STEFKA VAVTI "We prefer having fun and enjoying our life!" Slovene postadolescents in bilingual Carinthia - between a zest for life and an enactment of the past? In narratives of young Slovenes in bilingual southern Carinthia (Austria) a latent tone of sadness is prevalent. The analysis of sequences of their life stories indicates that this phenomenon may be the result of unresolved and unassimilated historical traumas experienced in the past by former generations (parents and grandparents) and passed on to the young generation through a kind of "collective memory". During the narrative their expression of emotions tend to be inappropriate. The postadolescent interviewees told me about their life experiences, about the stigma that they felt being a member of an ethnic minority, and about structural violence, all in an seemingly effortless way of speaking (e.g., laughing). Some of the interviewees emphasised that they are leaving Carinthia to withdraw from the accumulating conflicts and problems. Both minority/majority conflicts and interminority tensions are the problem areas causing stress on part of the interviewees. Keywords: bilingual Carinthia, young Slovenes, structural violence, trauma, ethnicity "Wir genießen lieber das Leben und haben es schön!" Slowenische Jugendliche im zweisprachigen Kärnten -zwischen Lebenslust und Vergangenheitsinszenierung? In den Lebensgeschichten und Erzählungen junger Sloweninnen und Slowenen im zweisprachigen Kärnten ist eine latente Schwere kopräsent. Meine Annahme ist, dass sie aus (psychologisch) unaufgearbeiteten und ungelösten Traumatisierungen in der Kärntner Geschichte resultiert, die durch das so genannte kollektive Gedächtnis" von der Eltern- und Großelterngeneration an die Kinder weitergegeben werden. Diese Schwere zeigt sich in diversen Gefühlsäußerungen, die nicht zum Inhalt des Gesagten passen. Während also die jungen Menschen leicht und locker über ihr Leben erzählen, sind die dazu ausgedrückten Gefühle nicht immer stimmig: Positive Meldungen und Erlebnisse werden etwa mit traurigem Unterton präsentiert, Stigmatisierungen und Beispiele struktureller Gewalt hingegen werden lächelnd erzählt oder von einem lauten Auflachen unterbrochen. Einige der befragten Jugendlichen planen das zweisprachige Kärnten zu verlassen, weil sie sich zumindest eine Zeitlang "von der Minderheitenproblematik" distanzieren wollen. In diesem Zusammenhang wurden sowohl die volksgruppen-internen Probleme als auch das Verhältnis zwischen Minderheit und Mehrheit in Kärnten thematisiert. Die Flucht und der Wunsch nach einem unbeschwerten Leben sind legitime Verhaltensweisen und Wünsche junger Menschen. Zu denken gibt, dass einige Befragte die "ganze Minderheitensituation" als blockierend für ein zufriedenes und entspanntes Leben sehen. Schlagworte: zweisprachiges Kärnten, slowenischsprachige Jugendliche, strukturelle Gewalt, Trauma, Ethnizität Correspondence address: Štefka Vavti, Slovenian Scientific Institute, Mikschallee 4, 9020 Celovec/Klagenfurt, Austria, e-mail: stvavti@szi.at. ISSN 0354-0286 Print/ ISSN 1854-5181 Online - UDC 323.15.342.4(058) © Inštitut za narodnostna vprašanja (Ljubljana), http://www.inv.si 1. Einleitung 51 Im vorliegenden Aufsatz möchte ich anhand von Auszügen aus Interviews mit slowenischen Jugendlichen und Postadoleszenten im zweisprachigen Südkärnten zeigen, welche Rolle das ethnische Selbstverständnis in ihren Lebenswelten einnimmt. Besonderes Interesse finden dabei die Fragen, was Jugendliche in Zusammenhang mit ihrer ethnischen Zugehörigkeit belastet und wie sich in ihren Erzählungen die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit, die in der Vergangenheit verschiedene Stigmatisierungen und Traumatisierungen erfahren hat, manifestiert. Ich beginne mit einem kurzen Überblick zu den geschichtlichen und demografischen Rahmenbedingungen im untersuchten Gebiet. Sodann gehe ich überblicksartig auf methodologische Fragestellungen und theoretischen Hintergrund ein. Anhand von Interviewauszügen zeige ich schließlich, wie Traumatisierungen in der Eltern- und Großelterngeneration in den Lebensgeschichten Jugendlicher manifest werden können und wie sich (post) adoleszente Kärntner Sloweninnen und Slowenen zwischen dem Genießen des Lebens und der aufgrund geschichtlicher Traumatisierungen als "Schwere" erlebten Ethnizität hin und her bewegen. 2. Geschichtlicher und demografischer Hintergrund Die Sloweninnen und Slowenen in Südkärnten sind jene autochthone Sprachgruppe, die von allen ethnischen Gruppierungen in Österreich auf die längste Siedlungsgeschichte zurückblickt: Die Vorfahren ließen sich nämlich schon vor rund 1400 Jahren in weiten Gebieten des heutigen Österreich nieder. Ein Problem dieser Sprachgruppe ist die seit Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzende Assimilation, an deren Entwicklung sowohl objektive als auch subjektive Faktoren mitgewirkt haben. Beide haben mit ungleichen ökonomischen, sozialen und politischen Machtverhältnissen zu tun, die im Verlauf der Geschichte in Südkärnten eine Rolle spielten. An dieser Stelle werden nur die wichtigsten Punkte kurz angerissen. Um 1900 wurden bei der Volkszählung rund 85.000 Slowenen und Sloweninnen gezählt. Die Gebietsansprüche seitens des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen nach dem Ersten Weltkrieg mit Abwehrkampf sowie darauf folgender Volksabstimmung 1920, bei der sich die Mehrheit in Südkärnten für den Verbleib bei Österreich ausgesprochen hatte, führten zu politischen Konflikten und (strukturellen) Gewalterfahrungen im zweisprachigen Gebiet und ließen in weiterer Folge die Zahl der sich zu ihrer Sprachgruppe bekennenden SlowenInnen deutlich schrumpfen. Während des Zweiten Weltkrieges kam es zu Deportationen zahlreicher slowenischer Familien in verschiedene Arbeitsund Konzentrationslager sowie zum bewaffneten Widerstand der slowenischen PartisanInnen (1942-1945, vgl. u.a. Malle & Sima 1992). Nach dem Krieg gab es neuerliche Gebietsansprüche seitens des ehemaligen Jugoslawien. Die Antwort darauf war schließlich der Artikel 7 des Österreichischen Staatsvertrages von 1955 mit den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der kroatischen und slowenischen Minderheit in Österreich, die bis heute nicht zur Gänze verwirklicht sind. Das Verhältnis zwischen den beiden Sprachgruppen in Südkärnten blieb in der Nachkriegszeit angespannt. Streitpunkte waren vor allem die Minderheitenschulfrage und die Aufstellung der zweisprachigen topographischen Aufschriften.1 Die konflikthafte Atmosphäre im vergangenen Jahrhundert führte zur Assimilation vieler SlowenInnen: Während nämlich im Jahr 1910 noch 74.210 SlowenInnen gezählt wurden, gaben 2001 nur mehr rund 12.600 Personen an, Slowenisch und/oder Windisch als Umgangssprache zu verwenden. Dieser drastische Rückgang hat verschiedene Ursachen: Der Assimilationsdruck im Verlauf des 20. Jahrhunderts ist dafür ebenso verantwortlich wie die Modernisierung und die Notwendigkeit der ökonomischen und sozialen Mobilität, die gerade jüngere Generationen weg aus dem traditionalen ethnischen Umfeld in größere österreichische Städte und ins Ausland führt. Viele Menschen, die sich während der vergangenen Jahrzehnte assimiliert haben, zeigen noch eine partielle Identifikation mit ihrer Herkunftssprache,2 in weiten Teilen der Bevölkerung fehlt allerdings eine klare Identifikation mit dem Slowenischen. Zugleich sinkt die Zahl jener Personen, die über eine gute Sprachkompetenz in ihrer Herkunftssprache verfügen. Zu erwartende demografische Entwicklungen, allen voran die zunehmende Überalterung der Bevölkerung und die Abwanderung aus ländlichen Gebieten, werden in Zukunft ihre Zahl weiter verringern.3 Zur Abwanderung jüngerer Menschen trägt auch die wirtschaftliche Situation Kärntens bei, zählt es doch im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung und den Arbeitsmarkt zum Schlusslicht Österreichs.4 3. Bemerkungen zum theoretischen Rahmen und 53 zur Methodologie Ich präsentiere im vorliegenden Aufsatz ein Teilergebnis im Rahmen einer umfangreichen Untersuchung zum Thema "Ethnische Identifikationen slowenischer Jugendlicher im zweisprachigen Kärnten", die ich seit 2009 im Slowenischen wissenschaftlichen Institut in Klagenfurt [Slovenski znanstveni institut v Celovcu] durchführe. Auf die Themen Identität und ethnische Identifikation sowie Postadoleszenz werde ich im vorliegenden Aufsatz nicht eingehen, da sie in bereits veröffentlichten Publikationen nachzulesen sind (Vavti 2009a; 2009b). Hier geht es mir vor allem darum, die Tradierung der traumatisierenden Vergangenheit auf die nachfolgenden Generationen anhand von Erzählausschnitten Jugendlicher zu diskutieren. Viele Beispiele aus den Interviews beinhalten nämlich Hinweise auf eine latente Schwere, die aus dem Zusammenhang nicht verständlich ist und die nicht zum Gefühlsausdruck in der narrativen Erzählung passt. Diese Schwere könnte somit auch als unbewusste Vergangenheitsinszenierung bzw. als Auswirkung der traumatisierenden Geschichte in den Nachfolgegenerationen interpretiert werden. Grundsätzlich werden psychische Traumata durch das Durchleben von Ereignissen mit außergewöhnlicher Bedrohung ausgelöst, auf die betroffene Menschen nur mit Ohnmacht und Angst reagieren können. Sie treten insbesondere dann auf, wenn Handeln keinen Sinn macht und Flucht bzw. Widerstand nicht möglich sind (vgl. Loch 2006, 24-29). Im geschichtlichen Überblick habe ich bereits darauf hingewiesen, dass viele SlowenInnen der Großeltern- und Elterngeneration im 2. Weltkrieg ausgesiedelt und in verschiedenen Arbeits- und Vernichtungslagern untergebracht worden sind. Sie sind zu Opfern des Nationalsozialismus geworden - diese Erfahrungen haben sich schließlich auch im "kollektiven Gedächtnis" (Halbwachs 1985; Juric Pahor 2007) der slowenischen Sprachgruppe im zweisprachigen Kärnten niedergeschlagen.5 Aus der Traumaforschung ist bekannt, dass im Verlauf des Lebens der Zusammenhang zwischen Symptom und traumatischen Erfahrungen verloren geht, so dass die Betroffenen sich noch an intensive Gefühle erinnern, ohne sie zu verstehen (Loch 2006, 26). In der Alltagskommunikation tendieren sie zu einem ambivalenten Umgang mit diesen Erfahrungen. So gibt es einerseits das Bedürfnis über bedrohliche Situationen zu sprechen, auf der anderen Seite aber sind diese mit einem Erzählwiderstand belegt. Dieser Widerstand ist teilweise durch Stigmatisierungserfahrungen motiviert. Auf der Textebene manifestieren sich traumatische Erfahrungen unter anderem auch darin, dass Personen immer wieder an Stellen auflachen, die für Außenstehende nicht komisch sind (Loch 2008, Abs. 2-4). In diesem Zusammenhang kann auch von einer Verselbständigung von Symptomen bzw. einer Symptomverschiebung ausgegangen werden. Dissoziationen sind eine Möglichkeit, auf traumatisierende Ereignisse zu reagieren (Sachsse 2004; Terr 1997). Hierbei werden bei Überforderung des Bewusstseins bei der Verarbeitung traumatischer Lebenssituationen Erinnerung und traumatische Erfahrung vom Bewusstsein abgespaltet (= dissoziiert), um zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzuleben, z.B. in Form von Vorstellungen und Bildern, Erlebniszuständen oder Reinszenierungen im Verhalten u.ä. (Loch 2006, 29-30). Die kollektive Identität konstituiert sich durch Geschichten, Mythen, Redeweisen etc., die als Bestandteil des kollektiven (Familien) gedächtnisses an nachfolgende Generationen6 weitergegeben werden. Rosenthal (1999) hat sich mit der transgenerationalen Weitergabe solcher Erfahrungen innerhalb der Familie auseinandergesetzt: So werden etwa nicht erzählte Anteile der Familiengeschichte von nachfolgenden Generationen mit Phantasien aufgefüllt; diese Konstrukte sind gebunden an die latente Kommunikation durch Mimik, Gestik etc. sowie an die aktuelle Lebenssituation der Nachkommen und deren Gegenwartsperspektive auf die Vergangenheit. Rosenthal (zit. nach Loch 2006, 38) zeigte auf, dass gerade die nichterzählten Anteile in der nachfolgenden Generation besonders wirksam waren/sind. Straub und Grünberg (2001) sprechen in ähnlichen Zusammenhängen von der Gegenwart der Vergangenheit, und zwar dort, wo vergangene Wirklichkeiten gar nicht bewusst repräsentiert werden. Sie gehen davon aus, dass unmerkliche und stillschweigende Tradierungen wirkungsvoller sind als alles, was Worte sagen können (Straub & Grünberg 2001, 7-9 ). Diese unmerklichen, unbewussten Überlieferungen können sich, so Straub und Grünberg, über mehrere Generationen erstrecken. Die Autoren sind überzeugt, dass die Kinder sich zum Schicksal der Eltern verhalten müssen und dass diese Erbschaft ihrerseits ein Trauma darstellt. Meine Annahme ist nun, dass die latente Schwere in manchen Erzählungen, besonders aber die oftmalig raschen Wechsel verschiedenster Gefühlsäußerungen, Ausdruck von latent vorhandenen traumatischen Erfahrungen sein können, die indirekt an nachfolgende Generationen weitergegeben wurden. Nun noch einige Bemerkungen zum Forschungsansatz: Ich gehe davon aus, dass die Theorieentwicklung und die Beobachtung der sozialen Wirklichkeit unlösbar miteinander verschränkte Prozesse sind. Glaser und Strauss (1979) formulierten in ihrem Werk, eine Theorie sei ihrem Gegenstand nur dann angemessen, wenn sie aus ihm heraus entwickelt wurde (grounded theory methodology - GTM). In Anlehnung an diese Theorie werden hier die Erklärungsansätze aus der Beobachtung der sozialen Wirklichkeit im zweisprachigen Südkärnten heraus entwickelt.7 Die soziale Welt, in der sich die befragten Postadoleszenten bewegen, hat für sie eine besondere Sinn- und Relevanzstruktur und beeinflusst ihr Denken und Handeln (Schütz 1974). Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind demzufolge mit "subjektivem Sinn" behaftet, den Menschen ihnen geben (Bohnsack 1991). Dabei steht die Analyse unbewusster Strukturen im Vordergrund, die im Lebensalltag so selbstverständlich sind, dass sie den Betroffenen oft gar nicht bewusst sind. Der qualitative methodologische Zugang ist im Rahmen der Einzelfallanalyse angesiedelt und erlaubt es, auf die Komplexität der zu untersuchenden Phänomene im Kontext ihrer Trägerinnen einzugehen. Die Annäherung an das Feld erfolgte durch biographische Forschung (Alheit & Dausien 2000; Rosenthal 1995; Fuchs-Heinritz 2005; Kohli & Robert 1984), sie richtete sich auf das Leben und Zusammenleben in Familie, Dorf und Schule. Es wird davon ausgegangen, dass in biographischen Erzählungen auf Erfahrungsstrukturen zurückgegriffen wird, die im Verlauf des Lebens erworben wurden. Rosenthal (1995; vgl. auch Rosenthal & Köttig 2009) sieht etwa das Ereignis, das sich darauf beziehende Erleben und die Erzählung als ein dialektisches Verhältnis, in dem sich Ereignen, Erinnern und Erzählen wechselseitig durchdringen. Als Erhebungsmethode habe ich das narrative Interview (Schütze 1983; 1999) gewählt, und mit einigen Aspekten des problemzentrierten Interviews angereichert (Witzel 1989). In der erzählten Lebensgeschichte legten die jungen Menschen "ihr Leben" aus der Retrospektive dar (Fischer-Rosenthal & Alheit 1995; Straub 2000). Mit einer stimulierenden Einstiegsfrage wurden die InterviewpartnerInnen aufgefordert, ihre Lebensgeschichte und ihre konkreten Lebenserfahrungen zu erzählen. Diese Narration wurde in einem zweiten Teil mit Hilfe eines Leitfadens durch zusätzliche Fragen ergänzt. Diese wurden möglichst offen gehalten, um weitere Erzähleinheiten zu stimulieren. Die Erzählungen und die anschließenden Gespräche wurden zur Gänze aufgezeichnet und wörtlich transkribiert. Für die Interviews wurden Jugendliche und Postadoleszente im Alter zwischen 17 und 30 Jahren ausgesucht, die sich zumindest partiell noch mit der slowenischen Sprachgruppe identifizierten und im zweisprachigen Gebiet beheimatet sind.8 Es besteht im vorliegenden Aufsatz kein Anspruch auf Repräsentativität, denn es geht mir vor allem um das Begreifen und Verstehen der zu untersuchenden Fragestellung, und zwar wie sich in der erzählten Lebensgeschichte von Jugendlichen und Postadoleszenten Traumatisierungen in der Eltern- und Großelterngeneration zeigen können. Die Beispiele lassen sich nicht auf andere Gruppen übertragen, sie können aber zum Verständnis von ähnlichen Prozessen in anderen Forschungsumfeldern beitragen. Die Auswertung und Interpretation der Daten erfolgte in mehreren Stufen: Zuerst wurden die transkribierten Narrationen aufmerksam gelesen. Aus den bruchstückhaften Erzählbausteinen und Erinnerungen wurden sodann für die Fragestellung relevante Passagen "herausgefiltert" und einer genaueren Betrachtung bzw. ersten Interpretation unterzogen. Im Rahmen der Feinanalyse wurden diese Stellen schließlich vertieft analysiert, wobei auch grammatikalische Besonderheiten berücksichtigt wurden (vgl. Wodak et al. 1998), so etwa der Gebrauch von Wir-, Du- und Sie-Formen und andere linguistische "Identitäts-Marker", wie etwa persönliche und unpersönliche Pronomen, vor allem aber auch die verschiedensten Formen des Gefühlsausdrucks. Die Einzelpassagen wurden schließlich auch im Gesamtkontext der Narration verortet, weil sie erst im Gesamtkontext der Erzählung verständlich sind (Bohnsack 1991, 19-20). Im Rahmen ihrer Lebensgeschichten und in den narrativen Erzählungen sprachen Jugendliche oft von ihrem Wunsch, das Leben schön zu gestalten und es genießen zu wollen. Im Kontext ihrer ethnischen Identifikation aber zeigte sich häufig eine latente Schwere, die sie gerne los werden wollten. Als Interviewerin und im Rahmen der Analyse der Lebengeschichten gewann ich den Eindruck, dass viele der befragten Jugendlichen ihre ethnisch-slowenische Zugehörigkeit zwar als Bereicherung sehen und dies auch immer wieder betonen, zugleich aber ist in den Erzählungen eine latente Schwere kopräsent, die - so meine Annahme - in der Geschichte wurzelt und von der Eltern- und Großelterngeneration durch ihre Lebenserfahrungen als verfolgte ethnische Minderheit und durch entsprechende Traumatisierungen im Verlauf der Kärntner Geschichte an die nachfolgenden Generationen9 (mit)vermittelt wurde.10 Im Rahmen der Feinanalyse von Sequenzen aus den narrativen Interviews (Nohl 2008) zeigte sich sozusagen zwischen den Zeilen, dass die Eltern-und Großelterngeneration schwierige sowie belastende Lebenserfahrungen unbewusst an die Generation der Jugendlichen weitergegeben hatten. Entsprechende Hinweise kommen zwar nicht offen "auf den Tisch", sie wirken vielmehr unbewusst in den erzählten Lebensgeschichten nach - durch Hinweise auf die Schwere und verschiedene nicht adäquate Gefühlsäußerungen.11 4. Beispiele und Spuren aus den Interviews Die befragten jungen Menschen wünschten sich in ihrem Leben vor allem Leichtigkeit und distanzierten sich indirekt, etwa durch plötzlichen Wechsel in die sich distanzierende 3. Person, von belastenden Themen und (geschichtlichen) Ereignissen. Damit grenzten sie sich zum Teil auch von den Erfahrungen ihrer Eltern ab. Einige Jugendliche und Postadoleszente betonten, sie wollen nach beendetem Hochschulstudium nicht mehr nach Kärnten zurückkehren, denn das wäre für sie ein Rückschritt. Nicht selten wurde hervorgehoben, dass sie von den Konflikten in Südkärnten nichts mehr hören wollten, dass ihnen die ewig wiederkehrenden Probleme auf die Nerven gingen u.ä.m. So ist etwa die "Flucht" aus dem Südkärntner Raum - etwa im Rahmen des Hochschulstudiums in einer der größeren österreichischen Universitätsstädte - eine willkommene Möglichkeit um das belastende "ethnische Erbe"12 eine Zeitlang hinter sich zu lassen. Augenfällig ist weiter, dass Jugendliche sogar in Passagen, in denen sie von ihrem Selbstbewusstsein sprechen und ihre Ethnizität verbal positiv bewerten, nonverbale Äußerungen aussenden, die in eine andere Richtung weisen. Im Folgenden zeige ich anhand mehrerer Ausschnitte, die ich für die Feinanalyse ausgewählt habe, wie diese unbewussten Prozesse in den Lebensgeschichten sichtbar werden können. Die 26-jährige Angestellte, mit der ich im Sommer 2009 ein narratives Interview durchgeführt habe, ist zum Zeitpunkt des Interviews eng in die slowenischen (kulturellen) Vereine im zweisprachigen Südkärnten eingebunden. Sie findet nach erfolgter Schulausbildung in slowenischen bzw. zweisprachigen Bildungseinrichtungen den Arbeitsplatz in einer slowenischen Einrichtung. Dies ist ein Hinweis auf günstige Ausgangsbedingungen für eine starke ethnischslowenische Identifikation und Verwurzelung. Die junge Frau weist in ihrer Erzählung immer wieder darauf hin, wie wichtig ihr das Slowenin-Sein ist, zugleich gibt es in ihrer Narration deutliche Brüche. Im folgenden Ausschnitt erzählt sie, wie aus ihrer Sicht slowenische Jugendliche die Konflikte innerhalb der slowenischen Organisationen erleben: Meiner Meinung nach schauen sie (Anm.: die Jungen) objektiver auf die Dinge. Aber ich weiß nicht (Pause), meiner Meinung nach wollen die Jungen, dass es endlich zu einer Lösung kommt ... dass-dass-dass sich die Slowenen einig sind. Meiner Meinung nach würde sich das die Mehrheit wünschen. Sie schauen jetzt nicht, ob jemand von der oder von der anderen Organisation ist und ich weiß nicht was, eine politische Partei. .. Meiner Meinung nach, zumindest was ich jetzt sagen kann, dass wir uns wünschen (betont), dass es endlich zu einer Lösung kommt, dass sie sich einig sind. Weil dann wird es leichter sein, nicht wahr? Es wird trotzdem schwer (betont, lacht), aber wenigstens, dass wenigstens die Slowenen (betont) sich einig wären. Das wär schon was. (Pause) Meiner Meinung nach würden die in meinem Alter sich das wünschen. Meiner Meinung nach, ja. (Pause) So in meinem Kreis . im Freundeskreis wir reden auch nicht mehr viel darüber, weil das eh schon allen auf die Nerven geht und wir sehen, dass es nichts bringt. Wir genießen lieber unser Leben, haben es schön (lacht) und reden über andere Dinge und nicht über diese Situation jetzt, weil wir eigentlich eh nicht sehen, dass sich da etwas bessern wird (resigniert-trauriger Tonfall). Wir würden es uns wünschen, aber .. im Augenblick nach meiner Meinung ... ich sehe nichts- nicht, dass da was weiter gehen könnte .. in eine positive Richtung. Leider, nein. (Pause) Nein. (Int. 11: 13; übersetzt aus dem Slowenischen).13 In diesem Abschnitt spricht die junge Frau über die Haltung der slowenischen Jugend zu den Streitereien ihrer politischen Vertretung(en) und hebt immer wieder den Wunsch der Jugendlichen nach einer Lösung der Konflikte innerhalb der slowenischen Volksgruppe hervor.14 Sie spricht dabei nicht nur von sich, sondern vom Kollektiv der slowenischen Jugendlichen und von ihrem Freundeskreis, mit dem sie sich stark identifiziert, was sich im Wechsel von der Sie- zur Wir-Form ausdrückt. Der Wunsch nach einer Lösung der Konflikte ist stark präsent, das zeigt sich etwa in der oftmaligen Wiederholung. Von den slowenischen Organisationen spricht die junge Frau hingegen in der dritten Person (die, sie) und drückt damit Distanz aus. Im betonten "Weil dann wird es leichter sein, nicht wahr? /.../ Es wird trotzdem schwer" geht es dann aber nicht mehr um interne Konflikte, sondern um die Beziehung zwischen den beiden Sprachgruppen in Südkärnten und um die Erfüllung von Rechten, die man als "Minderheit mit einheitlicher Meinung" leichter erreichen könnte. Hier wird die junge Frau von der Schwere der Vergangenheit eingeholt, denn der Gefühlsausdruck des Lachens passt nicht zur Äußerung, dass es "trotzdem schwer sein wird". Augenfällig ist, dass die Sprache im ganzen Abschnitt gebrochen wirkt und viele Wiederholungen sowie längere Pausen aufweist, in denen die junge Frau nachdenkt. Auch ihre Stimme zeigt eine deutliche emotionale Erregung. Besonders gegen Ende des Zitats wirkt sie verärgert, als sie nämlich davon spricht, wie sehr diese internen Probleme den Jungen schon auf die Nerven gehen. An dieser Stelle aber gibt es einen plötzlichen Wechsel auf eine völlig andere Gefühlsebene: Die junge Frau betont, dass die Jugendlichen lieber ihr Leben genießen und es schön haben wollen und nicht gerne über belastende Dinge miteinander sprechen. Diese Sequenz wird von einem befreienden Lachen begleitet und könnte als eine emotionale Distanzierung von der Schwere im ersten Teil des Zitates interpretiert werden. Auch hier spricht die junge Frau im Namen des Kollektivs der slowenischen Jugendlichen, indem sie sagt: "Wir genießen lieber unser Leben". Besonders auffällig ist das Lachen beim Sprechen über schwierige Themen: Hier passt das im Lachen ausgedrückte Gefühl nicht zum Inhalt der Sequenz. Ein Versuch der Distanzierung von den in Kärnten omnipräsenten Problemen, wenn es um die slowenische Sprachgruppe geht? Ähnliche Diskontinuitäten zeigen sich auch in anderen Interviewpassagen, nicht nur von dieser Erzählerin. Am Ende des Zitates schließlich gibt es wieder einen Gefühlswechsel hin zur resignativen Haltung, begleitet von Traurigkeit in der Stimme als sie davon spricht, dass sich ohnedies nichts ins Positive bewegen wird. Interessant ist weiter, dass es in diesem Abschnitt vor allem um die Konflikte innerhalb der slowenischen Sprachgruppe geht, nicht aber um geschichtliche Traumatisierungen und um Probleme zwischen Minderheit und Mehrheit. In diesem Kontext ist der Hinweis in einem anderen Interview mit einem jungen Studenten interessant, der sagt, dass er derzeit innerhalb der Sprachgruppe das erlebe, was früher einmal im Verhältnis Minderheit/Mehrheit das Problem war: Man spreche nicht mehr miteinander bzw. man streite nur mehr. Diese Geschichte setzt er wie folgt fort: Wenn man da keinen-keinen-keinen guten Vorschlag, oder eine Lösung hat .. wird sich das immer weiter fortsetzen ... und du kommst zu keiner konstruktiven Lösung. . Ich denke, wenn das die Leute nicht sehen, nehmen, sehen und dann . naja, dann wird es nie auf einer Seite zu einer Lösung kommen, zu einer konstruktiven guten Lösung, dass du dich wirklich als Minderheit gut verkaufst oder dass du dich irgendwie gut präsentierst. Jetzt gibts nur die Tafeln und nur mehr . und das Extrem ist auch bei den Slowenen (betont) nicht nur von außen beziehungsweise von-von-von der Kärntner Regierung (betont). Es gibt zwei Seiten, die sich so, so puschen, bis zur, bis zur Spitze, sozusagen. Ich-ich kann sowas (betont) leider nicht verstehen! (Int. 15: 9; übersetzt aus dem Slowenischen). Der junge Mann spricht hier von der Notwendigkeit einer konstruktiven Lösung und einer guten Präsentation der slowenischen Sprachgruppe in der Öffentlichkeit. Diese aber sieht er derzeit als gefährdet und kritisiert in diesem Zusammenhang auch die extreme Haltung bei den Slowenen selber. Er spricht durchwegs in der sich distanzierenden Du-Form. Schließlich gebraucht er die Sprache der Konflikttheorie, wobei es um die Eskalation des Konflikts geht und In einem späteren Abschnittspricht er von seiner ethnischen Zugehörigkeit und darüber, was ihm diese bedeutet. Er hebt hervor, dass sie ihm wichtig sei, und setzt dann im Passiv fort, er habe "dieses Volk von den Eltern erhalten und" er sei "in diesen ganzen Konstrukt hinein verwoben worden". Wortgetreu klingt seine Aussage so: Mir ist das sehr wichtig (betont), weil ich das anders auf einer Seite nicht kenn, mich . ich habe das von den Eltern erhalten (betont) . nicht wahr, ich habe dieses Volk erhalten .. beziehungsweise ich hab ganz am Anfang überhaupt nur Slowenisch gelernt, beziehungsweise ich bin, ich bin in das Ganze hinein verwoben worden, in diesen ganzen slowenischen Kondukt-Konstrukt in Kärnten (ibid.; übersetzt aus dem Slowenischen). Auch wenn er die Geschichte später positiv fortsetzt - die slowenische Sprachzugehörigkeit sei ihm wichtig, er sei dadurch sehr offen gegenüber anderen und habe deshalb einen weiteren Horizont - ist im obigen Ausschnitt doch eine Schwere spürbar, die sich in dieser Verwobenheit in den ganzen slowenischen Konstrukt in Kärnten über ihn legt. In diesem Zusammenhang ist auch der Versprecher von Interesse, denn er sagt zuerst Kondukt - Konduktor könnte als Überträger einer Erbkrankheit übersetzt werden. So beinhaltet dieses "Konstrukt in Kärnten" implizit die Geschichte und die Probleme und Traumatisierungen der vorhergehenden Generationen. Diese hätten quasi ihre negativen Erfahrungen an die nachfolgenden Generationen weitergegeben, wie eine Art "Erbkrankheit". Das ist zugleich auch aus der Aussage "ich habe dieses Volk" - eben mit allem, was dazu gehört, auch mit der traumatischen Vergangenheit - "von den Eltern erhalten" abzuleiten. Slowene zu sein ist im Lebenskontext und Erleben des jungen Burschen zwar selbstverständlich, im öffentlichen Diskurs aber war die Präsenz und Existenz der SlowenInnen im zweisprachigen Kärnten - und ist zum Teil bis heute - schlichtweg nicht erwünscht. Dies manifestiert sich beispielsweise auch in der Endlosdiskussion rund um die Aufstellung der zweisprachigen topographischen Aufschriften. Slowenisch bedeutet in der Öffentlichkeit immer auch Konflikt.15 Gerade in diesem Kontext verwundert es nicht, dass sich der junge Mann nichts sehnlicher wünscht als die selbstverständliche Präsenz des Slowenischen in der um extreme Haltungen bei beiden Konfliktpartnern, die sich gegenseitig an die Spitze der Eskalationsleiter "puschen". In der Erzählsequenz gibt es zugleich eine Distanzierung des Erzählers in Form des Hinweises, dass er das leider auch nicht verstehen könne, verschärft noch durch den Gebrauch der distanzierenden Du-Form. Das "Leider" könnte aus dem Slowenischen (leider = na žalost) auch als "darüber traurig sein" übersetzt werden. Warum in diesem Zusammenhang die Traurigkeit? Ist das die Traurigkeit über Probleme zwischen den beiden Ethnien und innerhalb der slowenischen Sprachgruppe, die den jungen Mann beschwert? Öffentlichkeit. Mm, ma ... ich wünsche mir im Grunde nur, dass-dass wirklich das Slowenische in Kärnten, dass dies etwas selbstverständlicher wäre. Jetzt was die Ämter anbelangt . uuuund überhaupt im öffentlichen Leben überhaupt. Dass die Leute halt im Grunde, dass-dass auch die Kärntner, was auch eeehm Junge anbelangt und das, dass sie sich nicht schämen (betont), dass sie sich im Grunde nicht schämen für die slowenische Sprachgruppe in Kärnten .. und dass dies-dass dies nur eine positive Bereicherung ist, beziehungsweise dass es ist, dass es besteht, und dass das .. ich weiß das slowenische Wort nicht . Bereicherung (Anm.: sagt es in Deutsch) (ibid.; übersetzt aus dem Slowenischen). Obige Aussage drückt das Gegenteil von seinem Wunsch aus: Das Slowenische ist in Kärnten nicht selbstverständlich, viele Kärntner wollen die slowenische Sprache in der Öffentlichkeit nicht hören/sehen, einige schämen sich ihrer und verneinen ihre ethnische Herkunft, einige Deutschsprachige distanzieren sich von der zweiten Kärntner Sprachgruppe und sehen in der Präsenz zweier Kulturkreise nicht die Bereicherung sondern den (geschichtlichen) Ballast. Wir können somit auch davon ausgehen, dass in den Interviews zum Teil jene Schwere spürbar ist, die junge Sloweninnen im Kärntner Alltag unbewusst fühlen. Wie Traumatisierungen aus der Vergangenheit nachwirken können zeigt die folgende Aussage einer jungen Angestellten, die über den Besuch des Konzentrationslagers Mauthausen in der Mittelschulzeit erzählt: Auch als wir mit der Schule in Mauthausen waren, war es sehr, sehr schlimm. Das schüttelt dich richtig durch oder wenn du auf diesem jüdischen Friedhof bist. Aber ich möchte, dass auch meine Kinder das einmal sehen, dass dies nicht nur eine Information ist, die in irgendeinem Buch steht, sondern dass sie das wirklich sehen: Aha, das hat es wirklich gegeben. Und das weiß ich noch genau, als wir damals in diesem, diesem KZ waren, war auch eine Gaskammer und ich wollte nicht hinein gehen, weil ich solch eine Angst bekommen habe, .. weil ich gedacht habe, wer weiß, was da noch drin ist, gell. .. Das ist sehr . aber du musst es sehen, dass du es einfach auch verstehst, weißt, siehst, riechst uuund ja. Dieser Moment war zwar wirklich schlimm aber es war, es war gut, dass wir das gesehen haben (lange Pause). Ich hab nur diese Panik gehabt, was wenn sie uns jetzt einsperren und vergiften (Int. 20: 13-14, übersetzt aus dem Slowenischen). Dieses Ereignis erzählt die junge Frau als sie über ihre Großeltern spricht, die zu Hause nie über den Krieg sprechen wollten. Vor allem die Großmutter sei sehr schweigsam gewesen und berichtet den Enkelinnen erst jetzt, mit 86 Jahren, über Kriegsereignisse. Die Großmutter war zwar selber nicht im Konzentrationslager, das Thema aber war in ihrer Familie stark präsent, weil SS-Angehörige häufig rund um das Haus gegangen seien und die Familie kontrolliert hätten. Dies konnte aus der Erzählung der Enkelin rekonstruiert werden. Natürlich erleben Jugendliche auch Positives und betonen dies in ihren erzählten Lebensgeschichten immer wieder. Die positiven Auswirkungen des SlowenischSeins zeigen sich allerdings vorwiegend außerhalb Kärntens: Positiv. Ach ja (betont) positiv würd ich aber sagen, no das Positive zeigt sich mehr oder weniger, taucht mehr im Ausland auf (Int. 13: 3, übersetzt aus dem Slowenischen). Während Jugendliche im zweisprachigen Gebiet Kärntens wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit auch verschiedenartige Probleme bis hin zur strukturellen Gewalt16 in Kauf nehmen müssen, erleben sie im Ausland die Vorteile der slowenischen Sprachkenntnisse bzw. der Kenntnis einer weiteren Sprache. Dies artikulierten insbesondere jene Jugendlichen, die im Rahmen ihres Studiums ein Auslandssemester in einem slawischsprachigen Land konsumiert hatten, wo die slowenischen Sprachkenntnisse nützlich und vorteilhaft waren. Andere wiederum betonten, dass sie gerade wegen ihrer Sprachkenntnisse bzw. ihrer Zweisprachigkeit für andere StudentInnen interessant seien. Eine latente Schwere ist auch im folgenden Statement eines jungen Studenten spürbar, der über seine Vorstellungen bzw. sein Erleben der Zukunft in Südkärnten spricht: Wie sich das jetzt entwickeln wird daaaaas .. das kann ich jetzt natürlich nicht sagen, aber .. naja, es müsste halt, man müsste an alle appellieren, dass sie das Slowenische weitergeben, dass diese Angst (betont) .. eh, dass die verblasen wird, dass das Slowenische jetzt nicht was Böses (betont), Bösartiges ist, sondern ein positiver Aspekt, dass es dir nur hilft jetzt, hilft, wenn du mehrere Sprachen beherrscht ... (hustet) (ibid.: 12; übersetzt aus dem Slowenischen). Der junge Student appelliert hier an die SlowenInnen, sie sollen das Slowenische an ihre Kinder weiter geben und hofft zugleich, dass dadurch die "Angst verblasen" wird und dass die Kärntner Bevölkerung erkennen wird, dass das Slowenische "nichts Böses" ist. Die Angst ist ein Gefühl mit negativer Konnotation und das obige Beispiel zeigt ihre latente Präsenz im Südkärntner Klima. Auch der Hinweis, dass die Kärntner Bevölkerung das Slowenische als etwas Böses oder Bösartiges Die Enkelin beschreibt in ihrer Lebensgeschichte die Geschichte der Großeltern und erinnert in diesem Zusammenhang den Schulausflug in das Konzentrationslager Mauthausen. In der Erzählsequenz sind besonders die starken Angst- und Panikzustände von Interesse, die das junge Mädchen bei der Besichtigung befallen: Ganz plötzlich kommt ihr der Gedanke, dass sie dort eingesperrt und vergiftet werden könnte. Wirken hier die nie thematisierten und verarbeiteten Ängste der Großmutter nach? sieht, ist meines Erachtens ein Hinweis auf die Schwere, die implizit im Leben und Erleben des jungen Mannes präsent ist. Gerade in diesem Zusammenhang ist es interessant, dass er beim positiven Hervorheben des Slowenischen nach einer längeren Pause laut aufhustet, so als ob er alles Negative abhusten wollte. Als er schließlich von seiner Zukunft spricht, ist wieder die Schwere ein Thema: Und .. ich weiß nicht, wie .. (hustet) das-das man muss dann halt ein Fundament aufbauen den Kindern ein Fundament von klein auf, no, uuuund natürlich .. es ist schwer (betont) eine Sprache eh- ehh .. verankern (Anm.: sagt es auf Deutsch) . in einem Kind, wenn auch die Umwelt jetzt mehr oder weniger eine andere Sprache spricht no. .. Sagen wir das Deutsch, das wird immer sein, nicht wahr, das ist eh schlecht, weil ja alles . deutsch ist jetzt, mehr oder weniger, jetzt hier in den Medien, im Radio .. das ist natürlich kein Problem, man muss nur die zweite Sprache, da muss man halt eine Lösung finden, dass die sich dann auch gleich, ehh, ins Kind hinein flechtet, wie jetzt das Deutsche (ibid., übersetzt aus dem Slowenischen). In dieser Aussage geht es um das Einflechten des Slowenischen, es geht um die Frage, wie im deutschsprachigen Umfeld bei ständiger Präsenz von deutschsprachigen Medien das Slowenische in den Kindern verankert werden kann. Der junge Mann verweist auf die schwierigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, in denen nämlich das Deutsche omnipräsent sei, das Slowenische aber kaum einen Platz finde. Interessant ist weiter, dass er vom Slowenischen als der zweiten Sprache spricht, was implizit beinhaltet, dass das Deutsche in seinem Leben bereits zur ersten Sprache geworden ist. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass dies von vielen InterviewpartnerInnen in ihren Geschichten so präsentiert wurde, weil die Umgebungsbedingungen für das Verwenden des Slowenischen äußerst kontraproduktiv sind. Eine junge Studentin, die viel in der Welt herumreist und deshalb verschiedenartige Probleme anderer ethnischen Minderheiten kennenlernt, beginnt ihre Erzählung ganz locker mit dem Hinweis, dass das Leben für sie immer "super" gewesen sei. Im selben Atemzug spricht sie über ihre Erfahrungen mit struktureller Gewalt: Sie beschreibt, wie sie im Kindergartenalter von einer älteren Frau verbal angegriffen worden ist, sie spricht vom Bombenattentat auf ihre einstige zweisprachige Volksschule und über ähnliche Probleme. Im Rahmen dieser Erzählausschnitte lacht sie betont oft laut auf. Als Zuhörerin hatte ich den Eindruck, dass alles gar nicht so super gewesen ist. Es ist anzunehmen, dass die beschriebenen Ereignisse für das kleine Mädchen in Wirklichkeit bedrohlich gewesen sind und auf der kindlichen Seele lasteten, sodass die damit verknüpften negativen und bedrohlichen Gefühle aus dem Bewusstsein verdrängt werden mussten. In diesem Kontext überrascht auch ihre spätere Schlussfolgerung nicht: Ich würde gerne an diesen Punkt kommen, wo mir das alles egal ist. Egal, wo ich bin und dass es mir einfach gut geht (lachtlaut) (Int. 10: 7, übersetzt aus dem Slowenischen). Für alle jungen SlowenInnen, die ich im Rahmen meiner Studie befragt habe, war es schwierig, eine Antwort auf die Zusatzfrage zu finden, die etwa wie folgt lautete: "Was bedeutet es Dir, eine Slowenin / ein Slowene zu sein?"17 Auch im Rahmen dieser Frage zeigte sich oft eine Schwere, die die jungen Menschen ausdrückten, indem sie über konkrete Ereignisse und Erlebnisse mit ihrem Slowenisch-Sein sprachen. Eine junge Frau beschreibt etwa die folgende Szene: Wenn wir überhaupt so gegangen sind, dass wir mehrere waren, da haben wir schon oft gehört, dass wir slowenisch reden und sie haben hingerufen: 'Ihr Jugos' (Anm.: sagt es auf Deutsch) und solche Sachen. Solche Ausdrücke haben sie uns nachgeschrien. Iin .. irgendwie hat das schon betroffen gemacht, weil du dir gedacht hast, wieso denn das? Überhaupt, wenn du so jung bist, verstehst du das nicht so. Du denkst dir, du hast ja nichts gemacht und du bist ja auch, wir sind ja alle Österreicher, irgendwie (betont) die gleichen Staatsbürger. Du verstehst das nicht, warum-warum so, woher haben sie das, nicht wahr. Warum? (Int. 11: 6, übersetzt aus dem Slowenischen). Diese Szene wird zum Teil in der Du-Form präsentiert, die Distanz ausdrückt. Die Interviewpartnerin lässt das Geschehen nicht wirklich an das ICH heran. Damit ist auch der Schmerz nicht so spürbar, von den so genannten Anderen nicht als gleichwertige Österreicherin wahrgenommen zu werden. Das identifikativ-kollektive "Wir sind ja alle Österreicher" wird schließlich durch das "Irgendwie die gleichen Staatsbürger" wieder abgemildert. Hier zeigt sich implizit das ungleiche Verhältnis von Minderheit und Mehrheit: Die SlowenInnen als Staatsbürger zweiter Klasse? Schließlich erzählt die junge Frau, dass beinahe alle ihre einstigen Mitschülerinnen Kärnten verlassen hätten und hebt hervor, sie wollten einfach nicht mehr in Kärnten sein, weil diese Situation nicht leicht sei und ihnen auf die Nerven gehe. Ich weiß, dass einfach viele von jenen, die nach Wien oder Graz gegangen sind, sie haben auch wegen dem gesagt, dass sie nicht mehr in Kärnten sein wollten . teilweise auch. Sie wollen heraus, weg von da einmal, weil auch diese Situation ist vielleicht einfach nicht so leicht und sie geht schon auf die Nerven (Int. 11: 8; übersetzt aus dem Slowenischen). Junge Menschen wünschen sich in ihrem Leben mehr Leichtigkeit, Kärnten aber verlassen sie unter anderem auch wegen der ganzen Probleme, die sie hier erleben. Wie aber wollen sie leben? Was wünschen sie sich? Die Antwort bringt die folgende Aussage auf den Punkt: Im Grunde, wenn es mir fein vorkommt und gut geht... alles zusammen (Int. 2: 5; übersetzt aus dem Slowenischen). Eine junge Frau, die in der Landeshauptstadt Klagenfurt aufgewachsen ist, hebt zwar ihre Freude über die ethnisch slowenische Zugehörigkeit hervor, im selben Atemzug sagt sie jedoch, dass es ihr bei dieser Politik in Kärnten schwer falle, Slowenin zu sein. Und sonst bin ich froh, Slowenin zu sein .. und es kommt mir auch wichtig vor, dass dies sich in Kärnten ehh daaa erhält (betont) dass sich das nicht verliert, auch wenn es jetzt schwer ist, Slowene zu sein, bei dieser Politik (Int. 7: 1; übersetzt aus dem Slowenischen). Die angeführen Beispiele zeigen, dass positiven Aussagen zum Trotz dennoch immer wieder eine diffuse Schwere in den Erzählungen kopräsent ist, die junge Menschen im zweisprachigen Südkärntner Raum offensichtlich nicht abschütteln können. Auch im folgenden Beispiel sieht die Jugendliche eine Lösung der Probleme in der "Flucht", im Weggehen von Kärnten, weil viele Jugendliche "damit einfach nichts mehr zu tun haben wollen": Ja, schon .. manchmal ist das halt ein Problem, dass die heutige Jugend ganz anders ist als vor Jahren .. und . ich würde sagen, dass sie auch, dass einige damit einfach nichts mehr zu tun haben wollen, und .. ja .. natürlich sind sie selber .. sie selber bewegen sich fort, . wie soll ich das ausdrücken, sie bewegen sich fort, .. sie wollen damit nichts mehr zu tun haben (ibid.; übersetzt aus dem Slowenischen). Wo sind die Prioritäten im Leben junger Menschen angesiedelt? Auf diese Frage antwortet hier stellvertretend für andere eine junge Frau aus einer Mischehe: Jo für mich persönlich, dass ich eine Arbeit habe, die eh jo, die für mich interessant ist, wo ich gerne arbeiten gehe und sage, ja ich arbeite gerne .. dann dass ich soziale Kontakte habe, dass ich Freunde habe, .. dass ich mich integriert fühle in-in in irgendwas halt, in die Gesellschaft .. eh (Pause). Jo und das denke ich, das funktioniert überall. ... Jo, dass ich glücklich bin und zufrieden mit meinem Leben jo (lacht) (Int. 8: 6; übersetzt aus dem Slowenischen). Hier ist also Ethnizität kein Thema. Sie hebt ein glückliches Leben hervor, einen interessanten Beruf, die Integration in eine Gemeinschaft und Zufriedenheit mit ihrem Leben. Zum Schluss verweist sie darauf, dass diese Wünsche zur Erfüllung keines konkreten Ortes bedürfen, denn diese Ziele kann sie überall auf der Welt erreichen. Gerade deshalb muss sie auch nicht in Kärnten bleiben oder nach Kärnten zurückkehren. Die junge Frau betont später ausdrücklich, dass sie offen ist für alle möglichen Optionen, nur nach Kärnten zurück wolle sie "eher nicht", denn das wäre für sie "ein Rückschritt". In ihrer Erzählung aber hält sie abschließend ein Plädoyer, das sie an alle jene Personen richtet, die sich zu stark auf ihre ethnische Zugehörigkeit konzentrieren und darüber IHR Leben vergessen. Sie spricht von jenen, die gedanklich nur um Probleme der Sprachgruppe kreisen: Ich denke, dass einige dann auf andere Dinge vergessen, jo, sie sind sooo versteift nur auf diese Sache .. eh ... weil das blockiert, wenn du dich nur mit dieser Frage befasst .. (mhm) jo das, das müsste, dass er für die Slowenen was verbessert und so und dann nach Jahren merkst du, dass-dass-dass das nichts gebracht hat, ehm ... deshalb denke ich, dass meine Generation und jüngere, dass sie sich deshalb nicht mehr interessieren für diese ganze Sache (Pause). Jo, weil es im Grunde egal ist (betont) .. wichtig ist es, dass du selber weißt, dass du (Anm.: die Sprache) kannst, dass dies zwar gut ist ... und dass du das einfach nimmst und-und-und das Beste aus dieser Sache machst und nicht, dass du dich nur darauf konzentrierst und alles drum herum vergisst (ibid.; übersetzt aus dem Slowenischen). Die Aussage ist klar: Die Probleme rund um die Minderheitenfrage blockieren für andere Dinge, die im Leben junger Menschen wichtig erscheinen oder sind. Eine Blockade, weil ein junger Mensch mit dieser Geschichte oder dem geschichtlichen Ballast nicht einfach frei heraus und leichtfüßig das Leben genießen kann? Ich möchte den Abschnitt mit der Aussage einer jungen Studentin schließen, die in einem Studentenklub aktiv mitarbeitet. Sie beschreibt die Probleme, mit denen sie sich bei ihrer studentischen Arbeit konfrontiert sieht: Viele StudentInnen wollen nicht mehr für die Sprachgruppe aktiv sein, sie schauen lieber auf sich, darauf, dass es ihnen gut geht und sie es im Leben "fein haben": Und-und für viele Leute halt, ich denke für viele ist das halt nicht die wichtigste Sache .. das ist ... sie sind lieber für andere Dinge aktiv .. und vor allem ist es eh so, dass viele Leute überhaupt nirgends mehr aktiv sind (lacht) ... sie schauen nur auf sich und dass es ihnen gut geht, dass sie es fein haben und vielleicht . kommen sie zu den Veranstaltungen, aber sie wollen nichts mehr dafür tun (Int. 9: 5; übersetzt aus dem Slowenischen). 5. Zusammenfassung 67 In den Lebensgeschichten und Erzählungen junger SlowenInnen im zweisprachigen Kärnten ist eine latente Schwere stark kopräsent, wenngleich sie in der Erzählung nicht klar thematisiert und damit ins Bewusstsein gerückt wird. Im vorliegenden Aufsatz diskutiere ich die Möglichkeit, dass sie aus (psychologisch) unaufgearbeiteten und ungelösten Traumatisierungen sowie anderen negativen Erfahrungen in der Kärntner Geschichte, die den Jugendlichen von der Eltern- und Großelterngeneration quasi als "kollektives Gedächtnis" und "geschichtlicher Ballast" ins Leben mitgegeben worden sind, resultiert. Die Schwere präsentiert sich meistens "verkleidet" und versteckt sich in diversen Gefühlsäußerungen, die nicht zum Inhalt des Gesagten passen. Während also die jungen Menschen leicht und locker über ihr Leben zu plaudern scheinen und erzählen, wie sie es genießen wollen, sind die dazu ausgedrückten bzw. gezeigten Gefühle nicht immer stimmig: Positive Meldungen und Erlebnisse werden etwa mit traurigem Unterton präsentiert, Stigmatisierungen und Beispiele struktureller Gewalt hingegen mit einem Lächeln erzählt oder mit einem lauten Auflachen unterbrochen oder beendet. Einige der befragten Jugendlichen haben das zweisprachige Kärnten verlassen, weil sie sich von diesen ewig gleichen Problemen rund um die slowenische Minderheitenproblematik distanzieren wollten. In diesem Zusammenhang sind sowohl die internen Probleme als auch das Verhältnis zwischen Minderheit und Mehrheit zum Thema geworden. Andere wiederum sehen in der Rückkehr nach Kärnten einen Rückschritt in ihrem Lebenskontext und in ihrer Lebensplanung. Sowohl die Flucht als auch der Wunsch nach einem unbeschwerten Leben sind legitime Verhaltensweisen und Wünsche junger Menschen. In diesem Kontext ist auch das Betonen, sie wollen das Leben genießen und sich von dieser ganzen "Minderheitensituation" befreien bzw. sich davon nicht belasten lassen, verständlich. Zu denken gibt, dass einige der Befragten diese Situation als Blockade für ein zufriedenes und entspanntes Leben sehen. 68 Anmerkungen 1 Diese Frage ist bis heute nicht wirklich gelöst, vgl. dazu Pandel et al. (2004), Vavti (2002). 2 Reiterer (2000) merkt in diesem Kontext an, dass heute rund 50.000 bis 60.000 Kärntner zumindest partielle Sprachkenntnisse in Slowenisch haben. 3 Vgl. dazu auch die Ausführungen von Domej (2008). So waren etwa bei der VZ 2001 rund die Hälfte jener Menschen, die Slowenisch als ihre Umgangssprache angegeben hatten, älter als 65 Jahre. Bei den unter 14-Jährigen gab es nur mehr 1600 Personen mit Slowenisch als "Muttersprache". Vergleiche auch aktuelle demografische Daten zur Bevölkerungsentwicklung in Kärnten, z.B.: Kärnten schrumpft schneller, in Bendele (2010). 4 Besonders drastisch steigt die Arbeitslosigkeit von Jugendlichen: Im Februar 2009 waren in Kärnten 3642 Jugendliche unter 25 ohne Arbeit, ein Plus von 47,1% im Vergleich zum Vorjahr, vgl. dazu Grabner (2009). 5 Vgl. hierzu auch verschiedene Arbeiten von zu ähnlichen Fragestellungen Ausschnitte aus der slowenischen Kärntner Literatur analysiert hat. 6 Zur Diskussion des Begriffes Generation vgl. auch die Arbeiten von Assmann (2006), die die Generationen im familiär-verwandtschaftlichen Kontext vom gesellschaftlichen Generationsbegriff unterscheidet: Letzterer umfasst jene Menschen, die einem gemeinsamen geschichtlich-sozialen Raum angehören und auf ähnliche Erfahrungen zurückgreifen und somit auch ähnliche Haltungen und Lebensstile entwickeln. 7 Vgl. dazu auch Bohnsack (1991, 8). Zur "grounded theory methodology" vgl. Glaser (2001; 2005). Grundsätzlich gibt es bei diesem Zugang folgende wesentliche Arbeitsschritte: Datenerhebung, Bildung von Kategorien und die Zuordnung von Daten, das Kontrastieren von Fällen bzw. ihr permanenter Vergleich, die Fallauswahl und daraus entstehende Ideen und Konzepte, die im Schreiben von Memos ihren Niederschlag finden: Dabei werden alle Ideen, Notizen, Kommentare usw. schriftlich festgehalten. Wichtig ist, dass die Kategorien erst im Verlauf des Ko dierprozesses entstehen und je nach Fortgang der Auswertung erweitert und verfeinert werden, bis eine Sättigung eintritt, d. h. keine neuen Codes mehr auffindbar sind. Zu den verschiedenen Arten des Kodierens vgl. auch Berg & Milmeister (2008). 8 Im Jahr 2009 wurden 20 Interviews durchgeführt und teilweise ausgewertet. An dieser Stelle wird allerdings nur ein Auswertungsschritt näher betrachtet. Entsprechend der GTM werden 2010 weitere Interviews durchgeführt und ausgewertet, sodass die Ergebnisse hier nicht als endgültig zu sehen sind. Weitere Details sind bei Vavti (2009b) nachzulesen. 9 Zum Generationsbegriff vergleiche auch die Ausführungen und Diskussion bei Assmann (zit. nach Juric Pahor 2007, 216). 10 Ich erwähne in diesem Zusammenhang vor allem die geschichtlichen Ereignisse rund um die Volksabstimmung, die Aussiedlungen vieler SlowenInnen im Rahmen des 2. Weltkrieges aber auch physische und psychische Angriffe in den 1970er-Jahren. Beispiele aus den Interviews verweisen zudem auch auf Erfahrungen struktureller Gewalt in der Generation der befragten Jugendlichen. 11 Loch (2006) unterscheidet zwischen manifesten Themen in der Biographie und nicht thematisierten, aber kopräsenten Themen, die auf Erlebnisse/Erfahrungen verweisen, deren Thematisierung vermieden wird bzw. die nicht bewusst sind. 12 Der Begriff ist natürlich kritisch zu hinterfragen. Vgl. zur Kritik der Ausdehnung des Identitätsbegriffs auf Nation und Ethnie u.a. Keupp (1998, 30). 13 Die Zitate wurden wörtlich transkribiert, Punkte stehen für jeweils eine Sekunde Pause. Längere Gesprächspausen werden als (Pause) geführt. Fettgedruckte Passagen wurden stark betont. Gefühlsausdrücke, die sich im Tonfall u.ä. äußerten, wurden in Klammern aufgezeichnet. 14 In diesem Zusammenhang geht es vor allem um die politische Differenzierung zwischen den verschiedenen politischen Lagern bei den Slowenen selber, die in der Geschichte wurzelt und zur Zeit konflikthaft verläuft. 15 In der Geschichte wurde des Öfteren von einer Endlösung gesprochen, die es erst dann geben wird, wenn eines der beiden Völker nicht mehr existiert. Sinngemäß etwa bei einem Vortrag des SS-Standartenführers Maier-Kaibitsch in Klagenfurt am 10.7.1942 (SZI/SWI, 1942). 16 In beinahe jeder Erzählung ist auch die Erfahrung struktureller Gewalt Thema, die von Beschimpfungen bis hin zu konkreter Bedrohung gehen kann. 17 Zur Fragestellung vgl. auch Juric Pahor (2000). 70 Referenzen Alheit, P. & Dausien, B., 2000. Die biographische Konstruktion der Wirklichkeit. Überlegungen zur Biographizität des Sozialen. In E. M. Hoerning (Hrsg.) Biographische Sozialisation. Lucius & Lucius, Stuttgart, 257-283. Assmann, A., 2006. Generationsidentitäten und Vorurteilsstrukturen in der neuen deutschen Erinnerungskultur. Picus Verlag, Wien. Bohnsack, R., 1991. Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in Methodologie und Praxis qualitativer Forschung. Leske & Budrich, Opladen. Bendele, J., 2010. Kärnten schrumpft schneller. Kleine Zeitung, 18. 2. 2010, 16-17. Berg, Ch. & Milmeister, M., 2008. 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