SLOVANSKA KNJiZNiCA LJUBLJANA Codex Austriaeus Ein Gedenkbuch über Fürst und Volk in Österreich von P. von Radies. Dresden, Leipzig und Wien. E. Pierson’» Verlag:. ^ Alle Rechte Vorbehalten. z 300^?Ä Motto: „Europa verdankt vorzüglich den Be- mühungen der Höfe, dass es aus dem Schiammo der Barbarei gezogen, nun die Sonne einer hohen Civili-sation geniessen darf. Mannigfaltig und gross und umfassend sind die Verdienste so mancher Fürsten dieses Erdthoiles um jenes heiligste Geschenk der Menschheit; aber unter allen dermal regierenden Häusern ist das österreichische das älteste, es hat also auch am längsten zu diesem erhabonen Zwecke mitgowirket, eine beträchtliche Anzahl Zweige aus selbem zieren die Geschichte als Bildner und Cul-tivirer der Völker.“ K. Fr. Suntinger: Darstellung der Kultur und Humanität des kaiserlichen Österreichischen Hofes, Wien 1803. Vorwort. Von der den österreichischen Verhältnissen im Allgemeinen und namentlich den österreichischen Schriftstellern gegenüber so fördernd gesinnten Verlagshandlung von E. Pierson (Richard Lincke) freundlichst aufgefordert, zur Erinnerung an die 50jährige Regierung Sr. Kaiserl. und Königl. Apostolischen Majestät Kaiser Franz Josef I. eine Denkschrift zu verfassen, glaubte Verfasser keinen würdigeren Vorwurf finden zu können, als den des stets innigsten Verhältnisses der Fürsten aus dem erlauchten Hause Habsburg und der ihrer weisen Führung anvertrauten Völker in Österreich, zumal dieses selten schöne Verhältnis eben in der Epoche unseres glorreich regierenden allgeliebten Kaisers und Herrn durchwegs zum meistprägnanten Ausdrucke gelangte und nicht nur in der Staatengeschichte Österreichs, sondern auch in der allgemeinen Ge- schichte der Menschheit ein ewig dauernd Denkmal darstellen, ein fernhin leuchtend Vorbild bleiben wird für und für! Und hat das die ganze gesittete Welt tieferschütternde Ereignis des lü. September 1898 eben in diesem Jahre unsere allgefeierte, ja angebetete Kaiserin und Königin entrissen und „die Festklänge, die dieses Jahr begleiten sollten,verstummen gemacht“, so „schlingt doch“ — um aus unseres erhabenen Monarchen monumentalen Manifeste an seine Völker weitere herrliche Worte gebrauchen zu dürfen — „die Gemeinsamkeit unseres Schmerzes ein neues inniges Band um Thron und Vaterland!“ In diesem Sinne mag denn auch die Ausführung dieses Werkes, das Verleger und Verfasser sich vorgesetzt, noch in diesem in so grausamer Weise zum Trauerjahre umgewandelten, so froh gedachten Erinnerungsjahre gerechtfertigt erscheinen und zugleich auch einen bescheidenen Immortellenkranz darstellen, dargebracht dem Andenken an „die edelste der Frauen, deren Herz keinen Hass gekannt und nur für das Gute geschlagen“, an Ihre Kaiserl. und Königl. Apostolische Majestät die Kaiserin und Königin Elisabeth! Zum Schlüsse dieser einleitenden Zeilen mögen nur noch ein paar Worte gestattet sein über Plan und Anlage dieser Schrift. Der Name, der ihr gegeben worden, ist dem Titel der ersten österreichischen Gesetzsammlung aus den Tagen Kaiser Leopold I. entlehnt, welche die für die Bedürfnisse des Staates und der Bevölkerung bedeutendsten und vitalsten Gesetze und Verordnungen vom 14. bis an den Beginn des 18. Jahrhunderts zusammenfasste. Da diese Gesetzsammlung in hunderten und aberhunderten von Beispielen die wenngleich unter den verschiedensten Verhältnissen und Zeitströmungen entstandenen, doch stets die gleiche weise und gütige Absicht für das Volkswohl seitens der Regenten aus dem Allerhöchsten Herrscherhause Habsburg weisenden Verfügungen in klarstem und schönstem Lichte erglänzen lässt, was auch, wie die Folgezeiten lehren, aus allen weiteren österreichischen Gesetzsammlungen und insbesondere aus allen Bestimmungen und Anordnungen Sr. Kaiserl. und Königl. Apostol. Majestät unseres aller-gnädigsten Kaisers und Herrn Franz Josef I. für die fernste Nachwelt festgestellt bleibt, so glaubte der Verfasser für sein vorliegendes Bucli über das traditionelle, durch die Liebe und Treue der Völker für das angestammte Haus Habsburg gleichsam codificirte unvergleichlich schöne Verhältnis zwischen Fürst und Volk in Österreich keine passendere und mehr bezeichnende Benennung finden zu können als in den Worten: „Codex Austriacus“. Laibach im Oktober 1898. Der Verfasser. I. „Justitia regnorum fundamentum“. CTjls Ritter des dänischen Elephanten-Ordens, wozu A ihn König Friedrich VI. ernannt hatte*), wählte Kaiser Franz II. (I.) zu seiner Devise den Spruch: Justitia regnorum fundamentum (die Gerechtigkeit ist die Grundlage der Staaten), welch’ herrlichen Spruch er dann auf das von ihm (1821) erbaute neue, äussere Burgthor in seiner Reiclishaupt-und Residenzstadt Wien setzen liess. Es war diese Devise zudem im schönsten Einklänge mit desselben erhabenen Herrschers Wahlspruche, den er sich bei seiner Krönung als römisch-deutscher Kaiser (14. Juli 1792) erkoren und der da lautete: Lege et fide (Mit Gesetz und Treue). ln diesen beiden Sprüchen aus Tagen grosser historisch - politischer Bedeutung spiegelte, sich aber zugleich in schönster Weise wieder der traditionelle Rechts- und Gerechtigkeitssinn der erlauchten habsburgischen Dynastie. * * * *) Porta de W.: Die Devisen und Motto der Habsburger. Wien 1887, p. 60. „Weil er gerecht und weise“ war der Stifter des Hauses Habsburg, war Graf Rudolf von Habsburg — wie der Kurfürst von Köln erklärte — zum römisch-deutschen König gewählt worden. Und wie es der Graf von Habsburg gehalten, überall, wo es in seiner Macht gelegen war, Wehrlose und Gefährdete zu schützen, so hielt es bekanntlich auch der Kaiser Rudolf I., der, wie er seine grosse weltgeschichtliche Sendung mit der Verkündigung des „Landfriedens“ begann, selbst rastlos im Reiche umherzog, überall die Klagen der Bedrückten und Beraubten freundlich anzuhören und Recht zu sprechen. „Absonderlich ist dies — nach den Worten des Chronisten — bei Ihme lobwürdig gewesen, dass er seinen Dienern ernstlich anbefohlen, sie sollten doch die Leute, so seiner Hülfe vonnöthen, vor Ihme kommen lassen; lasset doch, sagte Rudolf, hisset doch um Gottes willen jedermann zu mir kommen, denn ich bin nicht zu dem Ende zum Kaiserthumb beruffen, dass ich mich in einen Kasten eingeschlossen halte, sondern allen, die meiner Hiilffe bedürften, solche ungeweigert widerfahren lasse“ — hiemit den Grund legend zu der noch heute bestehenden segensreichen Institution der allgemeinen Audienzen am Hofe der Habsburger. Und noch ein grosses Wort, das die Chronik vom Stifter des Hauses Habsburg überliefert als den Ausdruck seines geläuterten Herrschergefühls, es zieht sich als roter Faden durch die Lebensgeschichte der er- lauchten Nachkommen, das Wort Rudolfs: „Dass ihn seiner Gütigkeit niemals gereut“; Gerechtigkeit und gütige Milde gepaart sind die schönsten Edelsteine im Scepter der Habsburger für und für! — Der erhabenste, alles führende Leitstern aber: Gottesfurcht und frommer Sinn! Die vom Vater, als er den Kreuzzug antrat, von dem er nicht wiedergekehrt, erhaltene hohe Lehre: „Fürchte Gott und folge getreulich seinen Geboten“, diese vortreffliche Lehre hat Rudolf I. wohl beherziget und treu befolgt, in erster Reihe aber geübt die Demut vor dem Schöpfer Himmels und der Erde als Graf schon gegenüber dem „Priester mit dem Leib des Herrn“ in so typischer Art, dass nach Jahrhunderten noch die Erzählung davon und von der durch göttliche Belohnung gefolgten Erwählung Rudolfs zum Oberhaupte des Reiches den grössten Lieblingsdichter des deutschen Volkes zu seinem Sange vom Grafen von Habsburg begeisterte, zu dem weihevollsten und volkstümlichsten Sange, in dem Schiller noch ein Hauptmerkmal im Charakter der Habsburger meisterhaft künstlerisch verwertet hat, den Zug des treuen Gedenkens der Habsburger in den Versen: Jetzt da er dem Siingor ins Auge sah, Da ergreift ihn der Worte Bedeuten, Die Züge des Priesters erkennt er schnell — Hatte Rudolf nach der Besiegung des Böhmenkönigs Ottokar durch Verleihung kaiserlicher Privi- legien und Freiheiten die österreichischen Städte und den grössten Teil des österreichischen Adels für sich gewonnen und sich in der Erwerbung Österreichs eine neue Hausmacht geschaffen, so setzte er zur Verwaltung der österreichischen Lande einen Rat ein*), was dann auch sein Sohn und Nachfolger, der Kaiser Albrecht I. (1282—1308), nicht ausser Acht liess, wenngleich dieser Herrscher einen Teil seiner Räte aus der Fremde heranzog**). Der hohe Gerechtigkeitssinn Albrechts, verbunden mit energischer Festigkeit in seinem Charakter, zeigte sich aber vornehmlich in seiner Haltung bei dem Tumulte des von den unzufriedenen Landständen gegen ihn aufgewiegelten Wiener Pöbels, wobei er auf das Ansinnen seiner Umgebung, er möchte für diesmal nachgeben und nachher bei bequemerer Zeit die Strafe ergehen lassen, sich also äusserte: „Das sei fern von mir, dass ich mich von meinen Unterthanen sollte trotzen lassen, ihre Drohungen bringen mir durchaus keinen Schrecken. Ich weiss gar wohl, wenn ich ihnen jetzt das wenigste nachliesse, so würden sie dadurch künftig nur desto kecker und trotziger werden, ja, wenn ich ihnen künftig nicht thäte, was sie wollten, dürften sie wohl alle Jahre einen neuen Aufstand erregen.“ *) Adler: Die Organisation der Contral-Verwaltung unter Kaiser Maximilian I. Leipzig 1880, p. 101. **) Krone’s Umrisse des Goschichtslobens der deutsch - österreichischen Lfindergruppe. Innsbruck 1803, p. 211. Und das Erste, was Albrecht nach der Unterwerfung des Rates und der Bürgerschaft von Wien tliat, war, dass er jenen Freiheitsbrief der Stadt beseitigte, der ihn mehr als einen Schirmvogt, denn als Herrn der Stadt hatte erscheinen lassen und durch dessen Bestimmung des Stapelrechtes die fremden Kaufleute im Handel gehindert und gezwungen waren, in Wien nur an Wiener zu verkaufen und nur von Wienern zn kaufen! Albrechts jüngsten Sohn Herzog Otto den Fröhlichen (f 1339) sehen wir einen uralten Landesbrauch im schönen Alpenlande Kärnthen hochhalten (1335): Die Übernahme der Landeshoheit aus den Händen eines Bauers auf dem „Herzogoder Fürstenstein“ zu Karnburg. Auf diesen Stein, der gegenwärtig im Wappensaale des „Landhauses“ in Klagenfurt aufgestellt ist und von dem nur noch der cilyndrische Sockel, das Kapital einer römischen Säule, vorhanden, setzte sich ein freigelassener Bauer — ein „Edling“ — der dieses Amt durch Abstammung ererbt hatte. Derselbe hielt mit der einen Hand einen gefleckten Stier, mit der anderen eine Stute von gleicher Farbe, beides, um dadurch auf die Erwerbszweige der Bewohner des Landes hinzuweisen, die dieser Thiere am meisten bedurften. Unweit von ihm stand der Fürst mit dem Landespanier, umgeben von den Landesherren und Rittern in graulodenes Gewand gekleidet und mit Bundschuhen versehen. Hatte nun der Herzog, gestützt auf einen Stab, dem Bauern auf dem Steinsitze sich genähert, so fragte dieser: „Wer ist jener, der so einhergeht?“ worauf die Umhersitzenden antworteten: „Er ist der Landesfürst.“ Darauf fuhr jener fort: „Ist er ein gerechter Richter, welcher des Vaterlandes Heil sucht? Ist er ein Freigeborener? Ist er ein Freund und Verteidiger des wahren Glaubens?“ Diese letzte Frage bezog sich vorzugsweise auf die Christianisierung in Kärnthen um 790, wo Herzog Inguo alle seine Unterthanen, Knechte und Freien, zu sich lud und während er die Vornehmen vor der Thtire mit Brot speiste und ihnen den Wein nur in irdenen Gefässen vorsetzte, jene an seinen Tisch zog, sie in goldenen und silbernen Gefässen bewirtete mit den Worten: „Die treuen und einfachen Bauern seien dessen würdig, da sie rein und mit der Taufe geheiligt, die Edlen hingegen unrein und mit Untreue befleckt seien.“ Daher auch die feierliche Einführung des Fürsten nicht durch vornehme Personen, sondern durch Bauern. Nachdem nun die Umgebung des Fürsten und das Volk auf obige Fragen des Bauern die Antwort gegeben: „Er ist es und wird es sein!“ fuhr dieser fort: „Mit welchem Rechte kann er mich von diesem Sitze entfernen?“ Darauf ward ihm die Antwort: „Du sollst CO Pfennige erhalten, den scheckigen Stier, das Pferd und das Gewand, welches der Fürst an hat und frei wird er Dich machen von jedem Tribut.“ — Darauf gab der Bauer dem Herzog einen leichten Backenstreich, ermahnte ihn, ein gerechter Richter zu sein und entfernte sich vom Sitze, indem er die Tiere mit sich nahm; der Fürst aber stellte sich auf den Stein, ent-blösste sein Schwert und schwang es nach den vier Weltrichtungen laut gelobend, Allen ein Richter zu sein nach Pflicht und Recht. In dieser Weise ging die feierliche Erhebung zum Herzoge von Kärnthen auf dem Fürstensteine zu Karnburg schon lange vor dem 13. Jahrhunderte vor sich, denn der Geschichtsschreiber Abt Johann von Victring, der uns solche Huldigungsfeier Herzog Meinhards von Tirol beschreibt, sagt ausdrücklich, derselbe sei nach altherkömmlicher Sitte auf den Herzogssitz erhoben worden. Nach dieser uralten Gewohnheit liess sich also Herzog Otto der Fröhliche und nach ihm sein Bruder, Herzog Albrecht der Weise, der zugleich mit ihm durch Kaiser Ludwig mit Kärnthen belehnt worden war, in diesem Lande huldigen (1338), wobei er den Kärnthnern und dann auch den Krainern ihre alten Privilegien und Freiheiten erneuerte. Von den nachfolgenden Fürsten aus dem Hause Habsburg war Herzog Ernst der Eiserne, der den alten Gebrauch dieser Huldigungsfeier in seiner ganzen Form erneuerte, der Letzte, der sich am 18. März 1114 dem Huldigungsakte zu Karnburg unterzog. Kaiser Friedrich III. entzog sich, seiner kaiserlichen Würde wegen, dieses Gebrauches, erhielt die Huldigung und verteilte die Lehen zu 8t. Veit. Erzherzog Karl, der die Regierung von Innerösterreich (der Länder Steiermark, Kärnthen und Krain) im Jahre 1564 antrat, und sich persönlich nach Kärnthen verfügte, empfing den Eid der Treue blos auf dem Herzogstuhle am Zollfeld — einem aus roh behauenen Steinen geformten, durch die Witterungseinflüsse von mehr als tausend Jahren vielfach beschädigten Doppelsitze mit gemeinschaftlicher Rückwand — und auch dessen Sohn Erzherzog Ferdinand (Kaiser Ferdinand II.) sass am 28. Januar 1597 nur noch auf dem Herzogsstuhle. Von dieser Zeit an unterblieb dieser persönliche Akt der Landesfürsten, denn Kaiser Ferdinand 111. empfing die Huldigung am Zollfelde durch Bevollmächtigte (1631) und ebenso Ferdinand IV. (1651). Kaiser Leopold I., welcher im Jahre 1660 persönlich nach Kärnthen kam, liess die Huldigungsfeierlichkeit nur noch im Landhaussaale zu Klagenfurt vornehmen und desgleichen Karl VI. (1728), von welcher Zeit an die Stände Kärnthens die Huldigung jederzeit in der Kaiserburg zu Wien darbrachten*). Doch kehren wir zu den Tagen Herzog Albrecht des Weisen zurück. Bei der erwähnten Verbriefung der alten Rechte und Freiheiten der Kärntner und Krainer (1338) war gegenüber der sonstigen Tendenz *) Jabornegg’Gamsenegg-Amthor: „Kärntnerführer“. Augsburg 1887, p. 98. des Mittelalters nach Zersetzung in kleinste Rechtsindividualitäten eine Gegenströmung wahrnehmbar geworden, indem sich die Kärntner und Kramer neben der Bewahrung gewisser hergebrachter Rechte im Übrigen vom Herzoge das steierische Recht erbaten*). In welcher Weise aber Herzog Al brecht im Einzelnen auf das Wohl seiner Unterthanen streng bedacht gewesen, erhellt wohl am besten aus einer Verordnung, die er anno 1340 am St. Jacobi des Zwölfboten Abend erliess und die bestimmte, „Wie die Fischer die Fisch verkaufen sollen“, also lautend: „Welche zu Wien lebendige Fisch verkaufen, sollen ohne Mantel mit blossen Haupt, Sommer und Winter unter der Sonnen und Regen auf dem Markt solang stehen, bis sie ihre Fisch verkauft haben und dieses darumb, damit sie desto geschwinder ihre Fisch verkaufen und wolfeil geben sollen“ **). Albrecht des Weisen Sohn, Herzog Rudolf IV., der Stifter, auch der Scharfsinnige genannt, „weilen er mit einem scharfen Verstand begabt war“, zeigte sich in der Gesetzgebung und Verwaltung durchaus schöpferisch und rastlos thätig. Alles was Karl IV. für Böhmen gethan, suchte Rudolf für seine Länder gleichfalls zu erreichen und erreichte es auch. Er *) Luschin von Ebengreuth: Geschichte des älteren Gerichtswesens in Österreich. Weimar 1870, p. V. **) Codex Austriacus. Wien 1704. I., p. 353. kannte keine Rücksicht bestehender Verhältnisse und man behauptete damals im Volke, dass er Österreich entweder zum Himmel erheben oder an den Rand des Verderbens bringen müsse. Herzog Rudolf verstand es in vollendeter Weise, die Prärogative des Regenten mit den Rechten der Stände seiner Länder in Einklang zu bringen und so sehen wir ihn einerseits, dem österreichischen Landrechte entsprechend, die Landtagsversammlungen regelmässig abhalten, gleichwie in den Beschlüssen und Erlässen seiner Kanzlei die Zustimmung des Landtages ausdrücklich angeführt erscheint, anderseits aber schränkte er die Privatgerichtsbarkeiten wesentlich ein und erklärte er die vielen bisher bestandenen Asyle, bis auf drei, alle als aufgehoben. Auch eine Reihe durchgreifender Reformen hatte Rudolf in kurzer Zeit zur Durchführung gebracht. Er hatte den Adel bei seinen alten Vorrechten geschützt, durch ein neues Steuersystem bedeutend begünstigt und eben dadurch es möglich gemacht, auch den Städten neue Einrichtungen zu erteilen, durch welche sie in ihrer Selbständigkeit, in ihrem Wohlstände und in ihren Rechten in unberechenbarer Weise gehoben und gefördert wurden. Um das durch die Pöst von 1349 entvölkerte und dem Verfalle nahegebrachte Wien, das Herz seiner Besitzungen, wieder zu beleben, gewährte Rudolf zur Wiederherstellung der verödeten Heimstätten und zur Aufrichtung neuer Häuser dreijährige Steuerfreiheit und bestimmte, dass alle darauf lastenden Abgaben und Leistungen durch Zahlung eines achtfachen Betrages abgelöst werden konnten. Die Zünfte wurden zeitweilig aufgelöst und es durften sich Kaufleute, Handwerker und Arbeiter aus allen Gegenden des Reiches in Wien ansiedeln, wobei ihnen gleichfalls dreijährige Steuerfreiheit zugesichert wurde. In allen diesen Anordnungen — muss man hervorheben — weht bereits der Geist einer viel späteren, nämlich der heutigen Zeit, und es ist zu staunen, wie klar und folgerichtig die Mittel zur Besserung der Verhältnisse gewählt waren, welche dann auch den beabsichtigten Erfolg im vollen Masse herbeiführten und es dem Herzog möglich machten, jenen Teil seiner Pläne, welche sich auf die geistige Kultur bezogen, zur Ausführung zu bringen. Von den vernehmlichsten dieser Pläne Rudolfs und ihren noch heute dankbarst empfundenen Ausführungen auf den Gebieten von Kunst und Wissen, der Gründung des Stefansdomes und der Errichtung der Wiener Universität, sprechen wir an anderer Stelle. Waren durch Herzog Albrecht V. (Kaiser Albrecht II.) (1404—1439) und Kaiser Friedrich III. (1440—1493) für die Verwaltung der österreichischen Erb-Länder „Anwälte“, „Statthalter“ und „Verweser“ von Fall zu Fall, namentlich bei längerer Abwesenheit der Landesfürsten von Wien, eingesetzt worden, so mussten doch alle Regierungsangelegenheiten, welche über den Rahmen einer Provinz hinausgriffen, in der Regel dem wandernden Hofe des Kaisers folgen, ebenso alle Processe, welche aus irgend einem Grunde vor das landesfürstliche Hofgericht gehörten. In allen diesen Sachen, sie mochten nun an sich bedeutend oder unwichtig sein, war also ein unmittelbares Eingreifen des Regenten geboten, der dann die Entscheidung persönlich traf oder seinen Vertrauenspersonen überliess*). Für Friedrich III. hohe Gerechtigkeitsliebe spricht das Wort, das er über die Beschaffenheit guter Räte gesprochen, dass sie nämlich zwei Dinge vor der Ratsstube ablegen sollen: „simulatio“ und „dissimulatio“, die Heuchelei und die Falschheit; die Juristen (Advokaten), welche um Geldes willen böse Sachen verteidigen, nannte er „Verkehrer der Rechten“ und Schänder der Gerechtigkeit, und wieder einmal gefragt, welche von seinen Räten ihm am liebsten seien, antwortet der Kaiser: „Diejenigen, welche Gott mehr fürchten, als mich“.**) *) Luschin 1. c., p. 276. **) Birckon: Der durehl. Erzherzogen zu Österreich Loben, Regierung und ßrossthaten . . . Nürnberg 1695, p. 197. Auf seinen Gerechtigkeitssinn hin wurde u. a. auch sein vielgedeutetes A. E. J. 0. V. ausgelegt; die Ambraser Sammlung im k. u. k. Hofmuseum zu Wien besitzt nämlich einen silbernen ganz emaillierten Hofbecher Kaiser Friedrich III. mit fünf Krystallwänden, zwischen denen liebliche Engelchen in Halbfigur die Vocale halten mit in Schmelzarbeit beigeschriebener Deutung: Aquila Ejus Juste Omnia Vincet! Hatte der „letzte Ritter“, Kaiser Maximilian I. (1493—1519), allsogleich, nachdem ihn sein Vater Friedrich III. um 1490 die Leitung des Finanzwesens in den niederösterreichischen Landen übertragen, nicht nur einen Generalschatzmeister für sämtliche Erblande ernannt, sondern auch in „des Römischen Königs Statthaltern und Rüthen eine stellvertretende Behörde zu Wien geschaffen“, so errichtete er in Verfolgung seiner Reformpläne sofort nach dem Tode seines Vaters (1493) in den Erblanden nacheinander Centralstellen für die oberen Lande (Tirol, Breisgau usw.) zu Innsbruck, und für die fünf niederösterreichischen Lande (Österreich ob und unter der Enns, Steiermark, Kärnthen und Krain) zu Wien, welchen Einrichtungen dann die auf eine stramme Organisation der Zentralverwaltung abzielenden Schöpfungen der Zentralbehörden am Hofe (Hofrat, Kanzlei, Hofkammer) und die damit in Einklang gebrachte Entwickelung der Landesbehörden folgte, welche Schöpfungen Maximilians ein Jahr vor seinem Tode in der mittels L6 des sog. Innsbrucker Libells festgestellten „Ordnung“ ihren Abschluss fanden (1518). Dieses Yerwaltungswerk Maximilians trotzte nicht bloss dein Widerstande, der sich dagegen nach seinem Hinscheiden in offenem Aufstande geltend zu machen suchte und einen kühnen Griff nach dem Einflüsse auf Landesregierung, Justiz und Kammergut führte, dieses Verwaltungswerk des weitaussehenden Herrschers Maximilian blieb durch Jahrhunderte die Grundlage des Bich bildenden und erweiternden Staates*). War gleich durch die Erwerbung von Böhmen und Ungarn das provinzielle Sonderbewusstsein gestärkt und die Länderteilung unter Kaiser Ferdinand I. (1519—1564) herbeigeführt worden, so war doch dadurch der Assimilierungsprozess innerhalb der altösterreichischen Lande nicht völlig unterbrochen und seit der Prager Schlacht auch auf Böhmen und Mähren ausgedehnt. Nun begann ein Austausch, bei welchem beide Teile gewannen. Institute, wie z. B. die „Landtafel“, welche sich in Böhmen-Mähren seit Jahrhunderten bewährt hatten, wurden nach Innerösterreich verpflanzt, andere, wie die Verlassabhandlung, auf altösterreichischem Boden erwachsen, wurden in Böhmen neu-eingeführt. Die grossen Codificationsarbeiten des 18. und 19. Jahrhunderts dann, welche der Westhälfte der Monarchie ein gemeinsames Recht brachten, sind *) Adler I. c., p. 481. nichts anderes als die friedliche Auseinandersetzung zwischen der Rechtsentwickelung in Altösterreich und der böhmisch-mährischen*). Hatten im 10. Jahrhundert schon einzelne österreichische Landschaften in ihren in Druck gegebenen „Landrechten“ und „Landhandvesten“ die diese Länder betreffenden Rechte und Gesetze zusammengesetzt, so finden sich die landesfürstlichen „Generalien, Patente, Ordnungen, Reskripte, Resolutionen, Edikte, Dekrete und Mandate“ für Österreich, wenn auch teilweise im Drucke erschienen, bis nahe an den Schluss der Regierung Kaiser Leopold I. nur zerstreut in den Archiven und Registraturen der landesfürstlichen Behörden und herrschaftlichen Ämter, bis es ein emsiger hoher Beamter dieses Monarchen unternahm, dieselben in seinem 1704 das Erstemahl in Druck gelassenen, 1135 Folioseiten zälenden, „Codex Austriacus“ zusammenzufassen**). Hochehrenvoll für den Verfasser, den kaiserlichen Hofrat und geheimen österreichischen Referendar Franz Anton Edlen Herrn von Quarient und Rääl sind die Worte, mit denen Kaiser Leopold I. unterm 2. April 1704 demselben das Privilegium für sein Buch, die 20jährige Freiheit vor dem Nachdrucke, erteilt hat, *) Luschin 1. c., p. VI. **) Bin schönes wohlerhaltenes Exemplar dieses seltenen Buches in meinem Besitze. Anmerk. d. Verf. da Se. Majestät neben dem Eifer und den sonstigen guten Diensten des Herrn von Quarient „sich auch zu Geinüth geführet und erwogen den grossen Nutzen, der Uns und Unsern Erhlanden durch oberwähnten Tractat mittlerzeit kann geschafft werden.“ Für die Vorzüglichkeit und Brauchbarkeit dieses ersten österreichischen Codex, auf dessen Details wir in den einzelnen Abteilungen dieser Schrift Raummangels wegen nur in striktester Kürze werden hin-weisen können, mag wohl der beste Beweis darin liegen, dass dieselbe späterhin Fortsetzungen erfuhr und, in der Zeit bis 1777 reichend, auf sechs Bände gedieh. Ferdinand I. (1519—1564) — mit dem Wahlspruche „Fiat justitia, pereat mundus“ *) —, dessen lange und eingehende Gesetzgebung**) es sich zur Aufgabe gestellt hatte, die alten Landrechte der Stände nach Möglichkeit zu schonen, aber die monarchische Gewalt doch auch in richterlichen Angelegenheiten zur obersten Entscheidungsbehörde zu erheben, Ferdinand I. in Verordnungen und Erlässen ausgesprochene Fürsorge für das Wohl seiner Unterthanen fasst sich am besten in seinen eigenen Worten zusammen, die im „Codex Austriacus“ ***) an der Spitze *) „Das Rocht muss seinen Gang haben, und sollte die Welt darüber zu Grundo gehen“, do Porta I. c. 61. **) Lorenz 1. c. 394. ***) II., p. 471. seines Freiheitsbriefes für die Stadt Wien (152612. März) zu lesen sind und also lauten: „Haben Wir mit fleissiger Erinnerung aller Sachen Unserer Unterthanen, denen Wir als Herr und Landsfürst fürgesetzt seyn mit fruchtbaren, guten Ordnungen und Satzungen, damit sie in guten billichen Weesen erhalten, die Gerechtigkeit, guten Sitten gefürdert und alle Personen, in was Stand sie seyn, zu tugend-samen, vernünftigen guten Wegen gewiesen, auch freventlich, bös mutliwillige Handlung gestrafft, geschieben und was zu Laster und Untugend geneigt, verhasst werde, zu versehen bedacht. Daran der Allmächtige Gott und insonderheit, wo Recht und Billichkeit geliebt, Ehrbarkeit unterhalten, die Armen und Elenden in ihrem Anliegen mit fürderlicher zimblicher Auß-richtung abgefertigt und ihre Nahrung ehrlich zu erlangen nicht verhindert, Boßheit und ver-bottener eigener Nutz nußgetilgt und die, so sich aller gebührlicher Gehorsamb gebrauchen, für (vor) andern gefürdert werden, Göttlich gefallen hat und darumb heilsambe vielfältige Belohnung ertheilt.“ Von einschneidendster Bedeutung in dieser Richtung waren seine „Policeyordnung“ (1552), seine Sistierung des „Asylrechtes“ (1553), ferner die die sozialen Übelstände an der Wurzel fassende Verordnung gegen den Müssigang der Kinder (1550), die Verordnung gegen Räuber und Mörder (1557), sowie die wieder- holten Erlässe zur Erreichung der Strassensicher-heit (1551, 57, 58, 59), das strenge Mandat gegen Pasquillemacher, deren Ausbreiter und Berater (1559 und ßO) u. a. m. Wie aber schon dieser weise Gesetzgeber Österreichs die Einheitsidee des Staates auf sprachlicher Grundlage scharf ins Auge gefasst, dafür liefert uns sein Erlass betreffs des ausschliesslichen Gebrauches der deutschen Sprache vor Gericht (1555) den schlagendsten Beweis! Davon spricht der „Codex Austriacus“*) unter Littera T wie folgt: Teutsche Sprach In denen Gerichtlichen Verfahrungen allein zu gebrauchen. Edle Ehrsame Gelehrte und Liebe Getreue. Als Wir kurz verschienener Zeit auff Euer Schreiben und darin außgefiihrter Ursachen in deß von Edling**) Sach Lateinisch zu procediren bewilliget, ist Uns hernach von Unserer N. Ö. Cammer ein schriftliches Bedenken überschiekt, auf was Ursach weder dem von Edling noch anderen Partheyen vor Euer in einer anderen Sprach dann Teutsch zu procediren und zu handeln *) II. p. 332 f. **) Die Familie von Edling (Grafon von Edling) waren in der Grafschaft Görz, wo die Umgangssprache der höheren Kreise die italienische, sesshaft. Anm. d. Verf. gestattet werden solle. Und so Wir dann nach ge-tlianer Conferirung Euer der Bedenken befinden, ratli-samer zu seyn, bey dem alten gemeinen Brauch zu bleiben, dann auß demselben zu schreiten dardurch etwo mehr Unrichtigkeit als Nutz entstehen möchte. Demnach so ist Unser gnädigster Wille, daß es hinfüran bejr dem alten gemeinen Gerichts Brauch bleiben und keinem gestattet werden solle in einer anderen Sprach, dann Teutsch zu procediren, Aber deß von Edling Sach belangend, dieweil wir in derselben Lateinisch zu verfahren schon bewilliget, so lassen wir es bey solcher gethanen Bewilligung auff diesesmahl gnädigst bleiben. Welches Wir Euch, darnach künfftiglich zu richten, gnädigster Meinung nicht wollen bergen, mit angehofftem gnädigsten Befehl, Ihr wollet Unsern Rath und Cammer Procurator auff sein Begehren hierum jederzeit geraumen Termin zur Fürbringung Unserer Notlulurfft widerfahren lassen, wie Ihr dann zu tliun wisset. Gehen in Unserer und des H. R. Reichs Stadt Augspurg 8. Augusti 1555. Bei der nach dem Tode Ferdinands I. (1564) eingetretenen Länderteilung übernahmen nach dessen letzten Willen die Söhne: Erzherzog Karl die Verwaltung von Steiermark, Kärnthen und Krain, welcher für diese innerösterreichische Ländergruppe eigene Zentralstellen in Graz ins Lehen rief, die bis in die Tage Maria Theresias ein Selfgovernement bildeten, und Erzherzog Ferdinand die Verwaltung von Tirol und Vorarlberg, Kaiser Maximilian II. aber, der noch bei des Vaters Lebzeiten zum römischen König, zum König von Böhmen und zum König von Ungarn gekrönt worden, bei welcher Gelegenheit die für die Verfassung Ungarns denkwürdige Teilung der ungarischen Stände in die Magnaten- und Ständetafel vor sich gegangen, behielt Österreich. Die in Folge der Kirchenreformation in Deutschland und Österreich auch in letzterem mehr und mehr fortschreitende kirchliche und ständische Bewegung blieb auch unter Maximilian II. (1504 —1576), Rudolf II. (1570—1012) und Mathias (1611—1019) nicht ohne Einfluss auf Gesetzgebung und Verwaltung sowie desgleichen auch dann der gegen Ende des 16. und am Beginn des 17. Jahrhunderts eingetretene Rückschlag der „Gegenreformation“, namentlich in Innerösterreich unter Karl’s Sohn und Nachfolger dem Erzherzoge Ferdinand (Kaiser Ferdinand II. 1619—1037), unter dem die „Väter der Gesellschaft Jesu“ auch auf Legislative und Executive insofern ihren Druck ausübten, als sie bei dem von ihnen durchgeführten Werke der Gegenreformation auf der durchgängigen Besetzung der landesfürstliehen, ja selbst der landschaftlichen (ständischen) Beamten durch Katholiken bestanden und die Entfernung der Evangelischen aus den Ämtern durchzusetzen wussten. Erst Kaiser Ferdinand III. (1637—1657) mit der schönen Devise: Pietate et justitia (mit Frömmigkeit und Gerechtigkeit), der im Allgemeinen eine hervorragende Tliätigkeit auf dem Gebiete der Gesetzgebung und Verwaltung seiner Länder entwickelte, suchte die staatliche Gewalt selbst der Kirche gegenüber zu heben, wie er anderseits gegenüber den Landständen durch die Einführung einer eigenen landständischen Kriminaljurisdiction für Niederösterreich gerecht zu werden bestrebt war. Unter anderen wichtigen Bestimmungen erliess dieser Regent unterm 21. Juli 1649 die Verordnung, welche „den Cantzley Verwandten (Beamten) alles Ernstes und bei unausbleiblicher exemplarischer Straff und Demonstration“ anbefahl, „Die Geheimnissen und insonderheit die Gutachten, die darüber erfolgten allergnädigsten Resolutionen wie auch alle anderen Rathschläg in geheim zu halten und denen Partheyen auf keine Weiß und Weg zu communiciren (mitzuteilen) oder zu eröffnen.“*) Die durch die bösen Zeitläufte — Reformationswirren, Türkenkämpfe und 30jährigen Krieg — in vielen Teilen arg geschädigte Justiz im Grossen und Ganzen wieder in besseren Stand zu setzen, darauf verwandte Kaiser Leopold I. (1657—1705) die grösste Sorgfalt und es enthält speziell der „Codex Austriacus“ *) Codex Austriacus, I. p. 244. aus den Tagen von dessen Herrschaft eine ansehnliche Reihe wichtiger neuer Gesetze sowie viele Republika-tionen älterer Verordnungen, Erlässe usw. usw. In den Rahmen dieser Abteilung meiner Schrift fällt seine 1656 (30. Dec.) erfiossene Konfirmation der von hiezu deputierten Räten und Kommissarien im Beisein der von den „drei oberen Ständen“ bevollmächtigten „Ausschüsse“ aufgesetzten und von der Niederösterreichischen Regierung durchgesehenen Landgerichtsordnung des Erzherzogtums Österreichs unter der Enns, welche im „Codex Austriacus“ die Seiten 659—728 des I. Bandes füllt! Der Regent, der sich zu dem einen rechten Winkel darstellenden Anfangsbuchstaben L seines Namens die Devise Aequis aequus (dem Rechten recht) gewählt, er stellte die Gerechtigkeit nach jeder Richtung hin hoch und so kann uns auch von ihm die Chronik berichten, dass er bei einem Pöbeltumulte Judenverfolger hinrichten liess, um — wie er sagte — ein offenbares Exempel zu statuieren. Wie Kaiser Leopold I. dreimal jede Woche von 7 bis 9 Uhr früh Audienz erteilte, so mussten auch alle Bittschriften durch seine Hand gehen, wodurch sich freilich wohl der Geschäftsgang verzögerte, ja er, der in der Staatssprache, der lateinischen, so fest war, wie kaum ein zweiter, nahm die Staatsschriften auch zur Hand, um sie auf die Reinheit der Latinität zu prüfen und darin Vorgefundene Fehler zu korrigieren. Einem in seinen Tagen noch jugendlichen Zweige der Litteratur, den Zeitungen, wandte aber Kaiser Leopold I. sein aufmerksames Interesse in dem Sinne zu, dass er auf Unrichtigkeiten in denselben streng Acht zu haben befahl. Eine falsche Wiener Zeitungsnachricht über eine angebliche Beteiligung des Erzbischofs in Ungarn an der Zirny-Nadasdysehen Verschwörung gab den Anlass, dass der Kaiser eine bezügliche Verordnung herausgab (1671) „die Zeitungen zu revidiren“ und zugleich die fragliche falsche Nachricht offiziell dementirte. Die betreifende kaiserliche „Resolution“ ddo. 22. Mai 1671 lautet wörtlich wie folgt: Zeitungen zu revidiren Resolutio „Der N. 0. Regierung wiederumb zuzustellen; und placet in allen, wie gerathen, umb willen auch bey Ihrer Kayserlichen Majestät der Herr Ertz-Bischoff in Ungarn sich allerunterthänigst weh-müthigist beklaget, daß in geschriebenen und aller Orten außgeschickten Zeitungen von Wienn vermeldet worden, als ob er bey der Ungarischen Rebellion auch interessirt und destwegen in Verliafft genommen wäre. Nun aber Ihrer Majestät hierinnen seiner Unschuld und beständig erwiesene gehorsamste Fidelidät wissent und sie darumben ob dergleichen höchst Ehrenverletzlichen weitläufigen Spargamenten (Ausstreuungen) ein ungnädiges Missfallen tragen, als solle sie Regierung Verordnung thun, damit zu des Herrn Ertz-Bisehoffs Ehrenrettung dessen in liechst druckenden Wiener Blättl gedacht werde. — 22. Maji 1671.“ „Was die Regierung gerathen“ (und was, wie in der Resolution gesagt, vom Kaiser gutgeheissen worden). „Regierung hat gerathen, durch öffentliches Patent zu inhibiren, dass sich keiner hei unausbleiblicher Straff in Teutscher oder Wällischer Sprach einige Zeitung zu schreiben, weniger zu verkaufen oder auß Händen zu geben unterfange, welche nicht vor-hero von Regierung bestellten Commissarien revidirt worden seyn. Anderstens, dass die von Post-Ambt gegebene geschriebene unterschiedliche Zeitungen im Fall sie nicht revidirt abgeschafft, und wann etwa extraordinari unzulässige Sachen darin begriffen, solcher Zeitungsschreiber der Regierung zu weiterer Für-kehrung der Nothdurfft namhaft gemacht, im Fall auch drittens ein oder anderer, welcher deine zuwiderhandelte, betreten wurde, selbiger, er gehöre unter was Instantz er wolle, durch den Rumor-Meister in Verhafft gebracht und zu gebührender Bestraffung gestellt werden solle.“*) *) Codex Austriacus II., p. 632. Vorausgegangen war dieser gouvernementalen Kundgebung in Betreff der Zeitungen wenige Tage vorher (10. Mai) das Verbot der geschriebenen Zeitungen und der damit zusammenhängende Befehl, „dass man sich allein der gedruckten Zeitungen bedienen solle“. Für Leopolds hohe Regentenweisheit zeugt aber vor allen seine Verfügung in betreff der Erziehung seines Sohnes und Nachfolgers Erzherzog Joseph, „indem er selbst befohlen, seinem Prinzen bei jeder Gelegenheit die Staatsfehler, die man an seiner eigenen Regierung wahrnahm, vorzustellen, damit derselbe auf eine Verbesserung bedacht sein möchte, denn bei seinen Lebzeiten Hesse sich’s nicht wohl ändern“.*) Kaiser Josef I. (1705—1711) war denn auch die kurze Dauer seiner Regierung über und insoweit es die kriegerischen Zeitverhältnisse zuliessen, eitrigst bestrebt, auch den inneren Angelegenheiten seiner Lande die regste Aufmerksamkeit zuzuwenden und errichtete er z. B. (1710) „einen extra ordinairen Hofrath, welcher aus einigen Räten und einem Refe-rendario von denen vornehmsten Tribunalien in Ungarn, Böhmen und Österreich bestehen sollte und dessen Aufgabe es war, die Sachen derer in Ungarn (infolge der ungarischen Rebellion) geschehenen Confiscationen *) Österreichischen Tugondspiegels und Holdensaals, Tom. II., vorstellend das Leben und Thaten Kaysers Josephi des Sieghafton. Ulm 1710, p. 7. nicht allein zu untersuchen, sondern auch zu entscheiden.*) Kaiser Josef I., der den Armen gerne sein Ohr lieh, wenngleich viele derselben unter den sogenannten „Audienzbrüdern“ seine Gnade und Milde missbrauchten, war nichts destoweniger den Bedrängten stets behilflich, wo er nur konnte, namentlich wo es sich um ein gekränktes Recht handelte! „Ein merkwürdiges Exempel hiervon— schreibt der zeitgenössische Verfasser des „Österreichischen Tugendspiegel“**) — meritirt allhie angeführt zu werden.“ „Als Er (der Kaiser) sich — heisst es dann weiter — Anno 1710 in der Favorita***) aufhielt, suchte eine be-trangte Frau dem Kaiser ihre Not selbst fürzutragen, weilen sie sonsten zu ihrer gerechten Sache nicht gelangen konnte. Da nun der Kaiser des Morgens auf die Jagd fahren und eben in die Chaise sitzen wollte, nähme sich die Frau unter vielen Thränen die Freyheit, umbfasste des Kaysers Fuss und wollte ihn nicht einsteigen lassen. Indem nun die anwesenden Cavalliers sich über der Frau Verwegenheit verwunderten und einer derselben sie zurückstossen wollte, verhinderte es der Kaiser mit den grossmütigen *) Ebenda, pag. 021. **) pag. 11 f. ***) Das ohemalge kaisorlicho Sommorschloss in der heutigen Vorstadt Wieden, von der Kaiserin Maria Theresia 1747 der Erziehung der adeligen Jugond gowidinet, dio houtige k. k Thore-sianische Akademie. Anm. d. Verf. Worten: „Lasset sie, sie ist ein armes betrübtes Weib, ich will hören, was sie will, wer weiss, wann Du in solchen Nöten wärest, und keine andere Gelegenheit, mit mir zu reden hättest, ob Du mich nicht etwa gar beim Kopf nähmest. Er hörte auch hierauf die Frau mit grösster Geduld an und liess ihr in allem, was sie verlangte, Gerechtigkeit widerfahren.“ Josef I. Tod und die Besitznahme der österreichischen Länder durch seinen Bruder Kaiser Karl VI. (1711 — 1740) bedeutete für diese Länder die wichtigste Wende, indem jetzt der Gedanke der Einheit undUnteilbarkeit der Erbländer gefasst wurde, der dann in der „pragmatischen Sanction“ zum codificirten für die Völker Österreichs so segensvollen Ausdruck kam. In seiner Eigenschaft als Organisator wird Kaiser Karl VI. von dem zeitgenössischen sächsischen Schriftsteller Küchelbecker*) nachgerühmt, dass er, „der sich nichts mehr als das Wohlsein und Aufnahme Dero Reiche und Länder angelegen sein lassen, ausser denen ehemaligen schon bestellt gewesenen Instanzen noch verschiedene neue angeordnet, um die Wohlfahrt Dero getreuesten Unterthanen desto eher und leichter zu befördern.“ Die niederösterreichische Regierung (mit 18 Räten, aus dem Herren-, Ritter- und Gelehrten- *) Allerneueste Nachricht vom Römisch-kayserl. Hof. Andere Auflage. Hannovor 1732, p. 300. Stande) mit dem Statthalter an der Spitze, war Auf-sichts- und Bestätigungsbehörde bezüglich aller Strafangelegenheiten und galt in Rechtssachen als zweite Instanz, wenn kein anderer Instanzenzug vorgeschrieben war. In gleicherweise war die Justizpflege in Innerösterreich (Steiermark, Kärnthen und Krain) Tirol und Vorderösterreich organisiert. Für Ungarn und Böhmen blieben noch die eigenartigen Gerichte fortbestehen. Unter den bemerkenswerten administrativen Änderungen Karl VI. kommt zu erwähnen, dass die bisher bestandenen drei Hofkanzleien: die niederösterreichische, innerösterreichische und oberösterreichische in Eine österreichische Hofkanzlei zusammengezogen wurden und dass für die böhmische Hofkanzlei der Erste oder Oberstkanzler für Böhmen auch alle Hausund Staatssachen, diplomatischen Angelegenheiten und auswärtigen Korrespondenzen zu versehen hatte. Unter diesem Monarchen wurde auch die Hotkammer und oberste Finanzverwaltung neu organisiert. Für die politiseh-judieiellen Verwaltungsreformen in den Ländern der ungarischen Krone waren die Reichs-decrete von 1723 und 1729 von grosser Bedeutung.*) „Es ist falsch, — sagt sein Biograph Schirach**) — wenn man insgemein glaubt, der Kaiser Karl VI. habe *) Mayer, Anton: Die letzten Habsburger. Ost. Geschichte für das Volk. X (II), p. 283 f. **) Biographio Kaiser Karls dos Sechsten. Hallo 1770, p. 401. den Ministern in den Regierungsgeschäften zu sehr nachgesehen. Obgleich er die vortrefflichsten Minister hatte, so nahm er sich der Regierungssorge doch selbst eifrig an, er bekümmerte sich um alle Angelegenheiten, er wohnte den Beratschlagungen beständig bei, hörte die Meinungen an und entschied selbst.“ Und an anderer Stelle sagt derselbe Schriftsteller: „Der Kaiser nahm alle Regierungsangelegenheiten und die auswärtigen Besorgungen selbst wahr, er schrieb meistens eigenhändig, was er getlnm wissen wollte;*) die Stunden des Tages waren bestimmt eingeteilt, der grösste Teil gehörte den öffentlichen Geschäften.“**) „Obgleich der Kaiser — schliesst Schirach sein Charaktergemälde des Vaters der grossen Kaiserin-Königin Maria Theresia — die Gerechtigkeit über alles liebte, so war doch der Hauptzug an ihm Güte und Wohlwollen. Er war der Titus seines Jahrhunderts. Er strafte ungern und immer mit Milde.“***) Wie aber Karl VI. Tochter, die grosse Kaiserin-Königin Maria Theresia (1740—1780), deren Wahlspruch „Justitia et elementia“ (Gerechtigkeit und Milde) gelautet, ihr Österreich aus den Gefahren, da alte und neue Feinde gegen dasselbe zum Angriff geschritten, zu imposanter Macht emporgehoben und demselben die Anerkennung als eines unentbehrlichen Gliedes in ') Ebenda, p. 243. **) Ebenda, p. 402. •**) Ebenda, p. 403. der europäischen Völkerfamilie verschafft, so folgte eben daraus die gestaltende Kraft für die innere Umformung, für Gesetzgebung und Verwaltungs-weise dieses Reiches. Es trat unter ihr ein vollständiger Neubau des Staates ein und zwar auf Grundlage einer alle Provinzen zu einer wesentlichen Einheit zusammenfassenden gemässigten Zentralisation.*) Das beste Zeugnis einer neuen Aera für die inneren Zustände Österreichs war — wie der Historiker Adam Wolf hervorhebt — dass die Regierung Maria Theresias vor allem auf das Erschaffen eines gemeinsamen österreichischen Rechtes hindrängte und es sprach die Kaiserin dies in der Vorrede des auf ihren Befehl abgefassten gemeinsamen Strafcodex mit den Worten aus: „Nichts kann natürlicher, billiger und ordentlicher auch Justiz beförderlicher sein, als dass zwischen verbündeten Erblanden unter einem nämlichen Landesfürsten ein gleiches Recht festgestellt werde.“**) Am 13. Dezember 1768 ward dieses neue Strafgesetz, die „constitutio criminalis Theresiana“ kurzweg „die Theresiana“ genannt, kundgemacht und zeigte in Stoff und Form den entschiedensten Bruch mit der mittelalterlichen älteren Strafgesetzgebung und einen *) Wolf, Adam: Österreich unter Maria Theresia. Wien, 1855, p. 15. **) Ebenda, p. 202. -‘5:1 entschiedenen Übergang zu dem durchgebildeten prinzipiellen Strafgesetze unserer Zeit.*) Mit der 1770 erfolgten Aufhebung der Tortur krönte Maria Theresia ihr segensreiches Reformwerk auf judiciellem Gebiete. Speziell zu ihren Reformen im Justizwesen schreibt der Zeitgenosse Fromageot in seinen „Jahrbüchern der Kaiserin Maria Theresia“**): „Überzeugt, wie vor-theilhaft es den Unterthanen sey, nicht allein gewissenhafte Richter zu haben, sondern auch durch langwierige Rechtshändel nicht um das Ihrige zu kommen, befahl Sie (1719) allen Gerichtshöfen der Verordnung nachzuleben, nach welcher binnen Jahresfrist alle Prozesse entschieden werden sollten.“ Aber wie schon angedeutet, hatte sich Maria Theresias Reformwerk nicht allein auf das judicielle Gebiet beschränkt, sondern auch die politische Verwaltung gewann durch die Monarchin eine wenngleich successive doch so gründliche Umgestaltung, dass dadurch die Form des Staates umgegossen wurde.***) Um einen allgemeinen Mittelpunkt zur Übersicht aller Staatsgeschäfte herzustellen, schuf Maria Theresia den Staatsrat in der Hofburg zu Wien. *) Ebenda, p. 269. **) Deutsch von Rautenstrauch. Wien und Leipzig 1776, p. 120. ***) Wolf, Adam: a. a. 0., p. 238. ,34 In (1er 1702 aus dem „Directorium in publicis et cameralibus“ hervorgegangenen „Vereinigten k. k. böhmisch-österreichischen Hofkanzlei“ wurden die böhmischen Länder erst vollständig in den Kreis der österreichischen Verwaltung gezogen, die politischen Gegenstände (nach Abtrennung der Justiz und des „Camerale“) isoliert und damit für die deutschen Erblande ein Ministerium des Innern geschaffen. In gleicher Weise wurden die politischen Landesstellen organisiert und auch hier geschah der Übergang ganz unmerklich durch ein einfaches Verbinden und Ablösen zwischen landesfürstlichen und landschaftlichen (ständischen) Behörden unter verschiedenen Benennungen. Die Trennung der Justiz von den politischen Gegenständen wurde bei diesen Provinzialstellen ebenso vollzogen, wie in der obersten Leitung. Die Namen der Landesstellen waren von Provinz zu Provinz verschieden, „Gubernium“, „Deputation“,später „Repräsentation“ usw. und der „Unterbau der staatlichen politischenVerwaltung“ ruhte in den Kreisämtern.*) Bekannt und oft geschildert ist der Lakonismus, dessen sich die Kaiserin in ihren Bemerkungen zu den Vorträgen ihrer Staatsmänner — Kaunitz an der Spitze — und namentlich in ihren zutreffenden Hand-billets zu bedienen pflegte. Zahllos sind desgleichen die „Züge“ aus dem Leben und Wirken der unvergesslichen Regentin, die Wolf, Adam: ebenda, p. 240. heute noch fortleben in der Erinnerung der Völker Österreichs und die Zeugnis geben von ihrer Gerechtigkeit und Milde, von ihrer Weisheit und Kraft und davon, wie diese Tugenden der erhabenen Fürstin in ihren Staatshandlungen und im täglichen Verkehre mit ihren Unterthanen in glänzendstem Lichte gestrahlt, diese Tugenden, die meisterhaft ausgeführt in Allegorien am Denkmal zu schauen, das der gerechte und milde, weise und kräftige Enkel, unser glorreich regierender Kaiser und Herr Franz Josef I. der grossen Ahnfrau auf dem würdigsten Platze im Angesichte der Kaiserburg zu Wien erstehen hiess! Als Maria Theresia (1767) von der, die Völker in die grösste Bestürzung versetzenden, Blatternkrankheit durch des berühmten van Swieten ärztliche Kunst gerettet worden, schlug man auf dieses freudigste Ereignis der Rettung Maria Theresias eine Gedächtnismünze, „wo — wie Fromageot*) sich ausdrückt — der Name einer „Mutter des Vaterlandes“, welchen Sie so rechtmässig verdient, Ihr auf die feierlichste Art gegeben wurde. Seit langer Zeit hatte Ihr schon der allgemeine Ruf diese für Könige so angenehme oder so schreckliche Stimme denselben beigelegt.“ Hatte gleich Maria Theresia nach dem Tode ihres geliebten Gemahls Kaiser Franz I. ihren Sohn Josef zum „Mitregenten“ angenommen (1765), so gestattete *) a. a. 0., p. 228. sie ihm doch einen Einfluss auf die Staatsgeschäfte nur insofern, als sie ihn in der Leitung der Militärangelegenheiten gewähren liess. Als dann die erhabene Fürstin das Zeitliche segnete und Kaiser Josef II. (1780—1790) die Alleinherrschaft (1780) antrat, so rief er auf verschiedenen Gebieten des Staatswesens Reformen ins Lehen, die er schon lange mit Sehnsucht herbeigewünscht und that dies, wie bekannt, mit einer Raschheit und Gewaltsamkeit, welche die Völker mit Staunen erfüllte und am Schlüsse seines Lehens nicht selten Widerstand hervorriefen. Doch auf keinem anderen Felde ging Josef II. mit grösserer Vorsicht an Neuerungen als auf dem Felde der Gesetzgebung. „Er fand hier eben — wie Meynert ausführt — aus den Tagen Maria Theresias her so vieles Gute, Praktische und immerdar Zeitgemässe vor, dass er eingreifende Änderungen blos in einzelnen Fällen für notwendig und gedeihlich ansah. Wurde eine seiner Ideen in zu weittragendem Sinne aufgefasst und wollten seine Organe ganz Neues da aufstellen, wo er nur Nachhilfen und Verbesserungen im Auge hatte, so führte er solchen übereilten Eifer mit Ernst und Ruhe in die richtigen Schranken zurück.“*) „Des Kaisers Ansichten über Rechtspflege waren *) Meynert, Dr. H.: Kaiser Josef II. Ein Beitrag zur Würdigung des Geistes seiner Regierung. Wien 1802, p. 180. nicht hlos die des erleuchteten Geistes, sie waren dabei überwiegend die des ehrlichen Mannes. Gleiches Recht für alle hlieb der leitende Grundsatz dieses hohen „Schätzers der Menschheit“*). Dieselbe Vorsicht beobachtete Josef — wie derselbe Verfasser aktenmässig nachweist — auch in der Angelegenheit der von ihm in Fluss gebrachten Aufhebung der Leibeigenschaft, wobei er, der Vorkämpfer der Humanität, seinem feurigen Sinn die Zügel anlegend, viele Geduld aufwendete. Man erkennt hieraus am besten, welchen hohen Wert er auf diese seine Aufgabe legte, und wie er gerade eben aus diesem Grunde sich vor jeder Übereilung hütete, welche die Haltbarkeit des edlen Werkes hätte gefährden können.“**) Josef liess ein allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, eine allgemeine Justiznorm und Gerichtsordnung, sowie ein allgemeines Kriminalgesetzhuch verfassen und schaffte in diesem die Todesstrafe gänzlich ab. Die Staatsverwaltung ordnete er in allen Erbländern nach einheitlichem System und er war bemüht, die deutsche Sprache zur allgemeinen Geschäftssprache zu erheben. In der Administration sah Josef II. vor allem auf Vereinfachung des Geschäftsganges und der Ourialien *) Ebenda, p. 181. **) Ebenda, p. 119. •38 und zeigte sich insbesondere streng gegen Dienstesnachlässigkeit und Säumnisse. In dem die Verwaltung der Geschäfte betreffenden „Handbillet“, das er vor seiner zweiten Reise nach Italien an alle Stellen seines Reiches gelangen liess, geht hervor, dass er den ganzen Schwerpunkt seines Wollens auf seine „Resolutionen“ stützte, in ihnen den eigentlichen Geist seiner Regierung verkörperte.*) „Diese vor allem zeichnen — scliliesst Meynert seine dokumentarisch belegte Studie — diesen grossen Monarchen in allen Richtungen seines Strebens und Wollens, sie sind der treueste Abglanz seines erleuchteten Denkens und Fuhlens und niemand wird sie ohne Rührung, ohne Ehrfurcht vor ihrem erhabenen Urheber lesen. Ein ganz anderes Bild als man nach den umherlaufenden Anekdoten und vermeintlichen Charakteristiken sich von Josef II. zu entwerfen gewöhnt ist, tritt uns in diesen Resolutionen entgegen. Da ist nichts von der überstürzenden Hast, von der stürmischen Ungeduld wahrzunehmen, die man ihm so gern und mit vollständigem Unrecht vorwirft. Alles darin zeigt sich vielmehr genau erwogen, mühsames Untersuchen, gediegenes Überlegen geht jedem seiner Beschlüsse voran.“**) Bei all den unübersehbaren Aufgaben aber, welche Kaiser Josef sich gegenüber dem Staate gestellt hatte, *) Ebenda, p. 13. **) Ebenda, p. 14. wusste er gleichwohl noch Zeit und Stimmung zu erübrigen, um selbst in Privatangelegenheiten und Privathändeln bald beratend und vermittelnd, bald entscheidend einzugreifen; Personalgegenstände vor sein Forum zu ziehen, in Details seine Stimme abzugeben. Täglich und fast zu allen Stunden des Tages war Kaiser Josef für jedermann, selbst für den allergeringsten seiner Unterthanen im sogenannten Con-trollorgang der Wiener Hofburg zu sprechen. Den ganzen Tag war dieser väterliche Gang mit Supplikanten angefüllt, die meistens Bittschriften bei sich hatten. Die Zeit, in welcher der Kaiser in diesem Korridor erschien, war nicht bestimmt; aber die Leute harrten in Geduld und Vertrauen oft mehrere Stunden lang. Er kam im Verlaufe des Tages öfters aus seinem Kabinette, sprach auf dem Gange selbst mit diesen Parteien und wies manche nach Umständen ihrer Person oder ihres Anliegens in ein eigenes Kabinett, in welchem sie ihn ohne Zeugen sprechen konnten. Hunderte von Anekdoten hatten den Con-trolorgang zum Schauplatz.*) Einer der bekanntesten Vorfälle aus dem Con-trollorgange ist die Audienz, die sich in demselben der „Stipendist Kaiser Josef II.“, der nachher als „Dichterpatriarch“ in weiteren litterarischen Kreisen *) Bemann, M.: Alt- und Neu-Wien. Wien 1880, p. 1019. bekannt gewordene Mathias Leopold Schleifer, k. k. Bergrat in Gmunden, der Grossvater meiner Frau*) mütterlicherseits, zu verschaffen wusste, der als Jüngling wiederholt bei der damaligen k. k. Studien-Hof-kommission um ein Stipendium eingeschritten und abgewiesen worden war und schliesslich den Mut fasste, seinen Kaiser persönlich darum zu bitten. Die geistvolle Dichterin Friederike Gräfin Prokesch-Osten (Friedrike Gossmann)**) hat die oft erzählte denkwürdige Begebenheit in schöne Verse gesetzt, die die Hauptmomente dieser Audienz also schildern: Der Kaiser ist’s! — Da sinkt der Mut Dem Jüngling und es stockt sein Blut; Br möoht entfliehen erst gar schnell, Und wurzelt dennoch an der Stell’. Und als des Herrschers sanfter Blick Auch ihn nun fragt um sein Geschick, Da schlägt sein Herz wie neu belebt Und er erzählt, was er erstrebt. Erzählt, dass er der arme Sehloifer, Beschreibt mit rätselhaftem Eifer Wie er verzehrt von Wissensdrang, Schon nahe fühlt den Untergang. *) Im Besitze meiner Frau, Hedwig von Radics-Kaltonbrunner, befindet sich der Nachlass Schleifers: die Korrespondenz dos Dichters mit Lenau, Fürst Schwarzenberg („Landsknecht“), Graf Mailath, Schulz, Reinbeck u. a., dio oben zur Ausgabe vorboreitot wird. Anm. d. Verfassers. **) Josof II. Pootische Festgabo dos Deutsch-Österreichischen Losovoroins der Wiener Hochschulen. Wien 1880, p. 74 ff. 41 Dor Kaiser hört ihn huldvoll an, — Dem Freimut ist er zugethan, — Und nimmt die Zeugnisse zur Hand Und spricht, dem Jüngling zugewandt: „Er soll nicht sterben, Er soll leb’n! Ich werd’s zur Untersuchung geb’n!“ Betroffen schweigt der Jüngling still; Doch da der Kaiser gehen will Erfasst er ihn am Kleide schnell, Küsst innig dessen Saum, und hell Und dringend fragt er ohne Beb’n: „Wo wollen’s Majestät hingeb’n?“ „Nun in die Studienkommission!“ „Ach du mein Gott, da war ich schon,“ Versetzt er kummervollen Blick’s: „Nein, Majestät, da krieg’n wir nixl“ Dor Kaiser lächelt: „Wollen soh’n!“ Acht Tage sorgenvoll vergeh’n, Da ruft ihn ein Befehl vom Thron Hinauf zur Studienkommission. Er naht ihr, und der Präsident, In dem van Swieten er erkennt, Verleiht vor dem Kollegium Im freundlich das Stipendium. Wie klopft sein Herz! Wie stürmt er fort Zur Burgl Er weint, er hat kein Wort, Dor Kaiser aber lächelnd spricht, „Nun hab’n wir doch etwas gekriegt?“ Die Antwort stockt vor Freude. „Gut! Studier’ Er jetzt mit frohem Mut, Und drückt Ihn wieder mal ein Schmerz, Er kennt ja seines Kaisers Herz.“ Nachdem Kaiser Josef II., nachgehend dem Widerstande der Ungarn, am 28. Januar 1790 das merkwürdige Dokument unterzeichnet hatte, mit welchem er für Ungarn mit wenigen Ausnahmen alle seine Neuerungen widerrufen und gleichzeitig den Regierungs- und Verfassungszustand vom Jahre 1780 wiederhergestellt, und unter Einem eine Staffette nach Tirol abgegangen war, um auch dort die herrschende Aufregung durch den Widerruf seiner Reformen zu beschwichtigen, ward er am 20. Februar desselben Jahres noch ins Jenseits abberufen und sein Bruder Leopold, Grossherzog von Toskana, traf am 12. März 1790 zum Antritte der Regierung in Wien ein. Leopold II. (1790—1792) erste Sorge war, jene Reformen und Verordnungen Josefs, welche die grösste Aufregung hervorgerufen, hinwegzuräumen beziehungsweise und in erster Linie die von seinem Vorgänger zum Zwecke erhöhter Staatsgewalt aufgehobenen ständischen Verfassungen wiederherzustellen, indem er zunächst den Ständen seiner Erbländer das Recht zurückgab, sich wieder in der früheren Weise zu versammeln. Die von ihm angebahnten Justizreformen wurden aber durch seinen plötzlichen Tod (1. März 1792) abgebrochen. Nach dem Hinscheiden Leopold II. bestieg sein Sohn, der erst vierundzwanzigjährige Kronprinz Franz, der Liebling und Schüler seines Oheims Josef II., den Thron der Väter. Kaiser Franz II. (I. von Österreich) [1792—1835] richtete, entsprechend seiner an der Spitze dieser Abteilung stehenden Devise, sein Hauptaugenmerk auf die Rechtsp flege. Er hatte selbst umfassende Studien gemacht und kannte als tüchtiger Jurist vom Fache alle Teile der so verschiedenartigen Gesetzgebungen seines weiten Reiches. Dass es ihm demnach vor allem darum zu thun sein musste, namentlich die Justizreformen, die schon von den Zeiten der Kaiserin Maria Theresia her datierten, zu einem gedeihlichen Ende zu bringen, war natürlich. Unter Kaiser Leopold II. war eine eigene „Hofcommission in Gesetzsachen“ errichtet worden, um einen Entwurf zum allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuche zu verfassen, doch war diese Commission bis zu dessen Tode über die Frage: welche politischen Tendenzen man bei der Justiz-Gesetzgebung verfolgen müsse, nicht hinausgekommen.“ „Wenn trotzdem,“ sagt Karl Werner, „1794 der I. und 179G der II. und III. Teil des vorzüglichen Gesetzbuches Kaiser Franz II. vollendet wurden, so beweist dies eine seltene Kraft und ausserordentliche Thätigkeit.“*) Von dem Gange der Staatsverwaltung in den ersten zehn Jahren der Regierung Kaiser Franz vermag der Geschichtschreiber, da dieselben Kriegsjahre *) Österreichische Geschichte fiir das Volk, XV. Bd.: Kaiser Franz 1792—1803. Wien 1866, p. 232 f. gewesen, wenig aufzuweisen. „Dennoch zeigten sich bereits jetzt die Prinzipien, die in der Folge massgebend wurden und die in der Zeit selbst ihren ganz natürlichen Erklärungsgrund fanden, doch beschränkten sieh notgedrungen die in dieser Zeit vorgenommenen Veränderungen auf die Regelung untergeordneter Gegenstände oder man ging bei Hauptangelegenheiten nur im Interesse der Sparsamkeit und Gesehäftsverein-facliung vor.'1*) Nach dem Frieden von Campoformio that der Kaiser einen Schritt zur dauernden Organisation der Staatsverwaltung durch die Errichtung des „Confer e n z - M i n i s t e r i u m s “, als eines Vereinigungspunktes, in welchem sich alle Zweige der Staatsverwaltung konzentrieren, von welchem alles übersehen und allen Mängeln auf dem kürzesten und sichersten Wege abgeholfen werden sollte.**) Doch gegenüber dieser Einrichtung, die sich nicht bewährt hatte, kam später die vom Staats- und Konferenzminister Grafen Chotek angeregte Organisation zur Geltung, die den Kaiser zum Mittelpunkt der Verwaltung machte, um den sich die drei Konferenzminister (die Minister der Justiz, des Innern und der Finanzen), sowie die Chefs der entsprechenden Hofstellen (der ungarischen, siebenbürgi-schen, die aus den aufgelösten: galizischen, böhmisch- *) Ebenda, p. 222. **) Ebenda, p. 224. österreichischen und italienischen gebildete politische Hofstelle und der Polizeihofstelle) gruppierten.*) In den Jahren der Kriegs- und Geldnot (1804 bis 1811) vollzog die Regierung Kaiser Franz I. auf dem Gebiete der Rechtsordnung aber Reformen von wahrhaft tiefgehender und glänzender Bedeutung. Es wurde ein neues Strafgesetz (1803) und das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch (1811) kundgemacht, beide durchleuchtet vom Geiste der Gerechtigkeit und beide von Richtern und Volk mit vollem Beifall aufgenommen; bei letzterem waren zugleich die freisinnigen Grundsätze von wesentlichem Einflüsse, welche die damalige Rechtsphilosophie und besonders die Theorie des Naturrechtes zur Anerkennung gebracht hatten.**) Die durch den „Wiener Kongress“ eingeleitete Friedensepoche benützte nun Kaiser Franz I. zum Aufbau der inneren Organisation Österreichs, der nun zwölf Staatsgebiete umfassenden Monarchie, welcher dann sein Sohn und Nachfolger, Kaiser Ferdinand I. (1835—1848), dessen Wahlspruch: Recta tucri (das Recht zu schützen), eine konstitutionelle Verfassung verlieh (15. März 1848) mit Erteilung aller freiheitlichen Institutionen, und namentlich mit der Aufhebung des Unterthanenverhältnisses, der „Robott- und Zehntabgaben“ an die Herrschaften. *) Ebenda, p. 226. **) Österreichische Goschichto für’s Volk, XVJ. Band: Kaiser Franz (1804—1811) von Adam Wolf, p. 207 ff. 4<> Die jedoch den „idealen Märztagen“ bald gefolgte revolutionäre Bewegung in der Mehrzahl der Provinzen, die mit Waffengewalt bezwungen werden musste, hatte bekanntlich die Wiedereinführung eines absoluten Regimes zur Folge. Dem jugendlichen Monarchen, unserm glorreich regierenden allergnädigsten Kaiser und Herrn, Sr. Kaiserl. und Königl. Apostol. Majestät Franz Josef 1., Allerhöchstweicher durch die Thronentsagung Seines Oheims Ferdinand I. des Gütigen und die Verzieht-leistung Seines ausgezeichneten Vaters, des unvergesslichen Beschützers aller Armen und Bedrängten, Sr. Kaiserl. u. Königl. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Franz Carl vor heute fünfzig Jahren, am 2. Dezember 1848, die Regierung des tieferschütterten und aufgewühlten Reiches antrat, ward nun die hohe und schwierige Aufgabe, die Völker Österreichs aus dem Übergangsstadium in gesunde, fortschrittliche Bahnen zu lenken, sie vor Überstürzungen zu bewahren und die ruhige Entwickelung zu sichern.*) „Er hat sie — wie der Biograph Emmer so schön sagt — glücklich und im Geiste des Fortschritts gelöst, Er ist ihr gerecht geworden mit jener väterlichen Milde und Herzensgüte, welche das Vergangene vergiebt und vergisst. “ *) Emmer, Dr. Joh.: Unser Kaiser Franz Josef I. Totschen 1879, p. 55. Und hat Se. Kaiserl. und Königl. Apostol. Majestät Kaiser Franz Josef 1. durch mehr als ein Dezennium, in dem Er darauf bedacht sein musste, Österreich neu zu festigen, wie auch stets umgeben von hochpatriotischen Räten der Krone, getreu Seinem erhabenem Wahlspruche: „Viribus unitis“ keinen Augenblick versäumt, um im Staatsleben notwendige neue Einrichtungen zu treffen, so hat Se. Majestät, als Aller-höchstderselbe den Tag gekommen sah, dem Reiche neuerdings eine konstitutionelle Verfassung zu geben, im Zusammenhänge damit naturgemäss den Kreis für das Wirken „mit vereinten Kräften“ dadurch erweitert, dass die Abgeordneten der Landtage und des Reichsrates zur Gesetzgebung mitherangezogen erschienen. Wie aber alles Recht doch nur vom Kaiser ausgeht, der den von den hohen Häusern des Reichsrates und den Landtagen beschlossenen Gesetzen erst die Allerhöchste Sanction erteilt, so wird im Namen des Kaisers Recht gesprochen, vom Kaiser ernannte tüchtig gebildete unabhängige und unparteiische Männer sind Richter in Österreich, Gleiches Recht für alle ist heute ein Wahrwort geworden, Öffentlichkeit und Mündlichkeit herrscht auf judiciellem wie politischem Gebiete, und im Strafverfahren gilt, der Hochherzigkeit des Monarchen entsprechend, der Grundsatz: die Strafe soll nicht nur eine Sühne des begangenen Unrechtes sein, sondern auch den Verbrecher bessern! „Jeder Österreicher — sagt Dr. Emmer treffend — kann stolz darauf sein, dass es kein Land giebt, in welchem das Recht mehr gesichert ist, als in seinem Vaterlande.“ Die Verwaltung mit den Ministerien in Wien und Budapest und den autonomen Körperschaften in den einzelnen Ländern bewegt sich im Sinne der Staatsgrundgesetze und dienen die Ressort-Einrichtungen vielfach ausländischen Verhältnissen zum Muster. Dem hohen Gerechtigkeitsgefühle Sr. Majestät des Kaisers Franz Josef I., Allerhöchstweicher immer und überall in Seinen Residenzen in Wien und Budapest und wo Er in Seinem weiten mächtigen Reiche Seinen Fuss hinsetzt, jedem Seiner Unterthanen, welcher Nation oder welcher Konfession oder wessen Standes er immer sei, in den allgemeinen und privaten Audienzen ein geneigtes Ohr leiht und nach bester Möglichkeit immer und überall Hilfe schafft, dem hohen Gerechtigkeitsgefühle des Monarchen entspricht aber auch Sein hohes Pflichtgefühl, so dass unser allergnädigster Kaiser und Herr, das leuchtendste Vorbild für alle, Sich als den „ ersten Diener des Staates“ betrachtet und Sich auch in die entferntesten Orte Seiner Reiserouten und bis in den die Staatsgeschäfte oft nur auf Stunden unterbrechenden Aufenthalt in dem oder jenem Seiner Jagdschlösser die Kuriere mit den Staatsschriften nachkommen lässt! Ja, selbst als jüngst das entsetzlichtse Ereignis in Seinem arg- und hartgeprüften Leben, der durch ruchlose Mörderhand erfolgte grausame Tod der allgefeierten Kaiserin und Königin, der vielteueren Gemahlin, dem Monarchen in so grauenerregender Weise an Sein edelstes Herz griff, da war es, als Er noch schmerzerfüllt und schmerzdurchwühlt um Fassung rang, eines Seiner ersten Worte an den zum Vortrag befohlenen Minister: „Sich den Staatsgeschäften noch mehr denn je widmen zu wollen.“ Die Zahl der Gesetze und Einrichtungen, die in den fünfzig Jahren der segenvollen Regierung Sr. Ivaiserl. und Königl. Apostol. Majestät des Kaisers und Königs Franz Josef I. in der österreichischungarischen Monarchie auf judiciellem und politischem Gebiete geschaffen worden, ist eine ungemein grosse; „an allen hat der Kaiser, wie es Seine Gewohnheit ist, Selbst mitgearbeitet, nachdem Er stets die besten und gelehrtesten Männer des Reiches dazu berufen, sie auszuarbeiten; auch nur die wichtigsten davon herausheben und anführen zu wollen, würde selbst ein Buch füllen, handelte es sich ja doch der Gesetzgebung und Verwaltung Kaiser Franz Josef I. darum, Österreich in allen Lagen und Äusserungen neu zu konstituieren und auf durchwegs neue moderne von gesundem Geiste der Freiheit und des Fortschrittes erfüllte Grundlagen zu stellen.“ Eines aber, was alle Gesetze, Einrichtungen, Anordnungen und Verfügungen des allgeliebten Herrschers beseelt, ist die hohe Menschenliebe dieses nie genug zu preisenden Regenten, der nie ermüdet auch seinen Völkern zuzurufen, mit Ihm eins zu sein in der Bethätigung dieser Menschenliebe und Menschenfreundlichkeit, wie Er denn auch Sein hei dem tiefst-traurigen Ereignisse des Todes der Kaiserin erlassenes Manifest an Seine Völker mit der feierlichen Apostrophe schliesst: „Aus der unwandelbaren Liehe Meiner Völker schöpfe ich nicht nur das verstärkte Gefühl der Pflicht, auszuharren in der Mir gewordenen Sendung, sondern auch die Hoffnung des Gelingens.“ „Ich bete zu dem Allmächtigen, der Mich so schwer heimgesucht, dass Er Mir noch Kraft gehe, zu erfüllen, wozu Ich berufen bin. Ich bete, dass Er Meine Völker segne und erleuchte, den Weg der Liebe und Eintracht zu finden, auf dem sie gedeihen und glücklich werden mögen!“ VW Fortitudini Mtt Mtt Mk, ^ 7fr 7fr 7fr 7fr 4fr 7fr 7fr 7fr (g^en von der Kaiserin Maria Theresia 17.57 ge-j“-' stifteten „Militärischen Maria Theresien-Orden“, die höchste militärische Auszeichnung in Österreich, schmückt als Inschrift das eine so viel sagende Wort: „Fortitudini“ (Der Tapferkeit). Die unvergleichliche Tugend der Tapferkeit ist es, welche Österreichs Fürsten und Völkern vor allem volleigen, die hehre Tugend, die Fürst und Volk die Jahrhunderte durch auf den vielen blutigen Wahlstätten vom Occident zum Orient, in Nord und Süd stets glänzend bewährt haben und auch dann, wenn im wechselnden Kriegsglücke ab und zu die Loose ungünstig fielen tür unser unentwegt ruhmreiches Heer, das Eine musste an Österreichs Truppen der Feind stets anerkennen und erkannte es auch immer rückhaltlos: Die heldenhafte Tapferkeit der Unsern! ♦ * * Vom Stifter der Dynastie Kaiser Rudolf I. bis auf Kaiser Franz Josef I. die erlauchten Mitglieder des Allerhöchsten Herrscherhauses ins Auge gefasst, welche Fülle von Heldengestalten, welch hochansehnliche Zahl illustrer Heerführer, aus der, nur unser Jahrhundert in Betracht gezogen, die erhabenen Erscheinungen Kaiser Franz I. und unseres ritterlichen Monarchen Kaiser Franz Josef selbst, die eines Erzherzog Carl, des „Retters von Deutschlands Ehre“, des „Siegers von Aspern“ und seines ruhmgekrönten Sohnes, des „Siegers von Custozza“, Erzherzog Albrecht, glanzumflossen entgegenleuchten! Wie schon Herzog Leopold III. im 14. Jahrhundert das Kriegswesen so trefflich verstanden hat und das damals in Europa bekannt gewordene Schiesspulver zuerst bei Belagerungen angewendet haben soll, so war es bekanntlich der „letzte Ritter“ „Theuer-dank“ Maximilian, der, wie er selbst so manche hohe Heldenthat gethan, vornehmlich seine Kriegsmacht, das Landsknechtsheer, durch das strenge im Vereine mit seinem Frundsberg geschaffene Reglement organisiert und namentlich die Artillerie derart eingerichtet hat, dass seinem „Weckauf“ und „Purlepaus“, und wie sonst seine Lieblingskanonen hiessen, die festesten Burgmauern nicht widerstehen konnten und der selbst „mit dem groben Geschütz, das er bohren gelehrt, das er auf Räder geschafft, meist am nächsten zum Ziele traf.“ Waren schon unter dessen Vaters, Kaiser Friedrich III., und dann unter Maximilian I. eigener Regierung gegen die immer drohender werdende Gefahr vom „Erbfeinde der Christenheit“, dem Türken und gegen andere Feinde, zunächst die „Venetianer“, landesfürstliche Anordnungen zur Massenhilfe seitens der „Landschaften“ der österreichischen Erblande getroffen worden, so kam doch erst unter seinen nächsten Nachfolgern ein gewisses System in diese „Aufgebote“ des 30., 20., 10. und 5. Mannes aus den „Hörigen“ des Adels und der Geistlichkeit. Der „Codex Austriacus“*) verzeichnet eine Reihe von solchen Aufgeboten aus den Tagen von Kaiser Ferdinand 1. (1523) bis Ferdinand 111. (1G43) und speziell das Aufgebot Kaiser Ferdinand I. vom Jahre 1543 verordnete unter Hinweis auf den „General Fortzug mit Iliro Kayserlichen Majestät in eigener Person in Hungarn wider die Türken“, dass in allen fünf österreichischen Erbländern und der Grafschaft Görz die von der Ritterschaft und Adel (welche durch Krankheit, Alter und Jugend nicht verhindert) selbst in eigener Person so stark (mit Hörigen) als jeder kann, die Geistlichen aber durch ihre Untergehörige gleichfalls aufs stärkigst zu Ross und Fuss fortziehen sollen.“ Die so vielfältigen Kriege des 1(1. Jahrhunderts Hessen Not und Elend der „armen kranken Kriegsleuth“ immer krasser erscheinen und wir sehen demnach Kaiser Rudolf 11. in gewisser Beziehung schon eine Beite der heutigen segensreichen Thätigkeit „der Gesellschaft vom roten Kreuze“ bereits vor dreihundert Jahren in Übung bringen, nämlich die Sammlung von Hilfsgeldern für die im Kriege Erkrankten und Verwundeten. Wir lesen nämlich in dieses Regenten Verordnung, betreffend die „Aufsicht und Reparierung“ der Spittiiler und Siechhäuser vom 1. Juli 1596 den Passus: (Es) „Sollen alle Obrigkeiten und Herrschaften, Geistlich und Weltlich aller Orten bei denen Clöstern, Schlössern, Städten, Märkten und Flecken eigene Trühel (Truhen) und Geldstück zur Ersamhlung eines ergebigen Almosens für die armen, kranken und beschädigten (verwundeten) Kriegsleuth aufrichten und das Volk sonderlich die Sterbenden durch die Pfarrer und Prediger zu einer Christlichen Steuer und Hilf bevorab alle Sonn- und Feiertage embsig vermahnen lassen, auch sonst die Geist- und Weltlichen Obrigkeiten, in gemein (im Allgemeinen) mit allerhand Gelegenheit und Mitteln zu Samblung eines erspriesslichen Almosens verhelfen, dazu sie dann allerorten etliche sonders gewissenhafte angesessene Personen von Geistlich- und weltlichem Stand verordnen sollen, welche Reiche und Arme von Haus zu Haus, auch von einer Zeit zur andern nicht allein in ihren Wohnungen, sondern auch auf Hochzeiten, Gastereien, Wirthslniusern und dergleichen Versamblungen ersuchen und zu einer Gab, auch gutwilligen christlichen Hilf mit bestem Glimpffen (in freundlichster Weise) vermahnen, da dann einer dem andern ein gutes Exempei geben und weilen es die Christliche und Brüderliche Lieb also erfordert, keiner hierinnen nachlässig sein solle.“ . . .„Was nun — schliesst die Verordnung — folgends des einen und des anderen Orts also ge-samblet wird, das sollet Ihr oh der Enns (in Oberösterreich) monatlich in Unserer Stadt Linz zu Händen Unseres Raths und Anwalts Unserer Landeshauptmannschaft ob der Enns und getreuen liehen Veiten Spindlers der Rechten Doctoren als geordneten Einnehmer und Commißarii solcher Spitalhülff: Unter der Enns (Niederösterreich) aber in Unserer Stadt Wienn zu Händen Unseres getreuen lieben Augustin Hafners, deß inneren Stadt-Raths daselbst neben einer von desselben Orths-Obrigkeit (dem Stadtmagistrate Wien) gefertigten Urkunde und Schein was und wieviel solches Almosens gewest unverzüglich und treulich gegen Quittung überantworten, von dannen solle dasselbe in Unserm Christlichen Feldlager und in die nächst gelegenen Spittäler und wo es die Not am meisten erfordern wird, unter die armen kranken und beschädigten Kriegsleuth von getreuer Hand außgetheilet und anderst wohin keineswegs verwendet werden.“ Diese Verordnung wurde in den Jahren 1(303, 1641 und 1646 wiederholt kundgemacht.*) In dem Hauptquartier der Landesverteidigung von Innerösterreich (Steiermark, Kärnthen und Krain) gegen die Türken in der krainischen Landeshauptstadt Laibach sorgte am Ausgange des 16. Jahrhunderts der Regent von Innerösterreich, Erzherzog Ferdinand (Kaiser Ferdinand II.) für die im Kampfe mit dem „Erbfeinde“ krüppelhaft gewordenen Soldaten in liebevollster Weise, indem er an das von Kaiser Ferdinand I. 1553 hier errichtete k. k. Hofspital für erwerbsunfähig gewordene Bergarbeiter des k. k. Quecksilberbergwerkes in Idria (Innerkrain) im Jahre 1597 eine Abteilung für invalide Soldaten ansehloss, also eine Art Invalidenhaus ins Leben rief. Die Gepflogenheit, auch im Frieden Truppen in festen Verbänden zu unterhalten, trat in den Ländern der habsburgischen Dynastie unter Kaiser Ferdinand III., der vor Übernahme der Regierung in der Schlacht bei Nördlingen, einer der glänzendsten Waffen-thaten der österreichischen Armee, ein hohes Feldherrntalent bezeugt hatte, nach Abschluss des westphälischen Friedens in Geltung. In seiner Resolution vom Jahre 1649 verfügte nämlich der Kaiser, dass von den in den vorausgegangenen langen Kriegsjahren durch Werbung errichteten Regimentern „9 Regimenter zu Fuss“, darunter die heutigen k. und k. Infanterie-Regimenter Erzherzog Stephan No. H und Georg Prinz zu Sachsen No. ll, dann „9 Regimenter zu Ross“, wie die Kürassiere benannt wurden, und ein Dragoner-Regiment, darunter die heutigen k. und k. Dragoner-Regimenter Graf Monteccuccoli No. 8 und Fürst Liechtenstein No. 10 auch im Frieden stehen bleiben sollten. Diese Regimenter ergänzten sich auch weiterhin durch freie Werbung, sie waren keine Landesleistungen weder in den Erblanden noch in Ungarn. Mit dieser Resolution erschien also die Institution des stehenden Heeres für Österreich gegeben. Die allzeit väterlichste Fürsorge der Habsburger für das leibliche Wohl derjenigen, die ihr Blut und Leben für Thron und Vaterland opferwillig darbrachten, offenbart sich in dieser Zeit ganz besonders in dem für das Heer erlassenen „Reglement“, welches Kaiser Leopold I. im Jahre 1697 (3. Dezember) herausgab und das die Normen für Verpflegung und Be-quartierung der kaiserl. Truppen enthielt.*) Die eminent humantäre Tendenz dieses „Reglements“ namentlich im Hinblicke auf den gemeinen Mann zeigt sich ganz vorzüglich in der hier versuchten Regelung des Verpflegswesens. Es wurde nämlich diesbezüglich u. a. für die in Einquartierung befindlichen Soldaten festgesetzt, „dass jeder Hauswirth schuldig sei, wann und so oft er mit den Seinigen der Landsarth und Gewohnheit nach das (SO Mittag- oder Nacht mal geniesset, den einquartierten Soldaten auch mitessen zu lassen und die selbst geniessende Kost mitzuteilen.“*) Es war also, wie man (— nebenbei bemerkt —) daraus entnimmt, damals schon ein warmes Nachtmahl für den Soldaten ins Auge gefasst! Um jedoch anderseits bei der Länder Verschiedenheit der Bevölkerung da und dort eine Erleichterung zu verschaffen, da es „Orte gebe, an denen die meisten Hausleuth eine Kost genießen, bei welcher sie aus Armuth oder Gewohnheit wol auskommen müssen und können, der Soldat aber dabei nicht bestehen oder nach ausgestandenen Feldtravaglien sieh wieder erholen könnte,“ gestattete dasselbe Reglement den Hauswirten solcher Länder, „dem bey ihnen im Quartier liegenden Soldaten, er sey von der Infanterie oder Cavallerie monatlich 1 fl. 30 kr. in Geld und täglich 2 Pfund Rocken-Brods, wie er selbst genießt, zu geben, mit welchem Geld und Brod der Soldat sich befriedigen und wegen der Hausmannskost ausser Dach und Fach, Ligerstatt und dem gemeinschaftlichen Gebrauch des Lichts und Feuers, so der Quartiersmann ohnedem für sich und die seinigen hat, nicht das Geringste, wie es Namen haben mag von Land- oder Quartiersmann fordern solle.“**) Trotzdem musste auf der Länder Vorstellung schon nach zwei Jahren von der Bestimmung der Hausmanns- *) Ebenda p. 227. **) Ebenda p. 228. kost für die einquartierten Soldaten gänzlich Umgang genommen werden und es wurde in der unterm 21. Januar 169!) erlassenen „Erläuter- und Befestigung des vorstehenden Reglements“ unter Hervorhebung und Betonung, dass „die Hausmannskost an sich selbsten und in ihrem rechten Verstand und Gebrauch dem Quartiersmann keine sonderbare Beschwärniß, dem Soldaten aber ein grosser Behelf und Zubuß seines täglichen Unterhaltes gewest wäre“ verordnet, „daß fünlershin von der Zeit an, als der Soldat das Quartier bezieht und sich darinnen aufhaltet, von seinem Hausoder Quartiersmann nichts als den durch das Reglement festgesetzten Service und ein Portion Brod zu empfangen habe und alle übrigen vom Generalstab oder Regimentern gar nichts als Dach und Fach zur Wohnung und die Stallung für ihre Pferd vom Land zu prae-tendiren befugt sein; die Bezahlung in Geld sei aus und durch die (kaiserliche) Kasse zu erfolgen.“*) Nebstdem wurde aber, damit bei der Geldbezahlung und dem Brodreiclien, „welches, Jahr aus Jahr ein, Kopf und nicht Portionenweise, in den Wintermonaten vom Quartiersmann und in den Sommermonaten (der Manöverzeit) aus den kais. Magazinen stattfinden sollte, der Soldat, der voriges Jahr nach dem ersten Reglement die Hausmannskost gehabt, desto besser bestehen und auskommen möge, vom Kaiser angeordnet: die Herrschaften oder Grundobrigkeiten mögen dafür sorgen, dass der im Quartier liegende Soldat das täglich auf den Kopf berechnete Pfund Rindfleisch in loco seines Quartiers bekommen und kaufen könne und falls dies nicht möglich wäre, sollten die Herrschaften und Grundobrigkeiten schuldig sein, dem Soldaten per Kopf des Tags 2 kr. in Geld gratis beizutragen und zu reichen.“*) Kaiser Leopolds I. durch ihren hohen Wohlthätig-keitssinn ausgezeichnete dritte Gemahlin Kaiserin Eleonore, Tochter des Pfalzgrafen Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg und der Elisabeth geh. Landgräfin von Hessen-Darmstadt, hat, wie sie sich im allgemeinen als eifrigste Samaritanerin hervorgethan, die Pflege der verwundeten Soldaten zu ihrer Hauptaufgabe gestellt. Jährlich schickte diese gottesfürchtige, gütige Monarchin etliche Kisten voll Arzneien, leinene Tücher und anderes von ihr in Gemeinschaft mit adeligen Damen bereitetes Verbandzeug in das Feldspital und es entfaltete Eleonore diese ihre Thätigkeit in besonders umfassender Art im Jahre 1683, als der Türke Wien zum zweiten Male belagerte und die Besatzung sich in so hoher Not befand.**) So sehen wir wieder eine Seite des heute netzförmig über das ganze Reich ausgebreiteten schon in *) Ebenda p. 240 f. **) Hedwig von Radies: Die Kaiserin Eleonore in Gross: Deutsche Dichterinnen und Schriftstellerinnen III. p. 223. Friedenszeiten dem eventuellen Kriegsbedarf rastlos vorarbeitenden Wirkens der Gesellschaft vom roten Kreuz durch die Initiative eines erlauchten Mitgliedes des Allerhöchsten Herrscherhauses vor mehr denn zwei Jahrhunderten in sorglichster Weise vorgebildet! Und noch einer höchstfördersamen Thätigkeits-äusserung der heutigen Gesellschaft vom roten Kreuze begegnen wir — wenn auch in veränderter Form — bereits im Zeitalter Kaiser Leopold I., nämlich der Veranstaltung einer Lotterie für das Wohl der verwundeten und kranken Soldaten. Der Codex Austriacus*) enthält unter dem Schlagworte: „Glückshafen zur Aufrichtung eines Feld- oder Soidatenspitais“ die kaiserliche Verordnung vom 2. April 1696 mit der genauest ausgearbeiteten Organisation dieser Wohl-thätigkeits - Lotterie, beziehungsweise dem Spielplane für den Glückshafen selbst. Im Eingänge dieser Verordnung betont der Kaiser, es sei ihm „gehorsamst vorgetragen worden“, wie einige die Christenheit und das Vaterland liebende Gemüter in mitleidender Beherzigung dessen, dass die wider den Erbfeind christlichen Namens streitende „Militz“ in so vielen blutigen Schlachten und Be- lagerungen und in den „in dem desolirten“ Ungarn führenden so schweren und gefährlichen Feldzügen bisher ausgestanden, aussteht und noch ausstehen wird, auf ein Mittel bedacht gewesen seien, wie ohne Zwang und Beschwerde der Erbkönigreiche und Länder „durch einen freyen, willfährigen und solchen Beitrag“, der nicht nur auf die Unter-thanen und Landseinwohner beschränkt, sondern „zu welchem auch allen Ausländern und Fremden der Weg offen sein möge“, ein Fond zusammengebracht werden könnte, „vermittels dessen durch Auf- und Einrichtung eines ordentlichen und zulänglichen Feld- oder Soldatenspitals so viel tausend verwundete, kranke und preßhaffte arme Kriegs-Officier und gemeine Knechte, so sonsten weder eigenthüm-liche noch anderwärts her keine Hilfsmittel hätten, versorgt, geheilt und unterhalten sollten werden“. Als solches Mittel wurde die Errichtung eines Spiel- oder Glückhafens erkannt. Der Kaiser gestattet nun durch diese Verordnung die Sammlung von „Leggeldern“ zur Errichtung der Fonds gegen Hinausgabe von Loszetteln, welche den Inhaber an der Ziehung wie gewöhnlich teilzunehmen berechtigen, „wodurch, und wann es ein oder mehrere Zettel wären, der Leger sein gelegtes Geld mit einem kleinen oder großen Überschuß wieder bekommt, seynd es aber Zettel, die fähl (Nieten), sein gelegtes Geld doch nicht verspielet, verworffen oder verlohren, sondern er den Trost und die Freude haben wei’de, daß es wohl und Christlich angewendet seye.“ Der Fond sollte „hei dem aller Orthen wolaccre-ditirten und um den kaiserl. Dienst wol meritirten“ Wechselhause der Carl Bartolotti’schen Erben in Wien und dessen Filialen und Korrespondenten in Prag (Johann Peter Petronii & Comp.), Brünn (Gabriel Erlinger), Grätz (Andreas Brunner), Linz (Paul Franz Müller), Breslau (Gottfried v. Sclnnettau u. Christian Bettermann) und Innsbruck (Jos. Ant. Wiedenhuber) gesammelt werden. Das Leggeld für einen Loszettel war auf 4 fl. 6 kr. festgesetzt, gegen dessen Erlag der Leger befugt war, zu seiner Zeit, wann es zum Ausspielen kommt, einen oder so viel Loszettel, als er 4 fl. 6 kr. gelegt, aus dem Spiel oder Glückshafen zu ziehen. (Sollte es nicht zum Ausspielen kommen, so hätte der Einleger von den 4 fl. 0 kr. 4 Gulden zurückzuerhalten und nur die 6 Kreuzer von jeder Einlage wären für die Administration zurückzubehalten.) Es waren 3300 Gewinnste festgesetzt und zwar No. 1 mit 30000 fl., No. 2 24000 fl., No. 3 20000 fl., No. 4 18 000 fl., No. 5 15000 fl., No. ü 12000 11., No. 7 10000 fl., No. 8 9000 fl., No. 9 8000 fl., No. 10 7000 fl., No. 11 6000 fl., No. 12 5000 fl., No. 13 4000 fl., No. 14 3000 fl., No. 15 2000 fl., No. 16 1000 fl., No. 17 900 fl., No. 18 800 fl., No. 19 700 fl., No. 20 600 fl., 5 Radies, „Codex Austriacus“. (><•> No. 21 500 fl., No. 22 400 ff., No. 23 300 fl., No. 24 200 fl., No. 25 loo fl., von No. 2(> bis 300 eine jede 75 fl., von 301 bis 1300 eine jede 50 fl., von 1301 bis 3300 eine jede 25 fl. Die Gesamtgewinnst-summe betrug demnach 299125 fl. Damit aber „vornehmlich das so christlich und pro publico wol intentionirte Werk erreicht und gestiftet möchte sein“ und „um das gantze Wesen zu facilitiren“, „so wollen Wir — sagt die kaiserl. Verordnung im 11. Punkte — unsere tragende Kayserlich Königliche und Landesfürstl. Macht und Gewalt dahin walten lassen,“ dass die Gewinnenden von allem „Verbot, Inhibition oder Sequestration“ frei sein sollten und „unter keinem Titel noch Praetext angesprochen afficirt oder belegt sollten können werden“, also dass ein jeder, was er aus diesem Glückshafen gewinnt, als sein eigenes und freies Gut an sich nehmen und gemessen solle! .Josef I., der 1702 als Römischer König bei Lebzeiten seines Vaters, begleitet von seiner Gemahlin Wilhelmine Amalie von Braunschweig-Hannover und mit einem Hofstaat von 400 Personen, an den Rhein gegen Frankreich in das Feld gerückt war — „wozu die kaiserl. Erbländer die Summe von 400000 fl. verehrt“ — und die „Einnahme von Landau mit grosser Kunst ins Werk gesetzt“, liess sich dann als Regent die Kriegsanstalten stets eitrigst angelegen sein. „Zu diesem Ende wurden“ — wie der schon erwähnte „Tugendspiegel“*) ausführt — „von der Kaiserlichen Majestät mit Prinz Eugenio, Generalfeldmarschall Grafen v. Daun und Heister nebst den vornehmsten kaiserl. geheimen Käthen öfters Kriegsconferenzen gehalten, anbei auch den böhmischen, österreichischen Landtagen der kaiserl. Erblande die nachdrücklichsten Vorstellungen gethan, Ihrer Kaiserl. Majestät zur De-müthigung ihrer Feinde mit Volk und Geld nachdrücklich zu assistiren“, wie dies die Vorfahren und Nachfolger in ähnlichen bedrängten Zeiten gehalten und die getreuen Völker Folge zu leisten bestmöglich bestrebt gewesen. Gleich Josef I. hatte auch sein Bruder und Nachfolger Kaiser Karl VI. schon in früher Jugend seine kriegerische Bravour, in der Belagerung von Barcelona, auf das Glänzendste erwiesen und richtete, als ihn der frühzeitige Tod seines Bruders aus Spanien in die Burg seiner Väter nach Wien zurückgerufen und auf den Thron gebracht, sein Hauptaugenmerk auf die Heeresverhältnisse. Von grossem Einflüsse auf die militärische Organisation in Österreich unter seiner Herrschaft war, nachdem die Einheit des kaiserl. Heeres durch den Prinzen Eugen mächtig gefördert worden, der Beschluss des ungarischen Reichstages von 1715, der der Überzeugung Ausdruck gab, dass die bisherige *) l. c. II. 608. Insurrection*) in Ungarn zur Verteidigung des Reiches nicht genüge und dass man daher eine regulata militia (reguläres Militär), welche sowohl aus Eingeborenen als aus Ausländern bestehen könne, bedürfe, sowie dass zu diesem Zwecke Geldbewilligungen notwendig seien. Der im Jahre 1717 in der Belagerung von Belgrad „als kaiserl. General Feldzeugmeister auf dem Bette der Ehren mit größtem Ruhme seligst verschiedene“ Maximilian Ludwig Graf von Regal, dem noch unter Kaiser Leopold I. ein Regiments-Kommando anvertraut worden, stellte noch zu Anfang des 18. Jahrhunderts, weil bisher bezüglich der Abrichtung der Truppen bei der kaiserl. Armee keine Einheit geherrscht, „zu der militärischen Disciplin besseren Aufnahme“ und „zum Gebrauche der jungen zu Feld gehenden Officiers“ ein „Reglement über ein kaiserl. Regiment zu Fuß“ zusammen, das dann im Jahre 1739**) eine zweite verbesserte Auflage erlebte. Aus den Tagen Maria Therias stammen ferner die Reglements für Kavallerie von Eszterliazy und Khevenhüller. Eine sehr wesentliche Vermehrung erfuhr die kaiserl. Armee nach dem Antrite der Regierung durch *) Der freiwillige Zuzug. **) Verlegt zu Nürnberg 1730. Reglement Über ein Kaysor-lichos Regiment zu Fuß vorgeschriebon von Ihro Excellenco dem Herrn General-Feidmar.schall Lieutenant Regal. Neue verbesserte Auflage. die Kaiserin Maria Theresia in den Jahren 1741 und 1742, zu Beginn des österreichischen Erbfolgekrieges, und zählte man 174:] 100 Infanterie-, 18 Kürassier-, 14 Dragoner- und 11 Husaren-Regimenter. Nach der „neu versicherten Generalkriegstabelle von Anfang März 1744“*) sollten „Ihro Königliche Hungarische und böhmische Majestät“ zusammen los regulierte Regimenter auf die Beine bekommen, deren jedes Infanterie-Regiment nach dem neuesten Fuss in 2300, jedes Kavallerie-Regiment (Kürassier und Dragoner) in 1000 und jedes Husaren-Regiment in 1300 auserlesenster Mannschaft zu bestehen hatte. Über 25 Regimenter (Infanterie und Kavallerie) dieser „hungarisch-böhmischen Armee“ hielt Maria Theresia am 27. September 1745 im Lager zwischen Heidelberg und Ladenburg eine grosse Heerschau ab, wobei sie dieselben ihrem wenige Tage zuvor (13. September) zum römischen König gewählten Gemahl Franz I. „mit grosser Pracht übergab“ und die Truppen den „Eid ablegen“ liess. Bei dieser von FM. Johann Joseph I. Grafen Harrach kommandierten Parade waren von heute bestehenden k. u. k. Regimentern der kaiserl. und königl. Armee (aus damals anwesenden 17 Infanterie-Regimentern) vertreten: *) Im Anhänge zur 2. Auflago von Regals Reglement in dem Exemplar der k. k. Studionbibliothok in Laibach. Die Infanterie-Regimenter No. 2 Alexander! Kaiser von Russland, No. 8 Erzherzog Karl Stephan, No. 9 Carl Joseph Graf Cherfait*, No. 14 Ernst Ludwig Grossherzog von Hessen und bei Rhein, No. Hi Freiherr von Giesl, No. 21 Otto Ferdinand Graf Abensperg und Traun* (Inhaber FZM. Zeno Graf Welsersheimb, k. u. k. Landesverteidigungsminister), No. 28 Humbert I. König von Italien, No. 29 Ernst Freiher von Loudon*, No. 32 Kaiserin-Königin Maria Theresia*, No. 35 Moriz Freiherr Daublebsky von Sterneck, Nr. 42 Ernst August Herzog von Cumberland, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, No. 49 FM. Freih. v. Hess*, No. 52 FZM. Erzherzog Friedrich und No. 56 Daun Fürst von Tiano Leopold Graf*; dann aus 8 Kavallerie-Regimentern, die Dragoner-Regimenter No. 9 FM. Erzherzog Albrecht**) und No. 10 FM. Johann Fürst Liechtenstein***) und Husaren-Regi-ment No. 15 (Inhaber: Vacat). Nach der in einem eigens hergerichteten Pavillon abgehaltenen Festtafel wollte Maria Theresia das *) Die mit * bezeichneton Regimenter führen über Allerli. Befehl Sr. Kaiserl. und Königl. Apostol. Majestät Kaiser Franz Josef I. auf immerwährende Zeiten die historischen Feld-herrn-Namen seit dem Jahre 1888 beziehungsweise seit der Enthüllung dos Kaiserin Maria Thoresia-Monumentos in Wien. Anm. d. Verf. **) Gleichfalls auf immerwährende Zeiten seit dom Tode Sr. Kaiserl. und Königl. Hoheit 1893. Anm. d. Verf. ***) Seit 1888. Anm. d. Verf. J Lager selbst besichtigen und fuhr in offener Chaise vor der Front der ersten Linie vorüber; „die zweite bemerkte dies und gebrauchte eine List, die Monarchin auch zu ihrer Linie zu bringen“, „die Regimenter illuminierten ihr Lager mit so viel Lampen, Lichtern und Fackeln, als sie zusammenbringen konnten“; die Kaiserin, welche nun die Beleuchtung sah, unterliess nicht, „sich von der ersten Linie zur andern zu verfügen.“ Ihre Zufriedenheit mit den Truppen zum Ausdruck zu bringen und zur Erhaltung des Andenkens, Sie das erstemal bei der Armee gesehen zu haben, liess Maria Theresia einen Gulden an jeden Mann vom Sergeanten an zur Verteilung bringen. „Aller-höchstdieselbe waren auch — wie unsere Quelle weiters besagt — gesonnen, die Ofticiers nach Proportion zu regaliren, man hat Urnen aber vorgestellt, daß es sich auf eine Million belaufen und diese obwohl Königliche Freigebigkeit bei jetzigen Umständen (bei der finanziellen Lage) nicht recht angewendet sein würde.“*) Maria Theresia, von der der Ausspruch bekannt, „dass unter ihr Niemand sein Glück machen werde, ausser wer den Degen tapfer führe“, hat auch die Hoffähigkeit aller kaiserl. und königl. Offiziere dadurch begründet, dass sie „auch Offiziere der niedersten Rangstufen zu ihrer Tafel zu ziehen pflegte.“ *) Europäischer Staats-Secretarius, 109. Tlioil. 1745, p. 124. Für die Aufnahme und das Gedeihen des Militärwesens war die grosse Kaiserin-Königin im Allgemeinen auf das Eifrigste bedacht. Hat sie doch vor allem die heute noch blühende k. und k. Theresianische Militär-Akademie zu Wiener-Neustadt 1752 als k. k. Kriegsschule für 200 teils adelige teils Offizierssöhne errichtet und ihnen die dortige k. k. Burg zur Bildungstätte eingeräumt, wo sicli dermalen am Eingänge in den herrlichen Park das durch die Pietät Sr. Kaiserl. und Königl. Apostol. Majestät Kaiser Franz Josef I. errichtete Standbild der erhabenen Stifterin erhebt, angesichts dessen alljährlich an Kaisers Geburtstag — 18. August die „Ausmusterung“ der an selbem hohen Festtage zu k. u. k. Lieutenants ernannten Zöglinge im Beisein der beglückten Angehörigen und Bekannten und zahlreich teilnehmender Freunde der k. u. k. Armee überhaupt in weihevollster Weise statt-tirnlet! Zwei Jahre später (1754) organisierte die Kaiserin-Königin eine Ingenieurschule in Wien, aus welcher dann die heutige k. und k. militär - technische Akademie hervorgegangen, nachdem bereits ihr Vater Kaiser Karl VI. (1718) eine mathematische Akademie für die Kriegsbaukunst in Wien ins Lehen gerufen hatte.*) *) Woiskcrn: Topographie von Niederösterreicli. Wien 1769. l. , p. 22. Wie Maria Thesesia durch die weitaussehende Stiftung und Einrichtung dieser höheren Militär-Bildungsinstitute für die Forterhaltung des ausgezeichneten österreichischen Arnieegeistes durch Berufsoffiziere auf fernste Zeiten hin bestens vorgesorgt, so hat die das Verdienst stets hochanerkennende Monarchin auch durch die 1757 nach der Schlacht von Kolin erfolgte Stiftung des höchsten militärischen Ordens, des nach ihr benannten und mit der Aufschrift „Forti-tudini“ (Der Tapferkeit) versehenen Maria-There-sien-Ordens den Offizieren unserer ruhmreichen Armee für immer einen gar mächtigen Ansporn zu hervorragenden Thaten und Leistungen geschaffen, welcher Stiftung sie 1750 die Erneuerung des von ihrer Mutter der Kaiserin Elisabeth gegründeten Elisabeth-, von da ab Maria Theresia-Elisabeth-Orden mit Pensionen für invalide Offiziere hatte vorangehen lassen. An die Errichtung der königl. ungarischen adeligen Leibgarde — noch heute eine der glanzvollsten Zierden bei festlichen Aufzügen des Allerli. Hofes — „als eine Pflanzschule von wohlgebildeten Offizieren“ (17(50) reihte sich 1704 die Gründung des königl. ungarischen Stephans-Ordens, gleichfalls eine der höchsten Auszeichnungen in der österreichisch-ungarischen Monarchie. „Zur Unterhaltung (Unterhalte) derer Militär-, General-, Stabs- und Oberoffiziers-Wittwen hatte die Kaiserin-Königin (1742) eine namhafte Summe pro pensione annua allermildest auszuwerfen geruhet.“ Welche ausserordentliche Fürsorge die Monarchin speziell für die invaliden Soldaten trug, mag daraus hervorgehen, dass sie eine Reihe von Hofdekreten und Verordnungen ihretwegen ausgehen liess (von 1750 bis 1774); das grosse Invalidenhaus in Prag wurde für die Invaliden aus den böhmischen Ländern adaptiert, sowie jenes in Pest für die Ungarn, das zu Wien für die Österreicher und das zu Pettau (Steiermark) für die aus den übrigen Provinzen. Bekannt sind die rührenden Seenen, die sich öfters abgespielt, wenn Maria Theresia eines in ihren Kriegen invalid gewordenen verdienten Soldaten ansichtig wurde. Im Laufe des Winters 1701 liess die Kaiserin-Königin allen ihren Truppen, „da sie von den ausgestandenen Beschwerlichkeiten des vorigen Feldzuges ausruhten“, „zur Bezeugung ihrer Zufriedenheit und um sich nicht auf Lobsprüche zu beschränken“, sondern „den Zustand der Soldaten glücklicher zu machen“, die „Ration für dieselben täglich mit einem Pfund Mehl vermehren“.*) Die Armee hatte hinwieder zum Danke für die von Maria Theresia alle Zeit bewiesene Fürsorge für dieselbe ihr zu Ehren eine Denkmünze prägen lassen mit der Inschrift: „Mater castrorum“, die Mutter der Lager, denn Maria Theresia hatte stets für die bessere Bekleidung und Ernährung sowie für die Bestellung von Ärzten für ihre im Felde stehenden Truppen eifrigste Sorge getragen.*) Schon in der vorigen Abteilung haben wir es betont, dass Maria Theresia, als sie nach dem Tode ihres Gemahls 1765 ihren Sohn Josef zum Mitregenten angenommen hatte, diesen nur in der Leitung der Militärangelegenheiten gewähren liess; Josef gab sich dieser Thätigkeit mit der ihm eigenen Energie hin und schuf eine Streitmacht, der kaum eine andere in Europa gleich kam. Der zeitgenössische Biograph Pezzl**) sagt, dass unter seiner Leitung das ganze Kriegswesen gleichsam die Gestalt einer neuen Schöpfung gewann. „Die Kriegskanzlei, die Oekonomie, die Rüstung, das Ma-noeuvre haben auffallende Verbesserungen erfahren.“ Eines aber hebt derselbe Schriftsteller als besonders fördersames Moment hervor: die Einrichtung der jährlichen Übungslager, „eine Anstalt, welche vorzüglich dazu beitragen muss, ein Kriegsheer in Athem zu erhalten.“ „Joseph — fährt Pezzl fort — setzte fünf derselben für immer fest: eines bei Minkendorf *) Wolf: Maria Therosia, p. 230. **) Charakteristik Josophs II. Zweite Auflage. Wien 1890, pag. 34. unweit Wien*) von ungefähr 14000 Mann, das andere bei Pettau in Steiermark von 20000 Mann, das dritte bei Pest von etwa 50000 Mann, das vierte in Mähren von 30000 Mann, das fünfte bei Prag von 60000 Mann; sie versammelten sich im August, September und Oc-tober, machten einige Tage hindurch kleinere Übungen und die letzten drei Tage Manoeuvres. Joseph besuchte sie alljährlich eines nach dem andern. Mit Ende October wurden alle militärischen Rechnungen geschlossen und mit dem Monate November neu angefangen. Dies ist das im österreichischen Staate eingeführte Militärjahr. “**) Josef II. erbaute die Festungen Josef Stadt und Theresienstadt in Böhmen, gründete in Wien die „Josephinische Akademie“ zur Bildung von Militärärzten und zu Hernals bei Wien ein Pensionat zur Erziehung von Töchtern österreichischer Offiziere, welches in unsern Tagen durch die Fürsorge Sr. k. und k. Apost. Majestät Kaiser Franz Josef I. und unter dem Protektorate Ihrer k. und k. Apost. Majestät der Hochseligen Kaiserin und Königin Elisabeth volle Ausgestaltung erfahren hat. Für jedes Regiment seiner Armee errichtete Kaiser Josef ein Militärknaben-Erziehungshaus, „um sie zuPflanz- *) Münchendorf dem Stifte Heiligenkrug gehörig hinter Hechau, an der Ödenburger Strasse — Woisskorn, Topographie von Nioder-österreich I. p. 415. **) Pezzl 1. c. p. 35. schulen guter Offiziere zu machen.“ Auch auf die Erweiterung und Neuanlegung von Militärspitälern war der „Schützer der Menschheit“ eitrigst bedacht. „Im Jahre 1772 brachte aber Joseph nach dem Muster von Preussen eine der wichtigsten Staatseinrichtungen für Oesterreich zu Stande, nämlich die militärische Conscription, die Eintheilung der Länder nach gewissen Bezirken, davon jeder einem Regiment angewiesen wurde, das alle darin befindlichen Mannspersonen genauer Messung und Aufschreibung unterzog, auch das Recht hatte, jeden darin geborenen Knaben als ein Eigenthuni des Regimentes zu betrachten und auszuheben, und so stiits einen sicheren Zuwachs von Landeskindern zur Completirung der Armee zu liefern. Böhmen, Mähren, Oesterreich, Steiermark, Kärnthen, Krain und Galizien wurden dieser militärischen Concsription unterworfen. Ungarn, Tirol, die Niederlande und die Lombardei, welche sich dagegen aussprachen, blieben einstweilen davon frei.“*) Wenn der Kaiser hei seinen Truppen im Felde erschien, so 1778 im Kriege gegen Preussen und 178h im Türkenkriege, „theilte er alles Ungemach, alle Arbeit mit seinem Heere. Er sass Tag und Nacht zu Pferde, kam wenig aus seinen Kleidern, achtete weder Frost noch Hitze, begnügte sich mit gemeiner Nahrung, schlief in Zelten, Scheunen und unter freiem Himmel auf Stroh, auch wol auf bloßer Erde ... Er besuchte die Kranken und Verwundeten, sprach ihnen Muth und Trost zu. Er bestrebte sich den Kriegern ihr Schicksal so leicht zu machen, als möglich und sorgte für alle Bedürfnisse der Armee bis zum Überfluss. Auch war der Eifer, unter seiner Fahne zu dienen, allgemein“.*) Die Militärehrenmedaille, auch Verdienst- oder Tapferkeitsmedaille (in Gold und Silber) zur Belohnung für Unteroffiziere und gemeine Soldaten hat Josef II. zu ihrem Stifter. Als sich der Monarch dem Tode nahe fühlte, so gab er unterm 14. Februar 1790 dem Hofkriegsratspräsidenten Ha dick den Auftrag, der gesamten in der wirklichen Dienstleistung stehenden Arme vom höchsten Generale bis zum gemeinen Mann herab, in seinem Namen bekannt zu machen: „Weil Se. Majestät sich dem Ende Ihres Lebens näherten, so hielten Sie sich für undankbar, wenn Sie nicht der gesammten Armee für die in allen Gelegenheiten und ohne Ausnahme Allerhöclistderselben bewiesene Treue, Tapferkeit und Unverdrossenheit Ihre volle Zufriedenheit zu erkennen gäben. Se. Majestät müßten die Armee, eben weil Sie dieselbe bei einer im Feldzuge Sich zugezogenen Krankheit nicht hätten verlassen wollen nun früher ganz verlassen, als nach dem gewöhnlichen Lauf der Natur und Ihrer Leibesbeschaffenheit zu vermuthen gewesen wäre. Soldat zu sein, wäre von jeher Allerhöchstihre vorzügliche Neigung, sowie die Beförderung des Wachsthums an Ansehen, an innerlichen Kräften und Werth der gesummten Armee stets der Gegenstand Höchstihrer größten Sorgfalt gewesen.“ Nachdem dieser den obersten Kriegsherrn wie das Heer gleich ehrende Armeebefehl nun weiters sich über die Sorgfalt des Kaisers für die Truppen ausgebreitet und den letzteren insbesondere für die Haltung im letzten Türkenkriege vollste Anerkennung gezollt, scliliesst derselbe mit den Worten: „Da Se. Majestät nach Ihrem Hinscheiden für die Armee nichts mehr thun könnten, so wollten sie Ihr diese Ihre dankbaren Gesinnungen mit dem innigsten Wunsche hierdurch zu erkennen geben, dass sie — die Armee — dem Staat und Sr. Majestät Nachfolger immer eben so getreu, wie Allerhöclistderselben zu-gethan sein möge!“*) Die k. u. k. Armee hat, wie die Geschichte lehrt, diesem Wunsche ihres erhabenen Förderers in allen Folgezeiten getreulich und glänzend entsprochen. Zunächst fand sie hierzu vielfach Gelegenheit in der langjährigen Epoche der Franzosenkriege unter «Josefs geliebten Enkel Kaiser Franz II., der, ein «Jüngling noch, von seinem kaiserlichen Ohm in den Türkenkrieg mitgenommen worden war, dann schon zwei Jahre nach seiner Thronbesteigung zur allgemeinen Freude der verbündeten Truppen am 14. April 175)4 in Begleitung der Erzherzoge Karl und Joseph im Feldlager zu Valenciennes erschien, drei Tage später „unter seinen Augen seine braven Truppen den Kampf gegen das französische Zentrum eröffnen sah und am ü(>. April sich an der glänzenden Waffenthat von Landrecies erfreuen konnte“. Die Freude der Truppen, diesen Monarchen im Felde in ihrer Mitte zu sehen, sollte ihnen noch einige Male zuteil werden und es ist oft erzählt und beschrieben worden, wie Kaiser Franz in den späteren Kriegen gegen Napoleon durch seine persönliche Anwesenheit heim Heere nicht blos dieses auf jubeln machte, sondern auch im allgemeinen die hellloderne Begeisterung aller Feinde des Welteroberers, in erster Linie die des gesamten deutschen Volkes hervorrief und der grösste deutsche Freiheitssänger Moriz Arndt hat den Eintritt Österreichs in die Allianz mit Preussen und Russland 181:5 indem herrlichen Sange gefeiert: „Als Kaiser Franz den Franzosen den Krieg erklärte“,*) welch hohes Lied mit den Versen anheht: ’) Teuffonbach, Albin, Prhr. v. Vaterländisches Ehronbuch, Poetischer Teil. Salzburg 187!), p. 707 ff.- Merkwürdigerweise ist dieses schon 1814 im „Freiheits- und Siegeskranz in unseren deutschen Liedern“ zum Wiederabdruck gelangte, die damaligen Zustände scharf kennzeichnende, Gedicht in Arndts Gedichtsammlung nicht aufgonommon worden. (Ebenda, Anmerk.) Der Kaiser hat geredet, Der alte d ent sch o Kaiser Franz: Auf! Frankreich sei befehdet Und frisch erneut Deutschlands Glanz! Auf! Auf! mit hellen Wehren Für Deutschlands Ruhm und Preis Und wascht die deutschen Ehren Von allen Flecken weiss! D’rum auf, ihr deutsche Fürsten! D’rum auf für’s deutsche Vaterland! Nun lernt nach Ehre dürsten, Und nehmt der Rache Schwert zur Hand! Ihr läget lang in Banden Nun seid ihr wieder frei Auf! ruft in allen Landen, Der Freiheit Feldgeschrei! und in den lobesamen Segenswunsch für die erhabene Person des Kaisers Franz ausklingt: Nun noch ein hohes Lebe Dem rechten deutschen Herrn zulozt! Franziskus herrsche, lobe, Der seinen Stolz auf Gott gesetzt! Der seinen deutschen Degen, Dem Vaterlande weiht! Mit ihm sei Gottes Segen Heut’ und zu aller Zeit! Doch kehren wir zu Österreich und seiner Armee zurück, in die erste zehnjährige Periode der Franzosenkriege. In dieser Periode geschah durch die Fürsorge Kaiser Franz II. für die Armee so manches Bedeutende; das Bedeutendste war jedoch die Ernennung des Erzherzog Carl zum Präsidenten des Hofkriegsrates o Radies, „Codex Austmcus“. in Wien (1801), dessen Referenten und Leiter der militärisch-politisch-ökonomischen, sowie des ,Justizdepartements Zivilbeamte waren, deren an die Generale im Felde hinausgegebenen Pläne und Weisungen viele und nicht unberechtigte Klagen hervorgerufen hatten. Erzherzog Carl, nun Präsident dieser obersten Militärbehörde, ging beim wiederhergestellten Frieden (1806) daran, an deren Organisation seine Erfahrungen und sein Genie zu setzen.*) Der Erzherzog that alles, um die militärischen Kräfte Österreichs zu stärken und zu vermehren. Er vereinfachte die oberste Leitung, teilte nach dem Muster der Franzosen die Armee in einzelne Korps, deren jedes ein Ganzes für sich bildete. Das Exerzieren wurde vereinfacht. Die Artillerie, für die schon unter Maria Theresia durch den Fürsten Liechtenstein viel geschehen war, ergänzt, Jägerbataillone, Depots für Rekruten und für Pferde wurden errichtet. Man wirkte auf die Hebung des Offizierstandes, wie auch auf das Ehrgefühl des gemeinen Mannes. Das Reglement von 1 808 untersagte jede Brutalität gegen die Soldaten, „weil sie das Ehrgefühl vernichte, welches die Seele des Soldaten sein soll“. Der Erzherzog begann 1806 seine zwei berühmten Werke „Grundsätze der höheren Kriegskunst“, „Beiträge zum praktischen Unterricht“, welche eine Fundgrube für intelligente *) Werner Carl: Kaiser Franz 1702—1803. Österreichische Geschichte für das Volk. Bd. XV, p. 239 f. Offiziere wurden. Ein neues Befestigungssystem wurde aufgenommen. Der Erzherzog schuf weiters einen volkstümlichen Heerbann zur Verteidigung des Vaterlandes und gab damit dem stehenden Heere einen guten Rückhalt. Ein Patent vom 12. Mai 1808 ver-ordnete die Bildung einer Landmiliz als dauernde Reserve der aktiven Armee. Eine andere Verordnung vom 9. Juni 1808 befahl, aus allen waffenfähigen, nicht in der aktiven Armee dienenden Männern von 18 bis 45 Jahren, „eine zur Verteidigung des vaterländischen Bodens abzweckende Landwehr" nach Provinzen und Distrikten zu organisieren. Dem Erzherzog Johann wurde die Durchführung dieses echt vaterländischen Institutes an vertraut. “ *) Dei1 zeitgenössische Schriftsteller K. Pr. Sun-tinger**) fasst des Kaisers Franz Sorgfalt für die Armee in die nachstehenden schönen Sätze zusammen. Er sagt: „Sr. Majestät der Kaiser Franz hat für die Erhaltung der äusseren Sicherheit seiner Monarchie stets die grösste Sorgfalt und vorzüglichste Anstrengung verwendet, besonders da ihn die Vorsehung in einem *) Wolf Adam: Kaiser Franz 1804—1811. Österreichische Geschichte für das Volk. Kd XVI, p. 84 f. **) Darstellung der Kultur und Humanität des kaiserlichen österreichischen Hofes Wien und Triest, 1808, p. 40!) f. (Die Mitteilung dieses vielfach hochinteressanten, heute bereits seltenon Buches, verdanke ich der besonderen Freundlichkeit des Herrn Kustos an der k. k. Studienbibliothek in Salzburg, Dr. Richard Ritter von Strele-Bärwangen. Anmerk. d. Verf.) 84. Zeitpunkt den Thron seiner Väter besteigen hiess, in welchem verschrobene Ansichten allenthalben die öffentliche Meinung dominierten, die Staatsbande lockerten, gewaltsame Angriffe uralte Völkerverfassungen umstürzten, und mächtige Staaten erschütterten. Seine vortrefflichen, wohldisziplinierten Heere verfochten rühmlich die äussere Sicherheit, halfen die glückliche Rückkehr der allgemeinen Ordnung und Ruhe erzwingen und bei dem Anwachsen der opponierenden Macht rettete doch seine Vatersorge mit einiger Aufopferung die von Vätern ererbte Verfassung seines Kaisertums. Da sein väterliches Herz und Herrscheraufmerksamkeit allen Ständen angehören, so hat er von der besonderen Sorgfalt für die Behauptung der äusseren Sicherheit dadurch einen neuen Beweis gegeben, dass er selbe der speziellen genauesten Obhut eines geistvollen edelsten Prinzen und ausgezeichneten Feldherrn Europas des Erzherzogs Carl Kaiserl. Hoheit anvertraut und ihm einen Prinzen von ebensolcher scientifisehen Bildung als männlichen Charakter den Erzherzog Johann an die Seite gesetzt hat. Die Mitwirkung eines Erzherzog Ferdinand, eines Maximilian und anderer Sprossen des erlauchten Hauses bürget für die Beseelung des ächten Militärgeistes des vaterländischen Heeres.“ Die Anerkennung des Monarchen für die von den Zeitgenossen in Wort und Bild gefeierten Heldenthaten der k. k. Armee während Franzens Regierungszeit, beziehungsweise während der Franzosenkriege sprach sich aber vornehmlich aus in der Gründung von Ehrenzeichen für Angehörige des Militärstandes. Die ersten Militärmedaillen, die Kaiser Franz stiftete, waren d.ie Dekorationsmedaillen aus den Jahren 1790 und 1797. Die erste, von 1796, aus Silber, trägt die Legende: Franciscus II I). G. R. Imp. S. A. H. B. R. Comes Tirolis — Kopf mit Lorbeer bekränzt — Zur Rechten: J. N. Wirt f. Tirolis ob hoste Gallo undique petita MDCCXCVI. innerhalb des Lorbeerkranzes: Pro fide principe et patria fortiter pugnanti. Diezweite, von 1797, weist die Legende: Franz II Röm. Kai. Erzherzog zu Oesterreich — Kopf mit Lorbeer bekränzt — zur Rechten: J. N. Wirt f. Den biederen Söhnen Oesterreichs des Landesvaters Dank. MDGCXCVII. (in einem Eichenkranz). Die dritte, von 1797, trägt die Legende: Franz II R. Iv. Erzherzog zu Oesterreich Graf von Tirol. Kopf mit Lorbeer bekränzt — zur Rechten: J. N. Wirt fee. Den tapfern Vertheidigern des Vaterlandes MDCCXCVII. (in einem Lorbeerkranz).*) Zur Auszeichnung und als Beweis der Dankbarkeit für die tapferen Verteidiger des Vaterlandes in den denkwürdigen Kriegen von 1813 und 1814 stiftete Kaiser Franz im Jahre 1814 ein eigenes Denk - *) Ersch u. Gruber: Allgemeine Encyklopaedie III. (4), p. 505 f. und Ehrenzeichen, welches aus dem Metalle im Jahre 1813 eroberter französischer Kanonen geprägt wurde. Es hat die Form eines mit Lorbeer umwundenen Kreuzes und wurde von allen österreichischen Kriegern, welche an den Feldzügen dieser Jahre teil nahmen, ohne Unterschied des Ranges an einem gelb-schwarzen seidenen Bande getragen. Auf der Vorderseite stehen die Worte: Libertate Europae asserta 1813—1814. Auf der Rückseite: Grati princeps et patria Franciscus Imp. Aug.*) Kaiser Ferdinand I. der Gütige, dem auch die k. k. Armee so vieles so verdanken hatte — zuvörderst die ausgezeichnete Vorbereitung im Frieden, die sich namentlich dann auf den blutigen Walstätten zur Erhaltung von Thron und Reich so glänzend bewährte —, Kaiser Ferdinand I. apostrophierte bei seiner Thronentsagung (2. Dezember 1848) dieselbe den Worten: „Unserer tapfren Armee sagen wir dankend „Lebewohl“. Eingedenk der Heiligkeit ihrer Eide, ein Bollwerk gegen auswärtige Feinde und Verräther im Innern, war sie stets und nie mehr als in neuester Zeit eine feste Stütze des Thrones, ein Vorbild der *) In der Familie des Verfassers dieser Zeilen wird als teure Reliquie ein solches Ehrenzeichen bewahrt, dass mein sei. Vater, Herr Peter von Radies, der die grossen Befreiungskriege mitgemacht und in denselben auch wiederholt verwundet worden, als k. k. Offizier im k. k. 59. Infanterie-Regimente erhalten hatte. Anmerk. d. Vdrf. Treue, Standhaftigkeit und Todesverachtung, ein Hort der bedrängten Monarchie, der Stolz und die Zierde des gemeinsamen Vaterlandes. Mit gleicher Liehe und Hingebung wird sie sich auch um ihren neuen Kaiser scharen.“ Und der neue Kaiser, Franz Josef I., rief ihr in der Verkündigung seiner Thronbesteigung die Worte zu: „Von Unserer glorreichen Armee versehen Wir Uns der allbewährten Tapferkeit, Treue und Ausdauer. Sie wird Uns wie Unsern Vorfahren ein Pfeiler des Thrones, dem Vaterlande und den freien Institutionen ein unerschütterliches Bollwerk sein.“ Die Armee hat auch diese Vorausetzung des neuen Kaisers getreuliehst erfüllt in allen Zeitläuften und auf allen Schlachtfeldern — und dafür den höchsten Lohn immerdar in der unentwegten Allerhöchsten Anerkennung ihres Obersten Kriegsherrn gefunden, Allerhöchstdessen weisen Anordnungen und Einrichtungen sie ihre heutige allseits gewürdigte und hervorgehobene mustergiltige Ausgestaltung nach jeder Richtung, und den höchsten Anforderungen des modernen Fortschrittes im Kriegswesen entsprechend verdankt! ln den Reihen der glorreichen Armee unter „Vater Radetzky“ hatte der junge ritterliche Kaiser als Erzherzog noch, und wenige Monate vor Seiner Thronbesteigung, in Italien in der denkwürdigen Schlacht hei Santa Lucia — (i. Mai 1848 die Feuertaufe empfangen. Das schönste Zeugnis über die Tapfer- keit des Erzherzogs Franz Josef giebt Feldmarsehall Radetzky, indem er an den Kriegsminister berichtete: „Ich selbst war Augenzeuge, wie eine Kanonenkugel auf kurze Entfernung vor dem Erzherzog einschlug, ohne dass Er die geringste Bewegung dabei verriet.“ Die Hingebung für den ehrenvollen Soldatenstand, die Teilnahme an Freud und Leid, und an den Siegen des Heeres, die persönliche Tapferkeit und militärische Einfachheit machten den jungen ritterlichen Prinzen zum Liebling der ganzen Armee.*) Und im Mai des nächsten Jahres, als es galt dem Aufstande in Ungarn ein Ende zu machen, sehen wir den Monarchen dahin eilen, „der“ — wie Oberst Ritter von Sypniewski so schön sagt — von der Natur mit dem todesverachtenden Mute Seiner Heldenahnen ausgerüstet, Sich durch den Donner der Kanonen auf das Schlachtfeld hingezogen fühlte.“ Es war hei der Einnahme von Raab (28. Juni), das Feuer war fürchterlich, die Soldaten durch die Gegenwart des Kaisers, der sich von ihrer Kühnheit und Tapferkeit persönlich überzeugen konnte, aufs höchste begeistert, machten die grössten unglaublichsten Anstregungen, einige Batterien fuhren sogar mit ungeheuerer Kühnheit 400 Schritte gegen die ungarische Redoute an. Nach 15 Minuten schwieg das Feuer des Feindes, er floh und die Verschanzungen wurden *) Sypniewski K. v., k. u. k. Oberst: „Fünfzig Jahre Kaiser.“ Wien 1898. (Verlag von Carl Teufen |Fr. Bauer]), p. 12. 8!) genommen. Der Kaiser war während dieser Zeit immer hei Seinen Soldaten im Feuer. Korpskommandant Graf Sehlick gab nun den Befehl zum Sturm. In dem Momente, als sich die Sturmkolonnen in Bewegung setzten, näherte er sich Seiner Majestät, um zu melden: „dass Raab nach Verlauf einer halben Stunde in unserer Gewalt sein werde.“ Der Kaiser sprach sehr freundlich: „Bravo Schlick. Ich bin hierüber um so mehr erfreut, als mehrere Personen Mir gesagt haben, dass dies unmöglich sei.“ Der kühne, mutige Monarch wollte hierauf an der Spitze des ersten Bataillons einziehen; Schlick wagte aber, im Pflichtgefühl seiner Stellung, ihn folgender-massen anzureden: „Majestät! Es ist das erste und sicher das letzte mal, dass ich mich in der Lage befinde, Ihnen etwas verbieten zu können; wenn aber Euer Majestät durchaus einziehen wollen, so wage ich es, Sie zu bitten, erst mit mir an der Spitze des dritten Bataillons einzudringen.“ Hierauf blieb der Kaiser zurück. Noch waren aber die durch Brand zerstörten Brücken zum Einzuge der Truppen nicht vollends in practikablen Stand gebracht, als der Kaiser vom Pferde stieg, Sich einer der Brücken näherte und einen Balken überschritt, zu dessen Wegschaffung keine Zeit mehr erübrigt werden konnte. Dies war ein äusserst gefährlicher Gang, denn die wankenden Unterlagen der durch morsche und schlechte Planken gedeckten Brücken gewährten einen sehr unsicheren Übergang für die Person des Kaisers. Ohne Truppen, nur von den Offizieren Seiner Suite, den beiden Adjutanten GM. Graf Grünne und Kellner, Kriegsminister Graf Gyulai und Fürsten Felix Schwarzenberg begleitet, durchschritt der Monarch inmitten einer erstaunten Menschenmenge die Gassen und betrat gerade in dem Augenblick den Platz der Stadt, als die Generale Fürst Liechtenstein und Reischach mit dem Säbel in der Hand an der Spitze ihrer Truppen dahin vordrangen.*) Und 10 Jahre später eilte der Monarch wieder in die Kampfgefilde Italiens, wo aber ein zweifacher Gegner mit weit überlegenen Kräften es bei Solferino der k. k. Armee unmöglich machte, trotz aller Tapferkeit und heldenmütiger Hingebung den Sieg an ihrer Fahne zu fesseln. Unbekümmert um Seine eigene Sicherheit setzte sich der Kaiser im entscheidenden Augenblicke vor die Front eines zum Angriff vorrückenden Grenzer-Bataillons, es mit den Worten anfeuernd: „Vorwärts Ihr Braven, auch ich habe Weib und Kind zu verlieren.“ Allein der aufopfernde Heldenmut des Kaisers, die glänzende Tapferkeit der Soldaten vermochte das Kriegsglück nicht zu wenden, das zuletzt doch immer Dem zufällt, der über die stärkere Macht verfügt.**) Die treffendste Charakteristik der Schlacht lieferte ein gegnerischer franzö- *) Sypnieyvski 1. c., p. HO. **) Sypniewski 1. c., p. 90. !) 1 Bischer General in dem Ausrufe: „Noch einige solcher Siege und wir kehren ohne Armee nach Frankreich zurück“ und Wolfgang Menzel, der Historiker, iiusserte sich: „dass die Österreicher wie die Löwen fochten und trotz der Niederlage unsterblichen Ruhmes würdig und selbst vom Feinde hochgeachtet werden.“ Der den Friedensschluss verkündende Armeebefehl, in welchem hervorgehoben wurde, dass „die brave Armee, nachdem Tausende von Offizieren und Soldaten ihre Pflichttreue mit dem Tode besiegelt, ungebrochen in Kraft und Mut der Fortsetzung des Kampfes entgegensehe“, schliesst mit den Worten: „Aus vollstem Herzen danke Ich Meiner Armee, sie hat Mir aufs Neue gezeigt, wie unbedingt Ich bei künftigenKämpfen auf sie rechnen kann.“ Diese Kämpfe blieben nicht aus und auch auf allen späteren Schlachtfeldern, 1804 in Schleswig-Holstein, 1866 bei der Nord- und Südarmee und in der Schlacht zur See, sowie 1878 in Bosnien und der Herzegovina, immer und überall hat die k. u. k. Armee aufs neue gezeigt, wie unbedingt der Oberste Kriegsherr auf sie rechnen kann und sie hat namentlich durch die glänzenden Tage von Königsberg und Ober-Selk, von Översee, Friedericia und Veile, durch die herrlichen Siege von Custozza und Lissa und durch w'.' schöne Geburtstagsgeschenk der Einnahme von Sarajevo das Herz des ritterlichen Monarchen mit höch:ter Freude erfüllt! Die Allerhöchste Anerkennung seitens des Obersten Kriegsherrn ist aber als der höchste schönste Lohn der k. u. k. Armee immerdar in vollstem uneingeschränktem Masse zuteil geworden. Es ginge über den Raum dieser Darstellung weit, hinaus, wollten wir auch nur chronistisch alle die Armeebefehle, Dank- und Anerkennungsschreiben, alle die Auszeichnungen einzeln anführen, welche Seine Majestät infolge heldenmütiger Bethätigung der Anführer und der Truppen, die 50 Jahre her, zu erlassen und zu verleihen geruhte. Pis muss hier genügen, darauf hinzuweisen, wie die dankerfüllte Pietät des Monarchen neben den der Erinnerung an längst vergangene grosse Tage geweihten Denkmälern für den „edlen Ritter“, den Prinzen Eugen, für Erzherzog Carl, den „Retter von Deutschlands Ehre“, den heldenhaften Sieger von Aspern und für den FM. Fürst Karl Schwarzenberg, den Helden von Leipzig, aus Seinerzeit solche für den „Vater Radetzky“, in dessen „Lager Österreich gewesen“, für Kaiser Maximilian, für Tegett-hof und für den Heldenmarschall Erzherzog Albrecht. den Sieger von Custozza, folgen liess; es muss hier genügen, darauf hinzuweisen, wie Se. Majestät der Oberste Kriegsherr in der Zeit Allerhöchstseiner glorreichen Regierung eine Reihe neuer Ehrenzeichen auch oder ausschliesslich für die Angehörigen der k. u. k. Armee gestiftet hat, so zu den Auszeichnungen des aus den Tagen Seines Grossvaters Kaiser Franz II. stammenden Leopoldordens (1808) und des Ordens der Eisernen Krone (1810), den Allerhöchstseinen Namen tragenden Franz Joseforden (1849^ 2. Dezember) und vorher noch (1849, 22. August) das Militär-Verdienstkreuz, die Erinnerungsmedaille an den dänischen Krieg (1804, 10. November), aus Anlass der 25jährigen Erinnerungsfeier Allerhöchstseiner Regierung die Kriegsmedaille (1873, 2. Dezember), die Mili t ä rverdienst-Medaille und in diesem Jahre zur Erinnerung an die 50jährige Regierung, sowie Civil- auch Militär-Erinnerungsmedaillen. Gleichwie Se. Majestät Kaiser Franz Josef I. wiederholt auf dem Schlachtfelde inmitten Seiner braven Truppen erschienen, so geruht der Oberste Kriegsherr bekanntlich, Sich alljährlich in das Übungslager von Bruck an der Leitha und zu den grossen „Kaiser-Manövern“ zu begeben, wo sich dann auch in den letzten Jahren wiederholt Allerhüchstdessen erhabener Bundesgenosse, Se. Majestät der deutsche Kaiser Wilhelm II., Se. Majestät König Albert von Sachsen, die Majestäten König Carl von Rumänien, König Alexander von Serbien und andere Fürstlichkeiten eingefunden und wobei die stets fortschreitende exakte Ausbildung und Leistungsfähigkeit der k. u. k. Armee immer glänzender hervortritt. Bei Manövern und auf dem Paradeplatz, so oft unser Kaiser zu Pferd erscheint, kann der Zuschauer immer wieder den bravourösen Reiter bewundern, als der unser ritterlicher Monarch von Jugend auf und bis heute Sich bewährt hat und nicht selten nimmt der Kaiser, so erst heuer wieder bei einer Manövergelegenheit, Gräben von solcher Breite, dass andere tüchtige Reiter dieselben zu umreiten sich veranlasst gesehen. Auch der echt militärische Gang Sr. Majestät ist auch heute noch wie vor Jahren gleich schnell und elastisch, wie man überhaupt an der Erscheinung des Monarchen nie eine Spur von Ermüdung oder Abspannung wahrnimmt. Wenn man unsern Kaiser so dahinschreiten, so dahinreiten sieht, ist neben der Bewunderung nur der eine Wunsch rege, in unserem patriotischen Herzen dringt nur das eine Gebet „zum Herrn der Heersehaaren“ empor: Gott schütze, Gott segne, Gott erhalte unsern allgeliebten Kaiser und Herrn in solcher Frische noch viele, viele Jahre! Nachdem Se. Majestät bereits im Jahre 1848 (5. Dezember) ein neues Rekrutengesetz erlassen, welches die Gleichheit im Heeresdienste herstellte, so erfolgte durch das Wehrgesetz vom Jahre 1868 die allgemeine Wehrpflicht — die vollständige Gleichstellung hinsichtlich der Ehrenpflicht der Landesverteidigung. Damit die durch dieses neue Wehrgesetz der Armee gegebenen „neuen Bundesgenossen“ kamerad- schaftliche Aufnahme finden möchten, drückte Seine Majestät Seinen diesbezüglichen Wunsch in einem eigenen Armeebefehle aus, in welchem es u. a. heisst: „Vertrauensvoll wende Ich Mich an Mein Heer. Ich will, dass die neue Bahn freudig und kraftvoll von allen denen betreten werde, welche dem Vaterlande schon in Waffen dienen. Ich will, dass das theure Erbteil des Heeres, dessen treue und innige Kameradschaft in allen dessen Abteilungen lebendig erhalten werde, dass die Armee, die Kriegsmarine und die Landwehr als treue Waffengeführten Zusammenhalten, getragen von gleichen Pflichten, berechtigt zu gleichen Ehren", und der mit den Worten schliesst: „Fortschreitend mit der Zeit und Wissenschaft, erstarkt durch den Zutritt neuer Elemente, soll sie Achtung gebieten dem Feinde, schirmen das Reich und den Thron.“*) Speziell erfuhren Infanterie, Kavallerie, Artillerie, Marine und die Landwehren in den letzten Dezennien Vermehrung und Ausgestaltung conform dem neuesten Stande fachlichen, militärtechnischen Fortschrittes und die Erlassung des Landsturmgesetzes krönte das Werk der Landesverteidigung in vollstem Umfange. Für die Heranbildung von Berufsoffizieren wurden zu den bestehenden längst bestbewährten Instituten eine Reihe von Bildungsanstalten teils neu *) Sypniewski I. c., p. 139 f. geschaffen, teils wesentlich umgestaltet, die alle auf der Höhe des fachwissenschaftlichen Unterrichtes stehen und die glänzendsten Resultate liefern (neben der Theresianischen Militar-Akademie in Wiener-Neustadt und der militär-technischen Akademie in Wien, Mari ne-Akademie in Fiume, die Militär-Oberrealschule in Mährisch-Weisskirchen, dann mehrere Militär-Unterrealschulen und Infanterie-, Kavallerie-, Artillerie- und Landwehr-Kadettenschulen). Mit den Resultaten dieser Bildungsinstitute im innigsten Zusammenhänge steht aber der hocherfreuliche fachwissenschaftliche Fortschritt in der Ent- • Wickelung der einzelnen Waffengattungen, die in der brillanten Bethätigung dieses Fortschrittes im Frieden schon — wie er bei den Manövern zu Tage tritt — mit einander in edlem Wetteifer begriffen. Das Werk der fachwissenschaftlichen Ausbildung in den Militärbildungsanstalten gipfelt aber in dem Institute der Kriegsschule, welche, dank ihrer trefflichen Organisation und Leitung, nicht allein dem Generalstabe, sondern auch den einzelnen Truppenabteilungen immer neue fach wissenschaftlich gediegenst ausgebildete Kräfte zuführt! Was Se. Majestät Kaiser Franz Josef I. für das leibliche Wohl, wie Seiner Völker im Allgemeinen, so hier insbesondere ins Auge gefasst, für die Angehörigen der k. u. k. Armee geschaffen, lässt sich in dem einen Satz zusammenfassen: Auch das Heer ist, entsprechend der unendlichen Güte und Milde des Monarchen, der humansten Einrichtungen teilhaftig geworden. In erster Linie erscheint die Aufhebung der Leihesstrafen, namentlich der des Spiessrutenlaufens, als eine der wohlthätigsten Akte in dieser Richtung, der zugleich das Andenken an die edelste der Frauen aufs Habsburgs Throne, an unsere unvergessliche Kaiserin und Königin Elisabeth, mit einer unvergänglichen Gloriole umgiebt, da die „Rose aus dem Bayerland“ diese Allerhöchste Entschliessung alsbald nach Ihrem Eintritte in die neue Heimat Sich als Geschenk für die ruhmvolle k. u. k. Armee von Ihrem kaiserlichen Gemahl erbeten. In Ausrüstung und Equipierung wurden vom Obersten Kriegsherrn stets im Hinblicke auf Erleichterung für Seine Truppen wie nicht minder mit dem regsten Bedacht auf Fortschritt und Schlagfertigkeit die bezüglichen Anordnungen getroffen und Änderungen vorgenommen. Für die Unterbringung der k. u. k. Truppen in ihren Dislokationen wurden unter Sr. Majestät Kaiser Franz Josef I. im ganzen weiten Reiche Österreich-Ungarn zahlreiche neue Kasernen streng nach den modernsten Ansprüchen der Technik und des Sanitätswesens — meist im Pavillonstile — aufgeführt, für die Kranken in gleicher Weise eine Anzahl neuer Spitäler geschaffen, sowie die zur Unterstützung Ru dies, „Codex Austriucus“. 7 invalider, kranker und hilfsbedürftiger Militärs ins Leben gerufenen Fonde, Kaiser Franz Josefstiftung, Erzherzog Albrechtsfond u. s. w. u. s. w., die in Kurorten aufgeführten Pensionen für Angehörige des k. u. k. Heeres (Institut des „weissen Kreuzes“), die „Gesellschaft vom roten Kreuz“ in ihren segenvollen Bestrebungen u. a. in. der Art, vom Monarchen Selbst allerzeit auf das Grossmütigste gefördert, unterstützt! Die ruhmreiche Geschichte der k. u. k. Armee in der lebensvollen Veranschaulichung durch die ständige Exposition von Siegestrophäen, Bildnissen berühmter Heerführer, ihrer Waffen u. s. w. u. s. w. hat in einem eigenen Heeresmuseum in den Räumen des in kolossalen Dimensionen erbauten k. u. k. Arsenals zu Wien ihre würdige Interpretation gefunden! Überblickt der Geschichtsschreiber dasWirken Seiner Kaiserl. und Königl. Apostol. Majestät unseres allergnädigsten geliebtesten Kaisers und Herrn Franz Josef I. für die k. u. k. Armee, so drängt sich der Ausruf nach Goethe’s Egmont über Karl V. in die Worte zusammen: „Er ist Euch Alles in Allem!“ III. Ökonomie und Kommerz. CWAie Habsburger waren es, welche mit weitaus-Jr sehendem Blicke die, die staatsbildende Tendenz mächtig fördernde, Institution der landesfürstlichen Vicedome, die neben die altherkömmlichen landschaftlichen Behörden der Erblande hingestellt erschien und aus welcher Institution sich allmälig die Stellung der Landeschefs — Statthalter, Gouverneure — entwickelte, zu immer grösserem Ansehen brachten und deren Wirkungskreis immer mehr erweiterten. * Da dem Vicedome durch die Vertretung der landesfürstlichen fiskalischen Interessen in den einzelnen Landen zugleich die Obhut über den realen Besitz und die realen Verhältnisse der Lande überhaupt anvertraut war, aus denen die landesfürstlichen Einkünfte zu fliessen hatten, so waren diese landesfürstlichen Beamten durch die Natur der Sache schon gleich anfangs unter Einem zunächst die Förderer von Ökonomie und Kommerz in den ihrer Amtsthätigkeit untergebenen Gebieten. Wald und Flur, Handel und Wandel erhielten daher im Laufe der Jahrhunderte aus dem Born landesfürstlicher Fürsorge stets Nahrung und Kräftigung, Ziel und Richtung, vor allem aber jenen nachhaltigen obersten Schutz, den eben nur die Staatsgewalt zu bieten vermag. * * **) * Die Erkenntnis der „Walderziehung“, sie leuchtet uns schon aus einem Aufträge Kaiser Friedrich III. entgegen, der unterm 20. März 1457 seinem „Hauptmann“ zu Wiener-Neustadt unter Hinweisung auf die 1368 im Nürnberger Reichswalde von dem dortigen Patrizier Peter Stromer im grossen Massstabe vorgenommenen künstlichen Holz-Ansaaten mit dem Waldanbaue auf dem Steinfelde beauftragte. Der grosse Neustädter Schwarzföhrenwald verdankt dieser Massregel seine Entstehung.*) Die erste Holz- und Waldordnung für die österreichischen Länder erfloss 1541 unter Kaiser Ferdinand I., welcher im Jahre 1685 jene Kaiser Leopold I. und dieser wieder eine Reihe von späteren Spezialverordnungen für die einzelnen Landesteile folgten; alle diese „Ordnungen“ strebten die scho-nendere Waldbehandlung an.*) *) Newald: Die Forstwirtschaft. Ofiiz. Ausstollungsboricht der Genoraldiroktien der Wiener Weltausstellung 1873. Wien 1874, p. 7. **) Dimitz Ludwig: Österreichs Forstweson 1848—1888, Denkschrift, gowidmot dor Erinnerung an dio Foior dos 40jährigen Regiorungsjahres Sr. Kaiser! u. König! Aposto! Majestät Kaiser Franz Josef ! vom Österreichischen Roichsforstvorein. Wien 1890, p. 25. „Während im allgemeinen das 18. Jahrhundert noch nicht frei war vom Nachklange Colbert’scher Doktrinen, formte sich — wie Ministerialrat Dimitz hervorhebt*) — in der Habsburgischen Monarchie schon der Gedanke des Agrikulturstaates. Jenes warme Licht, das unter der weisen Regierung Seiner Kaiserl. und Königl. Apostol. Majestät Franz Josef 1. den Segen der heimatlichen Scholle vollends erschliessen sollte, sandte schon seine ersten Strahlen voraus.“ Kaiser Karl VI. löste mit der Einschränkung der Hörigkeit die ersten Fesseln des Landbaues und Maria Theresia, den Intentionen ihres erlauchten Vaters folgend, rief die heute noch allorts im Reiche blühenden Landwirtschaftsgesellschaften ins Leben und wehrte, indem sie den herrschaftlichen vom bäuerlichen Besitz trennte, unter Einem der Ausnutzung der Gemeindewälder. „Mit persönlichstem Interesse an dem grossen Werke betrieb diese herrliche Frau die Urbarmachung des Wiener Neustiülter Steinfeldes und erweiterte damit die Heimat eines Waldbaumes, der heute Österreichs Namen trägt und dessen Kronen sieh nun an den Küsten der Adria über manchen Trümmerfelde des Karstes schliessen. Kaiserin Maria verfügte die Bepflanzung der Strassen, erliess in bewegten Zeiten eine mustergiltige Waldordnung (1754), welche bis zum Erscheinen des Forstgesetzes vom *) Ebenda, p. 7. Jahre 1852, also nahezu hundert Jahre, in Gesetzeskraft stand.“ Im Jahre 1822, unter Kaiser Franz I., wurden die früheren Verordnungen gesammelt und als „Forstdirektiven“ zur allgemeinen Darnachachtung wieder verlautbart. Mit dem Allerh. Patente Seiner Kaiserl. u. Königl. Apostol. Majestät Kaiser Franz Josef I. vom 3. Dezember 1852 trat aber ein neues Forstgesetz in Wirksamkeit, „durch welches ein wichtiges integrierendes Glied in die Kette jener österreichischen Agrargesetze eingefügt erschien, welche — Freiheit, Ordnung und Wohlstand verbreitend — während der Regierungsepoche unseres Allerhöchsten Schutzherrn zum Heile der vaterländischen Bodenkultur erlassen worden sind“*) und in der Errichtung eines eigenen k. u. k. Ackerbauministeriums ihre Krönung fanden. Zu den forstpolizeilichen Prohibitivgesetzen gesellten sich aber unter Kaiser Franz Josef I. auch direkte Forstkulturmassregeln, die in den Karstaufforstungsgesetzen für das Triester Stadtgebiet (1881), für Görz und Gradiska (1883), und das Karstgebiet Krains (1885), segenvollen Ausdruck fanden. **) *) Bauer Karl: Ebenda, p. 1!). **) Ebenda, p. 30. Die Wiederbewaldung des Karstes hatte schon die grosse Kaiserin-Königin Maria Theresia im Sinne gehabt, indem ihre für das Herzogtum Krain in der Landeshauptstadt Laibach am 23. November 1770 gegebene Wahlordnung neben andern wichtigen Bestimmungen auch noch ausdrückliche Anordnungen hinsichtlich der Wiederbewaldung von öden Liegenschaften enthielt. „Dass jedoch am öden Karste jener Zeit die Wiederbewaldung nicht zu Stande kam und dass sogar die Verkarstung local an Ausdehnung auch noch späterhin zunahm, daran trug — wie Oberforstrat Goll treffend bemerkt — die Schuld der offenbare Mangel an fachmännisch geschulten Durchführungsorganen hinsichtlich jener strengen Waldordnung“.*) Die heute speziell am Krainer Karste sichtbaren Graf Ledebur-, Baron Hein- und Otto Detela-Kulturen weisen das überraschend schöne Bild dessen, was die zielbewusste Durchführung der kaiserlichen Verordnungen für die Karstaufforstung seitens der Karstaufforstungskommission für das Karstaufforstungsgebiet des Herzogtums Krain unter der fachmännischen Leitung des genannten Herrn Oberforstrates und Forstinspektors W. Goll in dieser Richtung in so kurzer Frist bereits zu leisten im Stande war! *) „Die Karstaufforstung in Krain“. Denkschrift zum 50jährigen Regierungsjubiläum Sr. Kaiserl. und Königl. Apostol. Majestät Kaiser Franz Josef I., herausgegeben von der Aufforstungskommission für das Karstgebiet des Herzogtums Krain. Laibach 1898. p. f>6. Wie die grosse Mehrzahl der österreichischen Forstwirte — nach Ministerialrat Dimitz’ schöner Ausführung — noch immer festhält an dem natürlichen Bunde des edlen Forst- und Waidwerkes, wollen auch wir liier, da auch unser Buch vor Allem Sr. Majestät unserem vielgeliebten Kaiser gehört, den wir als den obersten Schutzherrn der Jagd und den ersten Waidmann des Reiches verehren, nun darauf hinweisen, wie die erlauchten Herrscher aus dem Hause Habsburg auch der Pflege des Waidwerkes stets ihre beste Sorgfalt zugewendet. In dieser Richtung liefert uns schon der „Codex Austriacus“*) in den darüber enthaltenden „Ordnungen“ und „Resolutionen“ eine Anzahl von Bestimmungen des grossen Jagdfreundes Kaiser Leopold I., die auch auf die das edle Waidwerk betreffenden Bestimmungen früherer Tage und bis auf die Ferdinand I. (1551) zurückgreifen. Die historischen Grundlagen für das Jagdwesen in Österreich entschwanden zugleich mit dem Aufhören der Patrimonialverhältnisse. „Die angestammte Liebe zum ritterlichen Vergnügen der Jagd hinderte unseren erhabenen Monarchen Kaiser Franz Josef I. nicht, aus der Entlastung des Grundes und Bodens die letzten Konsequenzen mit Bezug auf die bis dahin geltende Jagdordnung abzuleiten und mit dem A. h. Patente *) I. p. 488—511. vom 7. März 1849 eine neue aufzurichten, deren Fundamentalsatz die Aufhebung jedes Jagdrechtes auf fremdem Grund und Boden war. Die Hege des Wildes und die Pflege der Jagd, früher vornehmlich auf den grossen Gütern der Grundherrn in Übung, fand auch in den Gemeinde- und sonstigen Pachtrevieren Eingang und verlieh dem Jagdwesen einen Aufschwung, der — wir möchten sagen — das goldene Zeitalter desselben überflügelt hat.*) Das schönste, edelste Vorbild eines Jagdherrn und eines gerechten Waidmanns ist aber, wie allgemein bekannt, Se. Majestät Kaiser Franz Josef I. selbst. Gleich wie aber einstens Kaiser Maximilian I. und später Kaiser Ferdinand II. die klassischen Hochreviere der österreichischen Alpenlande frohgemut und jeglicher Gefahr die Stirn bietend durchstreift haben, so ist es auch — wie Ministerialrat Diinitz so schön schliesst — für die weidmännische Eigenart Sr. Majestät unseres allergnädigsten Kaisers charakteristisch, dass Allerhöchst-derselbe des Waidwerkes — mit seltenen Ausnahmen — nur in den Alpenländern pflegt. Die hohe Jagd, welche eben hier Kraft, Sicherheit und Sinnesschärfe im grössten Masse erfordert, ist das eigentliche waid-männische Element des kaiserlichen Jägers, welcher die grossartige Alpennatur in früher Jugend schon geschaut und die Stätten in sein Herz geschlossen hat, die auch seinen Vorfahren teuer waren. Alljährlich sind es dieselben Reviere — Neuberg-Mariazell, Salzkammergut, Eisenerz — wo der erlauchte Waidmann, einer kargen Müsse geniessend, der Jagd auf Hahnen-, Hoch- und Gemswild obliegt, allen ein leuchtendes Vorbild in der edlen Auffassung des Jagd Vergnügens, in dem weisen Masse seines Genusses.*) Und so brachte denn die unter Führung Sr. Kaiserl. und Königl. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este am 25. Juni d. J. auf dem herrlichen Schlossparterre von Schönbrunn in vornehm einfacher, echt waid-männischer W eise dargebrachte J ubiläums-Huldi g u n g derWaidmännerÖsterreichs den ehrfurchtsvollsten Dank der gesummten Waidmannschaft des Reiches zu innigst beredten Ausdrucke für all das Grosse und Gute, was das edle Waidmannswerk dem allgeliebten Monarchen zu verdanken hat. Erhebend und ergreifend zugleich war der Moment, da der erste Waidmann und Schütze des Reiches unter Seine Waidmänner trat, von Gruppe zu Gruppe schreitend, unter dem stimmungsvollen Klange der Jagdfanfaren der höchsten und hohen Jagdherren und umbraust vom Jubel der Tausende von Waidmänner die so herzlich dargebrachten Ovationen in gewohnt huldvollst leutseligster Weise entgegennahm! 10!) Das Schulwesen für das gesamte Forstinteresse nahm unter der Regierung Kaiser Franz 1. seinen Anfang. Die zielbewusst wirkenden hohen Besitzer ansehnlicher Latifundien schreiten in dieser Richtung voran. Um 1800 begründete Fürst Schwarzenberg eine Forstschule zu Krumau in Böhmen, ihm folgt Fürst Liechtenstein mit einer solchen zu Eisgrub in Mähren; im Jahre 1805 errichtet man eine ähnliche Anstalt zu Gratzen im südlichen Böhmen und gleichzeitig organisirt Oberstjägermeister Graf Hardegg-Glatz mit Bewilligung des Kaisers ein staatliches Forstinstitut zu Purkersdorf hei Wien, dessen Übersiedlung nach Mariabrunn Kaiser Franz im Jahre 1813 anordnet. Für das gesummte Gebiet der Bodenkultur gründet aber Se. Majestät Kaiser Franz Josef I. eine eigene Hochschule zu Wien, der zur Seite der Reichsforstverein, der krainisch-küstenländisclie Forstverein, die Landwirtschaftsgesellschaften, Ackerbau-und Weinbauschulen, andere Forstschulen u. s. w. wirken. Den Landbau stets bestens zu fördern, haben sich Österreichs Fürsten aus dem Hause Habsburg eitrigst angelegen sein lassen und wir sehen schon Herzog Rudolf IV. den Stifter vollauf bemüht, die furchtbaren Folgen, die namentlich der sog. schwarze Tod (1348) über Kärnthen, Tirol, Steiermark, Österreich ob und unter der Enns gebracht hatte, wett zu machen, und die „verödeten Grundflächen“ wieder in Anbau zu bringen, indem er freiwillige Arbeitskräfte durch Zuwanderung gewann, zu welchem Zwecke er die Grundherren zu zeitweiligen Verzicht auf die grundherrlichen Abgaben von neubesiedelten Huben zu bestimmen suchte und ihnen hiebei mit gutem Beispiele voranging.*) Einer trefflichen Massregel zum Schutze der landwirtschaftlichen Produzenten gegen Ausbeutung durch Gläubiger begegnen wir auch schon in früher Zeit im „Codex Austriacus“ **) in der Verordnung Kaiser Ferdinand I. vom 28. März 1560, betreffend das „Fürleihen auf die Wein- und Traidtfechsung“, worin früherer „Polizeiordnung“ entsprechend neuerlich festgesetzt wird, „daß der Unterthan und Hold die Wahl haben solle, seinem Gläubiger, der ihm fürgeliehen hat, entweder die Frucht in demselben mittlen Kaulf oder das entnommene Geld, doch mit gebührlichem Interesse, jedes Jahr von zwanzig einen Gulden***) zu erstatten“, nun aber auch hinzugefügt erscheint, daß „an Unsern Kaiserlichen Hof fürkommen, wie solcher Unserer Verordnung durch etliche nicht (nach)gelebt werde, und daß sonderlichen die Armen darwider be- *) Luschin Arnold von: Österreichische Rcichsgescliiclito. Bamberg 1895. I (2), p. 255. **) I, p. 389 f. ***) gleich 5°/0 von 100. scliwert werden“, „weil Uns dann — heisst es schliesslich — als regierenden Herrn und Landesfürsten solches zu sehen nicht gemeint sein will“ habe man der vorerwähnten Verordnung „gäntzlichen nachzukommen.“ Eine weitere Massregel, geeignet, Hoch und Nieder der Bevölkerung in gleicher Weise vor „viel Unheil und Schaden zu bewahren“, traf derselbe Regent in seiner Verordnung (von 1550) gegen das Heirat he n von Töchtern seiner Landleute (des Adels) und der Unterthanen ohne der Eltern, Vormünder oder nächsten Verwandten Bewilligung, aus welchem Vorgehen nicht nur erfolge, „dass solche Töchter aus weiblicher Blödigkeit leichtlich verführt werden, sondern auch sonst zu Zeiten allerley mehr nachtheiliger Unrath und tödtliche schädliche Handlungen verursacht werden“. Es wird festgesetzt, dass die Eltern solchen Töchtern Heiratgut und Heimsteuer zu geben nicht schuldig, und dieselben auch enterben können; auch die Bestrafung von Unterhändlern solcher Heiraten erscheint in dem Gesetze normiert.*) Doch kehren wir zum Landbau zurück! Da treffen wir im 17. Jahrhundert auch eine die Dienstboten und namentlich die Feldarbeiter ins Auge fassende volkswirtschaftlich bedeutungsvolle Verordnung Kaiser Leopold I. vom Jahre 1688, welche es strenge geahndet wissen will, wenn Dienstboten nach ihrem Gefallen vor Endung der gedingten Zeit aus dem Dienste treten, die Hauer*), Mader**) und Trösclier (Drescher) und andere dergleichen Personen, die zur Arbeit bestellt werden, „über den vorhin gewesten gewöhnlichen Lohn fast doppelte Belohnung fordern und jedermäniglichen solche Beschwernissen verursachen.“ ***) Gleichwie die Kaiserin-Königin Maria-Theresia durch die Einführung des ihren Namen tragenden „Theresianischen Cataster“ (1748), der dann die Grundlage zur Erhebung der Grundsteuer bis 1810 geblieben, sowie durch die Einsetzung einer eigenen Urbarial-Hofkommission zur Ausgleichung von Differenzen über Macht und Recht der Robottf) dem Landbaue mittelbar den nachhaltigsten Nutzen geschaffen, so hat sie auch direkt denselben mächtig gefördert durch die schon erwähnte Schöpfung der Landwirtschafts-gesellschaftenff), an die sich gar bald Vorträge über landwirtschaftliche Fragen, Preisaufgaben und *) Woinbergarboitor. **) Mäher. ***) Codex Austriacus I, p. 281 f. t) Wolf Ad.: „Maria Theresia“, p. 251 f. ft) Die 1764 in Laibach gegründete Gesellschaft des Ackerbaues und der nützlichen Kiinsto — dio honte unter dor Leitung des Präsidenten kaiserl. Rat J. Murnik blühonde Landwirtschaftsgesellschaft für Krain hat soeben oino landwirtschaftliche Haushaltungsschule mit Subvention der h. k. k. Regierung und dos h. krain. Landtages ins Loben gerufen. Anmerk. d. Vorf. landwirtschaftliche Publikationen schlossen. Nicht unerwähnt darf bleiben, dass Maria Theresia speziell dem Weinbaue — bekannt sind die von ihr veranstalteten leutseligen „Winzerfeste“ — der Bienen- und Seidenzucht (Maulbeerbaumpflanzungen) und verschiedenen Zweigen der Hausindustrie (Holzschnitzerei und Spitzenklöppelei) als Nebenarbeiten der Landbevölkerung stets ihr vollstes und regstes Interesse gewidmet. Wie die weise Regentin in jedem Falle bestrebt war, den Landmann vor Schaden zu behüten, beweist u. a. die Verordnung, die sie zum Schutze der Felder erlassen, indem sie 1740 schon gegen das „allzuviele Wild“ „alle Jägerei aufbieten und eine Menge fällen, das Fleisch aber den Unter-tluinen für drei Kreuzer per Pfund verkaufen liess.“*) Ihrem Sohne Josef 11. blieb es Vorbehalten, durch die Aufhebung der Leibeigenschaft und durch eine Anzahl anderer Gesetze, Erlässe und Verordnungen der Entfaltung der Landwirtschaft im Allgemeinen kräftigen Vorschub zu leisten. Wie Kaiser Josef den Ackerbau, auf dessen Pflege er speziell in dem neuerworbenen Galizien so hohes Gewicht gelegt, persönlich hochgeehrt durch die eigenhändige Führung des Pfluges auf offenem Felde, davon erzählt noch heute die Tradition im Volke und pietätvolle Denk- *) Triumpf der Tugend auf dom Tlirouo usw. Frankfurt und Leipzig 1750, p. 48. mäler in Mähren, an Ort und Stelle, geben spätesten Geschlechtern davon Kunde! Kaiser Leopold II., der schon als Regent von Toskana im Landbau das wichtigste Mittel erkannt, den Wohlstand eines Landes zu heben und so sein Toskana in einen Musterstaat verwandelt hatte, erliess dann auch in Österreich eine Reihe von Bestimmungen gleicher Tendenz, zuvörderst „Vorschriften und Fingerzeige zur zweckmässigen Beförderung der Wohlfeilheit der Lebensmittel“, die zu gleichem Schutze der Produzenten wie der Konsumenten abgefasst erschienen. Auch eine „Deklaration über den Luxus“ gab Kaiser Leopold II. ab, in welcher er als höchstbedauerliche Folgen des übertriebenen Aufwandes u. a. aufzählt: Erschwerung der Ehen in allen Klassen, Mangel an Vermögen zur Erziehung der Kinder, Unzulänglichkeit der Besoldungen, Schuld und Untreue der Beamten, hilflosen Zustand des Landmannes, geringeren Anbau der Ländereien u. s. w. u. s. w. Der „Vater seiner Völker“, der erhabene Naturfreund Kaiser Franz II. (I) war gleichfalls ein eifriger Förderer der Landwirtschaft und erliess dem entsprechende Gesetze, u. a. „durfte kein bearbeitetes Stück Landes unbebaut liegen bleiben und wurde nachlässigen und boshaften Besitzern die Besorgung ihres Grundes abgenommen und solche nach Umständen entweder auf öffentliche Kosten bestellt oder an Ärmere veräussert.“*) Das Bild des blühenden Österreich unter diesem für das Wohl seines Reiches nach allen Richtungen so überaus fürsorglichen Monarchen hat kein Geringerer als Goethe in einem 1812 in Karlsbad zum Empfange Allerhöchstdesselben verfassten und „Ihro des Kaisers von Oesterreich Majestät“ gewidmeten Gedichte in meisterhafter Charakteristik also gezeichnet: —-------wendet Br in seinen weiten Reichen Den Blick umher nach mannigfalt’gem Gut, So übersieht er Fülle sonder Gleichen, Die über Allem ausgebreitet ruht; Wo Bb’ne sich verflachet, Berge steigen, Der Aehre Gold, der edlen Rebe Blut. Und schaarenweis’ zum Nutzen eingehändigt, Der Thiero Hoerdon, die der Mensch gebändigt. Und wo die grossen Flüsse sich ergiosson Durch überbreitos, reichbobautes Land Mit schnellen Fluthon manche Städte grüssen, Dort hält er gern das Auge hingowandt. Und dem kaiserlichen Bruder in dem Interesse und in der Fürsorge für die Agrikultur zur Seite stand und schuf rüstig der populäre „Prinz Johann“, der Erzherzog Johann, der namentlich die Alpenlande Tirol und Innerösterreich (Steiermark, Kärnthen und Krain) sich zur Stätte seines segenvollen Wirkens auch in dieser Richtung auserkoren, der das Grazer Joanneum geschaffen, der die Seele der kulturellen Vereine dieser Länder gewesen, der die land- *) Suntingor 1. c., p. 294. wirtschaftlichen Versuchshöfe ins Leben gerufen, der die Rehe von Pikern gepflanzt und dessen Traditionen Sohn und Enkel, die Grafen von Meran, dann weitergeführt und weiterfuhren. Kaiser Ferdinand I. hat, gleichwie er seinem erhabenen Vater, Franz I., in Pflege der agrikolen Interessen Österreichs rühmlichst nachgeeifert, vor allem die Aufhebung der Robott an seinen gütigen Namen geknüpft! Was aber unser glorreich regierender Kaiser und Herr Franz Josef I. für den bisher ungeahnten Aufschwung der Bodenkultur im Agrikulturstaate Österreich schon allergnädigst ins Werk zu setzen und unentwegt weiterzubauen geruht hat, das steht in bewundernswerter Form vor unser Aller Blicken: von der schon erwähnten Errichtung eines eigenen Ackerbauminister iums für Österreich — trotz erst so kurzem Bestände heute schon so reich an den herrlichsten Erfolgen — von der gleichfalls schon erwähnten Schaffung einer Hochschule für Bodenkultur, von der Förderung der uralten, ebenso tüchtigen als eigenartig schönen Hausindustrieen in den verschiedenen Reichsteilen, zu denen nun auch die diesbezüglichen, grossartigen und allbewunderten Leistungen aus dem unter Seiner Kaiserl. und Königl. Apostol. Majestät zielbewusster Regierung der Kultur zugeführten Oecupotionsgebiete von Bosnien und der Herzegowina hinzutraten, — die kunstreiche Spitzenindustrie des Erzgebirges hat der huldvolle Wohlthätigkeitssinn Ihrer Majestät der unvergesslichen Kaiserin-Königin Elisabeth neu und dauernd belebt — von den zahlreichen Gesetzen zur Hebung des Ackerbaues, der Vieh- speziell der Pferdezucht, den einschlägigen Sanitätsmassregeln bis zur regen Beteiligung aus den bestbewirtschafteten Latifundien der kaiserlichen Fondsgüter und Privatherrschaften an den stattgehabten grossen landwirtschaftlichen Ausstellungen in Wien, Budapest u. s. w., welcher allergnädigsten Beteiligung Seiner Kaiserl. u. Künigl. Apostol. Majestät Sich auch die Mitglieder des Allerh. Kaiserhauses, an der Spitze Ihre Kaiserl. u. Königl. Hoheiten die Durchlauchtigsten Herren Erzherzoge Alb recht und Friedrich, aus den Musterwirtschaften ihrer Latifundien angeschlossen — welch’ eine Fülle von allerseits fördersamst gewährten Leistungen, welch’ eine Fülle erhabenster edelster Anregungen für die Zukunft auch auf diesem für das Volkswohl stets so actuellen Gebiete! * * * Auf dass „die Landleuth (der Adel), die Unter-thanen und auch andere, Fremde, auf den Wegen und Strassen in den österreichischen Landen hin- und wieder reisend- und banthierende (handel- und gewerbetreibende) Personen desto sicherer wandeln, reissen und vor Nachtheil und Schaden durch Angriff, Räuberey und Mörderei versichert und verhüthet werden möchten'’ hatte, wie wir dem Codex Austricus*) entnehmen, Kaiser Ferdinand I. im Jahre 1551 in einem Generalmandat anbefohlen, die Wege und Landstrassen zu erweitern und auf beiden Seiten derselben auf 8 Klafter Breite „Gehölz und Staudach“ (Gesträuch) abzuhauen und wegzuräumen; im Jahre 1559 wurde dieses auch im Sinne der Hebung des Verkehres und des Kommerzes erlassene Mandat erneuert und die Breite der Strassenweiterung von 8 Klafter auf 12 Klafter bestimmt.**) Zum Schutze der handeltreibenden angesessenen Unterthanen hatte aber derselbe Regent (1544) eine strenge Verordnung herausgegeben gegen „das Hausieren und Umschweifen der Kramer in den Österreichischen Erblanden und der Grafschaft Görz“, welche Hausierer „nicht allein das Geld Zusammentragen und aus dem Lande verführen, sondern auch bei währenden Kriegs-läufften allerleyböse Pratiquen und Auskundschaftungen besorgen lassen“.***) Unter Ferdinand I. wurde ferner das Verbot des „Fürkauffs“ (Verkaufes) unterschiedlicher „Pfennwerth, Victualien und Waaren, als Wein, Bier, Getreid, Schmalz, Vieh, Safran, Leinwand, Loden, Woll, Haut, Holz und anderer Sorten durch Generalien“ von 1540—1558 achtmal erlassen, welches Verbot dann unter seinen *) II, p. 319. **) Ebonda. ***) Ebenda I, p. 467. Nachfolgern, von Maximilian II. bis Ferdinand III. fünfundzwanzigmal wiederholt worden;*) auch Kaiser Leopold I. erliess mehrere den „Fürkauf“ betreffende „Ordnungen“ (1661—1696). „Von Alters her“ hatten die Kaufleute „aus dem hl. Römischen Reiche Teutscher Nation“ zu Wien die Freiheit der „Niderlag“ „mit ihren Personen, Factoren, Dienern, Waaren, Gütern und Kaufmannschaften“. Nachdem sich aber zwischen ihnen, den „Nider-lägern“ und dem Bürgermeister, Richter und Rat der Stadt Wien in den Tagen Maximilian I. eine „Irrung“ ergeben hatte, so sah sich dieser Kaiser veranlasst, da „durch solche Irrung nicht nur dem Kammergut (den landesfürstlichen Einkünften), „Abgang und Nachteil“, sondern auch „den Landen und Leuten in Österreich nicht kleine Schäden entstanden seien“, eine eigene „Niderlags-Ordnung“ (1515) herauszugeben, zu welcher Kaiser Ferdinand I. eine „Erläuterung“ lieferte, u. a. mit der Bestimmung, dass die „Nider-läger“ dasjenige, was sie in der Stadt Wien kaufen, daselbst nicht wieder verkaufen sollen; die Kaiser Mathias, Ferdinand II., Ferdinand III. und Leopold I. bestätigten und erweiterten die vordem erlassenen Ordnungen der „Niderliiger“ zu Wien.**) Um den Wohlstand seiner Länder und den heimatlichen Kommerz zu heben, insbesondere aber auch das *) Ebenda I, p. 386 f. **) Codex Austriacus II, p. 51—71. Geld nicht nach dem Auslande wandern zu lassen, hatte Kaiser Leopold I. vor allem die inländische Erzeugung von Sei den waren („welche das mehriste Geld in fremde Lande ziehen“), durch Erteilung eines besonderen Privilegiums gefördert und hatte (1669) die Genugthuung, zu sehen, dass selbige sich in diesem Erzherzogtum (Österreich unter der Enns) nicht weniger als in andern Ländern praktizieren lasse.“*) Dieser Monarch protegierte für seine Person im allgemeinen das heimatliche im Handel und Gewerbe und er rühmte sich z. B. hei seiner Anwesenheit in Graz (1673) gegen einen Minister, dass er nicht einen Faden am Leibe hätte, der nicht in seinen Erbländern gearbeitet worden.**) Kaiser Leopold I. setzte zur Beförderung und Erleichterung des Handels auch ein eigenes Collegium Commerciorum ein, „welchem die Einricht- und Erhaltung aller guten Ordnungen und zugleich die Ver-hüthung der Confusionen, so in derley Negotien ganz unvermerkt einzuschleichen pflegen“, zugewiesen erschien, wo auch die Interessenten in zweifelhaften Fällen Bescheid erlangen konnten, und nicht „allzeit für die ordinarias Instantias et Tribunalia occu-pata“ (zu den gewöhnlichen Gerichtshöfen) lauffen dörfften.“***) *) Codex Austriacus II, p. 296. **) Horneck: Östereich über Alles ... Regensburg 1727, p. 181. ***) Codex Austriacus, ebenda. Einerseits zur Bestreitung der grossen Kriegserfordernisse, anderseits aber auch „wegen des eine Zeit her zu Boden liegenden Comraercii“, errichtete Kaiser Leopold I., wie er allen Geschäftsinteressanten — „in- und ausländischen Handelsleuthen, Wechßlern und Negotianten“ — durch das kaiserliche Fundationsdiplom vom 15. Juni 1703 mitteilte, ein Banco del Giro „mit Venedig, Hamburg, Amsterdam, Nürnberg und andern fürnehmen Reichs- und Hauptstädten errichtet, unter der Oberinspektion des Fürsten Johann Adam Andreas, Regierern des Hauses Liechtenstein und Nicolsburg, Herzogs in Schlesien zu Troppau und Jägerndorf, geh. Rathes, Kämmerer, Ritter des goldenen Vließes und Grafen Otto Ehrenreich von Abensperg und Traun, auf Wilberg, Grueb und Meidling, Landmarschall und General-Land-Obristen in Oesterreich unter der Enns, geh. Rath, Kämmerer, Ritter des goldenen Vliesses“ und unter der Direction eines besonderen Collegiums in der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien.*) Der vom Kaiser Leopold selbst hervorgehobene leidige Zustand „des eine Zeit her zu Boden liegenden Commercii“ veranlasste den zeitgenössischen, hervorragenden nationalökonomischen Schriftsteller, den berühmten Friedrich Wilhelm Horneck „weil Seine Durchlaucht Eminenz Cardinal von Lamberg, Bischofs zu Paßau, und kais. Principal-Gommißarii zu dem *) Codex Austriacus II, 83 ff. Reichsconvent in Regenspurg“, geh. Rath und Gesandten zur Abfassung einer Fachschrift, „wie mittels einer wolbestellten Landesöconomie die Kays. Erblande in Kurzem über alle Staaten von Europa zu erheben und mehr als einiger von den andern independent zu machen“, die unter dem Titel: „Österreich über alles, wenn es nur will“ 1684 zuerst erschienen war und „wegen ihrer Güte in Leipzig, Nürnberg, Regensburg zu verschiedenen Malen wieder ediert und aufgekauft worden“ und die uns in der Ausgabe Regensburg 1727 vorliegt.*) Diese Schrift, 206 S. kl. 8° umfassend, kennzeichnet sich durch fachmännische Gediegenheit des Inhalts — namentlich praktische Vorschläge — und durch eine Offenheit der Sprache aus, die sich schon in dem Schlüsse der Vorrede ankündigt, der da lautet: „Wünsche dem geneigten Leser nebst allem Seelen-und Leibsvergnügen ein gelassenes Gemüt, die Wahrheit zu hören und einen also kräftigen Vorsatz derselben zu folgen. Adieu“ „Von vielen alten Römern und römischen Kaisern haben die neu angelegten oder verbesserten Strassen ihre Namen entlehnt; unser Kaiser — ruft der Panegyriker Kaiser Karl VI., P. Leopold Fischer S. J. in seiner beim Hinscheiden dieses Monarchen gehaltenen „Leichenpredigt“ aus — hat nicht ein oder andere *) K. k. Studienbibliothek zu Laibach. Lederband mit Goldpressung (besonders schönes „Exlibris“, Wappen und Umschrift: Johann Seyfried, Graf von Herborstein [1762—1785 Hofkammor-priisident zu Wien). Anmerk. d. Verf. Strassen, sondern alle Wege seiner Erbländer so erstaunenswürdig eingerichtet, daß Er, so er nichts anderes vollzogen hätte, derohalben allein ein unsterbliches Lob und Dank in aller Welt verdiente.“ Die vornehmste dieser von Karl VI. hergestellten Strassen war aber die das Herz des Reiches, die Reichshaupt- und Residenzstadt mit der Küste der Adria verbindende Reichsstrasse von Wien bis Triest über den Berg Semmering, dieselbe Verbindung, welche heute die k. k. priv. Südbahn mit ihren Wunderbauten auf dem und durch das Massiv des Semmering und über das Laibacher Moor einhält und die bekanntlich unter der glorreichen Regierung Sr. Kaiserl. und Königl. Apostol. Majestät Kaiser Franz Josef I. ihre Vollendung gefunden. Das noch heute auf der Höhe des Semmering befindliche, an der Carolinischen Strasse situirte Denkmal enthält in seiner Legende den in wirtschaftlicher Beziehung hochwichtigen Satz: dass durch diese Strasse dem Handel der Weg bis ans Meer hin freigemacht wurde, gleichwie die über den beiderseitigen Einfahrtsthoren des Haupt-Tunnels der Südbahnstrecke befindlichen Inschriften besagen (am nördlichen Thore): „Franciscus Josephus I. Aust. Imp. hominum rerumque commercio“ und (über dem südlichen Thore): Adriaticum Germanico junxit mare MDCCCLIV.“ Diese Inschriften aus den Tagen Kaiser Karl VI. und Kaiser Franz Josef I. sie werden den fernsten Geschlechtern noch Kunde geben von den steten Fortschritten in Österreich durch das ruhmreiche Haus Habsburg.*) Noch in Spanien weilend hatte Karl schon 1711 (27. Mai) als neuer Regent an den obersten Kanzler, Grafen Wratislaw nach Österreich geschrieben, dieser möge sich „in allen weg“ angelegen sein lassen, daß das militari et oeconomicum auf den besten Stand als möglich gesetzt werde und 1712 (26. Januar) in die Burg seiner Väter zu Wien eingekehrt, sehen wir ihn in erster Linie den Staatshaushalt und die Volkswohlfahrt, als die Basis des Staatswesens mit allem Eifer und auf das Nachdrücklichste betreiben.**) Österreich verdankt Karl VI, — dies gesteht auch Adam Wolf ein, wenn er gleich an des Kaisers wirtschaftlicher Thätigkeit manches auszusetzen hat — die Keime eines steigenden Handels- undlndu-striewesens.***) Karl VI. hatte auch für die Regierung selbst die Wirtschaft in die Hand genommen, er machte den Staat selbst zum Fabrikanten und Handelsherrn. Es *) Mein: Kaiser Karl VI. als Staats- und Volkswirt. Innsbruck, Wagnersehe Universitätsbuchhandlung. 1886 p. 36 f. **) Ebenda, p. 1(5 fl'. ***) Österreich unter Maria Theresia, p. 307. wurden Staatsfabriken (die k. k. Porzellanfabrik in Wien, die Wollfabrik in Linz) errichtet. Man war auf alles aufmerksam. Der Kaiser erteilte der ostindischen Handelskompagnie, welche nach Ost-und Westindien und an die afrikanische Küste hinhandelte, besondere Freiheiten (1722), wodurch er jedoch die Eifersucht der Holländer erregte. Einen nicht minder beträchtlichen Handelsweg, welcher den kaiserlichen Staaten die grössten Vortheile gewährte, hatte der weise Kaiser durch den mit den Türken zu Passarowitz vereinbarten Frieden eröffnet. Die Türken mussten demselben zufolge den österreichischen Schiffen freie Handlung auf der östlichen Seite des mittelländischen Meeres und im schwarzen Meere zugestehen, mit solchen Vortheilen, wie damals keine europäische Macht sie hatte. Die „orientalische Kompagnie“, bei der der Staat als Teilnehmer erschien, hatte zu Belgrad ihre Niederlage, in Wien liess Karl für den Handel auf der Donau Schiffe bauen. Istrien erhielt durch dem in den Freihäfen von Triest und Fiume aufblühenden Handel neuen Glanz. Auch für Ungarns Handel und Verkehr wurde durch Karl VI. Monumentales geschaffen, zuvörderst durch die Anlage von zwei grossen Strassenzügen: die Strasse von Fiume nach Karlstadt und die Carolinenstrasse in Siebenbürgen, dann durch die Ansiedlung von Arbeiterkolonien im Temeser Banat, durch die Schiffbarmachung des Begakanals, die Reinigung des Altflusses, die Neu- herstellung der römischen Wasserleitung in der Stadt Karlsburg u. s. w. u. s. w. Zum Besten des Reiches und namentlich auch der Nordprovinzen hatte Karl schon das Projekt eines die March und die Oder verbindenden Canals, sowie eines zweiten Canals zur Verbindung der Donau (beziehungsweise des schwarzen Meeres) mit der Oder ins Auge gefasst.*) Was Kaiser Karl VI. für die Aufnahme des Kommerzes vorbereitet, das gedieh weiter unter seiner grossen Tochter. Kaiserin-Königin Maria Theresia trug eifrigste Sorge für die Verbesserung der Transportmittel und für die Neugestaltung des Gewerbewesens, und allmiilig gewannen die Grundsätze einer eigentlichen Staatswirtschaft einen festeren Boden.**) Alle theresianisehen handelspolitischen und gewerblichen Reformen gingen von dem Geiste des Merkantilsystems aus. ln Wien allein erstanden 200 Fabriken. Berühmt waren die böhmischen und mährischen Fabriken in Tuch, Wolle, Kattun, Leinwand; sie gehörten dem Fürsten Auersperg, den Grafen Waldstein, Harrach, Blümegen, riesigen Absatz hatten die Khevenhüllerschen Fabriken in Böhmen und Mähren; Graf Nako pflanzte zuerst die Baumwollstaude (in Wien). Dabei standen die kleinen Gewerbe noch in voller Blüte; es gab einen kernhaften wohlhabenden Bürgerstand; im Volke *) Mein: Karl VI...p. 48. **) Wolf: Maria Theresia, p. 307. herrschte Reichtum, Behäbigkeit, es war eine Zeit, wo keine Bürgersfrau in Wien eine Haube trug, welche nicht Spitzen im Wert von 50 bis 100 oder noch mehr Gulden schmückten.*) Die momentanen Schäden, welche die ihr auf-genötigten Kriege dem Handel brachten, suchte Maria Theresia immer rasch wett zu machen, so gestattete die Kaiserin (1748) den Ungarn, um „den arg geschädigten Handel durch neue Unterstützungen zu beleben“, „ihre Weine ausser Landes zu verkaufen gegen Entrichtung einer geringen Abgabe auf alle diejenigen, so durch das Erzherzogtum Oesterreich geführt würden.“**) Und kaum war 1763 der Friede unterzeichnet, „als Maria Theresia sich schon mit den Mitteln beschäftigte, die auch von dem glücklichsten Kriege olinzertrennlichen Übel durch Beschiitzung der inländischen Manufacturen Ihrer Erbländer wieder gut zu machen“ und sie erneuerte die schon 174!) ergangenen Verbote, keine Seidenstoffe, weiche oder halb weiche Zeuge aus fremden Fabriken einzuführen.“***) Im Zusammenhänge mit der allgemeinen Hebung des Schulwesens in ihren Staaten dachte die Kaiserin in dieser Richtung auch auf die Kaufmannschaft und „wollte einen Versuch mit einer Handlungsschule *) Ebenda, p. 309 f. **) Fromageot 1. c., p. 117., ***) Fromageot 1. c., p. 207. (in Wien) anstellen. Da sie nun sah, dass dieser Versuch ihren Absichten entsprach, so bestätigte sie diese Einrichtung (1770) und gab ihr eine beständige Form.“ ln dieser Schule wurden 26 Zöglinge, Söhne von Kaufleuten und Künstlern (zur Hebung des Kunstgewerbes) in der Schreib- und Rechenkunst, im Zeichnen, „in der auf den Handel bezüglichen Erdbeschreibung,“ im Kaufmannsstil und in den vornehmsten Sprachen von 4 Lehrern unterrichtet, wozu dann noch „Vorlesungen über die Sittenlehre in Absicht auf die Handlung“ hinzukamen.*) Stellte aber die Auflage von Hornecks oben citiertem Buche: „Oesterreich über alles, wie es nur will“ aus dem Jahre 1753 noch die Grundsätze des Industriesystems auf, so spiegeln spätere national-ökonomische Schriften, z. ß. „Plan, die österreichichen Erblande auf die höchste Stufe zu erheben, 1781“ bereits das Prohibitivsystem ab, das dann in der Josefinischen Zollordnung von 1784 seinen praktischen Ausdruck fand. Die allgemeine Tendenz Kaiser Josef II. „seinen Staat zu einem selbständigen, von andern Staaten gänzlich unabhängigen oder doch nur aktive mit denselben verbundenen Staate zu machen“, kam denn aucli in Bezug auf den Kommerz zu entschiedenstem Ausdrucke und „darum verboth er — wie sein Biograph ’) Fromageot 1. c., p. 255. Pezzl constatirt — in ökonomischer Hinsicht, die Einfuhr aller fremden Waaren, die Ausschleppung des inländischen Geldes, darum duldete er auch den Büchernachdruck, weder diesen Gegenstand bloss als Kommerzsache betrachtete.“*) Ein besonderes Augenmerk widmete Josef II. dem Seewesen und er erteilte 1782 dem Herrn Franz Zinnerden Befehl: an derUniversität in Prag öffentliche Vorlesungen über die Seefahrt zu halten. Die Brünner Zeitung der k. k. priv. Mährischen Lehenbank vom 9. Februar 1782 begrüsst diese kaiserl. Anordnung mit den Worten: „Das ist in der That ein neues Geschenk, welches Joseph der Zweite nicht nur seinen Unterthanen, sondern auch ganz Deutschland macht, indem sich für letzteres auf allen Seiten täglich mehr Aussicht zu einer praktischen Seefahrt öffnet. Auch behaupten viele, welche Seereisen mit Engländern und Franzosen gethan haben, dass der Deutsche bei seiner grösseren Anhaltsamkeit bei der Arbeit und Subordination alle Anlagen habe, ein eben so guter oder noch besserer Seefahrer als diese Nationen zu werden.“**) *) Pezzl 1. c., p. 319. **) Die Mitteilung dieses sehr seltenen Journals verdanke ich der besonderen Freundlichkeit des Herrn k. u. k. Oberstlieutenants i. R. Benno Puteany Edlen von Drauhain aus der reichhaltigen Bibliothek auf Schloss Semitsch dos Horrn Karl Kauschogg. Anm. d. Verf. Radies, .Codex Austriacus“ {) Unter Kaiser Franz II. (I.) wurden „zur Begünstigung und möglichsten Beförderung des äusseren Kommerzes alle schicklichen Vorbereitungen getroffen.“ „Er hat,“ wie Suntinger*) hervorhebt, „zalreiche Handelsconsulate in der Levante, der Berberei, in Spanien, Portugal, Russland, sogar auch in Frankreich, Italien und andern Ländern aufgestellt, welche die österreichische Handlung beschützen und für das Handelsinteresse des vaterländischen Völkerbundes wachen sollten.“ Für den Verkehr im Innern des Reiches sorgte der Monarch ausser durch Verbesserung der Reichsstrassen auch durch die Aufrechthaltung der alten und Herstellung neuer Wasserstrassen. „Der kürzlich“ — sagt der vorgenannte zeitgenössische Schriftsteller**) — „von Wien nach Neustadt gezogene Kanal zeiget sich bereits für die Residenzstadt von grossem Nutzen und würde nicht zu berechnende Vortheile verschaffen, wenn derselbe durch einen Theil Ungarns, Steiermarks, Krains und bis gegen Triest fortgeführt würde, dann könnte endlich eine Wasserverbindung des südlichen Theiles der Monarchie mit der Donau erreicht werden. Der Monarch schritt nach Staatsgrundsätzen bei Erbauung desselben dann ein, als eine Privatgesellschaft sich ausser Stand fand, das begonnene Werk fortzusetzen.“ *) 1. o., p. 323. **) Ebenda, p. 310 f. Was im Wege der Gesetzgebung unter Kaiser Franz II. (I.) für Handel und Gewerbe in Oesterreich verordnet worden, beziehungsweise für dessen Hebung und Förderung geschah, ist aus den Gesetzsammlungen seiner Zeit zu ersehen und würde auch nur eine annähernde Aufzählung den Rahmen dieser Zeilen weit überragen! Wahrhaft grossartig gestaltete sich aber der Aufschwung von Handel und Gewerbe in den Tagen der glorreichen Regierung Sr. Majestät unseres allergnädigsten regierenden Kaisers und Herrn Franz Josef I., Allerhüchstwelcher namentlich durch die Erlassung des neuen Gewerbegesetzes (Gewerbefreiheit), sowie durch die Abschliessung so vieler Handelsverträge mit den fremden Staaten, den Gewerben und dem Handel eine ganz neue Aera er-öffnete. Die Anlage so vieler neuer Eisenbahnen, in erster Linie der Ausbau der schon unter Kaiser Ferdinand I. begonnenen Südbahn Wien-Triest, und dann die Schaffung eines über alle Länder der Monarchie verzweigten Schienennetzes, mit den Riesenbauten am Semmering, Arlberg und Brenner, die Kreirung eines eigenen Eisenbahn-Ministeriums neben der Ausgestaltung des Handelsministeriums, die Regulierung schiffbarer Flüsse — in erster Linie die Donauregulierung bei Wien und am eisernen Thor — die Veranstaltung von zahlreichen Ausstellungen zuvörderst der unvergesslichen unter dem Pro- o* tektorate Sr. k. k. Hoheit des für die Hebung von Handel und Gewerbe unermüdlich thätig gewesenen Erzherzog Carl Ludwig gestandenen Wiener Weltausstellung 1873, die Aussendung von Schiffen zur Weltumsegelung — Novaraexpedition — zu grössten Ehren der österreichisch-ungarischen Flagge, zur Erweiterung der Handelsbeziehungen und zur Förderung der Wissenschaften, die Errichtung von zahlreichen den Gewerbe und Handelsinteressen dienenden Instituten, neben dem Österreichischen Museum für Kunst und Kunstindustrie und dem österr. Handels -museum in Wien auch eines solchen für Gewerbe nebst der Unterstützung und Förderung zahlreicher ähnlicher Institute in den Provinzen, der hohe Aufschwung des Postwesens — Errichtung eines Postmuseums — die Erweiterung und Ausgestaltung der k. u. k. orientalischen Akademie in Wien zum Zwecke der Heranbildung von auch die Handelsinteressen ins Auge fassenden Diplomaten und die Kreirung zahlreicher neuer Konsulate in den fernsten Ländern und Reichen, alle diese monumentalen Schöpfungen des Monarchen sie bilden, neben den unzähligen für Gewerbe und Handel in der Zeit der 50jährigen Regierung Allerhöehstdesselben erschienenen, je auf dem neuesten Standpunkte des gesunden Fortschrittes stehenden Gesetzen und Verordnungen, in der That eine reiche Kette unvergänglicher Verdienste um die Volkswohlfahrt, die sich zum würdigen Palmenkranz dieses Friedensfürsten gestaltet haben, der Sein erhabenes Haupt für ewige Zeiten schmückt, so herrlich wie der Lorbeerkranz, den Sich der ritterliche Monarch durch Seinen persönlichen Heldenmut auf blutigem Schlachtfelde um die Schläfe gewunden! IV. „Litteris et artibus“. fiTjjn Allerhüchstseinem Geburtstage, am 18. August %J 1887, stifteten Se. k. u. k. Apostolische Majestät Kaiser Franz Josef I., der mächtigste Förderer von Kunst und Wissenschaft in Seinem Reiche, ein eigenes Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft, das, den Orden gleich zu tragen, auf der Vorderseite das Bildniss Sr. Majestät und auf der Rückseite die Legende: „Litteris et artibus“ weiset. In dem bezüglichen Allerh. Handschreiben an den Oberstkämmerer Grafen Trautmannsdorff bestimmt der Monarch die Zwecke, denen diese Allerhöchste Auszeichnung dienen solle. ★ * * Haben die Fürsten aus dem erhabenen Hause Habsburg zu allen Zeiten den Trägern der Kunst und Wissenschaft eine besondere Huld, ein besonderes Wohlwollen entgegengebracht, hat schon Kaiser Rudolf I. von Habsburg, wie sein Biograph Meister*) hervorhebt, „so sehr ihm Pedantismus verhasst war, so hoch ächte Gelehrte geschätzt“ und, wie Graeser im schweizerischen Heldenbuch schreibt, mit dem ge- *) Kaiser Rudolph von Habsburg. Nürnberg 1783, p. 10. lehrten Chorherrn Conrad Mure in Zürich*) gerne Umgang gepflogen, hat dann Herzog Albrecht II., der Weise, der den Bau der Stefanskirche zu Wien im gothischen Stile begann, die Schule daselbst „mit stattlichen Freiheiten und ansehnlichen Gebiiuen versehen“. so hat, wie schon erwähnt, Herzog Rudolf IV., der Stifter, der den herrlichen Bau des Wiener Domes in munificenter Weise weitergeführt, durch die Stiftungsurkunde der Wiener Hochschule (1365) wie in der Kunst so nun auch in der Wissenschaft sich selbst ein unvergänglich Denkmal geschaffen. Unter Rudolfs Nachfolger Albrecht 111. gelangte diese heute so blühende Hochschule zu weiterem Ausbaue und machte Wien zum Studienzentrum für das weitverbreitete Netz der Kloster-, Dom- und Bürgerschulen des Landes.**) Kaiser Friedrich III., gleichwie er auch den Weiterbau am St. Stephansdom möglichst gefördert und namentlich auch die Ausstattung des Innern, um nur eines zu erwähnen, mit dem an Fülle plastischer Zierden reichen eigenen Grabdenkmale künstlerisch gehoben, Kaiser Friedrich III. hat seine hohe Achtung für Leistungen der Kunst in ganz besonders aus- *) Auf der Stiftsbibliothek in Zürich befanden sich von diesem Conrad Mure Commondatitia Rodophi Rogls. Ebenda (Anmerkung). **) Nagl und Zeidler, Deutsch-Öst. Literaturgeschichte, Wion 1898. K. u. k. Hof buchdruckerei u. Verlagshandlung Carl Fromme, p. 410. zeichnender Weise bethätigt, indem er als ersten Deutschen Conrad Celtis am 18. April 1487 auf der Nürnberger Burg in Anwesenheit der Pürsten zum Dichter gekrönt hat, nachdem er bereits 1442 (27. Juli) zu Frankfurt die gleiche Ceremonie an dem Italiener, seinem Geheimsekretär Enea Silvio Piccolomini — Papst Pius II — vollzogen hatte. Nachdem Conrad Celtis zu Nürnberg Lorbeerkranz und Doktorhut aus den Händen des Kaisers erhalten und dieser ihm, dem Ceremoniell gemäss, den Kuss auf die Wange gedrückt, griff der Dichter wieder zum Wanderstabe und zog nach Krakau (1488), wo dieser grosse Humanist zur Förderung des Humanismus die Gelehrten der Weichselgegend zur Sodalitas litteraria Vistulina vereinigte, um, weiter wandernd, bald darauf zu Ofen die Sodalitas litteraria Hungarorum zu gründen, die dann, wahrscheinlich bei der Verlegung des Hauptsitzes nach Wien (1494) den Titel: Sodalitas litteraria Danubiana erhalten.*) In Wien war bereits durch tüchtige Lehrer der Hochschule der Boden für den Humanismus günstig vorbereitet, wie ja heute noch — Dank der unentwegt eingehaltenen Richtung der Kais. Regierung, beziehungsweise des h. k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht — in Österreich den humanistischen Studien jene führende Rolle in der Bildung der Jugend gesichert *) Huemer: Allg. Deutsche Biographie IV. (Conrad Celtis) p. 82 ff. erscheint, die speziell in den s. Z. im Parlamente abgegebenen klassischen Ausführungen Sr. Excellenz des gewesenen Kultus- und Unterrichtsministers und Ministerpräsidenten Herrn Dr. Paul Freiherrn von Gautsch ihre vollwichtige Begründung erfahren! Doch kehren wir in die Tage des Conrad Celtis zurück. Als den würdigsten und geschicktesten, der das Studium der freien Künste, besonders der Beredsamkeit und Dichtkunst heben könnte, berief ihn Kaiser Maximilian I. an die Wiener Hochschule als Professor der römischen Beredsamkeit und alten Philosophie und machte ihn (1501) zum Vorsteher des neugegründeten „poetischen Kollegiums“, als welcher Celtis das Recht hatte, Gelehrte, die sich an der Wiener Universität dem Studium der Dichtkunst und Beredsamkeit gewidmet, nach abgelegter strenger Prüfung zu Dichtern zu krönen. Die Insignien der gekrönten Poeten finden sich in dem auf der k. k. Hof bibliothek zu Wien bewahrten Werke Celtis’ Rhapsodia abgebildet.*) Celtis hatte auch auf Maximilians Befehl diese kaiserliche Bibliothek geordnet und speziell im Fache der Mathematik vervollständigt; von Wien aus unternahm er verschiedene Ausflüge in benachbarte Länder wahrscheinlich auch in Sachen der von Kaiser Max geförderten „Sodalitas Danubiana“, bis ihn 1508 ein frühzeitiger Tod im 4». Lebensjahre ereilte. *) Reproduziert in Nagl und Zeidler: Doutsch-Östorroiohischo Litteraturgoschichto (9. Lieferung). Aus dem weiten Kreise der ihn umgebenden Ritter des Geistes — neben Celtis, Stabius, Cuspinian, Sunt-heim, Pirckheimer, Tanstetter u. a. — ragte der „letzte Ritter“ Kaiser Maximilian I. selbst als Geistesheros hoch hervor, er der Dichter des „Theuerdank“ und „Weisskunig“, so trefflichen deutschen Büchern, „dass sie durch zwei Jahrhunderte ihren Einfluss auf deutsche Sprache und Dichtkunst übten, so dass noch Christian Hoffmann von Hoffinannswaldau in der Vorrede seiner Gedichte sagt, „er habe aus dem Theuerdank das deutsche Silbenmass erlernt“ und die in der Sprache des Hofes abgefasst, das reinste Deutsch derZeit darstellten. “*) Nach dem „Codex Austriacus“ bestimmte der jugendfreundliche Kaiser Ferdinand I. (1553), dass alle Studenten, „welche auff die Universität zu Wien zu der Lehrung oder hernach wieder wegreisen, in allen Königreichen, Fürstenthumben und Landen mit ihrem Leib, Haab und Gütern, was sie zu oder von dem Studieren bringen und führen lassen, allenthalben Zoll, Mauth, Aufschlag und dergleichen Anforderungen frey sein auch in (während der) Zeit ihres Studierens mit Kosten und Zehrungen unbeschwärlich gehalten werden sollen“.**) Drei Jahre vorher hatte Ferdinand anlässlich des vorgekommenen Falles eines wider die Privilegien der Wiener Hochschule stattgehabten Eingriffes zweier städtischer Gerichtsdiener der Stadt- *) Nagl und Zeidler 1. e., p. 427. **) I. p. 321. behörde die Entlassung dieser Diener aufgetragen und die Stadträte allda verpflichtet, den Gerichtsdienern im allgemeinen die Universitätsprivilegien „vorzuhalten“, damit „derselben Unwissenheit (die Unkenntniß derselben) nicht fürgewendet, sondern treulicher und noch mehrerer Unrath, so daraus erfolgen möchte, künftighin verhüthet werde“.*) Kaiser Rudolf II. hervorragende Gelehrsamkeit, wie sie aus dessen Briefwechsel mit Kepler uns entgegenleuchtet, liiess ihn. sich mit vielen ausgezeichneten Gelehrten umgeben, wie Tycho de Brahe, Longomon-tanus, Hagecius. Boethius u. a.; mit ihnen verschloss sich der Kaiser tagelang in seinem Studierzimmer, des Nachts stellte er bekanntlich das Horoskop, um in den Sternen die Schicksale der Menschen zu lesen. Die schwarze Küche der Adepten war ihm nicht unbekannt, wie denn überhaupt in seinen Tagen die Beschäftigung mit den alcliymistischen Versuchen florirte und den „Stein der Weisen“ zu finden nicht geringe Geister sich eifrigst bemühten. Bei den Gelehrten seiner Zeit genoss Kaiser Rudolf II. die grösste Verehrung. Er war es auch, der durch die Gemmensammlung den Grund zum kaiserl. Antikenkabinete legte und auch das merkwürdigste Stück dieser Sammlung, die prächtige Apotheose des Kaisers Augustus, um 12 000 Dukaten an sich brachte.**) *) Codex Austi'iacus, II, p. 405. **) Suntingor 1. c., p. 00. Am kunstliebenden Hofe des Erzherzog-Regenten von Innerösterreich, Ferdinand (Kaiser Ferdinand II.), wurde die darstellende Kunst des Dramas gepflegt und wir begegnen den englischen Komödianten der Truppe Greens 1607 und 1608 in Graz, die ein Repertoire von eilf Stücken mit sich führten, darunter weltberühmte Namen, wie Shakespeares Kaufmann von Venedig, Massingers Grossherzog von Florenz, vor allem aber Marlowes Doktor Faustus*); dieselben englischen Komödianten erschienen dann wieder 1617 in Prag bei der Krönung Ferdinands. Bei der habsburgischen Hofhaltung in Innsbruck bestand für die fürstlichen Vergnügungen schon frühzeitig neben einem Ballhaus auch ein kleines Hof-und Nationaltheater, erbaut von Erzherzog Karl Ferdinand 1653**) und von Innsbruck zogen um dieselbe Zeit schon die so beliebten wandernden Gesellschaften der „inspruggerischen Comödianten“ nach den übrigen habsburgischen Landen. Kaiser Ferdinands III. Bruder, Erzherzog Leopold Wilhelm, der Statthalter der Niederlande, der als solcher Gelegenheit hatte, die hohen Kunstwerke der Niederländer Maler kennen und schätzen zu lernen, begründete***) dann die, weiterhin von allen Herrschern aus Habsburgs erhabenem Hause bis heute in liebe- *) Nagl und Zcidlor 1. c., p. 733. **) Ebenda p. 747. ***) Suntingor 1. c., p. 74. vollster Kunstpflege mit ersten Meisterwerken vermehrte kaiserl. Bildergalerie, einen der vorzüglichsten Teile der von Sr. Majestät Kaiser Franz. Josef I. neugeschaffenen k. k. Hofmuseen. Kaiser Leopold I., der „gekrönte Componist“,. dessen musikalische Werke gleich denen Ferdinand III. in unseren Tagen durch das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht in Prachteditionen zur Publikation gelangten, wurde der Begründer der kais. Hoftheater in der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien, und dadurch, wie Verfasser dieser Zeilen in einer weiteren Ausführung*) nachgewiesen hat, auch der Begründer der ständischen (landschaftlichen) Bühnen in den einzelnen Provinzen Österreichs, sowie zahlreicher Privatbühnen der Paladine seines Reiches (der Liechtensteine, Schwarzenberge u. a. m.), der Förderer sohin der so hochwichtigen erziehlichen Seite des, auch von den geistvollen zielbewussten Leitern des Unterrichtes jener und der nächstfolgenden Zeiten, den Vätern der Gesellschaft Jesu durch die selbst von Devrient**) in ihrer Bedeutung gewürdigten Schulcomö-dien, verständnisvollst gepflegten Theaterwesens. „Frau Musica“, sie fand gleichwie unter Leopold L auch unter seinen Söhnen Josef I. und Karl VI. in der Wiener Hofburg die sorgsamste Pflege und der Sachse *) Moin: Das Hoftheater Kaiser Leopold I. Wien 1892. Verlag dor Öst.-Ung. Rovue. **) Goschichto dor Deutschon Schauspielkunst. Küchelbecker, der Karl VI. das feinste Musikgefühl nachgerühmt, hebt in seinem schon erwähnten Buche*) über den kais. Hof namentlich hervor: „gleichwie die Kayserliche Hofkapelle und Kammer Musik nicht leicht ihres gleichen finden wird, also trifft man auch in der dasigen Opera die unvergleichlichsten Sänger und Sängerinnen nebst der vollkommendsten Instrumental-Musik.“ Hatte sich Kaiser Leopold I. um die Vermehrung der Hofbibliothek die grössten Verdienste erworben, indem er den gelehrten Bibliothekar Lambeccius mächtig förderte und die Sammlung durch seine Besuche auszeichnete — solch einen Kaiserbesuch in diesen den Musen geweihten Räumen hat der Engländer Brown in seinem Reiseberichte an die englische „Societät“ im Bilde verewigt — so war es Karl VI., der die antike Münzsammlung des kais. Hauses begründete, nachdem schon Ferdinand I. dazu einen bescheidenen Anfang gemacht. Die Kollektion von modernen Münzen wird jedoch — nach Suntinger — dem Gemahl Maria Theresias dem Kaiser Franz I. zugesehrieben.**) Dieser den realen Wissenschaften besonders günstige Fürst war es auch, der das kaiserl. Mineralien-kabinet stiftete,***) gleichwie er den k. k. botanischen Garten in Schönbrunn ins Leben gerufen.f) Sein Hof- *) pag. 147 und p. 258. **) 1. c. p. 101. ***) Suntinger 1. c. p. 88. t) Ebenda p. 44. Radios, „Codex Anstriacus“. 10 mathematiker Nagel bereiste in seinem Aufträge Krain und Mähren, um in diesen Ländern die Grotten und Höhlen zu untersuchen, worüber die Berichte und Zeichnungen in der k. k. Hofbibliothek bewahrt werden. Die grosse Kaiserin-Königin Maria Theresia, sie gab der ferneren Entwickelung des wissenschaftlichen und Kunstlebens in Österreich die richtige Basis in der durch ihre Weisheit geschaffenen Volksschule, welche monumentale Schöpfung dieser unvergesslichen Landesmutter unser gefeierter Zeitgenosse, der ebenso gelehrte als schriftgewandte Historiker Excellenz Baron Helfert in dem nach jeder Richtung hin ausgezeichneten Buche: Die österreichische Volksschule in meisterhafter Darstellung auf das gründlichste beleuchtet hat. Maria Theresia, die Schöpferin so vieler wissenschaftlicher Institute — davon wir die hervorragendsten, ihren hohen Namen tragenden Zivil- und Militärschulen bereits in einer früheren Abteilung*) namhaft gemacht haben — sie hat auch der Wiener Universität eine architektonisch vollendete „Aula“ geschaffen, die gegenwärtig den Sitz der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften bildet, welches heute unter dem Kuratorium eines geistvollen Prinzen des Allerhöchsten Kaiserhauses, Sr. Kaiserl. u. Königl. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Rainer stehende, schon unter Kaiser Leopold I. durch Leibnitz *) In der Abteilung: „Fortitudini“. angebahnte, aber erst unter Kaiser Ferdinand I. 1846 (30. Mai) gegründete und 1847 (14. Mai) activierte erste wissenschaftliche Institut der Monarchie anlässlich seiner 50jährigen Jubelfeier (1897) durch die Allerhöchste Anwesenheit des erhabenen Mäcens von Kunst und Wissen Sr. Ivaiserl. und Königl. Apostol. Majestät Kaiser Franz Josef 1. in der Festsitzung in ehrendster Weise ausgezeichnet worden. Josef II., dessen umfassender Herschersorgfalt Bildung und Erziehung seiner Völker so viele Anregung und Förderung verdankten, förderte bekanntlich auch die durch Haydn — dem späteren Schöpfer von Österreichs allgewaltig die Herzen begeisternder Kaiserhymne — und Mozart vertretene neue bessere musikalische Geschmacksrichtung, und für das von ihm als Deutsches Nationaltheater erklärte Hoftheater richtete Kaiser Josef Schillers Fiesco selbst zur Aufführung ein. Wie Kaiser Franz II. (I.), der hohe Verehrer Kants, dessen Geist im bürgerlichen Gesetzhuche dieses Monarchen sich wiederspiegelt, wie Kaiser Franz, der die Bedeutung der Dichterfürsten Schiller und Goethe in ihrem ganzen hohen Werte für das deutsche Volk und für die allgemeine Kultur speziell in Österreich erkannt und in seiner Machtsphäre durch das äussere Zeichen von deren Standeserhebung ausgezeichnet hat, wie Kaiser Franz, entsprechend den Verhältnissen seiner Regierungsepoche, vom Stand- 10* punkte des omnipotenten Staates auch für Kunst und Wissen, für beides doch wohlwollendster Weise gesorgt hat, das, im Detail auszuführen, würde nur Gegenstand einer eigenen Abhandlung sein können, doch sei hier auf eines hingewiesen, auf die Art und Weise, wie des Monarchen hochgesinnter Bruder Erzherzog Johann über die Hauptstadt der grünen Steiermark, wo Kaiser Franz selbst die alte Universitätsstiftung des Erzherzog Regenten Carl als k. k. Carl Franz ens-Universität neu hatte auflehen machen, wie Erzherzog Johann über Graz ein wahres Füllhorn wissenschaftlicher und künstlerischer Anregungen ausgiessen konnte durch die Schöpfung des seinen Namen tragenden „Joanneum“, das sich heute auf der vollen Höhe fachlicher Entwickelung befindet, und weit über die schöne Mark hinaus segenvoll wirkte und wirkt, und nun unter Kaiser Franz Josef 1. glorreicher Regierung eingefügt erscheint dem das ganze weite Reich umspannenden, geistigen Netze der grossen Culturarbeit unserer Zeit. In dem an Stürmen reichen halben Jahrhundert Allerhöchstseiner Regentzeit sehen wir Sr. Majestät unsern allergnädigsten Kaiser und Herrn, Allerhöchstweicher Seihst mit den hervorragendsten Talenten von Natur ausgestattet und durch ausgezeichnete Lehrer in den Wissenschaften herangebildet worden und in der Kunst des Zeichnens Sich in Folge grosser Begabung und Vorliebe durch Leistungen von bleibendem künstlerischen Werte betlnitigt hat, Allerhöchstsein Augen- 14!) merk immer unverrückt auf die Pflege jener hohen Güter der Menschheit gerichtet halten, welche in einem so vielgestaltigen Reiche, wie Österreich-Ungarn vor Allem geeignet und berufen erscheinen, ein gemeinsames Band um alle Völker zu schlingen: auf die Künste und Wissenschaften. Eine der ersten Timten des jugendlichen Monarchen war, kurz nach dem Antritte Seiner Regierung, die durchgeführte Reform des Unterrichtes von der Volksschule hinauf bis zu den Hochschulen unter dem in der Geschichte der Kunst und Wissenschaft in Österreich für immer unvergesslichen Minister für Kultus und Unterricht Leo Grafen Thun. Später folgte die Gründung des k. k. Österreichischen Museums für Kunst- und Kunstindustrie zu Wien, dem Sr. Majestät als erste Heimstätte einen Tract der Kais. Burg einzuräumen geruhte und dann als das unter dem Protektorate des Kenners und Förderers von Kunst und Wissen weil. Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Karl Ludwig gestandene rasch aufgeblüte Institut das eigene, auf den Stadterweiterungsgründen in Folge kais. Muniflcenz so prächtig gediehene, Haus bezog, geruhte der Kaiser demselben, umgeben von einem illustren Kreise aller Notabilitäten der Kunst- und Gelehrtenwelt des Reiches und der Residenz, die Weihe der Schlusssteinlegung in Allerhöchster Person zu ertheilen. Kaiser Franz Josef ehrte in gleicher Weise die neuen durch gleiche Munificenz auf den Stadterweiterungsgründen erstandenen Heimstätten der „Künstlergenossenschaft“ und der „Musikfreunde“. Und bald darauf erhoben sich auf demselben durch Franz Josef’s Huld und Güte geschaffenen wie ein glänzender Demantreif die Stirne Vindobonas umgebenden Ringe noch weitere den Künsten und Wissenschaften gewidmete durch des Kaisers erhabenen Willen in ihrer Begründung und in ihrem Emporstreben mächtig geförderte Monumentalbauten: in unmittelbarer Nähe das durch des Kaisers erhabenen Kunstsinn geschaffenen Hofopernhauses die neue Akademie der bildenden Künste, vor der sich das Schillerdenkmal erhebt, gleichwie im „Volksgarten“ an der Hofburg das Denkmal für Österreichs größten deutschen Dichter Franz Grillparzer, dann als schönes vis-ä-vis der „Wiege seiner Ahnen“, der k. k. Hofburg, die neuen Hofmuseen, und weiterhin das neue Hofschauspielhaus und die neue k. k. Universität. Als herrlichstes Mittelstück an diesem Stirn-bande prangt der Neubau an der k. k. Hofburg selbst und der „inneren Stadtseite“ zugekehrt der stilgerechte Ausbau des Traktes derselben am Michaeler-platze nach den Plänen Fischers von Erlach. Des Heeresmuseums und der „Ruhmeshalle“ daselbst mit den marmornen von den ersten Meistern geschaffenen Standbildern der Helden Österreichs wurde bereits in einer früheren Abteilung andeutend Erwähn- ung gethan. Wie das Hofwaffenmuseum liess Se. Majestät auch die künstlerisch und materiell gleich unschätzbaren Kleinodien der k. k. Schatzkammer nach wissenschaftlichen Prinzipien neu ordnen und beschreiben. Dem k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchive wurde eine der Wissenschaft günstige neue Organisation verliehen, die nun der gelehrten Forschung mächtigen Vorschub leiht, wie desgleichen in der Benutzung der übrigen kais. Sammlungen der k. k. Hofbibliothek, der Familien Fideicomiß Bibliothek Sr. Majestät und der verschiedenen Kunstgalerien und Cabinete jetzt eine dem Geiste des Fortschrittes entsprechende wahrhaft kaiserliche Liberalität obwaltet. Der wissenschaftlichen Unternehmung der Novara-Weltumsegelung wurde bereits an früherer Stelle gedacht und von nicht minderer epochaler Bedeutung für die Wissenschaft war die unter der Ägide Sr. Majestät stattgehabte österreichische Nordpolexpedition! Das monumentale Werk: Die Österreiehiscli-Ungarische Monarchie in Wort und Bild*) so hochherzig begründet von weil, dem unvergesslichen Kronprinzen Sr. k. und k. Hoheit dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Rudolf, Höchstweicher dasselbe mit Seiner bekannt klassischen Feder eingeleitet, und von *) Unter der Redaktion von Hofrat J. Ritter von Weilen begonnen und nun unter der Redaktion von Hofrat Ritter von Zeissberg zielbewusst weitergeführt. Anmerk. d. Verf. Ihrer k. und k. Hoheit der durchlauchtigsten Frau Kronprinzessin-Witwe Erzherzogin Stephanie, Höchstweiche es mit Kunstwerken Ihrer Meisterhand geschmückt, im Sinne des erhabenen und erleuchteten geistvollen Begründers weitergeführt, bildet, von Sr. Majestät in huldvollster Weise aufgenommen und gefördert, das unvergänglichste Denkmal geläutersten, erhabensten Sinnes für Kunst und Wissenschaft am Allerhöchsten Throne, im Allerhöchsten Kaiserhause — ein unvergänglich Unterpfand von Liebe und Erkenntnis für alle Völker des mächtigen Reiches der Dynastie Habsburg! Es fehlt uns an Raum, all die Kunst-und gelehrten Akademieen, Hochschulen, technischen Lehranstalten, Gymnasien undReal-schulen, Fach- und Gewerbeschulen und andere vielfältigen Bildungsanstalten im allgemeinen hier namentlich aufzuführen, die in der Regierungsepoche unseres allergnädigsten Kaisers und Herrn in Österreich-Ungarn durch kais. Gnade und auf Staatskosten neu gegründet, ausgestaltet, gefördert worden und werden; nur eine, die, in cultureller Beziehung so hochbedeutsame, im äussersten Osten der Monarchie vorgenommene, Gründung der „Franz Josef-Universität in Czernowitz“ (1875) möchten wir hier namentlich betonen, der bei der Eröffnungsfeier Victor v. Scheffel zugerufen: Hoil dir gewaltig Österreich, Heil Wissen dir im Osten, In Sprachen bunt, im Geiste gleich Zieh’n wir am Pruth auf Posten: Nun blühe jüngster Musensitz Franzisco-Josefina! Frau Muse lehrt in Czernowitz Und schirmt die Bukowina. — Victor von Scheffel, dem die geniale Kaisertochter, Ihre Kaiser!, und Königl. Hoheit die durchlauchtigste Frau Erzherzogin Marie Valerie, die gleich Ihrer erhabenen Mutter, unserer unvergesslichen Kaiserin-Königin Elisabeth, von der Muse der Dichtkunst den Weihekuss empfangen, einen die feiernde Dichterin wie den gefeierten Dichter des Ekkehard ehrenden poetischen Dank gespendet in den Versen, die die erhabene Fürstin an der Falkensteinwand über den Wolfgangsee hinschreiben liess und die da lauten: Dank an Scheffel. Dank Dir, Du Edler, dass Du es gesungen, Was meiner Heimath Wald Dir zugerauscht, — Was in dor Wellen Murmeln Dir erklungen Und Du der frommen Sago abgelauscht; — Neunhundertjiihrige Erinnerungen Hast Du zur Wirklichkeit uns umgetauscht! Im holden Sang, den uns Dein Goist gegeben, Liehst Du dem heiligen Klausner neues Leben. Und weil Du so den Sagenschatz gehoben, Der tief in unserer Heimath Bergen ruhte, — Weil Du der Dichtkunst Glorienschein gewoben Um unseres Abersees grüne Fluth: Drum wollen Österreichs Söhne Dank goloben Auf ewig Dir, Du schwäbisches Dichterblut! 0 mögen Deinem Geist sich Jünger finden, Gleich Dir der Heimath Sagenwelt zu künden! — Sr. Majestät Kaiser Franz Josef I. immer und überall sich iiussernde huldvollste Anerkennung für die Leistungen in Kunst und Wissenschaft gipfelt aber in der von dem erhabenen Monarchen gestifteten Allerhöchsten Auszeichnung, dem k. u. k. österreichischungarischen Ehrenzeichen für Kunst- und Wissenschaft mit der Inschrift: Litteris et artibus! V. Humanität. — Reisen. I <0 eichen die der Humanität gewidmeten Anstalten *■ in Österreich, die in erster Linie der Kirche ihren Ursprung verdanken, in das frühe Mittelalter zurück, so haben die Habsburger, getreu ihrem gottergebenen Sinne, alsbald, nachdem sie die Regierung dieser Lande angetreten und fortan sich in hervorragender Weise und thatkräftigst hei Kirchen und Klöstern, wie als Stifter und Gründer in gottgeweihtem Sinne, so auch folgerichtig als solche in humanitärer Richtung für Spitäler und Ar men wesen stets thatkräftigst erwiesen, zum leuchtendsten Vorbilde für Adel und Bürger, für das gesamte Volk! * * * Der „Codex Austriacus“*) verzeichnet unter dem Schlagworte: „Arbeit“ das „ernste Verbot“ Kaiser Ferdinand I. vom Jahre 1559, betreffend das „Arbeiten an denen gebotenen Feyer- und Sonn-tiigen zu Hause und im Felde, wie das Namen haben mag“ — welches so eminent humanitäre Verbot in unsern Tagen unter der weisen Regierung Seiner Kaiserl. und Königl. Apostol. Majestät, des im humani- *) I, p. 89. tären Wirken unerreicht dastehenden Kaisers und Herrn Franz Josef I., in dem Gebote der Sonntagsruhe so segenreich und wohlthätig für alle Kreise wiedererstanden. Dem Keime einer heute netzartig über das Reich ausgedehnten humanitären Institution, die ihre feste Begründung und grossartige Ausgestaltung der fast täglich wiederkehrenden grossmütigen Unterstützung Sr. Majestät Kaiser Franz Josef I. verdankt, der Institution der Feuerwehren, begegnen wir gleichfalls im „Codex Austriacus“*) in jener Stelle der Verordnung Kaiser Ferdinand III. vom Jahre 1657, anlangend die Feuersbrunsten, worin dieser Regent anordnet, „benebens auch die Vorsehung zu thun, damit man auff allen Fall dem aufgehenden Feuer zeitlich begegnen und die größere Gefahr verhütten könne, daß überall auff den Gassen und in den Häusern Pottingen (Bottiche) mit Wasser, wie auch die hierzu notwendige Instrumenta, alsLederneÄmper,Feuer-Leittern, Hacken und dergleichen in Bereitschaft vorhanden seyn und hieran kein Mangel oder Abgang erscheine.“ Das Ar men wesen versuchte Kaiser Leopold 1. schon systematisch zu regeln, indem er, wie uns der „Codex Austriacus“ weist**), wiederholt, dasselbe be- *) I, p. 325. **) II, p. 70 f. treffende, Verordnungen hinausgab; so trug dieser Monarch 1(5(32 den „Obrigkeiten“ (Herrschaftsämtern) strenge auf, wegen Überfüllung des Bürgerspitals in Wien, ihre „armen Leuth“ nicht nach Wien „zu verweisen“, sondern „in ihre selbst eigenen Spitäler (Hospitäler — Armenhäuser) aufzunehmen“, und er erneuert diese strenge Verordnung 1682 mit dem Beisatze, dass auf die „Obrigkeiten“, die ihre Armen verstossen, „fleissig zu inquirieren“ und dieselben mit empfindlicher Strafe zu belegen seien. Und gleichwie die von 1679 bis 1700 wiederholt erlassenen Anordnungen*) dieses Regenten, den Bettel betreffend, gegen die „unwürdigen“ Bettler die strengsten Massregeln (Zuchthaus, „Eisen und Band“) anbefohlen, so atmen doch anderseits dieselben Erlässe Kaiser Leopold I. die edelste Humanität gegen die wirklich armen, würdigen Hilfesuchenden. In einer dieser Verordnungen — der Resolution vom 19. Juni 1700 — wird vom Kaiser konstatiert, dass „allhier (in Wien) von denen armen Leuthen eine große Menge und zwar in dem neu auffgerichten Armenhaus 1200 arme würdige Manns- und Weibspersonen sammt Kindern und Waisen inn- und außer desselben wirklich erhalten und außerdem auch über 100 arme Studenten alda versorgt und nebstdem auch über 1500 arme und mühselige kranke Personen in dem Bürger- *) Codex Austriacus I, p. 205—216. leo spital und andern Armen-Häusern gebührend verpflegt werden“.*) Leopold I. fromme und überaus wohlthätige Gemahlin, die Kaiserin Eleonore, deren humanitären Wirkens für die k. k. Armee wir oben an anderer Stelle gedachten, hat während der zweiten Türkenbelagerung der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien (1(583) schon ein Institut ins Leben gerufen, das in unserem Jahrhunderte allgemein auf die Bahn gebracht wurde und auch in Österreich — Dank der Munificenz Sr. Majestät Kaiser Franz Josef I. und des Allerhöchsten Hofes — in segenvollster Blüte steht, das Institut der Volksküchen, indem die genannte deinut-volle und in Werken der Barmherzigkeit unermüdete Monarchin in der in jenen Tagen der ärgsten Bedrängnis Wiens durch die Türken eingerichteten öffentlichen Küche eine wohlorganisierte Gratis-Ausspeisung der Armen auf ihre Kosten vornehmen liess.**) Kaiser Leopold I. Leibarzt, Dr. Liliotti, stiftete 1601 in Wien (in der Singerstrasse) eine Armenapotheke, in welcher den Armen die Arzneien umsonst gegeben wurden, die ein im Hause wohnender Medicinä Doktor in täglich zweimaliger Ordination gratis verschrieb.***) *) Ebenda p. 211. **) Mein: Geschichte der Laibachor Volksküche. Laibach 1888. (Einleitung). ***) Kticholbäcker 1. c. p. (547. Kaiser Karl VI., wie er die Förderung der Volkswohlfahrt im allgemeinen auf seinem Panier geführt, verordnete heim Bau des neuen grossen Armenhauses in Graz (1724), es sei dasselbe so auszuführen, dass diese Humanitätsanstalt zugleich auch wirtschaftlich diene und als Arbeitshaus benutzt werden könnte, in welchem dann 550 Personen männlichen und weiblichen Geschlechtes und Kinder untergebracht werden könnten.*) Das stets so rege und hilfsbereite Wohlthätig-keitsgefühl der grossen Kaiserin - Königin Maria Theresia ist unter Österreichs Völkern sprichwörtlich geworden und in unzähligen Akten der Humanität hat es sich bethätigt; ihre Biographen, die zeitgenössischen wie die späteren, bringen darüber ausführliche Berichte, und der Franzose Fromageot**) apostrophiert bei Anführung derselben seine Zeitgenossen mit den schönen Worten: „Ihr, die ihr eine empfindliche Seele habt, ihr werdet diese Züge nicht lesen, ohne Thränen zu vergiessen. Wenn ihr Kinder habt, so macht sie dadurch wohlthätig, daß ihr ihnen so bewundernswerthe Beispiele vor Augen stellt. Sagt ihnen: Maria Theresia und Franz I. waren wegen der Liebe, die Sie für Ihr Volk hatten, die größten Monarchen; Sie hatten Kinder, die, wie Sie selbst, voll von Empfindungen derMenschen- *) Mein: Karl VI., 1. c. p. 54. **) 1. c. p. 213 f. Ha dies, „Codex Austriacus“. 11 liebe Ihrem Beispiele folgten. Sagtihnen: daß Joseph II., würdig dem besten Vater auf dem (deutschen) Thron zu folgen, wenige Zeit nach dessen Tode diese groß-müthige Handlung erneuert hat, wodurch eure Herzen eben so sehr gerührt worden sind. Man hat schon mehr als einmal diesen jungen Monarchen gesehen, wie er in dem Augenblick, als die Glocke ein angehendes Feuer in der Hauptstadt verkündete, mitten in der Nacht bei der rauhesten Witterung, die kaiserliche Burg verlassen, zu Pferd gestiegen und sich an den Ort hinbegeben, wo durch Seine Gegenwart und Seine Befehle die Gefahr vermindert oder gar vertrieben werden konnte. In dem durchlauchtigsten Hause Oesterreich sind die Gutthätigkeit und Menschenliebe lauter erbliche Tugenden. Maria Theresia hat selbst die Herzen ihrer Kinder gebildet und sie haben alle ihre Tugenden von ihr geerbt.“ Was Kaiser Josef II. in Hinsicht auf Humanität in seinem Reiche geschaffen, es fasst sich ausser der Betrachtung im allgemeinen, dass seine Verordnungen, welchen Gegenstand sie immer betroffen, vom Geiste der Humanität durchweht waren, in der Übersicht dessen zusammen, was dieser „Schätzer der Menschheit“ in Ersparungen und Verbesserungen in der Verwaltung der Stiftungsfonde, in der Reform der Versorgungshäuser, in der Interpretation der Absicht bei Stiftungen, in Herstellung von Krankenhäusern, Armen- liäusern u. s. w. u. s. w. geleistet;*) ja selbst den Freimaurerorden fasste der freissinnige Monarch in seiner Bedeutung als Wohlthätigkeitsverein näher ins Auge und nahm ihn auf,**) „obschon ihm, wie er sagte, die Geheimnisse der Freimaurer gänzlich unbewusst sind, und er mit ihrem mysteriösen Vorgehen sich nicht einverstanden erklären könne, sei es ihm genug, zu wissen, dass von diesen Freimaurer-Versammlungen dennoch einiges Gute für den Nächsten, für die Armut und die Erziehung geleistet worden ist.“ Welch offenes Auge Kaiser Josef für die Verhältnisse in seinen Landen überhaupt hatte, bewies dieser Regent in seinen Rescripten und Handbillets, die er nach seinen verschiedenen Reisen in den Provinzen an seine Minister und Statthalter erlassen, und speziell im Hinblicke auf die Humanitätsanstalten belehrt uns ein Handbillet des Monarchen von der Reise in Innerösterreich 1784 (ddo. Gräz, 28. März), in welchem er in 46 Punkten eine Anzahl in den südlichen Alpenländern Vorgefundener lokaler Mängel rügte und sich im Detail mit den humanitären Aufgaben für Kranke, Arme, Waisen, dann in Zucht- und Arbeitshäusern befasste.***) *) Meynert: 1. c. p. 106 bis 112. •*) Ebenda, p. 112. ***) Wolf Adam: Boiträge zur Kunde steierm. Geschiehts-ljuellon. XII. p. 143 ff. Indem der mehrerwähnte Schriftsteller Suntinger in seiner Darstellung der Kultur und Humanität des kaiserlich österreichischen Hofes in der Abteilung II seines Werkes: die Humanität der Höchstregierenden Familie (Kaiser Franz II. und der Mitglieder des Allerhöchsten Kaiserhauses) im Besondern ins Auge fasst, schreibt er*): Diese Abteilung zeichnet den, in seinen Thaten vorzüglich veredelten Charakter des Oberhauptes der höchstregierenden Dynastie als die Zentral-axe, um die sich die Wirksamkeit sämtlicher erhabener Mitglieder des hohen Hauses windet; dann seiner Durchlauchtigsten Gemahlin und der Sprossen seiner Descendenz, insoferne diese durch ihr reiferes Alter die Folgen ihrer Kraftäusserung selbst vorzusehen, also für humane Handlungen überhaupt bereits fähig sind.“ Wer denkt bei diesen Zeilen nicht schon gleich an den erlauchten Sohn und Nachfolger Kaiser Ferdinand I., „den Gütigen“, der das riesige Füllhorn seiner Wohlthaten über das ganze Reich ausgegossen, wer denkt nicht an Ihre Majestät die Kaiserin-Mutter Carolina Augusta, die vierte Gemahlin Kaiser Franz II., wer denkt nicht an Ihre Kaiserl. u. Königl. Hoheiten die durchlauchtigsten Eltern Seiner Kaiserl. und Königl. Apostol. Majestät an Erzherzog Franz Carl und Erzherzogin Sophie. Und speziell vom Monarchen Kaiser Franz II. (I.) ruft derselbe zeitgenössische Verfasser aus: Seiner Majestät, der gegen-*) Suntinger 1. c. p. 285. wärtig das Kaisertum Österreich glorreich leitende Kaiser Franz wirkt durch seine weitreichenden Humanitätsäusserungen systematisch für das Glück seiner guten und treuen Völker.“*) „In der grossen Tugend der Wohlthätigkeit steht der Allerhöchste Hof durch eigene Anstalten an der Spitze, diese begreifen den Hofspitalfond, verschiedene Stiftungen und Handstipendien, die Aushilfskanzlei und die Hofkommission in Wohlthätigkeitsanstalten“,**) deren Präsidium zur Zeit der regierende Fürst von Sch war zenburg versah, „der würdige Sprössling einer hochberühmten vaterländischen Familie, die in den Annalen der Monarchie seit undenklichen Zeiten von Generation zu Generation hochverdiente Männer aufweiset und durch humane und reale Denkungsart lange schon den beneidenswerten Ruhm besitzet, eine Freundin der Menschen zu sein.“***) Angeregt durch den hohen Wohlthätigkeitssinn des Allerh. Hofes eiferten auch in diesen Tagen dem hohen Beispiele Einzelne und ganze Vereinigungen von Staatsangehörigen in humanitärem Sinne nach und wir sehen unter Kaiser Franz II. (I.) sich in Wien die Gesellschaft der adeligen Damen bilden, die noch heute segenvoll wirkt, wir sehen die erste öster- *) Ebenda, p. 290. **) Ebenda, p. 153. ***) Ebenda, p. 175. reichische Sparkasse in Wien (1819), erstehen, der alsbald die krainische Sparkasse zu Laibach (1820), nachfolgt; diese beiden letztgenannten eminent humanitären Institute, sie erfreuen sich heute einer Kraft und Ausdehnung, die es ihnen ermöglicht, aus ihren hochansehnlichen Reservefonds Hunderttausende zu wohlthätigen, Humanität und Kultur fördernden, Zwecken aufzuwenden, so jüngst wieder*) im Sinne Seiner Königl. und König!. Apostol. Majestät, unseres allergnädigsten Kaisers und Herrn Franz Josef I. anlässlich der Feier Allerhöchstdessen 50jährigen Regierung! So ganz im Sinne Sr. Kaiserl. und Königl. Apostol. Majestät unseres vielgeliebten Kaisers *) Die Erste österreichische Sparkasse in Wien, Oberkurator Exzellenz Nikolaus Dumba, widmete aus diesem patriotischen Anlasse am 2. Dezember nebst schon früher votiorton 250000 ti. für Volks Wohnungen und Wohlfahrtseinrichtungen, neuerlich 250 000 fi. für verschiedene humanitäreZwecke und Stiftungon; ausserdem im Laufe der letzten Jahre die ansehnliche Summe von 10000 11. zum Baufond für das neue Heim der nun in ihrem Bestände gesicherten, so segensreich wirkenden Wiener freiwilligen Rettungs-Gosollschaf t. Dio krainischo Sparkasse in Laibach (Präsident Josef Luckmann, Direktor Dr. Josef Suppan), widmete aus dem gleichen Anlasso des Regierungs - Jubiläums 500000 fl. behufs Gründung und Erhaltung oinor Anstalt zur unentgeltlichen Unterbringung von unheilbaren, mittellosen Kranken aus Krain, sowie weitero namhafto Summen zu humanitären und Schulzwecken, dann zur Regulierung, Assanierung und zum Wiederaufbau des durch dio Erdbebenkatastrophe 1895 zerstörten Laibach. Anmerk, dps Verfassers. 1G7 handeln Einzelne und Korporationen, die sich an Wohl-thätigkeitsakten beteiligen, dieselben in’s Werk setzen. Das Wohlthatenausüben im Allgemeinen gilt ja unserem Kaiser und Herrn Franz Josef I. als erste und hervorragendste Äusserung der Nächstenliebe und als erste und hervorragendste Förderung der Volkswohlfahrt, so dass Allerhöchstderselbe auch immer dann, wenn die in Liebe und Treue zu Ihm emporschauenden Völker ein Ereignis in Seinem erlauchten Hause — sei es in Freud, sei es in Leid — mit ihrer Teilnahme zu begleiten sich anschicken, alsbald den Wunsch laut werden lässt, sie mögen, um Seinen Intentionen voll zu entsprechen, ihre Huldigung namentlich durch Akte der Wohlthätigkeit kennzeichnen. Auf diese Weise ward Kaiser Franz Josef I., der Selbst allen humanitären Bestrebungen in dem durch Seine erhabenen Regententugenden zu so hohem Ansehen gebrachten Reiche stets durch die ausgiebigste Beisteuer aus Seiner Privatschatulle grundlegend fördert, zum doppelten Begründer auf Jahrhunderte hinaus segenspendender Institutionen in Österreich-Ungarn und in vollster Anwendung des klassischen „ Te saxa loquuntur“ werden hüben und drüben noch zu den spätesten Geschlechtern laut redend sprechen die Menge hochragender Monumentalbauten aller erdenklichen Stiftungshäuser zu humanitären Zwecken, die von Kaiser Franz Josef I. und 1G8 Mitgliedern des Allerhöchsten Kaiserhauses gestiftet und gefördert, die, Seinem erhabenen Beispiele nach, von Einzelnen und Korporationen im Reiche gegründet worden! Es ist unmöglich, in dem engen Rahmen dieser Zeilen auf ein Detail hierüber einzugehen, nur auf ein grosses Humanitätswerk, das des erhabenen Monarchen weiser Blick für die Volkswohlfahrt zunächst der Bewohner der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien ins Auge gefasst und zu glücklicher Durchführung gebracht, möchten wir hier namentlich hinweisen, auf das den Gesundheitszustand Wiens so mächtig fördernde Werk der Hochquellenwasserleitung, welches Werk der Assanierung aber nicht auf Wien beschränkt geblieben, sondern zum Heil und Segen der Völker in den Provinzen so vielfache Nachahmung gefunden hat. Hätte Kaiser Franz Josef I. Seinem weiten, mächtigen Reiche nichts anderes geschenkt als diese Seine Fürsorge für die Gesundheit der Bewohner, wahrlich Er hätte allein dadurch schon gelebt für alle Zeiten! H« ★ * Und noch Eines ist, was zu dem Vielen und Grossen, das Sr. Kaiserl. und Königl. Apostol. Majestät unser allergnädigster und gütigster Kaiser und Herr Franz Josef 1. für Seine getreuen Völker geschaffen und ins Werk gesetzt, hinzutritt und sich als ein wesentliches Förderungsmittel der erhabenen und edelsten Intentionen Se. Majestät darstellt: die persönliche Anschauung, die Sich unser vielgeliebter Kaiser und Herr aufSeinen zahlreichen Reisen in alle Teile der Monarchie und bei den verschiedensten Anlässen zu verschaffen wusste und weiss. Waren die Reisen Allerhöchstseiner frühen Vorfahren in die einzelnen Länder, entsprechend den Verhältnissen der vergangenen Zeiten, meist nur auf die Fahrten zur Entgegennahme der sogenannten „Erbhuldigungen“ in den Stammländern beschränkt, denen sich dann die zu den Krönungen in Ungarn und Böhmen anschlossen, so war es Kaiser Josef II., der, dem Reisen in seinem eigenen Reiche sowie in’s Ausland eine tiefe Bedeutung für das Staatswohl beilegend, zahlreiche Fahrten in die einzelnen Reichsteile unternommen hat,*) die er entweder speziell zum Zwecke der Inaugenscheinnahme der Zustände in seinen Ländern antrat, oder die Anfang und Ende seiner Reisen nach Deutschland, Italien, Frankreich, Russland bildeten. Nach ihm kam Kaiser Franz II. (I) in die Lage, einzelne Länder der Monarchie wiederholt persönlich zu besuchen und solchen Besuchen der Majestät verdankten die Länder gar mächtige Förderung ihrer vitalsten Interessen, so z. B. das Land Krain die *) Mein: Die Reisen Kaiser Joseph II. Wien 1890. Verlag der Österreichisch-Ungarischen Revue. Inangriffnahme der Austrocknung des grossen Laibacher Moores! Und auch Kaiser Ferdinand I., der Gütige, er besuchte schon als Kronprinz und dann im Laufe Seiner Regierung die einzelnen Länder und besichtigte z. B. die ersten Industrieausstellungen, die sein Oheim, „Prinz Johann“ in Innerösterreich in’s Werk gesetzt hatte. So zahlreich wie keines Regenten vor Ihm sind jedoch die Fahrten und Reisen, die Se. Kaiserl. und Königl. Apostol. Majestät Kaiser Franz Josef I. während der 50 Jahre Seiner unermüdlichen, rastlosen, von der striktesten Pflichterfüllung getragenen Regenten-tliätigkeit in alle, selbst die entferntesten Teile der Monarchie unternommen hat, an die sich auch wiederholt weite Reisen ins Ausland, nach allen Kulturstaaten, und in den Orient, zum Besuche der heiligen Stätten nach Jerusalem, angeschlossen haben. Überall hat der Kaiser alles mit Seinem scharfen Auge geschaut und geprüft, hat Sich überall von den Zuständen des öffentlichen Lehens Kenntnis verschafft. Im Bereiche Seiner Länder hat Sich der Monarch überall von den Bedürfnissen der Seinem weisen Scepter anvertrauten Völker — der Kaiser immer und überall unter Seinem Volke frei und umjubelt wandelnd von Freud und Leid Seiner Bürger persönlich überzeugt, überall die Bitten entgegen genommen und nach aller Möglichkeit denselben entsprochen; allüberall seine Schritte mit Werken der Wohlthätigkeit begleitend. Wir erinnern nur an die Besuche Sr. Majestät iit Szeged in bei der Katastrophe der Überschwemmung und in Laibach nach der Erdbebenkatastrophe, wo Allerhöchstderselbe als erster Helfer in der Not erschienen und der zielbewussten Hilfsaktion durch den Landespräsidenten Viktor Baron Hein und dessen Gemahlin, Olga Baronin Hein geborene Gräfin Apraxin, die Allerhöchste Anerkennung auszusprechen geruhten, auch hier die ersten Schritte lenkend zu den Humanitätsanstalten, zu dem von der Gesellschaft des roten Kreuzes in Wien beigestellten Barakenspital (im allgemeinen Krankenhause) unter der Leitung des Direktors der Wohlthätigkeits-Anstalten, Regierungsrat Dr. Alois von Valenta-Marchthurn und zu der von der freiw. Rettungsgesellschaft in Wien beigestellten Küchenwagen für die Gratisbespeisung unter der Leitung der Frau Baronin Hein. Im Auslande aber nahm der Monarch auf Seinen Reisen gar manche Erfahrungen wahr, deren Früchte dann dem eigenen Reiche zu gute gekommen. Und wenn auch die glanzvollen, farbenprächtigen Empfänge, Auf- und Umzüge, die man bei hohen Gedenkfesten des erlauchten Hauses, bei Fahrten im Reiche dem allgeliebten Kaiser und Herrn, der an Seiner Seite erschienenen allgefeierten, unvergesslichen Kaiserin und Königin allüberall zu bieten pflegte — wir erinnern nur an die geschichtsdenkwürdigen Festlichkeiten der Vermählung und der „silbernen Hochzeit“ der Majestäten, der Königskrönung und der Milleniurasfeier in Budapest, der Huldigungsreisen durch die Erzlande, durch Ungarn und Siebenbürgen, in Böhmen und Mähren, Schlesien und Galizien, in Kroatien und Dalmatien, in Tirol und Kärnten wieder, dann der sechshundertjährigen dynastischen Jubelleier der Vereinigung der Steiermark und des Landes Krain mit der erlauchten Dynastie Habsburg*) u.s.w. u.s.w. — wenn auch all die prunkenden Festlichkeiten zuvörderst geeignet waren, und sind Freude und Jubel der getreuen Völker an dem Erscheinen des Monarchen in ihrer Mitte zu möglichst glanzvollem Ausdrucke zu bringen, so erkennt doch immer der mildväterliche Blick unseres vielgeliebten Kaisers und Herrn durch die glänzende Hülle hindurch den wahren Kern der Volkstugenden, wie sie bei allen Völkern des Reiches zu finden, die sich dann in erster Linie stets ausprägten und ausprägen im unvermittelten Durchbruche der Volksseele, in den gemütvollsten Szenen echter kindlicher Liehe zum besten der Fürsten, zum Herrscherhause, die in einfachem und schlichtem, treuem und wahrem Olfenharen wohl selten ein Herrscher auf dem Throne so oft und so begeistert zu Gesicht, zu Gehör be- *) Verfasser dieser Zeilen genoss die besondere Auszeichnung und das hoho Glück, an dieser Allerhöchsten Kaiserreise im Juli 1883 in der Eigenschaft als offizieller Berichterstatter in der Allerhöchsten Suito Teil nehmen zu können. kommen haben dürfte, als Kaiser Franz Josef I.. im ehrfurchtsvollstem Nahen, in herzenswarmen Ansprachen und Ausrufen, allüberall und immer aber in der brausenden österreichischen Volkshymne, in dem feierlich innigen: „Gott erhalte!“ ♦>***<♦— Viribus unitis Q>\er ehrwürdigen Sitte Allerhöchsterer erlauchten Vorfahren getreu haben Se. Majestät Sich veranlasst gefunden, einen Wahlspruch anzunehmen. Von der Überzeugung durchdrungen, dass nur, wenn alle Völker Österreichs auf der Grundlage gleicher Rechte und gleicher Pflichten berufen sind, mit vereinten Kräften den Bau der Grösse, Macht und Freiheit des gemeinsamen Vaterlandes zu fördern, das hohe Ziel, das Se. Majestät vorschwebt, erreicht werden kann, haben Allerhöclistdie-selben den Wahlspruch: Viribus unitis (mit vereinten Kräften) erwählt, in welchem der leitende Gedanke Allerhöchstihrer Regierung einen entsprechenden Ausdruck gefunden hat.“ — Mit diesen Worten verkündete die kaiserl. „Wiener Zeitung“ vom 20. Februar 1849 den Völkern den herrlichen Wahlspruch, den der jugendliche ritterliche Monarch Kaiser Franz Josef I., Allerhöchstwelcher wenige Wochen vorher den Thron der Allerhöchsten Vorfahren bestiegen, Sich gewählt, und am heissen Tage von Novarra, am 23. März 1849, war laut des Siegesberichtes, den der Heldenmarschall Graf Radetzky noch um Mitternacht nach Wien abfertigte, „Viribus unitis“ der Wahlspruch dieser Schlacht gewesen!*) * * * *) Austria, Üstr. Univorsal-Kalender 1830, p. XCVI1I. Radies, „Codex Austriacus“. 12 „Viribus unitis“ blieb und bleibt nun fortan der Wahlspruch nicht allein des Monarchen, den Allerhöchstderselbe immer, in Freud und Leid und bei allen Vorfallenheiten, unentwegt hochhält, er blieb und bleibt fortan auch das Panier der — abgesehen von allen sonstigen Verschiedenheiten — in Liebe und Treue und Hingebung für den vielgeliebten Herrscher und das Allerhöchste Kaiserhaus vereinten getreuen Völker Österreich-Ungarns! So oft es galt, Gut und Blut hinzugeben für Thron und Vaterland, sah man Österreich-Ungarns Völker treu geeint auf blutiger Wahlstatt und daheim in Darreichung der für den Krieg notwendigen Gaben, so oft es galt, „dem Kaiser zu geben, was des Kaisers,“ wetteiferten die Bewohner des weiten mächtigen Reiches in der Darbringung desselben und wo und wann es galt, in Freud und Leid teilzunehmen an Ereignissen im Allerhöchsten Herrscherhause, stets umstanden Österreich - Ungarns Völker treu geeint den Allerhöchsten Thron in Jubel wie in Trauer, nur von dem herzinnigsten Gefühle beseelt, dem vielgeliebten Kaiser wieder und immer wieder zu bezeugen: Liebe und Treue und Hingebung! Und welches Jahr in der langen Reihe der fünfzig Jahre Allerhöchstseiner segenvollen glorreichen Regierung Hesse dieses nach dem Selbsteigenen goldenen Worte des Kaisers: „Ich und mein Volk wir sind eine Familie“ glücklich bestehende und die sicherste Zukunft verbürgende Geeintsein von Dynastie und Bevölkerung in schönerem hehrerem Lichte erschauen als eben das Erinnerungsjahr der 50. Wiederkehr des historischdenkwürdigen 2. Dezember! Wie grossartig waren aller Orten in dem grossen, im dynastischen Gefühle einigen Reiche die Vorbereitungen, das Jubelfest des Monarchen würdig zu begehen, vornehmlich in Seinem erhabenen Sinne mit Akten der Humanität, doch aber auch nach der frohgemuten Eigenart aller Österreicher mit heller Festesfreude — da kam jählings die teuflische That des verruchten Buben und der 10. September, er machte alle treuen Österreicher - Herzen schmerzlich erzittern bei der schrecklichen Kunde von dem Tode unserer allgefeierten geliebten Kaiserin und Königin Elisabeth, und tiefste Trauer war über das grosse Reich gebreitet! In den herrlichen unvergänglichen Worten des Kaisers, womit Er seinen Völkern Dank sagt für die Ihm anlässlich dieses tiefsttraurigen Ereignisses in Seinem Hause dargebrachten Kundgebungen, wiederspiegelt sich so schön das traditionelle herzinnige Verhältnis zwischen Fürst und Volk in Österreich. Se. Kaiserl. und Königl. Apostol. Majestät haben nachstehendes Allerhöchstes Handschreiben allergnädigst zu erlassen geruht: Lieber Graf Thun: In den Tagen unermesslicher Trauer, in welche der Heimgang Meiner gottseligen Gemahlin, Ihrer 12* Majestät der Kaiserin und Königin Elisabeth, Mich und Mein Haus versetzte, hat sich die Liehe und Teilnahme Meiner Völker, sowie die Pietät für die Verblichene in rührender und erliebener Weise geiiussert. Ich folge dem Zuge Meines Herzens, indem Ich Sie beauftrage, die beifolgende, unmittelbar an Meine geliebten Völker gerichtete Danksagung in entsprechender Weise zu veröffentlichen. Schönbrunn am 16. September 1898. Franz Josef m. p. Thun m. p. * * + An meine Völker! Die schwerste, grausamste Prüfung hat Mich und Mein Haus heimgesucht. Meine Frau, die Zierde meines Thrones, die treue Gefährtin, die Mir in den schwersten Stunden Meines Lebens Trost und Stütze war — an der Ich mehr verloren habe, als Ich auszusprechen vermag, ist nicht mehr. Ein entsetzliches Verhängnis hat Sie Mir und Meinen Völkern entrissen. Eine Mörderhand, das Werkzeug des wahnwitzigen Fanatismus, der die Vernichtung der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung sich zum Ziele setzt, hat sich gegen die edelste der Frauen erhoben und in blindem, ziellosem Hass das Herz getroffen, das keinen Hass gekannt und nur für das Gute geschlagen hat. Mitten in dem grenzenlosen Schmerze, der Mich und Mein Haus erfasst, angesichts der unerhörten That, welche die ganze gesittete Welt in Schaudern versetzt, dringt zunächst die Stimme Meiner geliebten Völker lindernd zu Meinem Herzen. Indem Ich Mich der göttlichen Fügung, die so Schweres und Unfassbares über Mich verhängt, in Demut beuge, muss Ich der Vorsehung Dank sagen für das hohe Gut, das Mir verblieben: für die Liebe und Treue der Millionen, die in der Stunde des Leidens Mich und die Meinen umgiebt. In tausend Zeichen, von nah und fern, von hoch und nieder, hat sich der Schmerz und die Trauer um die gottselige Kaiserin und Königin geäussert. In rührendem Zusammenklang ertönt die Klage aller über den unermesslichen Verlust als getreuer Widerhall dessen, was Meine Seele bewegt. Wie Ich das Gedächtnis Meiner heissgeliebten Gemahlin heilig halte bis zur letzten Stunde, so bleibt Ihr in der Liebe und Verehrung Meiner Völker ein unvergängliches Denkmal für alle Zeiten errichtet. Aus den Tiefen Meines bekümmerten Herzens danke Ich Allen für dieses neue Pfand hingebungsvoller Teilnahme. Wenn die Pestklänge, die dieses Jahr begleiten sollten, verstummen müssen, so bleibt Mir die Erinnerung an die zahllosen Beweise von Anhänglichkeit und warmen Mitgefühl die wertvollste Gabe, welche Mir dargebracht werden konnte. Die Gemeinsamkeit unseres Schmerzes schlingt ein neues inniges Band um Thron und Vaterland. Aus der unwandelbaren Liehe Meiner Völker schöpfe Ich nicht nur das verstärkte Gefühl der Pflicht, auszuharren in der Mir gewordenen Sendung, sondern auch die Hoffnung des Gelingens. Ich bete zu dem Allmächtigen, der Mich so schwer heimgesucht, dass er Mir noch Kraft gehe, wozu Ich berufen bin. Ich bete, dass er Meine Völker segne und erleuchte, den Weg der Liebe und Eintracht zu finden, auf dem sie gedeihen und glücklich werden mögen. Schönbrunn am 16. September 1898. Franz Josef m. p. Bildet dieses Manifest des Monarchen für alle Folgezeiten zugleich das schönste Denkmal der innigsten Gattenliebe für die gottselige Kaiserin, so werden alsbald hüben und drüben in Österreich-Ungarn Denkmäler der loyalsten Volksliebe für Allerhöchst-dieselbe sich erheben. „Jener Kranz, den die Monarchin als schlichtes und doch so vielsagendes Bekenntnis ihres Glaubens daran, dass Dauer, Macht und Wohlfahrt des Vaterlandes ausschliesslich durch ein friedliches, von gegenseitigem Misstrauen ungetrübtes, auf streng legaler Basis sicli vollziehendes Zusammengehen beider Hälften des Reiches verbürgt werden, auf den Sarg Deaks, des weisen Staatsmannes und treuen Ratgebers, niedergelegt, er hat nun seine ritterliche Heimzahlung gefunden durch die „Inarticulation“ des glorreichen Andenkens der toten Königin, der „Heiligen der Nation“ in das Gesetz und durch die Widmung eines Denkmals aus allgemeinen Beiträgen, wie sie durch das ungarische Parlament einstimmig votiert worden.“*) Diesseits der Leitha aber werden in der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien gleichwie zur steten Erinnerung an das 50jährige segenvolle Wirken des allgefeierten Kaisers und Herrn Franz Josef I., zugleich auch zum pietätvollen Andenken an die dahingeschiedene Kaiserin und Königin Elisabeth die unter dem Protektorate Ihrer Kaiserl. und Königl. Hoheit der durchlauchtigsten Frau Erzherzogin Maria Theresia aus allgemeinen Sammlungen**) erstehende •) A. Mayer-Wydo in dem hochpatriotischon Leitartikel: „Des Reiches Schmerz“ in seiner „Öst.-Ung. Revue“, Wion 1898. Band XXIV (3), pag. V. **) Das Ehrenpräsidium des Baukomitds führt Se. Eminenz der hochwürdigste Herr Kardinal Fürsterzbischof v.Wien, Dr. Gruscha. das Präsidium Carlos Fürst Clary und Aldringen. Anmerk. d. Verf. „monumentale Kaiser-Jubiläums-Kirche“ und die daran anzuschliessende „Kaiserin Elisabeth-Gedächtnis-Kapelle“ die aus dem gläubig frommen Sinne der österreichischen Völker erstandenen dauernden Zeugen sein der Liehe und Treue und Hingebung dieser Völker für Se. Majestät den Kaiser und das Allerhöchste Kaiserhaus! * * * Als der grosse Erinnerungstag des 2. Dezember schon ganz nahe war, da gaben die beiden hohen Häuser des österreichischen Reichsrates in ihren Festsitzungen vom 25. November in den Huldigungskundgebungen für den Monarchen dem allgemeinen loyaldynastischen Gefühle beredtesten Ausdruck. Die Festsitzung des Abgeordnetenhauses eröffnete der Präsident Ritter von Fuchs mit folgender Ansprache: „Holios Haus! Sehr geehrte Herren! Wonigo Tngo trennen uns von jenem Momonte, mit welchem unser erhabener Herr, Kaiser und König ein halbes Jahrhundert Seiner Regierung vollendet hat. Und wahrlich, oino lange Spanne Zeit, dio seit dem denkwürdigen 2. Dezember 1848 verflossen ist, an welchem unser Herr und Kaiser im erzbischöflichen Schlosse zu Olmütz den ehrwürdigen Thron der Habsburger bestiegen hat. Diese fünfzig Jahre, welche seit jenem denkwürdigen Tago verflossen sind, waren unter dem milden Sceptor unseres Kaisers segonvollo Tage für Österreichs Völker, doch für Ilm, der uns mit milder Hand und trouor Hingebung an Seino Herrscherpflichton regierte, waren diese fünf Decennion nicht etwa oino Zoit der ungetrübten Freudo, nicht immer strahlto tibor dioso fünfzig Jahre Regentenleben dio Sonne menschlichen (iliickos. Harte Prüfungen, schwere Heimsuchungen und Wechselfälle mannigfacher Art warom unserem Herrn und Kaiser beschieden und haben Demselben manches schmerzliche Opfer auferlegt. Was auch immer der Zeiten Lauf im bunten Wechsel mit sich brachte, wenn auch mehr als einmal des Unglückes Härte und unerbittliche Hand rauh und schmerzlich in dieses Loben eingriff — unser ritterlicher Herr und Kaiser wankte nie. Br war stets ein bewunderungswürdiges Beispiel unwandelbarer Pflichttreue, rückhaltloser Hingebung an Sein Reich und Seine Völker und von wahrhaft heldenmütiger Ausdauer in allen Wechselfällen des Lebens. Forn sei es von mir, in dieser weihevollen Stunde, Ihnen ein biographisches Bild unseres Kaisers vor Augen zu führen und aufzuzählen, was er für Sein Reich und Seine Völker alles gethan und gewirkt hat. Nur flüchtig erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass Österreich seinem Kaiser und Könige die kulturelle Entwickelung des öffentlichen Lebens, der Wehrmacht, des konstitutionellen Lübens, der Wissenschaft, der Kunst, Littoratur, von Handel und Gewerbe in hervorragendem Masse zu danken hat. Mit Bewunderung und Liebe, mit inniger Verehrung blickon demnach Österreichs Völker namentlich in diesen Tagen auf den Jubolkaiser und legen ihm den Tribut ihres innigen Dankes ehrfurchtsvoll zu Füssen. Jedoch unser Blick soll noch höher gerichtet sein, nämlich auf Gott, den Herrn über Leben und Tod, dem wir unsere innige Bitte unterbreiten wollen, er möge unserem Kaiser einen recht langen Lebensabend gewähren in Freuden und ungetrübtem Glück. (Lebhafter Beifall.) Sie teilen gewiss mit mir die Gefühle, denen ich soeben Ausdruck gegeben habe, und so werden Sie mit mir gewiss auch freudig und begeistert oinstimmon in den Ruf: „Unser Allergnädigster Kaiser, König und Herr Franz Josef lebe hoch! hoch! hoch!“ (Die Versammlung stimmte begeistert in das ausgebrachto „Hoch“ auf den Kaiser ein.) Gestatten Sie, meine Herren, dass ich zum Schlüsse den Antrag verlese, Ihr Präsidium ermächtigen zu wollen, den Ausdruck unserer ehrfurchtvollsten Glück- und Segenswünsche in geeigneter Weise unserem goliobten Herrn und Kaiser ergebenst zu untorbreiten. (Lebhafte Zustimmung.) Sio habon sich von ihren Sitzen erhoben und den Antrag oinstimmig angenommen. (Lebhafter Beifall.) — Hierauf wurde die Sitzung geschlossen. Im Herrenhause aber hielt der Präsident Seine Excellenz Fürst Alfred zu Windisch - Grätz nachstehende Rede: „Am 2. Dezember jährt sich zum fünfzigsten Male der für die Geschichte unseres Vaterlandes denkwürdige Tag, an welchem Seine Majestät unser allergnädigster Kaiser und. König den Thron Seiner Almen bestieg. Wie in allen Kreisen der Bevölkerung, so wird gewiss auch in diesem hohen Hause die volle Bedeutung dieses Tages empfunden, und ein wahres Herzensbedürfnis unser aller ist es, bei diesem Anlasse besonders jene unwandelbare Treue, verehrungs-vollo und tiefst empfundene Dankbarkeit zum Ausdrucke zu bringen, welche jeden Österreicher bei dem Godanken an seinen Kaiser bowegt (Beifall); denn gross und zahlreich sind die Werke dos Fortschrittes auf allen üobioton menschlichen Schaffens. Fest steht und glänzend gekrönt mit dem Lorbeer treuer Pflichterfüllung und voll gerechter Begeisterung für ihren oborston Kriegsherrn unsere herrliche Armee (Beifall); mächtig und achtunggebietend nach aussen ist die Stellung des Roiches, in dossen weisem Herrscher die Welt einen Hüter des Friodons verehrt. (Lebhafter Beifall). In rastloser Sorge um des Reiches Wohl, mit väterlicher Milde und unbeugsamer Selbstvergessonhoit waltet So. Majestät des ihm vor fünfzig Jahren von Gottes Gnaden übor-kommenen hohen Amtes, und bewundernd haben wir Allor-höchstdonsolben die schwersten Heimsuchungen mit jonor Seelenstärko ertragen gesehen, wolehe nur einer wahrhaft frommen Seole in aufopferungsvoller Hingebung an eine grossen Sache eigen ist. (Lebhafter Boifall.) Wir bitten zu Gott dom Allmächtigen, dass er unseren kaiserlichen Herrn lango, lango Jahro bosehiitzon und orhalton möge, dass er soino Miihon lohno mit dom Glück und dom Frieden Seiner Völkor, dass er jegliches Leid abwenden wolle von unseres schwer geprüften Kaisers fernerer Lebensbahn. (Beifall.) Hohes Haus! Der düstere Schatten tiefer Trauer ist über jenen Tag gebreitet, welchen die österreichischen Völker sich angeschickt hatten, in begeisterter Huldigung zu feiern. Die Weihe des Schmerzes hat den festlichen Veranstaltungen und Empfängen Halt geboten. Ich muss mich sonach darauf beschränken, dem Hause den folgenden Antrag zu stellen: Das Haus wolle boschliessen: Das Präsidium wird beauftragt, die ehrfurchtsvollste Huldigung des Herrenhauses aus Anlass der Vollendung des fünfzigsten Regierungsjahres Sr. Kaiserl. und Königl. Apostol. Majestät in geeignetem Woge an die Stufen des allerhöchsten Thrones gelangen zu lassen. Sie alle haben sich von Ihren Sitzen erhoben. Ich konstatiere die einstimmige Annahme meines Antrages. (Lebhafter Beifall.) Schliessen wir die heutige Sitzung mit dem patriotischen Rufe: Seine Majestät unser geliebter Kaiser und König lebe hoch! hoch! hoch! (Die Versammlung brach in ein dreimaliges begeistertes „Hoch“ aus.) Die heutige ausserordentliche Sitzung, welche nur dieser Kundgebung gewidmet war, erkläre ich für geschlossen.“ Se. Majestät geruhten hierauf in eigenen Allerhöchsten Handschreiben an Se. Exzellenz den Herrn Ministerpräsidenten Grafen Thun den beiden legislativen Körperschaften Seinen Dank in wärmsten Ausdrücken zukommen zu lassen. Am 18. November hatte Se. Majestät anlässlich des vom österreichischen Episcopate zum Regierungsjubiläum herausgegebenen Hirtenbriefes an Se. Eminenz den Kardinal Fürsterzbischof von Prag Grafen Schönhorn folgendes Allerhöchstes Handschreiben zu richten geruht: „Lieber Kardinal Graf Schönborn! In dem Hirtenbriefe des österreichischen Epis-copats anlässlich des fünfzigjährigen Gedenktages. Meiner Thronbesteigung erblicke Ich mit inniger Rührung einen neuerlichen Beweis stets bewährter hingebungsvoller Ergehenheit an Meine Person und treuer Vaterlandsliebe. Vermag Ich auch den Tag, welchen die Liehe Meiner Völker zu einem Freudenfeste gestalten wollte, angesichts des unersetzlichen Verlustes, den Ich erlitt, nur in stiller Trauer zu begehen, so kann sich doch Mein Herz dem Gefühle der aufrichtigsten Befriedigung über eine so loyale, von echtem Gottvertrauen durchdrungene Kundgebung nicht verscliliessen. Indem Ich Euer Eminenz und den mitunterzeichneten Kirchenfürsten auf das Wärmste für dieselbe danke, vereinigen sich Meine Gebete mit jenen der frommen Gläubigen in dem innigen Wunsche, dass der Segen des Allmächtigen stets auf dem Reiche ruhen möge, dessen Leitung seine Gnade Mir anvertraut hat. Franz Josef m. p. Gödöllö, 18. November 1898.“ Der Vortag des grossen Erinnerungstages brachte aber die denkwürdigen herrlichen Worte des Obersten Kriegsherrn an Seine ruhmreiche k. u. k. Armee. Se. Kaiserl. und Königl. Apostol. Majestät geruhten nämlich am 1. Dezember den nachfolgenden Allerhöchsten Armeebefehl zu erlassen: Armee-Befehl. Was Meine gesamte Wehrmacht für Mich und mit Mir an dem Tage fühlt, an welchem Ich vor fünfzig Jahren als Oberster Kriegsherr hoffnungsfreudig. an ihre Spitze trat, empfinde Ich in tiefster Seele. Ich wusste und weiss Mich innig geeint mit den Hundert- und Hunderttausenden wackerer Kriegsleute, die unter Österreich-Ungarns Fahnen, Standarten und Flagge Mir den Eid der Treue geleistet, denselben gehalten in Stürmen und Gefahren, mochten diese wie immer drohen und tosen; — ein ehernes, heiliges Gebot verbindet uns: die Pflicht gegen das teuere Vaterland, in deren Erfüllung wir stehen oder fallen. Herzlichsten Dank sage Ich Meiner Wehrmacht für all’ ihr redliches Streben, ihre selbstlose Hingebung, ihren oft und glänzend bewährten Todesmut; —- wehmütig-dankbar erfüllt Mich das Andenken der Braven, die längst nicht mehr hienieden sind, tiefbewegt spende Ich im Geiste unserem letzten siegreichen Feldmarschall und unseren jüngst heimgegangenen Führern zu Lande und zur See ein Lorbeerreis. Welch’ herbes Leid, welche schweren Prüfungen die Vorsehung auch im Laufe von fünfzig Jahren über Mich und die Monarchie verhängte, klaren Blickes sehe Ich, wie heute auch in der Zukunft Ferne, Österreich-Ungarns Wehrmacht aufrecht als den Schutz und Schirm von Thron und Vaterland. Der Allmächtige segne Meine treue Wehrmacht, der Ich unablässig Meine wärmste Fürsorge widmen will.*) Wien, am 1. Dezember 1898. Franz iosef m. p. Und nachdem der 2. Dezember, den der Monarch in stiller Abgeschiedenheit des Schlosses Wallsee, des Aufenthaltes Ihrer Kaiserl. und Königl. Hoheiten der durchlauchtigsten Frau Erzherzogin Marie Valerie und Höchstihres Gemahls des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Franz Salvator im Kreise der allernächsten Angehörigen, der Kinder und Enkel zuzubringen geruhte, im ganzen Keiche in jener den erhabenen Intentionen Sr. Majestät entsprechenden Weise durch fromme Gebete, durch Darbringung von Humanitätsakten**) und sonst würdige Begehung***) gefeiert worden, *) Verordnungsblatt für das k. u. k. Heer No. 43 vom 2. Dezember 1898 (Separatausgabe). *’) Aus vielen Beispielen nur Eines aus den letzten Tagen noch: Der hochw. Herr Fürsterzbiseliof Dr. Kohn hat an die Geistlichkeit der Olmützer Erzdiöceso soeben ein Pastoral-schroiben gerichtet, in welchem er unter Hinweis auf das TCo-gierungsjubiläum Sr. Majestät des Kaisers mitteilt, dass er einen Verein zur Unterstützung der Priester dieser Erzdiöcese ins Leben gerufen und hierfür den Betrag von 140000 11. als Stammfonds gewidmet habe. ***) Ein Boispiol davon, wie sinnig die Pietät für das Andenken Ihrer Majestät der Kaisorin aucii bei diesem Anlasse zum da fühlte Sieh unser allergnädigster gütigster Kaiser gedrängt, Seinen Völkern hiefür Allerhüchstseinen Dank auszudrücken und die Kaiserl. Wiener Zeitung vom 10. Dezember veröffentlichte das nachstehende Allerhöchste Handschreiben an den Ministerpräsidenten Grafen Thun. Lieber Graf Thun! Die Gnade des Allmächtigen hat mir gegönnt, die fünfzigste Wiederkehr des Tages zu erleben, an welchem Ich den Thron Meiner Ahnen bestiegen habe. Andächtigen Herzens empfange Ich dieses seltene Geschenk des Himmels, und in ernster Rückschau auf einen langen, schicksalsreichen Zeitraum danke Ich der Vorsehung für das Wachstum des Staates an Macht und Ansehen, für alle Fortschritte Meiner Völker in Wohlfahrt und Kultur, womit die Sorgen Meines Amtes gelohnt worden sind. Wenn dieser Tag der Erinnerung ohne Ausdrucke gebracht wurde, möge aus der engeren Heimat des Verfassers dieser Zeilen hier angefttrt sein. Über dem altehr-würdigen, architektonisch schönen Portale des fürstbischöflichen Seminars in Laibach sah man bei der allgemeinen Stadtbeleuchtung am 1. Dezember inmitten der stilvollen Illumination zwoi Palm-zweige ragen, die der Leiter dieses Bildungsinstitutes, Hochw. Herr Priilat, k. u. k. Hofkaplan Dr. Johann Kulavic jo vom Sarge Ihrer Majestät der Kaiserin Elisaboth und ihrer Kaiserl. und Königl. Hoheit der durchlauchtigsten Frau Erzherzogin Sophie, der erlauchten Mutter So. Majestät dos Kaisers, treu bewahrt. Anm. des Verfassers. lauten Jubel und festliches Gepränge vorüberziehen musste, so ist er gleichwohl für Mich nicht ohne stille Freude und reine Genugthuung geblieben. Neuerlich habe Ich ungezählte Beweise innigster Anhänglichkeit empfangen, und neu befestigt wurde das Band, das Mich und Mein Haus unlösbar eint mit Meinen Völkern. In zahllosen würdigen, ergreifenden Kundgebungen, die unmittelbar dem freien Entschlüsse einer liebenden Volksseele entsprangen, wurde in allen Ländern, voran in Meiner geliebten Haupt-und Residenzstadt Wien, der Gedenktag gefeiert. Als schönste Ehrung aber habe Ich die herrliche Entfaltung werkthätiger Nächstenliebe empfunden, als rührendste, Meinem Herzen willkommenste Huldigung habe Ich es begrüsst, dass in zarter Beachtung Meiner Wünsche und weit hinaus über Meine Erwartungen eine unabsehbare Reihe von öffentlichen Körperschaften, privaten Vereinigungen und Einzelpersonen den Tag durch hochsinnige Akte des Wohlthuns gefeiert haben, die noch in fernsten Zeiten Hilflosen und Bedrängten reichen Segen bringen werden. Allen, die solcherart in That und Wort, in Liebe und Treue zusammengewirkt haben, sage Ich aus tiefbewegtem Herzen Meinen kaiserlichen Dank. Ich bete zu Gott dem Allmächtigen, dass er Meine treuen Völker segne und lohne für all die tröstende Liebe, mit der sie Mich in diesen Tagen weihevollen Gedenkens umgehen haben, und Ich erflehe mir die Gnade des Himmels, den Abend Meines Lebens verklärt zu sehen durch das ungetrübte Glück aller Meiner Völker. Ich beauftrage Sie, diese Meine Danksagung öffentlich kundzuthun. Franz Josef m. p. Nächst diesem Allerhöchsten Danke, der die Herzen aller getreuen Österreicher hocherhebt, nächst einer Reihe Allerhöchster Gnadenbezeugungen, Adelsstandserhebungen, Verleihungen der Geheimratswürde u.s.w. u.s.w. geruhte Se. Kaiserl. und Königl. Apostel. Majestät noch eine Reihe besonderer, sichtbarer, Erinnerungen an den selten denkwürdigen Tag zu verleihen; es schmücken die Brust von Tausenden und Tausenden die durch Allerhöchste Huld und Gnade Se. Majestät zum 2. Dezember verliehenen Ordensauszeichnungen, die k. und k. Armee, die Hof-und Staatsbeamten tragen eigens gestifteteEhren-zeichen und Erinnerungs-Medaillen, hochherzige edle und wohlthätige Damen die zum Andenken an die gottselige Kaiserin, „deren Herz nur für das Gute geschlagen“ gestiftete Elisabeth-Orden und Elisabeth-Medaillen! — Uns alle getreuen Österreicher erfüllt aber nur der eine Segenswunsch aus tiefinnerstem Herzen: Gott der Allmächtige erhöre unser heisses Gebet, es möge uns der beste, der gütigste Monarch, unser leuchtendes Vorbild gewissenhaftester Pflichterfüllung Se. Kaiserl. u. Königl. Apostol. Majestät unser allergniidigster vielgeliebter Kaiser und Herr Franz Josef I. noch viele viele Jahre in derselben Geistes- und Körperfrische, wie heute, erhalten bleiben zum Segen Österreichs, zum Segen Seiner dankerfüllten getreuen Völker und der Allmächtige möge uns und unseren Kinder noch weiter die Gnade verleihen, nach bester Kraft arbeiten zu können für Thron und Vaterland: „Viribus unitis!“ /