehr kompliziert sich die Lage bei der Intestaterbfolge, die wohl in dieser Zeit die Regel gebildet haben diirfte. Wie soli hier der Trager der Familiensouveranitat, der neue pater familias bestimmt werden ? MuB es ein einzelner sein, oder konnen alle Sohne oder vielleicbt nur einzelne von ihnen die unteilbare vaterliche Gevvalt erwerben, werden sich die Briider, Onkel, modern gesprochen die Sekundo-, Tertiogenituren, dies alles gefallen lassen, oder werden sie zumindest ein Mitbestimmungs- recht beansprucben ? Wer entscheidet endlich bei Streitigkeiten, da ja eine dermaBen weitreichende Macht in der altesten Zeit den Jurisdiktions- ■) Das mangelnde conubium zwischen den Patriziern und den Plebejern beeagt nichts dagegen; es weist wohl auf eine soziale Kluft zwischen den beiden Standen hin, ohne daB man jedoch daraus auf eine rechtliche tlber- und Unterordnung zu schlieBen berechtigt ware. s ) Vgl. Liebenam, s. v. consilium bei Pauly-\Vissowa, 7. Halbband, S. 915 f. 19 magistraten nicht zustand? Alle diese Scliwierigkeiten zeigen deutlick, dafi sich diese Hypotliese wenigstens fiir das Zivilreclit und uberhaupt fiir die historische Zeit nicht halten lafit. Der zweite wichtige Grund, der gegen die Hypothese spricht, ist die Stellung der Frauen. Dafi die Frauen beerbt wurden und dafi sie auch selbst Erben werden konnten, steht fiir die zivilrechtliche Periode ebenso fest wie die Tatsache, dafi sie eine patria potestas nie ausgeiibt haben. Die Analogie, welche Scialoja 1 * ) zwischen den Beziehungen des tutor mulieris und dessen Miindel und dem Verhaltnis zwischen dem Regenten und dem Herrscher aufstellt, besagt nur wenig, solange die Wesensverwandtschaft der beiden verglichenen Rechtsverhaltnisse nicht dargetan ist. Ebensowenig konnte m. E. Bonfante 8 ) fiir die geschicht- liche Zeit diesen Einwand entkraften. Spuren des souveranen Charakters der alten Erbschaft glaubt Bonfante 3 ) in der Schuldenvererbung, in den sacra und im Grab- rechte zu erblicken. Von den sacra wird noch spater ausfiihrlicher die Rede sein; hier sei nur darauf kingewiesen, dafi die sacra und das Grabrecht nach Sakralrecht geregelt wurden. Daher waren diese Normen fiir das Zivilrecht, auch wenn wir ihren Inhalt viel genauer kannten, als dies in der Tat der Fali ist 4 ), von geringster Betveiskraft. Dafi die Schuldenvererblichkeit, die eben in dem Souveranitats- und Familien- reprasentationsgedanken verankert sein solite, kein Beweis fiir die Richtigkeit der- behandelten Hypothese sein kann, soli unten dargelegt werden. Noch weniger sprechen dafiir andere Rechtsinstitute, auf die sich Bonfante 5 ) beruft, wie die Tutel, das Patronat und das Hospitium 6 * ). Fiir die beiden ersteren erkennt er selbst an, dafi sie im Zivilrecht von der hereditas vollig losgeltist erscheinen. Die Annahme, dafi die Vormundschaft vor dem Zwolftafelrecht mit der Erbschaft verkniipft gewesen sei, ware nur dann richtig, wenn Bonfante seine Hypothese durch andere Griinde stiitzen konnte 6 *). Im iibrigen scheitert m. E. seine Theorie an der zu weit gehenden Identifizierung der Normen des offentliehen mit denen des Privatrechts. ‘) Diritto ereditario romano, S. 20. 4 ) Scritti I, S. 227 S. *) Scritti I, S. 235 fi. 4 ) Cfr. das Urteil S c i a 1 o j a s iiber die Verschwommenheit in der Unterscheidung zwischen den sepulcra personalia, familiaria und hereditaria, im Diritto ereditario romano, S. 18, Anm. 2. ') Scritti I, S. 238 f. e ) Mommsen, Komische Forschungen, I. Band, Berlin 1864, S. 330f.; Mitteis, RPR., I, S. 94 und A. 3. Beim hospitium haben wir es mit einem nur ethisch, vielleicht noch sakralrechtlich, nicht aber zivilrechtlich geschutzten Verhaltnis zu tun (keine actio). Vgl. Mommsen, o. c., S. 354; Leonhard, s. v. in Pauly-Wissowa, 8. B., S. 2493ff. 6l ) Siehe Bonfante, Scritti I, S. 119, 238f. und Corso di diritto romano, I, S. 405f. 2 ’ 20 Die testamentarische Erbeseinsetzung soli der Designierung des neuen Magistrats durch den bisherigen entsprechen 1 ). DaB gerade die iibrigens sagenhafte Konigsperiode, die sicb infolge des monarchischen Cbarakters zur Analogie fiir den Ubergang der patria potestas am ehesten eignet, bierbei vollig versagt, gibt Scialoja selbst zu 2 ). In der romischen Republik muB jedocb der Designierung des Magistrates eine Bestatigung dnrch die Wahler folgen, wahrend wenigstens beim Intestaterben — um den Testamentserben mit Riicksicht auf das Komitialtestament nicht beranzuzieben — keine Mitwirknng anderer Personen in Frage kommt. Endlicb soli nocb auf einen Umstand hingewiesen werden, der an sich die besprochene Tbeorie, allerdings nicbt zu entkraften vermochte, der sie aber als Hypothese docb sebr erschiittern kann. Einerseits haben Longo 3 ) nnd Bonfante 4 ) durch ihre Forschnngen dargelegt, daB bei der Gegeniiberstellung der Universalsukzession zur Singularsukzession die Bezeichnungen B universum“ ius, n omne“ ius, successio in universitatem byzantinisch sind. R a b e 1 5 ) und De Francisci 6 ) haben anderseits nachgewiesen, daB auch die romische Eigentumsiibertragung nrspriinglich durchaus nicht derivativ, sondern originar, als Verzichtleistung durch Schweigen des bisherigen nnd Aneignungshandlung des neuen Eigentiimers, aufgefaBt wurde 7 ). Standen nun die Romer in der Zivilrechtsperiode dem derivativen Gedanken selbst im Sachenrecht so ablehnend gegenuber, so ist es hochst unwahrscheinlich, daB man bei der patria potestas einen tibergang (trapasso) fiir moglich gehalten hatte. Dies um so weniger, da es sich im Gegensatz zur sachenrechtlichen Ubertragung, die dem Erwerber eine dem Inhalt und Umfang nach gleiche Rechtsstellung sichern solite, beim tibergang der patria potestas nicht um den gleichen Umfang des iibertragenen Rechtes gehandelt hatte. Denn es fielen ja, wie dies oben dargelegt wurde, eine ganze Reihe von Personen: Geschwister, Mutter, die der patria potestas des Erblassers unterstanden, nicht in die potestas des Sohnes. Daher ist wohl nicht anzunehmen, daB die Romer in der historischen Zeit jemals im Erbgang eine Ererbung der patria potestas des Erblassers erblickt hatten. ‘) Scritti I, S. 113 ff. *) Diritto ereditario, S. 34. 3 ) Siehe oben A. 1 auf S. 14. *) Siehe oben A. 2 auf S. 14. *) Nachgeformte Reohtsgesehafte, in SZ. 27, 290 ff. •) Translatio dominii, Milano 1921 (mir bekannt nur aus Albertarios Rezension im Archivio giuridico 89, S. 119—121) und Trasferimento della proprieta, Padova 1924. 7 ) De Francisci, Trasferimento della proprieta, S. 21, 129ff., 161, 271 f. und passim; dagegen L e n e 1, SZ. 45, S. 30; dagegen wiederum Albertario, A proposito di ,Interpolationenjagd“ in Pubbl. della Universita Cattol. del Sacro Cuore, VD, 1, Milano 1925. 21 Diese Bedenken diirften die Hypothese Bonfante-Scialojas kaum geeignet erscheinen lassen, die zivilrecktlicke Schuldenhaftung der Erben zu begriinden. IV. L e n e 1. Gegenuber diesem stark spiritualistischen Cbarakter der alten Erb- scbaft betont Lenel 1 ) mit aller Entscblossenbeit ihren materialistischen Cbarakter. Mit Recht warnt er vor dem Ubertragen klassischer Rechts- ideen in die Zeit der Zwoiftafelgesetzgebung. Insbesondere erklart er die Unvereinbarkeit der naiv-sinnlichen Vorstellungen dieser Zeit mit dem die Abstraktion geradezu verkorpernden Aussprncb Papinians (6. quaest., D 5, 3, 50 pr.): Hereditas etiam sine nllo corpore iuris intellectum habet. Denn dem Romer des fiinften vorchristlichen Jahr- bunderts war die hereditas „kein bloBes Gedankending“, sondern „etwas korperlich greifbares“: Haus und Hof, Sklaven, Vieh 2 ). Lenel balt an der urspriinglichen Scbnldenvererblicbkeit still- schweigend fest. So wird er im Zusammenhang mit seiner Ansicbt, daB das damalige (Komitial-)Testament 3 ) ein reines Legatentestament war 4 ), zur Annahme einer bescbrankten Scbuldenbaftung gefiihrt. Denn anf Grand der obigen Hereditasanffassung erscbeint ihm die unbeschrankte Haftung fiir die ererbten Schulden fiir das Zwolftafelrecht als kaam wabrscheinlicb 5 ). Die einzige Ausnabme bildeten die sui 6 ), die immer nnbeschrankt bafteten, wahrend die Haftung aller anderen, des heres extraneus 7 ) und des Erbscbaftsersitzers 8 ) (usucapiens pro berede) nur eine beschrankte war. Vom Legatentestamente ausgehend laBt Lenel aucb den Vindikationslegatar 9 ) und den familiae emptor 10 ) be- schrankt haften. Die Haftung aller dieser Personen beschrankte sich auf die erworbenen Aktiva; wurden diese den Glaubigern iiberlassen, so war man von jeglicher Haftung frei u ). Sehr bezeichnend ist es, daB auch dem groBen Romanisten' die unbeschrankte Scbuldenbaftung fiir die alteste Zeit als nnwahrscbeinlich ‘) Znr Geschichte der heredis institutio; ein Vortrag auf dem internationalen historischen KongreB in London 1913, abgedruckt in den Eseaya in legal history . . . edited by Paul Vinogradofif, Oxford 1913, S. 120—142; Die Rechtsstellung des proiimue adgnatus und der gentiles im altrOmischen Erbrecht, in SZ. 37, S. 129—135. *) Esaays, S. 123. s ) E8says, S. 122. *) Essays, S. 125 und passim. 5 ) Essays, S. 132 und passim; SZ. 37, 133. 6 ) Essays, S. 132, SZ. 37, 133f. ’) SZ. 37, 132 f. s ) Essays, S. 133. *) Essays, S. 132. l0 ) Essays, S. 136. “) Essays, S. 133; SZ. 37, 133. 22 erschien. Lebhaft wird man es angesichts der scharfsinnigen und auBerst wertvollen Darstellung bedauern, d a 6 er dabei die Moglichkeit. daB die Schulden mit dem Tode des Schuldners erloschen konnten, gar nicbt erwog. Im iibrigen kann man seiner mehr zum Materialistischen hinneigenden Auffassung der altesten hereditas nur zustimmen. Ebenso mufi man ibm beipflicbten, wenn er die Unmogliehkeit der unbeschrankten Haftung fiir die alteste Periode darlegt, obne daB wir die Ansnabme beziiglieh des suus billigen mochten. Wenig bereebtigt erscheint dagegen seine Be- hauptnng, die Haftnng fiir die Schulden der Erblasser habe sich auf den Vindikationslegatar nnd den familiae emptor erstreckt. Der Hinweis, daB auch schon das altere Pontifikaldekret ‘) dem Legatar die Erhaltung und Fortfiibrnng der Familiensacra aufbiirdete, ist nicht sticbhaltig. Vor allem ist das altere Pontifikaldekret jiinger * 2 ) als die Zwolftafel- gesetzgebung, und es stellt die in ihm enthaltene Norm eben eine Neuerung dar. Ferner bandelt es sich hier um eine sakralrechtliche Norm, die, auf der Pontifikalautoritat beruhend (pontificum auctoritate, Cicero, de leg., 2, 19, 48) noch von Cicero als etwas von der lex wesentlich Ver- schiedenes empfunden wurde 3 ). Fiir diese Sacrahaftung gab es auch keine direkte Vollstreckung; nur durch sakrale Mittel versuchte das Pontifikalkollegium auf den Saumigen zu wirken. Alle diese we3entlichen inneren Verschiedenheiten lassen auch die Sacrahaftung wenig geeignet erscheinen, einen Beweis fiir eine analoge privatrechtliche Schulden- haftung der Legatare zu liefern. Sehr unwahrscheinlich diinkt uns endlieh das Bestehen einer beschrankten Haftung fiir die Schulden des Erblassers, wenigstens insoweit dabei die zivilrechtliche Periode in Betracht kommt. Das ius civile baute sich auf dem die Machtfiille des Rechts in sich verkorpernden pater familias auf. Im Vordergrunde stand die Person, hinter der das Vermogen vollig zuriicktrat. Rechtlich war es in dieser Zeit unmoglich, daB der Glaubiger auf alle oder einzelne Sachen 4 ) des Schuldners direkt greiie. Am deutlichsten trat dies in dem damaligen Vollstreckungsverfahren zutage, da3 dem Glaubiger den Zugriff nur auf die Person des Schuldners, keineswegs aber auf dessen Vermogen gewahrte. Solange die Person nicht geradezu zermiirbt worden war — getotet oder in die Sklaverei verkauft — gab es fiir den Glaubiger keine Moglichkeit, sich aus dem Cicero, de legibus, 2, 20, 49: tribus modis sacris adstringi, aut bereditate, aut si maiorem partem pecuniae capiat, aut, si maior pars pecuniae legata est, si inde quippiam ceperit. — Weiteres hieriiber bei der hereditas sacrorum. a ) Siehe unten S. 101. 3 ) Cicero, de leg., 2, 21, 52: Nam sacra cum pecunia pontificum auctori¬ tate nulla lege coniuncta sunt. *) Die vorwiegend Offentlich-rechtlichen Anwendungsfalle der pignoris capio konnen dabei auBer acht gelassen werden. 23 vorhandenen Vermogen des Schuldners ohne dessen Zustimmun und Mitwirkung Deckung oder Sicherheit za verschaffen. Wenn aber die Haftung nach ius civile eine persdnliche war, so war sie als solche immer unbeschrankt. Erst dem pratorischen Rechte entsprangen Rechtsinstitute, die eine auf bestimmte Vermogensgegenstande beschrankte Haftung mit direktem Zugriffsrecht des Glaubigers statuierten (missiones, separatio bonorum u. a.). Es handelte sich hier um ein Bestreben des Prators, das sicb andererseits in der Begiinstignng der Vermogensvollstreckung auf Kosten der Personalexekution zeigte. Derartige Vorstellungen waren dem Zivilrecht fremd und die bescbrankte Scbuldenhaftung kann daher fiir den Erbgang des ius civile niebt angenommen werden. Vor der richtigen Auffassung der zwolftafelrechtlichen bereditas ausgebend stand Lenel vor der Wabl: an der Scbuldenvererbung fest- zuhalten oder sie zu verneinen. Er schlug den ersten Weg ein und gelangte zu der beschrankten Schuldenbaftung — die sui heredes aus- genommen. Nach obigen Ausfiihrungen laBt sich dieses'Ergebnis niebt verteidigen und somit bleibt fiir uns als einziger Ausweg die Annahme iibrig, daB nach ius civile mit dem Tode des Scbuldners seine Scbulden erloscben. V. S i b e r. S ib er 1 ) leitet den Grund der altesten Erbenhaftung aus dem Familienrechte ber 2 ). In der Rechtsperiode, die nocb niebt zwischen Delikt und Vertragsbrucb unterschied, hatte jeder Hausangehorige „fiir die wahrend der Hausgemeinscbaft erwachsenden Scbulden des andern einzustehen“, „so gut wie sicb die Blutracbe gegen die Familienangehorigen des Taters ricbtet“. Fiir den Sobn gab es keine Moglichkeit, die Haftung fiir den Vater von sicb abzuwenden. Hierbei sebeint mir aber Siber die Bedeutung der Blutraohe doch zu iiberscbatzen. Dieses Recbtsinstitut wird von der Tatiussage 3 ) schon zu Romulus’ Zeiten als verwerflich dargestellt. Aber anch hier wird, ebenso wie in dem kanm nocb an die Blutracbe erinnernden Siindenbock, den der Urheber einer zufalligen oder fahrlassigen (invitus) Totung 4 ) zum Opfer den Gottern an die Agnaten des Getoteten iibergibt 5 ), die kollektive Blutrache nur auf der aktiven Seite erwabnt; von der kollektiven Blutracbe passiverseits haben sicb dagegen *) Geachichtliches und Rechtsvergleichendes iiber die Haftung fflr NachlaB- schulden, 1926 (zitiert naeh Sonderabdruck). s ) Siber, o. e., S. 13. 3 ) Mommsen, R6m. Geschicbte, 11. Aufl., I, S. 146 f., Anm. auf S. 147, S. 465; Brunnenmeister, Das Todtungsverbreoben im altromischen Recht, Leipzig 1887, S. 110 ff. ‘)Mitteis, RPR., I, S. 94 und daselbst Anm. 4; E. Brunnenmeister, Das TBdtungsverbrechen im altrOmischen Recht, S. 157 ff. 5 ) B r u n s, Fontes, I, S. 34, Tab. 8, 24a und Anm., Festus, 347. 24 iiberhaupt k eine Spuren erhalten. War also die Blatraclie scbon friib in der vorhistoriscben Zeit verscbwunden, als die Scbuldenvererbung kaum jemals praktisch werden konnte, so erscheint mir wenig wabr- scbeinlich, daB die in ihr verkorperte Idee von der engsten Familien- zusammengehorigkeit die Entstebung der Erbenbaftung wesentliob ge- fordert hatte. Die von S ib er angefubrten Beispiele der bescbrankten Haftnng geboren samtlicb dem Honorarrecbte an (bonornm venditio, separatio bonorum) nnd kommen als Beweis fiir die zivile Vererblicbkeit nicbt in Betracbt. Die auf das Familieneigentum binweisenden AuBerungen, denen wir bei G a i u s 1 ) nnd P a u 1 u s 3 ) begegnen , kommen aus zu junger Zeit, als daB sie zur Darlegung einer solcben zivilen Auffassung verwendet werden konnten 2 *). Wenn wir demnach im Gegensatz zn den oben genannten in der Literatur berrscbenden Ansicbten die ursprungliche Unvererblichkeit anch der Kontraktsobligationen fiir die richtige balten, so kann der Nacbweis fiir diese Auffassung nur durch eine systematische Behandlung der ganzen Frage erbracht werden. Diese in der Literatur bisber vorhandene Liicke soli die vorliegende Arbeit auszufiillen versucben. Vor allem ist es aber bierzn notwendig, sicb den ricbtigen Begriff von der zivilen „bereditas“ zu scbaffen. § 3 . Der materialistische Charakter der zivilen liereditas. I. Allgemeines. Mangels positiver Recbtsiiberlieferungen konnen wir das Wesen der zivilrecbtlicben bereditas nur durcb B,iickscbliisse aus anderen erbaltenen zivilen Recbtsnormen, ganz besonders aber aus den damaligen wirtscbaft- licben Zustanden bestimmen. Man darf dabei die Tatsacbe nicbt iiber- sehen, daB eine solche Untersucbung selbst fiir die Periode des ius civile lediglich tjpiscbe, nur relativ ricbtige Ergebnisse zutage fordern kann; denn es wird wobl niemand leugnen wollen, daB sicb parallel mit der Nvirtscbaftlichen Entwicklung der drei Jahrbunderte nach der ZwoMtafel- gesetzgebung aueb die zivile bereditas organiscb fortgebildet hat. Die Erbscbaftsmasse bildeten in dieser Periode nur die korperlicben Gegenstande, die bei Lebzeiten des Erblassers seine Vermogensmasse aus- gemacbt batten. Diese Auffassung, der wir scbon bei L e n e 1 3 ) begegnet waren, vertreten aucb Romanisten, die die urspriinglicbe Obligationen- *) Gai. 2, 157. ») Paul (2. Sab.) D. 28, 2, 11; cf. aueh Coli. 16, 3, 6 = Sent. 4, 8, 6. *») Ebenso Wenger in Miscellanea Ehrle, II, Rom 1924, S. 32. s ) Siehe im vorigen Paragraphen S. 21. 25 vererblichkeit ablehnen 1 ). Nun gilt es nacbzuweisen, da6 die zivile bereditas nur auf die sacbenrecbtlicben Aktionen des Erblassers sich beschrankte. woraus sich die Folgerung ergibt, daB die obligationen- rechtlicben Aktionen mit dem Tode des Erblassers erloschen. Die Richtig- keit der sachlich materialistischen Auffassung der hereditas soli vom rechtsgeschichtlichen, etymologischen und wirtschaftlich-kulturellen Stand- punkt aus dargetan werden. II. Rechtsgeschichtliches. Wie sebr noch den Romern der friihklassischen Zeit die Erbschaft mit der Gesamtheit der NachlaBsachen identisch erschienen ist, ersehen wir deutlich aus einem Ausspruch Seneeas. Er macht es den Juristen zum Vorwurf, daB sie zwischen der Ersitzung der Erbschaft und der- jenigen der Erbschaftssachen unterscheiden (De benef., 6, 5): Jurisconsultorum istae acutae ineptiae sunt, qui hereditatem negant usucapi posse, sed ea quae in hereditate sunt: tanquam quid aliud est hereditas quam res, quae in hereditate sunt. Zugunsten unserer Auffassung der hereditas konnen wir ferner auf den uralten Begrifi' des heredium 2 ) verweisen. Damit bezeichnete man von alters her das vererbliche Grundeigentum, urspriinglich die bina iugera, welche der Sage nach Romulus selbst den Romern zuteilte 3 ). Man darf wohl hieraus mit ziemlicher Sicherheit schlieBen, daB dieses praedium parvulum 4 ) den Ausgangspunkt der romischen hereditas ge- bildet habe. Auch die erhaltenen Uberreste des Zivilrechts lassen deutlich er- kennen, daB sie auf eine dingliche, die Obligationen nicht umfassende *) C u q, Recherches historiques sur le testament per aes et libram, NRH. 10, S. 635: le patrimoine ne comprenait que des clioaea corporelles.S. 542: I/heredite n’(Hait, dans le principe, que la colleetion des choses corporelles ayant appartenu a un chef de famille decede; elle ne comprenait ni creances ni dettes. — Eni ep, Gai institutionum comm. sec., I. Teil, Jena 1912, S. 166 f.: Von Haus aus wurde die hereditas betrachtet als ein Haufen kbrperlicher Sachen. Die Forderungen und Schulden werden einmal mit dem Tode, sei es des GlUubigers, sei es des Schuldners, erloschen sein, .ibidem, S. 188: Eine Erbschaft im alten Rom war nichts anderes als eine Mehrheit von kOrperlichen Sachen. Der Tod machte einen Strich iiber Forderungen wie Schulden. Vgl. auch A. Pernice, Marcus Antistius Labeo, I. Band, Halle 1873, S. 323 ff., S. 326: Bei den kOrperlichen Sachen also nahm das Erbtum seinen Ausgang. 2 ) Vgl. dazu auch: J. M. Nap, Heredium en hortus in de Twaalf Tafelen, in Tijdschrift voor rechtsgeschiedenis, I. (1918—19), S. 390—399; P6hlmann-0rtel, Geschichte der sozialen Frage und des Sozialismus in der antiken Welt, 3. Aufl., Mlinchen 1925, II, S. 336. s ) Varro, de re rustica, 1, 10, 1: Bina iugera, quod a Romulo primum divisa viritim, quae heredem sequerentur, heredium appellarunt. ‘) Festus, 99: heredium, praedium parvulum. 26 hereditas zagesclmitten sind. Die zwolftafelrechtliche Erbschaftsteilungs- klage (actio familiae erciscundae) beschrankte sich nur auf den sachlichen NaehlaB 1 ). Die usucapio pro herede konnte es nur auf die Ersitzung einzelner oder auch aller Sachen abgesehen haben; denn die Ersitzung einer Forderung kam nie in Frage. Das testamentum per aes et libram eignete sich wohl zur TJbertragung des sachlichen Nachlasses, die Manzi- pation konnte aber niemals die TJbertragung einer Obligation bewirken 2 ). Ausfiihrlicher werden diese drei Rechtsinstitute noch spater erortert werden. Auffallend ist ferner die Tatsache, daB das Zivilrecht fiir den Erb- schaftsantritt keine eigene Form kennt; denn die cretio — wann immer sie auch eingefuhrt worden sein mag — bezog sich nur auf die testa- mentarische Erbfolge. Angesichts der Tatsache, daB das ius civile sonst iiberall, im Legisaktionenverfahren, bei der Sachubereignung, beim Ab- schluB der Manusehe per confarreationem oder per coemptionem, bei der Testamentserrichtung usw. an der Einbaltung der solennen Formen auBerst streng festhielt, konnen wir uns die Unterlassung einer Form beim Erb- schaftserwerb nur aus dem materialistischen Charakter des Nachlasses erklaren 3 ). War dies der Fali, so erfolgte der Erbsehaftsantritt am einfachsten durch die korperliche Inbesitznahme der NachlaBgegenstande. Die wortliche Bedeutung des „adire“ steht auch im Einklang mit dem griechischen e/ufiazeveiv eig zrjv ovala p 4 ) und dem germanischen „zu dem Erbe gehen“ 5 ). Es bleibt ein dauerndes Verdienst L en el s, dieses Problem durch seine Forschungen klargelegt zu haben. Mangels Quelleniiberlieferungen lafit sich nicht mit Sicherheit be- haupten, ob dabei die Inbesitznahme jeder einzelnen Sache erforderlich war, oder ob nicht vielmehr der Erwerb des bedeutendsten Nachlafi- stiickes als symbolische Besitzergreifung aller iibrigen gedeutet wurde. Die Wahrscheinlichkeit spricht m. E. fiir die zweite Annahme. Derjenige, der sich berechtigtermaBen des h e r e d i n m , des Hauses samt dem Erb- ‘) Siehe unten S. 72 ff. Ahnlich war es auch im altesten englischen Recht bestellt; vgl. Holdsworth, A history of English law, 3. Aufl., vol. II, London 1923, S. 97: At a time when the law of contract was in its infancy, ali that was needed was a few simple rules touching the distribution of the deceased’s property. s ) Siehe unten S. 77 ff. s ) L en el, Zur Geschichte der heredis institutio, S. 123f. ; D er sel be, Die Keehtsstellung des proximus adgnatus, SZ. 37, 129 ff. *) Vgl. zu diesem Ausdruck: Beauchet, Histoire du droit prive de la republique Athžnienne, III, Pariš 1897, S. 594; L i p s i u s , Das attische Recht und Rechts- verfahren, II. B., 2. Halfte, Leipzig 1912, S. 577f., 667; Kreller, Erbrechtliche Untersuchungen auf Grund der graeco-agyptischen Papyrusurkunden, Leipzig-Berlin 1919, S. 98 ff. 5 ) Jacob Grimm, Deutsche Rechtsalterthfimer, I. B., 4. Aufl., Leipzig 1899, S. 659. 27 grundstiicke bemachtigte, wurde hiermit heres und schlofi die Moglichkeit einer usucapio hereditatis aus. Naturiick kam hierbei der Unterschied zwischen dem heres extraneus und dem heres domesticus deutlich zum Vorschein. Der erstere mufi te von aufien her ins Haus kommen, somit sein s adire“ wirklich vollziehen, wahrend der domesticus schon im Hanse safi ! ) und infolgedessen sofort Erbe wurde, was er gar nicht vereiteln konnte. Dagegen blieb es dem extraneus frei, das heredium nicht zu betreten und somit die Erbschaftsersitzung zu vereiteln. Danach erscheint uns die Universalsukzession als Erwerb der ganzen Erbschaftsmasse mit e in e m Schlage, namlich mit der Inbesitznahme des heredium, auch fiir die alteste Zeit durchaus haltbar *). Zugunsten der sachlichen Erbschaftsauffassung fiir die zivilrecht- liche Periode spricht auch die im alteren Pontifikaldekret 3 ) fiir den Nachlafierwerb angewandte Bezeichnung. Es ist das „c a p e r e“, eine naiv- sinnliche Aneignungsform, offenbar ungeeignet fiir den Obligationenervverb. Auch G a i u s erwahnt als Vorbedingung fiir die usucapio pro herede, dafi der Erbe den betreffenden Nachlafigegenstand noch nicht in Besitz genommen hat 4 ). Deutlich leuchtet noch hier der alte Zustand hindurch, wonach eben der Erbe, wenn er kein domesticus heres ist, von Nachlafisachen Besitz ergreifen mufi. Die Erbschaftsersitzung gehorte zu Gaius’ Zeiten schon zu den aufier tibung geratenen, in ihrem Wesen und ihrer einstigen Bedeutung selbst von den Juristen nicht mehr erfafiten Bechtsinstituten (tam inproba, Gai. 2, 55). Dieser Umstand macht uns dieses Bechtsinstitut um so wertvoller, als das geringe Verstandnis, dem es bei den Juristen begegnet, ein Zeichen dafiir ist, dafi es zivile andervvarts verschwundene Elemente in die klassische Zeit hiniibergerettet hat. War nun fiir die Erbschafts¬ ersitzung ein „possessionem nancisci“ erforderlich, so wird ein solches x ) Ebenso Len el, Zur Geschichte der beredis institutio, S. 123; SZ. 37, 129. a ) In diesem Sinne nahert sieh unser Standpunkt der M i 11 e i s schen Lebre, dafi die Idee der Universalsukzeasion bei den Romern eine ursprunglicbe ist (RPR., I, S. 93). Man kann Mitteis nur insoweit nicht beipflichten, als er das Wesen der rOmischen Universalsukzession nicbt blofi in die A r t des Erwerbes, sondern auch in den U m £ a n g als universellen verlegt (RPR., I, S. 97). Es l&Bt sicb wohl nur scbwer ein U m f a n g als universeller bezeichnen, wenn er durcb eine stattliche Reihe von „h8cbstpersonlichen“ Rechtsbeziebungen als Ausnahmen durcbbrochen wird (RPR., I, S. 106 ff.) und mit der Zeit infolge der Entwicklung dieser universelle Umfang sich iindert (vgl. RPR., I, S. 109). s ) Cicero, de leg., 2, 20, 49: ... . Tribus modis sacris adstringi, aut hereditate, aut si maiorem partem pecuniae capiat, aut, si maior pars pecuniae legata est, si inde quippiam ceperit. — DaB „aut hereditate* vvahrscheinlich ein viel spkterer Zusatz ist, daruber ausfiihrlicher unten bei der Behandlung der hereditas sacrorum. *) Gai. 2, 52: Rursus .... accidit, ut qui sciat alienam rem se possidere, usucapiat, uelut si rem hereditariam, cuius possessionem heres nondum nactus est, aliquis possederit; Vgl. dazu auch L en el, SZ. 37, 130 ff. 28 auch beim Erben stattgefunden haben. Dieser Vorgang ist aber nicbt anwendbar fiir den Erwerb von res incorporales. Auch aus einer weiteren, bis in die alteste Zeit hinaufreichenden Rechtseinricbtung konnen wir erschlieBen, daB man die Schulden nnd Eorderungen bei der Vermogensbestimmung nicbt beriicksichtigte. Es ist dies der Z e n s n s , iiber dessen hohes Alter ein berechtigter Zweifel kanm moglich ist. Anf Grund des Zensns wurde das Tributum be- stimmt. Hatten die Fordernngen nnd Schulden in der zivilrechtlichen Periode eine beachtenswerte Rolle gespielt, so hatte man sie sicher bei der Aufstellung von Zensuslisten beriicksichtigt. Wir wissen auch, daB man den Kreis der Zensusobjekte oft erweitert hat; gehorten dazu zu- nachst nur die res mancipi, italische Grundstiicke nnd deren Inventar, so wurde spater auch das bare Geld in Anschlag gebracht, nie aber Schulden und Fordernngen 1 ). Hatten in dieser Zeit die Obligationen bei der Erbfolge eine Beachtung gefunden, so hatte man sie aller Wahr- scheinlichkeit nach auch bei der Bestimmung des tributpflichtigen Ver- mogens beriicksichtigt. DaB eine solche Erweiterung des Vermogens, welches censui censendo war, in der amtsrechtlichen Periode nicht erfolgte, erklart sich daraus, daB seit dem Jahre 167 v. Chr. das Tributum nicht mehr erhoben wurde. HI. Etymologie. Ganz unerwahnt dur fen wir auch die Etymologie des Wortes heres nicht lassen. Nach W a 1 d e 2 ) setzt sich heres aus ghdro -f e - d (o) zusammen. Der erste Teil enthalt die Wurzel ghei-, welche „verlassen, leer sein“ bedeutet und die auch in den griechischen Wortern XVQ°S — beraubt, yrjjQOt = Witwe, %wqos, ywQ a = leerer, freier Raum, XW>S — Mangel uns begegnet. Nach Brugmann, Album Kern 29ff., und Indogermanische Forschungen, XV. 103, bedeutet ed-, welehes auch in edere (edi) essen steckt, urspriinglich ,,zu sich nehmen“ 3 ). Trotz W en ge r 3a ), Worter und Sachen I. 89f. und Zupitza, Wochenschrift fiir klassische Philologie 1909, S. 674 f., h alt Walde an der Verwandtschaft des Wortes „heres“ mit den griechischen x^°S nsw. fest; seinen Standpunkt begriindet er damit, daB das Wort „heres“ gewiB viel alter ist, als die Zeit, in welcher ‘) Mommeen-Marquardt, Handbuch der romifichen Altertumer, V, 2, 2. Aufl., Leipzig 1884, S. 166 ff.; Puchta, Institutionen, 10. Aufl., Leipzig 1893, II. B., § 193, S. 12; Huschke, Die Verfassung des KOnigs Servius Tullius, Heidel¬ berg 1838, S. 558 ff. s ) Walde, Lateiuisches etymologiscbes W8rterbuch, 2. Aufl., Heidelberg 1910, s. v. heres, S. 363. — Vgl. O. Schrader. Keallezikon der indogerm. Altertumskunde, StraBburg 1901, S. 184. 9 ) Vgl. W a 1 d e, 1. c., S. 250, s. v. „edO‘ und S. 363. ,a ) SpS,ter auch Wenger voilig in unserem Sinne in Miscellanea Ehrle, H, Rom 1924, S. 32 und A. 1. 29 der romiscbe Erbscbaftsbegriff mit dem „Verwaistsein“ niebts mehr zu tun hatte. Somit ergibt aucb die Etymologie fur die Erbschaft eine mit der oben entwickelten sicb deckende Bedeutung. Infolge des Todes verlor das bisher im pater familias sein einigendes Band besitzende Verrnbgen seinen Trager und fiel auseinander. Es ist nunmehr eine verlassen, ver- waist daliegende Menge von Sacben, die auf aditio des Erben warten. DaB natiirlick die aditio seitens des im Hause sitzenden bereš domesticus als gleicb beim Tode erfolgt zu betracbten ist, wabrend sicb diese beim bereš extraneus weit hinauszieben kann, andert niebts an der Richtigkeit obiger Ausfiibrungen. tiberdi.es diirfte urspriinglicb das Wort „heres“ primar den extraneus bezeichnet haben, wofiir aucb der Umstand spricbt, dafi das Wort bereš allein nirgends fur den suus bereš verwendet wird. Eine iiberrasebende Abnlicbkeit weist biermit die Etymologie des griecbiscben xb]Qovofj.og ') auf. Indem es sicb aus xlf.Qog == dem zugelosten Grundbesitz und ve/uo/.icu = teilen zusammensetzt, bezeicbnet es gleicb- falls den G-utserben. Abnlich wird in den Papyri nur der mit Grund- stiicken bedachte Erbe als xlrjqov6^ios bezeicbnet * 2 ). IV. Der wirtscbaftliche und kulturelle Hintergrund. Die Frage nach dem Cbarakter der zivilrecbtlichen bereditas laBt sich endlicb mit Sicberbeit nur aus der gesamten wirtsebaftlicben Lage und unter Bezugnahme auf die allgemeinen Kulturzustande der Zeit be- antworten. Darum wollen wir es versuchen, in kurzen Ziigen ein mog- licbst getreues Bild von Wirtscbafts- und Kulturverhaltnissen 3 ) unserer Periode zu entwerfen. Zur Zeit der ausscblieBlicben Geltung des ius civile war Rom ein ausgesprocbener Agrarstaat. Selbst die Stadtgrundung wird mit der l ) Bruck, Totenteil und Seelgerflt im griechischen Recht, Munchen 1926, S. 73; v. Woesa, Das romische Erbrecht und die Erbanwarter, S. 2691; Kreller, Erbrechtliche Untersuchungen auf Grund der graeco-agyptischen Papjrusurkunden, S. 58. ’) Bruck, o. c., S. 73, A. 3; Kreller, o. o., S. 58, 350; P. M. Mejrer, Jurist. Papyri, S. 56; A. B. S eh w ar z, Die offentliche und private Drkunde im rbmi- schen Agypten, 1920, S. 289, A. 3; SZ. 41, S. 344, 347 ff. a ) Literatur: Tennej Frank, An economic historv of Rome to the end of the republic, Baltimore 1920; M. Rostovtzeff, The social and economic history of the Roman empire, Oxford 1926; H. Blumner, Die romischen Privataltertiimer, 3. Aufl., Munchen 1911, in Miillers Handbuch IV. Band, 2. Abt., 2. Teil; Schiller- Voigt, Die rbmischen Staats-, Krjegs- und Privataltertiimer, 2. Aufl., Munchen 1893, in Miillers Handbuch IV. Band, 2. Abtl.; Friedl&nder-Wissowa, Sittengeschichte Roms von August bis zum Ausgang der Antonine, 9. Aufl., Leipzig, bes. Band I. und H. (1919—1920); Hai Weber-Hellmann-Palyi, Wirtschaftsgeschichte, 2. Aufl., Leipzig 1924; Bonfante, Lezioni di storia del commercio, parte prima, Roma 1925; Parvan, Die Nationalitat der Kaufleute im romischen Kaiserreich, Breslau 1909; Walter Otto, Kulturgeschichte des Altertums, ein tlberblick iiber neue Er- 30 Landwirtschaft aufs engste verkniipft, indem die Sage den Romulus mit dem Pfluge den Verlauf der Stadtmauern bestimmen laBt 1 ). Die Ge- schichte zeigt auch, wie die Tiberstadt bis ins dritte vorcbristliche Jabr- bundert ibrem bauerlieben Charakter treu blieb. Geradezu idylliscb lesen sicb beute die Scbildernngen, wie man im Jahre 458 v. Chr. dem L. Quinctius Cincinnatus 2 ) bei der Feldarbeit die Botscbaft von seiner Ernennung zum Diktator brachte; M. Cnrius Dentatus, den spateren dreifacben Triumpbator, traf die samnitische Gesandtschaft, wie er in seinem bescbeidenen Hanse seine Riiben selbst kocbte, dabei aber die Versucbe der Samniter, ihn mit Gold zu bestecben, energiscb und geist- reich zuruckwies 3 ). C. Atilius Regulus 4 ) und Cato der Altere 6 ), in seiner Jugend, sind weitere Zeugen von der engen Verbindung des romiscben Staatsmannes dieser Zeit mit dem Feldbau. Die romischen Senatoren, bervorragende Trager einer weisen Staatstradition und einer weitblickenden Politik, waren in unserer Periode nocb selbsttatige Bauern, die zu den Senatssitznngen dnrcb die sogenannten „viatores“ erst vom Lande hergebolt werden mufi ten. Der starke Hang der alten Romer zur Landwirtscbaft findet in den geograpbischen Verbaltnissen seine Erklarung. Das erzarme 6 ) Italien scheinungen, Munchen 1925; Kromayer, Die wirtschaftliche Entwicklung Italiens im II. und I. Jahrhundert vor Chr., in Ilbergs Jahrbiichern (1914), 33. Band, S. 145—169; Kromajer, Staat und Geijellschaft der Romer, in Kultur und Gegenwart, Teil II, Abt. IV, 1, Leipzig-Berlin 1923, 2. Aufl.; Paul Giraud, Etudes economiques sur l’antiquite, Pariš 1905; R. Heinz e, Von den Ursachen der GroBe Roma, Rektoratsrede 1921, 2. Abdruck, Leipzig-Berlin 1925 Gummerus, Der romisehe Gutsbetrieb als wirtschaftlioher Organismus nach den Werken des Cato, Varro und Columella, Leipzig 1906; Pohlmann-Ortel, Gesoh. der sozialen Frage und des Sozialismus in der ant. Welt, Munchen 1925, 3. Aufl., 1—II; Kornemann, s. v. Bauernstand in Pauly- Wissowa, Supplementband IV, S. 83 ff.; D e S a n c t i s , Storia dei Romani, II, Torino 1907, S. 465 ff. ‘) Vgl. Plutarch, Romulus, c. 11. *) Livius (3, 26 §§ 8—9): . . spes unica imperii populi Romani L. Quinctius trans Tiberim . . . quattuor iugorum colebat agrum . . . Ubi a legatis, seu fossam fodiens palae innixus seu cum araret, operi certe, id quod constat, a g r e s t i intentus . . . Togam propere e tugurio proferre uiorem Raciliam iubet. Qua simul absterso pulvere ac sudore velatus processit, dictatorem eum legati gratulantes consalu- tant. — Columella, Rei rusticae, lib. I. praef. § 13: . . . curam rusticationis, ex qua Quinctiu8 Cincinnatus, obsessi consulis et esercitus liberator, ab aratro uocatus ad dictaturam uenerit ac rursus fascibus depositis, quos festinantius uietor reddiderat quam sumpserat imperator, ad eosdem iuuencos et quattuor iugerum auitum herediolum redierit, Cfr. Cicero, De sen., 16, 56. Weitere Quellenbelege bei Voigt, Die XII Tafeln, Leipzig 1883, I, S. 18, A. 1. s ) Plutarch, Cato Maior, e. 2 und Cicero, De senect. 16, 55; weiteres bei Voigt, Die XII Tafeln, I, S. 18, A. 1. ‘) Valerius Mas, 4, 4, 51; Plinius, Nat. hist. 18, 39. 5 ) Plutarch, Cato Maior, c. 25. 6 ) Frank, o. c., S. 1; Bonfante, Storia del commercio, I, S. 89. 31 beschenkte das frucbtbare und damals noch reich bewaldete 1 ) Latium mit keinen Mineralschatzen und drangte so die an sich nicht kriegs- lustige 2 ) Bevolkerung dazu, sich im Ackerbau die Daseinsbedingungen zu schaffen und moglichst alle Bediirfnisse durch eigene Erzeugnisse zu befriedigen, oder den Bedarf entsprechend der Produktion einzuschranken. So gut es eben ging, mufite damals innerhalb der Familie die Autarkie hergestellt werden. Was die Besitzverhaltnisse anbelangt, so haben wir es mit einem Mittel- und Kleinbesitz zu tun, dessen GroBe nach der Servianischen Zenturienverf assung zwischen 40 und 5 bzw. 2 iugera schwankte 3 ). Das Erbgut des ersten Diktators Cincinnatus betrug der tiberlieferung nach sogar nur 4 iugera 3 ‘). Wie sehr die Rdmer in einer moglichst gleichmaBigen Bodenverteilung und der Erhaltung eines kraftigen Mittelbauerntums die gesiindeste Grundlage des Staates erblickten, zeigen uns deutlich die Kolonisationen 4 ) der spateren Zeit. So schuf man im Jahre 200 v. Chr. anlaBlich der Kolonisierung der Veteranen Scipios in Unteritalien dreiBig- bis vierzig- tausend 5 ) Bauernhufen im Umfange von einem halben bis zu fiinf Hektaren 6 ). Ahnlich errichtete man im Jahre 173 v. Chr. im Norden Italiens auf den den Liguriern und Gralliern abgenommenen Gebieten romische Bauerngiiter im Umfang von 2 1 / 2 Hektar und latinische zu 3 / 4 Hektar 7 ). Uberaus lehrreich sind in dieser Hinsicht zwei ans der l ) Bonfante, Storia del commercio, I, S. 83; Derselbe, Storia del diritto romano, 3. Aufl., I, S. 220 f.; De Franeisci, Storia del diritto romano, I, S. 101. ' l j So neuerdings m. E. mit Recht, Heinz e, Von den Ursachen der GrOBe RomB, S. 17. s ) B e 1 o c h , Romische Gesc-hichte bis zum Beginn der punischen Kriege, Berlin- Leipzig 1926, S. 223; noch niedriger fallen die Zahlen aus bei Kobler, Geschichte des romischen Rechts, Leipzig-Erlangen 1925, S. 12; ahnlich Kromajer, Staat und Gesellschaft, S. 251. 31 ) Vgl. oben S. 30, A. 2. 4 ) Grundlegend fiir die folgenden Ausfuhrungen Kromajer, Die wirtschaft- liche Entwicklung, S. 150 S. 5 ) So die Schatzung Kromayers, Die wirtschaftliche Entwicklung, S. 150. e ) Livius, 31, 49, § 5: Et de agris militum eius (sc. P. Cornelii Scipionis) decretum, ut quot quisque eorum in Hispania aut in Africa militasset, in singulos annos bina iugera agri acciperet; § 6: eum agrum deeem viri adsignarent,. cfr. Kromajer, Die wirtschaftl. Entvvicklung, S. 150, der als Minimalgrenze 1 Hektar annimmt; es wird aber wohl auqh Soldaten gegeben haben, die nur das letzte Jahr mitgemacht haben, und deshalb nehme ich im Texte ein halbes Hektar als Minimum an. ’) Livius, 42, 4, § 3: Eodem anno, cum agri Ligustini et Gallici, quod bello captum erat, aliquantum vacaret, senatus consultum est factum, ut is ager divideretur. § 4. Decemviros in eam rem ex senatus consulto creavit C. Attilius praetor . . . Diviserunt dena iugera in singulos, sociis nominis Latini terna. — Kromajer, Die wirtschaftliche Entwicklung, S. 150. 32 Zeit Trajans stammende x ) Urkunden, die einen genauen Einblick in die Bodenverteilung zn V e 11 e i a und Placentia im Norden und zu Benevent im Siiden Italiens gewahren. Sie sind um so wertvoller, als man auf Grand ihrer Angaben die Besitzverbaltnisse zur Zeit der Republik mit denen zu Trajans Zeiten vergleicben kann. In beiden Fallen baben wir es mit guten natiirlichen Durcbscknittsverbiiltnissen zu tun. Beide Ortscbaften liegen „in frucbtbarem Hiigellande, zum Teil sogar in der Ebene und an Verkehrswegen“ * 2 ). Aus den genannten Urkunden kann man mit Sicherteit feststellen, daB dort in republikaniscber Zeit ein GroBbesitz gar nicht vorbanden war und dafi sicb das ganze Land im Eigentum einer stattlicben Anzabl von Klein- und Mittelbauern befand 3 ). Ganz anders sab es zu Trajans Zeiten aus. Die Zabl der Grundeigentiimer war fast um die Halfte gesunken, vvahrend sicb auf Kosten des Kleinbesitzes ein macbtiger GroBgrundbesitz entwickelt bat 4 ). Die fiir Rom so verbangnisvoll gewordene Aufsaugung des kleinen und mittleren Bauerntums durcb den GroBgrundbesitz (latifundia perdidere Italiam 5 )) vollzog sicb an der Peripberie Italiens (Velleia, Benevent) bedeutend langsamer als in Latium. Daber haben wir diesen Ubergang, den wir in Velleia und Benevent fiir Trajans Zeiten feststellen konnen fiir Rom selbst scbon fiir das zweite vorcbristliche Jabrhundert anzunebmen, wofiir uns die gracchische Agrarreformgesetzgebuug sowie die groBe Anzabl der auf staatlicbe Spenden angewiesenen Grofistadtproletarier einen sicheren Anhaltspunkt geben. Aus der Tendenz der Kolonisierung, kleine, nur einige iugera umfassende Bauernbufen zu scbaffen und da- durch einen gesunden Bauernstand groBzuzieben, erseben wir deutlich ») C. J. L. IX, 1455; XI, 1147: vgl. dazu auBer Kromajer, Die wirtschaftl. Entwicklung, auoli M o m m s e n , Die italische Bodenverteilung und die Alimentartafeln, Histor. Sckriften II, S. 123—145 (Hermes, 19, 1884, S. 393-416). 2 ) Kromajer, Die wirtschaftliche Entwicklung, S. 147f. 3 ) Zu V e 1 e i a und Placentia ist das Land auf 89, zu Benevent auf 92 Bauern aufgeteilt. Darunter gibt es in V e 1 e i a 58 Kleinbauern, die nur bis zu fiinf Hektar, 23 solche, die von 5 bis zu 10 Hektar besitzen; nur 8 iiberschreiten diese Grenze, von denen der groBte etwa 26 Hektar hat. Ahnlich ist die Lage in Bene¬ vent: 57 Bauern besitzen bis zu 5 Hektar Land, 27 bis zu 10 Hektar und nur 8 dariiber, die vier reichsten unter ihnen baben je 14 Hektar inne. — Die Tabelle bei Kromajer, Die wirtscbaftlicbe Entvvicklung, S. 147. *) Sowobl in Veleia und Placentia als aucb in Benevent betragt zu Trajans Zeiten die Zabl der Grundeigentiimer funfzig. Von diesen haben in Veleia und Placentia 6 Kleinbauern bis zu 5 Hektar, 19 bis zu 10 Hektar und 25 mehr als 10 Hektar, die 5 Reichsten haben 135, 120, 62, 52 und 51 Hektar. Nicht ganz so ein- schneidend war die Anderung in den Besitzverhaltnissen Benevents. Hier besitzen 17 Kleinbauern bis zu 5 Hektar, 18 bis zu 10 Hektar und 15 iiberschreiten diese Grenze; die drei Reichsten haben 63, 56, 25 Hektar inne. Die Tabelle bei Kro¬ majer, S. 164 f. 5 ) Plinius, Nat. hist., 18, 35. 33 das Ideal, das den Staatsmannern Rom s vorschwebte. Es sollten Giiter entstehen in der Grobe, wie sie die Vorfabren liatten , um dadurch die Restaurierung des einstigen gesunden Klein- und Mittelbauerntums in die Wege zu leiten. Die Erorterung der Griinde, weshalb diese Reformen im Sande verliefen, gebort nicbt in den Rahmen dieser Abbandlung. Auch sonst begegnen wir in der Folgezeit iiberall den Lobpreisungen der Landwirtschaft. Am bocbsten hat man nacb Cato *) das Lob be- wertet, wenn man als guter Landmann gepriesen wurde. Alle Tugenden: Frommigkeit, Ausdaner und Tapferkeit sak man im Ackerbau verkorpert 1 2 ), und obne Bedenken bat man in der alteren Periode den Bauern den Vor- rang vor den Stadtern eingeranmt s ). Die Landwirtschaft wurde iiber alle anderen Berufe, Kriegsdienst, Seefabrt, Handel, Zinswucber, Anwalt- scbaft, Klientendienst erhoben 3 ). Ohne sie erscbien der Fortbestand des Staates undenkbar 4 5 ), ihr Erwerb als der ebrlicbste 6 7 ), die grofiten Staats- manner und Feldberren sind aus ihren Reiben bervorgegangen 6 ). DaB das alte Rbmertum in der Landwirtscbaft wurzelte, zeigte sich aucb auf' dem Gebiete des offentlicben und des Privatrecbts. Scbon die timokratiscbe Servianiscbe Verfassung ’) unterscbied zwiscben den boden- besitzenden adsidui 8 ) (locupletes) und den capite censi, den proletarii. *) Cato, de agri cultura liber, 1, § 2: (Maiores nostri) . . . Et virum bonum quom laudabant, ita laudabant, bonum agricolam bonumque colonum. Amplissime laudari existimabatur qui ita laudabatur. § 4. At ex agricolis et viri fortissimi et milites strenuissimi gignuntur, maxime pius quaestus stabilissimusque consequitur minimeque invidiosus, minimeque male cogitantes sunt qui in eo studio oecupati sunt. — Vgl. Cicero, Cato Maior de sen., 15, 51 — 16, 57. 2 ) Varro, Rerum rusticarum, 2, 1, 1: Viri magni nostri maiores non sine causa praeponebant rustieos Romanos urbanis; cfr. Varro, Rer. rust. 3, 1—5. ’) Columella, Rei rusticae lib. I, praef. §10: Friedl&nder, Sittengeschichte, I, S. 214. 4 ) Columella, Rei rusticae lib. I, praef. § 6: . . . nam sine ludicris artibus atque etiam sine causidicis olim satis felices fuerunt futuraeque sunt urbes; at sine agri cultoribus nec consistere mortalis nec ali posse manifestum est. — Allen Zitaten aus Columella liegt die Ausgabe von V. Lundstrdm, Upsala 1917, zugrunde. 5 ) Columella, eod. §§ 7—8; § 10: superest . . unum genus liberale et ingenuum rei familiaris augendae, quod ex agricolatione contingit. e ) Columella, eod. § 13 . . . Quinctius Cincinnatus . . (vgl. Anm. 22 dieses Para- graphen) ... § 14 itemque C. Fabricius et Curius Dentatus.cum tot alios Romani generis intuear memorabiles duces boe semper duplici studio floruisse uel defendendi uel colendi patrios quaesitosue finis, intellego luxuriae et deliciis nostris piistinum morem uirilemque uitam displieuisse; cfr. eodem. § 19. 7 ) Mommsen, Riimische Geschichte, I, 11. Aufl., S. 89: DaB die Zensussatze fiir die fiinf Klassen ursprunglich nacb Grundbesitz und nicht in Geld normiert waren, kann man als sicher annehmen; vgl. K u b 1 e r , S. 12; Belocb, Romische Gescbichte, S. 223. 8 ) Zu diesem Worte vgl. Kubitschek, in Pauly-Wissowa, erster Halbband, s. v., S. 426; Voigt, Die zw6lf Tafeln, I, S. 18. Leipziger reehtsw. Studien Heft 29: Korošec. 3 34 Diese soziale Abstrufang lebt noch in den zwolf Tafeln *) fort. Auch in der spateren repnblikaniscben Periode blieb das Bodeneigentum fiir die Nobilitat die einzig zulassige Kapitalanlage. Dieser Grundsatz wurde durcb die lex Claudia gesicbert (kurz vor 218) * 2 ), die der Nobilitat die Teilnabme an ertragnisreichen Seehandelsgeschaften verbot 3 ) und aufier dem agrariscben jedem anderen Kapitalismus den Stempel der gesellschaft - lichen Anriicbigkeit aufdriickte 4 ). In diesem Zusammenbange versteht man leicbt, dafi bis auf den jiingeren Graccbus die plutokratische Ritter- schaft bei der Aufstellung der Gesehworenenliste (album iudicum) nicht in Betracbt kam und ibr auch sonst die Amterlaufbahn verschlossen blieb. Auch auf dem Gebiete des Privatlebens lassen sich unverkennbare Spuren des bauerlichen Cbarakters der zivilrecbtlichen Periode feststellen. Das damalige romische Haus hat seinen Mittelpunkt im scbwarzen Ge- mach, dem nacb dem rauchgeschwarzten Balkengeriist so benannten atrium 5 ). Am Herde bat der Bauer seinen Herrensitz und von bier aus iibt er auch gegen erwachsene Sohne seine „auctoritas“ und sein „imperium“ 6 ) aus. Ureinfach und schlicbt sieht es in jeder Hinsicbt im alten romischen Hause aus. An demselben Tiscb nimmt nocb der pater familias zusammen mit seinen Sklaven die Mahlzeiten ein 7 ). Luxus ist in dieser Zeit nocb unbekannt. Man braucbt wiederum nur an einzelne gescbicbtlicbe Anekdoten, die auf uns gekommen sind, zu erinnern. Um im Jahre 343 v. Cbr. die in Rom weilende kartbagiscbe Gesandtscbaft ') Tab. I, 4 (Bruns, I, S. 18): Assiduo vindex assiduus eato; proletario iam civi quis volet vindex esto. — Der Standpunkt einer vvirtschaftlichen Ebenburtigkeit! s ) Mommsen, Romiscbe Geschichte, I, 844, 853, II, 109; Rot ondi, Leges publicae populi Romani, Milano 1912, S. 249 f. 3 ) Livius, 21, 63, § 1: Consulum designatorum alter Flaminius .... § 3. invisus etiam patribus ob novam legem, quam Q. Claudius tribunus plebis adversus senatum atque uno patrum adiuvante C. Flaminio tulerat, ne quis senator cuive senator pater fuisset maritimam navem, quae plus quam trecentarum amphorarum esset, haberet. § 4. Id satis habitum ad fructus ex agris vectandos; quaestus omnis patribus indecorus visus . . . — Mommsen, ROmische Geschichte, I, S. 853, Anm., halt fiir wahr- scheinlich, daB das zitierte Gesetz einen weiter reichenden Inhalt hatte und daB es sich nicht bloB auf die Seeschiffe bezog. *) Fiir die Umgehungsversuche vergleiche das Vorgehen des Brutus, des spateren Verschworers und Morders Casars, der sich der beiden Ritter M. Scaplius und P. Matinius bediente, um sein Geld auf Cypern gegen den Wucherzins von 48 °/ 0 unterbringen zu kOnnen (Cicero, ad Att. V, 21; VI, 1—3). 5 ) Kromsjer, Staat und Gesellschaft, S. 252; Mommsen, ROm. Gesch. 11. Aufl., I, S. 22. 6 ) Cicero, Cato Maior, 11, 37: Quattuor robustos filios, quinque filias, tantam domum, tantas clientelas Appius regebat et caecus et senex; . . . tenebat non modo auctoritatem, sed etiam imperium in suos,.vigebat in illa domo patrius mos et disciplina. ’) Cfr. Plutarch, Cato Maior, c. 3; vgl. Kromajer, Staat und Gesellschaft, S. 252. 35 bewirten zu kormen, borgte man sicb hierzu gegenseitig die Silbergerate fiir die Tafel 1 ), im Jabre 276 v. Cbr. wurde der Konsular P. Cornelins Rufinus wegen des Besitzes eines zebn Pfund scbweren silbernen Tiscb- gerates von den Zensoren aus dem Senate ausgestoBen 2 ). Noeb unter Catos Zensur (184 v. Cbr.) konnte der letzte Versucb unternommen werden, dem fortscbreitenden Luxus entgegenzutreten 3 ). Daraus ersehen wir deutlicb, daB in der alten romiscben Bauern- familie Reicbtum nicbt bauste, sondern daB man sicb vielmebr genotigt sab, die Familienautarkie bis zum auBersten zu steigern, denn der Bauer konnte kaum Betracbtliebes an G-etreideiiberscbiissen, Vieb oder Holz 4 ) an den nundinae 5 ) nacb Rom auf den Markt bringen und es daselbst verkaufen. Darum muBten Nahrung und Kleider zu Hause hergestellt werden. Diese tatsacblicbe Abgescblossenheit ging dem romischen Bauern aucb ins Fleiscb und Blut iiber. Wie sein Haus scbon so gebaut war, daB es sicb nur nacb innen offnete und der AuBenwelt keinen Einblick in dasselbe gewahrte, so stand der Romer dieser Zeit allen Beziebungen mit Nacbbarn nur mifitrauiscb gegeniiber 6 ). Nur mit wenigen 7 ) trat er in ein nabereš freundschaftlicbes Ver- baltnis, um sich bei Feldarbeiten gegenseitig auszubelfen. Streng und energiscb lebnte er aucb das Borgen ab 8 ), die Seltenbeit der Darlehen und die daraus sicb ergebende gesteigerte Entriistung iiber ihre eventuelle Nicbterfiillung lassen aucb das riicksichtslose Vollstreckungsverfahren dieser Zeit viel verstandlicher erscbeinen. Es war notwendig, sicb bei der Cbarakterisierung des Bauernstandes etwas langer aufzubalten, da die Bauernmentalitat als die des Haupt- standes im zivilrechtlicben Rom auch fiir die Grestaltung der Recbts- normen von entscbeidendem EinfluB gewesen ist. ‘) Plinius, Historia naturalis, 33, 11, 143; Voigt, Die XII Tafeln, I, Leipzig 1383, S. 24, A. 24; Voigt, Ius naturale, lil, Leipzig 1875, S. 213 und A. 296. ! ) Marquardt-Mommsen, Handbuch der romischen Altertiimer, V, 2, S. 169; vreitere Belegstellen bei Voigt, Die XII Tafeln, I, S. 24, A. 24. s ) Plutarcb, Cato Maior, c. 18; Marquardt-Mommsen, Handbuch der rom. Altertiimer, V, 2, S. 169. *) Vgl. dazu De Francisci, Storia del diritto romano, I, S. 105. 5 ) Columella, Rei rusticae, lib. I. praef. § 18: Nundinarum etiam conuentus manifeetum est propterea usurpatos, ut nonis tantummodo diebus urbanae res agerentur, reliquis administrarentur rusticae. Illis enim temporibus, ut ante iam disimus, proceres eiuitatis in agris morabantur. 6 ) Vgl. Plautus, Rudens, v. 581: Tibi ego numquam quicquam čredam nisi si accepto pignore. — Cato, de agri cultura, 5, 3—4, § 1: Haec erunt vilici officia . . § 3 . . Iniussu domini credat nemim; quod dominus crediderit eiigat. Satui semen, cibaria, far, vinum, oleum mutuum dederit nemini. ’) Cato, ibidem: Duas aut tres familias habeat, unde utenda roget et quibus det, praeterea nemini. 8 ) Siehe oben A. 6. 3 * 36 Wie war die Lage anderer Stande ? Die einzelnen Gewerbe steckten in dieser Zeit nocb vollig in den Kindersebuben. Sie konnten sich an- gesichts der wirtschaftlicben Abgescblossenbeit nnd der iiberaus be- scbeidenen Lebensweise der romiscben Familie in dieser Zeit nicbt iiber die bescheidensten Anfange hinaus entwickeln. So kann man versteben, daB nnter den acht angeblich von Nama ‘) errichteten Gewerbeziinften nnr drei fiir die Bediirfnisse des Einzelnen, drei fiir die des Hauses und nur zwei fiir den Lnxus tatig waren * 2 ). Es zeigt aucb die allgemeine Kultur- und Wirtschaftsgescbicbte Roms, wie sicb die meisten Gewerbe, wie Baeker 3 ), Scblaebter 4 5 ), Kocbe 6 ) er st vom zweiten Jabrbundert v. Cbr. weiter zn einer Selbstandigkeit durchzuringen vermocbten. Wenn Plautus 6 ) die Dame seiner Zeit nicbt weniger als vierundzwanzig Hand- werker in Bewegung setzen laBt, so wird er diese Scbilderung wohl eber dem griecbiscben Original des Menander 7 ), als den romiscben Yerbaltnissen des ausgebenden dritten vorcbristlichen Jabrbunderts entnommen baben. Das Zerstampfen oder Mablen von Getreide, das Brotbacken, das Weben und Spinnen, die Herstellung von Kleidern 8 ) muBte in der Periode, als die romiscbe Familie als eine in sicb fast vollig abgeschlossene Wirt- scbaftszelle keine Tauscbobjekte abgeben konnte, dabeim bewerkstelligt werden. Daber ein so geringes Bediirfnis nacb dem Handwerk und so scblecbte Entwicklungsmoglichkeiten fiir dasselbe. DaB es in der zivilrechtlicben Periode in Rom an einem entwickelten Handel feblte, erklart sicb scbon aus seinen natiirlicben wirtschaftlicben Vorbedingungen. Obne Erze und Marmor batte Latium lediglicb in den Agrarprodukten einen Handelsartikel haben konnen. Angesicbts des kleinen Umfanges der Bauerngiiter, der sicb aus der dicbten Besiedlung notwendig ergab, wurde das Getreide grofitenteils zu Hause verbraucbt und kam fiir den Handel in bedeutenderem MaBe nicbt in Betracbt. Die Produktion von Wein und 01 spielte jedocb in dieser Zeit noeb keine nennenswerte Rolle. ‘) Plutarch, Numa Pompilius, c. 17. 2 ) Plutarch, Numa Pompilius, c. 17; Kromajer, Staat und Gesellschaft der Eomer, S. 254. s ) Bliimner, o. c., S. 162; vgl. Plinius, Naturalis historia, 18, 107: Pistores Romae non fuerunt ad Persicum usque bellum ah urhe condita super DLXXX (= 174 v. Chr.) Ipsi panem faciebant Quirites, mulierumque id opus marime erat, sicut etiam nune in plurimis gentium. *) B 1 u m n e r , o. c., S. 193 f. 5 ) Blflmner, o. c., S. 192; cfr. auch Plinius, Nat. hist., 18, 108. 6 ) Plautus, Aulularia, v. 505 ff.; Kromajer, Staat und Gesellschaft der Romer, S. 279. ’) Vgl. Kroll-Skutsch, Teuffels Geschichte der rSmischen Literatur, 6. Aufl., T. Band, Leipzig-Berlin 1916, S. 170. 8 ) Dazu B 1 ii m n e r , o. c., S. 255. 37 In Latimn war der Weinban urspriinglich wohl wenig verbreitet 1 ). Am deutlichsten zeigen dies die alten Kultusvorschriften, die nirgends Wein-, sondern nur Milchspenden anordnen 2 ). Auch war der Wein von Latinm, urspriinglich „temetum“ genannt, nocb zu Pyrrhus’ Zeiten sebr minderwertig, was deutlich eine bei Plinius erhaltene ironische Bemerkung des Kineas zeigt 3 ). Ebenso wurde der Olbau erst spater von den Griecben iibernommen und erreicbte im ersten nachcbristlichen Jabrbnndert seine Bliitezeit 4 * ). Der Salzbandel, welcher schon friihzeitig vom romischen Staate monopolisiert worden war, kam infolgedessen gleicbfalls fiir den Privat- handel nicbt in Betracht. Darans folgt, daB in dieser Zeit der Handels- und Tauscbverkebr auf den bescheidensten Umfang beschrankt bleiben muBte. So kann man es aucb begreifen, wie Rom noch im Jahre 348 v. Chr. 6 ) mit Kartbago einen Handelsvertrag eingehen konnte, worin es auf eine Stellung als Seemacht vollig verzichtete G ). Die untergeordnete Bedeutung des Handels bei den Romern bezeugt auch die Tatsache, daB Ostia, der natiirliche Hafen von Rom, erst vom Kaiser Claudius dazu ausgebaut wurde. Damit steht im Einklang auch die spate Entvvicklung des Miinz- wesens, worin Rom hinter den anderen Kulturvolkern des Altertum3 be- deutend zuriickblieb 7 ). Zuerst gab es in Rom bloB Kupfergeld, welches zunachst gegossen und nicht gepragt wurde. Die erste Pragestatte fiir Silber wurde in Rom im Jahre 269 v. Chr. eingerichtet, die Goldpragung vermochte sich jedoch erst seit Časar und Augustus endgiiltig zu be- l ) Blttmner, o. o., S. 196, cfr. H e 1 b i g, Die Italiker in der Poebene, Leipzig 1879, bes. S. 18, 71, 78. s ) Plinius, Naturalis biatoria 14, 12: Romulum lacte, non vino libasse indicio sunt sacra ab eo instituta quae hodie custodiunt morem. — Dionys. Halikamass., Rom. Archaiol., 4, 49, 768: xal cptoovoiv eig avzag (sc. zur Feier der Feriae Latinae) at /iex- e/ovaai zcbr laubv n6Uig, at /zev agvas, at de zvgovg, at Se yaXaxx6g u / ižxqov , at Se o/ioiov xi rovioig nelavov yevog, . . . aber keinen Wein. — Weitere Quellenbelege bei H elbig, o. c., S. 71. s ) Plinius, Nat. hist., 14, 3: miratumque altitudinem earum (sc. vitium). Ariciae ferunt legatum regis Pyrrhi. Cineam facete lusisse in austeriorem gustum vini, merito matrem eius pendere in tam alta cruce. *) B1 u m n e r, o. c., S. 572. 6 ) Den Text des Vertrages hat uns Polybios, 3, 22 erhalten. — Trotz der Ein- wendungen von Frank, o. c., S. 30, der den AbscbluB des Vertrages ins Jahr 509/8 v. Chr. hinaufruckon vvill, halte ich die M o m m s e n sche Datierung (R6m. Geschichte I, S. 416) fiir richtiger; vgl. dazu auch Beloch, Romische Geschichte, S. 308 S. 6 ) Den ROmern blieben offen nur Karthago und das von diesem beherrschte Sizilien; cfr. Mommsen, 1. c., und Frank, 1. c. ’) Vgl. dazu Walter Otto, Kulturgeschichte des Altertums, S. 134; die Parallele mit Griechenland bei Kromayer, Staat und Gesellschaft der RSmer, S. 255. 38 haupten 1 ). Das so spate Aufkommen von Geld erklart sich eben aus der Tatsache, daB moglichst alle Bediirfnisse im Kreise der Familie ihre Befriedigung fanden und daB man daher mangels eines regeren Tausch- handels so lange ohne einen standigen Wertmesser — das Geld — aus- kommen konnte. Aus diesen Ausfuhrungen ersehen wir, daB die zivilrecbtlicke Periode das Zeitalter der geschlossenen Haus- und Familienwirtschaft war, wo das Romertum, in den einzelnen Familien rechtlich und wirtschaftlich moglichst abgeschlossen, mit der Landwirtschaft noch aufs engste ver- wachsen war. Seine ganze Gedankenwelt, wie sie uns in der Mythologie, Religion und Geschiehte entgegentritt, ist noch tief im Ackerbau ver- ankert 2 ). Was liegt nun der Auffassung dieser Zeit naher als die naiv-sinnliche materialistiscbe Auffassung der kereditas in dem vorhin erwahnten Sinne. Aus den dargelegten Wirtschaftszustanden ergibt sich ferner, daB bei der Seltenheit von Wirtschaftsbeziehungen vor allem die auf langere Dauer abgeschlossenen obligatorischen Rechtsgeschafte wohl nicht gang und gabe waren und darum auch ihre Unvererblichkeit, die eine not- wendige Folgerung des sachlichen Charakters der hereditas ist, keinen groBen Schaden stiften konnte. Dieses negative Moment verdient schon liier hervorgehoben zn werden, ausfiihrlicher wird davon noch im folgen- den Paragraphen die Rede sein. Rechtsgeschichtliche, etymologische und wirtschaftliche Erwagungen lassen fiir die zivile Periode die hereditas als Inbegriff der korperlichen NachlaBgegenstande in dem von Lenel entwickelten Sinne als die einzig mogliche Vorstellung erscheinen. Schon diese Erwagung fiihrt auf die Unvererblichkeit der Obligation. Sie noch aus dem hochst personlichen Charakter dieser wahrscheinlich zu machen, wird die Aufgabe der folgenden Ausfuhrungen sein. § 4 . Die passive Unvererblichlieit der Obllgatioueu nach ius civile. I. Der streng personliche Charakter der romischen Obligation. Der streng personliche Charakter gehort zum Wesen der romischen und ganz besonders der zivilrechtlichen Obligation 5 ). Diese ist ein iuris ’) K a b 1 e r, S. 352 ff.; ffir die Goldpragung: H. Dessau, Geschiehte der rSmischen Kaiserzeit, I. Band, Berlin 1924, S. 203 ff. *) Vgl. die Charakterisierung Kromayers, Staat und Gesellschaft, S. 277: eine Bauernschaft, gefffhrt von einem Bauemadel, in urwiichaig-unentwickeHen Ver- haltnissen. s ) l'flr den Unterschied zwischen der zivilen und der pr&toriachen Obligation vgl. oben S. 11, A. 3. B9 vinculum, das den Schuldner, ein auf seine personliche Unabhangigkeit stolz pochendes Rechtssubjekt 1 ), an eine andere Person kniipft. Dies bringen die alten Ausdriicke sowohl fur die Begriindung der Obligation: nectere, nexum, adstringere, obligare (von ligare), als auch fur deren Aufhebung: solvere, liberare 2 ) klar zum Ausdruck. Es ist eine recbtlicbe Verbundenheit, Unterordnung einer freien Person unter die andere, die infolge der bis zur Grausamkeit konsequenten romischen Logik sogar zur Totung oder zum Verkauf in die Sklaverei fiihren kann. Derartig štren ge Rechtsbeziehungen konnen jedocb nur einen seltenen Ausnabmefall gegeniiber dem Normalzustand der vollen gegenseitigen Unabhangigkeit darstellen, die durcb die Tatsache und das Bewu6tsein der wirtschaft- licben Autarkie nur nocb gestarkt worden sein diirfte. Darum wurden aber auch die diesen Ausnabmezustand regelnden Rechtsnormen moglichst einscbrankend ausgebaut und interpretiert. Die Obligation ist das recbtlicbe Band, das die am Rechtsgeschafte beteiligten Personen umschlingt, aber auch nur diese und niemand anderen. Mit allem Eifer trachtet man danacb, einen Personenwechsel, sei es zu kumulativen, sei es zu privativen Zwecken, fernzuhalten. So begreift man die Abneigung gegen die Zession, die sicb erst in der klassischen Periode mit der Ausbildung der actio utilis allmahlich durcbzusetzen vermocbte 3 ); deshalb konnte sich die Stellvertretung selbst im justinianiscben Recbt — den Eall des Besitz- erwerbes ausgenommen — nicht einbiirgern 4 ); daber blieb den Vertragen zugunsten Dritter sowie der Schuldiibernahme im romischen Recht der Eintritt immer verwehrt. Uberhaupt ist es bei der Bebandlung unseres Problems vom Interesse, auf die Abneigung der Romer gegen den derivativen Erwerb hinzuweisen. Wie Rab el 5 ) und De Francisci 6 ) dargetan baben, faBte das quiritische Romertum auch die Ubertragung des Eigentums an einer Sacbe nicht als vertragsmaBig derivativen Erwerb auf, sondern spal tete den Vorgang in ein Aufgeben des Recbts des VerauBerers an der Sache und ein einseitiges Ergreifen des Erwerbers. ‘) Ygl. das Verbot der GeiHelung sovvie das Provokationsreebt an die Komitien. *) Cfr. Bonfante, Istituzioni, 8. Aufl., S. 360; Koschaker, in SZ. 37, 353ff. *)Girard-Mayr, S. 800, A, 2; Ferrini, Manuale di pandette, 3. ed., Milano 1908, S. 597. — Daran andert natiirlich gar nichts das Bestreben, den gleicben wirtschaftlichen Brfolg auf Umwegen (delegatio nominis, mandatum in rem suam) zu erreicben; denu die alte Obligation bestand recbtlich zwischen den Erst- kontrahenten fort, bzw. sie wurde bei der delegatio nominis durcb eine neue abgelbst. *) Sehlofimann, Die Lehre von der Stellvertretung, Leipzig 1902; M i 11 e i s , RPR., I, § 13. 6 ) R a b e 1, Nachgeformte Rechtsgeschfiite in SZ. 27, 290 ff., insbesondere S. 320. e ) Translatio dominii, Milano 1921 und II trasferimento della proprieta, Padova 1924. Vgl. dazu O. Len el, Interpolationenjagd in SZ. 45, 30, und die Ervviderungen von Albertario, A proposito di ,Interpolationenjagd* in Pubbl. della Universitb cattolica del Sacro cuore, VII, 1, Milano 1925. 40 Das Schweigen des bisherigen Eigentiimers anf die — im Momente des Aussprechens noch — unrichtige vindicatio bzw. nuncupatio wurde als Verschweigen seines Einspruchsrechtes (contravindicatio) und damit als Aufgeben des Eigentums angesehen. War man einmal schon anf dem saclienrecbtlichen Gebiete abgeneigt, den derivativen Erwerb anznnehmen, so leuchtet es ein, daB man — zum mindesten in der Zeit des ins civile — sich um so weniger zu einer derartigen Anffassung beziiglicb der nur zwischen Personen bestebenden Obligationen entscblossen haben wird. Den ausgesprocben personlicben Charakter der altromischen Obligation konnen wir anch anderwarts verfolgen. In dieser Zeit zog man personliche Sicberheiten den dinglichen weitaus vor. Mit einigen Einschrankungen ist es ubrigens aucb spater so geblieben, womit letzten En des die un- vollendete Gestalt des romischen Pfandrecbtes zusammenhangt. Aucb gibt es in dieser Zeit noch beinen Hypothekarkredit *). Besonders wichtig ist es gerade fiir unser Problem, daB wir nirgends Spuren einer Familienhaftung 2 ) in dem Sinne begegnen, dafi die ganze personlicbe familia des Scbuldners fiir seine Scbulden baftbar gewesen ware. Im Gegensatz zum griecbiscben 3 ), zumindest dem attischen Recbt bei Staatsforderungen (Miltiades-Kimon), konnen wir fiir das romische Itecht das Bestehen einer Familienhaftung entschieden verneinen *'). Die Historiker, denen es bei ibrer Darstellung sebr darauf ankam, die Strenge und Grausamkeit des alten Schuldrechtes in grellen Farben zu scbildern, hatten ein en Fali, wo man aucb Frau und Kinder des zahlungsunfahigen, exequierten Schuldners in die Sklaverei trans Tiberim verkauft oder sie gar getotet hatte, sicher nicbt iibergangen; aucb hatten ibre an anderen ahnliehen Details immerhin reich fliefienden Quellen solcbe Vorfalle nicbt unerwabnt gelassen. Gleicbwobl finden sich nirgends irgendwelche Spuren davon 5 ). Das Zwolftafelrecbt bat bei den strengen Vollstreckungsnormen i) M o m m s e n , Romische Geschichte, 11. Aufl., 1, S. 157. Vgl. im Gegensatz dazu das solonische Athen, wo gerade die Grundhypotheken zur Gesetzgebung drangten. J ) Cfr. M i 11 e i s , RPR., I, S. 95 und A. 7 und S. 98 f. ») W e i B , Griechisches Privatrecht, I, Allgemeine Lebren, Leipzig 1923, S. 499 f. und A. 9. ‘) Neben der besprochenen Stelle von Livius Bcheint auch bei Plautus (Poenulus, 1, 1, 186) der Gedanke der Haftung der familia sowie deren addictio ausgesprochen zu sein. Der Sklave Milphio erkl&rt seinem Herrn Agorastocles, naobdem er ihm den ganzen Plan auseinandergesetzt hatte: (praetor) ^addicet totam familiam tibi K . Hier hat jedoch das Wort familia den Sinn des Vermogens, das allerdings hauptsacblich aus den im Eigentum des leno stehenden Sklavinnen besteht. Cfr. dazu daselbst v. 168: Totum lenonem tibi cum tota familia dabo bodie donum. AuBerdem ist die MGglichkeit, ja Wabrscbeinlicbkeit zu erwS.gen, daB Plautus nur das griechische Original ubersetzte und den Satz nicbt selbst einfugte. *) Vgl. die bei Kleineidam, Personalexekution der Zwolftafeln, Breslau 1904, angefuhrten Belege aus Livius (S. 48 ff.) und Dionjsius Halicarnassensis (S. 62). 41 (beziiglich der in ius ductio, des Hansarrestes, des in partes secare *) iiberall nnr die Person des Scbuldners im Auge, obne irgendwo seiner personlichen familia Erwahnung zu tnn. Die einzige Stelle, die von Mitteis * 2 ) als Vererbung derNexumhaftung anf dieDeszendenz aufgefaBt wnrde, die jedoch eine solcbe bei richtiger Deutung — wie es scbon K o o i m a n 3 ) dargetan bat — gar nicbt enthalt, ist bei L i v i n s (8, 28, 2) 4 * ) zu finden. Hier werden die Vorgange, die den AnlaB zum potelischen Gesetz gaben, gescbildert und bericbtet, daB C. Publilius wegen der Schulden seines Vaters (cum) „ne,xum se dedisset“ 6 ). Diese Darstellung legt aber eber gegen die Scbuldenvererbung Zengnis ab; denn das „nexum se dedere“ seitens des C. Publilius zeigt eben, daB ein solcher Akt notwendig war, um in der Person des Sohnes die Haftung entstehen zu lassen. War aber dieser Akt notwendig, so geht daraus bervor, daB die Schulden sich eben nicht ipso iure vererbten. Am deutlichsten kommt der personliche Charakter der zivilrecbtlichen Obligation bzw. der entsprecbenden actio in personam im Vollstreckungs- verfabren zur Geltung. Im Gegensatz zur griechischen Exekution 6 ) blieb die romische bis spat in die Kaiserzeit vorwiegend eine Personal- exekntion, ja sie erhielt sicb als solche zum Teil noch iiber Justinian hinaus 7 ). In der zivilrecbtlichen, somit in der Legisaktionenperiode erfolgte die Vollstreckung — den Fali der fast nur offentlick- und sakralrechtlichen und daher fiir uns unwicktigen pignoris capio ausge- nommen — im Wege der die Person erfassenden manus iniectio. Es war das Zeitalter, als man zwischen der kontraktlicben und deliktiscben Obligation noch nicht unterschied 8 ), vielmebr jede Obligation einen *) Brun«, Fontes I, S. 20f., tab. HI, 1—6. *) tlber das Nexum, in SZ. 22, S. 96 ff., bes. S. 109 f. “) Fragmenta iuris Quiritium, Amsterdam 1914, S. 174 ff. *) Livius, 8, 28, 1—2: Eo anno plebei Eomanae velut aliud initium libortatis factum est, quod necti desierunt; mutatum autem ius ob unius faeneratoris simul libidinem simul crudelitatem insignem. L. Papirius is fuit, cui cum C. Publilius ob aes alienum paternum neium se dedisset .... s ) Auf das Neium kann hjer nicbt n lih er eingegangen werden. Es sei auf die Literatur bei Costa, Storia, 2. Aufl., S. 806f., A. 2, verwiesen. •) E. W e i B, Griechisches Privatrecbt, I, S. 454: Demnach tritt im geschicbt- licben Verlauf des griechischen Rechtes ein Bestreben hervor, die persOnliche Haftung zurUcktreten zu lassen, besonders wenn man die eben geschilderten Erscheinungen damit zusammenlrilt, daB in einzelnen Stadtrechten die pers5nliche Haftung iiberhaupt aus- geschlossen wird. 7 ) v. W o e B , Personaleiekution und cessio bonorum im rOmischen Reichsrecht, in SZ. 43, S. 485—529; bes. S. 492: Die Personaleiekution hat sich also bis in die spateste Zeit erhalten; ja sie scheint .... trotz cessio bonorum und VermOgenserekution zu a 11 e r Zeit als die normale Vollstreckungsart betrachtet worden zu sein. — ffe n g e r , ZP., S. 222 ff., 301 f. 8 ) S i b e r, Geschichtliches und Rechtsvergleichendes, S. 13. 42 deliktischen Anstrich ’) hattc. Daraus erklaren sich auch zum Teil die grausamen Bestimmungen der in ius ductio, der Haft beim Glaubiger, des Verkaufes trans Tiberim, des in partes secare. Darum richtet sich auch der verhangnisvolle Sprnch des betreibenden Glaubigers 2 ) nur gegen die Person des Schuldners, ohne von seinen Angehorigen oder von seinem Vermogen eine Erwahnung zn tnn: Quod tn mihi iudicatus (damnatus) es sestertium X milia, quandoc non solvisti, ob eam rem ego t i b i sestertium X milinm mannm inicio. Gleichwie dem in ius vozierenden Glaubiger (Klager) das Betreten des Hauses des Schuldners (Beklagten) verwehrt bleibt 3 ), so fiihrt ihn in dieser Zeit kein Weg zu dem Vermogen des Schuldners iiber dessen Person hinweg. Starb nun der Schuldner, so war niemand da, gegen den der Glau¬ biger das Vollstreckungsverfahren hatte geltend machen konnen. Denn die obligationenrechtliche actio richtete sich nur gegen die Person des Schuldners und sonst gegen niemanden, es sei denn, daB ein weiteres Rechtssubjekt, z. B. der Biirge oder der iiberlebende Sohn sich eigens dazu verpflichtet hatte. Das eine blieb dem Glaubiger allerdings unbenommen: die Exekution vor der Beerdigung bzw. Verbrennung des schuldnerischen Leichnams gegen diesen vorzunehmen und so die auch in zahlreichen anderen Rechtsordnungen vorkommende Leichnamshaftung geltend zu machen. Wie unten naher auseinanderzusetzen sein wird, sind wir berechtigt, die Leichnamshaftung, deren Geltendmachung noch im spatesten romischen Recht wiederholt ausdriicklich verboten werden rnuBte * *), auch fiir das alteste romische Recht anzunehmen. Das rechtliche Schicksal des Nachlasses bestimmte sich, falls gegen den Leichnam des Erblassers die manus iniectio durchgefiihrt wurde, nach denselben Normen, die fiir das Vermogen eines Schuldners maBgebend waren, gegen den die manus iniectio bei seinen Lebzeiten durchgefiihrt wurde. Darum mufi auch diese Frage hier gestreift werden. Sie ist ausfiihrlicher schon von Karlowa 6 ) und Kleineidam 6 ) behandelt worden. DaB das Schicksal des Vermogens des Schuldners nach Durchfuhrung Wenger, Das Recht der Griechen und R5mer, S. 236: Ali e Nichterfiillung des Vertrages erscheint naiver Rechtsauffassung schon als Delikt und die Kontrakts- haftung ist uberall wohl erst aus der deliktischen hervorgewachsen. — Einiges Weitere dariiber spater. >) Gai. 4, 21. s ) D. 2, 4, 18; cfr. fr. 19 eod; D. 50, 17, 103; Cicero, in Vatinium, 9, 22 und 23; Cicero, de domo sua, 41, 109. *) C. 9, 19, 6; Nov. 60, c. 1 § 1 und Nov. 115, c. 5 § 1; dariiber unten S. 89 ff. 5 ) Der rSmische CivilprozeB zur Zeit der Legisaktionen, Berlin 1872, S. 160 ff. 9 ) Die Personaleiekution der Zw6lftafeln, Breslau 1904. 43 der manus iniectio in den Quellen nirgends geregelt wird ‘j, erklart sich ans der geringen praktischen Bedeutung solcher Falle. Denn der Schuldner wird wohl, um die letzten Folgen der Vollstreckung, die Totung bzw. den Verkauf trans Tiberim, abzuwenden, friiber sein ganzes Hab und Gut bergegeben baben, so dafi in der Hegel nach erfolgtem Verkauf trans Tiberim keine Vermogensgegenstande mehr da waren 2 ). Allerdings war dies nur der Regelfall, wahrend ausnahmsweise, hauptsachlich bei einer Vollstrekung gegen den Toten, die Frage nacb dem Schicksal seines Vermogens doch praktiscb werden konnte. Angesichts des Schweigens der Quellen bleiben wir natiirlicb auf mehr oder weniger begriindete Vermutungen angewiesen. An und fiir sich bestehen vier Moglichkeiten: 1. das Vermogen fiel als Akzession zugleich mit der Person des Schuldners an den Glaubiger, was die herrschende Meinung annimmt 3 ); 2. das Vermogen fiel als herrenloses Gut an den Staat; 3. es trat die Beerbung ein; 4. das Vermogen fiel in seine Bestandteile auseinander, wahrend die Schulden und Forderungen erloschen, unterlagen die korperlichen Vermogensgegenstande der freien Aneignung. Sowohl Karlowa 4 ) als Kleineidam 5 ) lehnen mit Recht den Anfall des schuldnerischen Vermogens an den Staat ab. Karlowa 6 ) entscheidet sich fiir die Annahme, dafi das Schuldner- vermogen dem betreibenden Glaubiger, als dem am meisten Berechtigten zufalle. Er wird jedoch sich selbst untreu — was ihm schon Klein¬ eidam vorbehalten hat 7 ) —, da er andererseits 8 ) behauptet, dafi mehrere betreibende Glaubiger „das Recht haben, die (korperlichen) Bestandteile des seiner Einheit beraubten Vermogens sich anzueignen“, wahrend die Forderungen und Schulden notwendig untergegangen sind. Somit sichert K a r 1 o w a den Glaubigern nicht mehr den Anfall des Vermogens, sondern raumt ihnen nur ein Aneignungsrecht ein. Kleineidam 9 ) hingegen nimmt einen regelrechten Erbgang ein. Dabei unterscheidet er zwischen zwei Fallen, je nachdem, ob die Glaubiger gegeniiber dem Schuldner von dem Rechte der Totung oder von dem des Verkaufs in die Sklaverei trans Tiberim Gebrauch gemacht haben. Im ') Vgl. Kleineidam 1. c. S. 258. *) Vgl. dazu Wenger, ZP., S. 221 f. s ) Literatur bei Kleineidam, o. e. S. 259, A. 4. *) A. a. O. S. 161 f. ») A. a. O. S. 272. ") A. a. O. S. 162. ’) A. a. O. S. 262. 9 ) A. a. O. S. 162 ff., bes. S. 164. •) A. a. O. S. 268—279. 44 ersten Falle kommt es zu einer „Universalsukze3sion in d as Vermogen“ des getoteten Schuldners, also zu einer „hereditas mit ihrem Eintritt in die Schuiden des Erblassers“; die Sckuld jedoch, um derenwillen die Vollstreckung erfolgt ist, vererbt sich im Zustande nach der Erschopfung der Exekution auf den Erben, kann aber nach dem Grundsatze „ne bis in idem“, da die manus inieetio bereits gegen den Schuldner erfolgt war, gegen den Erben nicht mehr exequiert werden. Verwickelter gestaltet sich die ReChtslage im zweiten Falle. Der trans Tiberim verkaufte Verpflichtete kann — da er noch am Leben ist — nicht beerbt werden; andererseits ist es aber auch sicher, daB er sein Vermogen verliert. Fiir diesen Fali nimmt Kleineidam eine Universalsukzession an, von der wir, wie er zugibt, „keine Quellennachrichten haben“, bei der jedoch der Erbe fiir die Schuiden in dem Falle des Verkaufs trans Tiberim nicht haftete. Kleineidam kommt also praktisch der Unvererblichkeit der Schuiden sehr nahe. So sehr wir bedauern mogen, daB er hierin nicht weiter gegangen ist, konnen wir uns doch seine Zuruckhaltung aus seinem Festhalten an zwei, seit dem Erscheicen seines Werkes stark erschiitterten Dogmen des romischen Rechtes erklaren: einerseits an der Ansicht, die Haftung der Erben sei bei der angeblichen Bestimmung der Zwolf- tafeln (tab. V 9) liber die ipso iure Teilung der Forderungen und Schuiden verankert, andererseits an der Annahme der Universalsukzession schon fiir die zivilreehtliche Periode. Indessen haben die Forschungen L o n g o a 1 ) und Bonfantes 2 ) den bjzantinischen Ursprung der Bezeichnungen »successio in universitatem“, „in omne ius“ dargetan; mit dem schon wiederholt angezweifelten zwolftafelrechtlichen Ursprung der Rechtsnorm: „nomina ipso iure dividuntur“ wollen wir uns noch spater befassen. — Wie Kleineidam selbst zugibt, vermag er seine Hypothese nicht durch irgendwelche Quellenbeweise zu stutzen. Dabei ist es ihm vor allem nicht gelungen, um die Schwierigkeiten, die ihm die fictio legis Corneliae 3 ) bereitete, herumzukommen. Es ist auBerst unwahrscheinlich, daB die Romer nur denen, die in Kriegsgefangenschaft und infolgedessen in die Sklaverei geraten waren, die Beerbung versagt hatten, wahrend sie diese den wegen ihrer Schuiden zu Sklaven Gewordenen auf dem Umwege einer eigenen Universalsukzession ermoglicht haben solit en. Ich glaube vielmehr, daB gerade das Einbringen der lex Cornelia beweist, daB es bis dahin eine Beerbung der Kriegsgefangenen nicht gab; um so weniger konnte eine solche der in Schuldknechtschaft geratenen Personen in Frage kommen. Im Falle, dafi der Glaubiger im Zuge der Vollstreckung den Schuldner getotet hatte, ware zwar Ubergang der Haftung auf den Erben und ‘) Siehe A. 1 auf S. 14. ’) Siehe A. 2 auf S. 14. 5 ) Vgl. dazu Mitteia, RJPR., I, S. 133 f. 45 Fortsetzung der Personalexekution gegen ibn an sich denkbar — die Berufung Kleineidams auf den Satz: ne bis de eadem re sit actio, ist offenbar haltlos. Aber wenn die Zwolftafeln Totung des Scbuldners oder Verkauf trans Tiberim als Endwirknng der Vollstreckung einander vollig gleicbstellen, so ware es docb mebr als sonderbar gewesen, wenn sie in ibren Auswirkungen dem Erben gegeniiber einen so verschiedenen Stand- pnnkt eingenommen hatten. Dort Beerbung und Fortgang der Voll- strecknng, bier Ansschlufi der Beerbung und demnacb aucb der Personal- exekution gegen den Erben. Noch viel entscbiedener als die Annahme der Beerbung miissen wir freilicb die des Vermogensanfalls an den Staat ablebnen. Es ware durcbaus verfehlt, den Geist des beutigen sozialen, in das Privatleben des Staatsbiirgers tief eingreifenden Staates auf die alteste romiscbe, vor der Souveranitat des Individuums bzw. des pater familias Halt macbende „res publica“ zu iibertragen. Das Legisaktionenverfahren war iiber- wiegend eine Angelegenbeit der beteiligten Parteien, die Mitwirkung des Staates bescbrankte sicb auf eine bescbeidene Aufsicbt zum Zwecke der Hintanhaltung von aufierster Eigenmacbt und allzngroBer Willkiir, vor allem des betreibenden Glaubigers. Im Einklang damit mafite sicb der Staat aber aucb keine Recbte an, die sicb mit seiner passiven Haltung nicbt vereinbaren lieBen. Es ware nocb darauf binzuweisen, daB angesicbts des geringen Aufgabenkreises, der der damaligen res publica oblag, aucb die finanziellen Bediirfnisse nur gering waren und dabei so weitgehende fiskaliscbe Tendenzen nur schwer verstandlich sein wiirden. Das Tributum vrarde beim Kriegsausbrucb eingeboben*), die Magistraturen waren unbesoldet, fiir groBere Staatsbauten wie StraBen und Wasserleitungen wurden die Mittel aus der Kriegsbeute gescbopft * 2 ). Die Zeit der Entstebung des Fiskalismus liegt in der zweiten Periode, seine Bliite erst in der Kaiserzeit, als sicb aucb der Kreis der Staatsaufgaben scbon wesentlich erweitert batte. Somit konnen wir die Idee des Vermogens¬ anfalls an das Ararium nacb erfolgter Vollstreckung fiir die zivilrecbtlicbe Periode ablebnen. Gleichfalls zu verwerfen ist die berrscbende Meinung, daB das Vermogen als eine Akzession des Verpflicbteten zugleicb mit dessen Person dem Glaubiger zufiel. Man darf nicbt vergessen, daB die alte romische Vollstreckung einen durchaus ponalen und personlichen Charakter batte, daher konnte sie aucb keineswegs beabsicbtigen, auf diesem so unbequemen Wege zu einer Vermogensexekution zu gelangen. Man stoBt aucb sonst auf nicbt erklarbare Scbwierigkeiten. Vor allem dauerte ‘) Siber, Recbtsgeschicbte, Berlin 1925, S. 14; Mommsen, AbriB des rom. Staatsrechts, 2. Aufl., Leipzig 1907, S. 33. 2 ) Vgl. die Beispiele oben S. 9. 46 aueh nach der addictio die Vermogensfahigkeit fort, wie dies der Zwolf- tafelsatz: si volet suo vivito (tab. 3, 4) deutlich zum Ausdruck bringt. Sodann miissen wir uns auch fragen. wem das Vermogen des Schuldners zufallen solite: dem Auslander (trans Tiberim), der ibn als Sklaven kanfte oder dem betreibenden Glaubiger, in dessen Gewalt er noch nickt Sklave geworden war. Ist es ferner wakrscbeinlick, daB die Zwolf- tafeln eine so wichtige Bestimmung iibergangen hatten. wakrend sie sonst gerade fiir das Vollstreckungsverfahren so viele Detailbestimmungen bringen? Endlich ist aucb kaum anzunehmen, daB die folgenden Jahr- hunderte von einer derartigen zivilen Regelung nichts mehr gewuBt und erst durch das honorarische Reckt (Gai. 3, 77 ff.) eine von einer alteren Ordnung keine Spuren aufweisende Normierung erhalten haben sollten. Somit bleibt nnr die vierte Moglichkeit offen. Das Vermogen des Scbuldners, gegen den das Vollstreckungsverfahren durchgefiihrt wurde, verlor durch dessen Totung oder Verkauf in die Sklaverei sein natiirliches caput und horte als Einheit zu bestehen auf. Forderungen und Schulden gingen infolge ihrer streng personlichen Natur hierbei unter, die einzelnen Vermogens- bzw. — bei der manus iniectio gegen den Leichnam — NachlaB- gegenstande unterlagen dem freien Aneignungsrechte jedes beliebigen Britten, somit auch der Personen, die beim gewohnlichen Verlauf' der Dinge Erben geworden waren, natiirlich auch der Glaubiger des Schuldners. DaB die Letzteren in der Folgezeit eifrig zugriffen, beweist die Tatsache, daB das jungere Pontifikaldekret (Cicero, de leg. 2, 19, 48) dem Glaubiger, der das Meiste von dem NachlaB des Schuldners sich angeeignet hatte („servare“), zur Haftung fiir die Erhaltung der sacra heranzog. Diese Vorschrift spricht deutlich fiir die hiiufige praktische Ubung und hohe wirtschaftliche Bedeutung dieses Vorgehens. Aus allen diesen Ausfiihrungen geht es zur Geniige hervor, daB die zivilrechtliche romische Obligation eine nur gegen die Person des Verpflichteten und sonst gegen niemand sich richtende actio in personam zur Folge hatte. Das Vollstreckungsverfahren per manus iniectionem richtete sich nur gegen die Person des Schuldners, nicht aber gegen seine Familienangehorigen und auch nicht gegen sein Vermogen. Dieser streng personliche Charakter der altromischen Obligation bringt uns aber sodann zum notwendigen Ergebnis, daB mit dem Tode, sei es des Glaubigers, sei es des Schuldners, nach Zivilrecht auch die Obligation erlosch, somit unvererblich war. II. Ertraglichkeit der Schuldenunvererblichkeit fiir die Zivilrechtsperiode. Bei dieser Folgerung, die fiir die Periode des ius civile m. E. die einzig richtige ist, mussen wir uns gerade im romischen Recht, welches so feinfuhlend bestrebt war, allzeit den Kultur- und Wirtschafts- 47 bediirfnissen Rechnung zu tragen, fragen, ob ein solcher Rechtszustand in den damaligen AVirtschafts-, Kultur- und Rechtsrahmen hinein paBt. Unserem wirtschaftlichen Denken mag allerdings die Unvererblichkeit der Scbulden als unertraglich erscheinen. F Lir eine primitive Wirtschaft liegen indessen die Dinge docb wesentlich anders. Der Hauptgrund fur die Ertraglichkeit und wirtschaftliche Moglicbkeit eines derartigen Rechts- zustandes liegt in der Seltenheit der Obligationen in jener Rechtsperiode. Die primitiven Wirtschaftsverhaltnisse der damaligen gescblossenen Familienwirtschaft, der Mangel an Austauschgutern und das daraus entstebende Streben nacb Herstellung der groBtmoglichen Autarkie im Rahmen der Familie, die spate Verwendung von Geld, sowie das typische bauerliche MiBtrauen gegeneinander, die auBerordentliche Scblichtheit und Einfachheit im ganzen Leben, bracbten es aucb in Rom mit sich, daB die einzelnen Obligationsverhaltnisse nur selten eingegangen wurden und infolgedessen ihre Unvererblichkeit wirtschaftlich keine entscheidende Rolle spielte 1 ). Ausfuhrlicher sind alle diese Momente ohnedies im vorigen Paragraphen erwogen worden. Die obligationenrechtlichen Verhaltnisse der romischen Zivilrechts- periode weisen iibrigens Merkmale auf, die wir auch sonst bei jungen Kulturen vorfinden. Der damalige Kredit war in der Regel Konsum- und nicht Produktionskredit. Darauf lassen sich viele Harten des alt- romischen Schuldnerwesens in allen ihren schlimmen personlichen und wirtschaftlichen Folgen zuriickfiihren. Andererseits wurden aber auf dieser Kulturstufe die Schuldverhaltnisse nur auf kurze Dauer 2 ) ein¬ gegangen, in der Regel entsprechend der Eigenart des Konsumkredites bis zur nachsten Ernte 3 ). So klagt bei Plautus 4 ) der Wucherer (Danista) iiber die gute Ernte, da er deshalb keinen Darlehensnehmer fur sein Geld finden konne. Die Seltenheit der Obligationen und ihre kurze ‘) Ahnliches fur das englische Recht Pollock-Maitland, The historj of English law before the time of Edward I, S. 258: In the old time the person or persons who Bucceeded to the lands and goods of the dead man had few, if any, debts to pay or to receive. Most of the pecuniary elaims that could be made good in a court of law would perish at the death of the creditor and at the death of the debtor. ! ) Vgl. dazu das marokkanische Recht: Sitte und Recht in Nordafrika, gesammelt von Dr. Ernst Ubach und Ernst Račk o w und zur Veroffentlichung vorbereitet unter Mitwirkung von Dr. Kampffmeyer, Dr. H. Stumme und Dr. L. Adam, Stutt¬ gart 1923, S. 58: Gelddarlehen: Bei der Geldleihe .... fur die iibrigens nur Nachbarn als Geldgeber in Betracht kommen, wird stets ein Termin vereinbart, bis zu welchem das geliehene Geld zuriickgegeben werden muB. Die Leihfrist ist bald kurz und bald lang; manchmal betriigt sie nur einige Stunden, manchmal aber auch mehrere Tage und Monate. Mehr als ein Jahr- betragt sie niemals. — Vgl. fUr andere afrikanische Rechte Post, Afrikanische Jurisprudenz, II, S. 180. s ) Vgl. dazu die Beispiele aus dem altbabylonischen Recht bei Kohler-Un- gnad, Hammurabis Gesetz, III. Band, S. 238; IV. Band, S. 92; V. Band, S. 121. *) Plautus, Mostellaria, III, 1, 532 ff. 48 Dauer machten auch einige weitere ihrer Eigentiimliclikeiten gut ver- standlich. Infolge des unsicheren und unvollkommenen Vollstreckungs- verfahrens verlangt man sowohl personliche (vades, praedes, sponsores) als auch dingliche (fiducia cum creditore contracta) Sicherheiten, wobei das romische Recht schon in der Vielgestaltigkeit der personlichen Biirgschaftsformen deutlich deren Bevorzugung gegeniiber den weit weniger durchgebildeten dinglichen Rechtsinstituten, wie dies insbesondere auch die spate Entwicklung des Pfandrechts zeigt, zum Ausdruck brachte. Aus dem Zusammenhange mit der Seltenheit der Obligationen erklart sich auch der hohe ZinsfuB der damaligen Zeit 1 ). Die Regelung der Schuldverhaltnisse, die gegen den Ausgang der zivilrechtlichen Periode an wirtschaftlicher Bedeutung immer mehr gewannen, beschaftigte die romische Gesetzgebung, wie dies einige gesetzgeberische Eingriffe zeigen. Yon ihnen sind einzelne, wie die lex Genueia (342 v. Chr.), die lex Marcia (104 v. Chr.) und die lex Sempronia (193 v. Chr.) 2 ), die alle das Zins- nehmen iiberhaupt unterbiuden wollten, als durchaus verfehlt zu bezeichnen. Gerade diese radikalen GesetzgebungsmaBnahmen verraten deutlich, wie unbeholfen und unerfahren man noch im zweiten Jahrhundert v. Chr. in Rom den iiblen Eolgen des einsetzenden Kapitalismus gegeniiberstand; sie sind der beste Beweis ffir das junge Alter der damaligen Geldwirtschaft. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, wird auch die Bestimmung der lex Furia de sponsu, nach der die Haftung des sponsor und fidepromissor nach Ablauf von zwei Jahren erlischt 3 ), leicht verstandlich. Das Gesetz gehort — so bestritten auch sein Entstehungsjahr sein mag 4 ) — noch der zivilrechtlichen Periode an. Mit Rucksicht auf die Wirtschaftsstufe der Zeit kann man in der Festsetzung der Biirgschaftsfrist auf' zwei Jahre ein Hinaufsetzen der einst noch kiirzeren Biirgschaftsdauer erblicken, die sich eben aus den kurzen Schuldfristen von selbst ergab. Denn wahrte die Biirgschaft bloB zwei Jahre, so war dies angesichts ihrer groBen Bedeutung in den alten Recbtsordnungen 5 ) nur ertraglich, wenn auch die Hauptschuldverhaltnisse auf hochstens zwei Jahre eingegangen wurden. Es ist ja rechtlich und wirtschaftlich schlechthin undenkbar, daB man nach Ablauf von zwei Jahren den sicheren Bur gen hatte fahren lassen und sich von nun an mit dem Schuldner allein hatte begniigen mogen. Noch weniger laBt sich annehmen, daB auch die Hauptschuld l ) Vgl. dazu Kubler,.S. 48 f., Literaturverzeichnis bei Costa, Storia, 2. Aufl., S. 360, A. 1. — Fiir das altbabyloniscbe Recht siebe Kohler-Peiser, Hammurabis Gesetz, I. Band, S. 117. s ) Fiir alle diese Daten vgl. Rot ondi, Leges publicae, S. 226, 326, 271; K u b 1 e r , S. 166 f. *) Gai. 3, 121: Item sponsor et fidepromissor per legem Furiam biennio liberantur. *) R o t o n d i, Leges publicae, S. 476 f. 5 ) Daruber ausfuhrlicher unten S. 65 f. 49 nach Ablauf des biennium von selbst erloschen ware. So bleibt die obige Deutung als die wahrscheinlichste iibrig. Die Verbalkontrakte — denn bei ihnen allein waren die sponsio und fidepromissio anwendbar *) — schloB man im Zeitalter der lex Furia de sponsu nur so ab, daB sie langstens innerhalb eines biennium erfullt werden muBten. — Eine Parallele dazu bietet das altspaniscbe Obligationenrecht, das sich durcb seine Urvviichsigkeit * 2 ) auszeichnet. Auch hier 3 ) erloscb die Haftung des Bttrgen von selbst nach Ablauf eines Jahres; darum muBte sie — falls man ihren Fortbestand sichern wollte — jedes Jahr erneuert werden! AuBerdem fallt es sehr ins Gewicht, daB in der zivilrechtlichen Periode die meisten spateren obligationenrechtlichen Aktionen als solche noch nicht geltend gemacht werden konnten. So fanden z. B. die actio depositi, commodati, negotiorum gestorum, pigneraticia ihre Aufnahme ins Zivilrecht erst in der pratorischen und klassischen 4 ) Periode, die actio pigneraticia in personam wahrscheinlich erst in der justinianischen Kompilation 5 ). Bis dahin blieben das „servandum“ oder „utendum datum “ rechtlich ungeschiitzt, und nur zum Teil konnte — soweit etwa die dinglichen Klagen nicht zum Ziele fiihrten — die so entstehende Lučke die fiducia cum amico, bzw. cum creditore contracta ausfiillen. •) Gai. 3, 119: Nam illi (sc. sponsor et fldepromissor) quidem nullis obligationibus accedere possunt nisi uerborum. »j Ernst Majer (Wiirzburg), Das altspanische Obligationenrecht in seinen Grund- ziigen, in Zeitschr. f. vergleichende Rechtswissenschaft, Bd. XXXVIII, S. 31—240 nnd Bd. XXXIX, S. 1—67. — Zur spanischen rechtsgeschichtlichen Literatur vgl. Frh. v. Schwerin, Einfiihrung in das Studium der germanischen Rechtsgeschichte, Frei- burg 1922, S. 177. — Vgl. bez. seiner Altertiimlichkeit Majer a. a. O., Bd. XXXVIII, S. 33: Das spanische Obligationenrecht . . . ist eine sehr altertumliche Form des germani¬ schen Obligationenrechtes ... so ubertriilt das spanische Recht des XII. und XIII. Jahr- hunderts an Urspriingliehkeit bei weitem die anderen germanischen Rechte dieser Zeit, auch die skandinavischen .... s ) E. Majer, Das altspanische Obligationenrecht, Ztschr. f. vgl. Rechtsw., Bd. XXXVIII, S. 239: Die Burgschaften sind alle Jahre zu erneuern, so daB also mit dem Ablauf eines Jahres an sich die Haftung jedes Burgen wegfallen muB. ‘) Bis gegen Ende der Republik waren depositum und commodatum noch nicht klagbar, Biehe Contardo Ferrini, .Stori a e teoria del contratto di commodato nel diritto romano“ in Arch. giur. 52 (1894), S. 469—499, bes. S. 476, 480, 483; G. Segrfe, Sull’ eta dei giudizii di buona fede di commodato e di pegno, in Scritti giur. in onore di C. Fadda, VI, Napoli 1906, S. 331 ff.; Rotondi, Le due formole classiche deli’ actio depositi, in Riv.it. 1908 = Scritti, II, 1 ff., bes. S. 38 ff.; L en el, SZ. 30 (1909), S. 350 Vgl. Kiibler, S. 175; Costa, Storia, 2. Aufl., S. 364 ff. und die dort zitierte weitere Literatur; Cuq, Manuel, S. 444, 446 f.; Declareuil, Rome et l'organisation du droit, Toulouse 1924, S. 259 f.; Girard-Majr, S. 573; Karlo wa, R6m. Rechts¬ geschichte, II, S. 605. 6 ) B i o n d i, Judicia bonae fidei, Palermo 1920, S. 233 ff. Leipziger rechtsw. Studien. Heft 29: Korofiec. 4 50 Gerade von der actio fiduciae berichtet uns aber Paulus 1 * ), daB sie aktiv unvererblich war. Der Kauf war, wie dies aucb bei anderen Volkern auf gleichen Kultur stufen ! ) der Fali ist, in der Regel Barkauf. Der Baaer solite nacb Catos Weisung iiberhaupt mehr verkaufen als kaufen, nnd zwar dann verkaufen, wenn die Ware hoch im Preise steht 3 ), ein Standpunkt, welcher durchaus auf den Barkauf hinweist. Aus ali dem Angefiihrten gebt zur Gentige bervor, daB ahnlich wie in anderen primitiven Rechten. wie im altgermanischen 4 ) und altslawischen 5 ) Recbt, so auch im rdmischen Zivilrecht das Obligationen- recbt eine sebr untergeordnete Rolle spielte und darum aucb wenig entwickelt war. Nocb beute kann man bei den primitiven Volkern Afrikas, die nur im Ackerbau ihren Lebenserwerb finden, beobacbten, wie bei ihnen die Scbuldverhaltnisse nur selten eingegangen werden und nur auf wenige Vertragstypen beschrankt sind. Das Vorberrscben des Tausch- handels und das gegenseitige MiBtrauen, welcbes durcb die Unzulanglicb- keit des primitiven Vollstreckungsverfabrens nocb vergroBert wird, lassen auf langere Dauer berecbnete Recbtsverbaltnisse nur in sebr geringem Umfange aufkommen 6 ). Alle diese Momente waren aucb im romischen Zivilrecht vollauf gegeben. Die Vorherrschaft der Personalexekution ») Pauli lib. II, sententiarum, 17, 15, in Consultatio, 6, 8. Daruber ausfiihrlicher unten S. 82 f. s ) Fiir das altbabjlonische Recht vgl. Hammurabis Gesetz von Kohle r-Peiser- Ungnad-Koschaker, I. Bd., S. 93, 111; V. Bd., S. 121. — tjberall berrsobt weitaus der Barkauf vor. ») Cato, de agri cultura, 2, 7: vendat oleum, si pretium habeat, vinum, fru- mentum quod supersit vendat: boves vetulos, armenta delicula .... et si quid aliud supersit, vendat. Patrem familias vendacem, non emacem esse oportet. 4 ) R. Hiibner, Grundziige des deutschen Privatrechts, 3. Aufl., Leipzig 1919- S. 402 f.: Man kann annehmen, daB wie andere Volker auf primitiver Kulturstufe so auch die Germanen einstmals in Zust&nden gelebt haben, in denen es nur Bargeschšifte gab. Der geringe Verkehr bevregte sicb wesentlich in den Formen des Tauschhandels; . . . BargeschSft und Vertrag deckten sich begrifflich. Ein Hinausschieben der Erfiillung war unbekannt . . . ») Kadlec-Taranovski, Prvobitno slovensko pravo pre X. veka (Das slavische Urrecht vor dem 10. Jabrhundert) S. 87: ,Am wenigsten entwickelt war bei den alten Slawen das Obligationenrecht. Fast alle Bedurfnisse vmrden durch heimische Mittel befriedigt. Die Familie bot ihren MitgRedern nicht nur Nahrung, sondern auch Wasche und Kleidung, ja sogar Waffen vrurden teilweise zu Hause ver- fertigt. * — Nur geringe Entvvicklung des Obligationenrechts tritt noch im Gesetzbuch des Žaren Dušan aus den Jahren 1349 und 1354 zutage; vgl. dazu dessen systematische Bearbeitung von Dr. Metod Dolenc, Zakonik carja Dušana (Das Gesetzbuch des Žaren Dušan), Ljubljana 1925, S. 129 ff. *) Vgl. die von Post, Afrikanische Jurisprudenz, II. Bd., Oldenburg-Leipzig 1887, S. 181—188 angefiihrten Arten von obligatorischen Rechtegeschaften der afrikanischen Rechtsordnungen. — Derselbe, Ethnologische Jurisprudenz, II, S. 597: Aller Handel ist urspriinglich Tauschhandel, vgl. 1. c., S. 631. 51 drangte bei der angeborenen Sorge des Romers um seine Sicherbeit zur auBersten Vorsicbt in der Auswabl des Gegenkontrabenten x ). Zwecks Sicberstellung zog man in der Regel auch Biirgen (sponsor, praes, vas) heran. Anch die Schwierigkeit die geforderten personlicben Sicherheiten zu beschaffen, mufi te auf den AbscbluB von Recbtsgeschaften hemmend eingewirkt haben. Lassen unsere Ausfiihrungen die Annabme zu, daB die Obligationen in der zivilrechtlicben Periode zu den Seltenbeiten geborten, so konnen wir daraus den ScbluB wagen, daB die damalige Schuldenunvererblichkeit volkswirtschaftlicb keine allzu grofie Scbwierigkeiten mit sich bracbte. Dazu kommen zwei weitere Ervvagungen, die das sebroff Befremdende unserer Annahme nocb bedeutend abzuscbwachen geeignet sind. Einerseits folgt aus der rechtlichen Unvererblichkeit nocli dnrcbaus nicbt, daB die Scbulden tatsaeblicb nie bezablt wurden. In dieser Periode baben wir es nocb mit dem gesunden Romertum zu tun, das aucb im Staatsleben * 2 ) es verabscheute, etwas zu bebalten, obne die Gegenleistung dafiir zu entricbten. Es widerspracb sicherlicb dem Recbts- und Ehrgefiib des vorcatonischen Romers, einen bocbaktiven NacblaB zu ubernebmen, die Scbulden des Verstorbenen dagegen unbezablt zu lassen 3 ). Reicbte der NachlaB nicbt aus, so wird es wobl oft zu einem Vergleicb zwiscben den NacblaBglaubigern und dem Erben gekommen sein. Eiir diese Ansicbt bieten uns eine sicbere Stiitze noch einige klassiscbe Stellen 4 ), die den Vergleicb auf eine certa portio erwabnen. Neben dieser ebrlicben Gesinnung des Erben, die Scbulden des Erblassers obne nnmittelbaren rechtlicben Zwang ubernebmen zu wollen, fand man mitunter aucb Mittel und Wege, auf den widerstrebenden Nacbfolger einen mittelbaren Druck auszuuben. Einerseits konnte schon der Erblasser, dem gegen seine sui heredes das ius vitae et necis zustand, seine gewaltunterworfenen Kinder verkaufen, falls sie nicbt willig waren — etwa durcb eine novierende Stipulation — seine Scbuld zu ubernebmen. ') Vgl. die zw8lftafelrechtliche Norm, die die timokratische Ebenbiirtigkeit zum Ausdruck bringt: assiduo vindei assiduus esto (tab. I, 4). Vgl. das Monumentum An- cyranum, wo Augustus von sieh selbst eagt (3, 15): Ezternas gentes quibus tuto ignosci potuit (oTg aarpalkg tjv ovvyvw(ir\v conservare quam exeidere malui. ! ) Plutarch, Pyrrbus, c. 21: Als Pyrrhus obne LSsegeld die kriegsgefangenen RSmer freigelassen hatte, gaben ihm die Komer aus eigenem Antrieb eine gleicbe Anzabl seiner Kriegsgefangenen frei. 3 ) Vgl. die Parallele, die das alteste englisehe Recbt bietet, in dem die Bezahlung der an sich unvererblicben Schulden als religiose Pflicht betraehtet wurde; Holds- worth, A history of English !aw, 11, -3. ed., London 1923, S. 97: On the other hand we may remember . . . tbat the payment of debts was sometimes regarded as a religious duty to be specially attended to by the dying. *) Vgl. z. B.: Scaev. (5. resp.) D. 2, 14, 44; Scaev. (26. dig.) D. 26, 7, 59; Ulp. (4. ed.) D. 2, 14, 7 §§ 17-19. 4 ' 52 Anderseits konnte der Glaubiger, falls er wirklicb obne alle personlicbe und dingliche Sicherbeiten dastand, die Personalexekution durch manus iniectio bis zum Begrabnis gegen den Leicbnam des verstorbenen Scbuldners durcbfiibren und so oft auf sakralrechtlichem Umwege die Erben, ins- besondere die sni beredes, zur Scbuldiibernabme bewegen. Uber diese Leicbnamshaftung wird in einem besonderen Paragrapben zu sprecben sein. Aus ali dem Gesagten folgt deutlicb, dafi, abgesehen von der Seltenbeit der damaligen Obligation, die etwa zu befurcbtenden allzu scblimmen Wirkungen der Obligationenunvererblicbkeit durcb andere begleitende Umstande ausgeglichen wurden. Daber konnen wir mit Riicksicbt auf die Wirtscbafts- und Kulturstufe der zivilrechtlicben Periode die Scbuldenunvererblichkeit als eine keineswegs unertraglicbe Normierung bezeichnen. III. Vermeintliche Quellenbedenken. Nachdem wir den streng personlicben Cbarakter der zivilen Obli¬ gation als den Grand ibrer Unvererblicbkeit dargetan baben, sind nun positive Beweise fiir ihr Bestehen in der zivilrecbtlicben Periode zu er- bringen. Vorber wird es jedocb angebracbt sein, dafi wir uns mit einigen Quellenstellen befassen, die die berrscbende Meinung besonders zu stiitzen scbeinen. Hierher geboren zunachst drei Kaiserreskripte der ausgebenden klassiscben Zeit. Das altesfe unter ibnen, welches undatiert ist, stammt vom Kaiser G o r d i a n (238—244), wabrend die beiden anderen von Diokletian in einer Zwischenzeit von knapp zwei Monaten im Jahre 294 erlassen worden sind. C. 3, 36, 6: Imp. Gordianus A. Pompeio militi. Ea quae in nominibus sunt non recipiunt divisionem, cum ipso iure in portiones hereditarias ex lege duodecim tabularum divisa sunt. C. 2, 3, 26: Impp. Diocletianus et Maximianus Corneliae: Pactum successorum debitoris ex lege duodecim tabularum aes alienum bereditarium pro portionibus quaesitis singulis ipso iure divisum in solidum unum obligare creditori non potest: quod et in honorario suecedentibus iure locum babebit . . . C. 4, 16, 7: Impp. Diocletianus et Maximianus Apolausto: Creditores bereditarios adversus legatarios non babere personalem convenit actionem, quippe cum evidentissime lex duodecim tabularum heredes buic rei faciat obnoxios. Die beiden ersten Reskripte scbreiben somit dem Zwolftafelrecbt eine Norm zu, derzufolge sicb die nomina — Eorderungen und Scbulden — des Erblassers von selbst unter seinen Erben entsprechend den Erbscbafts- quoten aufteilen sollten. Das jiingste unter den drei Reskripten, C. 4, 16, 7, betont im Gegensatz zur (personlicben) Nicbtbaftung der Ver- 53 machtnisnehmer *) die Schuldenhaftung der Erben und will diese selbst ganz offenbar (evidentissime) in den Zwolftafeln begriindet wissen lE ). Die herrscbende Lehre erblickt in den drei Reskripten den sicbersten Beweis fiir die Obligationenvererblichkeit nacb Zwolftafelrecht. Nur dariiber geben die Ansichten auseinander, ob die Dezemviralgesetzgebung die Erbenhaftnng eingefiibrt 2 ) oder nnr genauer geregelt 3 ) oder vielleicht die gewohnheitsrecbtlicbe Norm in eine gesetzliche nmgewandelt 4 5 ) babe. Anderseits fand aber diese Ansicht in der nenesten Romanistik anch entscbiedene Gregner. Bonfante, selbst ein Anbanger der berrscbenden Lehre 6 ), iibt gleichwohl an ihr eine tiefgehende Kritik 6 ). Binder 1 ) erblickt in der Paromie s nomiua ipso inre divisa sunt“ einen Lehrsatz, „den die republikanische Jurisprudenz aus dem Wesen der commnnio einerseits und der Natur der obligatio anderseits entwickelt hat“. *) Da£ hierin der griechische EinfluB, wonach sich die Haftung an den Erwerb des Nachlassos bzw. seiner Teile kniipft, zum Vorsehein kommt, hat scbon Partsch, Griechisches Biirgschaftsrecht, I, Leipzig-Berlin 1909, S. 245 f. A. 3 hingewiesen. *») Ob dieser Gedanke gerade Diokletian zuzuBchreiben ist, erscheint angeaicbts des nicht unverdiichtigen evidentissime (Guarneri-Citati, Indice s. v. evidens, evidenter, Albertario, Sulla dotis datio (Rend. deli’ Ist. Lomb. 58, 1925) S. 7, N. 3) nicht zweifellos. s ) Birkmejer, tlber VermBgen im juristischen Sinne, Erlangen 1879, S. 80: DaB die Verpflichtung des Erben, die Schulden des Verstorbenen zu zahlen, wo sie uns historisch nachweisbar zuerst entgegentritt, viel mehr auf positiver VorBchrift, namlich auf dem Zwolftafelgesetz, und also doch wohl nicht schon auf dem Begriffe des Ver- mSgens, beruhte, ist uns glflcklicherweise wiederholt bezeugt; S. 140: . . . . die Schulden kiinnen eigentlich von der Person des Schuldners nie losgelSst werden; ipso iure gehen sie nur beim Tod des Schuldners nach dem Zw81ftafelgesetz auf den heres liber. Vgl. noch S. 146 und A. 435; S. 206 u. S. 271; Pernice, Labeo, Band I, S. 326: . . es ist freilich nicht iiberliefert, die Annahme liegt aber nahe, daB die Zw5lftafeln nicht nur die Teilung der iibergegangenen Obligationen, sondem diesen tjbergang selbst angeordnet haben. Vgl. ibid. S. 331; Voigt, Die Zw51ftafeln, Band II, S. 362; Girard-Mayr S. 969 und A. 3; bezweifelnd V. Arangio-Ruiz, Corso di istituzioni di diritto romano, Napoli, I, 1921, S. 320; Buckland, A manual of roman pri vate law, Cam¬ bridge 1925, S. 193; Bonfante, Istitutioni, 8. Aufl., S. 369; Kfibler, S. 64; Michon, La succession ,ab intestat*, in NRH. XLV (1921), S. 147. *) Karlova, RG., II, S. 908; Mitteis, RPR., I, S. 98, die das Prinzip auf eine viel frilhere Zeit zuriiekfiihren und S. 74 f. A. 2. 4 ) Costa, Storia, S. 534f.; Bonfante, Scritti I,- S. 297: .... (la legge decemvirale) .... non doveva far altro che ripetere una statuizione sicura e vigente, non sancire un principio nuovo. 5 ) Istitutioni, 8. Aufl., S. 369; Storia del diritto romano, 3. Aufl., I, S. 166. e ) La ,successio in universum iua“ e 1’ ,universitas“ in Scritti I, S. 295 ff. *) Die Plebs, Leipzig 1909, S. 511. — Dagegen Berger, Teilungsklagen, S. 5, A. 6, dem eB unverstandlich erscheint, warum Binder (1. c.) ,das hohe Alter dieses Rechtssatzes nicht anerkennen wiU*. Bemerkenswerterweise bezeichnet Kil bi er, welcher im Texte selbst an dem Alter der Norm keinen Zweifel HuBert (Geschichte des rOmischen Rechts, S. 64) in der Anmerkung (A. 4. daselbst) die von Binder gehuBerten Zweifel als .nicht unbegrlindet*. 54 Kniep 1 ) faBt den Ausdruck „ex lege duodecim tabularum" als „in GemaBheit der Zwolftafeln“ auf. Wie verhalt es sich nun mit der Eehtheit der zvvolftafelrechtlichen Norm, daB „nomina ipso iure dividuntur" ? Vor allem ist zu erwagen, daB der angebliehe Zwolftafelsatz vor den genannten Kaisererlassen des dritten Jahrhunderts nicht bezeugt ist. Nirgends bei den Klassikern findet man anch nnr eine Anspielung auf ihn. Eine Ausnabme machen nnr zwei Stellen von Paulus ■), die iibrigens nicht einmal notgedrungen ‘) Kniep, Gaius, II, 1, S. 188. 2 ) D. 10, 2, 25 § 9 (Paul. 23. ed.): An ea stipulatio, qua singuli heredes in solidum habent actionem, veniat in boo iudicium, dubitatur: veluti si is qui Yiam iter actus (actum Mommsen) stipulatus erat decesserit, quia tališ stipulatio per legem duodecim tabularum non dividitur, quia nec potest. Sed verius est non venire eam in iudicium, sed omnibus in solidum competere actionem et, si non praestetur via, pro parte bereditaria condemnationem fieri oportet. Dieses Fragment behandelt den Fali, daB sich der Erblasser durcb Stipulation eine Wegegerechtigkeit . hatte versprechen lassen. Unter Betonung des umstrittenen Charakters der LOsung spricht Paulus allen Miterben die (aktive) Klagelegitimation zur actio in solidum zu; wenn es im Falle der Nicbterfiillung „in natura* zur Geldkondem- nation kommt, bat jedocb jeder Miterbe nur den Anspruch auf die pars hereditaria. Die bebandelte Stelle ist schon vviederholt fur interpoliert erklart vvorden. Die Angriffe galten hauptsachlich der zweiten Hiilfte vom „Sed verius* an, die von Einigen nur zum Teil, so von Bonfante (Arcb. giur. 85, 145, Zitat bei Guarneri Citati, Obbligazioni indivisibili, Palermo 1921, S. 49, A. 3) und von Sorrentino (Anecdota romana, 1903, Zitat bei Guarneri Citati, 1. c., S. 49, A. 4), von Anderen, so von Eisele (Weitere Studien zum Texte der Digesten, in SZ. 30, 120f.), von Kriiger (Digesta ad h. 1.) und neuerdings von Guarneri Citati (Obbligazioni indivisibili, I, S. 49 ff.) ganz den Kompilatoren zugeschrieben vvurde. Der letztgenannte Gelehrte hat nachgewiesen, daB die Byzantiner die Stelle aucb inhaltlich ge&ndert baben, indem sie die condemnatio pro parte hereditaria einfiigten (o. c. S. 53ff.). Mit Recht hat Guarneri Citati aucb im ersten Teil Spuren der Kompilatorent&tigkeit entdeckt (quia . . . quia, tališ und veluti, die beliebten Ausdrucke Tribonians), (o. c. S. 49 f.) und den Satz ,nee dividitur obligatio* fur interpoliert erkliirt (o. c. S. 53). — Auf den ersten Blick ersieht man, daB Paulus unmoglich die beiden quia-Satze gescbrieben baben konnte. Sprach- licbe Indizien (tališ!), sowie der Umstand, daB fur die Bjzantiner, die im Gegensatz zu den Klassikern bei der Geldkondemnation fur eine Aufteilung pro parte bereditaria ein- traten, es einen Sinn hatte zu betonen, daB sich diese Stipulation nicht von selbst aufteilt, sprechen deutlicb fiir einen Eingriff der Kompilatoren. Der Klassiker hatte wahrscheinlich lediglich auf die Unteilbarkeit der Obligation hingewiesen, deren Leistungsgegenstand eine Wegegerechtigkeit bildet, etvva mit den Worten: quia haec stipulatio dividi non potest. Die Byzantiner, die den jetzigen ersten quia-Satz einfiigten, haben zugleich im zvreiten Satz das non in das ihnen beliebte „nec“ (Guarneri Citati, Indice, S. 42) umgewandelt. Aus ali dem erscheint es auBerst glaubwiirdig, daB der Zusatz [„per legem duodecim tabularum*] den Byzantinern zuzuschreiben ist. D. eod. 25 § 13: Idem iuris est in pecunia promissa a testatore, si sub poena promissa sit: nam licet haec obligatio dividatur per legem duodecim tabularum, tamen quia nihilum prodest ad poenam evitandam partem suam solvere, sive nondum soluta est pecunia nec dies venit, prospiciendum est per cautionem, ut de indemnitate caveat per quem factum fuerit, ne omnis pecunia solveretur, aut ut caveat se ei qui solidum 55 unseren Rechtssatz im Auge haben miissen und die sich bei naherer Be- trachtung als interpoliert erweisen. Es laBt sich ferner mir schwer denken, daB die Klassiker diesen Rechtssatz iibergangen hatten, da sie doch die zwblftafelrechtliche Bestimmung, dafi sich die actio familiae erciscundae auf die nomina nicht erstrecke, so sorgfaltig iiberliefert haben. Zu dieser hatte in klassischer Zeit die Norm: „ nomina ipso iure divi- solverit partem praestaturum: sive etiam solvit unus universam pecuniam quam defunc- tus promittit (promisit Mommsen), ne poena committeretur, familiae erciscundae iudicio a coheredibus partes recipere poterit. War im ersten Fragmente von der Aufteilung einer Forderung die Rede, so handelt es sich hier um die Aufteilung einer Stipulationsschuld, die durch Vertragsstrafe ge- sichert ist. Auch das vorliegende Fragment ist schon vviederholt als interpoliert er- kannt worden, so von Arno (Zitat bei Guarneri Citati, Obbligazioni indivisibili, S. 243, A. 2), P e r o z z i (Istit. 2, 92, A. 5, Zitat bei Guarneri Citati, 1. c., S. 243, A. 3), B e s e 1 e r (Beitrage 2, 113 und 3, 9f.), von Schulz (Einfuhrung in das Studium der Digesten, Tiibingen 1916, S. 92 ff.) und von G u a r n e r i Ci t a ti (Obbligazioni indivisibili, S. 492 ff.). Wie Schulz (1. c.) und Guarneri Citati (1. c.) dargetan haben, haben die Kompilatoren hier die klassische Lehre gekndert, indem sie den Zusatz [ut de indemnitate — caveat se] und [partem praestaturum] in den klassischen Text eingeschoben haben. Fiir die im Zeitpunkt des Teilungsprozesses noch ausstehende Schuld, die mit einer Vertragsstrafe gesichert war, gestattete Paulus, daB man demjenigen von den Miterben, der die ganze Schuld bezahlt, durch Kaution die Riickforderung der Schuldanteile der fibrigen Mit¬ erben sicherte; dagegen befreite ihn das Abtragen bloB des eigenen Schuldanteiles nicht von der Vertragsstrafe. Wollte der Erbe nach klassischem Recht der Vertragsstrafe entgehen, so muBte er die ganze Schuld des Verstorbenen bezahlen, und erst dann konnte er von den Miterben fiir deren Schuldanteile RegreB nehmen. Die Byzantiner gew&hrten jedoch dem Miterben, der seinen Schuldanteil bezahlt hatte, jedoch infolge der Nicht- bezahlung der Schuldanteile der iibrigen Miterben von der Vertragsstrafe getroffen wurde, die Kaution fiir den gezahlten Teil der Vertragsstrafe. Somit lieB das klassische Recht nur den Miterben, der die ganze Schuld bezahlt, das justinianische auch denjenigen, der bloB seine pars hereditaria abgetragen hatte, der Vertragsstrafe entgehen; man sieht, wie das justinianische Recht in der Durchfiihrung des Grundsatzes von den „nomina ipso iure divisa“ auch hier selbst iiber die sp&testen Klassiker hinausging. Die Spuren der Kompilatorentatigkeit glaube ich jedoch auch im Vorhergehenden entdecken zu kOnnen. Ihnen diirfte der Satz [licet haec obligatio dividatur per legem duodecim tabularum, tamen] zuzuschreiben sein; einerseits spricht dafiir der beliebte Tribonianismus ,licet — tamen“ (vgl. Guarneri Citati, Indice, S. 38), anderseits die iibertriebene Haufung von Partikeln „nam licet .... tamen quia“. Die Interpolations- annahme steht sodann im Einklang mit den vorher besprochenen Darlegungen von Schulz und Guarneri Citati. Durch die Gevvahrung der Kaution hat Tribonian dem Satz von den ,nomina ipso iure divisa“ auch fiir die Vertragsstrafe zur praktischen Geltung verholfen. Da er jedoch im klassischen Recht „nihilum prodest ad poenam evitandam partem suam solvere' das Gegenteil zu stark betont vorfand, versuchte er dies abzuschwii,chen, indem er die Aufteilung der Obligation eigens hervorhob und so seiner Neuerung die Wege ebnete. Daher kann der Satz von [licet — tamen] nur von den Kompilatoren herriihren; seine Ausscheidung gestaltet auch den Text einfacher und zusammenhangender. Auf den ersten Satz folgt die Begriindung (quia nihilum prodest.... solvere), worauf die beiden Fiille (sive nondum soluta est pecunia nec dies venit. sive . . . solvit unus universam pecuniam) unterschieden vvurden. 56 dantur" doch eine logische Erganzung gebildet; etwas Derartiges hatten alle Klassiker sicherlich nicht verschwiegen. Wieso gab man aber als Quelle der Norm von der Scbuldenteilnng das Zwolftafelrecht an? I)ie Zwolftafeln galten den Ro m er n als fons pnblici privatique iuris 1 ). Wollte man eine Recbtsnorm als eine zweifels- frei dastebende bezeicbnen, so fiibrte man sie oft auf das Zwolftafelrecht zuriick. So erklarte Justinian die von ihm geschaffene Norm, derzufolge das Eigentnm an einer verkauften nnd ubergebenen Sacbe erst nacb Zahlung, Sicherstellung oder Kreditierung des Kaufpreises iibergeht (J. 2, 1, 41), als eine Bestimmijng der Zwolftafeln, wahrend wir heute auf Grund der Eorschnngen von Pringsheim 2 ) wissen, daB diese Norm mit klassiscbem Recht nocb nnvereinbar ist. Nacb alledem, was wir von der Uberlieferung des Zwolftafeltextes wissen 3 ), erscbeint es ansgescblossen, daB dem Juristen, der das Reskript Gordians abgefaBt bat, der TJrtext nocb vorgelegen batte. Welche Ande- rungen an diesem bei der Restaurierung nacb dem galliscben Brande, vielleicht ancb unbeabsicbtigt, vorgenommen wurden, entziebt sicb nnserer Beurteilnng. Als sicher kann gelten, daB er scbon den Juristen der ausgehenden Republik, vielleicbt auch den Grammatikern, nicht mebr zur Vorlage diente 3 *). Aus einer AuBerung Ciceros 4 ) konnen wir so- dann feststellen, daB um das Jahr 52/51 v. Chr. in den Schulen selbst das Einuben des abgeschliffenen und modernisierten Zwolftafeltextes auf- gegeben wurde. Es war aucb nicht anders moglich. Angesicbts der regen Tatigkeit des Prators sowie der aufbliihenden Jurisprudenz trat scbon im letzten Jabrbundert der Republik die Dezemviralgesetzgebung immer mehr hinter das lebensfriscbe biegsame Amts- 5 6 ) und Juristenrecbt zuriick. Diese Tatsache findet ibre Bestatigung in dem abnebmenden Interesse ftir die wissenscbaftlicbe Bebandlung der Zwolftafeln. Haben sich in der vorklassiscben Periode zwei oder gar vier Antoren dieser Aufgabe gewidmet, so befaBten sich damit in der klassischen Periode nur nocb Labeo und Gaius. tihrigens war die Norm der Aufteilung der Scbulden und Forde- 1 ) Liviu8, 34, 6. *) Der Kauf mit fremdem Geld, Leipzig 1916, S. 69f., S. 169; dazu Mitteie, in SZ. 37, 369 fi. s ) Vgl. K r u g e r, Quellen, SlOg.; De Franciaci, Storia del diritto romano, I, S. 203 g. s ») K r fl g e r, Quellen, S. 11 und daselbst A. 18; De F r a n c i s c i, o. c., S. 203. 4 ) Cicero, de legibus 2, 23, 59: discebamus enim pueri XII, nt carmen necessarium; quas iam nemo discit. 6 ) Zu Ciceros Zeiten sah man scbon das pr&torische Edikt als die praktisch wicb- tigste Quelle des geltenden Privatrechts an, vgl. Cicero, de legibus, 1, 5, 17 (KrOger, Quellen, S. 36 und Anm. 13). 57 rungen unter die Erben schon Cicero bekannt 1 * ). Er batte als Schul- knabe den Zwolftafeltext erlernt, und bekannt ist seine Vorliebe, den zwolftafelrechtlichen Ursprung der von ihm iiberlieferten Normen zu be- tonen a ). Deshalb sind wir wohl berechtigt, aus dem Mangel jedes Hin- weises auf den zwolftafelrecktlichen Ursprnng der Teilungsnorm darauf zu schliefien, daB auch der (modernisierte) Zwolftafeltext zur Zeit Ciceros eine derartige Norm nickt enthielt. Sodann ist es wicktig festzustellen, daB der Ausdruck „nomina“ in den erhaltenen Zwolftafelbestimmungen sonst nirgends vorkommt, ein Umstand, der zu der gesehilderten Wirtschaftsstufe der damaligen Zeit durchaus paBt. Ubrigens ist es auck unwahrscheinlich, daB das Zivil- reckt von der Aufteilung der „nomina“ und nicht von derjenigen der „actiones“ gesprochen batte. Auch dieser Umstand laBt den zwolftafel- recbtlicben Ursprung der so formnlierten Teilungsnorm recbt fraglich erscbeinen. Ferner zeigt uns der ZivilprozeB, daB die Norm von der automatischen Aufteilung von Scbulden und Forderungen des Erblassers nicbt dem Zwolftafelrechte angehorte. Hinterliefi namlich der Verstorbene mehrere Erben, so muBte sicb ein Grlaubiger des Verstorbenen die Aufteilung seiner actio auf mebrere Teilaktionen keineswegs gefallen lassen. Er konnte vielmehr verlangen, daB alle Erben gemeinsam bandelten oder zu diesem Zwecke einen gemeinsamen cognitor ernannten 3 ). Erwagt man, daB im romischen Recbt das Prozessualrechtliche dem Materialrechtlichen vorgebt, so siebt man leicbt ein, daB die tatsachliche Bedeutung dieses angeblich zwolftafelrechtlichen Rechtssatzes nur gering war; eine Auf¬ teilung in Teilaktionen ware docb die natiirliche und wichtigste Wirkung des „nomen ipso iure divisum“. Dieses Uberwiegen der prozessualen Norm iiber die materialrechtliche in klassischer Zeit zeigt aber auch, daB die Teilungsnorm jiinger ist; hatte sie dem Zwolftafelrecht angebort, so batte sie wohl die Aktionenteilung zur Folge gebabt, da sie sonst in der damaligen Zeit kaum einen anderen Sinn hatte baben konnen. Da sie aber nun eine Schopfung der Jurisprudenz gewesen sein diirfte, ver- mocbte sie die zivilen Vorschriften von der Nichtaufteilung der Aktionen nicbt abzuandern. Wie soli man sicb nun die Entstehung der Norm von der auto- matiscben Aufteilung der nomina unter die Miterben erklaren? Man kann allerdings nur eine Hypothese anfstellen, ohne daB sicb aus ihrer Cicero, Pro Q. Roacio Comoedo, 18, 55: Text siehe oben S. 8 f. s ) Beiepiele bei Brune, Fontesj S. 17 ff., hier m6gen nur einige Stellen angegeben werden: de officiis, 1, 12, 37; 3, 15, 61; 3, 16, 65; de legibus, 1, 21, 55; de re publica, 4, 10, 12; Tusc., 3, 5, 11; 4, 2, 4; pro Tuli., 20, 47; de invent., 2, 50, 148. 3 ) Paulus (12. Sab.) D. 10, 2, 48 und Ulpian (77. ed.) D. 46, 7, 5, 7. Vgl. Koscha- ker, Translatio iudicii, Graz 1905, S. 239—305, besonders S. 268ff. 58 eventuellen Unrichtigkeit die Echtheit des zwolftafelrechtlichen Ursprunges der besprochenen Stelle ergeben wiirde. Die Bestimmung von den „nomina ipso mre divisa“ entstand vor dem Zeitalter Ciceros. Die alten, durch das Zwolftafelrecht eingefiihrten: actio familiae erciscundae und actio communi dividundo waren — den Zustanden ihrer Entstebungszeit entsprechend — nur au£ die Teilung von NachlaBsachen zugeschnitten. Dies abzuandern, widersprach dem romischen gesetzgeberischen Konservativismns. Um jedoch das Recht mit den neuen Wirtschaftsverhaltnissen in Einklang zu bringen, griff man spater znm beliebten Mittel des „argumentum a contrario“. Anf diese Weise hat man anderwarts aus dem Satze: „si pater filium ter vennm danit, filius a patre liber esto u , als man ibn bei der Adoption and Emanzipation verwendete, geschlossen, daB nur beim filius familias drei- maliger Verkauf notwendig sei, wahrend bei den iibrigen Gewaltunter- worfenen der einmalige geniige. Ahnlich hat man aus der Bestimmung, daB man den filius familias nominatim enterben miisse, aucb die Vorscbrift herausgelesen, daB fiir die iibrigen personae alieni iuris die exheredatio inter ceteros binreicbe. Ebenso wird auch die gegen Ende der Republik aufbliihende Jurisprudenz im Gegensatz zu den auf den sachiichen NachlaB sich beschrankenden Teilungsklagen die Rechtsregel geschaffen baben, daB die Scbulden und Forderungen, weil sie von der Erbschaftsteilungsklage nicbt erfaBt werden konnten, sich eben von selbst unter die Erben aufteilen sollten. Genauer laBt sicb die Entstehungszeit der Norm allerdings nicht bestimmen, ebensowenig kann man etwas Sicheres dariiber sagen, ob dabei aucb eine Beeinflussung seitens des griecbischen Rechts stattgefunden hat, das an diesem Grund- satz entschieden festhielt'). Allzuweit wird man sie jedoch nicht iiber Cicero hinaus zuriickverlegen diirfen, weil sich dies mit der gesamten Kultur- und Wirtschaftsentwicklung nicht gut vereinbaren laBt. Ubrigens laBt sich auf Grund der vorhandenen Rechtsquellen fest- stellen, daB man vor Gordian diese Teilungsnorm nie dem Zwolftafel- recht zuschrieb. Ein Reskript vom Caracalla aus dem Jahre 212 (C. 8, 35, 1) fiihrt sie auf eine a n t i q u a lex zuriick, wahrend sie acht Jahre vorher Severus (C. 4, 2, 1) noch als exploratum ius bezeichnet. Nun wird es leicht verstandlich, daB der Reskribent, der in dem ihm wohl bekannten Reskripte des Caracalla die Ableitung der Teilungsnorm aus einer antiqua lex vorfand, nunmehr in einem Schreiben an den Aus- kunft begehrenden Soldaten Pompeius diese „antiqua lex“ durch die Zwolftafeln ersetzte. Eine derartige Anderung ist auch fiir einen kaiser- ‘) Fiir das attische Recht: Beauchet, Le droit prive de la republique Athenienue, III, Pariš 1897, S. 635, 654f. —Fiir das grako-agyptische Recht: Kreller, Erbrecht- liche Untersuchungen auf Grund der graeco-&gyptischen Papyrusurkunden, S. 15, 50 ff. 59 lichen Juristen zur Zeit Gordians durchaus verzeiklich. Es war doch schon mit Septimius Severus der orientalische Despotismus in Rom ein- gebrochen, welcber auf das alte Romertum und daher auch auf die Aus- einanderhaltung der alten, langst versiegten Rechtsquellen keinen groBen Wert mehr legte. Deshalb verwiscbte sicb die Unterscbeidnng zwiscben dem Zwolftafelrecht nnd dem spateren, sei es auf dem Wege der Gesetz- gebung, sei es auf dem Wege der Rezeptiou 1 ) aus dem Honorarrecht neu hinzugewachsenen Recht. So glaubte auch der kaiserlicbe Reskribent, dem es auf eine genaue Quellenangabe nicbt ankam, seiner Entscbeidung den groBten Nacbdruck dadurcb zu verleihen, daB er eine Norm, die er als sicher bezeicbnen wollte, dem Zwolftafelrecht zuschrieb 2 ). In nnserer Ansicht werden wir bestarkt, wenn wir die drei Reskripte miteinander vergleichen. Das Reskript von Gordian (63, 36, 6) sowie das altere von Diokletian (C. 2, 3, 26) schreiben den Zwolftafeln den Rechts- satz zu: „nomina ipso iure dividuntur“. Das jiingste unter ibnen (C. 4, 16, 7) gebt aber schon einen Scbritt weiter und will die Schuldenhaftung der Erben als solcbe in den Zwolftafeln angeordnet wissen. Scbon bierin siebt man deutlicb eine Entwicklung. Daber ist es leicht moglich, daB aucb die Quellenangabe im Reskript Gordians auf die dargelegte Weise entstand. Aus allen diesen Ausfiihrungen folgt zur Geniige die Unhaltbarkeit des zwolftafelrechtlicben Ursprungs der Recbtsnorm: „nomina ipso iure sunt divisa". Der Rechtssatz begegnet uns zuerst im letzten Jabrbundert der Republik, von Gordian wird er jedocb den Dezemviren zugeschrieben. In der Tat handelt es sicb aber bei dieser Norm, wie wir saben, um eine logische Erganzung der zwolftafelrecbtlicben Teilungsklagen, welcbe die Obligationen nicbt erfaBten und den Bediirfnissen der neuen Geld- und Kreditwirtscbaftsperiode nicbt mebr genugten. Nocb weniger bedenklich erweist sicb fiir unseren Standpunkt eine Aufierung des G a i u s , der gleicbfalls in der Bebandlung der usucapio pro herede (2, 55) die Schuldenvererbung in die alteste Zeit zuriick- zuverlegen scheint: Quare autem omnino tam inproba possessio et usucapio con- cessa sit, illa ratio est, quod uoluerunt ueteres maturius bere- ditate 3 adiri, ut essent qui sacra facerent, (juorum illis tem- poribus summa obseruatio fuit, ut et creditores baberent, a quo suum consequerentur. ‘) Vgl. M i 11 e i s, RPR., I, S. 54 ff. 4 ) AhnlicR bezeichnete man im Mittelalter vor der Rezeption die Bestimmungen des rOmischen Rechts einfacb als ,lex“, „mos anticus“, „mos antiquorum“. Vgl. die Notariatsformeln des 9. und 10. Jahrhunderts bei G a r a u d, Le droit romain dans les chartes Poitevines du IX« au XI« sižcle, in Melanges Cornil, I, S. 399ff., bes. S. 404f. 60 Nadi Gams hatte auch die Sorge um die Sicherstellung der Glaubiger einen Grund zur Einfiihrung der usucapio hereditatis gebildet. Dies steht mit der wirtscliaftliclieii and kulturellen Lage der Zeit nicht im Einklang. Die Erbschaftsersitzung spielte ikre groBte Rdle im friihen Zivilrecht, als die Schulden noch unvererblich waren. DaB Gaius von dieser alten zivilen Sckuldenunvererblickkeit nickts mekr wufite, brauekt uns keinesivegs vvunderzunehmen. Zwiscken ikm und dem AbsckluB der Zivilrecktsperiode lagen volle drei Jakrkunderte, ein Zeitraum, das auek der modernen Menschheit manckes unverstandlich ersckeinen laBt oder gar ikrer Erinnerung entziekt. Ein geradezu drastisckes Beispiel bietet uns in dieser Hinsickt Ciceros Freund Trebatius * *), der von der nock hundert Jakre vor seiner Zeit bestehenden aktiven Unvererblichkeit der actio furti nickts mekr vvufite und eine derartige Rechtsregelung fiir vollig unmoglick kielt. Gaius wuBte wokl, daB die Erbschaftsersitzung mit der Erkaltung des hauslichen Kultes, der sacra, aufs engste verbunden war 2 ); darum brackte er die Einfiihrung der Erbschaftsersitzung in engste Beziehung mit der Besorgung der sacra. Diese katten jedoch, wie er selbst darlegt (olim), zu seiner Zeit an Bedeutung vollig verloren s ), tvahrend in dieser Zeit die Schuldenkaftung eines der wichtigsten Erbrecktsprobleme bildete. Auck der Erbschaftsersitzung scklug zu Gaius’ Zeiten die Todesstunde 4 ). Unter solchen Umstanden darf es uns nickt befremden, daB Gaius auck die Bedeutung sowie die einstige Rolle der Erbschaftsersitzung nicht erfafite und darum ikre Entstekung auf die Sicherung der sacra sowie auf das Bestreben zuriickfiihrte, die Glaubiger des Erblassers sicher- zustellen. Somit erscheint der Versuck von Kniep 6 ), in dem Satze »ut et creditores kaberent, a quo suum consequerentur“ einen spateren nack- gaianiscken Zusatz zu erblicken, mit besonderem Hinvveis auf die un- bequeme Wortstellung »ut et“, als uberfliissig. Die Verwechslung beider Partikeln, die nur in den Vokalen voneinander abiveichen, konnte ebenso- gut einem spateren Absckreiber unterlaufen und brauekt keinesvvegs als ‘) Cicero, ad familiares, 7, 22; liber die Stelle ausfubrlicher unten S. 80 ff. s ) Hieruber weiteres bei der hereditas sacrorum, S. 94 ff. *) Cfr. auch Festus, de verb. signif. 290. *) (iai. 2, 57: ... ex auetoritate diui Hadriani senatus consultum faetum est, ut tales uaucapionea reuocarentur; et ideo poteat heres ab eo, qui rem uaucepit, hereditatem petendo proinde eam rem consequi, atqui si usucapta uon eseet. 58. Necessario tamen herede extante nihil ipso iure pro herede usueapi potest. — Marcianus (3 inst.). D. 47, 19, 1: Si quis alienam hereditatem expilaverit, extra ordinem solet coerceri per accusa- tionem expilatae hereilitatia, sicut et oratione divi Marci cavetur. *) Kniep, Gaius II, 1, S. 21 und S. 198: „Hier tritt uns die Auffassung einer spateren Zeit entgegen.“ 61 ein Beweis der spateren Erganzung angesehen werden. Dies um so weniger, als es auch scb.on mit Riicksicht auf Ctai. 4, 112—113 un- zweifelhaft erscheint, daB zu Gaius’ Zeiten die allgemeine Yererblicbkeit von Kontraktsaktionen anerkannt war. IV. Rechtsvergleichung. Wie die recbtsvergleicbenden Forschungen zeigen, steht das romische Zivilrecht mit seiner Obligationenunvererblicbkeit nicht vereinzelt da. Vielmehr begegnen wir in zablreicben Recbtsordnungen der Auffassung „daB die Verbindlichkeit am Leibe des Scbuldners baftet und mit seinem Tode erlischt" * 1 * * ). Dies trifift jedoch vorwiegend bei Volkern zu, die wirtscbaftlich und kulturelJ ungefahr auf derselben Entwicklungsstufe steben, wie die Romer der beginnenden Zwolftafelrechtsperiode. So er- loschen die Scbulden beim Tode des Scbuldners im altesten engliscben s ), im alten deutschen s ) Recbte, eine Erscbeinung, zu welcher die groBe Verbreilung der Leicbnamsbaftung die Erganzung bildet 4 ). Ebenso laBt sicb die Scbuldenunvererblicbkeit fiir einzelne spatiische Rechts- ordnungen (Aragonien, Navarra) 5 ) feststellen. Weitere Beispiele bieten uns die Recbtsordnungen einiger afrikaniscber Stamme, die zum Teil noch beute an der Scbuldenunvererblicbkeit festhalten. Es sei bingewiesen auf das Recbt von Angoy 6 ) 7 ) und auf das von Akkra 6 ). Die rechtsvergleicbenden Forschungen ergeben iiberbaupt beziiglich der Regelung der Erbenhaftung in den einzelnen Recbtsordnungen ein recbt buntes Bild. Von der unbedingten Scbuldenbaftung bis zu ibrer volligen Unvererblicbkeit sind die verschiedensten Abstufungen ver- >) Paul Wilutzky, Vorgeschichte des Rechts, Breslau-Berlin 1903, II. Teil, 4. Buch, S. 150. *) Holdsworth, A history of English law, 3. Aufl., London 1922—1926, vol. I, S. 628; vol. II, S. 97; cfr. auch vol. III, S. 572 ffl.; Pollock-Maitland, The history of English law before the time of Edwari I., 2. Aufl., 2. Band, Cambridge 1898, 5. 258. — Fiir das Recht von Wales vgl. Post, GrundriB der ethnologischen Juris- prudenz, II, S. 623 undWilutzky, 1. c., S. 150. — Die Bezahlung der Schulden wurde auch im englischen Recht als Erfiillung einer religiosen Pflicht aufgefaBt. Siehe Holdsvvorth, 1. c. II, S. 97, Test oben S. 51, A. 3. ’) H e u s 1 e r , Institutionen des deutschen Privatrechts, II, Leipzig 1886, S. 547 f. *) Hieriiber ausfiihrlicher sp&ter bei der Besprechung der Leichnamshaftung. s ) Ernst M a y e r , Das altspanische Obligationenrecht in seinen Grundziigen- in Ztschr. f. vergleichende Rechtsvvissenschaft, Band 38, S. 72, A. 86: allerdings hier nur fiir Schuldverhaltnisse zwischen Juden und Christen. Derselbe, o. c. Band 39, S. 30, Anm. 20; vgl. Eduard de Hincjjosa, Das germanische Element im spanischen Recht, in Sav. Zeitschrift, German. Abtl., 31. Band (1910), 8. 350f. und Anm. 1 auf S. 351. *) Post, Afrikanische Jurisprudenz, II, S. 17 f. ’) J. K o h 1 e r und O. G e r i c k e, Zur Rechtsgeschichte Afrikas (Der Bericht von P. Ant. Zucchelli 1715), Ztschr. fiir vergl. Rechtsvvissenschaft, Band 34 (1916), S. 266. 62 treten ! ). So braucht es uns auch von diesem Standpunkte aus nicht vrunderzunehmen, wenn das romisehe Zivilreeht vollig im Einklang mit der Eigenart der streng personlichen Obligation die Sckulden beim Tode des Schuldners untergeken lieB. DaB wir fiir die Unvererblichkeit der Schulden nicbt noch weitere Beispiele anzufiibren vermogen, ist letzten Endes aucb auf den Umstand zuriickzufiihren, daB es sicb hierbei um primitive, jun ge Kulturen handelt, iiber die sich uns nur kargliche Uberlieferungen erhalten haben, was insbesondere mit der spaten Yerwendung der Schrift zusammenhiingt; auch das romisehe Zwolftafelrecht erwahnt die Schrift niemals. In der Zeit jedoch, als man auf eine hohere Stufe gelangt war, gab man wohI oder iibel die Unvererblichkeit auf, und darum wissen wir ebenso wie bei anderen Rechtsordnungen auch beim romischen Recht so wenig von den alteren Zustanden. Auch das romisehe Recht mufite im Laufe der Entwicklung den Bediirfnissen des sicheren und gesunden Rechtsverkehrs, der mit der zu- nehmenden Wirtschaftsentwicklung sich immer reger gestaltete, allmah- lich den zivilen Standpunkt der Schuldenunvererbliehkeit aufgeben. Darauf kommen wir im zweiten Teil unserer Abhandlung zu sprechen. V. Die einzelnen Beweise fiir die Unvererblichkeit der Schulden. Bedenkt man, wie weit diese Ubergangszeit vor der Entstehung der uns vorliegenden Rechts quellen liegt, so kann man leicht begreifen, dafi die Spuren der alten zivilrechtlichen Normierung sehr selten sind. DaB sich iiberhaupt solche Spuren erhalten haben, ist lediglich dem Uin- stande zuzuschreiben, dafi diese Rechtsinstitute bei jener Rechts- und Gedankenumwandlung in der Praxis als obsolet erschienen, da sie meistens schon durch jiingere Rechtsinstitute allmahlich ersetzt worden waren (sponsio und fideipromissio durch fideiussio); darum erachtete es weder der Prator noch die Respondierjurisprudenz fiir notig, an ihrer alten Struktur etwas zu andern. Als direkte Beweise fiir die zivile Unvererblichkeit der Schulden konnen wir die sponsio und fideipromissio sowie die Stipulation anfiihren. Bei jenen wird uns die Unvererblichkeit noch fiir die klassische Zeit be- zeugt. Dagegen haben sich uns in der Erbschaftsteilungsklage (actio familiae erciscundae), in der capitis deminutio und im Manzipations- testament indirekte Beweise fiir die Richtigkeit unserer These erhalten. AUe diese Beweise sollen in den folgenden zwei Paragraphen ausfiihr- licher erortert werden. ‘) Post, Ethnologiscbe Jurisprudenz, II, S. 206—209; Wi 1 u t z k y, Vorgeschichte des Rechts, II. Teil, S. 150 ff. 63 Hier soli n ur kurz auf den urspriinglichen Charakter der alten Obligation hingewiesen werden. Die typischen Obligationen der friihen Zivilrecbtsperiode treten uns mit einem deliktischen, ponalen Anstrich entgegen. Mag auch die herrschende Meinung l ), wonach die Delikts- obligation den Ausgangspunkt fiir die Entstebung der Obligation gebildet hatte, etwas zu weit geben 2 ), soviel erscbeint sicber, daB man in der altesten Zeit zwischen Delikt und Kontrakt noch nicht unterschieden bat 3 ). Die Strenge des Legisaktionenverfahrens lafit deutlich durch- blicken, daB man in der Nicbteinhaltung des Vertrages den Bruch der fides, ein Delikt erblickte. Naturlicb war man sicb der Delikts- obligation als solcher nicht bewufit, da eben das entsprechende Korrelat — die Kontraktsobligation — feblte. Diese Spaltung- erfolgte erst allmah- licb; eine wichtige Stufe bildete dabei das Poeteliscbe Gesetz 4 5 ), das selbst in der mangelhaften Uberlieferung 6 ) deutlich den Unterschied zwischen der Bebandlung derer, „qui noxam meruerunt“ und der Be- handlung der iibrigen Scbuldner ziebt. Die Annabme Cost as 6 ), dafi auf diese Entwicklung auch die aristotelische Unterscheidung zwischen *) R a b e 1, Grundziige des romischen Privatrechts in Holtzendorffs Enzyklopadie der Rechtswissensohaft, 7. Aufl., 1. Bd., S. 455; Mitteis, tlber die Herkunft der Sti- pulation, Festschrift fiir Bekker, S. 114; Derselbe, RPR.,1, S. 97; Girard-Mayr, S. 423; E. Alberta rio, Le azioni penali (Preigranima), Pavia 1915, S. 3; Derselbe, Le fonti delle obbligazioni e la genesi deli’ art. 1097 del codice civile, in Rivista del diritto commerciale e del diritto generale delle obbligazioni, vol. XXI (1923), parte prima, S. 496 f.; We n g e r , Das Recht der Griechen und R6mer, S. 236. ») Dagegen vor allem: E. Betti, Le fonti d’ obbligazione e i problemi storiei della loro elassificazione, Modena 1925, im Arobivio giuridico, 93, fasc. 2 (zitiert nach dem Separatabdruck), S. 4 und S. 53; V. A r a n g i o - R u i z , Corso di istituzioni, S. 166, cfr. S. 164 f.; De Francisci, Storia del diritto romano, S. 333: L’ obligatio primitiva ha quindi — a mio credere — per esclusiva fonte il contractus. Vgl. auch Juncker, in der Gedachtnisschrift fur E. Se okel, Berlin 1927, S. 216 f. s ) S i b e r, Geschichtliches und Rechtsvergleichendes iiber die Haftung fiir Nach- laBschulden, S. 13. *) Literatur: Kleineidam, Beitrage zur Kenntnis der lex Poetelia, in der Festgabe fiir F. Dahn, II, Breslau 1905, S. 1 ff.; Erman, in SZ. 26, 556; Kretsch- mar, in SZ. 30, 63;Wenger, ZP., S. 215 f. und A. 10. 5 ) Livius, 8, 28, 8: iussi consules ferre ad populum, ne quis, nisi qui noxam meruisset, doneč poenam lueret, in compedibus aut in nervo teneretur, pecuniae creditae bona debitoris, non corpus obnoxium esset. — Das Gesetz will offenbar das „in compe¬ dibus aut in nervo teneri' nur noch auf diejenigen „qui noxam meruerunt", also die Deliktsschuldner, beschrankt wiseen. Ansonsten (somit vorwiegend beiVertragsbeziehungen) soli das Fesseln und die Glaubigerhaft nicht zur Anwendung kommen. Hier begegnen wir somit zum erstenmal klar der Unterscheidung zwischen Delikt und Kontrakt. — DaB der Satz „bona, non corpus obnoiium ekse‘ nicht die Abschaffung der Personalvollstreckung, sondern nur einen in Zukunft allmahlich zu verwirklichenden Grundsatz aussprach, kann angesichts der spitteren Entwicklung keinem Zweifel unterliegen; vgl. Kleineidam, 1. c. S. 19 ff. e ) Costa, Storia, 2. Aufl., S. 415f. 64 den oviaU.d'/i.La%a enovoca and dxoioia einen EinfluB geiibt habe, erscheint mir nicht unbegriindet. In diesem Zusammenhang konnen wir auch darauf binweisen, daB sicb der Kontraktsbegriff erst im zweiten Jabr- bupdert unserer Zeitrechnung heransgebildet bat, wabrend vorber das Wort „contractus“ nie in diesem Sinne angewandt wurde 1 ). Fiir die Riebtigkeit dieser Anscbauung spricbt ferner die Zusammenstellung der im Aquilischen Gesetz geregelten Eechtsmaterien. Neben der Haftung des Adstipulators wird die des Bescbadigers der fremden res mancipi geregelt. Wir seben durcb alle diese Einzelbeiten unsere Annabme bestatigt, daB die zivilrecbtlicben actiones in personam einen deliktiscben Anstricb batten. Die passive Unvererblichkeit von den actiones poenales ex maleficio galt aber nocb zu Gaius’ Zeiten als eine certissima iuris regula (Gai. 4, 112). Diesen Standpunkt finden wir nicbt bloB bei Gaius aus- gesprocben, sondern ancb bei anderen Klassikern, die die Unvererblicb- keit der einzelnen actio mit dem Hinweis auf ibren ponalen Charakter vertreten a ). Scbon daraus, dafi nocb im dritten cbristlicben Jabr- bundert die Deliktsaktionen unvererblicb waren, konnte man fiir die Zeit, als die Untersebeidung zwiscben den Delikts- und Kontraktsaktionen nocb nnbekannt war und alle actiones in personam einen deliktiscben Anstricb trugen, mit grofier Wahrscheinlicbkeit auf die Unvererblicbkeit aller Aktionen in der Zeit scbliefien. Auch andere Aktionengruppen, uber deren Alter ein begriindeter Zweifel kaum moglicb ist, wie Noxal- und Popularaktionen, sind noch in der Folgezeit unvererblicb *). Daraus erseben wir, daB die Unvererblicbkeit der wicbtigsten Aktionengruppen der Zivilrecbtsperiode uns durcb klassiscbe Quellen- belege direkt bestatigt wird, wabrend wir fiir die anderen ibre Unver¬ erblicbkeit auf indirebtem Wege zu erbart.en vermogen. Zu diesem Zwecke ist es insbesondere notwendig, daB wir uns etwas ausfiibrlicber mit der Sponsion und Stipulation befassen. *) Bonfante, Scritti giuridici varii, III, Sulla genesi e 1’ evoluzione del con- tractu8, S. 107 ff., bes. S. 112ff. Riccobono, Fasi e fattori deli’ evoluzione del diritto romano, in Melanges Cornil, II, S. 307, Nr. 28. 2 ) Siebe die oben S. 3, A. 1 und S. 4, A. 2 angefuhrten Beiepiele. s ) Popularaktionen: D. 47, 23, 8 (Ulp. 1. ed.): Omnes populares actiones neque in keredem dantur neque supra annum extenduntur. — Noxalaktionen: D. 9, 4, 42, 2 (Ulp. 37. ed.): Hae actiones perpetuae sunt.: nec tantum nobis vevum etiam succes- soribus nostris competent, [item adversus successores, sed non quasi in successores, sed iure dominii] .... Vgl. auch D. 9, 1, ], 17 (Ulp. 18 ed.). Biondi, Actiones noxales, Cortona 1925, S. 38 f., halt mit Recht den Zusatz [item — dominii]. Ebenso kann man ihm nur zustimmen betreffs des D. eod., 7 pr., wo er den Zusatz [et hores tenetur] den Kompilatoren zuscbreibt. 65 § 5. „Sponsio“ und „stipuIatio“. I. S p on si o. Eine starke Stfitze fiir die zivile TJnvererblichkeit der Schulden liefern uns die beiden alteren Biirgschaftsformen: die sp on si o nnd fidepromissio. Ibre TJnvererblichkeit wird bei Gams zweimal bezeugt: so Gai. 3, 120: Praeterea sponsoris et fidepromissoris heres non tenetnr, nisi si de peregrino fidepromissore quaeramus, et alio iure cinitas eins utatur; fideiussoris autem etiam heres tenetur. und Gai. 4, 113: . . . sed et sponsoris et fidepromissoris heres non tenetur. Darnach steht es einwandfrei fest, dafi die beiden alteren Burgschafts¬ formen unvererblich waren. Schon Mitteis 1 ) hat dargelegt, dah diese Norm weder auf die Zw6lftafeln noch auf ein spateres Gesetz zuruckgehen konne, da Gaius, der die die Biirgschaft betreffenden Gesetze genau aufzahlt, eine derartige Quelle sicher nicht verschwiegen hatte. Vollig im Einklang mit unserer Annahme einer Entwicklung, die auf die Vererblichkeit von Kontraktsaktionen in der folgenden Periode hinauslief, begegnet uns die jiingste Burgschaftsform, die fideiussio, als vererblich 2 ). Die Tatsache, dafi die romische Biirgscbaft in ihren alteren Formen unvererblich war, fallt bei der Begrundung unserer These um so mehr ins Gewicht, wenn wir bedenken, dafi in primitiven Rechtsordnungen der Biirge eine viel wichtigere Stellung einnimmt als der eigentliche Schuldner selbst. Er garantiert dem Glaubiger, dafi der Schuldner seine Schuld leisten werde, er hat den Schuldner zn beaufsichtigen und ihn dem Glaubiger zu stellen, ist somit n gewissermafien ein Exekutionsorgan des Glaubigers" 3 ). Deutlich tritt uns diese Auffassung im babylonisch- assyrisclien 4 ), griechischen 5 ), agyptischen 6 ) und altschwedischen 7 ) Recht 0 tlber die Herkunft der Stipulation. Eine Hypothese, in Festsohrift fur Bekker (Aus rSmischem und biirgerlichem Recht), 1907, S. 133 f. а ) J. 3, 20, 2: Fideiussor non tantum ipse obligatur, sed etiam heredem obligatum relinquit. — Vererblichkeit der fideiussio: D. 46, 1, 4, 1 (Ulp. 45. Sab.); C. 8, 40, 24 (294). s )Koschaker, Babvlonisch-assjrisches Biirgschaftsrecht, Berlin 1911, S. 6, 22 ff., 29 f., 44 f., 62, 68, 75 ff. *) Koschakor, Babylonisch-aseyrisches Biirgschaftsrecht, Berlin 1911; Koscha- ker, SZ. 37, 361, A. 1. б ) F a r t s c h , Griechisches Biirgschaftsrecht, I, S. 284. c ) Sethe-Partsch, Demotische Urkunden zum agyptischen Burgschaftsrecht, vorziiglich der Ptolomaerzeit, Leipzig 1920, S. 532 ff. ’) v. Amira, Nordgermanisches Obligationenrecht, I. Bd., Altschwedisches Obligationenrecht, Leipzig 1882, S. 696 ff. Leipziger rechtsw. Studien. Heft 29: Korolec. 5 66 entgegen. Dazu ware der durch manus iniectio pro iudicato gescharfte RegreB 1 ) des sponsor gegen den Hauptschuldner zu vergleichen. Die Tatsache, daB die Haftung aus der Biirgschaft in iliren beiden altesten Erscheinungsformen, der sponsio und fidepromissio unvererblich ist, gewinnt aber eine ungleich groBere Bedeutung, wenn wir die von Mitteisin seiner grundlegenden Studie iiber die Herkunft der Stipulation vorgetragene Hypothe.se annebmen. Ausgehend von der Beobacbtung, daB sponsor in den Quellen den Biirgen und — von einer keineswegs sicheren Ausnahme abgeseken — niemals den Stipulationsscbuldner bezeichnet 2 ), obwobl man dies nack dem Formular der sponsio erwarten solite, hat M i 11 e i s geschlossen, daB der Stipulationsschuldner urspriinglick aueh ein sponsor war, indem der Schuldner als sponsor fiir sich selbst biirgte. Ist diese Annabme ricbtig — und sie wird durch Parallelen aus der Rechtsvergleicbung weitgehend gestiitzt — so miissen wir die Unvererblich- keit fiir die Stipulation der Urzeit schlechthin postulieren 3 ). Angesichts der grofien Bedeutung der Stipulation im Verkehrsleben kamen wir praktisch schon auf Grund dieser Annahme zum Ergebnis, daB der groBte Teil der Kontraktsaktionen passiv unvererblich waren. II. Die Stipulation. Freilich bieten die Quellen dafiir keine unmittelbaren Nachriebten. Das ist auch nicht erstaunlick. Denn als sich in der amtsrecktlichen Periode auf dem Gebiete der Kontraktsaktionen die Vererblicbkeit durch- setzte, wurde natiirlich die wichtige Obligation aus der Stipulation davon ergriffen, wahrend andererseits das Aufkommen der vererblichen fideiussio die Unvererblicbkeit der sponsio und fidepromissio residuar bewahrte. Unter solcben Umstanden ist es aber von um so groBerer Bedeutung, daB auch bei der Stipulation die Vererblicbkeit nicht bei allen ihren Arten gleich- zeitig durchgefiihrt worden zu sein scheint. Dariiber hat uns eine Konstitution Justinians (C. 8, 37, 13) vom 1. August 530 Kunde erhalten: Veteris iuris altercationes decidentes generaliter sancimus omnem stipu- lationem, sive in dando sive in faciendo sive mixta ex dando et faciendo ‘) Gai. 4, 22. *) Cfr. Mitteis, Ob« die Herkunft der Stipulation, S. 117ff., 126ff., 141; RPR., I, S. 269 f. — E. Costa, Cicerone giureconsulto, I, S. 151: ,Sponsor* * bezeichnet bei Cicero „esclusivamente il garante di un’ obbligazione altrui, non mai 1’ assuntore di un impegno autonomo per mezzo della forma: spondes? spondeo.* — De Francisci, Storia del diritto romano, I, Roma 1926, S. 331: „Lo „sponsor“ era (in der altesten Zeit) persona che si assumeva la garanzia per un terzo.“ Ebenso S. 334. s ) Zu demselben Ergebnisse wiirde auch die Auffassung L e v y s, Sponsio (1907), S. 28 f. fuhren. Nach ihm ist sponsor sowohl Schuldner wie Biirge, zwischen denen es keinen Unterschied in der Haftung gab. 67 inveniatur, et ad heredes et contra heredes transmitti, sive specialis heredum fiat mentio sive non: cur enim, quod in principalibus personis iustum est, non ad heredes et adversus eos transmittatur ? § 1. Et sic existimentur hniusmodi stipulationes, quasi tantummodo in dandum fuerant conceptae, cnm nihilo minus et heredes factum possint adimplere: illa subtili et supervacua scrupulositate explosa, per quam putabant non esse possibile factum ab alio compleri, quod alii impositum est. § 2 . Et quare, cum paene similis omnium natura est, non et facta omnes vel plus vel paulo minus adimplere possint, ne ex huiusmodi subtilitate cadant hominum voluntates ? Dieses vierundeinhalb Monate vor der Konstitution Deo auctore erlassene Gesetz verdient in mancher Hinsicht unsere Beachtung. Das Bestreben des Kaisers, eine alte Kontroverse (altercationes) zu entscheiden, zeigt uns, dafi im klassischen Recht noch nicht alle Fragen, die die Stipulationenvererblichkeit betrafen, restlos geklart waren. Justinian unterscheidet deutlich zwischen den Stipulationen, je nachdem ihren Leistungsgegenstand ein dare oder ein facere oder ein dare und facere bildet. Wir wollen der Einfachkeit halber im folgenden die Bezeichnungen stipulatio dandi und stipulatio faciendi verwenden; fur die stipulatio mixta ex dando et faciendo stellt der Kodifikator keine eigenen Normen auf. Die Vererblichkeit der stipulatio dandi steht fur Justinian als allgemein anerkannt da. Er nimmt auf diese feststehende Normie- rung Bezug und stellt seine Vererblicherklarung der stipulatio faciendi als eine Angleichung an die bei der stipulatio dandi geltende Ord- nung dar *). Dagegen vrarde die Frage der Vererblichkeit der stipulatio faciendi, wie es sich aus den Ausfuhrungen des Kaisers ergibt, in der klassischen Zeit noch nicht einheitlich beantwortet. Es leuchtet ein, dafi bei einer obligatio faciendi das personliche Moment eine viel wichtigere Rolle spielen konnte (z. B. individuelle Befahigung), als bei einer stipulatio dandi, wo die Person des Verpflichteten hinter der Leistung weit mehr zuriicktrat. Auch in klassischer Zeit wird man mit Riicksicht darauf die Vererblichkeit der stipulatio faciendi verneint haben, wie dies auch die behandelte Konstitution zum Ausdruck bringt: putabant non esse possibile factum ab alio compleri, quod alii impositum est (§ 1 C. c.). ‘) C. 8, 37, 13, 1: Et sic eiistimentur quasi tantummodo in dandum fuerant conceptae.ahnlich in C. 8, 37, 15, 1: Quemadmodum enim si in dando fuerit stipulatio et contra heredes transmittebatur, ita et si in faciendo est,.ad similitudinem in dando conceptae stipulationis et heredes obligari, ut non discrepet factum a datione, . . . 5 68 Das vorliegende Gesetz zeigt auch, auf welche Weise man im klassischen Recht die Vererblichkeit der stipulatio faciendi zu sickern bestrebt war. Dies erfolgte im AVege der mentio beredis: beim Abschlufi der Stipulation wurde auf der Scbuldnerseite neben dem Scbuldner auch sein Erbe schlechthin als verpflichtet erklart. Zahlreiche Stellen in den Digesten '), sowie pompejanische Geschaftsurkunden 2 ), wie auch einige Inschriften 3 ) legen ein sicheres Zeugnis fiir die Anwendung der mentio heredis beim Abschlufi von Stipulation ab, die ein facere oder non facere zum Gegenstand hatten. Auch die zweifellos sehr alten Stipulationen, die bei der operiš novi nuntiatio 4 ) und wegen des damnum infectum 6 ) abgeschlossen wurden, enthielten die mentio beredis. Man mu6 nun allerdings mit der Tatsache rechnen, dah Urkunds- floskeln sich noch erhalten zu einer Zeit, da sie inhaltlich ihre Be- rechtigung verloren haben. Aber der Umstand, dafi die mentio heredis bei stipulatio faciendi vorkommt, beweist, dafi sie einmal notwendig war. Mit der Ausbreitung der Vererblichkeit der Kontraktsobligationen mogen dann Kontroversen entstanden sein, ob auch bei Fehlen der mentio heredis die Obligation vererblich sei, Meinungsverschiedenheiten, die nun Justinian in C. 8, 37, 1 pr. und 15 zugunsten der unbedingten Ver¬ erblichkeit entscheidet. *) Vgl. z. B.: D. 45, 1, 2 § 5 (Paul. 12. Sab.): per te non fieri neque per heredem tuum, quo minus mihi ire agere liceat; eod. 49 § 2 (Paul. 37. ed.): neque per te neque per heredem tuum fieri; eod. 83 pr. (Paul. 72. ed.): neque per te neque per heredem tuum fieri, quo minus fiat; eod. 85 § 3 (Paul. 75. ed.) per te heredemve tuum non fieri, quo minus eam agam; si adversus ea factum sit, tantum dari; eod. 102 (Scaevola 28. dig.): si hominem Stiehum (homo Stichus Mommsen-Eriiger). a te heredeque tuo manumissus vindictaque liberatus non erit . . . poenae nomine quinquaginta dari stipulatus est Flavius Hermes, spopondit Claudius; eod. 131 pr. (Scaevola 13. quaest.): neque per te neque per heredem tuum Titium fieri, quo minus mihi ire liceat; eod. 133 (Scaev. 13. quaest.): neque per te neque per heredem tuum vim fieri spondes; D. 50, 16, 158 (Celsus 25. dig.): in stipulando .... „quod ob eam rem te heredemve tuum“; D. 10, 2, 44, 6 (Paul. 6. Sab.): Si quis stipulatus fuerit Titium heredemque eius ratum habiturum; D. 46, 8, 18 (Pomp. 26. Sab.): Si procurator ratam rem dominum heredemve eius habiturum caverit . . . ») Vgl. Bruns, Fontes, I, Nr. 34, S. 322ff. ; S. 336, v. 21; S. 337, v. 6; E. E c k , Neue pompejanische Geschaftsurkunden, SZ. 9, S. 60 ff., 151 f. s ) Vgl. z. B. die Formula Baetica, Bruns, Fontes, I, S. 334 f. ‘) D. 39, 1, 8, 7 (Paul. 48. ed.): . . quod in stipulatione, quae ex hac causa interponitur, etiam heredis mentio fit. — Die Worte [vel aedes alienaverit] sind m. E. interpoliert vvorden, um die erfolgte operiš novi nuntiatio auch fiir den Singular- nachfolger gelten zu lassen. Dies iet eine bekannte, von L o n g o nachgevriesene Tendenz der Bjzantiner (siehe oben S. 14, A. 1). DaB der Klassiker diese Worte nicht hinzufugte, sondern nur den Erben vor Augen hatte, ersieht man aus dem Folgenden, wo er nur noch vom heres spricht. Das Fortwirken der operiš novi nuntiatio wird geradezu auf die mentio heredis zuruckgefiihrt. 5 ) D. 39, 2, 24, la (Ulp. 81. ed.): Adicitur in hac stipulatione et heredum nomen... 69 In diesem Zusammenhange ist es interessant auf die Ergebnisse einer Forschung B-otondis 1 ) hinzuweisen, der dargelegt hat, dafi auch das pactum de non petendo im klassisehen Redit nur dann vererblich war, wenn es eine mentio heredis entbielt. Anch in anderen Rechten (im alten deutscben und englischen Recht) spielte die ausdriickliche Erstreckung der Haftung auf den Erben fur die Sichernng der Vererblichkeit der Schuld eine wicbtige Rolle 2 ). Bei der stipulatio dandi wird sich die Vererblichkeit schon friih in der amtsrecbtlicben Periode vollzogen haben. Daher werden uns fiir sie m. W. keine Anwendungsfalle der mentio heredis bezeugt. Doch konnen wir vermuten, da6 sich die Anerkennnng ihrer Vererblichkeit keineswegs ohne Schwierigkeiten, sondern erst nach etlichen mifilungenen Versuchen durchgesetzt hat. Nur von diesem Gesichtspunkt wird uns eine an sich wenig klare Stelle des Gaius (3, 100) verstandlich. Bei der Behandlung ungiiltiger Stipnlationen fiihrt dieser unter anderem aus: Denique inutilis est tališ stipulatio, si quis ita dari stipnletur : p o s t mortem meam dari spondes? nel ita: post mortem tvam dari spondes? Ualet antem, si quis ita dari stipnletur: c v m moriar, dari spondes? uel ita: cvm morieris, dari spondes? id est, ut in novissimum uitae tempus stipulatoris ant promissoris obligatio conferatur: nam inelegans esse uisum est ab heredis persona incipere obligationem. Rursum ita stipulari non possumus: pridie ijuam moriar, ant pridie q u a m morieris, dari spondes? quia non potest aliter intellegi „pridie quam aliquis morietur* quam si mors secuta sit; rursus morte secuta in praeteritum reducitur stipulatio et quodam modo tališ est: heredi meo dari spondes? quae sane inutilis est. Wenn die Erganzungen Huschkes von „post mortem tuam“ bis „uel ita“ zutrefien 3 ), so erklart Gaius fur unwirksam die Stipnlationen mit den Zeitbestimmungen: „post mortem meam (tuam)“, „pridie quam moriar (morieris) “, wahrend die Stipulation, deren Erfiillungszeit auf „cum morieris* lautet, gultig sein solite. Die uns sonderbar anmutenden Distinktionen werden verstandlicher, falls man sie von dem Gesichtspunkt der Entwicklung in der Vererblichkeit der Stipulation aus betrachtet. Dafi diese Falle mit der Frage der Vererblichkeit der stipulatio dandi l ) R o t o n d i, Di alcune riforme giustinianee relative al .pactum de non petendo*, Scritti giuridici, II, S. 307 ff. J ) Hieruber unten S. 115, AA. 1 und 2. s ) Die H u s c h k e sohe Ergiinzung wurde ubernommen von Seckel-Kiibler, 4. Aufl., S. 152, Baviera, Fontes, II, S. 105, und Girard, Teites (5. Aufl.), S. 304. — Annehmbar eracbeint sie mit Riicksicht auf Gai. 2, 223. — Vgl. dazu auch Vas- s a 11 i, Di talune clausole con riferimento al ,dies mortis* nel legato e nella stipulazione, Firenze 1910, S. 6, A. 1. 70 in engster Beriihrnng stehen, zeigt der Umstand, daB Gaius im unmittelbaren AnschluB daran auch die offenbare Unwirksamkeit (sane inutilis) der Stipulation: „heredi meo dari spondes“ ervrahnt. Man wird im Ernst wohl kaum annebmen konnen, daB jemand — es sei denn auf dem Sterbebette — durch die Stipulation nur seine Erben verpflicbten oder berechtigen wollte, ohne zunachst fiir sich selbst diese Recbte und Pflicbten iibernehmen zu wollen. Aucb erscbeint es dem juristiscben Denken der Homer nur wenig angemessen, daB sie auf derart gekiinstelte Distinktionen „post mortem tuam“ und ,cnm morieris" a priori einen so groBen Wert gelegt hatten. Allerdings konnte man einwenden, daB im letzteren Falle die Schuld nocb in der Person des Sponsionsschuldners entstand, wahrend dies bei der Terminierung „post mortem tuam“ nicht zutraf. Dieser Einwand widerlegt sich durch die Tatsache, daB die Stipulation „ pridi e quam morieris dari spondes“ ungiiltig war; logisch miiBte sie jedoch zum mindesten ebenso giiltig gewesen sein, wie die Stipulation „cum morieris, dari spondes" weil ja bei ihr die Schuld in der Person des Erblassers noch einen Tag langer bestanden hat, als bei der „cum morieris Alle diese Schwierigkeiten lassen sich beheben, wenn wir in diesen Terminiernngen die Versuche der den Parteien beim VertragsabschluB mit Rat beistehenden Kautelarjurisprudenz erblicken, die Vererblichkeit der Stipulation festzulegen 1 ). Als sich zu Beginn der Amtsrechtsperiode das Bediirfnis ge zeigt hatte, die Kontraktsschuldverhaltnisse auch gegen die Erben wirken zu lassen, trachtete man wohl dies durch Einfiigung verschiedener Klauseln beim StipulationsabschluB zu erreichen. Die Feuerprobe hatten diese allerdings erst im ProzeBverfahren „in iure“ zu bestehen. Aus dem Berichte des Gaius (3, 100) konnen wir ersehen, daB es den Terminierungen „post mortem tuam“ und „pridie quam morieris" noch nicht gelungen war, die Vererblichkeit der Stipulations- schulden zu bewirken ; dagegen gelang dies — wenn wir die H u s c h k e sche Erganzung fiir richtig halten — der Zeitbestimmung: ,cum morieris". Falls die H u s c h k e sche Erganzung nicht zutreffen solite, so ware eben der Bestimmung „cum morieris" auch kein besseres Geschick beschieden gewesen, als den beiden vorher angefiihrten. Sicher ist jedoch, daB man in klassiseher, wahrscheinlich aber schon in der amtsrechtlichen Zeit der mentio heredis die Fahigkeit zugestand, der Vererblichkeit von Stipulationsschulden zu bewirken; einen sicheren Beweis dafttr bietet ihre Anwendung bei der stipulatio faciendi im klassischen Redite. ‘) Vgl. betreffs der Terminierung ,pridie quam moriar“ Vassalli, o. c. S. 67. Als Anhanger der herrsohenden Lehre erblickt Vassalli in der pridie-Terminierung einen Umgehungsversuch bloB des Verbotes der Terminierung »post mortem". 71 Nachdem man der mentio heredis die Fahigkeit, die Schuldenvererblich- keit herbeizafiihrcn, zuerkannt batte, diirfte sie in der Folgezeit besonders in jede stipnlatio dandi eingefiigt und bald, weil selbstverstandlich, auch dann als beigesetzt angesehen worden sein, wenn dies nicht der Fali war. Diese Entwicklung der stipulatio dandi znr Vererblicbkeit hatte sich mebrere Jahrbunderte vor G-ains vollzogen und dieser selbst sebeint davon nicbts mehr gewuBt zn haben. Cie einzige versteinerte Erinnerung an die Umwandlung bildete die Unwirksamkeit der Stipulationen „post mortem tuam“, „pridie quam morieris“, vielleicht ancb derjenigen „cum morieris“. Diese Beispiele lebten in der Scbulkasuistik fort und gelangten so anf Gaius. Da dieser die geschicbtliche Entwicklung nicht begriff, versucbte er diese, offenbar auch ibn seltsam anmutenden Normen zu erklaren, bald wenig iiberzeugend, psycbologisch (nam inelegans esse uisum est ab beredis persona incipere obligationem; 3, 100), bald normenrecbtlicb, indem er auf innere Begriindung verzichtete (generaliter placuit ab heredis persona obligationem incipere non posse; 3, 158). Wie žabe sicb diese Zeitbestimmnngen in den Schriften der Klassiker zn balten vermochten, zeigt der Umstand, daB sicb nocb Justinian in drei Gesetzen mit ibnen beschaftigte. Dies gescbab zuerst in der constitutio C. 8, 37, 11, aus dem Jahre 528, mit der er die Stipulationen, mit einer von den drei Terminierungen ohne Unterscbied fur vererblicb erklarte: Scrupulosam inquisitionem, utrum post mortem an cum morietur vel pridie quam morietur stipulatus sit aliquis . . . , penitus amputantes omnia, quae vel in quoeumque contractu stipulati vel pacti sunt contrahentes, . . . etiamsi post mortem vel pridie quam morietur scripta esse noscuntur, nihilo minus pro tenore contractus . . . valere praecipimus. Drei Jahre spater raumte der Kodifikator mit der Unvererblicbkeit von Stipulationen auf, deren Unwirksamkeit (sane inutilis) nocb Gaius (3, 100) betonte*). Dabei bob Justinian im principium noch einmal die Giiltigkeit der Rechtsgeschafte hervor, die post mortem terminiert sind: Cum et stipulationes . . . et alios contractus post mortem compositos antiquitas quidem respuebat, nos autem pro communi utilitate recepimus, consentaneum erat etiam illam regulam, qua vetustas utebatur, more humano emendare. § 1. Ab beredibus enim incipere actiones vel contra beredes veteres non concedebant contemplatione stipulationum ceterarumque causarum post mortem conceptarum. § 2. Sed nobis necesse est, ne prioris vitii materiam relinquamus, et ipsam regulam e medio tollere, ut liceat et ab beredibus et contra beredes incipere actiones et obligationes, ne propter nimiam subtilitatem verborum latitudo voluntatis contrabentium impediatur. ‘) Vgl. (lazu V a s s a 11 i, o. c. S. 80 ff. 72 Da offenbar Zweifel dariiber aufgetaucht waren, ob diese Vorschriften auch fur die stipulatio faciendi Geltung baben, sah sicb der Kaiser genotigt, im Jabre 532 in der C. 8, 37, 15 eigens auszusprechen, daB eine solcbe Stipnlation zunachst den Sterbenden, sodann aber seine Erben verpfiicbtet: Si quis spoponderat insulam, cum moriebatnr aedifioare stipnlatori, impossibilis veteribns videbatur. Sed nobis sensum contrabentium discntientibus veri simile esse videtur boe inter eos actum, nt incipiat quidem contra morientem obligatio, immineat aatem beredibas eius, doneč ad effectum perducatnr. § 1. Sancimus itaque, si quid tale evenerit, beredes teneri, nt faetum, quod mortis tempore facere promisit, boe beredes eins adimpleant quasi speciali beredis mentione babita, licet boe mini me fuerit expressum. Allerdings erwahnt hier Justinian nar die Terminierang „cum morieris“, erwagt man jedoch, daB er in der C. 8, 37, 11 fur sie die gleicbe Bebandlung normiert batte, so verdient dieser Umstand keine weitere Beacbtung. Wie man darans ersehen kann, raumte der groBe Kodifikator mit den letzten Uberresten der einstigen Unvererblicbkeit von Kontrakts- aktionen griindlicb auf. Wa§ bereits einem Gaius unverstandlich war und wofiir er in der angeblichen inelegantia eine Erklarung zu finden meinte, ist fur die Byzantiner bereits eine „scrupulosa inquisitio“ und „nimia subtilitas verborum“ und wird als solcbe endgiiltig abgetan. Die Entwicklung der Vererblicbkeit der Stipnlation liegt nun klar vor uns. In der Zivilrecbtsperiode war sie unvererblicb. In der Aints- recbtsperiode setzte sicb mit Hilfe der von der Kautelarjurisprudenz entworfenen Klauseln die Vererblicbkeit fur die stipulatio dandi durch, dagegen konnte bei der stipulatio faciendi noch in klassischer Zeit die Vererblicbkeit nur mittels der mentio beredis gesichert werden. Justinian bat scblieBlicb die Vererblichkeit aller Stipulationen angeordnet. Dadurcb haben wir aucb fur den wichtigsten Kontrakt des Zivilrecbts den Beweis der Unvererblicbkeit nacb ius civile erbracbt und aucb den Weg gezeigt, auf dem es sicb vermutlicb zu dem Stadium entwickelt hat, in dem es uns im klassiseben Recht entgegentritt. § 6 . Actio familiae erciscundae, capitis demlnutlo und das Manalpationstestament. I. Actio familiae erciscundae. In drei dem Zivilrecht angeborenden Recbtsinstituten haben sicb aus der altesten Periode bedeutende Residuen der ursprunglichen Scbulden- unvererblicbkeit erbalten. Das alteste von ibnen ist die Erbschafts- 73 teilungsklage, die actio familiae erciscundae. DaB sie dem Zwolftafelrecbte angebort, wird uns von Gaius in D. 10, 2, 1 pr. (7 ed. prov.) bezeugt: Haec actio proficiscitur e lege XII tabularum. Diese alte Teilungsklage zeichnete sich nock im spatesten klassiscken sowie im justinianischen Recht durch die Eigentiimlichkeit aus, daB sie die „nomina“, d. h. Schulden und Forderungen, nickt erfaBte. Die Belege daftir sind uns bei Julian, Ulpian und Paulus erhalten: D. 10, 2, 51, 1 (Julianus 8 dig.) .... nam quaedam veniunt in hereditatis petitionem, quae in familiae erciscundae iudicio non deducuntur: veluti si ego debitor hereditarius sim, iudicio familiae erciscundae non consequeris id quod defuncto debui, per liereditatis petitionem consequeris. D. 10, 2, 2, 5 (Ulp. 19 ed.) In hoc iudicium etsi nomina non veniunt, . .; D. 10, 2, 25, 1 (Paul. 23 ed.): .... cessat familiae erciscundae iudicium, cum nihil in corporibus, sed omnia in nominibus sunt. Wie haben wir uns diese Besonderheit zn denten? Eine befriedigende Erklarung ermoglicbt uns nur die materialistische Auffassurig der bereditas als InbegrifF des sacblieben NacblaBvermogens und die damit zusammen- bangende Scbuldenunvererblicbkeit. Da die seltenen Forderungen und Scbulden mit dem Tode des Erblassers erloscben, galt es die einzelnen res mancipi und die res nec mancipi, die die Sobne-Erben zur Erricbtung einer eigenen domus braucbten 1 ), zu verteilen. Die Verfabrensform war wabrscbeinlicb die iudicis postulatio 2 ). Als sicb nach Ablauf von Jabrbunderten die gesamten Kultur- und Wirtschaftsverbaltnisse stark geiindert batten und in der amtsrecbtlicben Periode aucb die Forderungen und Scbulden allmablicb vererblicb geworden waren, sah man sicb vor das neue Problem gestellt, auf welcbem prozessualen Wege diese Vermogensbestandteile geteilt werden sollten. Die moderne Gesetzgebungsmetbode, das bisberige Recbt durcb ein spateres, jungeres, zn derogieren, lag auf dem Gebiete des Privatrecbts den Romem keines- wegs nabe, ganz besonders bier nicbt, wo es sicb um eine zwolftafel- recbtlicbe Norm bandelte. Wir konnen iibrigens auch auf anderen Gebieten des Privatrecbts, z. B. bei der zivilen Erbfolge (bereditas), bei der altesten Biirgscbaft (sponsio) beobachten, wie man allgemein vor einer Anderung der zivilen Normen zuriickscheute. Anstatt die alten, offenbar zu eng gewordenen Fesseln zu sprengen, scbuf man lieber neben dem alten nocb weiter fortbestebenden Recbtsinstitut ein neues, welcbes dem Zeitgeiste mehr entspracb: neben der bereditas entwickelte sicb die bonorum possessio, der sponsio trat die mildere fidepromissio 3 ) zur ‘) So mit Recht G i r a r d - M a y r, S. 974, A. 2. *) L e n e 1, Ed., 3. Aufl., S. 207, A. 1 und die dort zitierten Belege (Cicero pro Caec. 7, 19; Lex Rubria c. 23). s ) Sie beschrankte sich nicht mehr auf die Quiriten. 74 Seite und als die beiden Erstgenannten nicht mehr ausreichten, wnrde eine dritte noch mehr erleichterte*) Biirgschaftsform, die fideiussio, ins Leben gerufen. Dieser legislative Konservatismus lieB bei der aetio familiae erciscundae auch in klassischer Zeit keine Fortbildung iiber die dnrch die ZwolftafeIn ihr gezogenen Schranken hinans zn. Der Ausweg ist, wie schon oben dargelegt * 2 ), im Wege des argumentom a contrario dnrch die Aufstellung der Norm: „nomina (Forderungen) ipso iure dividuntur“ gefnnden worden. Daher konnen wir auch, aus der bezeichneten Einschrankung der zwolftafelrechtlichen Erbteilungsklage mit groBer Wahrscheinlichkeit folgern, daB diese Normierung nnr in einer Periode erfolgen konnte, wo die Schulden nnd Forderungen nicht nnr von sehr geringer Bedeutung, sondern vor allem anch unvererblich gewesen sind. Es ist nndenkbar, daB die Romer, falls die nomina im fiinften vorchristlichen Jahrhundert vererblich gewesen waren, sich dnrch einen derartigen Rechtssatz zwecklos die Hande gebnnden hatten. II. Capitis deminutio. Zn den typischen zivilrechtlichen Instituten gehort anch die capitis deminutio. In der modernen Romanistih herrscht noch manche Un- einigkeit betreffs der Einzelheiten ihrer geschichtlichen Entwicklnng; das Eine diirfte jedoch feststehen, daB es in der vorklassischen Periode eine einheitliche capitis deminutio gab und dafi somit die Zwei- nnd Drei- teilnng erst der spateren Zeit angehort 3 ). Hier konnen wir auf die einzelnen umstrittenen Probleme nicht naher eingehen, nns interessiert nnr der Rechtssatz, daB die capitis deminutio zivilrechtlich das Erloschen von Kontraktsschnlden des capite deminutus znr Folge hatte. Dies wird von Gaius sicher bezeugt (Gai. 3, 84): Ex diuerso qnod is debnit, qui se in adoptionem dedit quaeue in manum conuenit, non transit ad coemptionatorem aut ad patrem adoptinum, nisi si hereditarinm aes alienum fnerit; de eo enim, quia ipse pater adoptinus ant coemptionator heres fit, directo tenetnr iure, is uero, qui se adoptandum dedit, quaeue in manum conuenit, desinit esse heres; de eo uero, quod proprio nomine eae personae debuerint, licet neque pater adoptinus teneatur neque coemptionator et ne ipse quidem, qui se in adoptionem dedit, uel ipsa, quae in manum conuenit, maneat obli- 1) Sie besehrankte sich nicht mehr auf Verbalkontrakte (Gai. 3, 119—119a) und war vererblich (Gai. 3, 120). 2 ) Siehe oben S. 58. s ) Desserteaux, Etudes sur la formation historique de la capitis deminutio, II, Pariš 1919, S. 731; Ugo Coli, Saggi critici sulle fonti del diritto romano; I, Capitis deminutio, Firenze 1922. 75 gatus obligataue, q u i a scilicet per capitis diminutionem liberetur, tamen in eum eamue utilis aetio datur rescissa capitis demi- nutione, et, si aduersus bane actionem non defendantur, quae bona eornm futura fuissent, si se alieno iuri non subieeissent, uniuersa nendere credi- toribns praetor permittit. und weiter Gai. 4, 38: Praeterea ali qu and o fingimus aduersarium nostrnm kapite deminutum non esse. Nam si ex contractu nobis obligatus obligataue sit et kapite deminutus deminutaue fuerit, nelut mulier per coemptionem, mascnlus per adrogationem, desinit iure ciuili debere nobis, nec direeto intendi potest šibi dare eum eamue oportere; sed ne in potestate eius sit ius nostrum corrumpere, introducta est contra eum eamue aetio utilis rescissa kapitis deminutione, id est, in qua fingitur kapite deminutus deminutaue non esse. Beide Stellen babe icb in ungekiirztem Umfange wiedergegeben, da ibr Gesamtinbalt fiir uns von Bedeutung ist. Sie zeigen deutlicb, wie das Erloscben der Scbulden zivilrecbtlicben Ursprungs ist und wie bereits in der amtsrecbtlichen Periode die weitere Unertraglicbkeit dieses Recbts- zustandes zu Reformen drangte. Wie soli man sicb nun die etwas sonderbare Bestimmung vom Er¬ loscben der Kontraktsschulden infolge der capitis deminutio erklaren? Zu einer befriedigenden Losung ist es vor allem notwendig, daB wir uns uber das AVesen der capitis deminutio im klaren sind. Unter allen bisher aufgestellten Theorien 1 ) hat m. E. das Meiste fiir sicb jene, die in der capitis deminutio den biirgerlichen Tod erblickt. Somit ist dieses Recbts- institut dem aucb in anderen Recbtsordnungen 2 ) verwirklichten Bestreben entsprungen, mit gewissen Tatbestanden die Recbtswirkungen zu ver- binden, die sicb sonst an den natiirlichen Tod kniipfen. Die Ricbtigkeit unserer Anscbauung bestatigen zwei Stellen des Gaius, in denen die engen Beziebungen zwiscben dem Tode und der capitis deminutio klar zum Vorscbein kommen. Quaecumque de morte diximus, eadem et de capitis diminutione dieta intellegemus. (Gai. 3, 101), erklart er bei der Bebandlung der Ungiiltig- keit von Stipulationen, wabrend er bei der Besprecbung der Auflosungs- griinde der societas ausfubrt: ‘) Siehe Desserteaux, a. a. O., S. 121 ff. s ) Es sei auf die Friedlosigkeit des deutschen Eechtes, den bflrgerliehen Tod des franzasischen (mort civile) und engliachen Eechtes fcivil death) hingewiesen. — Vgl. Hiibner, Grundziige des deutschen Privatrechts, 3. Aufh, Leipzig 1919, S. 43 f.; fiir das englische Becht: Maitland-Pollock, The history of English law before the time of Edward I, 2. ed., Cambridge 1898, I, S. 433 ff.; Blackstone, Commentaries on the laws of England, 15. ed., London 1909, II. Bd., S. 121. 76 Dicitur etiam kapitis diminutione solni societatem, quia ciuili ratione kapitis diminutio morti coaequatur; (Gai. 3. 153). . . Auck ein Vergleich der Rechtsfolgen des Todes mit denen der capitis deminutio spricht zugunsten unserer Auffassung der capitis deminutio; denn sowohl diese als auch der Tod bereiten dem Niefibrauch, der operarum obligatio des Freigelassenen 1 ), der societas 2 ), der adstipulatio 3 ) und der tutela cessicia 4 ) ein Ende. Es mochte aber dem gesunden praktiscben Sinn des alten Romertums widersprechen, wenn man beim Ubertragen der Rechtsfolgen des Todes auf das neue Rechtsinstitut lteine, noch so billige Ausnahmen zugelassen hatte; so erscheint es z. B. iiberaus be- greiflich, dafi angesichts der Paromie „viventis nulla hereditas“ der Ge- danke der Beerbung eines capite deminutus nicht durchdringen konnte. Diese Unter3chiede werden sich in der Folgezeit, als die capitis deminutio als selbstandiges Rechtsinstitut durch etwaige Anderungen der Rechts¬ folgen des natiirlichen Todes unbetroffen blieb, noch vermehrt haben. Damit widerlegen sich auch die Ausfiihrungen von Desserteani, der mit Riicksicht auf einige in klassischer Zeit bestehenden Unterschiede in den Rechtsfolgen die Auffassung der capitis deminutio als biirgerlichen Tod ablehnt 5 ). Nachdem wir so das Wesen der capitis deminutio bestimmt haben, fallt es nicht schwer, das Erloschen der Kontraktsschulden zn erklaren und zugleich einen neuen Beweis fur unsere These zu gewinnen. Als der capitis deminutio selbstandiges Dasein verliehen wurde, iibertrug man auf das neue Rechtsinstitut die Rechtsfolgen, die damals den natiirlichen Tod begleiteten. sofern dabei nicht billige Ausnahmen notig waren. Daher ist die Gesamtheit der zivilen Rechtsfolgen der capitis deminutio ein im ganzen getreues Abbild der rechtlichen Folgen des natiirlichen Todes zur Zeit der Entstehung der capitis deminutio. Bringt nun diese zivilrecht- lich die Kontraktsschulden zum Erloschen, so folgt daraus mit Sicherheit, q Gai. 3, 83. *) Gai. 3, 153. s ) Gai. 3, 114. *) Gai. 1, 170. 5 ) D e s s e r t e a u x , a. a. O., S. 132 ff. fahrt fiinf F ali e an, in donen (in klassischer Zeit) die rechtlichen Folgen der capitis deminutio von denen des Todes verschieden sind. Davon fallt im Sinne unserer These das Erlčlschen der Kontraktsschulden weg. Ebenso konnte das infolge der capitis deminutio (minima) eingetretene Erloschen der lites con- testatae legitimo iudicio (Gai. 3, 83) in der fruhen Zivilrechtsperiode auch beim Tode erfolgt sein. DaB die capitis deminutio keine Beerbung zur Folge haben konnte, wurde bereits oben im Text ausgefuhrt. Somit bleiben nur zwei Falle noch fibrig: das Schicksal der iura pat-ronatus des Patrons und die rechtliche Stellung des berufenen Erben vor dem Erbschaftserwerb, die beide beim Tode eine andere Behandlung erfahren als bei der capitis deminutio. Es la£t sich nicht feststellen, ob diese von Anfang an gegeben war oder erst im Laufe der Entwicklung hinzugekommen ist. Die beiden Falle sind daher keineswegs imstande, die vortretene Auffassung zu widerlegen. 77 dafi in der friihen Zivilrechtsperiode die Kontraktsschulden auch infolge des naturlichen Todes erloschen, um so mehr, da wir das zivile Schulden- erloschen auch anderwarts, wenigstens beim sponsor sicher nachweisen konnen. Uberaus interessant ist es, die weitere Entwicklung zu verfolgen. In der Zivilrechtsperiode fiihren sowohl der Tod als die capitis demi- nutio das Erloschen der Kontraktsschulden herbei. Infolge der noch spater zu besprechenden wirtschaftlichen und kulturellen Anderungen erwies sich diese Regelung bereits in der amtsrechtlichen Periode als unertršiglich. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Erloschens der Schulden infolge des Todes war viel grofier als die des Erloschens infolge der capitis deminutio. Darum ging die pratorische Reform im ersteren Fali viel weiter als im letzteren. Bei der capitis deminutio erhielt sich das zivile Erloschen der Schulden auch weiterhin, nur wurde es praktisch umgangen, indem der Prator dem Glaubiger die actio utilis gegen den deminutus und im Falle des Ausbleibens der Defension die bonorum ven- ditio des ehemaligen Vermogens des capite deminutus gewahrte. Dagegen mufite man sich in der amtsrechtlichen Periode betreffs der Schulden- unvererblichkeit zu einer radikaleren Reform, die mit der zivilen Ver- erblichkeit von Kontraktsschulden endete, entschliefien; davon wird noch spater die Rede sein. Es kann uns daher nicht iiberraschen, wenn Gaius, der seine Institutionen um das Jahr 1 j 161 n. Chr. verfaBte, das aes alienum hereditarium (3,84) vom Erloschen anlafilich der capitis deminutio aus- nimmt. Zu seiner Zeit war eben die Schuldenvererbung zivilrechtlich anerkannt, so dafi man auch bei der capitis deminutio keine Ausnahme zulassen wollte; ganz besonders, da sich sonst'mancher Erbe, der eine passive Erbschaft erhalten hatte, durch Arrogation der Schuldenhaftung leicht entzogen hatte. III. Manzipationstestament. In die Zivilrechtsperiode fallt auch die Einfiihrung des M a n z i - pationstestaments. Auf seinem Sterbebette iibertrug der Hausvater sein Gesamtvermogen, die familia pecuniaque im W ege der Manzipation an den familiae emptor 2 ), der „heredis loco“ war. Die Nunkupations- formel hat uns Gaius allerdings erst fiir die nachstfolgende Entwicklungs- phase des testamentom per aes et libram iiberliefert; jedoch auch sie verrat noch klar den archaistischen Kern und spricht dentlich zugunsten unserer These. Nach Gaius (2,104) erklarte der familiae emptor zwecks der Manzipation: ‘) Vgl. F i 11 i n g , Alter und Folge der Scbriften rom. Juristen, 2. Aufl., Halle 1908, S. 57; K r ii g e r, Quellen, S. 205; K i p p , Geschiclite d. Quellen, 4. Aufl., Berlin 1919, S. 129. ! ) Gai. 2, 102: qui enim neque calatis comitiis neque in procinetu testamentum fecerat, is, si subita morte urguebatur, amico familiam suam, id est patrimonium suum, mancipio dabat. 78 Familiam pecvniamcjve tvam endo mandatela tva cvstodelaqve mea esse aio, eaq_ve, quo tv ivre testamentvm facere possis secvndvm legem pvplicam, hoc aere, et at quidam adiciunt, aeneaqve libra, esto mihi empta. Darnach trug der Erblasser dem familiae emptor auf, „quid cuique post mortem snam dari uellet" (G-ai. 2, 102). Es lag eine fiduziarische Manzipation vor, ein Rechtsgeschaft, das darcbaus in eine Periode hinein- pa8t, die die fidncia cum amico bzw. cum creditore contracta zur groBten Bliite kommen lieB. Obwohl beziiglich des Manzipationstestamentes wegen der Sparlich- keit der Quellen manches dunkel and ansicber bleibt x ), steht doch das Eine fest, daB im Wege der Manzipation die Habe des Erblassers an den familiae emptor iibertragen wurde and dafi, mogen hierbei ein oder anch mehrere Manzipationsakte zngrunde gelegen sein, jedenfalls aaf diese Art nur Rechte an korperliehen Sacben, nicht aber Fordernngen oder Scbulden iibertragen werden konnten. Dies bezeagt G a i a s selbst (2, 38): Obligationes quoqao modo contractae nibil eornm 2 ) recipiunt: nam quod miki ab aliqno debetur, id si uelim tibi deberi, nullo eorum modo, qaibus res corporales ad alium transferantur, id efficere possam; etc. War also die Manzipation nicbt imstande, die Ubertragang von Ob¬ li gationen za bevrirken, and wurde aaf keine andere Weise fiir deren Ubergang Vorsorge getroffen, so kann man diese Tatsache nur verstehen, wenn man die TJnvererblichkeit der Obligationen fiir das Zivilrecht annimmt. Za diesem Seblusse fiihrt uns aacb eine weitere Erwagung: w e r hatte eigentlich beim Manzipationstestamente fiir die Schulden des Erb¬ lassers haften sollen? Es ist undenkbar, daB der familiae emptor, der „ heredis loco“ war, fiir die Schulden unbeschrankt hatte auf kommen miissen, wahrend er doch den NachlaB, somit die Aktiva, gemaB den Weisungen des Verstorbenen an die von diesem bezeichneten Personen verteilen solite. Solche Freunde, die zum Danke fiir die Besorgung der NachlaBverteilung noch die Schulden des Erblassers bezahlt hatten, waren am allerwenigsten dem harten and niichternen Romertum der alten Zeit zazumuten gewesen. Die Annahme, daB die iibrigen Begiinstigten, die gar nicht Erben waren, fiir die Schulden gehaftet hatten, ist willkiirlich und nirgends in den Quellen begriindet. Ein Hinweis 3 ) anf die bedeutend 0 Vor allem, ob der familiae emptor das volle Eigentum am NachlaB erwarb, falls die „custodela‘ des familiae emptor schon iu der alten Formel sich befand; vgl. Mitteis, EPR., I, S. 77, A. 11. — Vgl. auch WeiB, Mandatela und custodela, in SZ. 42 (1921), S. 102 ff.; Partsch bei S e t h e - P a r t s c h , Demotische Urkunden zum ag. Biirgschaftsreeht (Abhdlgn. der sachs. Akad. 32) S. 740, A. 2. a ) Namlich die mancipatio, in iure cessio, traditio. Vgl. Gai. 2, 28: Res incor- porales traditionem non recipere manifestum est. 3 ) L e n e 1, Zur Geschichte der heredis institutio in Vinogradoffs Esaays in legal history, 1913, S. 130 ff. 79 jiingere Sacrahaftung schlagt fehl, da ja das Gebiet des Sakralrechtes von dem des Zivilrechtes streng getrennt war und blieb. L e n e 1 J ), der den materialistischen Charakter der zivilen hereditas richtig einschatzte, leider jedoch an der traditionellen Erstreckung der Schuldenbeerbung bis in die alteste Zeit hinauf festhalten zu miissen glaubte, sak sicli infolgedessen gezvvungen, eine beschrankte Haftnng des familiae emptor, aber auch der iibrigen Begiinstigten, ja sogar des bereš extraneus anzunehmen. Wie dies scbon oben 2 ) dargelegt wurde, kann man diesen Folgerungen des groben Romanisten nicht beipflichten. Es feblen quellenmaBige Anhaltspunkte fiir die Haltbarkeit der Hypothese, es laBt sicb dies mit dem streng personlichen, daber aucb. sacblicb un- bescbrankten Wesen der zivilen Obligation nicht vereinbaren. Es ist auch niebt einzusehen, wie sich aus jenem Zustande die Entwicklung zur spateren Regelung der Frage vollzogen hatte. Girard 3 ), der die Annahme einer unbeschrankten Haftnng des familiae emptor ablebnt, ist es m. E. gleichfalls nicht gelungen, um diese Schvvierigkeit berumzukommen. Er gibt sicb mit einer nar moralischen Verpfiichtung znfrieden, da „man eben niebt mebr erzielen konnte“. Steckt niebt docb darin die notvvendige Anerkennung unserer These von der Unvererblichkeit der Scbnlden in der Zivilrechtsperiode ? Somit bleibt als einzig moglick die Erklarung iibrig, die von der zivilen Unvererblichkeit aller Obligationen ausgebt, den zivilen NachlaB mit dem Inbegriff von korperlichen Gegenstanden identifiziert nnd ibn so als ge- eignetes Objekt des Manzipationstestamentes ersebeinen lafit. Dies setzt vviedernm seinerseits die zivile Unvererblichkeit der obligationenrechtlichen Aktionen voraus. § 7. Die aktive Unvererblichkeit. I. Grundsatzliches. Aus den vorigen Ausfubrnngen folgt mit logiseber Notwendigkeit, daB nach Zivilrecbt auch die Forderungen unvererblich waren. Jedoch kann im Rabmen dieser Untersuchung die Frage der Vererblichkeit von Forderungen nicht verfolgt vverden, wie dies scbon gleicb anfangs hervor- geboben wurde. lmmerhin mag es fiir unsere These eine vvichtige Stvitze sein, wenn wir wenigstens fiir einige Aktionen ihre urspriingliche aktive Unvererblichkeit nachvveisen konnen. Es soli jedoch darauf bingewiesen vverden, daB sicb moglichervveise die Vererblichkeit der Forderungen zeit- lich verschieden von derjenigen der Scbulden durcbgesetzt hat. Es hat *) L e n e 1, o. c. S. 120 ff.; derselbe, Die Rechtsstellung des proximus ad- gnatus und der gentiles im altromischen Erbrecht, SZ. 37, S. 129 ff. s ) Siehe oben S. 21 ff. s ) Girard-Mayr, S. 878. 80 sich ganz ahnlich auch die Zession am Ende der klassischen Zeit einzu- biirgern vermocht, wahrend der Schuldiibernahme dies niemals gelungen ist. Auch die Ponalaktionen waren bis auf wenige Ausnahmen zu Gaius Zeiten schon aktiv vererblich, wahrend ihre passive Unvererblichkeit nocli eine ,certissima iuris regula" (Gai. 4, 113) darstellte. Zudem ist die der sponsio entsprechende adstipulatio von ihr so sehr verschieden, dafi eine friihere Ansreifung der Vererblichkeit. mag dies auf akti ver oder passiver Seite vorgegangen sein, keineswegs ilberrascben kann. Ahnlich begegnet man auch im Recht der Papyri der dortigen „mentio successorum“ in der Klausel ^oi naqa a beim Glaubiger viel ofter als beim Schuldner 1 ). Hier- mit soli aber nur auf die Moglichkeit einer derartigen verschiedenen Entwicklung hingewiesen worden sein. II. Actio furti. Die Deliktsaktionen erscheinen bis auf wenige Ausnahmen 2 3 ) im klassischen Recht als aktiv vererblich s ). DaB es sich damit nicht von Anfang an so verhielt, kann man durch C i c e r o zumindest fiir eine von ihnen, dafiir aber praktisch wohl die wichtigste, namlich fiir die actio furti, nachweisen. Unter seinen Briefen ist uns folgender, den er im Jahre 44 v. Chr. an seinen Freund Trebatius Testa schrieb, erhalten (Ad fam., VII, 22): Inluseras heri inter scyphos, quod dixeram controversiam esse, possetne heres, quod furtum antea tactum esset, furti recte agere. Itaque, etsi domum bene potus seroque redieram, tamen id caput, ubi haec contro- versia est, notavi et descriptum tibi miši, ut scires id, quod tu neminem sensisse dicebas, Sex. Aelium, M. Manilium, M. Brutum sensisse. Ego tamen Scaevolae et Testae adsentior. Daraus geht hervor, dafi zwischen Cicero und Trebatius Testa 4 ), der iibrigens dem groBen Redner als Jurist weit iiberlegen war, uber die aktive Vererblichkeit der actio furti debattiert wurde. Dem Trebatius erschien die aktive Vererblichkeit der actio furti als so sicher, daB ihm schon die Moglichkeit eines ernsten Bestreitens als reiner Unsinn vorkam (inluseras). Cicero sandte ihm deshalb am nachsten Morgen eine Abschrift des „caput, ubi haec controversia est“ zu. Was wir darunter zu ver- stehen haben, sagt uns Cicero nicht, am meisten glaubwiirdig erscheint mir die Ansicht Huvelins 5 ), daB damit ein Kapitel aus den libri iuris p K r e 11 e r , Erbrechtliche Untersuohungen auf Grund der graeeo-agyptischen Papyrusurhunden, Leipzig-Berlin, 1919, S. 26 ff. a ) Gai. 4, 112: ercepta iniuriarum actione et si qua alia similis inueniatur actio. 3 ) Gai. 4, 112: Sed heredi . . . huiusmodi (sc. ex maleficiis poenales) actioues competunt nec denegantur,. *) Cfr. Kriger, Quellen, S. 74 f. und A. 81. 5 ) P. Huvelin, Etudes sur le furtum dans le tres ancien droit Romain, I. Les sources, Lvon-Paris 1915, S. 320 f. 81 civilis des Q. Muci us Scaevola 1 2 * ), des Konsals des Jahres 95, gemeint ist. Dafiir spricht hauptsachlich der Umstaiid, daB am Schlusse auf einmal Scaevolas Ansicht angefiihrt erscheint. Auch Cicero bekennt sich ohne Vorbehalt zrn- Ansicht seines Fr e an des; er weist nur darauf hia, daB die gegenteilige Itechtsauffassung von den drei bedeatendsten Juristen des vorhergehenden Jahrhunderts nocli ver- treten worden ist. Namentlich fiihrt er an den Verfasser der Tripertita, S e x t u s Aelins Paetus Catns, den Konsul des Jahres 198 v. Chr. s ), sodann zwei von den sogenannten „ Begriindern des ius civile a 3 ), den Konsul des Jahres 149 Manius Manilius and dessen Zeitgenossen M. Jun ius Brutus. Es ist wohl kaum anzunehmen, daB Cicero un- mittelbar aus ihren Schriften geschopft hatte, da er nur vom Abschreiben eines bestimmten Kapitels spricht. Auch aus diesem Grunde ist es sehr wahrscheinlich, daB er alle diese Ansichten im Werke des Q. Mucius Scaevola erwahnt und gleichzeitig abgelehnt vorfand. Daraus geht die Tatsache hervor, dafi die „ actio furti “ im zweiten vorchristlichen Jahrhundert auch aktiv unvererblich war, daB sich aber die entgegengesetzte Norm im letzten vorchristlichen Jahrhundert schon so sehr durchgesetzt hat, daB einem der hervorragendsten Juristen der casarischen Zeit von einer anderen Regelung nichts mehr bekannt war, ja, ihm die bloBe Moglichkeit der Unvererblichkeit als widersinnig er- schien. Sodann fallt es auf, daB sich zu der Frage gleich vier, fiir ihre Zeit die groBten Juristen geauBert haben. Vielleicht war dies bei den drei ersten dem Bestreben entsprungen. entgegen den neuen wirtschaft- lichen und rechtspolitischen Stromungen durch das Festhalten an der Unvererblichkeit der actio furti, den Standpunkt des Zivilrechts zu be- tonen; dagegen entschloB sich der fortschrittlichere Scaevola tur die Zu- lassung der aktiven Vererblichkeit als die billigere Losung, die auch so- fort allgemeinen Anklang gefunden hat, wie dies aus demVerhalten des Trebatius ersichtlich ist. Sehr austiihrlich und scharfsinnig behandelt diesen Brief Ciceros H u v e 1 i n 4 5 ). Eingehend untersucht er die Frage nach dem Sinn des Satzes „quod furtum antea factum esset“. Er meint diese Bezeichnung auf doppelte Weise deuten zu konnen 6 ): entweder in dem oben dar- gelegten Sinne, daB namlich der Erbe die dem Erblasser bei seinen Leb- zeiten zustehende, aber nicht ausgeiibte actio furti ererbt liabe, oder in dem Sinne, daB der Erbe nur die Diebstahle, welche zwischen dem Ab- ') Vgl. K r u g e r, Quellen, S.„ 64 f. 2 ) Krtiger, Quellen, S. 58; D. 1, 2, 2, 38. *) D. 1, 2, 2, 39 (Pomp. sing. ench.): . . . Publius Mucius et Brutus et Manilius qui fundaverunt ius civile . . . *) Žtudes sur le furtum, I, S. 319—329. 5 ) Etudes sur le furtum, I, S. 321 ff. Leipziger rechtsw. Studien. Heft 29: Korošec. 6 82 leben des Erblassers und dem Erbschaftserwerb begangen worden sind, verfolgen konnte. Hnvelin, der bervorhebt, dafi kein iiberzeugender Grund fiir die eine oder andere Aimahme spricht 1 ), entscheidet sicb schliefilicb fiir die zweite Deutung s ). Hier ist zu envagen, dafi nach .dieser An- nahme die ganze Losung nur fiir die heredes extranei, nicht aber fiir die sni einen Sinn hatte, da die letzteren sofort nacb dem Tode des Erblassers Erben wurden. Sodann ist die Frage nach der Vererblichkeit der actio fnrti praktisch weit bedeutender als diejenige nach der Vererblichkeit der aktiven Klagelegitimation fiir die gestohlenen Nachlafisachen. End- lich ist zu bedenken, dafi sich der keineswegs wortkarge Cicero sicher klarer und deutlicher ausgedriickt hatte, falls es sich um die zweite Losung gehandelt haben solite, w£hrend dies fiir den ersten Fali nicht notig war. Ali dies fiihrt uns zu dem Schlufi, dafi in dem besprochenen Briefe nur das Problem der aktiven Vererblichkeit der actio furti be- riihrt wird. III. Actio fiduciae. Auf sehr unsicherem Boden bewegen wir uns hingegen bei einer Stelle, die nur die aktive Unvererblichkeit der actio fiduciae zu bezeugen scheint. Bei Paul. Sent., 2, 17, 15 — die Stelle ist uns in der Consultatio veteris cuiusdam iurisconsulti 6, 8 iiberliefert — lesen wir: Heredibus debitoris aduersus creditorem, qui pignora uel fiducias distrazit, nulla actio datur, nisi a testatore inchoata ad eos transmissa sit. Die Stelle ist in der Literatur wenig beachtet. Soviel ich sehe, befafiten sich mit ihr nur Dernburg und K a r 1 o w a. Der erstere 3 ) bezieht sie auf den Fali, „dafi der Schuldner sich personlich das Aus- losungsrecht vorbehielt, nicht aber seinen Erben“, es lage eine Verfalls- abrede fiir den Fali des Todes des Schuldners vor Anstellung der Riick- forderungsklage vor. K a r 1 o w a 4 ) hingegen unterstellt eine Verabredung, wonach der Glaubiger ohne Zustimmung des Schuldners die fiducia zu verkaufen nicht berechtigt sein soli, eine Verabredung, die nicht zugunsten des Erben gewirkt habe. *) Etudes sur le furtum, 1, S. 322: A p r i o r i, rien ne nous oblige a conclure dans un sens plutot que dans 1’autre. D’apres les elementa dbnformations que nous possedons, Ciceron et ses interlocuteurs peuvent avoir agite l’une aussi bien que l’autre. — S. 324: . . . il n’y a pas de raison decisive d’admettre qu’elle dut porter plutot sur la transmissibilite active de 1’action furti que sur le vol des choses bereditaires. s ) Etudes sur le furtum, I, S. 324 f.: Ces indices (sc. contenus dans le texte de Ciceron), qui par malheur sont estremement tenus et fragiles, nous inclinent a croire que Ciceron et Trebatius songeaient au vol des cboses hereditaires. *) Dernburg, Pfandrecht, I, Leipzig 1860, S. 15. ‘j Karlowa, Romische Recbtsgeschicbte, II. Bd., Leipzig 1901, S. 574. 83 Es fallt ničlit schwer, die Willkiirlichkeit dieser Auslegungsversaelie darzutun, weil eben die Art der Uberlieferung der Stelle eine ahnliche Auslegung kaum zuliifit. tjberdies ist zu beacbten, dafi die Stelle in den Exzerpten einer spaten Quelle erhalten und aus dem Zusammenhange gerissen ist, was alles ibren Wert bedentend verringert. Anderseits ist die aktive Vererblichkeit der actio fiduciae durch Gai. 2, 220 gut bezeugt. Bei der Behandlung des legatum per prae- ceptionem fiihrt namlich dieser u. a. folgendes ans: Aliquo tamen času etiam alienam rem per praeceptionem legari posse fatentur: ueluti si quis eam rem legauerit, quam creditori fiduciae causa mancipio dederit; nam offieio iudicis coberedes cogi posse existimant soluta pecunia luere eam rem, ut possit praecipere is, cui ita legatum sit. Gaius bat den Eall vor Augen, dafi der Erblasser als Prazeptions- legat eine Sacbe binterliefi, die er bereits fiduciae causa an seinen Glaubiger manzipiert hatte. Der Klassiker erklart nun die Miterben fiir verpflicbtet, zur Bezablung der Scbuld verbaltnismafiig beizusteuern,' so dafi sich der Prazeptionslegatar die Sacbe vom Glaubiger remanzipieren lassen kann. Die Vererblichkeit der actio fiduciae wird hierin zwar nicbt eigens erwahnt, sondern stillscbweigend vorausgesetzt. Wenngleicb die ent- scheidenden Worte „soluta pecunia luere" nur eine Konjektur Lach- manns an Stelle des „solutam pecuniam sol vere" des Veroneser Palimpsestes sind, so ist diese Konjektur doch innerlicb begriindet, denn die Entscheidung des Juristen ware sonst nicbt zu versteben. Wie solite nun der Richter die Miterben zum luere rem zwingen konnen, \venn die actio fiduciae sicb nicbt auf sie vererbt hatte? Mag ferner aucb die fiducia mit Verfallsabrede urspriinglieh eine personliche Haftung des Scbuldners ausgeschlossen — mit seinem Tode ware sie nacb unserer Annabme ohne- hin erioseben — und das luere rem nur ein Recht des Scbuldners dar- ges telit haben, es ist nicht einzuseben, warum dieses Recht, das gerade den wichtigsten Anwendungsfall der actio fiduciae darstellt, nicbt in klassiseber Zeit auf die Erben libergegangen sein soli, wenn der Scbuldner vor dem Verfallstag starb. Genau betracbtet sagt der Aussprucb des Paulus auch nicbt, dafi die actio fiduciae generell aktiv unvererblich sei. Er fiihrt nur aus, dafi fiir den Pall, als der Glaubiger die fiducia verkauft bat, den Erben des Scbuldners keine Klage gewahrt werde, es sei denn, dafi der Scbuldner sebon selbst mit seiner Klage (actio fiduciae?) die Litiskontestation voll- zogen babe. Diese Aufierung stand offenbar in irgend welehem grofieren Zusammenhang, und da dieser obne Willkiir nicbt zu rekon- struieren ware, so sebeint es mir ricbtiger, die Erorterung zu dieser Stelle mit einem non liquet zu schliefien. 6 * 84 IV. Adstipulatio. Eine gesicherte Grundlage hingegen bieten uns die Qnellen fiir die Adstipulatio n. Zum Hauptglaubiger tritt ein Nebenglaubiger hinzu, der sich dasselbe voin Schuldner * * * 4 5 ) versprecben laBt, Dadurch erwirbt der Adstipulator die aktive Klagelegitimation: Eine ihm geleistete Er- fiillung 2 ) sowie ein von ihm vorgenommener ErlaB der Schuld 3 ) wirkt auch gegen den Hauptglaubiger. Die Heranziehung des adstipulator findet ikre geniigende Erklarung lediglich in der urspriingliohen Unvererblicbkeit der Stipulation. Da der Erbe iure civili die streng personliche actio in personam nicht ererbt, will man ibr Fortbesteben durcb die Heranziehung des Adstipulators sichern 4 ). Jedoch schon zu Anfang des dritten Jahrhunderts v. Chr. fand man es wohl wegen vieler MiBbraucke, die mit dieser Rechtsinstitution getrieben wurden, bald fiir notig, die Haftung des Adstipulators durch die lex Acjuilia vom Jahre 287 v. Chr. 6 ) fiir den Fali zu regeln, daB er in Schadigungs- absicht die Schuld erlassen hatte 6 ). Die Tatsache, daB man es in dieser Zeit, wo man auf dem Gebiete des Privatrechts so selten und so ungern die Gesetzgebungsmaschine in Bewegung setzte, doch notig fand, der Frage ein eigenes Kapitel der lex Aquilia zu widmen, bezeugt wohl die damalige wichtige Rolle der Adstipulation. Diese erhielt sich allerdings nicht bis in die klassische Zeit hinein. Deutlich ersieht man ihr Zuriick- treten aus dem Vergleich zwischen der regen Fortbildung des ersten und dritten Kapitels der lex Aquilia und der volligeu Vernachlassigung des zweiten Kapitels dieses Gesetzes. Hatte die Adstipulation in klassischer Zeit noch eine bedeutende Rolle gespielt, so hatte die Jurisprudenz un- moglich das zweite Kapitel der lex Aguilia so unbeachtet lassen konnen. Die Adstipulation beweist somit durch ihre Existenz, daB zu ihrer Bliitezeit wenigstens die Forderung aus der Stipulation aktiv un- vererblich war; sie ist aber folgerichtig auch selbst unvererblich gewesen. Dies betont Gaius zweimal mit denselben Worten (3, 114 und 4, 113): Nam adstipulatoris heres non habet actionem. DaB im Gegensatze zu anderen Kontraktsaktionen die Adstipulation spater nicht vererblich wurde, ist, wie bei der sponsio, auf ihr Absterben ‘) Gai. 3, 110: Possumus tamen ad id, quod stipulamur, alium adhibere, qui idem stipuletur, quem uulgo adstipulatorem uocamus. s ) Gai. 3,111: Et huic proinde actio conpetit proindeque ei recte soluitur ac nobis;.. .. •) Gai. 3, 215. *) Gai. 3, 117: . . . adstipulatorem uero fere tuno solum adbibemus, cum ita stipulamur, ut aliquid post mortem nostram detur; quia enim ut ita nobis detur stipu- lando nihil agimus, adbibetur adstipulator, ut is post mortem nostram agat; . . . 5 ) Kiibler, S. 186. 6 ) Gai. 3, 2i5: Capite secundo (sc. legis Aquiliae) aduersus adstipulatorem, qui pecuniam in fraudem stipulatoris acceptam fecerit, quanti ea res est, tanti actio con- stituitur. 85 zuriickzufiihren. Eine systematische Revision aller Aktionen fand mangels einer Kodifikation nie statt, durch das Erblichwerden der Kontrakts- aktionen wurde die Adstipulation praktisch bedeutungslos, und man schenkte ihr deshalb keine weitere Beachtung. Erst die Kompilatoren zogen die SchluBfolgerungen und verweigerten ihr den Eintritt in das justinianiscbe Recht. § 8 . Die LeiclmamsIiaH ung. L Indirekte Zwangsmittel. Die bisberigen Darlegungen haben ergeben, daB nach ius civile die Schulden des Erblassers unvererblich waren. Trotzdem war die Stellung des Glaubigers nicht immer hoffnungslos. Ohne zwar die Kontraktsaktion und bierauf die Vollstreckung gegen den Erben geltend machen zu konnen, vermocbte er dennoch auf diesen oft durch indirekte Zwangsmittel einen Druck auszuiiben, durch den er ihn zur Erfiillung der vom Verstorbenen gesckuldeten Leistung bewog. Die Idee der indirekten Zwangsmittel begegnet uns in ihrer An- wendung in einer Reihe von Rechtsordnungen, deren Vollstreckungsver- fahren noch wenig entwickelt oder durch die mangelnde Staatsautoritat nicht genug gesichert erscheint. Nach dem Recht von Dschagga 1 ) ist der nicht rechtzeitig befriedigte Glaubiger ermachtigt, seine Fran ins Haus des Schuldners zu schicken, die dort arg zu wirtschaften beginnt, oder der Glaubiger selbst iibernachtet vor der Haustiir des Schuldners, und diesen trifft die Haftung fiir das Leben des Glaubigers sogar dann, wenn er von wilden Tieren zerrissen wird. Nach chinesischem 2 ) Recht erwartet der Glaubiger vor der Haustiir der AVohnung des Schuld¬ ners die Bezahlung der Schuld. Er macht den Schuldner haftbar, falls er wegen des langen Wartens des Hungers stirbt. Der gleiche Gedanke lag auch demEinlagerrecht (ius obstagii) im germanischen Recht zugrunde 3 ). II. Die Leichnamshaftung in der Rechtsvergleichung. Ein sehr verbreitetes derartiges Zwangsmittel ist die Begrabnis- verweigerung. Sie ist fiir unsere Untersuchung von besonderer Wichtigkeit, da ihr Ausgangspunkt im Geltendmachen der gegen den Verstorbenen gerichteten Forderungen zu suchen ist. Die allgemeine *) Bruno 6 u t m a n n , Das Recht der Dschagga, Munchen 1926, S. 472 f. s ) Sternberg, Der Geiat dea chinesischen VermSgensrechtes, Zeitschrift fflr vergleichende Rechtawissenachaft, Band 26, S. 147. s ) Vgl. H ti b n e r, Grundzuge des deutschen Privatrechts, 3. Aufl., Leipzig 1919, S. 423f.; Mai Rintelen, Schuldhaft und Einlager im Vollstreckungsverfahren deB altniederlandischen und sachaischen Rechtea, Leipzig 1908. 86 Kultur- und Recbtsgescbicbte zeigt uns, wie besonders primitive Volker*) den groBten Wert darauf legen, daB die Dahingeschiedenen sitte- und standesgemafi beigesetzt werden. Wie Scbreuer * 2 ) dargelegt bat, begegnet man in primitiven Kulturen der Auffassung, daB im Leicbnam der Tote als Persbnlicbkeit fortlebt. Dieser bat sein gutes Recbt auf eine ebrenvolle Bestattung und aucb im Grabe noch auf Acbtung und Opfer seitens der Hinterbliebenen. Aucb die Seele des Menscben kann nicbt vorber ibre Rube finden, bevor der Leicbnam nicbt regelrecbt be- stattet 3 ) worden ist. Die Verweigerung der Bestattung wird als die furcbtbarste Drobung verwendet 4 ). Die Pflicbt zur Beisetzung trifft die- jenigen, die dem Verstorbenen am nachsten gestanden haben, somit be¬ sonders den Erben. Diese sakrale Verpflicbtung des Erben niitzen oft die Glaubiger des Erblassers aus und versucben durcb das Verbindern des Begrabnisses auf den Erben einen Druck auszuiiben, auf daB sicb dieser zur TJbernabme der Scbuld des Erblassers entscblieBe. Ja, die Ver- kniipfung der Bestattung mit der Scbuldenhaftung gebt in mebreren Rechtsordnungen so weit, daB derjenige, der den Toten beerdigt, biermit auch die Haftung fiir seine Scbulden iibernimmt. Dies ist der Fali im fantiscben Recbt, in den Recbten von Akkra, Angoy 6 ), Togo 6 ), Birma 5 ) und Dschagga 7 8 ). Der Begrabnisverweigerung begegnen wir in verscbiedenen Rechten, deren Entwicklung sicb unabbangig voneinander vollzogen hatte. Sebr haufig finden wir die Leicbnamsbaftung als Mittel zur Erzwingung der Bezablung von Scbulden des Verstorbenen in den Rechtsordnungen afrikanischer Stamme. Nacb fantiscbem Recbt lafit man den toten Scbuldner unbeerdigt , falls nicbt die Erben freiwillig die Haftung fiir *) Fiir das griochische Recht vgl. Wei6, Griechisches Privatrecht, I, S. 150 ff.: fiir das alte &gyptische Recht vgl. K e e s, Totenglaube und Jenseitsvorstellungen der alten Agypter, Leipzig 1926; fiir das groBrussische Gewohnheitsrecht V. Bogišic, Pravni običaji u Slovena, Zagreb 1867, S. 164. s ) Schreuer, Das Recht der Toten, in Ztschr. f. vergl. Rechtsw., 33. Bd., S. 333 ff. s ) Cfr. Jobbe-Duval, Les morts malfaisants, Pariš 1924, S. 47f. 4 ) Bruck, Totenteil und Seelgerat im griechischen Recht, Miinchen 1926, S. 43; H. Kees, a. a. O., S. 193; Schreuer, Das Recht der Toten, S. 360 ff.; im alt- assyrischen Recht wurde der Frau bei Abtreibung ihrer Leibesfrucht nach vollzogener Todesstrafe bzw. nach dem infolge der Tat eingetretenen Tode das Begr&bnis ver- weigert, siehe Ehelolf-Koschaker, Ein altassyrisches Rechtsbuch, Berlin 1922, S. 42, § 52. 5 ) Hermann Post, GrundriB der ethnologischen Jurisprudenz, II, Oldenburg- Leipzig 1895, S. 186, A. 2. Derselbe, Afrikanische Jurisprudenz, II, S. 17 f.; Wi- )utzky, Voi-geschichte des Rechts, II. Teil, S. 151. 8 ) Kohl er, Das Togorecht, Zeitschrift f. vergl. Rechtswissenschaft, 27. Band (1912), S. 141. ’) Gutmann, Das Recht der Dschagga, Miinchen 1926, S. 483. 87 seine Schulden ubernehmen 1 ). In A k k r a legt man den Toten auf ein Pfablgeriist und lafit ihn daselbst verwesen 1 ). In A n g o y bestand friiher die Sitte, den toten insolventen Schuldner in der Wiiste aufzu- hangen und ihm das Begrabnis zu verweigern 2 ). Ahnlich verfahrt man in A k k r a l ) mit der Leicbe eines vom Hausherrn fiir eine Scbuld ver- pfiindeten und nocb vor deren Abzablung gestorbenen Familienmitgliedes. Man legt den Toten auf ein Pfahlgeriist, bis er von seiner Familie los- gekauft wird. Zahlreiche Beispiele fiir die Anwendung dieser Praxis, mit Hilfe der Begrabnisverweigerung und der Leicbnamsbaftung von den Erben des Scbuldners die Bezablung seiner Scbulden zu erwirken, liefert uns das mittelalterlicbe spanische Recbt. Es bleibt ein dauerndes Verdienst des spaniscben Gelehrten De Hinojosa, dafi er durch seine Forschungen diese Frage klargelegt hat 3 ). Im aragoniscben Recbt war die Geltendmacbung der Leicbnams¬ baftung wenigstens innerhalb gewisser Grenzen zulassig, wie dies aus einem Urteilsspruch des Konigs von Aragonien bervorgebt 4 ). Fiir andere Gebiete der iberiscben Halbinsel vermogen wir aus den gesetzlicben Ver- boten der Leicbnamspfandung und der Begrabnisverweigerung zu er- schliefien, dafi vorber diese Praxis recbtlicb zulassig war. Derartige Ver- bote wurden erlassen durcb die Fueros von 1250 fiir Valencia und Katalonien 5 ), durcb den Codigo von Tort os a 6 ) aus dem Jahre 1279, durcb den Fuero Real fiir Leon und Kastilien 7 ) (1254 oder 1255) und durch den Codigo de las Siete Partidas 8 ) vom Jahre 1268. Wahrend in den zitierten Rechtsordnungen die Leichnamshaftung scbon 1 ) Hermann Post, Afrikanische Jurisprudenz, II, S. 17 f.; GrundriB der ethno- logischen Jurisprudenz, II, S. 186, A. 2. 2 ) Post, Afrikanische Jurisprudenz, II, S. 17 f.; K o h 1 e r - G er i ck e , Zur Reehtsgeschichte Afrikas, der Bericht von P. Anton Zucchelli (1715) in der Ztschr. f. vergleichende Rechtew., 34. Band, S. 266. 3 ) Eduardo deHinojosa, La privacidn de sepultura de los deudores, estudio historico-juridico; erschiehen in seinen Estudios sobre la historia del derecho espanol, Madrid 1903, S. 143—177. — Derselbo, Das germanische Element im spaniscben Recht, in Zeitscbrift der Savigny-Stiftung, Germ. Abtl., 31. Bd. (1910); die letztgenannte Abbandlung wird bier nacb dem Separatabdruck zitiert. *) Fororum regni Aragonum, IX, De duello. Zitat bei De Hinojosa, Estudios, S. 162, A. 1, vgl. eod. S. 163. tlber das Alter vgl. Raucbbaupt, Gescbichte der spaniscben Gesetzesquellen, Heidelberg 1923. 6 ) Fori regni Valentiae, 8, 2, 29; Text bei De Hinojosa, S. 163, A. 1. 8 ) De Hinojosa, Estudios, S. 164. 7 ) De Hinojosa, Estudios, S. 167. *) De Hinojosa, Estudios, S. 167ff. 88 — als iibermmden abgetan wird, galt sie nocb weiter nacb dem Recbte von Navarra 1 ): Fianza que ba a peitar por home muerto, deve emparar lo del muerto per la dobla, si peito, et si non lo ha, puede prender el cuerpo fuera de časa, 6 de glesia e tener el cuerpo peindrado, que no entre de justierra . . . Darnaeb bat allerdings nur der Biirge (fianza) fiir seinen Regrefi das Recht der Begrabnisverweigerung dem Scbuldner gegenuber. Aus einer Urkunde 2 ) aus dem Jahre 1401 kann man aber feststellen, dafi auch der Glaubiger dem Scbuldner gegenuber dieses Recbt ausiiben konnte. Die Leichnamsbaftung war jedocb keineswegs auf Spanien bescbrankt, obwobl uns beute fiir andere Lander dariiber nur geringe R e c b t s iiber- lieferungen zur Verfiigung stehen 3 * ). Weit mebr bieten uns in dieser Hinsicht die mittelalterlichen und indiscben Sagen *), in denen das eine Motiv immer wiederkehrt: dem ohne Bezablung seiner Scbulden ver- storbenen Schuldner 5 ) wird das Begrabnis verweigert, sein Leichnam wird sogar mifihandelt und gesckandet, in der Stadt 6 ) umhergeschleift, aufs Feld geworfen und so den Hunden und Vogeln zum Frafi gegeben 7 ), oder er wird mit Stocken gescblagen 8 ), oder im Raucbfang aufgehangt 9 ); endlicb findet sich ein Edler, der den Toten durcb Bezahlung seiner Scbulden loskauft und ibm ein ordentlicbes Begrabnis besorgt, wofiir er in der Regel den Dank des nunmehr zur Rube Gekommenen erntet. Er- *) Fueros del reyno de Navarra, desde su creacidn, hasta su feliz union con Castilla, Pamplona 1815, lib. III, tit. XVII, cap. 7, pag. 107. Zitat bei De Hinojosa, Estudios, S. 166, A. 1. *) Zitiert bei DeHinojosa, Estudios, S. 166 £.; d e r s e 1 b e , Das germanische Element im spanischen Recbt, S. 70 f. *) So die Burgdorfer Handfeste (bei G a u p p , Deutsche Stadtrecbte des Mittel- alters, II, Breslau 1852, S. 117) aus dem Jahre 1316, § 80: Nullus burgensem pro aliquodebitoimpediatsepeliri, et si abeo petere quod vo- luerit, ab heredibus id petatur. *) Literatur: De Hinojosa, Estudios, S. 146f.; A. Esmein, Debiteurs prives de eepulture, in Melanges d’archeologie et d’histoire, V e annee (1885), Paris- Rome, S. 223—242; J. Kobler, Shakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz, Wiirzburg 1883; Karl Si m rock, Der gute Gerhard und die dankbaren Todten. Ein Beitrag zur deutschen Mythologie und Sagenkunde, Bonn 1856; Karl Simrock, Die Queilen des Shakespeare in Novellen, M&rchen und Sagen, 2. Aufl., I. Teil, Bonn 1872; Theodor Benfey, Pantschatantra: Funf Biicher indischer Fabeln, Marchen und Er- zahlungen, I. Teil, Leipzig 1859; Louis Brueyre, Contes populaires de la Grande Bretagne, Pariš 1875 (das Buch war mir nicht zuganglich). 5 ) Karl Simrock, Der gute Gerhard, S. 52, 55, 58, 62, 65 f., 72, 89, 100, 104; B e n f e y, Pantschatantra, I, S. 52, 219. •) Karl Simrock, Der gute Gerhard, S. 52, 55. ’) Karl Simrock, Der gute Gerhard, S. 55, 58. 8 ) Karl Simrock, Der gute Gerhard, S. 62, 65f., 72, 89. *) Karl Simrock, Der gute Gerhard, S. 104f., 75; der tote Schuldner wird schlechthin aufgehangt: daselbst S. 75; Benfey, Pantschatantra, I, S. 219. 89 wagt man dabei, daB wir derartige Erzahlungen inEngland, B e 1 - gien, Deutschland, Erankreich und I n d i e n begegnen und daB man sich in ibnen oft anf den Ortsgebrancb l ), somit auf das Gewohn- beitsrecbt beruft, so kann kein ernster Zweifel an dem ursprunglichen Bestand solcher Rechtsnormen in einzelnen Teilen dieser Gebiete mog- lich sein. III. Die Leichnamshaftung im romischen Recht. Aucb im romischen Recht spielte die Geltendmachung der Leichnams- haftnng eine bedeutende Rolle. Ihre Anwendung wird uns allerdings erst fiir die byzantinische Periode bezeugt, in der sie wiederholt verboten wnrde. Zum ersten Male erfolgte dies, soweit wir wissen, im Edikt des Theoderich (nach 493 n. Chr.) 2 ), das im 75. Kapitel bestimmte: ... Si quis autem sepeliri mortuum, quasi debitorem suum adserens, prohibuerit, honestiores bonorum suorum partem tertiam perdant, et in quinquennale exilium dirigantur: hnmiliores caesi fustibuš, perpetni exilii damna snstineant. Wahrend das edictum Theodorici nur in Italien galt, verbot der Kaiser Justinus im Jahre 526 diese Praxis fiir das ganze Reich (C. 9,19, 6): Cum sit iniustum et nostris alienum temporibns iniuriam fieri reli- quiis defnnctornm ab his, qui debitorem šibi esse mortuum dicendo debi- tumque exigendo sepulturam eius impediunt, ne in posterum eadem iniuria procederet cogendis his ad quos funus mortui pertinet sua iura perdere, ea quidem, quae mortuo posito ante sepulturam eius facta fuerint vel exigendo quod debitum esse dicitur vel confessiones aliquas aut fidei- ussorem aut pignora capiendo, penitus amputari praecipimus: redditis vero pignoribus vel pecuniis quae solutae sunt vel absolutis fideiussoribus et generaliter omnibus sine ulla innovatione in pristinum statum reducendis principale negotium ex integro disceptari: eum vero, qui in huiusmodi deprehensus fuerit flagitio, quinquaginta libras auri dependere vel, si minus idoneus sit ad persolvendum, suo corpore sub competenti iudice poenas luere. Dieses Gesetz verdient in mancher Hinsicht unsere Beachtung. Der Kaiser war sich bewuBt, daB er eine alte, dem Billigkeitssinn wider- sprechende (nostris alienum temporibns) Gewohnheit abschafft. Aus dem Gesetz ersieht man auch klar, daB der Zugriff auf den Leichnam in der Absicht erfolgt, diejenigen, denen die Besorgnis um die Bestattung oblag, zur Ubernahme der Schulden Res Erblassers zu bewegen. Justinus er- klarte alle derartigen erpreBten Rechtsgeschafte fiir unwirksam und be- drohte ihre Urheber mit Strafen. *) Karl Simrock, Der gute Gerhard, S. 52, 58, 75. ! ) K r fl g e r, Quellen, S. 359. 90 Die Konstitution des Justinus hat Justinian in seinen Kodex iibernommen. Sie geniigte offenbar nicht; denn schon im Jabre 537 4 ) und noch einmal im Jabre 542 2 ) sah er sicb veranlafit, die Verbote unter Verscharfung der Strafandrohung zu ernenern. Nov. 60, c. 1 § 1: El če xai veleumjoavzog zivog neql zrjv zacprjv d/idqzoi ztg rov zelevzrjoavzog xai zrjv excpoqav xwlvoi, yeyqanzai ukv r\čr/ vo/uog xai zq> rj/eezeqqt nazqi neql zovzarv, nlrjv alla xal ei; rj/ioiv /isiCarv eneod-co zoZg nlrj/i/eelrj/zaoi noivrj . . . Nov. 115, c. 5 § 1: Me/uvrj/ie-9-a nqdg zovzoig vo/iov naq rj/icov (poizijaai, či ov naqexelevod/tekfa /tujčevi rcavzeldig etgeZvai ra tcov zelevzoivzuv aio/iaza XQ£° V G ovo/iazi xqazeZv rj e/inočio/ia rij zovzarv noieločcu zacpr. . . . &eantCouev zolvvv /irjčevl navzelurg el-eZvai tov g xlrjqov6/iovg zov zelevzcov- zog rj zovg yoveZg rj zovg nalčag rj ya/iezrjv rj adgnatovg rj cognatofg rj allovg avtov nqooyeveZg rj iyyvrjzag rego zrjg zorv evvea rj/ieqdrv nqo{leo/iiag, ev alg nev&eZv čoxovoiv, alziao&ai rj xa&' oiovčrjrcoze zqonov naqevo%leZv rj zuva vTio/ivrjoiv avzoZg emq>eqetv , rj ev čtxaamjquq avzovg xaleZv eize ovo/iazi XQŠovg naqa zov zelevzrjoavzog xazayo/ievov eize allr/g oiaoovv alziag j (dqiv elg za /ivrtuovevdkvza lčixwg oqcoor/g nq6aoma . . . Mit Sicberbeit gebt aus dieser Gesetzgebung bervor, dafi bier ein Recbtsinstitut vorlag, das den Rechtsanschauungen der Zeit nicbt mebr entsprach, das jedocb so tief in der Tradition wurzelte, dafi es nicbt so leicbt aus der Welt geschafft werden konnte. Die Annabme von Mitt- e i s s ), es bandele sicb wahrscbeinlicb um eine provinzielle Sitte, wurde schon von De Hinojosa 4 ) widerlegt. Wahrend fiir die Richtigkeit dieser Annabme aucb M i 11 e i s selbst keine Beweise anfiihren konnte, spricbt gegen sie entsebieden die Tatsacbe, dafi die Geltendmacbung der Leichnamshaftung im vierten und fiinften Jabrbundert gerade in Italien aufierordentlich verbreitet war. Fiir das fiinfte Jabrbundert bezeugt uns dies das zitierte 75. Kapitel des Edictum Tbeodorici; fiir das vierte Jahrbundert haben wir einen sicberen Zeugen im bi. Ambro si us, dem Erzbiscbof von Mailand, der in seinem Buche De T o b i a von ibrer haufigen Anwendung spricht* *>). In maneber Hinsicht verdient dieser Be- Nov. 60, 1 § 1. *) Nov. 115, 5 § 1. s ) Reichsrecht und Volksrecht, S. 456; zuruckhaltender im RPR., I, S. 98, A. 11. *) Estudios, S. 153. 6 ) D e T o b i a, c. X, 36—37: Quotiens vidi a feneratoribus teneri defunetos pro pignore, et negari tumulum, dum fenus eiposcitur! Quibus ego acquievi libenter, ut suum constringerent debitorem, ut eleeto eo, fideiussor evaderet; hae sunt enim feneratoris leges. I)ixi itaque: Tenete reum vestnim; et ne vobis possit elabi, domum ducite, claudite in cubioulo vestro, carnificibus duriores; quoniam qnem vos tenetis, carcer non suscipit, exactor absolvit; peccatorum reos post mortem carcer emittit, vos clauditis; legum severitate defunctus absolvitur, vobis tenetur. Certe hic sortem suam iam memoratnr implesse; non invideo tamen, pignus vestrum reservate. Nihil interesi 91 richt des Kirchenvaters unsere Aufmerksamkeit. Indem er uns ein drastisckes Bild von den Zustanden der Verfallsperiode gibt, zeigt er uns auch, wie man in dieser Zeit zur Geltendmachung der Schulden des Verstorbenen auf das alte Verfahren per manus iniectionem zuriickgriff. So zahlreicb sind die Parallelen und die feinen Anspielungen, daB kein ernster Zweifel iibrig bleibt, dafi er das zivile Vollstreckungs verfahren im Auge hatte. Der Bischof als Jnrisdiktionsorgan gestattete somit das domum ducere J ), das nexibus alligare 2 ) beziiglich des Leichnams des Schuldners, wobei er mit feiner Ironie hervorhebt, daB der Tote das ihm durch die Zwolftafeln gesicherte Alimentationsrecht nicht geltend machen werde 3 ). Der heilige Ambrosius begiinstigt sogar den Zugriff auf den Leichnam, um wenigstens den Biirgen zu retten, ja es scheint, dafi es ihm nicht sel ten auch gelungen ist, die Glaubiger unter religiosen Vor- stellungen von der Begierde nach der Befriedigung ihres Rachegefiihls abzubringen. Im nachklassischen Rechte, als die Schuldenvererbung vollig durch- gefuhrt war, hatte die Geltendmachung der Leichnamshaftung ihren Ur- sprung und inneren Gr und in der damaligen Verrohung der Sitten und in dem unzulanglich gesichertenVollstreckungsverfahren. Durchaus anders war ihre Rolle im Zivilrecht, wo sie unter anderen Verhaltnissen anderen Zwecken diente: die schlimmen Folgen des Schuldenerloschens tvenigstens bis zu einem gewissen Grade abzuwenden. Wie so viele andere zivilrechtliche Normen, lafit sich auch die Geltendmachung der Leichnamshaftung fiir die Zivilrechtsperiode durch direkte Quellenbelege nicht nachweisen; wir bleiben auch hier auf in- inter funus et fenus, nihil inter mortem diatat et sortem: personat, personat funebrem ululatum fenoris ueura. Nune vere capite minutus est quem convenitis; vehementioribus tamen nexibus alligate, ne vinoula vestra non sentiat: durus et rigidus est debitor, et qui iam noverit erubescere. Unum sane est quod non timere possitis, quia poacere non novit alimenta. Iussi igitur levari corpus, et ad feneratoris domum exequiarum ordinem duci; sed etiam inde clausorum mugitu talia personabant. Ibi quoque funus esse cre- deres, ibi mortuos plangi putares: nec fallebat sententia, nisi quod plures eonstabat illic esse morituros. Victus religionis consuetudine fenerator (nam alibi suscipi pignora etiam ista dicuntur) rogat ut ad tumuli locum reliquiae deferantur: tune tantum vidi humanos feneratores gravari me; tamen ego eorum bumanitatem memorabam prospicere, ne postea se quererentur fraudatos esse, doneč feretro colla subieeti, ipsi defunctum ad sepulera deducerent, graviori moerore deSentes peeuniae suae funus. — Text nach Migne, Patrologia Latina, Tom. XIV, S. 771 f. ‘) Cfr. Gai. 4, 21; Qui uindieem non dabat, domum ducebatur ab aetore et vinciebatur. — Tab. III, 3: . . . seciim ducito,. a ) Cfr. tab. III, 3: . . . vincito aut nervo aut compedibus XV pondo, ne maiore aut si volet minore vincito. ’) Cfr. tab. III, 4; Si volet suo vivito. Ni suo vi vit, qui eum vinctum habebit, libras farris endo dies dato. Si volet, plus dato. 92 direkte Beweisfiibrung beschrankt 1 II ). Sehr wabrsckeinlich lag der Be- stimmung der lex Jalia de vi pri vata — aus der Zeit des Časar oder des Augustus —, wonach die Begrabnisverweigerung unter strenge Strafe gestellt wurde, eine Pražiš der Leicbnamsbaftung zugrunde: Paul. Sent. 5, 26, 3: Lege Julia de ui priuata tenetur, . . . quiue . . . funerari sepeliriue alicjuem probibuerit, funusue eripuerit turbauerit: . . . Quibus omnibus eonuietis, si bonestiores sunt, tertia pars bonorum eripitur et in insulam relegantur: bumiliores in metallum damnantur. Die Geltendmacbung der Leicbnamsbaftung batte im Ziviirecbt ihren Grund in der Unvererblicbkeit der Scbulden. Als solcbe war sie nur die logiscbe Durchfiibrung des damaligen streng personlicben Vollstreckungs- verfahrens per manus iniectionem; dieses riebtete sicb nur gegen die Per- son des Sckuldners, nicbt direkt gegen sein Vermogen oder gegen seine Familiengenossen. Andererseits wurde es aber gegen den Scbuldner mit der grausamsten Konsequenz durchgefiibrt, da es zum Verkauf in die Sklaverei oder zur Totung oder gar zur Zerstiickelung (in partes secare) fiibren konnte. D a 6 den Romerr. die von Scbreuer dargelegte Vor- stellung vom fortlebenden Leiebnam durcbaus nicbt fremd war, zeigt das Bestreben des iiberschuldeten Erblassers, durcb Einsetzung eines Sklaven zum Erben der ignominia, welcbe eine Folge des NachlaBkonkurses war, nacb dem Tode zu entgeben. Starb nun der Scbuldner, so konnte der Glaubiger gegen den Leiebnam das Verfabren per manus iniectionem durcbfiibren. Durcb die MiBhandlung des Leicbnams, insbesondere durcb die Begrabnisverweigerung, solite direkt nur der Tote getroffen werden; indirekt wurde aber dadureb aucb auf die Hinterbliebenen ein sakral- recbtlicber und moraliseber Druck ausgeiibt. Ahnlicb wie der vindex den lebenden Scbuldner auslosen konnte, konnte aucb jedermann fiir den Leicb- nam das manum depellere vornebmen. In erster Linie werden dies wobl die Erben getan baben, obne daB sie dazu zivilrecbtlicb verpflicbtet ge- wesen waren. Haben sie es getan, so wird die bisherige Scbuld des Erblassers ihre eigene Scbuld, fiir die sie unbesebrankt personlicb baften. Hieraus wird uns vollig verstandlich, daB das romisebe Zivii¬ recbt eine beschrankte Haftung, etwa als NacblaBbaftung, nicbt ent- wickeln konnte. Die G-leicbstellung des Leicbnams mit dem lebenden Menscben in recbtlicber Hinsicbt konnen wir aus dem Noxalrecbt, an dessen Alter ein berechtigter Zweifel nicbt moglicb ist, mit Sicberbeit erseben. Gaius (4, 81) bericbtet uns dariiber: l ) Vgl. dazu Cesare Bertolini, Appunti didattici di diritto romano, ser. sec.: II processo civile, I, 1913, Torino, S. 21 f.; Jobbe-Duval, Les morts mallaisants, Pariš 1924, passim. 93 Quid ergo est? etiamsi . . . , de qua re modo diximus, quoque non permissum fuerit ei mortuos homines dedere, tamen et si quis eum dederit, qui fato suo uita excesserit, aeque liberatur. Dazu bemerkt in einer vielbehandelten 1 ), leider nnr mangelhaft er- haltenen Stelle sein Kommentator von Autun (4, 82—87) unter anderem: 82. Sed interest utrum serui filiine nomine noxalis actio proponatnr, an animalinm. Nam si serui filiiue nomine condemnatus fuerit dominus uel pater, poterunt in noxam dare etiam mortuum: condemnatus dominus noxali actione potest seruum etiam mortuum in noxam dare. 83. Animal mortuum uero dedi non potest. 84. Quae ratio est ut serui mortui etiam dedantur? Voluerunt.r.n re seruis uel filiis . . . delinquentes semet t.aut potestatem dominorum.neque ita uolebant liberari a dominis .... seruus delinquebat non poterat do¬ minus aut reddere dabat.noxam p. 85.cor.dedere dom. parentem putes. uti e. t . . . domino uel parenti et occidere eum et mortuum dedere in noxam. .potestas potest.eum patris potestas tališ est ut habeat uitae et neces potestatem. 86. De filio boe traetari crudele est, sed.t. m. r. n. ... pos.occidere sine iusta causa ut constituit lex XII tabularum. Sed deferre iudici debet propter calumniam. 87. Ergo ideo. mortuum dedere .ter. Animalibus non est similis traetatio in penis his quae rationem habent. Daraus gebt klar hervor, daB das noxae dedere eines Toten, welcher natiirlicben Todes (fato uita excedere) gestorben war, die gleichen Reclits- wirkungen hat, als die Auslieferung eines lebenden Haussobnes oder Sklaven. Dagegen gilt aber die Auslieferung eines verendeten Tieres nicbt als noxae deditio. Wir erseben aus diesen Stellen aucb, daB der Zugriff auf den Toten den Romern in der altesten Zeit durebaus nicbt fremd war, was fiir unsere Annahme der Leichnamshaftung von Wicbtig- keit ist. Wie wir schon binwiesen, war der Erbe anlaBlich der Geltend- machung der Leicbnamsbaftung seitens der Glaubiger zivilrechtlicb keines- *) C. Ferrini, Intorno alla „noxae datio* del delinquente. Scritti in onore di F. Carrara, S. 309—311, Lucca 1898 (Das Werk war mir nicht zuganglich); C. Ferrini, Sui frammenti giuridioi del palinsesto d’Autun, Atti deli’ accad. di Torino XXXV, S. 526 ff. (Unzuganglich; Zitate bei Buonamici im Buli. 13, 2941 und bei Scialoja, Buli. 13, 72); Scialoja, Frammenti antegiustinianei di Autun, Buli. 11, 95 ff ; Scialoja, Sullat „noxae deditio' del cadavere. Breve nota ai frammenti di Autun, Buli. 13, 72 ff.; Buonamici, Un altra nota aggiunta a quelle di C. Ferrini e di V. Scialoja per la interpretazione dei frammenti d’Autun, Buli. 13, 294—299; Jobbe-Duval, Les morts malfaisants, „Larvae, Lemures' d’aprbs le droit et les croyances populaires des Romains, Pariš 1924, S. 284, 296 ff.; Bi ondi, Actiones noxales, Palermo 1925, S. 250 ff. 94 wegs verpflichtet, als vindex aufzutreten. War er ein heres suus, so notigten itn in der Regel dazu sein Familiensinn, seine gesellschaftliche Stellung und das Sakralrecht. In der Regel wird es der suus gar nicht so weit haben kommen lassen, sondern er iibernahm, etwa durcb neue Stipulationen, aus eigenem Antrieb die Scbulden des Erblassers. Beim bereš extraneus dlirfte jedocb aucb die Leicbnamshaftung oft zu einer Schuldiibernabme nicbt gefiihrt baben. Desbalb werden sicb die Glaubiger wobl gut iiberlegt baben, bevor sie zu diesem immerbin odiosen Verfahren sicb entscblossen haben. Daber wird sicb bald die Anschauung gebildet baben, daB es fiir den suus bereš moraliscb unmoglich erscbien, das manum depellere fiir den Verstorbenen nicbt vorzunehmen. Die Geltend- macbung der Leicbnamshaftung als Durcbfiibrung der manus iniectio gegen den Leichnam, wirkte somit im romischen Recbte weit mehr durcb die Moglichkeit ibrer Geltendmachung als durch allzuhaufige An- wendung. Die Bedeutung der Leichnamshaftung fiir die Entwicklung der Frage der Erbenbaftung im romischen Rechte bestebt darin, dafi sie die erste Brescbe in den zivilen Grundsatz der Schuldenunvererblichkeit ge- scblagen und dadurcb zum erstenmal seine allgemeine Geltung erschiittert bat. Sie fiihrte allerdings in vielen Fallen nicbt zum Ziele, oft wird man von ihrer Anwendung abgesehen haben, aber immerbin war durch sie scbon Dbergang und Boden fiir die spatere pratorische Reform ge- scbaffen worden. § 9 . Hereditas saerorum. I. Die Bedeutung der Religion in der Antike. Bei den Volkern der Antike *) spielte die Religion eine sebr wicktige Rolle. Im besonderen Mahe gilt dies von den Romern, die sich selbst als die „religiosissimi mortalium“ bezeichneten l 2 ). Griecbiscbe Autoren haben wiederholt den letzten Grund der GroBe Roms in der romischen l ) Die Literatur hierzu: F uštel deCoulanges. Der antike Staat, uber- setzt von P. Weifi, Berlin-Leipzig 1907; Bb. Fr. Bruck, Totenteil und Seelgerat im griechischen Recbt, Munchen 1926; H. K e e s , Totenglauben uud Jenseitsvorstellungen der alten Agjpter, Leipzig 1926; Jobbe-Duval, Les morts rualfaisants, Pariš 1924; Bliimner, Die rijmischen Privataltertumer, 3. Aufi., Munchen 1911 (Mullers Handbuch, IV, 2, 2); R. Cagnat-V. Chapot, Manuel d’Archeologie romaine, I, Pariš 1926; der Artikel „sacra“ in Pauly-Wissowa, II. R., 1. Band, S. 1656 ff. von Geiger; Wissowa, Religion und Kultus der Romer, 2. Aufi., Munchen 1912. “) S ali ust, Cat. 12, 3; Voigt, Die XII Tafeln, I, Leipzig 1883, S. 32 ff., besonders die in Anmerkung 1 auf Seite 32 angegebenen Quellenbelege; Voigt, Die rOmischen Altertiimer (Mullers Handbuch, IV, 2), 2. Aufi., Munchen 1893, S. 288. 95 evoepeta und Ssiatdai/uovia gesehen 1 ). Innige Religiositat gehorte zu den typischen Eigenschaften der alten Romer, und man kann in der Tat in der alteren Geschichte der Tiberstadt auf Scbritt und Tritt eine enge Verkniipfung des ganzen offentlichen 2 ) und Privatlebens mit religiosen Vorstellungen verfolgen. Im altromischen Hause brannte am Herde das beilige Feuer, hier opferte man den Gottern und Beschiitzern des Hauses 3 ). Der den aus- gepragten wirtschaftlicben Typus darstellende katoniscbe Bauer begriifite beim Betreten des Meierbofes die Laren, dann erst kam die Besichtigung der Felder an die Reihe 4 ). Das Feuer am Familienherd versinnbildlichte das Fortleben der Familie, eine Vorstellung, die auch das altbabyloniscbe Recbt aufwies, indem man dort das erbenlose Versterben als das Haus mit erloschenem Herd bezeiclmete 5 ). II. Totenkult und ,sacra“. Ausgehend von der Anschauung, dafi nach dem Tode das jenseitige Leben in ahnlichen Formen und mit ahnlichen Bedurfnissen fortgesetzt werde, in denen sich der Verstorbene zu seinen Lebzeiten befand, trachtete man mit grofiter Sorgfalt darnach, die Versorgung des Toten im Grabe mit allem Notwendigen sicherzustellen. Hierher geborte auch das standesgemaBe Begrabnis, wobei dem Toten verschiedener Schmuck, Waffen und auch Speisen mit ins Grab gegeben wurden 6 ). Dazu kamen noch die periodisch wiederkehrenden Opfer, die der „Sohn und Erbe“, wie ihn die agyptischen Inschriften so charakteristisch nennen 7 ), den Verstorbenen darbrachte. *) Polybios, 'Iozogiai, VI, 56, 6—7: Meyiozt]v de ptot Sonet Scaipogav e%etv zo negi 'P(x)/xaio)v jzo/Uzevfia ngog Be/.ziov iv zfj negi &ečbv diaitfrfiei. Kat UOL Sonet zo naga zotg cttAoig av>onoig ovetdtCofzevov, zovzo ovve^etv za 'S:\ouaiwv ngayfxaza, Aeyco Se zrjv SetotSai- (lovtav. — Vgl. Poseidonios bei Athen. VI, 274; Wissowa, Religion und Kultus der Romer, 2. Aufl., Munoben 1912, S. 386. *) Es sei hier nur auf die Auspizieu aowie auf die vielen MiBbrauche, die spater mit diesen getrieben wurden, verwiesen, um ihre ursprungliche Bedeutung zu zeigen. Vgl. K ii b 1 e r , S. 74. *) W i s s o w a , Religion und Kultus der Romer, S. 33 f. *) Cato, De agri cultura, 2, 1: Pater familias ubi ad villam venit, ubi larem familiarem salutavit, fundum eodem die, si potest, circumeat. 5 ) Hammurabis Gesetz von Koschaker und U n g n a d, VI. Band, Leipzig 1923, S. 132 f.; vgl. ferner aueh Pustel de Coulanges-WeiB, Der antike Staat, S. 20 ff. 8 ) Fiir die rdmiscben Graber vgl. v. Duhu, Italische Graberkunde, Heidelberg 1924, passim; Cagnat-Chapot, Manuel d’archeologie, S. 334 ff.; fiir die griechisohen Graber vgl. Bruck, Totenteil, S. 6 ff. 7 ) K e e s, Totenglaube und Jenseitsvorstellungen der alten Agypter, S. 24, 49 und passim. 96 tJberraschend sind die Ahnlichkeiten, die wir in verschiedenen Recktsordnungen, die sich zum Teil unabhangig voneinander entwicbelt baben — so der romiscben, griechischen'), altagyptiscben 2 ) nnd japani- schen 3 ) — in Hinsicht auf die Sicberung nnd Erhaltung dieses Toten- und Familienkultes verfolgen konnen. Die Graber wiesen eigene Platze nnd Einricbtungen auf, damit anf ihnen den Verstorbenen Opfer dar- gebracht werden konnten 4 ). Die Totenopfer waren mit der Zeit sehr umfangreicb 6 ) 6 ) nnd damit fiir die Verpflicliteten driickend gevrorden. *) Bruck, Totenteil, S. 231 fF. ! ) Kees, Totenglaube, S. 1, 24, 48f., 231. ! ) Unser Vaterland Japan. Ein Quellenbuch, gescbrieben von Japanern, Leipzig 1904; darin (S. 261—290) »Ahnenkultus* vom Nobuschige H o z u m i; »Ahnen¬ kultus war Japans erste Religion und stammt aus den Zeiten unserer Geschichte, die mehr als 2500 Jahre zuriickliegt und wird allgemein vom Volk bis auf den heutigen Tag geiibt (S. 263)“. Vgl. dazu auch Dr. Riuichi Ikeda, Die Hauserbfolge in Japan unter Berucksichtigung der allgemeinen japanischen Kultur- und Rechts- entwicklung, Berlin 1903, S. 39. — »Wir begehen den Jahrestag unserer Toten, statten ihren Grabern Besuche ab, bieten Blumen, Speise und Trank dar, ziinden Veihrauch- kerzen an und beugen uns vor ihren Grabern, alles aus Gefiihl der Liebe und Ver- ehrung (H o z u m i , S. 263).“ Fiir die Opfergegenst&nde vgl. die Parallele im žgvpti- schen Recht, wo wir aus der Grabinschrift des Nomarchen Chnumhotep II. bei Boni- Hasan erfahren, daB als Totenopfer »Brot, Bier, Libation, Čl, Vfeihrauch und Opfer- fleiscb' dargebracbt wurde (Kees, o. c., S. 382). In der alteren Periode bracbte in Agjpten »der Sobn und Erbe“ Brot und Wasser zum Opfer und nur an Festtagen auch Bier und Feiertagsgeback (Kees, o. c., S. 24, 38, 48 f.). Sowohl in Japan als in Agjpten (H o z u m i, S. 269; Kees, o. c., S. 369, 377 f., 382 und passim) fanden die Opfer sehr oft statt. — Urspriinglich bildete in Japan „die Aufrecbterbaltung des Familienkultus den einzigen Zweck der Erbscbaft“, ja der Taiho-Kodex aus dem Jahre 701 n. Chr. bezeichnet die Fortsetzung des Ahnenkultus als TJbernahme „der wichtigen Pflicht“ (H o z u m i, S. 287). Čbrigens enthalt noch das moderne japanische Recht Spuren der einstigen groBen Bedeutung des Ahnenkultus, indem es im § 987 des Biirgerlicben Gesetzbuches bestimmt: „Das Besitzrecht der genealogischen Urkunden der Familie, der Gegenstande, die fur den Familienkultus gebraucht werden, und der Familiengraber bildet das besondere Recht der Nachfolge in der Familienhoheit“ (Zitat bei H o z u m i, o. c., S. 288, vgl. dazu die z. T. abweichende Obersetzung bei L 6 n - holm, Das Biirgerliche Gesetzbuch von Japan, III. B., Tokyo 1898); vgl. auch die italienische "Obersetzung, die G. Castelli unter dem Titel des Werkes von N. H o- sumi ,11 culto degli antenati e il diritto giapponese, Milano 1923“, besorgt hat. ‘j Bei den Agjptern gab es in der Regel eine steinerne Opfertafel, auf welche man die Opfergaben niederlegte (Kees, o. c., S. 50 f.). Bei den RiSmern war dies die culina: Culina vocatur locus, in quo epulae coinburuntur (Festus, de verh. signif., 65); Fustel de Coulanges -WeiB, Der antike Staat, S. 16; Cagnat-Chapot, Manuel I, S. 359; v. Duhn, Italische Graberkunde, S. 426: ,Durch kleine Rinsale wurden fliissige Spenden wie Milch nachgegossen.” 5 ) Bei den Romem gab es nach neuntagiger Trauer nach dem Begrabnis am Grabe ein ,sacrificium novemdiale“; den Familienahnen brachte man an bestimmten Tagen (parentalia, feralia) Opfer dar. Cfr. Festus, de verborum signif., 85: Feralia dis manibus sacrata festa, a ferendis epulis, vel a feriendis pecudibus appellata. — Varro, de lingua latina, 6, 13: Feralia ab inferis et ferendo, quod ferunt tum epulas ad se- 97 Solange der Begriff des Erben mit jenem des leiblichen Sohnes gleich- bedeutend war, drangte den Erben der Eamiliensinn zur gevvissen- baften Besorgung der Totenopfer. Als sicb jedoch in der Folgezeit die Begriffe des Erben und des Sohnes immer seltener deckten, fand man es besonders angesichts des fortschreitenden Verfalls der Religion notig, ein Recht der Toten (iura manium) ‘) auf die periodischen Opfer zu kon- struieren und auf die eine oder die andere Art die Fortdauer der Toten¬ opfer sicherzustellen. Die einzelnen Rechte seklugen hierbei verschiedene Wege ein: das agyptische * 2 ) versuchte dies durch Vertrage mit den Erben oder auch durch Einsetzung eigener Totenpriester zu erreichen, das griechische Recht 3 ) wollte dasselbe Ziel durch Errichtung von Stiftungen sowie durch die Heranziehung der Orgeonen- und Thiasoi- verbande 4 ) erreichen. Das romische Recht schlug dagegen den Weg der normativen Regelung seitens der Pontifizes ein, wie aus den beiden noch zu erorternden Pontifikaldekreten hervorgeht. Den Romern waren die alle Kulthandlungen und .somit auch die rituelle Totenpflege in sich vereinigenden s a era 5 ) die Form und der Weg, auf dem sie an die Grotter herantraten; ihre Regelung wurde noch dem zweiten Konig Roms, Numa Ponipilius. zugeschrieben (Cicero, de re publ. 14, 26). Man unterschied mehrere Arten der sacra. Der Einzelne, dieFamilie, die gens und endlich auch der Staat, sollten eigene sacra haben 6 ). pulerum, quibus ius ibi parentare. — Urspriinglich gab os nach der Ansicht v. Duhns (o. c., S. 119) nur die fiir die ganze Gemeinde an einem und demselben Tage dar- gebrachten Opfer (feralia und noch keine parentalia). Die privaten Parentalien wurden arn Todes- oder am Begrabnistag des Betreffenden begangen. Zu den Parentalien ge- horte auch das Rosenfest (rosaria, rosalia), mit dem oft auch ein \eilohenfest (dies violae) verbunden war. Weiteres hieriiber in Marquardt, Romische Staats- verwaltung, III. Bd., 2. Aufl., Leipzig 1888, S. 360 ff. 9 ) Fiir das griechische Recht, welches die evayia/Mica (blutige Opfer), ^o«t' (Trank- spenden) und vo/uCofieva unterscheidet, vgl. Bruck, Totenteil, S. 159, 174, 177f., und L. Bcauchet, Histoire du droit prive de la republique Athenienne, Le droit de propriete, Pariš 1897, S. 636. — (Iber den Verfall vgl. Bruck, o. c., S. 194. *) Cicero, de leg., 2, 18, 46: de sacris privatis et de manium iure; fflr das griechische Recht vgl. Bruck, Totenteil, S. 36 ff. und passim; fiir das agyptische vgl. K e e s , o. c., S. 25 und passim. 2 ) Kees, o. c., 48 f,, und passim. 5 ) Bruck, o. c., S. 195: „Der Erblasser wendet bestimmte VermBgensbestand- teile einer juristischen Person, dem Staat, den Tempelverwaltungen, Vereinen — be- stehenden oder eigens zu diesem Zwecke gegriindeten — mit der Auflage zu, ihm den Totenkult zu verrichten.' 4 ) Bruck, o. c., S. 233 ff. 5 ) Dazu der Artikel vom G„e iger s. v. „sacra“ in Pauly-Wissowa, 2. Reihe, 1. Band, S. 1656 ff. e ) Festus, de verborum significatione, 245: Puhlica sacra, quae publico sumptu pro populo fiunt, quaeque pro montibus, pagis, curiis, sacellis; at privata, quae pro singulis hominibus, familiis, gentibus fiunt. — tlber die sacra publica vgl. Mar- quardt, Romische Staatsverwaltung, III, 2. Aufl., Leipzig 1885, S. 121. Leipzigor rechtsw. Studien. Hcft 29: Korošec. 7 98 Die Besorgung and Erhaltung der personlichen sacra oblag dem Einzelnen, die der Familiensacra dem Hausvater (Cato, de agri cultura, 143: scito dominum pro tota familia rem divinam facere), die der gentili- zischen sacra endlich dem Vertreter des Geschlechtskultes (flamen)*). Wurde in der Zivilrechtsperiode die Zugehdrigkeit zur bisherigen Familie, sei es durch die arrogatio, sei es durch die conventio in manum, aufgelost, so zogen die beiden Rechtsgesehiifte ancb eine Anderung in den „sacra,“ nacb sicb. Im ersten Falle kam es zn einer „detestatio sacrorum“ * 2 ), fiir den zweiten bestimmte aber schon ein angeblicb vom Konig Numa 3 ) erlassenes Gesetz, daB die Frau der „sacra“ und „bona“ des Ehegatten teilkaftig ward; die Frau scbied aus der bisherigen Kult- gemeinscbaft und trat in eine neue 4 * ) ein. Die Erhaltung der Familiensacra war anfangs vollig dem pater familias iiberlassen. Bei dem stark ausgepragten Familiensinn des quiritischen Ronis wird die3 lange vollauf geniigt haben. Erst als man spater einen fortschreitenden Verfall der sacra beobachten konnte, griff das Pontifikalkollegium ein. An und fiir sich stanci den Pontilizes kein Rechtsmittel zur Verfiigung, durch das sie die Fortfiihrung des Familien- kultes hatten erzwingen konnen. Selbst das Aufsichtsrecht 6 ), das ihnen in den letzten Jahrhunderten der Republik unbestritten anerkannt wurde, hat sich wohl nur aus ihrer Stellung als Hiiter des starr konservativen Sakralrechts, das fiir die sacra maBgebend war, entwickelt. Denn an das Priesterkollegium wandten sich oft der Senat, die Magistrate, viel- leicht auch einzelne Burger mit Bitten um Auskunft. Obwohl die Pontifizes kein ius edicendi hatten, gewannen mit der Zeit ihre so er- teilten Gutachten (decreta, responsa) tatsachlich die Kraft einer unum- stoBlichen rechtlichen Norm, gegen die es unmoglich war, eine hdhere Instanz anzurufen. Oben haben wir fiir das agyptische und das griechische Recht den allmahlichen Verfall des Totenkultes festgestellt, der sich Hand in Hand mit dem Religionsverfall und der Anderung der allgemeinen Kulturver- haltnisse vollzogen hatte. Ahnliches laBt sich auch fiir die romisehen ‘) Pauly-Wisso wa, II. R., 1. Band, s. v. sacra, S. 1658. 2 ) Gellius, 5, 19, 4—6, 8. Vgl. Mo m m s en, Staatsrecht, III, S. 38, 318; Weiteres bei Geiger, in Pauly-Wissowa, s. v. sacra, S. 1657. Vgl. auch M. Ča¬ re d d u, La „sacrorum detestatio* nel diritto romano, in Scritti Fadda, I, 1906, S. 391 ff.; Kubi er, s. v. „sacrorum detestatio“ bei Pauly-Wissowa, II. Reihe, 1. Band, S. 1682 ff. *) Dion. 2, 27 (Zitat bei Bruns, Fontes, S. 9, Nr. 10): . . iav jiar^g vio} ovyy_ajoriof/ yvvatxa ayayeo&ai, hocvcovov 80 ojif.vt]v tegčov Te xai xQiyxa.uov y.aza zovg voptovg, . . . ‘) Was oft „sacrorum interimendorum causa* angewandt worden ist; vgl. Cicero pro Murena, 12, 27. *) Vgl. Wissowa, Religion und Kultus der Romer, 2. Aufl., Munchen 1912, S. 72, 400 f. 99 sacra vermuten. Die Zeugnisse ‘) aus der klassischen Zeit wissen alle von der einstigen Wichtigkeit der sacra zu berichten; gerade aus diesen Zeugnissen gebt deutlich hervor, daB zu Zeiten des Festus 8 ) und des Gaius die sacra ein bereits abgestorbenes Institut des Sakralrechts darstellen. Einen sicheren Beweis fiir den Riickgang der sacra am Ausgang des dritten vorcbristlichen Jahrhunderts liefert uns die Rede- wendung »hereditas sine sacris“, womit ein reiuer, durcb keinerlei Lasten und Unannehmlichkeiten getriibter Gewinn bezeichnet wurde. Daraus kann man schlieBen , daB schon zur Zeit des P1 a u t u s, bei dem wir dieser Wendung zuerst begegnen * * 3 ), die Ererbung und die damit ver- bundene Verpflicbtung zur Weiterfiihrung der sacra als eine driickende Last empfunden wurde. III. Die Pontifikaidekrete. In Anbetracbt der iiberaus wicbtigen Rolle, die die romische (personliche) Familie als Wirtschafts-, Rechts- und Relig-ionszelle in der romischen Kulturwelt spielte, findet man es sehr begreif licb, daB alle rechtssetzenden Faktoren allzeit bemiiht waren, sie in ihrem Fortbestande zu sicbern. Daraus erklart sich die augusteiscbe Ehegesetzgebung, die auf dem Gebiete des Zivilrecbts neue Normen brachte. Auf dem Gebiete des Sakralrechts waren schon Jahrhunderte vorher die Pontifizes eifrig tatig; ihnen erwucbsen im letzten Jahrhundert der Republik eifrige Helfer in der aufbliihenden Jurisprudenz 4 ). ') Festus, de verborum signif., 290: „Sine sacris hereditas inproverbio dici solet, eura aliquid obvenerit sine ulla ineommodi appendice, quod olim sacra non solum publica curiosissime administrabant, sed etiam privata, reiictusque bereš sit peouniae (ut) etiam sacrorum erat, ut ea diligentissime administrare esset necessarium. Brun s, Fontes, II, S. 39. Gai. 2, 55: Quare autem omnino tam inproba poesessio et usucapio concessa sit, illa ratio est, quod uoluerunt ueteres maturius hereditates adiri, ut essent, qui sacra facerent, quorum illis temporibus summa obseruatio fuit,. s ) Oder vielieicht schon zur Zeit des Verrius Flaccus, dessen Werk de verborum signifieatu (verfaBt unter Augustus) die Quelle fiir den spateren Auszug des Festus bildete. Siehe Kriiger, Quellen, S. 288. 3 ) Plautus, Captivi, 4, 1, 8: Der Parasit Ergasilus, welcher seinem Gonner Hegio die frOhliehe Botschaft von der Riickkehr dessen Sohnes Philopolem iiberbringen will, und als Belohnung dafiir beim Hegio fiir immer freie Tafel sich zugesichert zu haben glaubt (Vers 780), raft im Monologe aus (V. 775): Sine sacris hereditatem aptus efier- tissumam. — Im Trinummus laBt Plautus den Sklaven Stasimus sagen: Cena hac annonast sine sacris hereditas (Trin., 2, 4, 83; V. 484). Beide Zitate nach der Ausgabe von Goetz-Schoell, 2. Aufl., Leipzig 1901 —1909. *) Cicero de leg., 2, 19, 47: Sed iuris consulti.saepe, quod positum est in una cognitione, id in infinitam dispertiuntur, .... de leg., 2, 19, 48: Hoc uno posito, .... innumerabilia nascuntur, quibus implentur iuris consultorum libri; quae- runtur enim, qui astringantur sacris. 7 100 Die Pontifizes warfen ihr Augenmerk auf die Erkaltung der sacra, namentlich derjenigen der Familie. Waren sie doch der sichtbare Aus¬ druck des Fortbestandes der alten Familie, der Tragerin einer ruhm- reichen bauerlich-aristokratischen Tradition. Dafi der suus schon durch seinen ererbten Familiensinn zur Fortfiihrung der sacra verpflicbtet war, ist wobl nie bestritten worden. Der suus heres hatte ubrigens ein leb- baftes Interesse an der Fortsetzung der Familiensacra ; nach seinem Tode solite ja auch er selbst in die Ahnenreihe eintreten und so der sakralen Opfer teilhaftig werden. Der Stolz der alten romiscben Familien auf ibr ius imaginum, welcbes insbesondere beim Begrabnis zum Ausdruck kam, vermocbte sogar auf den Grriechen Polybios einen nacbbaltigen Eindruck auszuiiben 1 * ). Anders gestaltete sicb die Lage beim heres eztraneus. Er war schon durch eigene Familiensacra belastet und solite nunmehr noch die des Erblassers fortsetzen. Dafi ikm dies oft beschwerlich wurde und dafi infolgedessen in der Regel wohl die sacra des Erblassers in Ver- gessenheit gerieten, erscheint sehr wahrscheinlich. Deshalb griff das Priesterkollegium ein und verhalf auf die schon dargelegte Weise eigenen Normen zur Geltung, welehe alle vom Gfrundsatze ausgingen, dafi die Familiensacra dauernd erhalten bleiben sollten 3 ), um eben dadurch das Fortdauern der Familie zum Ausdruck zu bringen. Aus welchem Anlafi, ob auf Ersuchen des Senats oder eines Magistrats, oder aus eigener Initiative des Priesterkollegiums, es zu dieser Regelung kam, wird nicht berichtet. C i c e r o 3 ) berichtet nur, dafi die Regelung blofi eine sakral- rechtliche, keine zivilrechtliche war. Lei st 4 5 ) bezeicbnete die beiden Regelungen als Pontifikaledikte, dies mit Riicksicht auf ihre grofie Ahn- lichkeit mit den pratoriscben Edikten; seiner Bezeichnung folgte die Mehrzahl der spateren Forscher, u. a. Karlowa‘), G-irard-Mayr 6 * ). K n i e p ’) widersprach dem mit dem Hinweis, dafi den Pontifizes ein ius edicendi nicht zustand 8 ), bezeichnete diese Normen „als ein priesterliches 0 Polybios, ‘lozooiai, 6, 53, 6; Richard Heinz e, Von den Ursachen der GroBo Rome, Rektoratsantrittsrede 1921, 2. Abdruck, Leipzig 1925, S. 21; Beloch, Romische Geschichte, Berlin-Leipzig 1926, S. 97. s ) Cicero, de leg., 2, 9, 22: Sacra privata perpetua manento; — de leg., 2, 19, 47: . ... de sacris . . haec sit una sententia, ut conBerventur semper et deinceps familiis prodantur et.perpetua sint sacra. *) Cicero, de leg., 2, 21, 52: Nam sacra cum pecunia pontificum aucto- ritate, nulla lege coniuncta sunt. — de leg., 2, 19, 48: . . haec iura ponti¬ ficum auctoritate consecuta sunt, ut ne morte patris familias saerorum memoria occideret, iis essent ea adiuncta, ad quos eiusdem morte pecunia venerit. *) Gliick-Leist, Erlauterungen zu den Pandecten, Band 37—38, I. Teil, S. 174. 5 ) Karlowa, Romische Rechtsgeschichte, II, S. 901 ff. *) Girard-Mayr, S. 969. ’) Kniep, Gai institutionum commentarius secundus, 1. Teil, S. 190. 8 ) Anders M o m m s e n , AbriB des rom. Staatsrechtes, S. 95. — 101 Gewolmheitsrecht“ und sprach von einer alteren und einer jiingeren Ordnung. Wir wollen sie als Pontifikaldekrete bezeicknen, was mit Riicksicht auf die Funktionen des Priesterkollegiums berechtigt erscbeint. Die Haftung fiir die Fortsetzung der Familiensacra des Ver- storbenen wurde in erbebliebem zeitliebem Abstande durch zwei J j Pontifikaldekrete 2 ) geregelt. Offenbar ist keines von ibnen aus einem Gusse bervorgegangen; vielmehr haben sie sicb — ahnlich dem edictum tralatieinm — im Laufe der Zeit durch Hinzufiigung von weiteren neuen Bestimmungen entwickelt. Fiir das jiingere Dekret belegt uns dies Cicero selbst, indem er unter seinen Autoren die durch ein gutes Jahrhundert voneinander getrennten Personlichkeiten des Tiberius Coruncanius und des P. Mucius Scaevola nennt 3 ). Unter P. Scaevola 4 ) haben wir den P. Mucius Scaevola Publii filius zu verstehen, der im Jahre 133 v. Chr. Konsul und im Jahre 123 Pontifex maximus war. Tiberius Coruncanius war der erste plebejische Pontifex maximus und bekleidete dieses Anit im Jahre 252 v. Chr. 5 ). Cicero 3 ) berichtet nur beziiglich der zweiten Klasse des jiingeren Dekretes, dafi sich an ihrer Fassung sowohl Coruncanius als auch Scaevola betatigt haben. Daraus folgt, dafi die alteste Formulierung dieses Teiles des jiingeren Dekretes schon in die Mitte des dritten vor- christlichen Jahrhunderts zu verlegen ist. Das jiingere Dekret selbst wird aber auch nicht alter sein; sein Ursprung fallt somit in das Zeit- alter des Coruncanius. Vielleicht gehen wir nicht irre, wenn wir in ihm nur eine verbesserte Auflage des alteren, wahrscheinlich wegen der mangelhaften Formulierung oft umgangenen Dekretes erblicken. Hin- sichtlich des alteren fehlt jeder Anhaltspunkt fiir die Bestimmung seiner Entstehungszeit. Nur negativ konnen wir es in die Zeit vor Coruncanius und nach den Zwolftafeln verlegen. Fiir sein Alter spricht neben seiner kurzen, wenig ausfiihrlichen Fassung auch die Schlichtheit des rechtlichen Denkens, welches nur das materielle n capere“ als Erwerbsart zu kennen scheint, wahrend das jiingere zwar noch vom „capere“ ausgeht, jedoch dieses auch im metaphorischen Sinne (quasi eam pecuniam ceperit) anwendet. Nachdem Cicero das jiingere Dekret angefiihrt hat, fahrt er fort 6 ): *) Cicero, de leg., 2, 20, 49: Haec nos a Scaevola didicimus, non ita descripta ab antiquis,— de leg., 2, 21, 52: Placuit P. Scaevolae et Ti. Coruncanio, pontificibus maxi- mis, itemque ceteris eos, qui tantundem caperet, quantum omnes heredes, sacris alligari. J ) Cicero, de legibus, 2, 18, 46—21, 52. *) Cicero, de leg., 2, 21, 52; siehe das Zitat oben A. 1. *) K r a g e r, Quellen, S. 62. “) Krilger, Quellen, S. 55; anders K a bi er, S. 130. 8 ) Cicero, de leg., 2, 20, 49. 102 Haec (das jiingere Dekret) nos a Scaevola didicimus, non ita descripta ab antiquis. Nam illi quidem his verbis docebant: tribus modis sacris adstringi, ant hereditate, ant si maiorem partem pecnniae capiat, ant, si maior pars pecnniae legata est, si inde quippiam ceperit. Demnach verpflichtete das hier uberlieferte altere Pontifikaldekret zur Fortfiihrung der sacra zunachst den Erben, sodann den Erwerber des grofieren Teiles des Nacblasses und zuletzt den Vermachtnisnehmer, dessen Vermachtnis den grofieren Teil der Erbscbaft ausmachte, falls er davon irgend etwas erworben hatte. Zweifach.es fallt dabei auf: die Erwahnung der maior pars sowohl in der zweiten als auch in der dritten Klasse und die glatte Eorm, welche im Vergleich zur Diktion des jungeren Pontifikaldekretes geradezu elegant genannt werden kann. Die maior pars pecnniae kann natiirlich nur die Mehrheit der korperlichen Nachlafigegenstande bedenten, woranf' besonders deutlich das capere = „ergreifen, an sich reifien" hindentet. Dies befindet sich im Einklang mit nnserer Auffassung der zivilen hereditas als Inbegriff von korperlichen Nachlafigegenstanden. Wenngleich wir keinen Anlafi haben, die Richtigkeit des Berichtes Ciceros iiber das altere Pontifikaldekret im allgemeinen zu bezweifeln, so ist damit noch nicht gesagt, dafi uns Cicero gerade den Wortlaut des Dekrets in seiner altesten Fassung iiberliefert. Vielmehr scheint eine Prufung der einzelnen Klassen, welche das Dekret unterscheidet, eine gewisse Schichtung und allmahliche Entstehung derselben zu ergeben. Im alteren Pontifikaldekret stellt den altesten Bestandteil die zweite Klasse dar. Dafiir sprechen die beiden Ausdriicke „capere" und „pecunia“, die hier in der einfachen Relation erscheinen, anders als in der dritten Klasse, die ubrigens das „pecuniam capere" nur auf den Vermachtuis- nehmer bezieht. Da die beiden Bezeichnungen „maior pars pecuniae" und „capere“ auf den Ubergang von Obligationen nie angewandt wurden, so wurde von der Haftung fiir die Erhaltung der sacra lediglich der Er- werber des sachlichen Nacblasses getroffen. Das „capere" kam jedoch nur fiir den heres extraneus und fur den Erbschaftsersitzer in Frage. Somit bestatigt sich auch hierin unsere oben dargelegte Annahme, dafi der Grand zur Normierung der Sacrahaftung aufierhalb des Kreises der sui heredes zu suchen sei. Vielleicht durfen wir in unseren Folgerungen noch weiter gehen. Das Komitialtestament, welches das alteste romische Testament war, solite durch die Arrogation von Todes wegen dem Testator einen Erben schaffen, dessen Stellung wohl die des suus heres war. Auch fiir den Komitialerben kam daher ein capere nicht in Frage. Das wurde anders erst in der Periode des Manzipationstestamentes, in welchem jede 103 Erinnerung an die Arrogation fehlt. In diese Zeit *) ist wohl auch die Entstehung des Pontifikaldekretes zu verlegen. Nicht viel jiinger wird die Normierung der dritten Klasse von Sacraverpfiicliteten sein. Die Erhaltung der sacra trifft danaeh den Legatar, dem die maior pars pecuniae vermacht worden ist 2 ), falls er davon irgend etwas erworben kat. Urspriinglick diirfte diese Klasse nul’ die Vermachtnisnehmer der „maior pars“ beschwert baben. Dem war leicht ansznweicben, indem man sich weniger als die maior pars aneignete. Durch den Zusatz wurde jedoeh die Haftnng auch auf den Vermachtnis- nehmer der „maior pars“ erstreckt, der sich davon irgend etwas angeeignet hatte. So blieb nun dem Vermachtnisnehmer nur die Wahl zwischen der tibernahme der sacra und dem Verlust des Vermachtnisses. In der ersten Klasse biirdete Cicero dem Erben die Haftnng ftir die sacra auf. Mit Riieksicht darauf, daB der Ausgangspunkt dieser Dekrete nicht im Verhalten der sui zu suchen ist, zweifle ich jedoeh sehr, ob diese Klasse schon dem altesten Dekrete angehorte. Wir haben bereits hingewiesen, daB hier Cicero keineswegs den Wortlaut des Dekretes bringt, sondern vielmehr eine stark systematisierende Interpretation des Dekretes wiedergibt. Nun ist es sehr wahrscheinlich, daB der Systematiker, der in letzter Fassung des jiingeren Pontifikaldekretes an erster Stelle den heres vorfand, auch das altere mit der hereditas beginnen lieB. Yor allem war es daher im alteren Pontifikaldekret notwendig, den Erb- schaftsersitzer und den Legatar der maior pars heranzuziehen. Den heres extraneus konnte man ja ohnehin unter die zweite Klasse subsumieren. Man darf dabei auch nicht vergessen, wie selten in dieser Zeit das Wort „heres u gebraucht wurde: die Zwolftafeln (tab. V, 4) verwenden es nur 0 Die zvveifellos geringe Bedeutung des proximus adgnatus in der Periode des Komitialtestam entes wird schwerlich die Regelung der Sacrahaftung hervorgerufen haben. Einerseits unterschieden sich die sacra der nSchsten Adgnaten infolge der gemein- samen Ahnenreihe kaum voneinander, andererseits haben wir es damals mit einem tief- religiosen, aristokratisch bewuBten Bauerntum zu tun; alles Umstande, deren Verschwinden eben sphter den Verfall der sacra verursachte. ! ) L en el (Zur Geschichte der heredis institutio, S. 131, A. 3) schaltet den Satz „si maior pars pecuniae legata est“ als Glossem aus. Diese Annahme solite die Richtig- keit der Lenelschen Hypothese beweisen, wonach das klteste rbmische Testament ein Legatentestament war und die Haftung der verschiedenen Nachfolger von Todesvvegen (des Legatars, familiae emptor u. a.) eine besehr&nkte war. Die letztere Hypothese ist schon oben abgelehnt worden. BloB der sprachliche Grund, da mitten in der indirekten Rede zwischen zwei Konjuktiven (capiat, ceperit) ein Indikativ steht, ist zur Darlegung des Glossems wohl unzureicbend. Wie ware dann der Tempuswechsel (capiat, ceperit) zu erkliiren? Auch lassen sich die nach Ausschaltung des angeblichen Glossems iibrig- bleibenden Haftungsgrflnde; si maiorem partem pecuniae capiat aut si quippiam ceperit, nur schwer vereinen. 104 einmal, im Catos Werke de agri cultura kommt es kein einziges Mal und nock in Varros rerum rusticarnm libri tres bloB dreimal vor *). Das Ziel, sacra cum pecnnia coniungere, haben die Pontifices somit erreicht. Ikre weitere Tatigkeit anf diesem Gebiete war dem Bestreben gewidmet, den Wortlaut des alteren Dekretes so zu vervollkommnen, daB aile Umgekungen der Norm vereitelt werden sollten; es kieB aber auck weitere Tatbestande kinzufugen, um so den neuen Erfordernissen der rasck fortsekreitenden Kultur- und Wirtsekaftsentwicklung zu geniigen; infolgedessen fanden nunmekr auck Forderungen und Sckulden Beriiek- siektigung. Das Ergebnis dieser Entwicklung stellt das jiingere Pontifikal- dekret dar. Dieses biirdet die Sorge um die Erkaltung der sacra fiinf Klassen von Verpflickteten auf, undzwar in folgender Reikenfolge (Cieero, de leg., 2, 19, 48): Heredum causa iustissima est; nulla est enim persona, quae ad vicem eius, qui e vita migrarit, propius accedat. Deinde, qui morte testamentove eius tantundem capiat, cjuantum omnes keredes . . . Tertio loCo, si nemo sit keres, is, qui de bonis, quae eius fuerint, cum moritur, usu ceperit plurimum possidendo. Quarto, qui, si nemo sit, qui ullam rem ceperit, de creditoribus eius plurimum servet. Extrema illa persona est, ut is, si qui ei, qui mortuus sit, pecuniam debuerit, neminique eam solverit, proinde habeatur, quasi eam pecuniam ceperit. Auck nack dem Coruncanisck-Scaevolascken Pontifikaldekret kaftet fur die Sacraerkaltung in erster Linie der Erbe. Hat denn sckon die Coruncaniscke Fassung des Dekrets den Erben erwaknt? Dagegen spridit vor allem die pkilosopkierende Begriindung, die zum arckaischen amt- licken Stil der folgenden Klassen im schroffen Gegensatz steht. Sodann erweckt Bedenken die Tatsacke, daB jede von den drei folgenden Klassen an die vorkergekende ankniipft und so ikre Subsidiaritat ausdriickt, bei der zweiten es jedoch an einer derartigen Verbindung feklt. Daher er- scheint es mir sekr zweifelkaft, daB schon die Coruncanische Fassung des Dekrets die von Cieero zuerst angefiihrte Klasse entkalten katte. Viel eker ist die ausdriicklicke Einliigung des Erben dem immer mekr ein- setzenden Systematisieren der vorklassiscken Jurisprudenz zuzusekreiben. An zweiter Stelle zieht das jungere Dekret den Vermachtnisnekmer keran, dem ebensoviel zufallt als allen Erben zusammen. Hatte das altere Dekret immer die Mehrheit (maior pars) des Nacilasses vor Augen ; ‘) Keil-Krumbiegel, M. Porci Catonis, de agri cultura liber. M. Terenti Varronis rerum rusticarum libri tres; Index verborum vol. III, fase. 1, 1897; fasc. 2, 1902, Lipsiae, s. v. heres. 105 so geniigt im jiingeren zur Haftung fiir die sacra das Vermachtnis des tantundem, niimlich so viel, als alle Erben zusammen erhalten haben. Im Gegensatz zur dritten Klasse des alteren Dekrets bandelt es sicb kier um das „capere“, das Ertverben des tantundem; eignete sicli der Vermachtnisnehmer weniger an, oder ordnete der Verstorbene dieses Partitionslegat mit einer deductio an, so traf die Besorgung der sacra den Erwerber nicbt. Bei der mortis causa donatio tingegen befreite den Bescbenkten die Annahme der verringerten Schenkung von der Sacra- haftung 1 ) nicht. In der zweiten Klasse ist nicht mehr vom capiens schlechthin, sondern nur von demjenigen, der morte testamentove capiat, somit vom Legatar die Bede. Wie ist in diesem Falle die Stellung des Erben? DaB die Haftung fiir die sacra seitens des Legatars des tantundem gegen- iiber dem Erben eine subsidiare sei, wird nirgends gesagt. Der Erbe konnte wohl die sacra ohne weiteres als der zunachst Berufene fortsetzen (heredum causa iustissima est), ein Partitionslegatar, der das tantundem erwarb, konnte jedoch die Ubernahme der sacra unter Hinweis auf den Erben nicht verweigern. Denn ein Erbe, der die Erbschaft antrat, muBte immer da sein, bevor der Partitionslegatar zu seinem Erwerbe „testamento a gelangen konnte. Wir begegnen hier der gleichen unfreund- lichen Gesinnung des Gesetzgebers gegeniiber dem Partitionslegatar, die wir spater in der lex Voconia 2 ) aus dem Jahre 169 3 ) vorfinden. Es ist als ein Sehritt in entgegengesetzter Richtung zn bezeichnen, daB Scaevola die beiden obenerwahnten Umgehungsversuche (per deductionem, das capere von vveniger als tantundem) gel ten lieB. Ist kein Erbe da oder will der extraneus die Erbschaft nicbt an- treten, so ist die tibernahme der sacra weder durcb die erste nocb durch die zweite Klasse des jiingeren Dekretes gesicbert. Es feblt an Erben und infolgedessen kann es auch keinen Legatar geben. Darum zieht die dritte Klasse den Erbschaftsersitzer, der das Meiste vom NachlaB des Verstorbenen ersessen hat, zur Erbaltung der sacra beran. War der Usukapient nacb dem alteren Dekret schon in der zweiten bzw. eigent- lich in der ersten Klasse 4 ) berufen, so gescbiebt dies in der neueren *) Cicero, de leg., 2, 20, 50: . Atque etiam hoe dant Scaevolae, quom est par- titio (somit beim Legatar) ut, si in testamento deducta scripta non sit ipsique minus ceperint, quam omnibus heredibus relinquatur, sacris ne alligentur. In donatione hoc iidem secus interpretantur, .... Vgl. dazu H. Burckhardt, Zu Cicero de legibus II, 19—21, in SZ. 9, 286 ff. und B. Kiibler, Zu Cicero de legibus H, XIV—XXI, in SZ. 11, 37«. s ) Gai. 2, 226: . . . lex Voconia, qua cautum est, ne cui plus legatorum nomine mortisue causa capere liceret, quam heredes caperent. s ) Rotondi, Leges publicae populi Romani, S. 283. ‘) Wenn man im Sinne obiger Ausfuhrungen die erste Klasse der Dekrete als spateren Zusatz betracbtet. 106 Ordnung erst an dritter bzw. zweiter Stelle, wobei die Subsidiaritat noch besonders hervorgehoben wird. Die Sacrabaftung des Erbschaftsersitzers war nocb zu Gams’ Zeiten bekannt* *). Gibt es ancb keinen Erbscbaftsersitzer, so kommen die Glaubiger des Verstorbenen an die Reihe, und zwar derjenige unter ihnen, welcber das Meiste gerettet bat. Wir finden bier plotzlicb einen neuen Kreis von Personen, die zur Ubernahme der sacra berangezogen werden und die — ebenso wie die in Ietzter Reihe berufenen Scbuldner — das altere Dekret nocb nicbt erwahnte. Es liegen dazwiscben Ubergangsstadien, die das agrariscbe Rom aus der Natural- und Familienwirtscbaft in die Geldwirtscbaft biniiberfiibrten. Daber gewinnen die Forderungen und Scbulden an Bedeutung, sie finden Beriicksichtigung aucb im Pontifikal- dekret. Zur Zeit, als diese Bestimmung in die jungere Ordnung ein- gereibt wurde, waren die kontraktlichen Scbulden und Forderungen in- folge allmahlicber Entwieklung scbon vererblich geworden. Daraus laBt sich aucb erklaren, da6 niemand einen passiven NachlaG ersitzen und biermit die Schuldenbaftung iibernebmen wollte. Das Konkursverfabren der bonorum venditio hatte sicb damals gleicbfalls noch nicbt durcb- gesetzt; denn bei diesem war von einem „plurimum servare" seitens eines der Glaubiger keine Rede 2 ). Vollig sicb selbst iiberlassen, konnte der Glaubiger des obne Erben verstorbenen Scbuldners nur im Wege der Selbsthilfe, die ihm damals nocb erlaubt war, aus dem NachlaB so viel erwerben, als es eben ging. Anf ein „plus minusve“ kam es den Romern bei derartigen Katastropben nicbt an 3 ). Somit erscbien es dem Priesterkollegium billig, den Glaubiger, der das Meiste gerettet und dadurcb vermogensrecbtlich nocb am besten abgescbnitten batte, zur Ubernabme der sacra zu bewegen. Aus dem Umstande, daB bier von servare die Rede ist, diirfen wir vermuten, daB diese Klasse nocb vor der Einfiibrung der bonorum venditio, die dem P. Rutilius Rufus zu- geschrieben wird (um 118 v. Chr.), dem Dekrete eingefiigt sein diirfte. Mitunter traf es sicb, daB der erbenlos Verstorbene einen zablungs- fabigen Scbuldner binterlieB. Nun konnte dieser an niemanden das dem Verstorbenen Gescbuldete wirksam leisten und wurde eines Vermogens- vorteils teilhaftig, wabrend andererseits niemand da war, um die Familien- sacra fortzusetzen. Darum bat das jungere Dekret in Ietzter Linie aucb solcbe Scbuldner zur Sacraiibernabme berangezogen, und zwar mit der interessanten Fiktion: Der Schuldner babe das gescbuldete Geld an sich genommen. Dieser Tatbestand diirfte hochstwahrseheinlich auf einen konkreten Fali zuriickgehen, wofiir scbon seine ungeschickte Fassung *) Gai. 2, 55. *) Ebenso K a r 1 o w a , ROmische Recbtsgeschichte, II, S. 903. *) Cfr. tab. Ul, 6: Si plus minusve secuerunt, se fraude esto. 107 spricht. Die fiinfte Klasse ist als letzte kinzugefiigt worden, als sich auf kontraktlichem Gebiete die Schnldenvererbnng bereits dnrcbgesetzt hatte and nachdem scbon die Einfngnng der vierten Klasse in das System des alten Dekrets eine Bresche geschlagen batte. DaB sie nicht zn gleicher Zeit mit der vierten Klasse aufgestellt war, zeigt der Stil, der sich von dem der vorhergehenden erheblich unterscheidet. Mit welcher Sanktion waren die Pontifikaldekrete ausgestattet ? Allerdings nar mit einer sakralrechtlichen, die in der Erklarung als „impins“ ihren Hohepnnkt erreichte, die aber nar so lange wirksam war, als die Religiositat selbst im Volke noch tief warzelte; daker verfielen noch vor der Prinzipatszeit mit der Religion anch die sakralrechtlich geschiitzten sacra. IV. Sacrahaftnng and Sctuldenvererbnng. Die Reformen, die die Erhaltang der Eamiliensacra anstrebten, haben wir etwas aasfiihrlicher behandelt, da sie in mancker Hinsicht fiir anser Problem von Bedentnng sind. Spricht doch Cicero neben der hereditas pecnniae aach von einer hereditas sacrornm r ) and stellten anderseits aach die Familiensacra gevvissermaBen die Schalden der Familien den Gottern gegeniiber dar. Allerdings ware es verfehlt, wenn man die Schaldenvererbang aaf die Haftnng des Erben fiir die Familiensacra znriickfiihren wollte; diese Anffassnng hat schon Mitteis 2 ) mit vollem Recht abgelehnt. Man kann dabei nar aaf den grnndlegenden Unterschied hinweisen: die romischen Familiensacra sind eine Schnld der Familie den Gottern gegeniiber, wahrend die gewohnliche Schnld infolge des streng persbnlichen Charakters der zivilen Obligation nar ein bestimmtes Individaam, den Schaldner, an den Glanbiger bindet. Daher kann es keinem Zweifel nnterliegen, daB in Rom 3 ) die Familiensacra von jeher vererblich waren. Daraas wird es aach verstandlich, wieso in den Pontifikaldekreten die Sacrahaftang des Erben zamindest im Hintergrnnde bleibt — wenn ihre Erwahnnng nicht iiberhaapt, wie wir angenommen haben, eine Einfiignng der spateren Systematiker ist —, wahrend man in erster Linie bestrebt ist, andere Personenkreise heranzaziehen. Die Pontifikaldekrete sind fiir anser Problem in doppelter Hinsicht von Bedentnng. Einerseits spiegelt sich in ihrer Fassang der Ubergang *) De domo aua, 13, 35: quas adoptiones sicut aliaa innumerabilea hereditatea nominis, pecuniae, sacrorum secutae suht, —Vgl. jedoch dazu die Ausfuhrungen Pero zzi s und Bonfantea in dessen Scritti I, S. 236, A. 1. ! ) RPR., I, S. 93. *) Andere in Arpinum; vgl. Cato, II. Originum bei Priscian gramm. 4, 21: Si qui8 mortuua est Arpinatis, eius heredem aacra non seeuntur. 108 von der Zivilrechts- zur Amtsrecbtsperiode ab. Hatte man urspriing- lich nnr das „eapere“ ins Auge gefafit, somit eine auf den sachlicben NachlaB zugeschnittene Erwerbsart, so beriicksicbtigte man in den beiden jiingsten Bestandteilen des zweiten Pontifikaldekrets aueh Eorderungen und Schulden. Erwagt man, daB diese beiden Klassen von der Zeit Scaevolas nicbt allzu sehr entfernt sein durften, so findet ancb darin unsere Auffassung, wonach die Vererblicbkeit der Kontraktsschulden sich im zweiten Jabrbundert v. Cbr. durcbgesetzt babe, eine Bestatigung. Endlieb soli aucb darauf verwiesen werden, wie die Pontifices es verstanden, indirekt im Wege ibrer Dekrete und Gutacbten den Kreis von Personen zn erweitern, die die sacra iibernebmen sollten. Dieser Vorgang macbt uns aucb die Entwicklung verstandlicber, wieso der Prator, dem auch keine recbtskonstitntive Gewalt zustand, die zivile Unvererblichkeitsnorm fur die Kontraktsaktionen abandern konnte. Zweiter Abschnitt. Ius honorarium. § 10. Die Pnhaltbarkeit der zlvilrechtlichen Schulden- unvererbllchkeit iu der amtsrechtlichen Periode. I.Allgemeines. Die bisherigen Ausfiihrungen haben ergeben, dafi nacb Zivilrecht alle actiones in personam passiv unvererblicb waren; nnnmebr ist die Frage nach der Haftung des Erben fiir die amtsrechtliche Periode zu beantworten. Darunter soli die Zeit etwa vom Ausgang des zweiten Punischen Krieges bis zur Aufstellung des edictum perpetuum unter Hadrian bezeich.net werden. G-anz abgeseben von der allgemeinen Tatsache, dafi sich derartige Perioden aufierst selten anf Jahreszahlen festlegen lassen, bedarf es in diesem Falle noch eines besonderen Vor- behaltes. Einerseits reichen namlich die Anfange der rechtschaffenden Betiitigung des Prators noch tief in die zivilrechtliche Periode zuriick J ), andererseits fallt die im obigen Sinne abgegrenzte Amtsrechtsperiode von Labeo weiter mit der klassischrechtlichen zusammen. Es gehdrt wohl zur Eigenart der romischen Rechtsgeschichte, dafi neue Rechts- einrichtungen zunachst die alten nicht aufheben, sondern langere Zeit neben ihnen fortbestehen, bis die ersteren infolge organischer Entwicklung allmahlich vollig alle Funktionen der letzteren ubernehmen. Ein typisches Beispiel hierfur bietet die Entwicklung des romischen Zivilprozesses vom Legisaktionen- zum Formularverfahren und von diesem wiederum zur extraordinaria cognitio. Wie wir schon eingangs a ) festgestellt haben, war zur Zeit Ciceros die Vererblichkeit von Kontraktsschulden allgemein anerkannt. Da uns ‘) Dazu M i 11 e i s , RPR., ], Sv-40 ff.; Kubler, S. 133 f.; W1 a s s a k , RSmische ProzeBgesetze, II, Leipzig 1831, S. 351: „"VVahrend dieser Gelehrte (ec. Puntschart) das Honorarrecht fiir junger halt als die Pratur, ist nach meiner (Iberzeugnng die pratorische Jurisdiction, u. z. so, wie sie Cicero vor Augen hatte, nicht erst durch die lei Aebutia begrundet, sondern gleichen Alters wie die Gerichtsmagistratur selbst. ‘ 2 ) Siehe oben S 3 f. 110 nirgends iiberliefert wird, wie es zu dieser von der zivilrechtlichen so sebr verschiedenen Normierung gekommen ist, konnen uns nur Riickschliisse aus anderen geschichtlichen Tatsachen daruber einige Klarheit verschaffen. Es soli im folgenden zunachst dargelegt werden, daB eine derartige Reform auf dem Gebiete des Erbrecbts ein notwendiges Ergebnis der gesamten damaligen Kultur- und Wirtschaftsentwieklung war; sodann sollen die Faktoren, denen die Einfiihrung dieser Neuerung oblag, sowie die Art und Weise und endlich die Zeit der Durchfiihrung erwogen werden. II. Wirtscliaftliclie Zustande. Unter den Griinden, die eine Abanderung der zivilen Schulden- unvererblichkeit wiinscbenswert erscheinen lieBen, sind an erster Stelle die Wirtscliafts- und Kulturzustande des zweiten vorchristlichen Jahr- hunderts zu nennen. Etlich.es ist daruber schon oben 1 ) gesagt worden, hier sollen nur noch einige Erganzungen hinzugefiigt werden. Die vielen Kriege. die Rom in dieser Zeit fiihrte und die ein Ergebnis seiner nacb der 'Weltherrschaft strebenden imperialistischen Politik waren, richteten den Bauernstand, den bisberigen Grundpfeiler des romischen Staates, zugrunde. Hatten schon die zahlreicben Feldziige seine Reiben stark gelichtet, so wirkte noch verhangnisvoller die Ab- wanderung in neue Kolonien und Provinzen, aber aucb in andere Berufe, wo sich bessere Erwerbsmoglichkeiten zu bieten scbienen. Auf der anderen Seite gestalteten sicb die Daseinsmoglichkeiten fiir die an der vaterlichen Scholle treu Ausbarrenden immer ungunstiger. Die Riesensummen, welche die besiegten und eroberten Lander unter verschiedenen Benennungen (Beute, Kriegsentschadigung, Steuern u. a.) aufbringen mufiten, stromten damals nach Rom, kamen aber mehr der romischen Oligarchie als dem romischen Volke zugute. Die Nobilitat, durcb die lex Claudia a ) von Handelsspekulationen ausgeschlossen, sah sicb genotigt, ihre Kapitalien in Land anzulegen, und forderte die Entstehung des GroBgrundbesitzes, fiir dessen Bewirtschaftung ihr die nacb Italien gebracbten Sklavenheere eine billige Arbeitskraft lieferten. Indem der kapitalstarke GroBgrundbesitz die fortscbrittlicberen landwirt- schaftlicben Kenntnisse der griechiscben und iibrigen orientaliscben Sklaven in seinen Dienst stellte, ging er in hohem Mafie zu intensiveren Wirtscbaftsformen (Gartenkultur) iiber. Nunmebr wurderi Wein und Oel d i e Hauptprodukte der romischen Wirtschaft, wabrend der Getreide- bau, der sicb mit Riicksicht auf die niedrigen Preise des eingefiihrten iiberseeiscben Getreides nicht mehr lohnend erwies, immer mehr aufgegeben wurde. Es leucbtet ein, dafi der kleine und mittlere Bauer den Wettkampf l ) Siehe oben S. 8ff., 29 ff., 46 ff. sowie die dort angegebene Literatur. *) Siehe oben S. 34. 111 mit dem GroBgrundbesitzer auf die Dauer niclit aushalten konnte. Seine wenigen fiir den Markt bestimmten Ubersckiisse') sanken im Werte, wahrend es ihm fiir den Ubergang zu intensiveren Wirtscliaftsformen am notigen Kapital fehlte. Als ein Teil der rbmiscken Bauernscbaft in die Kolonien und Provinzen auswanderte, der andere die bald zu Hunderttausenden zaklenden Massen 2 ) des hauptstadtiscken Proletariats verstarkte, sank der Stand ins Grab, der der natiirliche Trager der wirtscliaftlichen Familienautarkie war. Denn die Produktion des GroB- grundbesitzers blieb auf den Markt eingestellt (Wein, Oel) und auf ihn angewiesen (Getreide, Kleidung) 3 J. Das Zeitalter der gescblossenen Pamilien- und der mit ihr zusammenhangenden Naturalwirtschaft war somit in Rom zu Ende. Es folgte die Periode der Geldwirtsehaft mit der offenbaren Tendenz, sich immer mehr zu einer Kreditwirtschaft zu entwickeln. Silber- und Goldmiinzen, zunachst vorwiegend fremder, in der Folge- zeit aber aueh eigener Pragung, verdrangten das Kupfergeld. In diese Zeit fallt der hockste Aufschwung des romiscken Handels, welcher sogar zur Entstekung eines eigenen Standes, der Ritterscbaft 4 ), der romiscken Plutokratie, fiikrte. Es entstanden Reichtumer in bisker nie dagewesenem MaBe, wozu die nakezu fabelkafte Versckuldung der jungen romiscken vornekmen Welt das Gegenstiick bildete. Auck das macktige Aufbliiken des romischen Banlderwesens (argentarii) ist ein sickeres Anzeicken des damaligen lebkafte^ Geld- und Wirtsckaftsverkekrs. Alle diese gewaltigen Umwandlungen, die Rom zu Beginn der amtsrecktlichen Periode durckmackte und die sogar sein auBeres Ausseken griindlick veranderten, verfeklten nickt, ikre Wirkung auck auf das Privatreckt auszuiiben. Gab der Zivilrecktsperiode, der Zeit des Bauern- staates, das Sackenrecht ikr cbarakteristisckes Geprage, so trat nunmekr das Obligationenreckt in den Vordergrund. Die Schuldverhaltnisse nakmen nickt nur zahlenmaBig zu, sondern auck ikre Bedeutung war im Vergleick zur vorigen Periode gewaltig gestiegen. Das deutlickste Anzeicken dafiir ist wokl ikre Tendenz zur immer weiteren DifFerenzierung, die sick in der Einfiikrung neuer Aktionen auBert. In der neuen Wirtsckaftslage erwies sick aber auch das Festhalten an der zivilen Unvererblichkeit als schadlich. Die Schuldverhaltnisse wurden jetzt nicht mehr bloB auf kurze Fristen abgeschlossen, und deskalb durfte ikre Fortdauer nicht durck das Ableben eines der Kontrahenten in Frage gestellt werden. ‘) Siehe oben S. 35. ’) Časar belieB die Getreidesp,enden nur den wirklich Bedurftigen und setzte die Zahl derjenigen, die kunftighin die Getreidespenden behielten, von 320000 auf 150000 herab. — Vgl. M o m m s e n , Rbmisehe Gescbichte, III, S. 506. s ) Vgl. dazu Kromayer, Staat und Gesellschaft der Romer, S. 292ff. *) Vgl. A. S t e i n, Der romische Ritterstand. Ein Beitrag zur Sozial- und Personengesebichte des rOmischen Reicbes, Munohen 1927. 112 In der Periode der Mammonisierung des ganzen offentlichen und privaten Lebens trat auch der streng personliche Ch ar akter der živil en Obligation hinter der Leistung zuriick. Somit erschien das Aufgeben des zivilen Grundsatzes von der Unvererblichkeit der actiones in personam aus wirtschaftlicben Griinden unbedingt erforderlicb, um eben die fiir einen gesunden Wirtschaftsverkehr notige Kreditsicherheit nicht zu gefahrden. III. Der Einflufi des griecbiscben R e c h t s. In gleicbem Sinne wird sicb wohl aucb der EinfluB fremder Rechts- ordnungen geltend gemacbt haben. Wie die Beziebungen mit fremden, zunachst wobl italischen Stammen an Haufigkeit und Bedeutung schon im dritten vorchristlicben Jabrbundert zugenommen haben, zeigt die nocb vor dem AbsebluB des ersten Puniscben Krieges (um 243 v. Chr.) erfolgte Einsetzung des zweiten Prators, qui inter cives et peregrinos ius dicit. Inwieweit alle diese fremden Rechtsordnungen, falls bei ibnen die Scbuldenvererblicbkeit in dieser Zeit schon zu Recbt bestand, die romische Rechtsentwicklung zu beeinflussen vermoehten, entziebt sicb unserer Beurteilung. Weit mebr sind wir bereobtigt anzunebmen, dafi griechische Rechtsordnungen eine solche Beeinflussung ausgeubt haben. Wabrend der ersten Halfte der amtsrecbtlichen Periode geriet Rom fast auf allen Kulturgebieten unter einen starken EinfluB des Griechen- tums. Griechische Kunst und Philosophie, ja selbst die griechischen Gotter wurden ebenso ubernommen, wie andererseits zugleich mit griechischen Sitten auch der Luxus und das Laster der Hellenen in. die Tiberstadt ihren Einzug gefeiert haben. Die Beeinflussung erfolgte in den verschiedensten Formen. Die tausend griechischen Geiseln, die nach der Sclilacht bei Pydna (168 v. Chr.) nach Rom gebracht wurden und daselbst bis zum Jahre 150 v. Chr. in einfluBreichen Stellungen als Berater oder Erzieher bei vornehmen Familien tatig waren (Polybios), wirkten ebenso auf die Annaherung zwischen dem Griechentum und Romertum hin, als es spater die Philosophen- und Rhetorenschulen in Athen und auf Rhodos taten, an denen vornehme Romer studierten. Dabei wollen wir der immer regeren Handels- und Wirtschaftsbeziehungen noch gar nicht ausfuhrlicher gedenken. DaB sich in dieser Zeit der griechische EinfluB auch auf die romische Rechtsentwicklung geltend gemacht haben wird, ist wohl nicht zu bestreiten; freilich geschah dies weit weniger durch direkte Rezeption griechischer Rechtsnormen als vielmekr durch Beeinflussung des romischen Denkens seitens der griechischen Philosophie und Rhetorik 1 ). Dabei fallt insbesondere ins Gewicht der Umstand, daB die Mehrzahl der vor- klassischen Juristen in der griechischen Philosophie gebildet war, so >) Dazu grundlegend M i 11 e i s , RPR , I, S. 16 ff.; ferner S t r o u x , Sumnmtu ius, summa iniuria, S. 35 f. 113 M. Jnnius Brutus ‘), P. Mucius Scaevola, S. Pompeius, P. Rutilius Rufus, P. Aelius Tubero 2 ), Servius Sulpicius Rufus 3 ). In dieser Zeit stand die Haftung des Erben in allen griecbischen Recbten fest; einem Demosthenes erscbien es unannebmbar, daB dem Erben blofi die Aktiva und nicht zugleich aucb die Passiva zufallen sollten 4 5 ). Die griecbische Erbenhaftung bescbrankte sich auf denNacblaB (cum viribus hereditatis) und war mit dem Abandonsystem vereinigt 6 ). Als markante Beispiele dieser Regelung konnen wir das Recht von Gortyn 6 ) sowie das griechische Recht in Agypten 7 ), wie es uns in den *) Kruger, Quellen, S. 61. s ) Kruger, Quellen, S. 60, A. 5; S. 62£. 5 ) Kruger, Quellen, S. 67, A. 23. 4 ) C. Lacrit. § 4. 6 ) E. We i B , Griechisches Privatrecht, I, Leipzig, 1923, S. 203 ff. 6 ) Col. IX, 24—40 und Col. XI, 31—45. — Daruber: E. WeiB, 1. c., S. 207 f.; Kohler-Ziebarth, Das Stadtreeht von Gortyn und seine Beziehungen zum gemein- griecbisehen Rechte, GBttingen 1912, S. 65; Partsch, Griechisches Burgschaftarecht, I, Leipzig-Berlin, 1909, S. 238 ff.; D a r e s t e - H au s s o u 11 i e r - R e i n a oh , Recueil des Inscriptions Juridiques Grecques, I, Pariš 1891, S. 388 und S. 477 ff. 7 ) Daruber grundlegend neuestens K r e 11 e r , Erbrechtliche Untersuchungen auf Grund der graeco-agyptischen Papyrusurkunden, Berlin-Leipzig, 1919, S. 26 ff.; vgl. auch die ausfuhrliche Rezension von A. B. Schwarz in SZ. 41, 340. „Die Haftung wird durch die Inbesitznahrae des Nachlasses begriindet: wer nichts aus demselben erhielt, der haftet nicht“ (Schwarz, SZ. 41, 381). — Besonders schBn bringfc diese Normierung der Papyrus Rylands, II, 117 aue dem Jahre 269 n. Chr. (verBffentlicht im Catalogues of the Greek Papyri in the John Rylands Library, vol. II: Documents of the Ptolomaic and Roman Periods, Manchester 1915) zum Ausdruck. Der Papyrus ist schon von Kreller in den Nachtriigen zu seinem Werke (o. c., S. 411 f.; vgl. dazu auch Mitteis, SZ. 37, 322) besprochen worden. Sein Inhalt ist kurz folgender: Aurelios Kopreas aus Hermopolis war kinderlos verstorben, ohne ein Testament hinterlassen zu haben. Sein Glaubiger Aurelios Eudaimon versuchte nun die Bezahlung der Schulden von der Aurelia Tinutis, der Schwester des Verstorbenen, zu erreichen. Diese befiirchtete jedoch, daB sich noch weitere Glaubiger melden kBnnten; deshalb reichte sie beim Strategen von Hermopolis eine Eingabe ein, um sich der Erbschaft des Bruders zugunsten des Eudaimon zu ent&uBern. Charakteristisch ist die Begrundung ihres Gesuches. Sie beruft sich dabei auf die tfetoi vofioi, denen zufolge derjenige, der aus dem NachlaB nichts ererbt hat, auch fur die Schulden des Verstorbenen nicht hafte: Z. 12 ff.: Tov; (irjbiv [t]cov xazoixofiivmv xexXr]govoixrjy.6za; ftrj xaxexeo&ai roT; btelvmv o