48727 ; • ;c.:-x..'x.;ac. ; x::oa:i!)c.ix-:sc.ix.so.iixi:j?c: 1 pq'.:: s Walther von der Vogelweide Von Edward Samhaber. Neue Ausgabe. Laibach. Druck und Verlag von Ig. v. Kleinmayr & Fed. Bamberg. 1884 . 4b'«aV j .... ... ~..._ .... ..'j ! K'1'JV ! Herrn Vv. Vici o f v. ScheftPel zugeeignet. Vorliegende Arbeit bringt eine Auswahl aus den Liedern undSpriichen Walthers von derVogelweide und verflicht sie in ein Lebensbild des Dichters, indem sie zugleich einzelne Capitel mit Originaldichtungen be- ginnt oder endet, die als ein Ausfluss \varmster Be- geisterung fur den mittelalterlichen Lyriker entstanden sind und subjectiven Stimmungen, welche den Autor wahrend der Arbeit beseelt haben, Ausdruck geben. Was das Leben Walthera betrifft, so bat der Ver- fasser die bedeutendsten Momente desselben als Grund- lage fiir eine Reihe von Gemiilden verwerthet, die, in poetischer Weise ausgeschmiickt, niclit sowohl ihrer selbst willen, als vielmehr dazu da sind, um als er- lauternder Text die eingestreuten Dichtungen gleichsam arabeskenartig zu umschlingen. Mit Riicksicht darauf, dass Waltbers I^eben von der Wiege bis zum Grabe in ein geheimnisvolles Dunkel geliullt ist und erst aus den Dichtungen auf dem Wege hypothetischer For- schung ersclilossen worden ist, glaubte icli diese Art und Weise der Conception, vvenn auch nicht vor dem engeren Kreise der Facligelehrten, so doch vor dem grossen deutschen Volke rechtfertigen zu konnen, an welches sich das Buchlein nicht ohne Bangen wendet. Die eingestreuten Lieder und Spriiche Walthers sind in der Weise nachgedichtet worden, dass ich die in ihnen verkorperte Gedankenwelt in ein poetisches Kleid gebrackt liabe, welclies heutiger Spracli- und Denkweise entsprieht. Freilich lauft man bei diesem Wege poetischer Uebertragung Gefahr, zu viel Moder- nes in die alte Dichtung hineinzubringen, und dennoch scheint mir derselbe selbst in dem Falle, dass man kein getreues Abbild des Alten bringe, der einzig berechtigte, um unser Volk flir die ilirn fremde und unverstandlich gevvordene Welt altdeutscher Dichtung zu erwarmen; denn die Originaldichtungen Walthers vvort- und versgetreu zu iibersetzen, oline undeutsch zu werden, diirften selbst die congenialsten Uebertra- gungen der Zukunft kaum jemals im Stande sein. Man versuche nur das tmnachahmliche Gediclit Walthers »Unter der Linde« im Neuliochdeutsclien wiederzugeben, und man vvird sehen, dass die beste Ueberselzung, aucli die Simrocks niclit ausgenommen, nur als eine matte Wiedergabe des Originales erscheint. So vvar ich denn gezvvungen, von Walthers poe- tischem Apparate oft ganz abzusehen und manchen Tropus durch einen neuen zu ersetzen, der, ich gestehe es offen, nur schvvach und schwankend wiedergibt, was jener in lebendig anschaulicher Weise zu sagen versteht. Dies gilt nicht nur von ungevvohnlichen Ausdriicken, wie: » ich sivinge im also swinden widerswanc « ; »dcsivcir ich geivinne ouch lihi e knollen « / »sit si die schalkheit w ellen, ich gemache in voli en kragen « ,* »geben e dem lobe der kale wurd abe getragen « / »swa man day spiirt, ey kert sin hant und wirt ein swalwenzagel « u. s. f., selbst einfachere Ausdrucksweisen bieten unendliche Schwierigkeit, da vieleWorte theils ausgestorben, theils in veranderter Bedeutung erhalten sind, Was die metrische Form betrifft, so sneli te ich sowohl in den Liedern als den Spruchen womoglicli die Anzahl der Verszeilen einer Strophe und die Reim- stellung beizubehalten, erlaubte mir jedoch in Bezug auf das Silbenmass Abweichungen, die z. B. bei dem in den Spriichen fast durchwegs angewandten, uns Deutsche so anheimelnden jambischen Quinar eine um so grossere Schwierigkeit boten, da ich rnich genothigt šali, den ohnedies in knapper Form gegebenen Gedan- kengelialt Walthers in eine noch knappere Form zu zwingen. So moge denn mein »Waltlier von der Vogelweide« eine freundliche Aufnahme bei meinem Volke finden und ihm, wenn auch nur einen kleinen Bruchtheil jener Freude bereiten, welche mir die Arbeit so vieler einsamer Stunden in Heimat und Fremde gebracht hat. Der Verfasser. is?# is?# is?# is?# is?# is?# s?#is?# is?# is?# is?#. is?# is?.#is?# is?# '■ov -o* 'ji* -as ■?«- “i j- Ausfahrt. Es war ein herrlicher, thaubesprengter Maimorgen des Jalires 1180, als die Brcnnerstrasse aufwarts dem Innthale zu ein schmucker Jiingling ritt. Ein scharfer Friilnvind zog durcli die blonden Locken und sclilug sie um ein frisclies, madckenkaftes Antlitz, aus dem ein Paar blauer Augen so reclit offen in die Welt hinausblickte, die in zauberhafter Frernde vor ihm lag. Auf der Iloke der Strasse hielt das Rosslein an. Seit friiken Tagen stand- liier cine Bucke und warf kiihlen Schatten ins weiche Gras. Du kluges Ross¬ lein, rief der Jiingling aus, als ob du fiihltest, dass man vom Freunde nicht so scheidcn diirfe! Er neigt den Ast? ITab Dank, Geselle! Ja so! Ein griincs Laub auf das Barett! Und nun lebt wohl ihr Lerchen, Drosseln, Amselti, Finken, und wie ilir alle keissen mogt, die ikr in griiner Hecke singt und springt! Alii, vvie euer Lied ins Ilerz mir drang! Es lockt und ruft. Mir wird, ick kann’s niclit sagen, Dock driingt es mick, zu wetten und zu wagen. Erst war’s cin Zwitsckern nur, ein keimlick Lallen, Ikr sangt mir vor, ick nacli, bald laut, dann leise, Und so da draussen in den griinen Ilallen, Ick weiss niclit wie, erlernt’ ick rnancke Weise. Noch einen Blick auf die waldeinsame Vogehveide, und fort gieng es in raschem Trab. Doch als das Rauschen des Eisack verstummt war und neue Berge an ihn traten, ein fremder Himmel ihn griisste, da war auch die letzte Thrane ins Gras gefallen, es war ja ein so schones Stilck Erde, das ihn empfieng, und der Inn spran g so lustig zwischen den Felsen, und vorwarts gieng es der machtigen Donau zu, und mit ihr immer weiter und weiter nach dem schon damals iippigen, lebenslustigen Wien. Ja, wer in den Tagen, als das Scepter der Baben- berger unseres Landes waltete, die Donau entlang zog, dem fiel es wie Sonne in die Augen, und die Lippe wurde nicht satt, ali* die Burgen zu riihmen, die von schwindelnder Ildlic herniedersahen und nur an den Klostern, deren wachsen.dc Zalil Berg- und Thalflur beherrschte, wiirdige Meister f$nden. Und wie Burg und Milnster, wuchsen auch Dorf und Stadt. Wir horen von regem Warenaustausch mit Ungarn, Italien, Frankreich und Deutschland. Dem, der einen Gang durcli Enns und Wien nicht scheute, lacliten schneeige Leinwand entgegen und schimmernde Seide, blitzende Waffe und kostbares Pelzwerk; ja, wer kennt alle die Erzeugnisse wechselnder Art, mit denen Gut und Geld ins Land kam und mit Geld und Gut eine so sicht- bare Freude am Leben, dass šclion damals der blaue Stromgott hatte singen konnen: »Mich umwohnt mit glanzendem Aug’ das Volk der Phaaken, Immer ist’s Sonntag, .es dreht immer am Herd sich der Spiess«. - 4 > 3 <£— Nimmt es uns wunder, wenn unter so frohlichen Gesichtern auch die Muse iliren Sitz aufschlug, zur Redilen Fran Musika,. zur Linken Ar di it ek tur und Malerei? Und Wien war der Brennpimkt jener geistig geselligen Bewegung, welche in der Burg des tugend- liaften Leopold herrsclite. Wir freilich scliiitteln heut- zutage die Kopfe, wenn wir horen: In der herzoglich dsterreicliischen Residenz gieng es Tliiir auf und zu, und zu und auf, und ein Sanger gab dem andern die Klinke in die Hand. Da streicht man die Fiedel, der Herzog lauscht, die Gaste lachen, die Bedier klirren doch hordi: I Vinter durchstiinnet das Land iibcrall, IViise und Wald } die simi beide nun fahl, Und es verstummte der Vdgelcin Sekali. Mochtet ihr Mddchen doch tverfen den Bali, Klime der singmde Friililing ins Tkali KdnnT ick ver šekla fen im VVinter die Zeill Doch muss ick zvachen, wie ikut es mir leid, Dass seme Machi ist so wcit und so brci tl JVeiss Golti Der Friililing besiegl ikn im Slreitl Dann lese ick Blumen, wo jetzo es sekneit. »Verhiite Gott«, rief Herzog Leopold, »den Winter zu verschlafen! Ein eigner Kauz! Bring uns den Sanger, Reinmar! Wo desWeins fiir mich und dich und hundert andre fliesst, darf keine Kelile diirsten.« Der Ernst der Stunde war gekommen. Doch stolz und stramm vvie die Ficlite des Ileimatvvaldes trat Walther in den Saal. Keck und kttlin iibersah er die Zeclier. »Zum Kukuk! Bin ich der Herzog? Bist du’s? Bist du’s? Er kommt herein, singt mir nichts, dir nidits, wie der Fink vom Z\veig! Wer bist du, he? Woher? vvohin?« X* -- Sanger und Gaukler stiessen und driingten! Was dichtende Phantasie von Alexander dem Grossen ge- fabelt, mit welch feenhaftem Glanze sie den Hof des Konigs Aldus umwoben hatte, liier riss der Schleier der Dichtung, und mit eigenen Augen šali das stau- nende Volk, was zu schauen es sich niemals ge- traumt hatte. Aber aucli die folgende Zeit liess es niclit an Thaten fehletn, die besonders geeignet waren, ein dich- terisches Gemtith anzuregen und die schlummernde Phantasie zu erwecken. Poten kommen nacli Wien. Von Ohr zu Ohr wird es getragen, dass der Kaiser am Abend seines Lebens das Kreuz auf die Schulter nimmt, um sich mit Saladin, dem Helden des Ostens, zu messen. Da verschlingen die neidischen Fluthen des Seleph den greisen Helden und ein Sclirei des Entsetzens geht durch das deutsclie Land. Wir be greifen, dass derlei Ereignisse, deren sich Dichtung und Sage bemachtigten, an einem so hellen Kopf, vvie ihn Waltlier besass, nicht spurlos voriibergehen konnten, dass sie vielmehr cinen Eindruck hinterliessen, aus dem sich vorzugsweise die gliihende llingabe des Dichters an sein Vaterland erklart. Das buntbewegte Leben war es, das unseren Sanger erzogen hat. Nicht aus Biichern und Schriften hat er scine Weisheit ge- sogen, sondern er hat sie vom grttnen Baume der Erfahrung gebrochen. Zu den ervvahnten Anregungen kam der Umgang mit Sangesgenossen. Zunachst mit Reinmar von Ilagenau, dem Fiihrer der Siingerschaar. In ihm fand der Jiingling einen erfahrenen Meister und vvurdigen Freund. Weihte ihn dieser in die Geheimnisse des Singens und Sagens ein, so kntipfte ihn anderseit-; ein trauliches Freundschaftsband an die jungen Prinzen Friedrich und Leopold. Zvvar triibte sich das Verhaltnis - 7 ^ zu letzterem, aber Friedrich blieb ihm gewogen, auch als sein Vater gcstorben und er selbst Herzog gewor- d en war. Zur Freundschaft trat die Liebe. Und Liebe und Natur waren es, die den ersten Funken dichterischer Begeisterung aus dem Jiingling schlugen. Die ihr, o Wiener, an warmcn Sommertagen aus wogender Weltstadt flieht, um in die Armc reich- sclnvellender Natur zu eilen, euer Gemiith ware vor allem besaitet, den Tonen des Dichters nacli zu em- piinden, der seine naivsten und urspriinglichsten Weisen unter demselben Blau und dem schattigen Griin eurer Walder gesungen hat, gesungen bat an dem Busen eines rothwangigen Winzermadchens, das es dem Sanger mit seinen schwarzen Augen angethan. Es ist Friihling. Die junge Welt eilt zum Tanze mif blumigem Anger. Auch sie kommt. Walther reicht dir den Kranz. O, ruft er aus, O Madchen seize diesen Kranz Von Bhimen auf dein Haar! Die Schonste bist da bei dem Tanz In jungfraulichcr Schaar. Hčitf icli nar Gold und Edelsteine, Za schmiicken dir das Haupt! Es schmcrzt micli, wenn da je geglaabt, Dass ich’s nickt chrlich metne. Da na hm sie, was ich liebend bot, Von holder Sekam durchgliiht; Die lichten IVangen wurden rolk, VVie IValdes Roslein bliiht. Verschamt sich ikre Augen neigen Zu hcimlich lioldem Gruss; Und iviirde mir noch mehr, ich vniss In Treuen es verschvoeigen . Ob wachend, ob traumend, begleitet ihn nun fortan ihr Bild. So erscheint sie ihm einstens in einem rei- zenden Traumc und \vill mit ihm z ur Ilaide, wo ver- schwiegene Voglein singen und rothe Blumen bliihen. Da, als sie in seliger Lust unter der Linde ruhen und Bliithe an Bliithe sie begrabt, reisst ihm der neidische Traumgott die Linde vom Auge und er ist — allein. Du bist, spridit sie ihn im Traumc an, Da bist so schbn; den bes ten Krnu z Gdb ich dir gerne preis, Der je mich zierte bei dem Tam! Doch Liebster, licilt, ich wciss Vici Blumen auf der Ha ide stehn, Die ro/h und weiss entspringen, IVo Nachtigallen singen: Lass sie uns brechen gehn! O Liebeslraum, o Liebestraum, IVie zaitbe/AJoll bist du! Die Bliithen sanken vom Lindenbatim Und dec h te n weich uns zu. Doch als ich rief: Jetzt bist du m e in! Da stieg in voller Pracht Die Sortne auf, und ich cnvacht’ - - Und 70ar allein — allein . Den Dichter hat’s. In jauclizenden Tbnen preist o* die Stunde, da er sie, holdselig laclielnd, zum ersten- male gesehen hatte: 9 °)— Rother Mund. Hcil dir, o Stunde, da ich sie gefunden Draussen am VValdbach in kindlicher Rcine, Die mir die liebende Scele gebundenl Dass ich an sie nur, die reizende Eine, D etike halb ivachend, halb traumend fortan, D as hal die Gate, die Schone gethan Und ihr rosiger Mund, d er so lachen ste Is ha im. Ilir, der viel Lieben und Guten und Reine n, Hab ich m cin Sinnen und Minnen gegeben; Mddchen, wann lassl du die Stunde ersclieinen, Die mir das Siisseste spendet im Leben? I Vas ich auf Erden an Freuden gnvann, Das hat die Gute, die Schone gethan, Und ihr rosiger Mund, der so lachen slels kanu. Sclion mochle er mit ihr im lauschigen Walclgrun.de Rosen lesen. Wann doch endlich werd’ ich Rosen Lesen mit dem Magde le in, Dass 7uir kiissen uns und košen In dem lauschig stillen Tla in? Eine n Ivuss von ihr e m Munde, Und geschlossen ist die VVunde, Die mir schlug der Liebe Pein. Aber aucli das Madchen gelit mit sich zu Rathe und will den Geliebten, den alle Well verherrlicht, durcli Liebe beglueken. ■<0 10 a ) Du kast viel Gnade mir gethan, O Gott! Du hast meirt Ang' gelenkt Nach ihm, dem allerbesten Mann, Und IJebe in mein Herz gesenkt . Es war ein Augenblickchen mir, Dass ich ihn kiisste, und e s fuhr Mir in das Herz. So karnis nicht gehn : Gezvahre ihm und macli ihn froh! VVenn ich nur w Us st e: wie und zv o ? Endlich ist auch das Wo und das Wie gefunden. Sie selbst plaudert es in naiver Unschuld in dem rei- zendsten Liede aus: Die verschwiegene Nachtigall. (Juter der Linden An der Haide, PVo ich mit meinem Liebsten sass, Da mogt ihr finden, Wi.e zvir beide Die Blumen brachen und das Gras; Vor dem Wald in einem TJuil — Tandaradei! Herrlich sang die Nachtigall! Ich kam gegangen Zu der Aue, Und mein Liebster zvar schon dort, Der mich empfangen, Heilige Franc, Dass ich bin selig immerfort. Ob er mich zvohl oft gekiisst ? Tandaradei ! Sekt, zvie roth der Mund mir ist! -

Bei der Quelle stand e in Ban m, Da untovob mich siisser Tratim; Ich tv ar aus der Sonnen Gegangen zu dem Bronnen, IVo die Linde weit und breit Kiihleti Schatten von sich st rent; Setzte an deti Bronnen mich, Und wie Sorge von mir wich, Kam der Schlaf so voonniglich. Trdumte mir, dass alles Land Bis zum feni en Meeresstrand Mir, dem Konig, fiele zn, Und ich fdnde, was ich thu > , Ob an IVerken oder IVorten, Einstens offite Himmelspforten. Aller Sorg* vergass ich da; IVeiss der Himmel, ude's geschah, Schonern Tratim ich niemals soh. Dass ich schliefe fort und fortl Aber cine Krdhe dort Sc/trie, dass ich ertvachle . Krdhe n, ich veraclite Und verjluche euch, Mich so Aus dem Gliick zu reissen! O! IVie ich nar erschrecken mag! Dass kein S tein auch vor mir fag, IVdre euer letzter Tag! Brst ein Weib, gar wunderalt, 'J'rastete mich Armen bald, A/s ich sprach in meinem Le id: Spridi, bei deiner Seligkeit, IBas der Tra tim beden te ? »Hort ihr klugen Lente! 1 3 Eins und živci, die geben drči ;« Ferner sagte s/c dabei, Dass mcin Danm cin Finger sei. Ja selbst als Schnee im Thale lag und kalte Sturme \vehten, scherzte der Dichter \vie ein Kind und san g ein Vocalspiel. D/c Er de glanzte fem und n ah Im Farbenschmuck, uoohin man šali, Im Wal.de sang der Vogle/n Schaar. Nun sekirit d/c Nebelkrdhe: Kraki Prangst du in andr er Farbe? Ja; Du bist so grau, wic sic beinak, Es riimpftcn si ek vici Sli men da. fek sass auf einer griinen Hok’, Da sprossten Bhimen auf und Kleč Zivisckcn mir und dnem See. Der Augen Weide schivand, o Je! Wo ivir Kriinze brachen ek’, Da liegt nun funkelnd iveisser Schnee; Das tkut den armen V&glein weh. Die Tkoren jubeln Iaut: Ahil Die Armen ipimmern: Wek, owit Mir ist so bange , ivie nock nie. Welch karte Sorgen simi es, die Der bose Winter mir verliek; Wie iviird' ick jauckzen spat und friik, Wdr’ mir der Sommer ivieder hiel - - Bevor ich Idnger leble so, Aess’ ich die Krebse lieber voh. O Sommer, maeti uns wieder fr uh ! Du zierest Wald und JViese, wo Ich Krdnze ivand und lichterloh Mein Herz eter Sortne aufvodrts Jloh. Nun figi’ s der JVinter in cin Str oh. Und wie mein glatles IIo ar im N n So slruppig ward von trdger Ruti ! O siisser Sommer, wo bi st du? Ich sati so geni dem Feldbau zu. Rti ich in solehen Banderi ruti, Wie ich gefesselt j cizo thu', Eti wiird > ich Mdnch in Toberlu! Freilicli zogen ancli leichte Wolken am Himmel ihrer Liebe auf und nicht selten wurde geschmahlt und geschmollt, \venn das Madclien umsonst nach ihm aus- gescliaut liat. Aber Walther ktisst ihr die Thranen vom Aug’ und meint: Dass ich dich so selten griisse, Mddchen, ziirne nicht! Hetite Thranen, mor g en Kiisse, Hetite Schatteri, morgen Lichtl So eirt ivenig, wenig grollen Und darin uoieder sich versohnen : Dieses tdndelnd siisse Schmollert Machi die Liebe erst zur schdnen. Aber schon raunt man sich am Wiener Hofe zu, dass der Dichter Herz und Lied an ein Madclien ver- geude, das, so lieb es auch sein mag, denn docli nur i5 e,n Bauernmaclchen sei. Zwar nocli ist Walther der stiirmende Jiingling, der sicli liber alle Schranken hin- \vegsetzt. O, ruft er in Schonheit und Anmuth Du herzgcliebtes Madchen mehi, Golt nehme dich in seine Hut! JVo ist etn Name, uviirdig dein, Zn preisen dich mit hohevi Muth ? O sage mir, kat dich ivohl je Kili Herz so innigtreu geliebt ? Ach, Liebe thut dem 1 le ržen weh. IVer ta delt, dass ich Herz und Lied Go arinem Madchen hab* geschenkt, Der iveiss nicht, wie dic Anmuth blilht Und wie soleh bittrer Tadel krdnkl. Ich aber m cine ohne Hass: Es hal vom Herzen ni e geliebt, Der nur nach Gold und Schonheit mass. In Schonheit wohnt oft Hass und Neid, IVer nur nach ihr jagt, ist ein Thor; Doc h Anmuth jedes Ilerz erfreut, Denn sie geht iveit der Schonheit vor. Die Anmuth ist’s, die Schonheit gibi; Doch Schonheit nie soleh Anmuth leiht, Dass man die Schonheit darob liebt . So tadelt immer, dass mein Plug Der Liebe ein so niedrer sei; Mir ist sie schon und reich genug, Und ich bin uberfroh dabei. —-^p 16 o)- IVie man auch holmi, ich bin dir hold Und nalivi den Fingerring aus Glas Fiir aller Koniginnen Gold. Hast du nur Trene, liebcs Herz, So Jlieht dl e Sorge, dass ich cinst Durch dich crleide bittern Schmerz. Doc h wenn du e s nicht ehrlich meinst Und falsche Liebe dir entspriesst, So wirst du nimmer, nimmer mcin. O zv c h mir, zvenu e s also isti Aber es kam eine Maiennacht, frostig und scharf. Und als der Mor gen von den Bergen stieg, gab cs gesenkte Blumen und Bluthen. Draussen aber Im griinenden Waldc am Wiesenquell Ein Magd lem sinnend stand, Das liielt vor seine Augen beli Die \veisse, weisse Hand. Und fragtest du: Was fehlt dir, Kind? So schiittelt es das Ilaupt, Und cin Vdglcin singt von griiner Lind’: Es hat zu viel geglaubt. In ilirci' Niilie stclit ein Straucli, Es bliihen Rosen d’ran, Waldrdslein. So eins bist du auch, Was hat man dir gethan? Da blickt sie aufvvarts tiefbelrubt: Keine Rose ohne Dorn! Den ich so sehr, so sehr geliebt, Icli habe ihn verlor’n. 17 q>- Dort lag er einst auf griinem Klee, Brach Roslein, Roslein roth; Nun ist er fort, mir ist so weh, Ich ware lieber točit! Und mit der weissen Iland geschwind Verliiillt sie wieder das Haupt; O du mein armes, armes Kind, Du hast zu viel geglaubt! Du hast zu viel geglaubt! Es gluht Waldroslein lustig fort — Doch ach, wie bald ist es verbluht, Gebrochen und verdorrt! Hohe Minne. Wer gab dir, Minne, die Gewalt, Dass du so allgewaltig bist? Du zivingest Jung und zwingest Alt Und gegen dich hilft keine List. Wie dank* ich Gott, seit micli dein Band Umschlungen kat und ich erkannt, Welch hohem Dienst ich mich geweiht; O Gnade, Konigin, o Gnade, Ich will dir dienen alle Zeit! Mit diesem Liede wollen wir jene Epoche einleiten, die wir als »hohe Minne« bezeichnen, das ist die Zeit, in welcher sieh Walther mit aller jugendliclien Frische in den Dienst einer Dame begeben hat, die, aus vor- nehmem Stande, nur zu bald jenes Madchen in seiner Erinnerung verblassen machte, das es ihm einstens mit seinem rotlien, minniglicli lachenden Munde an- gethan. Was kiimmerte es ihn, wenn es nun draussen im griinen Schlag, wo Veilchen und Klee entsprossen, unter der Linde sass und vor sich sang: -- Wie herrlich, wenn in sommergriinen Auen Die kleinen Voglein ihren Sang erheben: Das ist ein Schmettem, Jubeln und ein Leben Und nichts auf Erden gleicht wohl dreser Wonne: Man glaubt sich schon im halben Himmelreich. Und dennoch sah ich einst, ich sage eucli, Was meinen Augen wohler noch gethan Und noch thun wiirde, šali iclis zvieder an. Ihr zzsveifelt zvohl ? Nun denn, das ist ein Weib, Ein junges, schones, hochgebornes IVeib, Das mit dem Kranz im aufgebund’nen Haar, Geschmiickt mit festlich wallendem Gezvand, Voli Zucht einhergeht in der Eraueri Schaar. Ein holdes Lacheln sitzt auf ihrem Munde, Verstohlen blickt sie manchmal in die Runde Und wirft in manches Herz der Liebe Brand. Wie unter Sternen steht sie eine Sonne — O ar mer Mai! wo bleibt da d eine JVonne? Ali d eine Blumen las s’ ich gerne stehn Und zvili nur sie in ihrer Schonheit sehn. Ihr rieigt das Haupt und lachelt ? Nun zvohlan! Mit Bluthcn ist bestreut die griine Balin Und unter sanften Nachtigallentonen Zieht siegreich ein der konigliche Mai. O blickt auf ihn, doch schaut auch auf die schonen Und keuschen Frauen mit den holden JVangen! Wem gliiht da nicht die Seele vor Verlangen Und zver aus euch fiihlt sich von Eesseln frei? Ihr heisst mich zvdhlen : Eriihling oder Frauen! Bei Gott, da gibi's kein uberlanges Sc/umen; Marž miisst ihr sein, Herr Mai, der zjvolkenbleiche, Bevor ich je von meiner Herrin zveiche! - (p 21 q)>- Noch wagt der Liebende nicht, der vornelimen Herrin zu nahen; aber wo sie geht und steht, sucht er sie mit den Augen zu erreichen, ja selbst zum ein- samen Waldbacli ist er ihr gefolgt, wo sie, allein sich glaubend, in nackter Schonheit aus dem Bade steigt. In sinnlicher Trunkenheit preist nun Walther die herr- liche Gestalt: das Haupt, das ihm wonnevoll wie der Himmel ersclieint; die Augen, die wie zwei Sterne leuchten; dieWangen, die Gott selbst so roth und lilien- weiss gemalt liat; die Lippen, auf deren Polster er seinen Mund legen mochte; den Ilals, die Han de, die Fusse und nocb mancb verborgene Reize, deren An- blick eine brennende Sehnsucht in ihm erweckt. O, ruft er aus, Ich darf dir nur ins Antlitz schauen, So ist mir schon, ich s ah' fiirivahr Den Himmel selbst, den dunkelblauen, In Sommernachten rein und klor. Zivei Sterne, mir ein Gottessegen, Sie lacheln mich so freundlich an — O Iierrin, homme mir entgegen, Dass ich mich darin spiegeln kann; Und bin ich noch so alt und krank, Ich iverde jung durch deinen Danki Und deine Wangen erst, o sprich, Gott selbst hat sie gemalt, mein Kind ’ So weiss und roth und minniglich, Wie Lilien und Rosen sindl Es ist doch, Iierrin, keine Siinde, Dass ich dich schoner als das Blau Des Himmels und die Sterne findeP — Doch stille, Mundi Die bes te Frau — Sie sieht dich bald von oben an, Denn zu viel Lob entehrt den Mann. Du kast ein Kis s en, o wie roth! Ach, legi’ ich darauf meinen Mund, Ich wiirde frei von aller Not/i Und bliebe immerfort gesund. Wem du das an die IVcingen legst, Der schmiegt so gerne sich herbei — Es duftet ja, wie du’s bewegst, Als ob es lauter Balsa?n sei. O gib mir doc/i das Polsterlein, Und so du's zuillst, sei’s wieder deinl Der Hals, die Hcinde und der Fuss, Wie ganz nach IVunsch seid ihr gebaut! Eucli anzusehn ist ein Genuss. Und dennoch hab' ich mehr geschaut . — Nicki gerne, als ich nackt dich s ah, Hatt’ ich gerufen: Dečke dochl Midi aber trafs im Herzen da, Und so wie damals sticht es noch, Denk' ich de s O rt s, wo voller Scham Die Herrin aus dem Bade kam! Endlich hat Walther Gelegenheit gefunden, die Dame kennen zu lernen. Ein freujndlicher Gruss ist ihm zutheil geworden. Aber noch ist er scheu und unbeholfen. Schiichtern wie ein Kind sitzt er vor ihr, und so oft ihn ein Blick aus ihren Augen trifft, ist ihm, als ob er von Sinnen ware, und ali die zierlichen Worte, die er sich vorher einstudiert hatte, sind wie vergessen: So ich mich bei ihr befinde Und mit ihr nun reden soli, Ist mir bang wie einem Kinde, Und im Kopf so wiist und toll. ■<0 23 Q>- Hatte manches mir ersonnen , Doch ein Blick mir, und zerronnen Ist das iVortlein in dem Munde — Ei, was hatV ich von der Stunde? Moclite ilin doch Fran Masse, die Schopferin aller edlen Kunst und feinen Wesens, die allem, was wir thun und lassen, eine wiirdevolle Schranke verleiht, mit ihrem Rathe beschirmen! Denn wer diesen befolgt, braucht sicli weder bei Ilofe noch auf der Strasse zu schamen. Die Ilerrin ist so vornehm, der Dichter so jung und unerfahren, dass er sie bittet, sie moge ihn lehren, wie er zu einem hoiischen Manne werde, um mit Frauen wiirdig zu verkehren. Bescheiden weist sie das Lob von sich, verlangt jedoch, dass ihr Wal- ther die Gesinnung der Manner offenbare, bevor sie ihn der Frauen Sitte lehre. Walther entgegnet: Wir glauben, dass Bestandigkeit Die Krone aller Frauen ist; Wenn ihr mit Zucht noch frohlich seid, Dann Lilie neben Rose spriesst. Wie herrlich steht dem Lindenbaum Der Vogelsang und Bluthensaum! Noch schoner steht cuch holdcr Gruss; Der Mund, der freundlich reden kann, Der macht, dass man ihn kiissen muss. Den Frauen aber behagt der Mann am besten, der ein gesundes Urtheil hat, stets das Beste von ihnen sagt und in rechtem Masse heiter ist, nicht zu demii- thig noch zu stolz: Dem wird zutheil, ivas er begehrt; Welch’ IVeib ver sagt ihm einen Faden? G ut’ Mann ist guter Se ide werth. -<0 24 Q>- In so liebenswiirdig geselligem Tone verkehrt die vornehme Dame mit dem Dichter und ermuthigt ihn in einer geistvoll pointirten Conversation, in der die Worte in balles wts scherzend heriiber und biniiber fliegen, zu den galanten Worten: Wisst ihr, Herrin, Wie ihr auch an Schonheit reich ? Ach, wenn sich des Leibes Bliithe Einte nocli mit Herzensgiite, Welche Ehre kronte euchl In etvvas kokettem Tone ervvidert sie: Schon? Ich zveiss nicht, ob ich’s bin? Gerne hcUV ich IVeibes Giite! Lehrt mich, wie ich sie behiite! Schonheit taugt nicht ohne Simi. Sclilagfertig kniipft Walther seine Vorschriften an die letzten Worte: Herrin, gut, ich will euch lehren Auf der Welt der Franen Brauch: Gute Lente solit ihr ehren, ILeundlich schau’n und griissen auch; Einem solit ihr euren Leib Eigen geben, nehnit den seinenl Doch den Augenblick beniitzend , setzt er sofort dringend hinzu: Gcibe gern, wollt ihr den meinen, Ihn tim soleh ein schones Weib! Die Dame weicht aus; anmuthig zwar ihre Schuld bekennend, meint sie: --<0 25 Q>- Freundlich schauen, freundlich griissen, Hab ' ich's bisher nicht gethdn, Will ich’s fiirder gerne biissen, Denn ihr seid ein hojischer Manni Aber was »den Leib hingeben« betrifft, bedauert sie schalkhaft: Mir zu Liebe thut nichts mehr, Als dass ihr gesellig plaudert; Do c h da s andr c — o mich schaudert — Wag’ ich nicht; auch schmerzt es sehr. Aber Walther will das Wagnis bestehen; stirbt er, ist’s ein sanfter Tod. Nicht so die Herrin: Ei, ich will noch langer leben. Mogt auch ihr das Leben hassen, Aber ich kann es nicht fassen, Meinen Leib fiir euren hinzugeben. So gelit es nicht langer. Er bedarf einer Fiir- sprecherin. Das ist Frau Minne. Sie, die durch das Thor des Herzens aus und ein schreitet, muss fiir ihn vverben. Wdnn die Herrin nur wiisste, wie aufrichtig er sie liebt! Gibt es doch viele, welche Liebe heu- cheln und falsche Liebe mit so siissem Wort begeh- ren, dass ein Weib nicht wissen kann, wie es die Manner halten. O, ruft er aus: Minne, so ein taglich JVort, Doch von fremdem IVesen ist; Minne ist des Gliickes Hort, Ohne sie kein Heil erspriesst, M einer Brust, so liebend offen, 0 Frau Minne, Wohne inne, Lass mich nicht vergeblich hoffenl Einem so bestandigen Werben kanil sich ihr Herz nicht verschliessen. Sie nimmt ihn zum Ritter an. Nun erst fiihlt Walther, wie Liebe selig macht. Der Glanz ihrer lichten Augen hat ihn so empfangen, dass seine Trauer zerfloss und ihm noch nie so freudenvoll zu Muthe war. Aber, ach! fahrt er in banger Ahnung fort: Mi/me, du bist reich an JVonne, Doch auch reich an banger Qual; Aus den Augen, wie die Sonne, Leuchtet jetzt der Liebe Strahi; Doch dein Zauberspiel, es endet t Und dein Sinn so launenhaft Hat gar manche Leidenschaft Schon in Kalte, ach, gewendct . So stellt sich schon jetzt mit der Liebe die Sorge ein. Wenn nur die Merker nicht waren, die liin- und hertragen und kaum ersprossene Ilerzensblumen zu vernichten drohen. Es ist Friihling. Alles eilt hinaus, Pfaffen und Laien. Warum solite man nicht frohlich sein, wenn die Voglein mit ihrem schonsten Schalle singen, die Baume sich grttn kleiden und auf dem Anger Klee und Blumen streiten, wer kiirzer oder langer sei? Ach, alles jubelt und tanzt; als aber Walther kommt, weist sie ihn lachend ab. Rother Mund, ruft er klagend aus, lass dein Lachen, Das dich so entstellet ; Soham’ dich, es mir so zu machen, Den du so gequdletl -

- Die Gnadenlose! Moclite sie doch bedenken, dass nur jene Liebe die echte sei, die mit Freude lohnt; denn so anders er imstande ist, das Rathsel zu losen, was Liebe sei, so muss sie die Wonne zweier Herzen sein, denn Eines sei viel zu klein, um solches Gliick zu fassen. Er bittet sie daher, mit ihm die Allgevvalt der Liebe zu theilen oder ihm gradaus zu sagen, dass er ihr gleichgiltig geworden sei. Kannst du nimmer mich ertragen, Sprich es aus, sodami Will der Liebe ich entsagen Als ein freier Mami. Doch so siiss wie metne JVeisen Wird kein Mund dich fiirder preisen! Abermals sehen wir den Liebenden vor dem Thron- stuhl der Frau Minne; diesmal als Klager. Sie soli wissen, dass ihn diejenige, die sein Gesang mit dem hochsten Lobe gekront habe, vor aller Welt hohnend beliandle. Frau Minne soli richten und einen ihrer Pfeile in das Herz der Sprbden senden oder auch ihn von seiner Liebeswunde heilen; im andern Falle, droht er, sind wir geschiedene Leute. Um das Un- gliick voli zu machen, traten noch korperliche Leiden zu den Leiden der Seele. Es war die bange Winter- zeit, in der ihn eine schwere Krankheit fast an den Rand des Grabes gebracht hatte. Wie sehnte sich Walther den Tagen entgegen, wo »selbst die Dornen Rosen tragen« und sich »alles, alles wenden muss«. Endlich zog der Mai ein. Schon hatte der Dichter ge- wahnt, nie wieder rothe Blumen auf griiner llaide zu sehen; als er aber die Voglein singen hort, ladt er, kaum genesen, die Herrin zum Tanze im Freien ein. Doch wie matt und wehmuthsvoll klingt diesmal sein dfi 28 Q^- Fruhlingsgruss. Der Reif that kleinen Voglein weh, Dass sie nicht mehr sangen; Nun singt es herrlicher denn je, Da Wald und JViese prangen Und Blumen streiten mit dem Klee, IVer wohl langer ware: Herrin, welche Mare! Des IVinters Prost und andre Noth Tkat en mir zuleide . Ich dachte nicht mehr Blumen roth Zu sehn auf griiner Haide; Und manche klagten, war’ ich todt, Die so lustig sprangen, Wann die Saiten klangen. O Friihlingstag, o Friihlingsiag, Mus st* ich dich versaumen, Es ware cin zu harter Schlag Fiir ali mein Lieben und Traumen , IVie ich so gerne einstens pflag. Nehmt des Himmels Griisse, Dass mir Heil erspriesse! Walthers Krankheit war auch schuld, dass er dem Kreuzzuge ferne blieb, den Herzog Friedrich mit Reinmar und vielen Edlen aus Oesterreich 1196 un- ternommen hatte. Aller Blicke wandten sich damals nach Osten. Heinrich VI., der Sohn Barbarossas, war ja nahe daran, den idealen Traum eines deutschen Weltreiches zu verwirklichen. Schon waren die Schllis- sel des Orients in seinen Handen und zitternd sass Kaiser Alexius III. auf dem morschen Throne in Con- stantinopel. Da klopfte der Tod auf Heinrichs Schulter -

»- und hiess ihn Abschied nehmen von ali den weiten hochfliegenden Planen. Auf schwarzem Ross, meldet die Sage, stiirmte damals der Geist Dietriclis von Bern liber die Fluren am Rheinstrom, ein finsterer Mahner kommenden Elends, das nur zu bald hereinbrach. Mit Heinrich VI. wurde auch der Glanz des deutschen Reicbes eingesargt und Tage kamen, in welchen das Schwert sich nach innen wandte und der Deutsche mit dem Deutschen focht, bis das geschwachte, zerrissene Vaterland ein Spielball hohnenden Nachbars ward. Und wie liber Deutscliland zogen auch Wolken auf liber das Leben unseres Sangers. Wo waren sie hinge- kommen, die schdnen, buntbewegten Tage in Wien ? Der Herzog war fort und alles klagt liber Lange- weile und einschlummernden Gesang, so dass Walther, selbst des Trostes bediirftig, die andern trostet : Zu dunkel selit ihr, die ihr meint, Dass niemand lebt, der singet ; Bedenkt, wie triib die JVelt erschemt, Die so mit Sorge ringet! Doch die Stunde kommt, da man singt und sagi, Gar bald e; So hat ein Voglein auch geklagt ; le h singe nicht , bevor e s tagtl Das sich verbarg im Walde . Dessen ungeachtet will niemand froh werden, selbst die Jungen und Reichen nicht, die vor Freude in den Liiften schweben sollten. Wie seltsam doch, fahrt Wal- ther fort, Frau Salde zu kleiden weiss? Mir gab sie Armut und Frohsinn, dem andern Reichthum und Schvvermuth. Hatte sie mir doch ein Kleid aus seinen Schatzen und meinem Temperamente zugeschnitten! Es stimmte meine Noth doch mehr zu seinem Gram! —<0 3 ° ; Als bestes Heilmittel gegen Kummer und Sorge em- pfiehlt Waltlier die Erinnerung an Frtihling und Frauen. Wohl mag einem bange werden, wenn die triiben Win- tertage kommen; aber er will dem Beispiel der Haide folgen. Wie Eriča, sobald sie den Wald grtinen sieht, gleichsam vor Scham errothet, dass sie traurig war, so muss sicli auch er in Erinnerung an die lichten Som- mertage seiner unnothigen Trauer schamen. Ha st du ein geheimes Leid } So gedenke edler Frauen Und der lichten Sommerzeit, Und dein Ang* wird heller schauen. Wenn mich JVintersorge granit, Denke ich der Haide bald, Die sich ihres Leides schamt Und errothet, griint der Wald. Der Gedanke aber an seine eigene Herrin trifft ihn mitten ins Herz an die Stelle, wo die Liebe wohnt. O wie gut bist du und rein, Meine Seele ist dir offen; O lass ab und schone mein, Die du mich ins Herz getroffenl Lieb und lieber? Nein du bist Mir da s Lieb ste, das ich kenne; Wenn ich deinen Namen nenne, Alles Leid versc/nvunden ist. Die Verzagten wahnen, auch er sei verzagt. Grund hatte er gehabt. Neider entfremdeten ihm die Dame, Lligner den Wiener Hof. An Leopold, der zuriick- geblieben war, um das Land zu venvalten, fanden sie I Q>- - 3 ein nur zu geneigtes Ohr. Ihm war der Liebling des Bruders keine persona grata. Was wiirde Walther um die Neider fragen? Gerne zvili ich Hass erleiden, Wenn m ich nur die Hernn liebt, Dass sie rnich mit Recht beneiden, Die mehi Liebesheil betriibt. Wenn ich dich nur lacheln seh’, /sl mir zvohl und ihnen weh. Mochte gern in einem Kleide Frcni und Freundin in dir schau 'n, Dass mehi Ang’ sich daran zveide, Wie an Blumen in den Aid n. Freundin ist ein siisses Wort, Fran ist aller Freuden Hort. JVeithin lass ich e s erschallen, Trittst du mir zzvei IVorte ab; Lass auch du sie dir gefallen, Wie kein Kaiser je sie gab: »Freund und Friedel « sollen dein, Du mir »Fran und Freundin « s ein. Aber so ist der Lauf der Welt. Sem Ansehen sclnvindet, die Dame zieht sich zuriick. Ach, Wolken am Himmel der Liebe waren ja recht: »Leidztoll und freudvoll, Gedankenzwll sein, Hangen und bangen In schzvebender Pein « geliort z ur Minne. Nur -<0 3 2 Q>— Eine Rede solist du lassen, Herrin, ach, bei deiner Zuchtl Sprichst du sle, ich miisst ’ sle hassen, Da sle nur der Geizige sucht: »Gerne ich ihm Gutes thdte, Wenn er nur kein Ungluck hdtte,«. Ach, wer solche Worte liebt Und das Gute doch nicht ubt, Der ist selbst vom G lučk verjlucht. Schon will Walther člen Dienst aufgeben. Aber eines versucht er noch: er fltichtet ins Reich der Vorbedeutung und beschwichtigt sein zweifelndes Ge- miith mit einem Idebesorakel. Er fragt sich, ob sie ihn liebe oder nicht, und ahnlich wie Gretchen im Faust die Blatter der Sternblume abzupft, pfliickt er einen Grashalm A G sie liebt liebt nicht liebt liebt nicht liebt A - - - -- 7 -£ b c d e f knickt denselben auf’s Gerathewohl in b ein und misst mit dem eingeknickten Stucke Ab den ubrigen Halm bG in der Weise ab, dass er messend von b bis c aus- ruft: Sie liebt! Von c bis d: Liebt nicht! Von d bis e: Sie liebt! Von e bis/: Liebt nicht! Von f bis G: Sie liebt! Und dieses Wort, das er spricht, als er mes¬ send bei dem Ende des Halmes fG angelangt ist, gilt ihm als das geheimnisvoll Giltige. Halmmessen. Ein Grashalm neuen Muth mir gab; Er sp rac h, dass ich noch Gnade jinde. Ich brach ein Stiick und niass es ab, IVie ich es sah bei manchem Kinde . - 4 > 33 *>- Ob sie mich liebt ? O hort mich an! Sie liebt! Liebt nichtl Sie liebt! Liebt nicht! Sie liebt! Und immer er die gleiche Aniwort gibi; O Trost! O Trost! Lst’s auch nur siisser Wahn! Der Dichter gewinnt neues Vertrauen; auch ist er nicht mehr so eifersiichtig, dass er gar keinen Mann in ihrer Nahe duldet. Nach dem Halmorakel kann sie ihm keiner wankend machen. Nur Eines klagt er, dass die eitlen Prahler sie zu lange schon umschwar- men. O gliickliche Zeit des Wiinschens und Wahnens! So baut sich das Kind ein Luftschloss um das andere und lebt in einer ganz eigenen idealen Welt. Mit Wtinschen behalf sich auch Walther von Kindesbeinen an und so traumt er sich noch jetzt: Mich in ihren Annen wiegend, Tcmchend Blick in Blick, Dass ich, vollig sie besiegend, Finde hochstes Gliick. Und beseligt frag’ ich ivieder: O Geliebte, thust du je Wieder mir so bit ter iv eh? Doch sie lachelt vor sich hin: Ob, wenn ich so sinnend traumc, Ich nicht reich an Wiinschen bin? Soli er aber ohne Dank geliebt haben, will er kunftig lieber scherzen und lachen: Und fragt sie nicht s nach Lust und Leide, So ist mir lieber doch die Freude, A/s ein verlodner Liebesschmerz. 3 - Damit hat der Sanger dem Fass vollends den Boden ausgeschlagen. I)ie Herrin ist herzlich bose und verbietet ihm den Gesang. In einem hofisch an- muthigen Liede sucht Walther Versohnung an. Mit humoristischer Anspielung auf die Sitte seiner Zeit, den fahrenden Sanger mit alten und neuen Kleidern zu beschenken, schmeichelt er, dass selbst der Kaiser der Herrin zuliebe Spielmann wiirde, denn sie sei zu schon und dem Gebieter der Erde nicht zu gering: Gliick und Segen seien ihrem Gewande, dem reinen Leibe, eingestickt. Doch auch die Worte: O VValther, so euch jemand krankt, Habt ihr zu sagen einst geruht, Ziirnt ihm nicht lange und bedenkt, Er schamt sich de. s und wird noch gut. IVenn euch da s IVort vom Herzen kam, So macht es wahr! Ihr aber bringt Fiir Herzenslust nur Herzensgram; Schamt euch, dass so mein Wort erklingt — ziinden nicht mehr. Der Minnedienst ist geschlossen und mit ihm die schonste Zeit Walthers in Oesterreich. Was er noch singt, und dessen ist wenig, sind nur mehr Klagen iiber verlor’ne Liebesmiihe, oder er wendet sich gegen die Ltigner und Prahler, die so offen ihr Unvvesen treiben und zum Schaden der Manner und Frauen Un- treue und Schande stiften, oder er klagt iiber den Ver- fall der Zucht bei den Frauen, deren Liebe nur mehr durch Ungezogenheit gewonnen werde, iiber den Un- dank der Welt, vvelche die Thoren bevorzuge und treuen Dienst unbelohnt lasse, und schliesst mit schmerzvoller Resignation: — <0 35 $~~ Wehe, nicht ein halber Tag Floss in reinster Lust mir hm; IVas ich einst an Freude pjlctg, Sak wie Blumen ich verbliihn, Die in hundertfarbigem Schein Rings auf ali en Wiesen stehn; Darum soli das Herze mein Nicht nach falschen Freuden sehn. So haben wir Walther kennen gelernt, wie er, ein rothwangiger Jungling, die Berge der Heimat verliess und den Hof der Babenberger betrat; sind ihm gefolgt, als er in seliger Maien- und Minnelust die Walder von Wien durchschwarmte; haben ihn jubeln und klagen gehort, da er im Dienst einer launisclien Herrin stand; aber Eines ist uns entgangen, dass sich Sommer und Herbst seitdem mehr als zehnmal die Hande gereicht haben und dass aus dem Jungling Walther ein stiller und gereifter Mann geworden ist, den wir uns am besten so denken, wie ihn die Handschrift darstellt: auf einem vSteine sitzend, das gelockte Haupt in die linke Hand gestiitzt, mit mildem Ernst im Antlitz dem Laufe des Lebens nachsinnend, wie es in seinen Licht- und Schattenseiten auf begrenzter eigener wie auf offentlicher Btihne der Welt sich darbot. 3 ’ Abschied aus Oesterreich. Einmal muss geschieden sein, Oesterreich, ade! Das reisst ins Herz, wenn die Stunde nalit, die zu scheiden gebietet von liebgewordenem, traulichem Heim. Denn mag uns die Fremde noch so miitterlicli empfangen, der Ort, wo wir als Junglinge gekusst und gekost haben, ist mit unzerreissbaren Fasern an uns gebunden und hat jenes bange Gefulil in uns erzeugt, das wir mit dem vielsagenden, echt deutschen Worte »Heimweh« bezeiclinen; es ist das sehnende Weh nacli dem Heim unserer Jugend, der ersten Liebe, Kraft und Umarmung. Und eine solche Statte war der won- nigliclie Hof zu Wien fiir unseren Sanger. Wie den Hof des sagenberiihmten Artus umgab ihn ein reicher Kranz von Frauen und Rittern, in deren Mitte Frau Minne ihren Sitz aufgeschlagen hatte: Und da gub’s der Wonnen viel: Reihentam und Ringelspiel, Becherklang und Minnesang, Schwertgeklirr und Schildeshut Und manch Abenteuer gut. Aber es kamen andere Zeiten. Friedrich der Katlio- lische war mit der Bliitlie der osterreichiscben Ritter- schaft nach dem heiligen Lande gezogen, und es scliien, -* 3 8 q>- Doch er war mir etn Beschiitzer; Und jetzt bin ich so verlassen, Arm und schutzlos wie ein Bettler, 'Dem v er sp er rt da s Thor der Salde, e Wolff } » Tanrihauser «. Leopold der Glorreiche, dessen Milde dem siissen Regen glich, der Land und Leute erquickt, war ja dem gefeierten Sanger, wie wir bereits gesehen haben, nicht gewogen. Ranlcesuchtige Schmeichler batten den Dich- ter, dem das Wort vom Iierzen auf die Zunge sprang, bei Leopold und seinem Hofkreise missliebfg gemacht, Merker und Neider das Herz seiner Dame entfremdet. Und nun war die letzte Hoffnung vernichtet, dass sein Gonner wiederkehren und ihm das tiefgebeugte Haupt aufrichten werde. Wie sie achselzuckend auf ihn nieder- sahen, der, Seti Friedrich aus der Welt geschieden, Die Seele rettend nack des Hinunels Frieden, Demiithigte den stolzen Kr a nichgang; Nun wie ein Pfau die leisen Schritte lenkend , Das Haupt herab bis an die Kniee senkend — — Und dennoch stellte Waltlier an den glorreichen Fiirsten noch einmal die Bitte, dass er auch ihm die milde Hand erscliliesse, die so vi el der Spenden gab, als der griinende Anger an Blumen und Blat tern bietet. An Herzog Leopold. Mir ist versperrt des G lite kes Thor, Verivaist und arm steh’ ich davor Und muss vergeblich klopfen; — 39 Q >- Um- mich ein zvunderbarer Se gen, Und doch von ali dem gold’nen Regen Trifft mich kein eimiger Tropfen. . Mild bist du, Fiirst atis Oesterreich, Dem siissen Sirom des Regens gleich Erquickst du Leute und das Land; Du bist wie cine schone Haide, Auf der man Blumen bricht und Bliithen: O mochte doch ein Blati nur bieten Mir deine wundermilde JFIand, Laut priese ich die Augenwei.de . Daran, o Fiirst, sei du gemahnt! Doch Walthers Bitte war in den Wincl gesprochen. Frau Salde hatte ihm die Pforte verriegelt, und eine Waise mitten unter Gliicklichen, sah er sich gezwun- gen, jene Stadt zn verlassen, wo er einst, ein blond- gelockter Jiingling, der Minne Maienlust im Herzen tragend, ein so trauliches Asyl gefunden hatte, um nun, im Leben und Dichten gereift, als ein obdachloser Fahrender auf miidem Rosse, die Geige auf dem Riicken, hinaus zu reiten in fremdiu lant, heute im palas sin- gend vor errothender Burgfrau, morgen im Dorfe unter schattender Linde. Der Gedanke an Scheiden und Meiden machte auch ihm das Herz bange, und noch einmal trat das Bild der Herrin vor seine Seele, Die ich nimmer und nimmer ijergessen kann, Denn sie nahm ali mein Sinnen und Denken; Und zoelcher, dem Vogelein gleichend im Tann, Ich s tet s neue Lieder zvili schenken. So nimm denn dies Eme, bevor ich g eh': Es lachelt das Auge, das du hast bezwungen, Es lauschet das Ohr, so du wirst besungen, D'rum Heil dir, o Heil, doch weh mir, o zve h! -<£> 40 Q>-- Mit bitterem Sarkasmus aber nimmt er von jenen Abschied, die ihm sein Leben und Lieben verleidet haben. Ihnen weiht er sein Testament. Nun zvili ich theilen, eh' ich zieh’, Mein fahrend Gut und fe st e s Land ’ Dass niemcind streite, ausser die, So ich als Erben hab’ erkannt. Mein Ungliick zvili ich jenen lassen, Die geme neiden, g er ne hassen, Dahu mein angebor’nes Leid; Den Kunimer soli der Liigner erben; Der Liebe ungestiimes Werben Sei t rezilo s Liebenden gezveiht; Euch Frauen aber zvili ich schenken Der Liebe schmerzliches Gedenkenl Endlicb ist der Tag des Abschiedes gekommen. Mit wahrhaft kindlichem Vertrauen wendet sich Wal- ther im Hinblick auf die weite unbestimmte Reise an Gott nnd bittet ihn um seinen Ausfahrtssegen. Gib mir, o Gott, auf meinen Wegen, Wohin ich fahre, deinen Segen, Dass mich kein Ungemach beschzvere ; Und der du ohne Massen gut, O nimm mich auf in deine Hut, Herr fesu Christ, um deiner Mutter Ehre 1 - -(o 41 q)> - Wie ihrer Gottes Engel pfiag Und dein, dcr in der Krippe lag, So jang als Mensch und alt als Gott, Demiithig vor de??i Esel und dem Rinde; Obschon mit Treue euch und Sorgcn Joseph der Gute hielt geborgen Vor Lebens Ungemach und JVoth: So gib auch mir den Schutzgeist, dass ich finde D en Pfad nach gottlichem Gebotl Und nun frisch in die IVelt hinein , Einmal muss geschieden s cin, Oesterreich, ade! Nach dem deutschen Rhein. O deutscher Rhein! Bei deinem Klang Befliigelt sich das Herz Und hebt sich mit der Lerche Sang Begeistert himmelwarts. Und so tief unten deine Fluth Mir ruft mit hellem Braus, Lasst es sich niedervvarts und ruht Susstraumend bei dir aus. O deutscher Rhein! Bei deinem Klang Wie unsre Augen gliihn! An deiner besonnten Berge Hang Die besten Reben bluhn. Und wer da trinkt von ihrem Saft, Zu Fiissen deine Fluth, Dem gibt das Alter neue Kraft Und die Jugend frischeren Muth. O deutscher Rhein! Bei deinem Klang Ward manche Dichterbrust, Die nur von Mai und Minne sang, Sich hohern Ziels bewusst. Und aus der Fiedel ward ein Schwert Und aus dem Lied ein Schlag, Der manchen Feind schon abgewehrt, Der trotzig vor uns lag. -- O deutscher Rhein! Bei deinem Klang Erschloss sich auch ein Herz, Das nur vom eig’nen Schmerze sang, Des Vaterlandes Schmerz; Aus traumerischer Minne hob Es muthig sich empor, Und Deutschlands Ehr’ und Deutschlands Lob Erklang in jedem Ohr. Ja, deutscher Rhein, bei deinem Klang Ergltihte kampfbereit Fiir Konig Philipp der Gesang Des von der Vogehveid’; Frau Minne, die ihn einst bethort — Zerrissen ist ihr Band; Und Walthers Liedermund gehort Dem deutschen Vaterland! Und so wurde es. Was unsern Sanger aus vielen seiner Genossen heraushebt und ihm dauernden Ruhm bei Mit- und Nachwelt eingetragen hat, das sind nicht seine Lieder, in welchen er gleich andern mit dem erwachenden Friihling jubelt und dem fallenden Herbst- laub klagt oder in spitzfindiger Weise liber das Wesen der Minne disputiert, es sind seine Lieder und Spriiche, in vvelchen er sich von eintonigem und begrenztem Liebesthema ab- und den grossen, weltbewegenden Fragen seiner Zeit zirvvendet; es sind die Spriiche, in denen der vom Po bis zur Trave und der Seine bis zur Mur herumgevvorfene und vielgewanderte Sanger alles das niederlegt, was er mit scharfem Auge beob- achtet hat; es sind vor allem die Spriiche des patrio- tischen Dichters, der sein Vaterland iiber alles liebt und fiir dessen Ehre und Unabhangigkeit einsteht --

— Wie man drei Dinge wiirbe, Dass keines nicht verdiirbe. Ich meine Ehre und Gewinn, Die sich befehden mit hartem Simi , Dann Gottes G nad e, im Vergleich Zu ihnen IVerthes iiberreich. Die wollt’ ich ge m in einen Schrein. Vergeblich, a eh! Es kann nicht sein, Dass je Geivinn und Gotteshuld Und weltlich Ehre ohne Schuld Im Herzen sich verbinden. Kein Pfad ist zu ergriinden, Der dahin fiihrt. Im Hinterhalt Untreue lauert und Geuualt Vernu und'et Recht und Frieden. Und kranken die hienieden, Stehn Ehre, Gut und Gottessegen Des Schutzes bar auf allen Wegen. Vor Walther lag eine sturmvolle Zeit. Sie brauclite člen Sanger mit eiserner Fieclel und stalilerner Brust. Klage an Klage entstromt ihm, da er zum Rheinstrom fahrt. Wohin er das Auge wendet, sielit er nur trost- losen Zustand der Welt. Die Ehre ist von ihr genommen Und keine Freude will uns kommen, Der man so herrlich einstens pjiag. VVird milden Herzen so vergolten? Man stellt voran die reichen Kar gen; 0 Welt, wie sehr liegst du im Ar gen, Dass ich es nimmer schildern mag! Wahrheit und Treue sind gescholten, Die Ehre irifft der Todesschlag. — 46 Zucht und Ehre aber giengen Walthern liber alles. Um Eines, das da lieisset Ehre, liess ich viel Dinge unterwegen, war seine Devise. Wehe dem, der nur nach slindhaftem Gute strebt. Ein weiser Mann gabe um Gottes Huld und Mannes Ehre Leben, Weib und Kinder hin, und derjenige, dessen Herz so sehr am Golde hange, dass er jene beiden ausseracht lasse, habe Gottes Lohn sclion auf Erden voraus genommen. Nicht als ob das Gold zu verachten ware! Wie in Be- zug auf Minne. miisse man aucli hier Frau Masse zu Ratlie ziehen, denn, ruft er der Jugend zu: Zu sehr arm und zu sehr reich Schaden beide dir zugleich . Doch der lebenskluge Sanger redet in den Wind. Die Jungen sind oline Zucht und Sitte, und wenn Walther in dem reizenden Kinderspruche: Niemand kann mit Streichen ICindeszucht erreichen . IVer zu Ehren kommen mag, Dem gilt Wort soviel als Schlag. »Dem gilt Wort soviel als Schlag, Der zu Ehren kommen mag. ICindeszucht erreichen Niemand kann mit Streichen —« Schrott. gegen die Priigelstrafe zu Felde zieht, so hat er doch einen viel zu tiefen Blick in die Seele des Kindes gethan, um nicht zu wissen, wie ein krummes Zweig- lein gebogen werden miisse, daher denn so mancher Vater --Ap 47 $■— Salomons Lehre vom Besen beherzigen und der Ruthe nicht allzu gram sein moge: Vom Vat er wird das Kind erzogen, Dass Kind und Vater sind betrogen. O hort den uueisen Salomon ; Ein Vater , der die Ruthe spart, Erzieht das Kind zu bos er Art, Zu nichts taugt ein verzog’ner Sohn. Wie war die Welt einst wohlgethan! Nun aber hohnt und spot tet man: Die guten Zeiten sind verbliiht, Die Alten werden weggezwungen. Ja, spottet, spottet nur der Greise! Euch wird , s ergehn in gleicher IVeise, Sobald die Jugend euch entflieht. Dann spotten euch die eigpnen Jungen — Und mehr noch weiss ich, was geschieht. Darf es uns wunder nehmen, wenn unter solchen Umstanden die Zuchtlosigkeit der Jugend von Tag zu Tage wuchs ? Die jungen Ritter haben den Saal der Ehre verlassen, und statt holischer ^Sitte zu pflegen, fiihren sie schamlose Zungen und verliohnen die Frauen. Vergebens wendet sich Walther an Gott, die Zahl der Zuchtlosen zu vermindern, welche masslosem Ueber* muthe frohnen und nicht bedenken, dass wir alle nur Kinder eines Vaters sind, vor dem jede Schranke ein- bricht, die confessionelle und sociale Beschranktheit gezogen haben. -<(p 48 cj - Allvater. Wer dežne zehn Gebote sagi Und dennoch sie zu brechen wagt, Hat zvahre Liebe nicht empfunden. So mancher » Vat er unser « spricht Und kennt in mir den Bruder nicht; O starkes Wort, wie schwach hiši du empfzindenl Aus gleichem Stojf sind wir entsprossen Und gleiche Frucht ist‘s, die genossen Uns allen Lebenskraft gezvahrt. Wer kann den Herrn vom Knechte scheiden, Sieht er ihr bleichendes Gebein, Und mochten sie ihnz Freunde sem, Wann VVilrmer schon ihr Fleisch verzehrt? Dem dienen yziden, Christen-, Heiden, Der alles immderbar .erndhrt. So predigt ein Dichter des Mittelalters, ein Vor- laufer der Humanitats- und Toleranzideen des 18. Jalir- hunderts, und das Bild, das er von dem sittlichen Zustande seines Volkes entvvirft, findet in den Berichten der zeitgenossischen Chronisten nur zu traurige Bestati- gung; denn seit Heinrich VI. zu Messina »In der Bliithe seiner yahre, Auf der Hohe seiner Weltmacht Hingerafft zv ar d von dem Starkern, Der allein ihn zzmngen konnte, JVer von den Lebend’gen hatte Kraft genug, des Reiches Ziigel, Die dem Mdchtigsien von allen, Die sie je gefiihrt, entsunken, yetzo in die Hand zu nehmen P« Wolff ) » Tcinnhauser «. -<(o 49 q)>- Gegeniiber diesen Zustanden weiss Walther nur e i n Mittel der Rettung: es ist »ein starkes Redit auf starkem Throne«. Deslialb richtet er seinen Aufruf an das deutsche Volk und bittet dasselbe, alle jene Schwachlinge, die um die Krone werben, zuriick zu weisen und nur einen — Philipp von Schwaben — zum Konig zu wahlen. Ein vortrefflicher Lelirmeister, fiihrt er ihm in einem sinnlich anschaulichen Bilde die belebte Natur vor, in der im Grossen wie im Kleinen der Kampf um das Dasein lierrscht, der sich jedoch innerhalb der Schranken eines weisen Gesetzes bewegt, namlich des Gesetzes der Erhaltung, naeli weleliem aus der ster- benden Pflanze des Herbstes im Friihling neue Blatter und Bliithen sich erzeugen und welches das vernunftlose Thier instinctmassig zwingt, einen geregelten Haushalt zu bilden. Aufruf. Sass jiingst ari des Stromes IVogen, Fischlein auf und nieder žoge n, Ringsurn IViese, Wald und Au, Ueber mir das tiefste Blau. Und 7 vas fliegt in hohen Liiften, Und i vas kriecht aus dunklen Gruflen, Und was schwimmen muss und gehn, Sah ich, und ich muss gestehn: Alle lieben Kampfessturm, Fisch und Vogel, Wild und Wurm. Doch in Einem sind sie alle GleicJien Sinnes: vor dem Falle Schirme nur ein starkes Recht Und ein Konig sei und Kneditl 4 50 o>- Armes Deutschlandl Schon beschamen Dich die Mucken, denn sie nehmen Einen Kdnig sich zum Herrn ; Und die Zeit ist nimmer feni: Delne Ehre wird zertriimmert; Ei } wie stolz der Goldreif flimmert Anf dem Haupt der kleinen Fiirsten, Die ncich hochster Krone diirsten! Welch ein Drangen und ein JVerben! Deutschland , steure dem Verderben Und nur Einem, Friedrichs Soline, Gib d en Waisen in der Krone I Wie jauchzte endlich Walther auf, als die Stadt vor seinen Augen lag, welche sclion einmal in leuch- tenden Farben vor seine jugendliclie Pliantasie getreten war. Mit ihm wogten Tausende nach Mainz, um Zeu- gen jenes Tages zu sein, an dem der Waise, d. i. der verwaiste, kostbareinzige Edelstein der koniglichen Krone, den Sclieitel Philipps zieren solite. So war Walthers Aufruf nicht in den- Wind gesprochen. Zwar emplieng aucli Otto in Aaclien feierlich die Konigs- krone, aber die echte und redite Krone kam doch auf Philipps Plaupt. Wie gut sie ihm sass, als ware sie eigens flir ihn gesdimiedet worden! Horen wir den hochsdiwebenden Jubel auf Philipps Kronung. O IVunder, sekt, wie jene alte Krone, Die Kaiser Karl trug auf goldhem Throne, Der Goldschmied schuf. Welch kdnigliche Zierde! Dem Haupte Philipps schmieget sie sich an, D as s nur Verrath die beiden trennen kanu, Eins gibi dem andern erst die volle Wiirde. —•<*> 5 1 Sie leuchten si c h einander an, Die Edelsteiiie und der junge Mann, D en Fiirsten mass das Augeniveide sein! IVer suchend no c h na c h einem Ko ni g irrt, Seli, wie der JVaise seinen Schcitel ziert: Ein Leitstern sei den Fiirsten dieser Steinl Gewiss ein reizendes Bild, welches der Dichter von seinem Konige entwirft. Auf der einen Seite selien wir Otto den Welfen, einen jungen Recken von riesiger Gestalt, aufgewachsen in den blutigen Feliden eines Landes, wo ein Bertran de Born die Saiten schlug, der '»mit Schivert und Liedern Aufruhr trug von Ort zu Ort«; auf der andern Philipp, ein echtes Staufenkind, blond- gelockt, mit sanftem Antlitz, massvoll gewachsen, zart, nicht schwachlich. Wer den frommen Jtingling sah, wie er im Dom unter armen Chorknaben sass und die Hande faltend davidische Psalmen sang, dem brauchte man nicht zu sagen, wie mild dieser Konig dachte und wie leutselig er unter den Menschen gieng; und da er ausserdem ein Land seine Iieimat nannte, »wo einst so hell vom Staufen die Ritterharfe klang«, liebte er auch Saite und Gesang und nahm Waltlier in solchen Ehren auf, dass der Sanger in jauchzende Tone des Dankes ausbricht. Einst trat er auf, das Plaupt bis an die Kniee senkend, - 5 2 — Nun Jiafs erhoht mein neugewordner Rang, Auf Philipps 1-Ierd das Feuer fiir mich brennt, Des Reiche s Krone ikren Freund mich nennt. Zum Tanze auf, ich will euch etwas geigenl Die Noth versclmand, bequem und ruhig kanti Ich wieder wandeln als ein fr oh er Mann Und meine Lust wird hoch und hoher steigen. Bei Konig 'Philipp verweilte Walther vom Herbst 1198 bis Weilinacht 1199, mit ihm das bewegte Leben tlieilend, das der Konig bei seinen Kriegsfalirten gegen Otto flihrte. So finden wir ihn auch bei jenem glanz- vollen Hoftage zu Magdeburg, mit dem der Konig am heiligen Christfest den siegreicben Feldzug des Jahres 1199 schloss. Gemessenen Schrittes, wie es dem Konig geziemt, zog JPhilipp in den Dom. Ihm voran, das Reichsschwert tragend, Bernhard von Sachsen; ilinen nacli die hochgeborne Konigin Irene, die Tochter des griechischen Kaisers Isaak, der man in Deutschland ob ihres zarten, jungfraulichen Wesens den ehrenden Namen der Mutter Gottes beigelegt hatte; sodann folgten Jutta, die Herzogin von Sachsen, ferner die Aebtissin von Quedlinburg und viele andere hohe Frauen; Bischofe, Fiirsten, Grafen und Herren aus Thuringen und Sachsen schlossen den Zug. In einem reizenden Gemalde, das einem altchristlichen Mosaik- gemalde auf Goldgrunde gleicht, fiilirt ihn Walther im Magdeburger Weibnachtsfest vor: An jenem Tag, als Christus to ar d geboren Von einer Maid, die er zur Mutter suh erkoren, Gieng Konig Philipp in des Domes Hallen - 53 Q >" Zu Magdeburg mit Scepter und mit Kron’, Drei Wiirden einend\ eines Kaisers So/m Und Bruder und ein Konig selbst vor allen . Wie koniglich gemessen war sein Schrittl £s zog die edle Konigin auch mit, Maria, eine Taube ohne Galle Und Rose ohne Domen. Welche Z,ierl Die Thiiringer und Sachsen dienten hier, Wie jubelten die iveisen Manner allel Zn Magdeburg nahm Walther von Konig Philipp Abschied; es rief ihn zu Leopolds Schwertleitfest nach Wien. Leopolds Schwertleite. Es wirbeln clie Lerchen und lustig dampft In rauchenden Nebeln das Feld, Und das Rosslein schon wiehernd die Erde stampft, O hinaus, hinaus in dieWelt! Wo ist meine Fiedel? O gebt sie gesclrvvind Und fraget niclit lange: wohin ? Es zieht mich mit Welle und Wolke und Wind Nach dem wonnigen Hofe in Wien. Und hab’ ich dir auch, da ich finster und bieich Llinvvegritt, im Flerzen gegrollt, Ich liebe dich dennoch, mein Oesterreich, Und den ruhmvollen Leopold. Sie umgtirten ihn jetzt mit dem heiligen Schwert, Es geht ein Jubel durchs Land — O, der so viel Bluinen und Bliithen gewahrt, Hat ein Blattchen fiir mich auch zur Hand! Es war an einem Pfingsttage des Jalires 1200, als Leopold der Glorreiche mit dem Ritterschwert umgiirtet wurde und Wien abermals Zeuge einer jener rauschenden Festlichkeiten war, welche zu allen Zeiten —- die lustige Stadt an der Donau v.erherrlicliet haben und noch verherrlichen. Mochte nun auch unseren Sanger, der durch volle zwei Jahre im deutsclien Lande war und dasselbe nach allen Richtungen durch- kreuzt hatte, ein gewisses Heimweh nach seinem Wien befallen, wie es den Wandervogel immer und immer wieder nach dem Neste zieht, so trug nicht minder die berechtigte Hoffnung, dass an solchen Tagen, welche Fiirsten durch reiche Gaben zu verherrlichen pflegen, auch ihm aus dem Ftillhorn der Gnade zutheil werde, nicht wenig dazu bei, dass Walther den Hof des staufischen Konigs verliess und noch in kalter Winter- zeit nach Oesterreich aufbrach. Zwar eilte er nicht directe hin , sondern einem sclion lang gehegten Wunsche Folge gebend, lenkte er sein Rosslein seit- warts nach dem Thiiringerland und ritt am Horsel- berge, in dessen Sclioss die Konigin der Minne, Frau Venus, ihren Thronstuhl hatte, vorliber, der ge- priesenen Wartburg zu; wusste er doch, dass sich hier jedem fahrenden Sanger durch die Milde des Land- grafen ein trauliches Heim erschloss. Doch dass das Drangen und Treiben der fahren¬ den Sanger, die da wie zu einem Wirthshaus an breiter Heeresstrasse kamen und giengen, ein solches war, dass einem geradezu Horen und Sehen vergieng und in der tollen Menge selbst ein Vogehveide nicht ge- hort werden konnte, das liess sich Walther allerdings nicht traumen, und so verliess er alsbald die Wart- burg, zwar nicht mit dem Vorsatze, nimmer zu kehren, aber mit dem Wunsche, dass es stiller geworden sei, wenn er wieder komme, ohne zugleich des Land- grafen in einem Spruche zu vergessen, den er der —- — Wartburg weihte. Ist krank dein Ohr, so folge metnem Rath Und wahle nicht zur VVartburg deinen Pfad, Es sed dumi, Freund, dich reizen taube Ohren. Anch ich kam hin und hab* es weit gebracht: Der Sdnger Sdiaaren flutken Pag und Nac/it, Und hort man dich, bist du zum Gliick geboren. Landgraf ich preise deine Ari ! Mit Hab ’ und Gut hast du noch nie gespart Und stolze Recken nennst du deine Zecher . JVem ist nicht deine hohe Sitte kund? Und kaufte man den IVein um tausend Pfund, Vor keinem Ritter stiinde leer der Becker! In bliihender Maienzeit betrat Walther aberraals den osterreicliischen Boden. Mit ihm zogen Hunderte von Menschen zu Wasser und zu .Land dem Wiener Iiofe zu, in freudiger Ei*wartung dessen, was da kom- men solite. Auch Walther gab sich mit ganzer Seele dieser zuversiclitlichen Festlust hin und begriisste, wenn auch mit pochendem Herzen, den ihm wohlbekannten alt en Kreis. Doch nicht mit leeren Handen war er gekommen, er brachte vielmehr eines seiner schonsten Lieder als poetische Festgabe mit, welches nicht nur auf den Lippen aller seiner Zeitgenossen lebte, sondern auch in unseren Tagen als ein Kleinod vaterlandischer Dichtung gepriesen wird, in der That wtirdig genug, um iiberall, wo von der Elbe bis zum Rhein und zurlick bis zu dem Ungarland und dariiber hinaus deutsche Herzen schlagen, gesagt und gesungen zu werden. ■■<0 57 o > Deutschlands Lob. Sagen solit ihr: Sel vuillkotnmenl Nenes bringt mein Sang. Was ihr einst durch mich vernommen, War nur eitel Klang. Doch wer singt, will audi Geschenke! Dem, der guten Lohn nicht scheut, Slug’ ich, was sein Herz erfreut: Sehet, wie man mich bedenkel Euch vor allen, deutsche Frauen, Will ich eine Kunde sagen, Dass ihr allen Erdengauen Um so besser solit behagen. Und zum Lohn ? Ich bin bescheiden; Wer bin ich und wer seid ihr ? Wetin ich griisse, danket mir, Und das macht mir tausend Freuden. Reich an Ldndern ist die Erde, Deren beste ich geschaut; Doch vor ihnen ist das werthe Vaterland mir lieb und traut. Selit auf mich mit tiefsteni Holme, Kiindet je de s Athems Hauch, Dass ich liebe fremden Brauch: Deutscher Zucht gebiirt die Krone! Von der Elbe bis zum Rhein Und zuriick zum Ungarland Mogen wohl die Besten sein, Die ich auf der Erde fand. Weiss ich Bildung zu verstehn Und was Schbnheit ist, fiinvahr : Nirge,nds hab’ ich eine Schaar Schon ’rer Emu’n als hi er gesehn. ~ Ziichtig ist der deutsche Mann, Deutsche Fran’n wie Engel rein, Und iver anders sprechen kann, Der muss wohl von Sinnen sein. Heilige Minne, hohes Streben Und tief innerstes Gemiith Nur auf deutscher Er de bliiht : Mochi’ ich lange auf ihr lebenl Das Lied hat geziindet. Man empfieng den einstigen Liebling mit wohlthuender Warme und auch der Herzog Hess ihn in seiner festlich gehobenen Stimmung nichts von einstens entgelten; er entfaltete vielmehr allen Gasten und auch VValthern gegeniiber eine solche Milde, dass der Dichter in jubelnde Tone liber Leopolds Schwertleite ausbricht. Ob jemand sprechen kann , er habe Noch mehr und herrlichere Gabe A/s bei dem IViener Schivertleitfest empfangen? Man sah den jungen Fiirsten geben, A Is ivollte er nicht langer leben; Mit Geld und Gut, wie komite jeder prangen! Alan schenkte nicht bei dreissig Pfunden; A/s hatte man es nur gefunden, So gab man Silber und Geivand. Auch hiess der Fiirst in seiner Ueberhu/d Fiir fahrende Sanger Sta// und Sarke Zeeren; Ich sage euch, a/s ob es Lctmrner ivaren, So fiihrte man die Rosse aus dem Land. Und niemand zah/te eine alte Schuld — Das zvar ein Simi, den ich nur ruhnilich fand. Schon mochte Walther hoffen, dass der milde Her¬ zog ihm einen Wunsch erfiille, der sich, als das Fest verrauscht und das fahrende Volk zerstoben war, aufs neue seiner bemachtigt hatte: es ist derWunsch dauern- der Aufnabme am Wiener Flof. O, ruft Walther aus, Drei Sorgen sind es, die mich grdmen. O mochte man mir eine nehmen, Wie stiind' es gut mit meinen Dingen! Und dennoch zvili ich, dass sich keine Loslose v on dem Dreivereine: Es muss mit allen mir gelingen! Ich sorge um der Herrin Minne , Dami, dass ich Gottes Huld gezvinne Und, der mich gemieden so manchen Tag, Den zvonniglichen Hof zu Wien. Nach ihm mer zvendet sich mein Simi, Da er bestandiger Tugend pjlag. Es Jlog von Leopolds Hand nur hin, IVie Bliithen iiber den Maienhag. Das treue Herz! So liatte er die Herrin noch immer nicht vergessen, da er ihren Besitz unter die drei sorgenden Wiinsche zabite. Aber die Liebe der Dame solite ikn ebensowenig beglucken, als der won- nigliche Flof zu Wien. Natiirlich, sie war ja von jiln- geren Fanten umschvvarmt und wusste, wenn sie auch schon in jenen Jahren stand, wo das Weib auf der bedenldichen Hohe ihrer Blttthe angelangt ist, Kunst und Natur noch immer in so reizender Weise zu ver- einen, dass sie auch jiingere Herzen, als das eines ernsten, raisonnirenden vierzigjahrigen Mannes in Auf- -- wallung brachte. Auch der Wunsch, den Wiener Hof dauernd zu verdienen, erfullte sich nicht. Walther hatte in seinen sanguinischen Hoffnungen der alten Wider- sacher und Neider vergessen, die an das Spiel der Intrigue zu sehr gewohnt waren, als dass sie es auch jetzt gegen den ruhmvollen Dicliter hatten lassen konnen. So verliess Walther mit bekummertem Herzen den Wiener Iiof, um ihn mit der Warfburg zu ver- tauschen; zugleich aber sagte sich der vierzigjahrige Mann von der falschen Liebe los und gab den undank- baren Dienst eines Minnevasallen auf. Frau Minne. Minne, die kat einen Brauch, Wenn sie den vermeiden molite, Stiinde besser ihr fiirzvahr; Damit krdnkt sie maneken auch, Den sie niemals kranken solite : Ihr sind vierundzmanzig J a kr' Lieber, denn ihr vierzig sind; Und ivie mitleidsvoll sie thut, Sieht sie irgendmo erblUhn Ein verfriihtes graues Haar. Minne ivar mir einst so gut, Dass sie jede Heimlichkeit Mir vertraute; aber jetzt — Wenn ein junges frisches Blat Sie umbuhlt, wie von der Seit’ Sie mich ansieht, mas verletzt! Armes Weib, zv as mulit sie sich? IVeiss Gott, zvenn sie sich auch schminkt Und Thoren triigt, so ist sie doc h Vieles alt er noch als ich . - (p 6l a>>- Mirine pflegt nun solchen Ton, Dass sie nur mit 7'horen geht, ITiipfend wie ein kleines Kind; Ihr Verstand ist ivie entjiohn. Woran denkt die Ndrrin ? Selit, Sie ist denn doch gar zu blindl Lasse sie ihr Rauschen sein, Sei sie ein verstdndig Weib! TVenn so springend sie sich sto s si, Flosst sie mir Erbarmen ein . Minne, ne)im* sie’s frenndlich hin, Wenn ich, mdhrend sie so ringi, Ruhig sitze in dem Gras; Ich hab ' also hohen Simi, Dass es in mir jauchzt und springt. Weh, sie will noch mehr a Is da s? F,i, ich diene, wie ich mag; Mag sie sorgen, wie man ihr In der Woche dient! Von mir Hat sie nur d en sie b ten Tag. Auf der Wartburg. Wartburg sei gegriisst! O schwenket Eure Iitite hoch empor, Ehe ihr die Schritte lenket Nach der Veste dunklem Thor, Die umweht ein sanft Erinnern An die siissromantische Zeit, Da es klang aus tiefstem Innern Von der Liebe Lust und Leid. Wieder auf verschlung’nen Pfaden Sprengt der RittersangercliOr Hochgemuth und leichtbeladen Nach der Felsenburg empor. Hei, wie die Trompeten klingen: Wolfram kommt von Eschenbach, Reinmar, der von Ofterdingen, Biterolf und Klinsor nach. Und im sclionsten Sonntagskleide Prangt der Himmel, denn es zieht Walther von der Vogehveide Als der Bannertrager mit; Und er Hess die stolzen Weisen Tonen durch des Abends Gold: Mag auch Ofterdingen preisen Den von Oestreich Leopold — D o eh du bist mir, was die Sonne, Wartburg, vor den Sternen ist, Und ich rufe voller Wonne: Edler Landgraf sei gegriisst! Walther sang es, und es rauschten Seine Saiten hell und voli, Dass begeistert alle lauschten Und ihr Herz in Freude schwoll. Doch der edle Landgraf nickte Lachelnd zu dem holden Lied Und sein mildes Auge blickte Auf den Sanger lustergluht. Ei, wer bat dich Vielgereister, Spvacli er, solcbe Kunst gelehrt? Sei willkommen denn, o Meister Des Gesangs, an meinem Herd! Und es bot der Ftirst dem Sanger vSeine gnadenreiclie Hand, Dass der Fahrende nicht langer Wie ein Bettler zieh’ durchs Land. Und Herr Walther nahm. die Rechte : Hei, das war die beste Fahrt! Deine Freundschaft ist die eclite, Landgraf, du bist edler Art. Die Stadt Eisenacb mit dem mehr und mehr sicli emporhebenden grtinenden Gelande im Hintergrunde, steigt man allmahlicli auf ziemlich steilem Pfade zu j enem Berg hinan, bei dessen Anblick Ludwig der Springer einst begeistert ausgerufen haben soli: »Wart Berg, du solist mir eine Burg werden,« und alsbald wurde zu jenem Baue Hand angelegt, zu dem —<0 ^4 Thttringen und mit ihm ganz Deutschland noch jetzt mit Stolz und Freude emporblicken, von dem Fr. Wolff in seinem »Tannhauser« riihmend singt: »Ein VValdeskleinod im Thiiringerland, Blinkt 7me ein Helm, von Eichen umlaubt, Mit zinnengekrontem Mauerbctnd Die VVartburg von dcs Berges Haupt, Palas und ThUrme, felsengetragen, D er steile IVald und das dunkle Thor, Die Giebel und die Soller ragen Ueber dem griinen Laube empor. Weit sichtbar von erhohtem Stand Bunke It’s wie lichter Schildesrand, Wenn abends in der Fenster Reihn Goldroth sich spiegelt der Sonne Schein.« Diese Burg war es nun, die in demselben Lande, wo 600 Jahre spater unter fiirstlicher Aegide zwei Dioskuren den Kranz der Unsterblichkeit errungen hatten, als eine Pflegestatte hofischen Gesanges weit- liin gepriesen wurde und in welclier Landgraf Herr- mann von Thiiringen ein gleich milder Gonner ftir Walther und Wolfram vvar, wie spater Karl August ftir Gothe und Schiller. Obwohl » gefiirchtet im deutschen Reich Als unabhdngig und stark zugleich«, war doch Landgraf Herrmann ein Freund der Sanger, » der fiir und fiir Ihnen geojfnet hielt Thor und Thiir, Freigebig verschwendend iiber die Massen, Dass seiner Huld sie nimmer vergassen «. - (o 65 0/- Auf derWartburg \var es, wo Heiririch von Veldeke seine Aneide sang und das erste Reis in unsre deutschen Liederzungen impfte, D’ran s Blumen sprossen reihemveis ; hier hatte Iierbort von Fritzlar aus dem Born grie- chischer Heldensage getrunken und das Lied von Troja gedichtet, hier ein Albrecht von Halberstadt sich fiir O vid begeistert und dessen Verwandlungen in deutsche Rede umgegossen, und ausser ihnen sang und ki ang es :*Noch von viden aus deutschen Landen , G ar kock versippt mit altem Geschlechi, Die sich auf Strophenbau verstanden , > Wie auf Turnier und Fehderecht;« denn »Es re gnete Spendcn und gute Tage, Bald klang die Harfe, bald krachte der Speer, Es drangten sich Eeste und hohe Gelage, Und niemals avurden die Becher leer .« Auf der Wartburg finden wir nun Walther vom Beginne des neuen Jahrhunderts fast liber ein Decen- nium wie an heimischer Statte, und sie entlockte ihm niclit nur Spriiche ernsten politischen Inhaltes, sondern aucli Frau Minne schmeichelte sich wieder an ihn heran und schlug die Saiten. Zunachst verdanken vdr dem Wartburger Aufenthalte Waltliers »Tagelied«. In diesem finden wir ein schones Zeugnis von dem an- regenden Einflusse, \velchen der tiefsinnige Dichter des »Parzival« auf seinen Sangesgenossen genommen hatte. Ist doch Wolfram der Meister jener eigenthiim- 5 -- IVas helfen mir mm Blumen roth, Sit' simi mir, da ich scheiden muss, Was Schnee und Eis dcn Voglein ist. »Du thatest nie so wohl, o Gott! O liebster Mann, noch einen Kus s, Eli du mir fern auf lange bist /« Nun ist es Zeit . D er Wdchter griisst: IVaclit auf! Wacht auf! So lebe ivolil! Ob deiner Elir ’ muss ich von hier. »0 wiisstest du, wie schwer mir ist, Dass ich von dir nun las sen soli; Geliebter Mann, Gott sei mit dir!« Der Ritter trauernd von ilir schied, Sie aber soh ihm vueinend nach; Da rief er noch: Ich denke dein. » O tu eh,« sprach sie, »dir, Tagelied! So oft du tonst, so findest , ach! Du mich in Thranen und allein!« Obwohl schon manch Silberfaden das Haar des Dichters durchrankt, so stimmt er doch im Dienste einer neuen Herrin Liebesweisen an: Fin neuer Sommer, eine neue Z.eit, Ein siisses Hojfen, ein lieber Wahn Gefallen mir im JVechselstreit, Weil ich noch Liebes hojfen kann. Mehr als der Voglein Friihlingslied Gefallt mir Eines, das ich voeiss: Dass, wer fiir Frauenschonheit gliilit, Audi erntet ihrer Liebe Preis. - 68 q)- Die Anmuth IVeibes Schonheit schmiickt Mehi' als das Gold der Edelstein, Und so noch Tugend sie begliickt, O sagt, 7 vas kcinn wohl Schortres sem ? Und dn, geliebte Herrin, bist Anmuthig, schbn und tugendhaft ; Ein Kranz von Blumcn dir erspriessl, Der vollen Werth dem Manne schafft. Ja, 7ver die siisse Liebesbiirde Um soleh ein Weib versteht zu tragen, Gewinnt des Mannes echte Wiirde Und katin 7 )on Herzensfreude sagen. I)a mir Frauenliebe das Ilerz erfreut, so suclit Walther dieselbe bei seiner Herrin zu finden. So oft er die Augen nacli ihr aussendet, koramen sie mit freudenvoller Botscliaft zurtick. Aber es sind nicht die leiblichen Augen, sondern Die Augen des Herzens, mit \velchen er sie erblickt. Heil ihm, wenn auch sie ihn mit geistigem Auge ersieht! Sommer und Winter, beide sind Des Mannes Trost, der Trost begehrt. In Freude ist nur der ein Kind, Dem Liebe nie ein IVeib geivahrt. Mannesmund die Frauen preist, Doch die herrlichsten zumeist. "

-- Z)« Liebe Mannesuuerth verleiht, Ersehnt sich Liebe nur mehi Herz Von ihr; die ich zu jeder Zeit Als Bes te riihmte allerzvarts ; So oft sie sak des Herzens Blick, Kam frohe Kunde mir zuriick. Es ist doch zvundersam, ich sah Sie tange nicht, wie es geschieht, Sind ihr des Herzens Augen nah, Dass man sie ohne Augen sieht. JVie kanu das Wunder wohl geschehn, Sie ohne Augen stets zu sehn? Ihr fragt, zver sind die Augen dein, Dass du sie schaust durch alles Land? Das sind die Gedanken des Herzens mein, Die durch Mauer brechen und durch VVand. O Merker, zvahrt sie noch so gut, Ich sehe sie trotz eurer Hut! Ob sie zvohl je mich so begliickt, Dass sie mich ohne Augen schaut, Nur mit Gedanken mich erblickt, Vergeltend meine zuundertraut ? O lohnc 7nir mit treuem Sinn, Der ich dir treu auf ezvig bin! Wie in člen Tagen der Jugend, selmt sich Walther auch jetzt, Ihrem rothen Mund zu nahen Und sie liebend zu umfaken, und er, der einstens in banger Winterzeit lieber rolie Krebse essen oder Monch zu Toberlu werclen wolite, stimmt jetzt ein Lied zum ---<£> 70 o ; Lob des Winters an, dem er freilich nun eine andere, bessere Seite abzugewinnen weiss: JVann von allem Weh befreit So ein Lieb beim and er n rnht, Denen ist die Winterzeit Noch einmal so lieb und gut. Winter wie der Sommer — Beide bieten IVonnen viel, Dass ich sie lobpreisen zvili. Fliichtig ist der Wintertag, Doch die Nacht ist lang und warm, Gliicklich, zver da ruhen mag In des Liebchens zveichem Ar m! IVas hab' ich gesprochen? Weh mir, hatte ich geschzviegen! JVerd’ ich je so zvonnig liegen? In dieses Sinnen und Minnen hinein Talit die Kunde von Reinmars Tod. Es sind zwei herrliche Kranze, die Walther auf das Grab der Nachtigall von Hagenau legt, wissen wir doch, dass sich die Freundsehaft, welche Meister und Jiinger einstens verband, gelockert hatte. Klage um Reinmars Tod. i. O z veh, dass Weisheit nicht und Tugend, Noch Manncsschonheit sich und Jugend Vererben, zvird der Leib begraben. Ein zveiser Mann beklagt es tief, IVas zvir, seit Reinmar uns entschlief, An edler Kunst verloren hab en. <£> 7 1 & - O nioge reicher Lohn dir spriessen! Du liessest keinen Tag verfliessen, D er nicht von Frauenlob erklang; Und hdttest du nur Eins gesimgen: »So wohl dir Weib, dein Name rein /« Dir zvare ezviger Dank erklungen, Und alle Frauen miissten dein Fiir jenen herrlichen Gesang In frommer Bitte stets gedenken : Es moge Gott dir Gnade schenken! II. O Reinmar, ich beklage dich Viel mehr im Herzen, als du mich Beklagen zviirdest, zvare ich ge sto rb en. Und dennoch zvili ich’s offen sag en: Dich selber zvollt' ich rninder klagen, Als deine Kunst, die mit dir ist verdorben! Wie konntest du durch deine Tone Die Welt erfreu'n, die ezvig schone, So du nur anders auch gedacht. O zv eh, dass sich dein siisser Mund, Da ich noch lebe, hat geschlossen, Stati dass zvir zzvei im treuen Bund Gegangen zvdren als Genossen, Denn auch bei mir ist’s bald vollbrachi. So lebe zvohl, zvir sehn uns zvieder, Und hab e Dank fiir deine Lieder! Unterdessen liess aber Walther Auch seine Augen forschend ruhn Auf die s er Welt geheimstem Thun, und wie ein Prophet, vor dessen Blick die Vergan- genheit und Zukunft klar und offen liegen, Gieng er allem horchend und sinnend nach, IVas jemand that, zvas jemand sprach. -<0 72 o)- So durchschaute er denn auch das schmachvoll triigerische Spiel, welches Papst Innocenz III. mit der deutschen Konigskrone spielte. Er, in dessen Macht es gelegen ware, durch ehrliche Anerkennung des einen Gegenkonigs dem deutschen Reiche den ersehn- ten Frieden zu geben, gefiel sich in der Rolle eines zweideutigen Friedensfiirsten, welcher beide Gegner durch falsche Versprechungen in einer Weise hinzu- halten verstand, dass jeder von ihnen sich der papst- lichen Gunst zu erfreuen glaubte, und schurte so hamisch lachend jenen unseligen Biirgerkrieg, der aus diesem doppelziingigen Spiele erwachsen war. Zu Rom verna hm ich, wie man liigt , Zwei edle Konige belriigt; D ar ob entstand der grb s ste Streit, Den jemals focht die Christenheit. Da sah man sich entzvoeien Die Pfaffen und die Laien; Die Noth gieng iiber alle Noth, Denn Leib und Seele lagen todt. Zwar hatte Philipp von Schwaben einen siegreichen Feldzug gegen Otto und seinen Anhang gefiihrt. Der Welfe mit den Erzbischofen von Koln und Trier im Bunde unterlag der staufischen Uebermacht: Die Pfaffen setzten sich zur Wehr, Der Laien ivaren dennoch melir; nun aber griff Papst Innocenz zu einem viel wirk- sameren Gegenmittel. Sich offen fiir Otto erklarend, den Konig von Gottes und des Papstes Gnaden, bannte er den staufischen Konig als einem Geschlechte ent- -<£> 73 & - stammend, welches von je die Kirche verfolgt habe, und entband die deutschen Unterthanen des Eides der Treue: Das Schzvert sie Hessen wiederum Und hiengen sich die Stola um Und bannten, zven sie zvollten, Nicht, den sie bannen sollten: Otto von Braunschweig. Ein sclrvveres Unheii brachte dieses Anathem. Schon war Ottos Anhang im Sinken gewesen; mit einemmale erhob er sich wieder. Auch der Landgraf von Thiiringen, politisch einer Wetter- fahne gleich, die nach dem Winde streicht, der eben weht, verliess Philipps Sache und wandte sich Otto zu. Mit ihm der bohmische Konig Ottolcar, der seine halb- wilden Horden zum Schutze des Thiiringerlandes ge- gen Philipp fiihrte, um hier in Freundesland ebenso zu hausen, wie auf feindlichem Boden. Da wurden Kirclien und Kloster zerstort, Altartiicher um wie- hernde Hengste gebunden und Nonnen und Jung- frauen an deren Schweifen mit fortgeschleppt. O, klagt Walther : Man dscherte die Kirchen ein , Ich aber sah im Ddmmerschein Des Waldes voller Thranen A m Kreuz den Klati sner lehnen; Er klagte Gott das herbe Leid: O weh, der Papst isl ali zu jung, Hilf Herr, der ar men Christenheit! Wehe dem Tage, fahrt Walther in einem andern Spruche von —-— Der Pfaffen Wahl fort, an dem Konig Konstantin dem romischen Stuhle durch die Ueberreichung der Martervverkzeuge Christi den Grund zur weltlichen Maclit verliehen hatte. Wie ein Chronist berichtet, ertonte damals vom Himmel die Stimme eines Engels: Heute ist Gift in die Kirche gegossen worden, weil ilire Macht sich vergrossert und die Frommigkeit verringert hat. Es gab der Konig Konstantin Dem Stuhl zu Rom so vieles hin, Wie ich ench sage: Speer und Krem und Krone. Da rief der Engel laut: O weh, Und ivieder no eh und nochmals zve h! IVie herrlich diente man einst Gottes Soline! Nun aber fiel ein Gift auf alte, Ihr Honig wurde, ach, zur Galle, Darob steht einst die Welt verzagt. Die Fiirsten leben rings in Ehren, Die Kaiser krone kommt zu Fali, Das hat gethan der Pfaffen Wahl. Dir sei es, siisser Gott, geklagt. Die Pfaffen zvollen Laienrecht verkehren: Der Engel hat uns zvahrgesagt. Anderseits aber wendet sich Walther, wohl wissend, dass die deutschen Reichsfiirsten nur durch Gold und Ehren zu kodern seien, an Konig Philipp, ihn mah- nend, nur jetzt nicht zu kargen, sondern mit voller Iland gleich Alexander dem Grossen und dem Sultan Saladin zu spenden: Fallt dir der Spruch des Saladin nicht ein P Durchlochert soli die Hand des Fiirsten sein, So luiirde er gef urchtet und geminnet. Audi an den Konig Richard sei gemahnt! Den man gelost ob seiner milden Iland; Der Schaden frommt, wenn doppe.lt man gezvinnet! — 75 - Zu den herrschenden Wirren und schweren Un- gllicksfallen im deutschen Reich kamen im Jahre 1207 noch grauenvolle Zeichen am Himmel, die mit der wuchernden Untreue auf Erden zusammengehalten an die Vorzeichen des jiingsten Tages erinnerten, von welchen Christus zu seinen Jungern gesprochen hat. Wie ein Dichter der Jetztzeit in der Ervvartung des Weltgerichtes singt: »Allstiindlick rufen Glocken und ruft der Buss- gesang: Bereite dich z um Ende, o Welt, zum Untergang! Es scigen alle Biicher und unsre Siin.de n klar: Es nahn die letzten Tage, der Er d e leiztes Jahr . . . Die Glut wird sie zersidren, der Sturm wird sie verwehn; Ihr Schiffer auf den Meeren, die Zeichen sind geschehn! Gezvaltthat .nur noch waltet und iibermuthig Er z, Das Volk ist ohne Richter und ohne Furcht da s Herz ,« so sang auch Walther, der damaligen Anschauung des Volkes Ausdruck gebend, von den Vorzeichen des jungsten Tages und forderte zu reuiger Umkehr auf: IVachi auf! tVac/it auf! Anbricht der Tag, Vor dem die IVelt erzittern mag , Ob C lir ist, ob Jude oder Heide — Saht ihr des Himmels Zeichen nichtr Es kommt der Herr zum Weltgericht, Dass er die G ute n von den Bos en sc heide. ••<£, 7- Nur Einer hob sicli aus a] len Gar trutziglich liervor Und liess seine Stimme erscliallen Aus der Ritter zagendem Cbor. Und alles sah voli Staunen Ral d ilm, bald den Kaiser an, Das war ein AVinken und Raunen: AVer ist der kuhne Mann? Jetzt liess er iiber die Saiten Zn sanftem Praludium Vorerst die Finger gleiten Und blickte stolz sich um; Dann gleich wie Donners Rollen. AVuchsen die Tone an, Und aus dem Herzen, dem vollen, Herr AValther jetzt begann: Willkomm an den Kaiser. Herr Kaiser, seid uns hoch isoillkommen, Der Konig ist von euch genommen, Und eure Krone blitzt vor allen Kronen! In eurer Hand liegt Mac/it und Gut, Und ob ihr recht, ob unrecht thut, Sie kann bestrafm und belohnen. Auch dieses sei euch noch verkundet: Die Fiirsten sind euch unterthan Und harren demuthsvoU auf euch ; Vorab ist Meissen euch verbiindet, Dass eher von der Himmelsbahn Ein Engel fiel’ ins Hdllcnreich. Und Walthers Auge ruhte Auf Dietrich, treu und mild, Und mit erhohtem Muthe AVard seine Brust erfiillt; —- Adler und Lowe. Herr Kaiser, fflenn durch Schwert und Strang Der Friede Deutschlands euch gelang, Wird sich da s Ausland huldigend verneigen. Es ist ein Ruhm, der miihlos kroni, Und zverin ihr no eh die Christcnheit v er solini, Wie zvini der Heiden Uebermuih dami schzveigen! Ihr habt de s Kaiser s Doppelmacht auf Erden: Des Adler s Milde, des Lozven Kraft; D as JVappen ist's auf eurem Schilde. — O zvenu die beiden Kampfgefahrten Bekriegten einst die Heidcnschaft, JVer trotzte ihrer Machi und Milde? Mit diesen drei Kaisersprlichen, »in denen die ganze Grossartigkeit der Kaiseridee zu ihrem Aus- druck gekommen ist«, begriisste Walther im Gefolge des Grafen Dietrich von Meissen den Konig Otto auf dem Hoftage, den dieser im Marž 1212 zu Frankfurt am Main abgelialten liatte. Nacli Philipps Tode allgemein als deutscber Konig anerkannt, war Otto nach Rom gezogen, um die Kaiserkrone zu empfangen; von der Zeit aber war es, als ob die alte Staufenkrone eine magische Gewalt auf den Welfen ausiibte, und es dauerte nicht lange, so wollte der neue Saul, der dem Papste geschworen liatte, das Erbgut Petri nicht zu betasten, im Kirchen- staate mit der alten kaiserlichen Vollmaclit gebieten; ja er scheute selbst den Waffengang nach Apulien nicht, um das alte Normannenland an sich zu ziehen. Damit war die Geduld des Papstes erschopft. Aclit Tage nach dem Einzuge in Apulien gehorte auch Otto 6 <0 82 Q>- zu denen, die sich riihmen konnten, mit dem Bann- fluch beladen zu sein. Wie dieses Wort an \Valther sclilug! Ja, er ist es gewesen, diese lielire Natur, der, als die deutschen Fiirsten in Niirnberg ratli- schlagten, um Friedrich, den Solin Heinrichs VI., an Stelle Ottos zum Kdnig zu erwahlen, mit klingendem Spiel ins Lager des Welfen gieng. Otto war ihm ja kem Pfaffenkonig melir, auch ihn hatte der Traum deutscher Kaiserglorie umsponnen, und erst musste er ein Gebannter sein, bevor er dem Dichter ein Anerkannter wurde. Unterdessen war der Kaiser mit Eilschritten iiber die Alpen gekommen, fiir manchen zu frtih, der den Niirnberger Tractat im Ilerzen gut- geheissen hatte. Ob es nicht angezeigt war, gute Miene zum bosen Spiel zu machen? Staunen muss man, wenn man die Reihe der Fiirsten und Ilerren sieht, die den Frankfurter Hoftag besucht hatten. Wie Worms auf Luther, so blickte jetzt Frankfurt auf unseren Siinger, der mit flammender Begeisterung den gebannten Kaiser willkommen hiess und ihn der Treue der Fiirsten, vor allem des Meissners, ver- sicherte. Aber geradezu ein zweischneidiges Sclrvvert wurde die Fiedel Walthers, als er sich vom Kaiser weg an Papst Innocenz wandte, der zwei Zungen in einem Munde fiihrte. Wohl wusste er, dass auch ihn, den Anhangcr des Kaisers, der Bannstrahl traf, aber der Dichter fiirchtete denselben nicht, war es doch Innocenz selbst, der Otto zum Kaiser geweiht und bei Strafe des Bannes befohlen hatte, ihn als den einzigen recht- massigen Herrn anzuerkennen. -^ Der Bannstrahl. Ilerr Papst, teh bin doch sundenrein, Denn ich will cuch gehorsam s cin; Wir horten cuch der Christenhcit gebieten, Der Kaisertreue stets zu pfiegen, Als ihr ihm gabt der Gottheit Segen, Dass wir ihn hiessen » Ilerr « und vor ihm knieten . Vergesst ciuch nicht des Heilands Sp rit eh: Wer segnet, soli gesegnet s cin, Doch wcr im Hcrzen Jhtehend grollt, Den treffe vollgemess’ner Finch! Bei Gott, bedenkt doch dies allein, So ihr der Pfaffen Ehre wolltl Solche Verlogenheit war zu viel fur den arglosen Deutschen, der sich verachtcnd von den Zwei Zungen \vendet. Gott gibt zum Konig, , wen er will, D ar uh er staune ich nicht viel; Uns Laien wundert nur der Pfaffen Lehre. Sie voiderrufen so bereit, PVas sie gelehrt vor kurzer Zeit. Bei Gottes und der eig’nen Ehre Gesteht uns offen und in Treue, Durch ivelches IVort ihr uns betrogen. Erkldrct Eines aus dem Grunde, Ob nun das alte oder neue! In Einem sind wir doch belo g en: Zwei Zungen stehen schlimm in einem Munde. Selbst mit den Worten der heiligen Sehrift scliliigt der Dichter den Eingriff in 6 * - Cf> 84 O/-- Kaisers Recht. Als Gottes Sohii der Welt crschien, Versuchten oft die Juden ihn; So fragend cinst sie zu ihm giengen, Ob man in freier Stellung wohl Dem Konig Zinsen geben soli; Durchschauend doch die feinen Schlingen, Liess er sich eine Miinze langen : IVes Bildnis selit ihr, Juden? sprecht! Des Kaisers! zischten da die Schlangen. Des Kaisers, gut! sprach er, man misst Dem Kaiser zu, was Kaisers Recht, Und spendet Gott, was Gottes ist. Im Dienste Ottos, in člen Waltlier bald nach dem Frankfurter Hoftage getreten war, erklangen nun jene »gewaltigen Spriiche gegen Papst und Geistlichkeit, welcbe durch die Unmittelbarkeit der Empfindung, die mannliche Kraft und den edlen Sinn, den sie bekun- den, zu dem vorzliglichsten gehoren, was je gedichtet ist«. So wendet er sicb tadelnd gegen den Papst, der dem glaubigen Volke mit bestem Beispiele voran- leuchten solite. Docli Innocenz ist ein neuer Judas, der die Welt beliigt und betriigt, und leider folgen ihm, als dem viiterlichen Iiaupte, Tausende und Tausende der Gemeine, so dass Gottes Minne dem beiwohnen miisste, dessen Herz in solchen Zeiten nicht verkehrt werde. In der That schien es, als ob alle sittlichen Gebrechen von Rom ausgegangen waren, um das gesunde deutsche Land zu verpesten. So kann das Jahr 1213 erzahlen, wie man das Kreuz predigte und Opferstocke aufstellte, und wozu? LJm milde Gaben fiir das heilige Land! Ilir Thoren und - ■<*> §5 $ - Thorinnen, ruft Walther aus, weg mit dem Opfer- stock, der nur ausgesendet ist, um in Deutschland dumme Narren zu finden, die den Papst bereichern; denn zu Gottes Hilfe werde des Silbers wenig ins heilige Land gelangen. Der Opferstock. Sagt an, Herr S točk, hat euch der Papst gesendet, Dass ilir ihn reich macht und uns Deutsche pfandet? Gold iiber Gold kommt nach dem Lateran, 0 Schelmenstreich, den er schon oft ge tkan! Er sagt, ivie es im Reich venvorren sei, Und neuen Zins trdgi jede Pfarre bei. D as Silber, glaubt ihr, kommt ins heilige Land? Als Jlbsse Gold je aus der Pfaffen Handl Herr Stock, ihr seid zum Schaden hergesandt, Denn Thor und Thorin stehn euch immer frei! Wie si cli der Papst ins Faustchen lachen wird, vvenn er den Welschen sagen kann, dass er zwei Alemannen, Otto und Friedrich, unter eine Krone gebraclit babe, auf dass sich ftille Der welsche Sehrein. Ahi, ime christlich nun der Papst ins Faust- chen lacht, VVenn er den IVelschen sagt, wie er e s hier ge- macht. Pfui, was er spricht, o hatte er’s lieber nie gedacht: Ich hab e zwei Alemannen auf einen Thron ge- bracht . —— lichen Jtingling herangewachsen vvar: zunachst das wetterwendische Thuringen, bald darauf Meissen. Ja, schon zog der junge Friedrich mit dem Segen und dem Golde des Papstes ausgeriistet liber die Alpen dem schwabischen Meere zu. Der Pfaffenkonig kommt, hohnte der Welfe, nicht ahnend, dass der Gegner alles besass, um die Herzen des Volkes im Sturme zu erobern. Was aber sammtlichen Tugenden die Krone gab, war die reich hinstreuende Iland. Wie sclmell war da die Wahl zwischen staufischer Milde und weHischem ICnauserthum getroffen! O weh, singt Walther: Gut geht v or Ehre. Vont Po zur Trave und der Seme zur Mur Bin ich gevoandert und sak Eines nur: Alan fragt nicht vi el, wie man das Gut erreiche ; G eh schlafen, hofischer Sinn, tkat ich das Gleichel Van jeher man das Gut willkommen nannte, Den Vorzug doch der Ehre man erkannte. Nun aber gilt bei Frauen nur das Gold, Ihm sind im Rathe Fiirst und Kbnig hola, O weh dir, Reich, du stehst in seinetn Soldi O Gut, du bist iiicht gut, du bist voli Schande! I11 Kiirze der Zeit bel alles dem Kaisersohne zu, der fast. oline eine Schlacht zu liefern das Reich er- oberte. Umsomehr muss es uns wundern, den Dichter, jenen alten Staufenfreund, nocli immer bei Otto zu sehen. Solite der welfische Hof ein so anziehender Magnet gevvesen sein? Nichts von dem. Man denke sich Walther, den Sanger von Friihling und Frauen, mitten in einem Kreis roher Saufbolde, die dem Trunke so - —88 q> lange frohnten, bis ihnen Zunge und Fiissc erlahmten und sie sanft gebettet unter dem Tische lagen. Was niitzte es, wenn Walther mahnte, Wie man trinken soli. Der Mann kat schlecht getrunken, der so trinket, Dass ihm vom Wcin die schzvere Zunge sinket Und er nur Schmach und Schande zu sich zvinket. Ihm stiinde besser, so sich zu benehmen, Dass er auf eig’nen Fuss en stehen karm; So sanft man ihn auch tragt, den guten Mann, Er gienge lieber, um sich nicht zu schamen. — Den Dur st zu stillen, das bringt keinen Spoti; Doch trinken, dass man sich nicht kennt noch Golt, /st zv ider alles gbttiiche Gebot. Wilde Spčisse fielen auf das Haupt des Dichters, der den gastfreundlichen Wirth wie den geladenen Gast vor zu vielem Trinken warnte und aucli hier das richtige Mass verlangte. Aber auch Otto war kein Mann fiir VValther. Sein Ohr gehdrte feigen und klatschsiichtigen Hofschran^en. Mit einem gewissen Grauen wendet sich Waltlier von den falschen Lachlern ab, die Ilonig auf der Zunge und Galle im Herzen haben. E in verlogener Mund und ein zwerclies Sehen sind ihm in der vSeele 'zu- wider; ja er schwort Gottes Zorn auf jene herab, welche sich der Hand des Mannes mit der GJatte des Aals entvvinden. Die Gesinnung des Mannes soli fest wie ein Stein und in der Treue glatt wie ein Pfeilschaft sein. Nicht wissend, was Freundschaft sei, vvandte sich Otto solchen Rathgebern zu, die ihn zu Lug und Trug anleiteten und ihn hinderten, das ge- - 89 q )>- gebene Wort zu halten. Vergebens warnte ihn VValther vor denselben; mogen sie nun je nacli ihrem vor- nehmern oder geringern Stande sitzend oder stehend an den Berathungen theilnehmen. Die falschen Lachler. Bin Kranz des Lobes soli den Hof utnranken, So lange nicht die hofisehen Sitten w cink en Und Wort und Miene gleichen dem Gedanken . Vor falschem Lachler grauet mir in Sorgen, Sein Herz voli Gali’, sein Mand voli Honig ist. Des Freundes Lachen sei ohn’ Hinterlist, Rein wie da s Abendroth vor klarem M or geni Dem ivahren Freunde bin. ich gerne nah, Doch trugt sein Mund, so ndhm’ ich lieber da Fin off’nes Nein fiir zwei ge log’ne Jii. Schlechte Rathgeber. IVer er auch sei, ein Schalk ist, der betruget Und seinen Herrn verleitet, dass er liiget; Erldhme Bein, so er im Rath es biegetl Und redet er als hoher Herr vom Silze, So, iver de ihm die falsche Zunge la hm, Sie brachten manchen Fiirstcn um die Scham; Soli Liige JVeisheit sein, errothet vor dem JVitze! Fin falsch GelUbde soli der Mund behalten; Doch riie soli ein Versprechen je veralten, So j ist zvird zu fr Uh da s ivarme Lob erkalten! Die herbste Enttauschung wurde jedoch dem Dich- ter, als er, der wandermiide, an Ottos Dank appellirte und ihn um ein Lehen bat. -■^0 9 ° °)" Wirth und Gast. Griiss Golt, Herr IVirth! Dem Grasse muss ich schzve/gen ; Griiss Gott, Herr Gast! Ich muss mich ddnkend neigen, IVirth und Daheim : Man prahlt mit diesen IVorten ; Ilerberg und Gast : Man schdmt sich aller Or ten. 0 dass auch ich einst sagte: Sei am frommen Und stillen Herd ' o Gastfreund ' mir willkommen! O Gauklerfahrt! HeuV hier und mor gen dort! Ich bin daheim! JVie traulich klingt das Wort! Man uuiinscht den Gast und Schach dem Konig fort, Von euch sei Schach, von mir der Gast genommen! Es kam nicht so. Otto verlor weder sein Schach, das ihm Friedrich bot, noch Walther den Gast. Darf es uns wunder nehmen, wenn sich der Sanger, der Ottos Namen weit iiber die deutschen Gaue hinaus- getragen hatte, von dem undankbaren Konig losriss und dem Staufen zuwandte, der zweifelsohne die Fiedel Walthers mehr zu schatzen verstand, als der gewalt- thatige Otto? So sagte sich denn VValther mit einem nicht sehr sclimeichelhaften Spruclie von dem Konige los, den er in Bezug auf seine Falschheit und Doppel- zungigkeit mit einem schreckiichen Wunderthiere ver- gleicht, das selbst in den Flutlien des Meeres, die doch die abenteuerlichsten Ungeheuer in der Tiefe bergen, als ein seltsames Unthier erscheinen wiirde. Das Wunderthier. Ich komite jiingst ein IVunderthier erschauen, IVie man nicht sieht selbst in dem Meer, dem blanen, Und stati der Freude fasste mich ein Grauen, 9 1 Q>“ Es gleichet bosem Mann. Wer dessen Lachen A m Stein def Trene priift, merkt falsches Gold; Es beisst, bevor es knurrt, weil es dir grollt, Und kat zwei Zungen, kali und warm, im Rachen. Du siehst den Stachel in dem Honig nicht, Es schadet dir mit lachendem Gesicht Und heuchelt Unschuld, kommt sein Thun ans Licht. Als einst der Jiingling VValther aus den Thoren Wiens zog, bat er Gott um das Geleit eines Schutz- engels, um auf der Balin des Guten niclit zu straucheln. Auch jetzt betete er zu Gott, bevor er zu Friedrich iibergieng, und gestand ihm in aufrichtiger Beichte, dass er den Worten Christi: »Liebet eure Feinde liber alles!« nicht nachgekommen sei, hofft aber, dass ihm der Herr die iibrigen Siinden verzeihe, wenn er in seiner menschlichen Schwache der Eigenliebe auch in Zukunft nicht entsagen konne. Beichte. Gelobter Gott, du gabst mir Wort und JVeise, Und ich, dein Kirni, das unter dednem Reise, Ich wage noch, dass ich die h selten preisel Mir fehlt, o Vater, ich zvili offen beichte n, Die Liebe zu dem Ndchsten und zu dir; Ich war noch keinem je so gut wie mir, 0 moge mich dein heiliger Geisl erleuchten! Ich muss den hdssen, der mein Herz betriibt, Und kanit n ur lieben, der mich zuieder liebt: O Gnade, Ilerr, zvenu es noch G na de gibt. .*> S J ♦ *£ mZ£>"*,'%&- Ich hab’ ein Lehen. Wenn Lerchen noch so jubiliren, Der Himmel noch so heiter blaut, Ich muss am Wanclerstabe irren Und kenne nur den bangen Laut Der Klage, dass so friih zerronnen Der gold’nen Kindheit Paradies, Das ich im Glanz der Maiensonnen So reich an Hoffnungen verliess. Und an der Donau stolzen Wogen Bin ich nach Oesterreich gezogen, Wo ich in sommergriinen Tagen Gelernt zu singen und zu sagen. Mit Nachtigallen um die Wette Pries ich das Miigdlein aus der Schaar Der Jungfrau’n, und auf griinem Bette Bot ich ihr manches Roslein dar. Ich sang von Friihling und von Frauen In trunkener Begeisterung, Wie markig klang in allen Gauen Dir, Vaterland, des Liedes Sclrvvung! Dariiber bi n ich alt geworden Und muss noch immer an die Pforten Wie einstens pochen, dass die Gnade Des Fremden m ich zu Tische lade. 'e 93 Und jedes Kind, das an der Schwelle Des Hauses spielt, ja jeder Hund, Der mich umwandelt mit Gebelle, Macht mir das Herz im tiefsten wund. Ihr habt, wonach icli sehnend ringe, Noch eine Heimat und ein Haus; Docli, was icli sage auch und singe, Ein Fremdling zieh’ icli ein und aus: Ein Fremdling mit gebleiclitem Haare, Der bang mit jedem jungen Jalire, Das Blatt und Bltithe treibt, muss sprechen: Wann, alter Baum, wirst du zerbreclien ? Wie traulich ist’s, wenn Sturme tosen Und Feuer knistert auf dem Herd; Wenn Kind und Mutter dich umkosen Und jeden Wunscli man dir gewahrt. Die Wolkenstirne wird geglattet Und alles Liebe dir gebracht; O selig,*wer sich so .gebettet Und ruhig schlaft trotz Sturm und Nacht. So rauschet denn, ihr gold’nen Tone, Dass euch die Milde Friedrichs krone, Und so »Herr Gast« sie wieder fragen, Will ich als »Wirth« Willkommen ! sagen. Wie gliicklich ist der Greis zu schatzen, der be- haglich im Lehnstuhl ruht und von Kindern undEnkeln umgeben die langst verrauschte Kinderzeit an seinem Geiste voruberziehen lasst. Doch bei ergrauendem Haar um fremdes Brot betteln zu miissen, tliut bitter weh, um so weher, wenn es von kargem Undank gereicht wird. Noth und Armut haben auch Walther gezwun- gen, sich von Otto weg 94 — An Konig Friedrich zu wenden, auf dass er ilin mit einem wenn auch noeh so bescheidenen Lehen beloline. Apuliens Konig und Roms Vogt, Erbcirnienl So reich a n Liedcrn, muss ich do c h v c mr m eni Wie drangt e s mich nach eig 'nem IIerd, dem iv ar me n! Dann wiird’ ich singen von der Heidc Prangen Und IValdesvoglein, dass cs lustig schallt! Und dankte mir ein schones Weib, ich malt ’ Ihr wieder Ros ’ und Lili e auf die IVangen. Doch ich komni spat und reite friih, o wch! Der Wirth mag singen von dem griinen Klee: Die Noth bedenkt, dass eure auch vergeh’! VValther hatte nicht umsonst gebeten. Friedrich nahm den Sanger um so huldvoller auf, als er dessen Liedermund zu wiirdigen wusste. Zwar den Augenblick konnte er ihm kem Lehen verschaffen; noch war er selbst in Kriegesnotli. Aber er vertrostete ihn auf bes* sere Tage; bis dahin war er willkommen an seinem Hof. Erst als die Schlacht bei Bouvines geschlagen und Ottos Štern erblichen war, winkte ihm die Aus- sicht auf ein trauliches Heim. Fast konnte es Walther nicht glauben. Der neue Konig schuldete ihm ja nicht die kleinste Bohne. Welch ein Unterschied zvvischen Otto und Friedrich! Herr Otto gab das IVort, mich zu beschenken, Und that es nicht. Wie solite Friedrich denken, Die konigliche Huld auf mich zu lenken? 95 Er schuldet mir selbst nicht die kleinste Bohne, Ihm seicn dcnn die alt en Spriiche werth; Ernst hal cin Vat er seinen Solin gelehrt: Dim' schlimmstem Mann, dass dir der heste lahne! Der Solin hin ich, Otto der schlimmste Mann , Wie ich noch keinen schlimmeren geivann, Der heste Friedrich, der v er g cit en kann. Der Juli 1215 brachte endlich das ersehnte Gut, An dem Tage, da Friedrich zu Aachen 'unter Krone gieng, erhielt Walther den Vogehveiderhof in Wiirz- burg als Lehen. Im jauchzenden Tone spridit VValther den Dank dafiir aus: Das Lehen. Ich hab’ cin Le h’n, o Welt, ich hab’ cin Lehen! Nicht fiircht’ ich mehr den Hornang an den Zeli en, Zu kar g en Mir st en darf ich nimmer flehen. Hab’ Dank, o cdler Konig, fiir die Gabe! Im Sommer frische Luft, im JVinter warmc Gluth! IVie freundlich riickt der Nachbar seinen Hut! Ich lin ihm kein Gespenst mehr, seit ich habe. O, Armut schmerzt! Ich habe si e empfundcn, Und meine Fiedel schliig oft herbe JVunden: Nun jauchzt das Lied, wie in den schonsten Siunden. Welch ein idyllisches Gemalde! Eichlaubumwunden hangt die Geige an der Wand; unter ihr sitzt der greise Siinger im Sorgenstuhl; ihm zur Seite ist ein bltihendes Weib, das seine Wangen streichelt. Eitles Traumgebilde! Das Feuer flackert auf dem Ilerde, Durch Feld und Wald streicht Friihlingswehn. Geschmiickt mit Blurnen ist die Erde, Hoch liber mir die Wolken gehn. -

- Vor meiner Schwelle lustig plaudern Die Sclivvalben und das Wasser rauscht; Doch mich ergreift ein seltsam Schaudern: Herr Wirth sei mit dem Gast vertauscht! Wo ist, was ich mit bunten Farben Als liochstes Gliiek mir vorgetraumt? Ich muss am eig’nen Herde darben, So kommt es, wenn man sitint und reimt Und iiber Reimen, liber Sinnen, Ach, auf das Herrlichste vergisst, Dass man im Alter ohne Minnen Doch nur ein armer Bettler ist. Die Wande sind so stumm. Ich rufe: Sie geben Antvvort dumpf und kalt, Und nimmer wandelt von der Stufe Des Weibes liebende Gestalt. Griiss Gott, Herr Wirth! Die Gaste fragen — O, ich verstehe ihren Blick. Dein Weib? dein Kind ? hor’ ich sie sagen, Wir tauschen nicht mit deinem Gliiek. Der Himmel lacht in reinster Blaue, Die Fiedel trauert an der Wand. So ko mm herab! Hinaus ins Freie, Von Burg zu Burg, von Land zu Land! Die Mauern driicken. Unter liohen, Nachtdunklen Baumen wird mir gut, Wann Wolken donnern, Blitze lohen Und ziirnend vvachst die Wasserfluth. Und wenn der Sturmgott erst die Zvveige Zersplittert und den Baum zerspellt, Dann greif’ ich lustig nach der Geige Und fiedle, dass es weithin gellt. —-- Ein Baiim \vie der, entlaubt, zerschmettert, 'So bist aucli du, verwaist, vereist, Und geigst nur, wann es wogt und wettert, Bis Sait’ an Saite stohnend reisst. Ahi, ahi, ich konnte laclien! Mir ist so spassig; Feuer stirb! Was schlafst du, Rosslein? Auf, wir maclien Uns auf den Weg. O Fiedler, \virb Um neues Brot und poche wieder An fremde Thiiren, armer Wicht! Es bringt der Friihling neue Lieder, Doch Gliick und Liebe bringt er niclit. Dem alten Wandervogel wurde es bald zu enge im einsamen Stiibchen, und eine gewaltige Sehnsucht erfasste ihn wieder nacli der Fremde. Zudem hatte er sich in der Iloffnung, ein ausreichendes Leben zu erhalten, arg getausclit. Gab man aucli den Ertrag desselben auf ungefalir 30 Mark an, so waren doch die wirklichen Einldinfte viel zu gering, um den Dichter sorgenlos zu ernahren. In launiger Weise meint er, dass er weder Geldtrulien, sogenannte Arke n, nocli Kiele brauche, um sein Erspartes zu verschliessen oder iiber Meer zu fiihren, um so weniger, als aucli die Geistliclikeit unter heiscliendem Gezanke die neue Kreuzzugssteuer einforderte. Grosses Lehen, kleiner Ertrag. M ein Lelin, o Konig , gilt fiir dreissig Marken, Die kanu ich niclit verschliessen in den Arken, Noch iiber See verschiffen in den Barken. 7 - <(& g 8 c^- Da s Wort klingt gut; doc h Idsst sich nicht erfassen Der Nutzcn, noch auch Koren oder sehn, Nicht Kahn noch Kiste taugen fiir mein Lelin, D’rum rathet, soli ich’s nehmen oder lassen? Der Pfaffen Steuer fiirchte ich noch nicht, Sie priifen nur die Arkcn v on Gewicht; Priift her und hin und selit, was mir gebricht! Lockende Wanderbilder traten abermals an den Dichter heran, der zu sehr an buntfarbiges Hofleben gewohnt war. Zwar kam ihm manchmal • schon der Gedanke, von den Freuden der Welt Abschied zu nehmen und sich den Himmel zu verdienen, aber noch einmal wollte er Oesterreich, das Land seiner Jugend, sehen, ihm galt die Wanderfahrt an seinem Lebensabend. Am Lebensabend, Man zahlte 1217. Ueber Wien hieng <3er brennende Sonnenball, die Voglein neigten das Haupt, und wie schlummertrunken nickten die Blumen. Da kam aus der Biegung der Waldstrasse ein Ritter hervor, und ein Ruf freudiger Ueberraschung entfuhr seinen Lippen. Tief unten rauschte die Donau und glanzten die Thurm- kronen der Stadt. Vor ihm aber, o, rief der Wanderer aus: Du griinst noch immer, alte Linde, Wo sind die Blumen, die ich brach? Das Haupt gelehnt an deine Rinde, Entschlief ich unter griinem Dach. Und aus dem Traum, dem wundersiissen, Rief mich ein Halsen und ein Kiissen, Schvvarzbraunes Auge sah mich an: Ein Voglein singt nur auf den Zvveigen, O lass mich bei dir sein und schweigen, Du allerliebster, boser Mann! Wie konntest du so herzig košen! Nur einmal, Kind, hast du geweint; Es war die Zeit der wilden Rosen, Da alles'lacht und lieb erscheint. Du harrtest lang. Ich aber lauschte Am Weidenbacli; die Welle rauschte, [o ioo — Und eine Herrin stieg empor — O araies Roslein, friih gebrochen, Du hast micli nimmermehr gesprochen, Doeh sang und klang es wie zuvor. O dass nur einmal sich erschlosse, Du Kind des Waldes, noch dein Mund, Dass ich den alten Traum genosse Und du mir sahst in tiefsten Grund! Dass ali die Blumeri, die verdorrten, Ob silbern aucli mein Haupt gevvorden, Aufbluhten wie im jungen Mai; Und durch die Nacht, die mondverschonte, Das sehnsuchtsvolle Lied ertonte Der Nachtigall: Tandaradei! So ziehe denn auf mudem Štabe, O Fiedler, in die Stadt hinein! Niclit wahr, ich bin ein alter Knabe! »Kommst du mit Weib, fragt ihr, allein?« Allein. — »So fiedle auf der Stelle Uns, graulandfahriger Geselle, Vom Tauber, der kein Taubchen fand!« O Roslein, Roslein, tief im Walde, Niclit du, das Kind der griinen Halde, Seelilie war es, die mich band. An ihr ist ali mein Gliick zertriimmert, Doch du, du bist schon lange todt; Nur liber dunkler Haide flimmert Erinnerung als Abendroth. O nehmt mich auf, den alten Jungen! Wo ich das erste Lied gesungen, Verklinge auch der letzte Ton! » Und sargt ihr unter griiner Linde Mich einstens zu dem holden Kinde, Ist es des Sangers schonster Lohn. - -

~ — Vierzig Jahre waren verrauscht, seit Walther unter der Linde sein »Tandaradei« gesungen hatte. An der Grenze von Jiingling und Mann hatte er Wien zum erstenmale verlassen; in der Bliithe seiner Jahre war er zum Wiener Schwertleitfeste gekommen; als ein Greis, von Gram und Entbehrungen gebeugt, zog er abermals in die geliebte Stadt. Der frische Geist und der frohe Muth waren von ihm gewich.en, nur in einem hatte er nicht gealtert, noch Am Lebensabend strebte er nach idealer, sittlicher Wiirde und verlangte, ob auch arm und gering, die Achtung der Welt. Ich trete vor deti edlen Kram Der Fran* n und Ritter als ein Greis Und fordere der Ehren Preis Noch mehr, denn in der Jugend G lam. Der Sotnmer vierzig situl verrauscht, Dass ich von Lenz und IJebe satig. Wie oft habt ihr der Saite Klang In jungen Tagen einst gelauscht! Da sprang in IVonne uns das Herz. Nun trauert mein’s, das eure lacht; Die Fiedel hat mir nichts gebracht, O kommt und lindert meinen Schmerz! Doc h miisst* ich auch als drmster Mann Zn Fusse gehn, so streh’ ich doch Nach hdchster Mannesiviirde noch, Wie ich von Kindheit auf gethan. -- Und bin, ob vom g er ing s ton Blut, Doch reich cin Ehren. Tiefgekrdnkt Ist nur d er Mann, der niedrig denkt, D er Hochgesinnte ist mir gut. Heil dem, der fiir das Hochste gliiht, Bis ihm das /luge sterbend bricht! Ein Kram de s Ruhmes sich ihm flicht, Der ewig gr itn t und ewig bliiht. Der Dichter wurde willkommen geheissen, freilich nur auf kurze Zeit. Denn bald nach seiner Ankunft beschloss Herzog Leopold, nach dem heiligen Lande zu fahren, und mit ihm verliess auch Walther die Donaustadt, um wahrend seiner Abwesenheit ein be- wegtes Wanderleben zu fiihren. Jetzt treffen wir ihn bei Heinrich, dem Oheim Leopolds, der in Mddling bei Wien residierte; dann wieder zog er durch die griine Steiermark nacli dem Hofe zu Villach, wo Herzog Bernhard von Karaten der fahrenden Sanger pflag; und von Villach weg begleiten wir den Dichter auf der von pittoresken Gebirgswanden eingeschlosse- nen Heerstrasse, die iiber Tarvis nach Pontafel und von dort hinab iiber Udine nach Aquileja fiihrt. An den Aufenthalt in Karaten kniipften sich fiir Walther keine angenehmen Erinnerungen. Er litt da- selbst unter den Boslieiten der Kammerer, die dem Herzog ins Ohr bliesen, als ob Walther auf ihn ziirne und ihn unmilder Behandlung zeihe. In der That aber ziirnte der Dichter nicht dem Herrn, sondern dem Diener, der ihm Kleider vorenthalten, welche ihm Bernhard versprochen hatte. — Schmeichlerische Ildf- linge, sogenannte Hofklaffer, mit dem ewig dienstferti- --<0 103 Q>- gen »Ilerr« auf den Lippen, verdrehten seinen Gesang, um ihn bei dem Herzog zu verleumden, und endlich machte sich. auch unter der Leitung eines gewissen Stolle eine neue Kunstrichtung geltend, welche den alten hofischen Gesang mit seiner kunstvollen Be- schrankung zu verdrangen suchte. An den Herzog von Karaten. Der Fiirst von Kdmten gab mir oftmals Spenden, IVill er um cin Versehn sich von mir voenden? Er glaubt, ich ziirne ? D as sei von mir fern! Ihm ist geschehn, wie manchem milden Herrn: Er leidet doppelt, wenn ich Frunter le ide. Er gab Befehl zu einem neuen Kleide, Doch ziirn’ er andern, wenn ich es nicht sah; Ich zueiss gar wohl, wer gerne redet Ja, Der gibt auch gerne, ist es anders da; An dem Zzuist sind wir schuldlos alle beide. Die Hofklaffer. Es sind die Hunde, die arn Hofe bellen, Den Mtiusen gleich mit aufgebund’nen Schellen; Wir rufen Schalk, solnild den » Herrn « sle nennen, Glcich zvie die Maus wir ' an der Schelle kennen. O milder Fiirst, der du dich miihst um Ehre, Sei mir nicht bose, wenn ich mich beschvoere! An deinem Hof entstellt man meinen Sang. Und voarest du nicht und ihr nied’rer Rang, Ich zahlt’ es heim mit scharfem Fiedelklang. JVer duldet auch, dass man sein Lied verkehre r -I 04 0/- Meister Stolle. Gleich s c harf cm Schzvert soli rudne Fiedel klingcn; Was ich erfelite, will ich nun erzzvingen, Da man doch Herrertgut und Frauengruss D ure h trotzige Gezvalt erobem muss. Sobald ich singe, klageit sie es Stollcn, D’rob ist von Zorn die Ader mir geschzjvollen. Ich komite aucli unhofischen Ton anschlagen, In Oestreich lernt’ ich singen doch und sagen, Dort zvili ich mich bei Leopold beklagen, Und so er trostet, zvili ich nimmer grollen. Mit welch stolzem Selbstgefiihle beruft sich hier Walther darauf, dass er einst am ersten Musenliofe seiner Zeit singen und sagen gelernt! Unterdessen war Herzog Leopold vom heiligen Lande zuriickgekehrt und vom Dichter in Aquileja, dessen Patriarch ihn glanzend aufgenommen hatte, empfangen worden. Mit begeistertem Lobe begriisste Walther Leopolds Riickkehr vom Kreuzzug. Herzog z>on Oesterreich, euch ist es so ergangen, Dass zvir nacli euch, dem Helden, schon verlangen, Und zvenu ihr kommt, ihr zverdet hoch empfangen! Die Glocken lauten und. ganz IVien zvird schauen, Als ob ein VVunder angekommen sei. Ihr kommt von Siinde und von Schande frei, G e lob t von Mannern und geliebt von Frauen, Und solehes Lob vcrdienet fort und fort, Dass nie ihr horet jenes harte Wort: Es zvare gut, zvenu ihr gefallen dort. —<0 105 Unter Glockengeiaute uncl dem Jubelruf des Vol- kes zogen endlich Walther und Leopold in Wien ein. Nocli einmal schienen dem greisen Sanger holde Tage zu lacheln. Der Wiener Hof war wieder zu einer bun- ten Haide geworden, wo man Blumen und Bliithen bracli, und es felilte \veder an Kranzlein und Gebiinde, nocli an Frauen zu Tanz und Reihenspiel. Wie behag- licli fiihlte sicli VValther, seit er Drei Hofe weiss, o wonnigliches Leben! Die Pfannen s a tis en, mul e s gliihn die Reb en. Der Patriarch, der bied’re, ist mir liold, M ein ziveiter Trost ist Herzog Leopold Von griiner Steier und von Oesterreiche. IVer lebt auf Erden, den ich ihtn vergleiche ? Von s ein en Hdnden stromt der Gaben Plut. h, Und- wie man Welf t der liingst im Sarge ruki, Noch immer preist, ist auch sein Ohm so gut, Dass ich nicht mehr von Thiir zu Thiire streiche. Und dennoch, je liinger sicli VValther am Hofe Leopolds befand, desto unbeliaglicher wurde es ih m. Er war eben ein grauer Mann gevvorden, der sich in die Freuden des jiingeren Nachwuchses nicht mehr zu finden verstand. Wie von jeher Greise zu thun pllegen, lobte auch er die Vergangenlieit und schalt die Ge- genwart. Insbesonders richtete er seinen Tadel gegen die herrschende Richtung in der Kunst des Gesanges. Ungeschlachte Tone hatten auch in Wien den hofischen Gesang verdriingt, und die Zalil derer, die das e die Singen stdrten, vvar ungleich grosser als jener, die es gern vernahmen. Walther folgt einem alten Spruche und halt sich Ap io6 o>- sorgsam von der Miihle fern; IVo der Stein sich rauschend schvoingt Und das Rad wie Donner klingt, JVer ivird da ivohl harf en geni? Ziirnend muss ich derer lachen, D er en Lieder frech erschallen; Und wie breit sie sich noch machen Und sich sclbst so wohl gcfallenl Selit im Teich die Frosche dort, Denen so gefdllt ihr Schall ' Dass verstummt die Nachtigal/, Sange sie auch gerne fort. Gleich dem Vogel auf den Zweigen Mocht’ es zviederum erschallen, Wenn die Ungunst muss te schweigen In den herzoglichen Hallen. So von Hof und Burg verbannt, lYand’re sie ins Dorf hinaus In der Bauern dumpfes Haus, JVo sie ihre JViege fandl Ja, er beruft sicli geradezu An Herzog Leopold, dass er dem Unfug steuere, sonst milsse auch er an- fangen, seinen Sang zu verkehren und unhofisch zu werden. In no mine domini! Sprechet Amen! (Das hilft vor Ungliičk und teufliscliem Samen), Verflucht sei, o horet den ziirnenden Klang , IVer Freude uns storet und hofischen Sang! -<0 107 Ich hcibe bisher immer hofisch gesungen, Docli hat mich unhofische IVeise bezvoungen, Die ist nun bet Hofe genehmer als ich; IVas ehren mich solite, verunehret mich. 0 Herzog von Oesterreich, Leopold, sprich, Sonst singe auch ich ime unhofische Zungenl Aber auch sonst hat die Erde fiir den Sanger ihren Glanz verloren. Er sieht nur nocli Gift in den Blumen und sehnt sich aus undankbarer Welt nach den Freuden des Himmels, sich riistend fiir Die letzte Fahrt. Den Lohn d er Welt hab’ ich er s din, IVas sie mir gab, das nimmt sie mir; IVir scheiden alle nackt von ihr: O Schande, soli's auch mir geschehn! Ich setzte tausendmal fiir dich IVohl Leib und Se e le ein. O Goti, frizi, da ich alt bin, treibst du Spott, Und ziirri ich, so verlachst du mich. Nur zu in deinem Uebermuth! Einst ivird der Tag des fammers kommen Und nimmt dir, was. du uns genommen, Wenn dich versengt der Halle Gluthl D'rum riiste, Sede, dich zur Fahrt! Ich habe manchem oft und viel Das Herz crfreut durch Saitenspiel, ličitt' ich nur selber mich bezvahrt! IVanh Erdenlie.be ich erhob, Kam Se e le in de s Zornes Bran d: Nur ivahre Minne kat Bestand, Ein VVahnsinn, sprach sie, ist dein Lob. Las s Erdenliebe, sie zerbricht, Und halte Gottesminne werth! O glaube mir, die du begehrt, Sie ist die ec h te Liebe nicht l Bei solchen Klangen cliirfen wir uns nicht wundern, wenn der Wiener Hof des Dichters uberdrtissig wurde und die Schwachen seines Alters verspottete. Walther verstand eben die Welt und die Welt ihn nicht mehr. Als endlich aueh Leopold der ewigen Kiagen miide war und den Freund, wenn auch nur scherzend, in d en Wald wiinschte, gab dieser, unbesonnen genug, Die Verwunschung in gereizter Stimmung an den Herzog zuriick. O wiinsche mich ins Feld und zu den Leuien, Nicht in den Wald, ich kanu ja doc h nicht renten! Sie sehen mich , ich seli’ sie gerne an, Du miinschest Boses einem Biedermann . Bannst du mich fort, so thust du mir zuleide; Gesegnet sei der Wctld and auch die Haide! Sie sind fiir dich. IVas doch dein Unvmth sprach. Lch wiinsche dir der Tannen dunkles Dach, Weidmanns Gemach, doch du mir Ungemach. Dir Wald, mir Feldl So freuen wir uns bei de. — IO9 0>~ - Bald nach diesem Spruche nahm Walther die Fiedel auf den Rucken und sagte Wien das letzte Lebewohl. Zwar trat die Donaustadt in ihrem sinnlicli reizendsten Gewande noch einmal an den Sanger heran und suchte ilm mit stissen Worten an sich zu loclcen; jedoch um- sonst. Walther und Vindobona. Vindobona. Wie, du ziirnest? Gib, o Walther, Deine Fiedel nur von dir! Warum musst du, gleich dem Falter, Ewig \vandern? Bieibe liier ! Sieli, du zitterst und musst weinen, Und bist sonst doch nicht so weich — Wie so hart mag dir’s erscheinen, Dass du gelist aus Oesterreich! Walther. Scheiden muss ich mit verweinten Augen iiber dich, o Welt. Gliicklich, wer aus tausend Freunden Einen noch am Busen. halt! Warum klagt man, dass die Alten Wandern in die Gruft hinab? Hoffnungsreiche Kinder falten Ilire Uande an dem Grab. Doch dass Ehre, Zucht und Treue Aus d er Welt geflohen sind, Klagt man nicht, obschon die dreie Scheiden erblos, ohne Kind. -<^0 I IO Q^>- Ueber Thal und liber Hiigel Zu des Ilimmels ewiger Pracht Heben sicli der Seele Fliigel Aus der Erde dunkler Nacbt. Vindobona. Glatte deiner Štirne Falten, Blicke nicht so lebensmat.t! Habe ich nicht' stets gehalten, Was dein Herz von mir erbat? Sieh die Stadt zu deinen Fiissen, Wie es singt und klingt und klirrt! Kebre um, du solist geniessen, Bis die Stunde dich entfiilirt! Walther. Fort! Ich hab’ zu lang gesogen, Welt, an deinem sussen Gift, Und du hast mich nur betrogen. Eine Zaubermarchenschrift Las ich einst in deinen Augen, Die mir lachelten so lieb; Lust und Liebe wollt’ ich saugen, Der ich arm an Liebe blieb. Vindobona. Eins nur, Walther, lass dich flehen, Da ich dich nicht lialten mag: In den einsam bittern Wehen Denke an so manchen Tag, Den du hier im Paradiese Oesterreichs genossen hast, Da du auf der Blumenwiese Mit der Tanzerin gerast! ~

- O sende mir das Licht der Gnade, Ich habe dich so schwer gekrankt, Da v on der Tugend rauhem Pfade Der Dur st der Holle mich gelenki. Mit deinem Flammenschzvert vernichie Den basen Feind, der uns bethort Und trotz dem gottlichen Gerichte Die Sinne zv id er dich emport. Er zvini besiegt vor dir sich zvinden, n Da seine Machi zsjie Spreu zerstob, Doch jubelnd zvini die Erde kiinden Die Kraft des Herrn, die. uns erhob. Hallelu _ ja, Hallehi ja ! Denn die- Holle steht verzagt, Die in Silnde uns gejagt. Dir auch, reine Himmelsmagd , Halleluja sei gesagt! Durch dem Kind im Stalle nackt Hat die Erde neu getagt. Magd und Mutter du, o schaue Deiner Christen bange Notk, Gleich dem griinen Štabe Aarons, Jungergliihend Morgenroth! Du des Tempels Pforte, zuelche Keinem sich erschlossen kat Und durch die des Himmels hehrer Konig aus und ein mir trat; Wie durch ganze Fensterscheiben Sonne zvirft den gold’nen Schein, Hast du Christum einst geboren Und bliebst Jungfrau keusch und rein. 8 -

- In hellem Brand Der Busch einst stand, Und er grunte lustig fort; Funken spriihn, Doch es gliihn Seme Blatter unverdorrt. So die reine Magd alleine Dick cmpfieng, das Gotteswort, Da sie ohne Manneslist , VVas kein Sterblicher ermisst, Deine Mutter, yesu Christ, Gottlich rein geuoorden ist. Halleluja, Hallelujal Denn versclnminden ist die Na c]it, Seit zu Bethlehem im Stali Jesus ob der Menschen Fali In Mariens Schoss geruht Und am Kreuz mit seinem Blut Von uns wusch der Siinden Fluth, Welche Evas Schuld gebracht. Solin und Vat er, ach, o sendet Uns herab den heiligen Geist, Der ans diirre Herz sich wendet Und mit sussem 'Frank es speist; Denn es siechen aller Orten, Wie an Werken so an Worten, Die zu Christus sich bekennen Und vor heisser Sehnsucht brennen Nadi der Lehre echt und rein, Wie von Rom sie einst gejlossen; Schenkte man sie also ein, IViirde Gottes Huld uns sp ros s en. - I I 5 - O Maria, sonnenreine, Lichte Rose ohne Dom, Stille deines Sohnes Zorn, Dass er gnddig uns erscheine! Engel dir zum Preise singen Und durch alle Welten klingen Lieder dir und deinem Sohn; Biite du vor Gottes Thron Pur uns Arme, schuldbeladen, Dass er durch den Quell der Gnaden Uns gewdhre ewigen Lohnl »Wie' beim Sinken der Sonne die Thaler sich in Schatten hiillen und bal d nur noch die liochsten Gipfel beleuchtet stehen«, so entschwand auch dem Dichter alles Irdische. Er hat von der Welt Abscliied genom- men und auf ali ihr Flehen, sie nicht zu verlassen, \veiss er nur eine Antvvort: Ich will zur Herberge fahren. Und was ist zunachst diese Herberge, die ihn fiir die Freuden der Welt entschadigen soli? Es ist das heilige Land, die durch den Gottmenschen verklarte Erde, von welchem die Schwelle zum Ilimmel fiilirt, denn der Tod unter dem Banner Christi wird zur Auferstehung im Jenseits. Da tonte in sein einsames Stilleben die Kunde, dass Friedrich II. kreuzfahre. Ueber hundert Jahre waren dahingegangen, seit der hagere Monch von Amiens durch die Lander des Abends ritt und mit beredter Zunge von den Leiden und Miihsalen sprach, welche das heilige Grab und dessen Pilger zu erdulden hatten. Wie Feuerfunken im Wehen des Sturnvvvinds zur furchtbaren Flamme wach- sen, so schwoll auch die Begeisterung fiir das heilige Land in den Herzen der Abendlander zu j enem religio- sen Wahnsinne an, der die Ziigc nach dem heiligen 8 * -•

117 Der grosse Sturm. Ruft dreimal wch, es kommt etn Sturmesbrausen, Voh ivelchem ihr schon singen hort und sagen, Dor wird mit Grimm durch alle Ltinder saiisen, Dass laut crtont der frommen Pilger Klagen. Baum wird an Baiim und Thumi an Thurm zer- schlagen, Dem Stdrksten schleudert er das Haupt herab; O lasst uns Jiiehen nack dem heiligen Grabi Ruft dreimal weh, wie in dem deutschen Lande Verstand und Iihre, G o Id und Silber schwinden! Wer diese hat und bleibt zuriick mit Schande, Dem wird der Lohn des Himmels sich entvoinden. Er wird nicht Huld bei Fran'n und Engeln jinden: Ein armer Mensch auf Erden und vor Gott, Muss er sich fiirchten vor der beiden Spott. Ruft dreimal weh, uns Faulen ist entrissen Die Lust der Er de und des Himmels Lust; Wir hab en keiner Arbeit uns befiissen, Da mir der Lenz zu loc/cen uns geivusst. Mit Jliichtigen Bhimen schmiickten wir die Brust Und horten auf der Vbglein kurzen Rang, IVohl dem, der nur nach ewigen dre ude n rangi Ruft dreimal weh, die wir mit Grillen sangen, Statt dass wir dachten an die IVinterzeit Und mit Ameise um die IVette rangen, Die nun geniesst der Sommeremsigkeit. Es ist der alte, ewige Erdenstreit: Der Thor verachtet stets der Weisen Rath, Dort wird man sehn, iver hier gelogen hat. - I I 8 Q>- Wohl spricht aus den nun folgenden Kreuzliedern nicht mehr jene unmittelbare Warme, wie sie in den Gedichten sclimerzlicher Weltentsagung herrscht, doch sind sie immerhin in einem Tone gelmlten, der mach- tig genug Tvar, um an die Ilerzen reuiger Christen zu schlagen. singt er, Das Land, das reine, Ist hilflos iind alleine, Jerusalem, o weine, Dass du vergessen bist. Wie sich die frechen Heiden . An deiner Knechtschaft rveiden. O lass dich solcher Leiden Frbarmen, Jesu Christ! Ihr Christen auf, von dahnen , Lasst utis mit Kreuz und Fahnen Den IVeg zum Himmel bahnen Durch das gelobte Land! Gott will mit Heldeshanden Den 7ag des Jammers enden Und ewige Wonnen spenden Fur Kreuz und Schildesrand. Ja, die Schivingen der Phantasie trugen den Dichter sogar iiber Land und Meer, und er betrat im Geiste den hehren Boden, wo Christus geboren wurde, sah den Jordan, wo er die Taufa empfieng, und den Berg Golgatha, auf dem er am Kreuze starb. Als ob er selbst im heiligen Lande gewesen ware, singt er ein Lied: --<0 I 19 Q>— - Im gelobten Lande, bestimmt, von jenen gesungen zu werden, die als Wallfahrer die heilige Statte betraten: Nun erst leb’ ich rccht im IVerthe, Seit mein Siinderauge sieht Jene gottgevoeihte Erde, Die in hochster Ehre bliiht . Mein ist, zvas ich stets erbat , Da den Boden ich betrat, IVo einst Gott gezoandelt hat. IVas ich auch an schonen Reichen Auf der IVanderfahrt gesehn, Keines karm sich dir vergleichen , Wo der IVunder viel geschehn. Hehr vor aller Engel Schaar, Kine Magd ein Kind gebar, Ob da s nicht ein IVunder zvar? Hier Hess sich der Reine taufen, Da s s der Mensch gereinigl sei; Liess fur uns sich hier ver kan fen, D as s wir Knechte w ur den frei. Und aits Speer und Kreuz und Dom Eloss uns zu der Gnade Bom, D’rob ergliiht der Ileiden Zorn. Aus der Pforte des Grabes stieg Christus in den Schlund der Hdlle, warf -den bdsen Feind nieder, hob sich wieder empor und durclibraeh zum Entsetzen der Juden die Hut der Wachter. Vierzig Tage weilte er noch im Kreise der Jiinger, dann fuhr er zum Reich -120 a)- cles Vaters auf, von vvannen er wieder kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Todten. Darum, auf fiir Christus und Jerusalem! Christen , Juden, Heiden sprechen , Dass dies Land ihr Erbe sei; Diesen Streit wird Gott zerbrechen , Er bei seinen Namen dret. Alle Welt begehrt das Land ’ Gott hat uns es zuerkannt Uns auch sei es zugeivandt! Wie gern ware auch Waltlier iiber die See gezogen! Ihn fesselte nichts mehr an diese Erde, aus der alle Freude geflohen war; aber der wanderlustige Mann war zu alt geworden, um durch Speerwurf die Krone des Himmels zu verdienen. In der Elegie »Einst und Jetzt«, der schonsten und tiefstempfundenen Dichtung "VValthers, nimmt der Dichter von der Welt Abschied, auf der er »nie auch nur einen halben Tag ganzer Freude genossen hatte«. Wie ein verblasster Traum liegt die Zeit der Jugend hinter ihm. Noch einmal lasst er vor seinem Geist die geliebte Heimatstatte voriiberziehen, liber welche die Zeit mit so andernder Hand hinweggegangen vvar. Und wie liber die Heimat, klagt er auch iiber das verwandelte Vaterland, von dem alle Zucht und Sitte gewichen und dessen Haupt, sein geliebter Kaiser, un : ter dem Fluche des Bannes litt. Glitcklich derjenige, der sich aus dieser Welt des Jammers nach dem hei- ligen Lande retten kann, um fiir Christus zu sterben. Die Seele des Dichters aber schvvebt bereits aufvvarts nach den lichten Regionen des Himmels, um dort oben zu finden, was ihm die Erde versagt hatte: Ruhe und Frieden. -«<£> 1 2 I a> - Einst und Jetzt. O zv eh, zvohin entschzvunden ist mir so manches Jakr? War nitr ein Traum mein Leben oder ist es wahr, IVas ich auf Fr de n schaute mit meincr Augen Licht? Gezviss, ich hab ’ geschlafen und ich weiss es nicht. Und nun bin ich erzvachet und ist mir unbekannt, IV'is ich vor Zeiten kannte wie meine andre Hand. Wo ich a Is Kirni g ewandelt auf meincr Heimat Ho Ji n, Sieht man mich an, als hdtten sie nienuils mich gesehn. Die mir Gespielen zvaren, zvie trdg sirni sie und alti JVo einst im heiligen Dunkel gerauscht der Tannen- zv a Id, Da seh’ ich stohe Pf iige die tiefen Furchen ziehn, Nur du, geliebtes IVasser, stromst no c Ji 7 vie sonst dahin . Ja selbst der Freund, von dem ich einst scJiied mit zvarm em Kus s, Geht jetzt an mir voriiber und scJienM mir keinen G rus s. D ’rum zv e h mir , zvenu icJi denJie an maneken schdnen Ta g, Der mir dahin zerronnen, zvie in das Meer ein ScJilag, Fiir immer, zv e Ji, o zv e Ji! O zveh, zvie traurig blic/zen die Jiinglinge vor sich, Sie, denen ni e vor Kummer die JVange sonst crblich! AufiJiren ScJiultern lasten nun Sorgen bang und schzver, IVohin der Blick sich zvendet, ist alles freudenleer. Kein Tanz auf griiner Haide, kein Lachen, kein Gesang, Man sah noch nie die Christen so jammervoll und bang. PVie auf dem Haupt der Frauen das Siirngebdnde ruht, Und zvie sich bati rise h kleiden die Ritter hochgemuth! - 122 o> - O Deutschland, armes Deutschland, zvohl hast du G rund zu klagen, Rom hat dich nie gesegnet, du hast jiingst Banu er- tragen. Das thut mir we.h, o glaubt mir, einst zvar’s so zvonne- voll, Dass ich, anstatt zu lachen, nun zveinen, zveinen soli. Die Voglein selbst im Walde betriibet unser Klagen, IVas Wunder, muss ich Aermster dariiber ganz ver¬ za gen ? Was sprichst du? Nein, es zvar ja der Zorn nur, der so sprach, Wer Erdenzvonne folget, verliert den Himmel, ach Fiir immer, zv eh, o zjuehl O zv eh, zvie lieblich duften die B'himen dieser Welt! Und doch ist ali ihr Honig vergiftet und vergdllt. Es ist die Welt von aussen so zv e is s, so griin, so roth, Doch sieht man sie von innen, ist schzvarz sie zvie der Tod. Wer nun dure h sie verleitet, der kontni', ich zveiss ihm Rath; Der Biisser findet Gnade fiir schzverste Missethat. Auf Rilter, auf, und haftet euch an des Kreuzes Bildl Wozu tragt ihr die H cime, zvozit den fe sten Sc hi Id, IVozit die lichten Ringe und das gezveihte Schzvert ? O Goti, dass ich auch zvare fiir dich zu streiten zverlh! Ich armer Mann, ich komite verdienen reichen Sold. Nicht Ackerland, nicht Burgen und nicht der Herren Gold — Die Himmelskrone selber niocht' auf dem Haupt ich tragen, Die der geringste Soldu er d ur c h Speerzvurf karm er- jagen. O dass ich ziehen komite mit euch zvoki iiber die See, Wie zviird’ ich singen und jubeln: Heil miri und nicht: O zveh, O nimmer: Weh, o zveh! -

- Zitternd wandelten des Liedes Wellen durch die Maiennacht; Walther lauschte und sein Auge Glomm in uberirdischer Pracht. Was er sang, gewann Gestaltung, Und es drangten sich sogleich Air die Kinder seiner Muse An ihn, Lied und Spruch und Leich. Kosend schmiegte eins vor allen Sicli an Sangers bleichen Mund: Kennst mich, Vater? Ach, du sangst mich, Als dein Herz von Liebe wund. Mit der Nachtigall wetteifernd Tonte deine Melodei, Und du herztest und du kiisstešt Und du riefst: Tandaradei! Doch das Kind der heit’ren Muse Drangte weg der ernste Spruch: Ich bin’s, Meister; an die Felsen Romaš schlug dein harter Fluch; Und der Fels begann zu wanken, Doch der Himmel blieb dir gut; Was du sprachst, es kam aus tiefster, Aus des Glaubens reinster Gluth. Nimmer frommt’s, dass ihr an Minne Und an Fluch den Meister mahnt, Rief das herrlichste der Kinder: Segne mich, das Vaterland! —

- Doch mcinchmal kiissen sie leise Einen bemoosten Strin, Dem grud zu andern Zeichen D/e Zeit /lir Zeichen ein. Jahrhunderte lang schon halt er Unter dem Baume Ruk \ Deckt treulich die Gebeine Eines edlen Dichters zn. Aus de s s en Brust befreite Sich einst ein Liederstrom Voli inniger Liebe zu Deutschland Voli kiihnen Zornes auf Rom. Er sang zu Gotles Ehre, War fromm und wahr und rein Und 7Uob den deutschen Frauen Ums Haupt einen Heiligenschein. Es bliihten die Blumen schoner, Wenn er deri Friihling sang, Die Voglein zzvitscherten leiser, Kam er den Wald entlang. Auch simi ihm treu geblieben Die Vogel immerdar, Si e konnten’s nicht vergessen, Wie gut er ihnen zvar. . . Die Sage kiindet namlich, Walther habe teslirt, dass man auf seinem Grabstein den befiederten Siin- gern Wasser und \Veizen reiclie. - 4 p 127 o; » Und gehorsam dem Gebote, das er noch im Ster- ben gab, Fiitterten die Monch’ ali' Vogel mittags auf des San- gers Grab. Und der kleinen Minnesanger flogen immer mehr und melir Selbst im Regen, selbst im Sturme auf das Grab des Sangers her. Auf der riesigen Lind' am Kreuzgang, auf des Stiflers VVappenschild, Ob dem Eingang , auf deti Grabern, auf des Sange?'s steinern Bild, Auf dem Kreuzstock jedes Fensters, auf der Thiirme Schloss und Band Stritten sie den Streit der Wartburg, den der Sdnger einst bestandj Sangen sie in lustigen JVeisen Lieder voller Lob und Freud\ Und aus ihren Kehlen sc ha lite hell der Name : Vogel- iffeid’ /« Dies walirte, fahrt die Sage fort, so lan ge, bi s einst sp rac h ein Aebtlein feist: Aufwand! Mit dem Mehi des Brotes Fa sten de, nicht Vogel spe is t /« Und so geschali es, dass der fiir die Vogel be- stimmte Weizen in Semmeln vervvandelt und an Wal- lliers Jahrestage den Chorherrn des Munsters gegeben wurde. Man mag diese Sage als »sentimentale Selima- rotzerpflanze« auch noch so angreifen und das Plumpe und Unwahrscheinliche derselben nacliziuveisen suchen, sie bleibt immeVhin lieblicli und zart und gibt dem milden und liebevollen Sinne Walthers ein wiirdiges Zeugnis. 28 Q>- Das Grab ist langst versunken und vergessen; aber ein glitiger Štern bat uns eine treffliche Inschrift be- wahrt, die an unserem Dichter drei wesentliche Eigen- schaften bervorhebt, dass er als Lyriker die Bliithe des Ausdrueks, als Spruchdichter der Mund der Pallas und als Menscb cjie Rechtschaffenheit selbst gewesen sei. Sie lautet: Pasata, qui volitev itn t vivus, IValthere, /nis ti, Qui flos eloquii, qui Palladis os, obiistil Ergo qitod aureolam probitas iua possit habere, Qui legit, hic dicat: Deus istius mi severe! Der dn bei Leben, o Walther, gezoesen der Vogelein Labe, Blume des Worts und Mund der Pallas, du schlafst nun im Grabe. Dass du die Krone des Himmels erlangest, der Red- liclisten Einer, Sage, zver imtner die s liest: Der Herr erbarme sich s einer! Wir aber Wollen von dem Grabe des Dichters mit dem Wunsche Hugos von Trimberg scheiden: Herr IValther von der Vogehveide, Wer s ein v er g tis s’, der thiit' mir leide. Verlag von Ig. v. Kleinmayr & Fed. Bamberg, Laibach. Recensionen liber Samhabers Walther von der Vogelvveide. Illustr. Weihnachtskatalog fiir den deutschen Buchhandel und literar. Jahresbericht. Herausgegeben von Prof. Dr. E. Dohmke, Dr. A. Oppel, Dr. O. Seemann. 1882. Es ist nicht eine tJbersetzung des ganzen Waltber, sondern eine poetisch ausstaffierte Schilderung seines Lebensganges, in welche an geeigneten Stellen ganze Gedichte Walthers oder auch Bruchstiicke davon ein- geschoben sind, so dass die Erzahlung sich durch diese Gedichte arabeskenartig hindurchtvindet. Jedenfalls eine originelle, und wie uns diinkt, auch beifallswiir- dige Idee. Die gegebenen Ubersetzungen sind nicht wortgetreu (auch Sarahaber ist der Meinung, dass eine wort- und versgetreue Ubersetzung mittelalterlicher Dichtungen einUnding sei), sondern eine Nachdichtung, tvelche die reiche und schone Gedankenwelt Walthers in eine der heutigen Sprache und Denkweise ange- passte Gewandung bringt. Hoffentlich erwirbt das hiibsch ausgestattete Biichlein sich viele Freunde. Grazer Tagespost. Samhaber hat die Aufgabe, Walthers Lieder und Spriiche frei nachzudichten, trotz ihrer grossen Schtvie- rigkeit in vorziiglicher Weise gelost. Das Werkchen ist sehr elegant ausgestattet. •<(o 2 Q>- Uber Land und Meer. Ein hiibsches Biichlein bietet uns E. Samhaber in seinem «Walther von der Vogelweide». Es ist inter- essant, darin zu beobachten, wie Leben und Dichten bei dem Dichter innig zusammenhangt, und wie Goethe Recht hat, wenn er sagt, jedes Gedicht sei ein Ge- legenheitsgedicht. Der Herausgeber hat als Ubersetzer ganz Anerkennungswertes geleistet und hauptsach- lich darauf gesehen, die Gedichte dem Verstandnis nahe zu bringen. Das Biichlein wird namentlich in Frauenhanden willkommen sein — moge es ihnen ein Fiihrer zu unserem grossen Liebesdichter werden. Die Gegenwart. XXI. 5. Berlin, 4. Febr. 1882. Der Verfasser macht den Versuch, das Leben Walthers poetisch auszuschmiicken, und zwar durch Walthers eigene Dichtungen. Die Fachkritik wird freilich zu diesem Unterfangen den Kopf schiltteln, aber man kann dem Verfasser nicht ernstlich ziirnen, denn seine Nachdichtungen sind meist gelungen und werden manchen Leser, dem die Welt altdeutscher Dichtung fremd und unverstandlich geworden, fiir den unnachahmlichen Meister erwarmen. Čsterr. Zeitschrift «Heimat». In der Weise, wie Samhaber Walther vorfuhrt, werden die Dichtungen unseres Walther fiir den grossen ICreis des gebildeten deutschen Lesepublicums ver- standlicher und zuganglicher gemacht, dem dieselben trotz melirfachen und nicht schlechten Ubersetzungen bisher so ziemlich fremd geblieben sind. Das Buch ist mit besonderer Munificenz ausgestattet. -<0 3 a> - Zeitschrift fiir osterr. Realschulwesen. Der Verfasser hat eine vortreffliche Auswahl der schonsten Gedichte Walthers getroffen und — da ihm selbst die Muse hold ist — mit der Kunst des Dicli- ters ein neues Wort und eine neue Form fiir den Inhalt der Gedichte \Valthers gefunden. Die wirk- samste und schonste Interpretation zu dieser Auslese bilden die lebensvollen biographischen Gemalde, die der Verfasser auf Grund der bedeutendsten Momente im Leben des Dichters entwarf und in welche er die ausgewahlten Dichtungen mit Gliick und besonderem Vortheile einzustreuen wusste. Bei der Zeichnung dieser einzelnen Gemalde hat sich der Verfasser oftmals zu eigenem Dichten begeistert. Diese Originalgedichte sind alle dem Inhalte nach und formell gelungen und verleihen der Darstellung einen besonderen Reiz. Wir wiinschen dem Buche recht viele Leser, denn es will dem gebildeten Leser, der nicht Fachmann ist, den grossen Dichter des Mittelalters in einer Form naher bringen , wie wir sie trotz der reichen Waltherliteratur noch nicht vorfanden. Die Aus- stattung des Buches ist ebenso geschmack- als stilvoli. Joh. Neubauer. Rodiger, Deutsche Literaturzeitung, Berlin. Samhabers Plan, die Gedichte Walthers unsern Gebildeten zu vermitteln, indem er einerseits die Lieder nicht nur in unsere Sprache, sondern auch in unsern poetischen Geschmack iibertragt, ist fast in jeder Hinsicht gelungen. Die Ubertragungen ver- dienen meist alles Lob, sie sind getreu, im Sinne des Dichters und im Geiste unserer Sprache. Die besten sind: Die verschvviegene Nachtigall, Deutschlands Lob, -