Nr. 51. SamMg den 23. Vmmlier 1865. 9. KlMW. Wlätter aus Arain. (Beilage ;m „Laibacher Zeitung.") Die „Blätter aus Kram" erscheinen jeden Samstag, und ist der Pränumeratiousprcis ganzjährig 2 st. östcrr. Währ. Legende. * Ging einst Christus im Maicngrün Auf einer Waldcswicfe hin, Freute sich an der lauen Luft, An der Blumen lieblichem Duft, . Blickte den leuchtenden Silfcu nach, Die sich wiegten am kühlen Bach. Anders war's um die tiefe Welt .In der Brust Iohanniö bestellt; Ach, der Liebling dcS Meisters träumte, Wie auch Alles sproßte uud keimte, Von einem ouukleu Todtcnkranzr, Dcu er gedrückt ciucm Freund ins Haar, Der im tollsten Ingcndglanzc Ueber Nacht gestorben war. „Ach," begann er weich nnd mild — „Alles zeigt mir des Todes Bild — Nichtig erscheint mir dieses Leben, Nichtig jedes irdische Streben. Was hat nicht der Mann gerungen, Den des Grabes Nacht verschlungen, Und wer denket jetzt an ihn — Ueber seinem Hügel bliih'n Noch die sinnigen Cyprcssen — Doch sein Name ist vergessen." Als er in Schweigen versank sofort, Nahm der göttliche Herr das Wort: „Mußt das Leben zu hoch nicht setzen, Aber anch nicht unterschätzen! Gilt es doch als Bestimmung eben, Rüstig zn schaffen nnd kühn zn streben l Nicht das kleinste Korn vergeht, Ob es auch der Wiud verweht — Darf es nicht anf der Wiese prangen, Bleibt es an hohen Felsen hangen, Wird es blüh'ü a'uf ödem Stein Und ciu Schmuck der Wüste sein. Wenn der Freund, der dir gestorben. Auch in deiner Brnst allein Eine Stätte sich erworben Uud im Geiste dich umschwebt, Hat er nicht umsonst gelebt! Denn du wirst vor deinem Sterben All' fein Gutes weiter vererben! Auch ist der lauteste Ruhm cü nicht, Der am spätesten zerbricht. Schaffe jeder nach seiner Weise, Schaffe jeder in seinem Kreise — Mag der Name uutcrgch'u — Was er gethan, wird fortbcstch'n." Die Steppe. . Von Michael Grabowski. (Fortsc tz n n g.) „Mein erster Dienst war im Scdlossc zu Smila. Daselbst herrschte die Gewohnheit, das; jedes Jahr aus dreißig Häusern ein Kosak ausgehoben wurde. Die Reihe traf diesmal einen Bruder meiner Mutter, und da er leine Kinder hatte, trat ich für ihn ein. Verwalter war aber damals Herr Weicher. Er wohnte zu Smila im Schlosse, das am Zusammenflüsse des ^ Als Probe aus den eben erschienenen „Legenden" unseres Mit-arbcitcrs Ludwig Bowitsch. Irdin und Tasmin zwischen hohen Wällen lag. Was ist nun dort?" — „Der Friedbof," sagte ich. — „Ach, gut aus-gesonnen. Als ich hinkam, wohnten dort lebendige Leute, lebenslustig — vielleicht die letzten. An den Wällen standen die Herrschaftsgcbäude, über ihnen erhob sich das prächtige Schloß des Inspektors. Damals hieß man den Inspektor Gu-bernator. Um die Gebäude waren schöne mit Gras bewachsene Umzäunungen, rechts und links Hallen mit Galerien und an > ihnen vorbei wand sich die Fahrstraße und kiesbestrcute Fußsteige. Auf der anderen Seite war ein grüner Rasenplatz, da wuchsen um die Gebäude einige wilde Birnbäume. Es war dort so traulich und still, wie im Paradiese. Von den Wällen aber schimmerte mir Luchowa entgegen, klar und rein." „Eines Tages stand ich Wache im Schatten eines Birnbaumes gerade unter den Fenstern meines Herrn. Die Wärterin kam mit einem Kinde uon ungefähr fünf Jahren herunter. ^ Ich nahm das Mädchen — es war des Gubernators Kind — ! und führte es im Sckloßhofe umher. Dem Kinde gefiel dies, ! und wenn ich die Wache hatte, kam es immer zu mir herunter. ' Die Schloßfrau rief mich darnach manchmal hinauf und sorgte für mich, wic für einen Sohn. Alle Leute kannten die Gu-i bernatorin als eine freundliche und mildthätige Frau. Die ! Armen und Wanderer sandcn immer Zutritt zu ihr, und Jene, ! die in irgend einer Angelegenheit vom Pachthofe hinein kamen, ! suchten mit ihr zu sprechen. Sie besuchte die Kranken und Sterbenden, vertheilte Arzeneien und sorgte für die Waisenkinder. An vielen Plätzen ließ sie Kapellen und Kreuze aufrichten , und wo ein Zeichen auf der Straße stand, sie hatte ^ es aufstellen lassen; wo eine schöne Fricdhofmauer war, sie > hatte dieselbe bauen lassen. Ihre Seele war melir im Himmel i als auf der Erde. Lange Zeit kinderlos, erflehete sie sich endlich ! ein Kind. Das Mädchen hatte mich so gern und ich cs auch. ! Sie hieß Julie." ' „Auch unser Herr, Weicher, war ein guter, wenngleich wunderlicher Mann. Beständig sah er zu Boden, er hatte diese Gewohnheit von jeher. Noch dies! — Ihr könnt Euch nicht denken, wie groß die Besitzungen des Fürsten Lubomirsti ^ waren, sie umfaßten vielleicht den vierten Theil der Ukraine. ^ Daher war die Verwaltung derselben kein gering Ding. Wollt' ich reich werden, es hätte mich ein einzig Wort gekostet. Wenn er von jedem Hause nur eiuige Goldstücke genommen — und dies war zur selben Zeit eben nicht schwer — so hätte er den Vodcn im Schlosse mit Gold pflastern können. Damals gingen -die Gemeinden noch mit Schüsseln voll Geld anf Neujahr zu ihrem Herrn, wie etwa jetzt mit Bittschriften. Allein er nahm nichts an. Keinem seiner Freigelassenen erlaubte er, etwas zu verlangen. Er hatte was anders im Sinne. Denkt Euch nur, beständig suchte er nach verborgenen Schätzen, er dachte ihrer so viele zu entdecken, dann kaufteer sich alle Besitzungen von Lubomir, die Ukraine, ja ganz Polen. Er durchwühlte alle ^ Hcidengräber, forschte nach verborgenen Goldadern, untersuchte die verschiedenen Eigenthümlichkeiten des Bodens. Wenn die , Nacht herabgcsunken war auf die Erde und Alles ruhig schlief, durchstreiften wir die Gefilde, umgruben die Erde, schleppten uns mit Ketten herum und arbeiteten mit Grabscheiten. Regel- ! mäßig kamen, Gott weiß woher, Leute zu uns; die Alten aus UZaporoz und NiM erzählten, daß ihre Väter Schätze uerboi-gen auf uuscru Steppen; auch Zauberer, Wallachen, Zigeuner kamen, jeder wußte um einen Platz, wo ein Schatz liege, jeder wollte mit eigenen Angen ein Lickt gesehen babcn, das über dem Orte geleuchtet, und nnser Herr glaubte alles, nahm solche , Betrüger zu sich ins Schloß, mästete und beschenkte sie. Wenn > wir nun mit dem Sturme gckämpft, der unsere Laternen ver- ! löschte, oder mit dem Teufel, der uns in die Irre zu führen ! suchte, fanden wir anstatt des Geldes — Menschen- und Pferde- i Knochen, verrostete Säbel und Flinten. So durchwanderte i und durchgrub ich währcud eines Jahres, immer in den ftn- ! sterstcn und stürmischen Nächten, die Steppen von Smila , Spole, ! Chulaipole und Turje. Endlich, als ich in einer Nacht, matt i und müde, da wir die ganze Woche Nacht für Nacht ohne ^ Rast und Ruhe die Steppe durchirrt, vom Abend bis zum ^ Morgen, mich bis zu ciucm alten Grabe durchgehaucn, bekam ich die Sache satt, kletterte aus der Grube, ging mit dem Spaten umher, schimpfte und verfluchte aus vollem Hälfe die Stunde und den Augenblick, der mich in diesen Höllcndicnst geführt. Der Beschwörer, der uns begleitete, meldete dies . stracks dem Herrn, es sei ihm ein Licht aufgegangen, jetzt ^ wisse er, warum wir so lange vergeblich gesucht. An allcm z -sei eine ungläubige Seele schuld, die sich unter uns befinde, ! und darum verwandelte der Teufel alles Gold und Edclgcstcin i in Knochen und altes Waffenzeug. Darüber ergrimmte der ! Herr dermaßen, daß er auf mich schrie, als wäre er besessen, ^ und er hätte mich auf der Stelle getödtet, wenn ich ihm nicht , aus dem Wege gegangen wäre. Nenn anch fönst von ruhiger ! Gemüthsart, fchwur er doch, er wollte mich ohne Prozeß und z Urtheil an den Galgen hängen lassen, wenn ich ihm je wieder ' vors Gesicht träte. Es war dnrchaus nickt zu scherzen, wes- ! halb ich in der nämlichen Stunde noch auf der öden Steppe > den Dienst zu Smila und das Schatzgrabcn verließ." ^ „Die Freunde meiner Mutter verschafften mir einen Dienst ! in der Starostci zu Tscherkassy. Im Schlosse daselbst lagen einige Reiter, noch mehr aber von uns Kosaken; wir trugen die ' Farben unseres Starost, des Fürsten Sangusky. Ich kam im ^ Herbst nach Tschcrkassy. Der Winter verfloß ruhig, unter uns ! herrschte eine Disziplin, wie im Felde; unser General war i Pacina, ein hoher, dürrer Mann, überdies streng und barsch. ! Als der Frühling herannahte und Ostern, gingen sonderbare ! Reden im Volke. Es tauchten Gerüchte auf, Niemand wußte, > woher sie kamen, von Krieg und Zusammenrottungen. Ueberall ^ standen leisflüsternde Gruppen. Im Schlöffe und in der Stadt ^ schlichen fremde, verdächtige Personen umher, denen uicbts ! Gutes aus den Augen sah. Vom anderen Ufer des Dnjepr ! kamen Gäste zu uns, die nicht mehr zurücklehrten, sondern z bei uns in den Hänsern oder in den einsamen Meiereien verblieben. Das freie Kosakenthum werde erneuert, die Hetmane, Freiheit und Gleichheit — man müßte die Polen und Juden ! ermorden uud plündern. Solche Reden gingen von Mund zu ! Mund, auf den Märkten, anf den Landstraßen und in Schän- ! ken, wie Blitze vor einem drohenden Gewitter. Die Bürger l von Tscherkassy, unsere Hetmans und die Starosten trugen die Köpfe gar hoch; die Polen schwebten in Furcht und Angst: selbst unser General war nicht mehr so übermüthig und unausstehlich." „Ich aber und andere solche, wie ich, was verstanden tvir von all' dem, was da kochte und gährte? Man fing an, uns freundlicher zu behandeln, man gab uns größere Freiheit, auf den Straßen herrschte regeres Leben, Lieder ertlana.cn und wir freuten uns alles desseu. Gcsäuge, früher ungehört, fchollcu über den Dnjepr und waren wir auch Vauernföhne, fo sangen wir doch vom großen Wald, uuserm Vater und der Sicza, der Kosakenmutter. Mit der Zither im Arm stiegen wir auf den Gassen umher und träumten vom Hel- ! denthum der Kosaken, d en bla n k cn W eih cu, von: ! Falken, vom Gang in die Wolken umsMädchen (Volkslieder), straf mich Gott, ob wir damals ahnten, es würde so weit kommen, daß sich friedliche Leute in ihren Häusern ermorden würden." „Allein es war noch nicht alles zu Ende mit den Liedern und Prahlereien der Zaporozer Kosaken. In der Charwochc verlautete es, daß im Kloster zn Motrenen Blut geflossen, das; die Hcidamaken aufgestanden; es ging die Sage, die Kosaken von Tfcherkassy würden nicht ruhig hinterm Ofen liegen bleiben, wenn es gälte, drein zu schlagen. Schon sahen wir eines Abends ein großes Feuer oberhalb des Dnjcpr. Die Heida-maken verbrannten das Schloß von Canoua. Herr Pacina mußte geschmeckt haben, es rückten schlimme Gäste auf Tscherkassy los, und wie viel er anf die Treue der Schloßkoscücn. rechnen dürfe, denn eines fchönen Morgens verließ er, ohne Jemandem etwas aufzutragen, sammt seinen berittenen Polen, deren etwa dreißig gewesen sein mochten, das Schloß und wendete. sich gegen Zytomierz. Keiner hielt ihn auf — so ergrimmt waren die Bürger, sie standen an den Straßen und fluchten ihm nach." . „Kaum legte sich der Staub, den der Fuß der Flüchtlinge aufgewühlt, langten schon von der anderen Seite neue Ankömmlinge an, die Heidamakcn. Sie kamcn mit ihrem ganzen Lager, Fußgänger, Reiter und Vagagewagen, die wenigsten mit Flinten und Pistolen, sonst nnr mit Sensen und alten Lanzen bewaffnet. Sie waren bestaubt und müde, einige mit Blut befleckt; sie erzählten, die Polen Hütten am Irdin die Straße besetzt gehalten. Wir bemerkten unter ihnen viele Gesichter, die vor zwei Monaten in der Dämmerung auf unsern Straßen umhergcschlichen. Die Obrigkeiten und Bürger nahmen die Hcidamaken als gute Freunde auf, diese lagerten sich mitten anf dem Marktplätze, tranken und sangen. Der und Jener redete dem Volke zu, die Polen und Juden niederzumachen, dann würden fic alle reich und große Herren. Noch lagen sie uns an, zu ihnen zu stoßen, besonders als sie sich zum Abzug rüsteteu. EZ schloß sich ihnen eine große Menge bewaffneten und unbewaffneten Volkes an und auch wir Kosaken des Starost, da uns die Hetmans mächtig zugeredet." „So wurde ich in den Aufstand verwickelt, einerseits weil man micb dazu nöthigte, andererseits weil ich neugierig war, was daraus werden sollte. In Tchserkassy lief alles glücklich ab. Die Polen nahmen gleich nach dem Gubernator die Flucht, die Iudeu verbargen sich in den nächsten Gehölzen. Von dem Zurüägelasfcncn nahmen die Heidamaken so viel sie konnten; was übrig geblieben, dessen bemächtigten sich die Bürger. Die Heidamakenführer mußteu in Erfahrung gebracht haben, daß sich das Heer des Starost von Eanova nähere, denn wir rückten schnell vorwärts. Schon in dieser Nacht sah ich, was es eigentlich mit dem Heidamakenwcsen sei. Wir verbrannten einige Wirthshäuser, uachdem wir die Vranntweinfässer hinweggerollt. Keine Seele entging dem Feuer; unsere Leute standen umher und trieben jeden Fliehenden mit, Lanzenstichen in die Glut zurück. Schlimmer gings den nächsten Tag, als wir anf einige Edelhöfe stießen. Ich bin den Polen nicht Freund, doch ^ Schauder erfüllte mick), wenn ich sehen mußte, wie die Axt das ^ Haupt des betenden Greises abhieb, wie die Sense den Leib ! der schwangeren Weiber auftrennte, der Anblick einer verur-l theilten Familie, der verzweifelnden Mütter, deren Säuglinge l man anf Lanzen aufgespießt umhertrug, oder ihre Köpfe an ! den Wänden zerschmetterte^ Die Trunkenheit und das vergossene Blut trieben den rohen Haufen zu unerhörten Graucln. So erging's in jedem Dorfe, bei jeder Schenke, wo uns ein ! Jude, ein Pole, oder ein Anderer in die Hände fiel, von dem ! man sagte, es sei eine polnische Seele. Das Blut er-! starrte in meinen Adern, es war mir, als erwachte ich aus einer schweren Betäubung, ich war unter Verbrecher, unter Rauber gerathen. Ich beschloß zu entfliehen. Allein wie?" „Der Haufe wälzte sich gegen Smila. Dies sei das Hauptnest der polnischen Vampyre, man müsite cs aushebcn, denn dort seien die Schätze des Herrn Weicher aufgespeichert. Jetzt wäre die Zeit gekommen, daß sie die Heidamaken nähmen, dcren Väter sie aufgehäuft und verborgen, noch lange uor Chmiclnicki. Als wir aus den blutgetränkten Wäldern von Vclosero schritten und die Rauchfänge des Schlosses zu Smila nnä entgegenglänzten, da traten mir alle jene Gestalten lebhaft vor die Seele, deren Vrot ich gegessen und gegen die lch nun zugleich mit dem Näuberhanfen zog: die mildherzige und fromme Frau, das kleine Mädchen, das so oft die Händchen zu mir gereckt, dcr rechtliche Herr, der Niemanden schindele, ob er qleich viele Macht hatte, der, sein eigener Mörder, befangen von einem bösen Wahne, rastlos auf der Steppe umherirrte ohne Ruhe und Erholung____Wir fchlugen unfcr Lager am Irdin in einem Fichtengchölz auf. Vald brannten die ^eucr uno das Schreien und Lärmen des trunkenen Haufens ,choll durch die ehrwürdigen Bäume. Ich floh so weit als möglich von diesen Tönen, denn sie zerrissen mein Ohr wie schneidende Dolche. Entsetzen erfüllte meine Seele, wie beim .yerannahen des Todes. Ich ging nach dem Irdin, die Brücke über denselben brannte, doch konnte dies die Einwohner nicht retten, denn während des Sommers kann man den Flnß zu Hserde Passiren und waren uoch Stege an einigen sumpfigen Stellen. Sinnend lehnte ich an einer Birke und sah auf die ntadt, über dcr eine so schreckliche Gewitterwolke schwebte. Es war ein trauriger Abend. Die Sonne war untergegangen, lange glommen uoch die rothen Streifen im Westen und thürmten sich gleich den Massen Blutes, das heute vergossen worden. Die Dunkelheit wuchs: im Geröhricht und in den Erlen säuselte kcin Lüftchen, die Wellen an dcr Düna wagten nicht zu Plätschern, aber desto lauter schollen die Sturmglocken in der Ttadt. Athemlos horchte ich auf die traurigen Töne, es war, wie zur Zeit der Pest in meiner Jugend. Schaudernd klang cs in meinen Ohren: Räuber und Mordbrenner! — Nicht mir allein mußte es so vorkommen. Einige Schritte vor mir stand einer dcr ersten Hauptleute der Hcidamaken: gleich als verstände er, was die Glocken brummten, ricf er aus: „Ihr lügt! ibrlügt!" — uud kehrte mit düsterm Antlitz, die Stirne iu Falten, ins Lager zurück." „Ich sah, jetzt wäre uicht die Zeit zu entfliehen; ich wollte nach Smila mitgehen, vielleicht rettete ich eine theuere Person und konnte mit ihr entspringen. Doch wohin? Im ganzen Lande waren die Heidamaken aufgestanden uud mordeten die Herren und welche es mit ihnen hielten. Wenn es möglich wäre, nach Smila dnrch- und über die Grenze zu kom-meu? Es war vergeblich. Während die Hoidamaken Brücken über den Irdin schlugen, verhinderten zahlreich ausgestellte Posten jeden Versuch, zu entweichen und die Städtler von dem drohenden Unheil zu warneu. Ich beschloß mich beim Stürmen in die vorderen Reihen zu drängen. Ms die Nacht eingebrochen war, befahlen die Hetmans still und achtsam vorwärts zu rücken. Der Angriff auf Smila, eine bevölkerte Stadt und auf das feste Schloß schien ihnen eine wichtige Arbeit, denn sie ordneten sorgfältig die Mannschaft und stellten die jüngsten und kräftigsten Leute an die Spitze. Ich kam nicht ganz in die vor-dcren Reihen, wie ich gewünscht, denn unsere mordgierigen Hauptleute schienen zu fürchten, daß dieses gottgefällige Werk — wie man das Blutvergießen nannte — ohne sie geschehen könnte." „Wir schritten lautlos durch daZ Schilf an den Usern des Irdin. Kein Stern glänzte am Himmel. Ich glaubte, die Polen würden die lange, enge Straße, die in die Stadt führte, verlheidia.cn. denn Smila war volkreich und im Schlosse lag eine Besatzung, überdies hätten die benachbarten Orte HilfsVölker schicken können. Allein ich hatte mich getäuscht. Gott strafte sie in seinem Zorne, sie gaben sich selbst in die Hände ihrer Feinde. Anstatt des Widerstandes harrte in den Straßen eine Menge Volkes mit Ungeduld auf uns, um uns die Verstecke dcr entflohenen Herren und Gutsbesitzer zu zeigeu. Zuerst geleiteten sie uns zum Echlossc. Ich kannte die buhen Wälle und tiefen Gräben des Schlosses wohl und erwartete cinen harten Kampf; eine kleine Schaar hätte genügt, uns den Eintritt zu weigern. Der Gnbcrnator mußte doch zu Haufe sein. Allein Niemand leistete Widerstand, alle Polen, Fürsten, Edelleute, Juden, Greise, Weiber uud Kinder erwarteten unter Furcht ''und Zittcrn dcn Todesstoß. Er war nicht da, der Teufel trieb ihn auf dcn Feldern und Steppen umher. Ich eilte mit den Vordersten nach dem Schlosse, wenn auch nicht in gleicher Absicht. Lautes Weinen scholl uns entgegen. Das Blut floß schon in Strömen. Ach, was meine Augen in jener Nacht gesehen , im Leuchten des brennenden Schlosses , das kann keine Zunge bcschreibcn. Es wäre ein Frcvcl an dem jetzigen Geschlechte, Bilder hervorzurufen, welche gewesen, ehe jenes das Licht erblickt, Thaten, an deren das Gericht Gottes vollendet ist, sei's im Himmel oder in der Hölle!" Nach einer Pause fuhr dcr Alte fort: „Als ich so gegen den Edelhof schritt, da pochte mein Herz und das Blut schoß mir in den Kopf und die Augen. Ich fand alle Zimmer voll Heidamaken, Mord und Tod wüthete umher. Der Hausherr war nirgends, wohl aber eine Menge Frauen, die auf den Knieen um ihr Leben fleheten. Unter ihnen stand in dcr Ecke des Zimmers eine Frau, bleich, mit aufgelösten Haaren; aus mehrercu Todcswunden riefelte ihr Blut in rothen Bächen nieder; mit den Händen schützte sie ihr Kind gegen die Lanzen, die von allen Seiten auf sie geschleudert wurden. Schnell sprang ich hinzu, nahm daZ Mädchen aus den Annen der sterbenden Mutter — sie mußte mich cr-kannt haben, denn ihre Lippen umspielte ein holdes Lächeln und ein scelenvoller Blick dankte mir — dann stürzte sie todt zusammen. Ich wollte mich eilig mit dem Kinde entfernen, da schrieen zwanzig Stimmen: „Was damit, verfluchte Seele! was damit?" — Ich hing zwifchen Tod und Leben. Alle meine Kräfte zusammenraffend, fprach ich: „?^U0Vi inoloäoi, ein ganzes Jahr pflegte ich das Ferkel, jetzt will ich mir's braten!" Alles jubelte mir entgegen; „Gut erdacht! Lassen wir ihm die Freude!" — Ich drängte mich durch die Menge bis zu den Wällen. Hier stand ein Wagen mit zwei Pferden. Ich sprang mit dem Kinde hinein und jagte auf die Steppe. So weit sich das Dorf ausbreitete, überall brannte es, näher und fern. Der Wind trug die fcurigeu Funken von Dach zu Dach, in der dunkeln Nacht leuchtete es wie am hellen Tage und bezeichnete die Stätten des Mordcns. — Auf der öden Steppe, wo ich dahinfauste, vernahm man nur den eiligen Fußtritt eines Flüchtlings nnd das Jauchzen der Verfolger, manchmal einen Wehfchrci und dann ein schnell ersticktes TodeZröcheln." „Vald wurden die Fliehenden seltener, das Angstgeschrei verhallte und die Feuer brannten weit hinter mir: ich athmete freier. Das Kind, matt vom Weinen, war auf meinen Knien eingeschlafen. Ich konnte nichts beschließen und fuhr, wohin die Pferde wollten. Auch wußte ich der Dunkelheit halber nicht, auf welche Seite ich mich gewendet." „Nachdem die Sonne aufgegangen, erkannte ich nach der Gegend, der Straße, die sich vor mir hinzog, und den umstehenden Heidengräbcrn, daß ich auf dcr Reichsstraße nach Epole mich befinde. Ich wußte nicht, wohin? konnte keinen Ent-schluß fassen, denn in Folge der zwei durchwachten Nächte, nach l diesen gräuelvollen Scenen, war ich ganz betäubt: es dunkelte mir vor den Augen, alles drehte sich um mich herum. Im nächsten Dorfe hielt ich an, um den Pferden Futter vorzuwerfen und das Kind zu beruhigen. Die Leute, denen ich begegnete, sahen mich cjros; an, andere wiesen mit den Fingern auf mich und das Kind. Einige Männer, die mich umstanden, flüsterten mir insgeheim zn: „Fliehe, die Polen sind nahe!" Ich wunderte micli sehr darüber, dachte aber nicht länger daran; nachdem ich ein wenig geruht, fuhr ich fort. Gegen Mittag gelangte ich in die Thäler von Taschlitz, und als ich wieder auf'Z ebene Feld hinauf gekommen war und meine Augen in die ^ Ferne schweifen licsi, da bemerkte ich, wie am äußersten Hori- ! zonte einige Gestalten zum Vorschein kamen, als schlüpften sie « aus dem Voden. Als sie näher gekommen, unterschied ich be- ! waffncte Reiter, deren Lanzen in der Sonne blinkten. Sie ritten ^ in Trupps zu zehn und zwanzig. Bald vernahm ich das ^ Wiehern der Rosse und das Schmettern der Trompeten. Die z ganze Abtheilung glich einer Wolke, die sich bei Tagesanbruch ^ im Westen dahinwälzt, halb blau, halb roth, denn so waren die > Mützen und Koller der Reiter, so auch die flatternden Fähnlein auf ihren Lanzen. Später erfuhr ich, daß es Edelleute ^ aus der Umgegend waren, welche zum königlichen Heere stoßen , wollten, das gegen die Hcidamaken zog, die auf den Schlössern sengten und mordeten. Allein ich war sc müde und verwirrt, daß ich alles wie im Tranme sah, und es schien mir, als seien diese Erscheinungen anf der Steppe keine lebenden Menschen, sondern die Geister der erschlagenen Polen, die Jahrhunderte schon unter diesen Hügeln ruhen, und aufgestanden wären, um ihre Enkel zu retten, zur Wehr, daß nicht der Letzte fiele unter dem Schwerte der wilden Hcidamaken!" „Der Haupttrupp erschien in diesem Augenblicke. Ein dichter Staub wallte gegen den Himmel. Sie kamen gerade anf mich zugeritten. Dies erschreckte mich durchaus nicht, ich war dessen froh. Allein die Polen waren härter, als ich gedacht: „Wer bist Du? Woher kommst Du? Wo hast Du dies Kind gestohlen?" scholl mir's rauh entgegen. Die Farbe des Starost zu Tschürkassy hatte mich verrathen. Ich übersah meine Lage, ich wollte alles genau crzäblen, wo ich das Kind genommen, wie ich den Hcidamakcn entronnen —- da bemerkte ich hoch zu Roß das bleiche, eingefallene Antlitz des Gnbernators von Smila, des Herrn Weicher. Das Kind hatte den Vater erkannt nnd schrie — ich ward bleich und ganz wirr, er sah mich an, das Kind, und erstarrte. Er reichte dem Mädchen nicht die Hand, als es ihm die seinen entgegenstreckte, aus seinem bleichen Munde kam keiu Wort; seine Augen starrten weit geöffnet, glanzlos ins Weite. Als er das blutige Nöckchen des Kindes sah und meine blutbefleckten Hände, da wusite er, was vorgegangen , dies Blut schrie um Rache. Starr saß er zu Roß, uud als dieses sich bäumte, fiel er wie ein Lebloser zur Erde. Man eilte ihm zur Hilfe und trug ihn weg. AUmälig kam er zu sich, ich sah, wie er sich auf dem Voden wälzte, horchte, was man ihm erzählte — zuletzt beruhigte er sich. Er saß auf, hatte keinen Vlick für sein Kind und ritt schweigend davon. Später erfuhr ich, er zuerst habe dem polnischen Kriegscom-mando einen Wink über dcn Aufstand gegeben, hätte nachher Edelleute gesammelt, um sich mit dem großen Heere zu vereinigen. Er hatte gehofft, den Heidamakcn in Cmila zu vorzukommen, allein er täuschte sich, jene hatten ihn vor seiner Anknnft in seinem cigeueu Hause besucht. „Mich behielten sie zurück. Meine Befangenheit bekräftigte den Verdacht, der auf mir lastete. Nachdem die Reitcr-abthciluug abgeritten, setzte sick ein Pole zu dem Kinde in den Wagen, mich aber setzten sie zwischen zwei Reiter uud führten mich in das nahe Spole. Umsonst crzäbllc ich ihnen alles, wie sich's zugetragen, die Polen schüttelten die Köpfe: sie glaubten nicht daran. Gegen Abend kamen wir nach ^pole; das Mädchen führte man nach dem Schloß, mich aber warfen sie in den Thurm." „Horch!" unterbrach der Alte seine Erzählung, „hört doch! Euer Pferd wiehert hintereinander! Schöne Augen schauen von der Seite Hieher, woher Ihr gekommen. Ei, ei! vielleicht werbt Ihr um das Fräulein, edler Junker?" Nu, geb'Z Gott, Ihr seid cin guter Herr, und Euer Luchowa ist ein schönes Vcsitz-thum. Der Alte auf der Steppe schweigt, geht hin, wo Sie nach Euch seufzt. Lasset mich im Kerker zu Spole. Ihr seid nicht im Thurm, um uicht das Gewieher des Pferdes zu hören, das Euch die Seufzer Eueres Mädchens verkündet!" Ich willigte ein, denn Mittag war nahe, uud ich wollte meine Gastfreunde nicht warten lassen. Der Alte versprach mir, ein anderes Mal seine Erzählung fortzusetzen. Ich sagte, ich wollte Morgen kommen, und schied. Auf dem Heiniwege ward ich nachdenklich. Jetzt hatte ich die Spur gcfuuoen der historischen Materie aus dem Munde einer lebenden Person, was ich bishin vergeblich gesucht. Die Erzählung des Alten führte mich um scchszig Jahre zurück, sie bot mir kein Bild der Ukraine dar, wie sie jetzt ist, sondern jener, wie ich sie mir im dichterischen Anachronismus vorge^ stellt in den Zeiten Kozinsti's und Lanckoronski'Z: Das Volk mehrt sich beständig, die Ukraine hüllt sich in ein neues Gewand- allein die wilde Ungebundenheit und die Spur der ehemaligen Unordnung, die die Wogen der Zeit verschlungen, verschwand nicht aus diesen Gegenden. Ich ersah aus dem Munde eines lebenden Zeugen, daß die Kriege in der Ukraine nicht unmittelbar entstanden seien, anch nicht in Folge dcs Druckes auf das gemeine Volk, nicht wegen der Leidenschaft des Volkes, nach schönen Besitzungen und Reichthum zu streben. Dies alles beschleunigte zwar den Ausbruch, war aber uicht die eigentliche Ursache desselben. Am meisten trugen dazn bei: Nationalhaß und die Erinnerung an ein früheres wildes Sol-datenlebcn, besonders aber der religiöse Fanatismus. Die Ursachen, die den blutigen Sturm in der Ukraine herbeigeführt, unterscheiden ihn auch mit dem Merkmal der natürlichen Leidenschaften und des erhitzten Gehirns von den gewöhnlichen Vür-gerzwistigkeiten zwischen Armen und Reichen. Kaum war die Soune des andern Morgens aufgegangen, als ich bereits auf dem Wege zur Meierei mich befand. Ich fand den Alten anf dem Hügel sitzen. Er grüßte mich, und als ich ihn gebeten, mir seine spätern Schicksale zu erzählen, begann er also: „Im Gefängnisse zu Spolc dachte ich, es werde bald die Wahrheit an den Tag kommcm und ich würde frei. Als man mir aber fagte, sie hätten meinen Mantelsack geleert und kirchliches Gut darinnen gefunden, erkannte ich, daß es um mich geschehen sei. Ich trauerte nicht lange einsam, denn bald langten neue Gäste an, und zuletzt wurdeu die Thore gar nickt wieder geschlossen, immer frische Gefangene wurden hcrcingeschoben. Die Schmiede schlugen vor dem Gefängnisse ihre Wertstatt auf und schmiedeten vom Morgen bis zum Abend dcn neuen Ankömmlingen Hände und Füße in Eisen. Unter diesen befanden sich anch Einige, die wie ich, dcn Hcidamakcn nur aus Unwissenheit oder weil sie überredet wurden, sich angeschlossen, mit denselben herumgezogen waren, ohne zu morden und zu rauben; es waren aber auch solche darunter, die mit ihrem Wüthen, mit Lanze uud Schwert sich selber das größte Leid gethan; früher glaubtcu sie, die ganze Welt sci ihnen Unterthan, jetzt weinten und klagten sie wie Weiber, Andere schwiegen uud sahen mit finstern Blicken umher, oder prahlten sich, daß sie viel Polen aus diesem Leben befördert, sie trauerten, daß sie inmitten ihrer Thaten hinweggerafft worden, und forderten übermüthig das Martyrthum für Gott und dcn Glauben." (Schluß folgt.) Vcranwortlichcr Redacteur I. v. Klcinmayr. — Druck und Verlag von I. v. Klciumayr ü F. Bambcrg in Laibach.