6 - Weisungen Fiihrung des Schulamtes an den Gymnasien in Osterreieh als Anhang ZU den ,Instruetionen fiir den Unterricht“. Einzige, vom k, k. Ministerium fiir Cultus und Unterricht autorisierte Ausgabe. -•—SŽ+ŠS—•- Z w e i t e, erganzte Auflago. Preis, broschiert, 80 Heller. V O ■ ; .' ■ ‘ ; ’,V; 'V * ■ '-i ,.-'4 Wien. Kaiserlicb-koniglioher Schulb ii cher-Veri a g. 1896 . pr /!' Weisungen zur Fiihrung des Schulamtes an den Gymnasien in Osterreieh als Anhang zu den „Instructionen fiir den Unterriclit“. Preis, broschiert, 80 Heller. Wien. Kaiserlich-koniglicher Sebulbiieher-Verlag. 1896 . kn-h f 1 0}o°Ši4W Erlass (les Ministers tur Cultus und Unterriclit yom 5. Mai 1895, Z. 9826, mit welchem die zweite, erganzte Auflage der „Weisungen zur Ftthrung des Schulamtes an den &ymnasien in Osterreich" veroffentlicht wird, An sammtliche Landessclmlbehorden: Mit Beziehung auf die Verordnung vom 28. April 1885, Z. 7553 *) finde ich eine neue Ausgabe der ,,Meisungen zur Ftihrung des Schulamtes an den Gymnasien in Osterreich “ zu veroffentlichen. Diese neue Auflage unterscheidet sich von der friiheren hauptsachlich dadurch, dass die seit dem Erscheinen der ersten Auflage hinausgegebenen normativen Bestimmungen, von denen die meisten die Capitel iiber das Priifungs- und Zeugniswesen. einige die innere Amtsfuhrung und die unmittelbare Leitung der Schule betreffen, in den Text aufgenommen wurden. Insoferne weiters der Text der ersten Auflage Anlass zu verschiedenartiger Auffassung und sonacb zu genauerer Erlauterung durch hieramtliche Erlasse gegeben hatte, wurde der Text der neuen Auflage mit diesen Entscheidungen in Einklang gebracht. Zu diesen wesentlichen Anderungen des Textes kommen einige Verbesserungen formeller Art hinzu. In allen Fallen nun, in denen der Text der neuen Auflage von dem friiheren abweicht, ist ersterer als der authentische und matigebende zu betrachten, so dass in Hinkunft bei Berufungen sich auf den Text der zweiten Auflage zu beziehen sein vvird. Die genannten Weisungen haben, inso\veit nicht die Realscbulgesetze der einzelnen Lander und die speciell fur die Realschulen ergangenen hierortigen Verordnungen und Erlasse besoudere von denselben abweichende Bestimmungen enthalten, auf Realschulen sinngemaOe Anwendung zu finden. *) Ministerial-Verordnangsblatt vom Jahre 1885, Nr. 24, Seite 139. 1 * 5 I. Das Classenbuch. Die Erziehung fordert einheitliche Behandlung der Schiller seitens aller Lehrer einer Classe; dies setzt Ubereinstimmung der Urtheile voraus, welehe nur aus der Gemeiusamkeit der Beobachtungen uber die Zoglinge hervorgehen kann. Darin liegt eben der Wert eines sorgfaltig geftihrten Classenbuches, dass es diese Gemeinsamkeit vermittelt, indem es die Beobachtungen des einen Lehrers behufs Priifung und Bestati- gung oder Berichtigung durcb die Beobachtungen der ilbrigen Lehrer aufbewabrt. Denn die von einem Lehrer im Classenbuche niedergelegte Bemerkung ilber den Fehler eines Schiilers macht die ubrigen Lehrer auf denselben aufmerksam, veranlasst sie, durch eigene Beobachtung ihr Urtheil festzustellen und bei den Conferenzen (s. unter „Classenvorstand“) zur Gewinnung eines ilbereinstimmenden Urtheils aller beizutragen. Da Ubersichtlichkeit ein Haupterfordemis ist, wenn das Classenbuch seinem Zwecke entsprechen soli, so ist eine tabellarische Einrichtung desselben zu empfehlen, etwa nach dem Formulare A (vgl. Abschn. VIII.). Fiir die beiden Rubriken der Versaumnisse und der Verspatungen muss es ein Hauptaugenmerk der Lehrer sein, dass die Eintragung in verlasslicher Weise und doch mit moglichster Zeitersparnis geschehe, somit auf keinen Fali das zeitraubende Verlesen der Namensverzeichnisse dazu erfordert werde. Es obliegt dieses Geschaft jedem Lehrer fiir seine Lehrstunde; Schiller zur bloUen Angabe der Namen der Abwesenden z. B. bankweise anzuhalten, unterliegt keinem Bedenken, wofern der Schein einer disciplinarischen Aufsicht der einen uber die anderen vermieden wird. Uber die ordentliche Fiihrung und siehere Aufbewahrung der Classenbiicher ist sorgfaltig zu wachen. Sie sollen weder einem einzelnen, wenn auch noch so vertrauenswiirdigen Schiller anvertraut werden, noch in den Lehr- zimmern unversperrt liegen bleiben. Die Zusammenstellung der Schulversaumnisse der einzelnen Schiller soli der Classenvorstand nicht bis zu den Semestralconferenzen verschieben, sondern wenigstens vor jeder ordentlichen Monatsconferenz vornehmen, zumal die Art des Schulbesuches auf das in der Conferenz abzugebende Urtheil ilber die disciplinare Haltung und den wissenschaftlichen Fortgang sowohl der ganzen Classe, als auch der einzelnen Schiller Einfluss nimmt. Beziiglich der Fiihrung des Classenbuches ist noch Folgendes zu beachten. Jedes Schulversaumnis muss beim Classenvorstande (Ordinarius) entschuldigt werden, und dieser merkt im Classenbuche die Gesammtzahl der versaumten Obligat- s tun d en mit dem Zusatze an, ob die beigebrachte Entschuldigung des Versaum- nisses zur Rechtfertigung desselben ausreiehe oder nicht. Ob miindliche Entschuldigung 6 des Schiilers gentige, oder ob jedesmal eine schriftliche Erklarung der Eltern (oder ihrer Stellvertreter), nach Umstanden auch ein Zeugnis des Arztes zu fordern sei, hangt vom dem Vertrauen ab, das der Classenvorstand dem Schiller glaubt schenken zu diirfen. Im allgemeinen kanu es wohl als Gebot der Vorsicht gelten, dass dieses Vertrauen nur solchen Schiilern zutheil werde, welche sich bereits als ivahrheits- liebend und gewissenhaft erprobt kaben. Dass ungerechtfertige Schulversaumnisse, zumal wenn sie sich wiederholen, auf das Urtheil liber das sittliche Betragen des Schiilers einen wesentlichen Einfluss iiben miissen, braucht wohl kaum erst erinnert zu werden. Bei den freien Lehrgegenstanden wird die RegelmaGigkeit des Besuclies zwar im allgemeinen nach denselben Grundsatzen ilberwacht, die Versiiumnisse aber \verden den Versaumnissen in den Obligatfachern ni elit beigeziihlt und ungerecht- fertiges Ausbleiben nur bei der Bestimmung der allgemeinen Fleificlasse des Schiilers in Anrechnung gebracht. *). AUe Aufzeichnungen in der Rubrik „Anmerkung“ seien vollig zuverlassig, moglichst schlicht und n ii eh ter n gehalten; sie sollen Thatsachen und nicht allgemeine Urtheile enthalten, die aus einzelnen Thatsachen abgeleitet sind. Zuverlassig seien jene Aufzeichnungen, weil sie Einfluss haben auf das Schluss- urtheil iiber den Schiller, welches gereclit und wohlbegriindet sein soli; nicht allgemein gehalten, weil ein allgemeines Urtheil an Stelle einzelner abgegrenzten Thatsachen bei den ubrigen Lehreru der Classe leieht ein Vorurtheil gegen den Schiller begriinden und so eine unrichtige Behandlung desselben zur Folge haben kann. Das Classenbuch ist zwar vornehmlich zu Eintragungen iiber Schiller und Ereignisse des engeren Schullebens bestimmt, doch konnen immerhin auch Bemer- kuugen iiber den auGeren Zustand des Classenzimmers, der Einrichtungsgegenstande oder Lehrmittel und dergl. ihren Platz finden, um so den Ordinarius rechtzeitig von Misstanden zu unterrichten, \velche rasclier Abhilfe bediirfen. Wird ein offentlich ausgesprochener Tadel iiber die Haltung eines Schulers ins Classenbuch aufgenommen, so ist dies schon eine Strafe d. i. ein Besserungs- mittel ernsterer Natur, welches, wofern nicht dauernde Besserung eintritt, auf die Classification seines sittlichen Betragens oder FleiGes einwirken muss. Da sich Strafmittel, besonders bei der leichthinlebenden Jugend, schnell abnutzen und ihre Wirkung verlieren, so muss bei diesen Eintragungen kluge Okonomie walten. Was der Lehrer durch das Gewicht seiner Personlichkeit, durch einen Blick, eine kurze Pause in seiner Rede, einen Wink, eine Handbewegung, durch den Anruf oder durch Vorrufung und vertrauliche Belehrung des Schulers nach der Lehrstunde, endlich durch ernste Warnung beseitigen kann. gehort erst dann strafweise ins Classenbuch, wenn es trotz dieser milderen Mittel neuerdings vorkommt und bis zu einem offentlichen Tadel oder Verweise gefiihrt hat; es mussten denn sehr gewichtige Umstande den Gang der Behandlung /u beschleunigen gebieten. Es findet sich mitunter, dass das Classenbuch von tadelnden Bemerkungen einzelner Lehrer strotzt, wahrend es bei anderen fast oder ganz leer bleibt; daraus *) Vgl. Punkt 6, letzter Absatz der M.-V. vom 8. Jani 187i, Z. 4275 (M.-V.-Bl. Nr. 37). 7 darf aber nieht sofort auf den verschiedenen Grad des personlichen Ansehens der Lehrer geschlossen werden. Deim auch ein sebr geachteter Lehrer muss manchmal, namentlich bei Ubernahme vemaehlassigter Classen, haufiger, als er es sonst zu thun pflegt, zum Classenbuche greifen, wahrend andererseits ein Lehrer, der seiner Personlichkeit bei den Sehiilern nur wenig Geltung zu verschaffen weifi, sich viel- leicht verleiten lasst, selbst die begriindetsten Beschwerden tiber Schuler und Unterricbtserfolge zu unterdrucken, um nur den klaglichen Zustand der Disciplin in seinen Lehrstunden nicht zu verratben und den Klagen des Classenvorstandes und der Eltern tiber die hauiigen Bestrafungen der Schiller auszuweichen. Den wahren Wert der allzuhaufigen oder allzuseltenen Benutzung des Classenbuches seitens der einzelnen Lehrer muss daher der Director aus eigener Beobachtung der disciplinaren Haltung der Classe beim Unterrichte durch ofteren unerwarteten Besuch w;ihrend der Unterrichtszeit zu ermitteln suchen. Bichtig benutzt ist das Classenbuch eine fortlaufende Statistik des Zustandes der Classe, was Fleifi und Ordnungssinn, Auffuhrung und Schulbesuch anbelangt. Es zeigt von Classe zu Classe, von Semester zu Semester den Fortschritt der Schulung und Gesittung; es gibt in den Conferenzen den An sto L zu wertvollen Erorterungen, zu gemeinsamem padagogischen Vorgehen; es bewahrt unwiderlegliche Daten, auf wekhe die Schule ihr Urtheil griindete, und erlaubt uber die sittliche Haltung und Richtung einzelner Individuen wahrend ihrer Schulzeit noch nach Jahren verlassliche Auf- schltisse zu geben. Die Classenbticher mogen daher, nach Jahrgangen geordnet, im Gymnasial-Archiv wenigstens einige Jahre hindurch aufbewahrt werden. II. Tersetzung und Versetzungspriifiiiigen; Wiedcrlioliings- priifungen. Bei den Versetz.ungen in die hoheren Classen mit unbedingter Strenge zu verfahren, haben die Gymnasien fiir ihre unverbriichliche Pflicht gegen die Schule und gegen die Schuler selbst anzusehen. Diese Strenge ist zunachst erforderlich, um dem Unterrichte seinen Erfolg zu sichern und ihn in jeder Classe auf der gebtirenden Hohe zu erhalten; sie ist ferner eine Wohlthat fiir die Schuler, weil da durch verhiitet wird, dass Mangel, in irgend einem Gegenstande nachsichtig behandelt und ohne Einfluss auf die Versetzung belassen, sich mit jeder hoheren Classe steigern, bis die Zeit, um sie einzubringen, verloren ist; sie ist endlich ein wesentliches unter den Erziehungsmitteln, welche die Schule ganz in ihrer Hand hat. Berechtigt ist jedoch das Gymnasium zu soleh er Strenge bei der Versetzung nur in dem Falle, wenn die Entscheidung eine Folge desjenigen Urtheiles ist, das sich bei den sammtlichen Lehrern der Classe im Laufe des ganzen Schuljahres gebildet und durch stets neue Erfahrungen bericbtigt hat, und wenn ferner die schlieftliche Entscheidung fur den Schuler, den sie trifft, nicht unerwartet, sondern durch die im Laufe der Unterrichtestunden erhaltenen Urtheile vollstiindig vorbereitet ist. Soli ein Schuler durch die Entscheidung am Schlusse eines Schuljahres in seinem Auf- steigen um ein ganzes Jahr gehemmt werden, so muss er noch friih genug wahrend des Schuljahres selbst zur Erkenntnis kommen, dass er dies zu befiirchten babe, 8 er muss ebenso bestimmt wissen, was er zu thun habe, um solcher Entscheidung vorzubeugen. Desbalb ist zrn- Erreichung eincs streugeu und gerechten Verfahrens bei Versetzungen von groftter Wichtigkeit, dass der Classenvorstand auf die Vereinigung der Urtheile der Lehrer ilber die einzelnen Schiller und auf deren Mittheilung an die Schiller und Eltern gewissenhaft halte. Hiedurch wird die Berathung ilber die Versetzbarkeit der einzelnen Schiller im wesentlichen auf das ganze Schuljahr vertheilt und die Entscheidung allmahlich gewonnen; die Falle, in welchen sonst ein Zuriickbleiben des Schiilers in seiner bisherigen Classe hatte verlangt werden miissen, werden sich mindern, und in den noch iibrig bleibenden Fallen wird das Zuriickbehalten eines Schiilers die richtige moralische Wirkung ilben. Obgleich hiernach die Versetzung wesentlich nach den Leistungen im gesammten Schuljabre bestimmt wird, so erscheint es doch angemessen, eine ausdriickliche V e r s e t z u n g s p r ii f u n g beizubehalten. Zunachst ist es gerade fiir die tilclitigsten Schiller ein beachtenswertes Bedilrfnis, durch eine Schlussleistung zu zeigen, was sie in ihrer bisherigen Classe gewonnen haben, und inwieweit sie ihres Besitzes machtig und sicher ge\vorden sind; dann konnen bei einzelnen Schulern — doch darf dies immer nur eine verhaltnismafiig sehr kleine Zahl sein —, bei welchen das Urtheil im Laufe des Schuljahres schwankend blieb, die Leistungen in der Versetzungsprilfung mitentscheidend in die Wagschale fallen. Bei der speciellen Ausfiihrung der Versetzungsprilfung, welche verschiedene Modificationen zulasst, sind zwei Gesichtspunkte streng festzuhalten; erstens, dass die bei der Priifung beanspruchten Leistungen nicht durch ein specielles Memorieren filr dieselbe zu erreichen seien, sondern, gleichartig den sonstigen Anspruchen an die Schiller, auch ihres Theiles bildend auf dieselben eimvirken: und zweitens, dass die Priifung in den iibrigen noch fortdauernden Gang des Unterrichtes moglichst wenige Unterbrechungen bringe. In Betreff des ersten Punktes sind an einigen Stellen der didaktischen Instructionen die erforderlichen Andeutungen gegeben, welche sich leicht in entsprechender Weise auf alle in Frage kommenden Gegenstande ausdehnen lassen. Die zweite der anfgestellten Forderungen wird sich auf verschiedene Weise erfiillen lassen; zur Beachtung wird den Lehrkorpern folgende Einrichtung empfohlen. Die Abhaltung der Versetzungsprilfung findet in den beiden Wochen vor der Schluss- woche des Schuljahres, — an Gymnasien mit Parallelclassen verhaltnismaBig frilher — statt, damit die Ergebnisse derselben noch ihren Einfluss auf die Abfassung der Zeugnisse ilben konnen. Fallen etwa die miindlichen Maturitatsprufungen, die den Director fortwahrend in Anspruch nehmen, in diese Zeit, so ist bei der Bestimmung der Tage fiir die Versetzungsprilfung darauf Riicksicht zu nehmen. Die schriftlichen Arbeiten werden in den Lehrstunden ebenso angefertigt, wie die im Laufe des Schuljahres vorkommenden Compositionen. Wenn es in der VI. und VIL Classe angemessen scheinen muss, fiir einige der schriftlichen Arbeiten den Schiilern mehr als eine Stunde Zeit zu gestatten, so werden hiezu zwei oder drei unmittelbar aufeinander folgende Unterrichtsstunden, wenn sie auch sonst nicht dem Gegenstande gecvidmet sind, in welchem gearbeitet werden soli, zusammen- genommen, und diejenigen Lehrer, welche zu dieser Zeit in der Classe zu unterrichten o hatten, fiihren die Aufsicht iiber die Arbeit der Schiiler. In dieser Ausdehnung der schriftliehen Prlifnngsarbeiten auf mehr als eine Stunde werden dieselben ftir die Schiller der oberen Classen eine angemessene Vortibung ftir die Clausurarbeiten der Maturitatspriifung. Die Arbeiten werden sodann vom Lehrer des Faches corrigiert und mit einem das Verhaltnis der Arbeit zu den Forderungen des Classenzieles bestimmenden Urtheil — ausgedriickt durch eine der vorgeschriebenen Classificationsnoten (s. u. Absch. III) — dem Director zur Einsicht iiberreicht. Im Freihandzeichnen und in der Kalligraphie an denjenigen Gymnasien, an welchen diese Lehrgegenstande obligat sind, ist keine besondere Prufungsarbeit als Schlussleistung ftir das gesammte Sehuljahr anfertigen zu lassen; vielmehr sind die wahrend des ganzen Jahrescurses in den Schulstunden gelieferten Arbeiten in ihrer Gesammtheit als Priifungsobject anzusehen. Die miindliche Priifung wird in Gegenwart des Directors abgehalten. Es ware nun allerdings wiinsehenswert, dass sich dieselbe in jeder Classe auf alle Schiller ohne Ausnahme erstrecke; indessen da bei der Zahl der Classen und der Priifungsgegenstande fiiglich nicht mehr als eine Stunde auf die Prufung in jedem Gegenstande und jeder Classe verwendet werden kann, so wiirde, wollte man in zahlreichen Classen alle Schiller priifen, die Prufung selbst zu einem blofien Scheine herabsinken und dadurch ihren ganzen Wert einbiifJen. Daher ist zu rathen, dass man in solchen Classen von der miindlichen Prufung diejenigen Schiller ausnehme, deren Versetzbarkeit in allen Gegenstanden zweifellos ist, und ebenso jene, vrelch en die Zulassung zum Aufsteigen in die hohere Classe bereits mit Entschiedenheit liat abgeschnitten werden miissen. Wer in der einen Weise von der miindlichen Prufung loszuzahlen, in der anderen Weise davon auszuschlieBen sei, dies wird vorher in einer eigenen Conferenz festgestellt. Hiedurch und durch die oben bezeichneten Besprechungen ist die Entscheidung iiber die gesammte Versetzung so weit vorbereitet, dass diese selbst wenig Zweifel und Discussionen mit sich fiihren wird; sind deren in einzelnen Fallen dennoch zu erwarten, so werden die Lehrer der Classe, in welcher dies vorkommt, wohl daran thun, die Frage erst untereinander zu verhandeln, um sie dann besser vorbereitet in der Conferenz zum Abschlusse zu bringen. Die §. 73, Punkt 7 des Organisations-Entwurfes erwahnte Erlaubnis einer nach- traglich zu bestehenden Prilfung in einem einzelnen Gegenstande (Wi e der h o lun g s- priifung ist mit grofter Vor sieht anzuwenden, weil ihr haufiger Gebrauch der leichtsinnigen Vernachlassigung eines einzelnen Gegenstandes Vorschub leisten wiirde. Aus den Grundprincipien des §. 73, welcher jeden nach den Leistungen des Schuljahres aueh nur in einem einzigen Gegenstande ftir den Unterricht in der hoheren C’asse entschieden unreif erkannten Schiller von dem Aufsteigen in diese Classe unbedingt ausschlieOt und nur dort, wo in dem Urtheile der Lehrer liber die Versetzbarkeit eines Schiilers am Schlusse des Schuljahres noch irgend eine Unsicherheit blieb, die Vornahme einer Versetzungsprilfung gestattet, geht hervor, dass in der Begel nur die bei der Versetzungsprilfung constatierten ungeniigenden Leistungen eines Schiilers, und zwar nur solche in einem 10 einzigen Gegenstande, den Ausgangspunkt der Gestattung einer Wiederholungs- priifung bilden konnen. Aber nicht in jedem Falle dieser Alt ist die Wieder-- holungspriifung zulassig, sondern nur dami, wenn zu hoffen steht, der Mangel werde sich in kurzer Zeit durch Privatfleifi nachholen lassen. Selbst wenn man von der Individualitat der Schiller absiebt, findet gewiss bezuglich der Lehrgegenstande selbst ein sehr erheblicher Unterschied in ihrem Verhaltnisse zu dieser Bedingung statt. Nur liochst ausnahmsweise wird sich mit Grund erwarten lassen, die Unreife fiir den Unterricht in der hoheren Classe aus einem der Sprachfacher oder aus der Mathematik durch Privatfleifi binnen acht Wochen behoben, die erforderliche Griindlichkeit der Kenntnisse nebst Sicherheit uiul Gevvandtheit in ihrer Hand- habung binnen dieser kurzen Zeit envorben zu sehen. Aber audi bezuglich der iibrigen Lehrgegenstande darf die Moglichkeit der Behebung des Mangels nicht ohne reife Erwiigung anerkannt vverden, damit es nicht den Anschein gewinne, dasjenige, was Aufgabe der Aneignung und Durchiibung wahrend eines ganzen Jahres ist, lasse sich auch nur bezuglich eines einzelnen Gegenstandes innerhalb zweier Monate in ebenso genligender Weise erlemen. Denn nur unter ganz besonderen, durch die Individualitat oder die auOeren Verhaltnisse eines Schiilers gegebenen Umstiinden wird sich mit einiger Sicherheit envarten lassen, was der durch fachmannisch gebildete .und geschulte Lehrer ertheilte offentliche Unterricht bis zuin Ende des Schuljahres nicht erreicht hat, werde der privaten Bemiihung des Schiilers in der kurzen Frist von acht Wochen zu verwirklichen gelingen. Dies wird nur hochst selten und wohl nur dann eintreten, wenn hauptsachlich der Mangel an gedachtnismaftiger Aneignung einen genugenden Erfolg verhinderte. Bleibt aber diese fiir die Zuliissigkeit einer Wiederholungspriifung nothwendige Voraussetzung unbeachtet, so miissen sich gegen dieselbe die ernstesten Bedenken selbst dann erheben. wenn sich die Bevvilligung einer solchen Prufung auf die oben bezeichneten Gegenstande besehrankt. Es unterliegt namlich keinem Zvveifel, dass freigebige Bewilligung die Disciplin des Lernens bei der Jugend lockert, in ihren und ihrer Angehorigen Augen dem Ansehen des offentlichen Unterrichtes Abbruch thut, ja zu Nachlassigkeit oder einseitigem, et\va durch den personlichen Geschmack geleitetem Betriebe der Unterrichtsgegenstande indirect aufmimtert, da es zweifellos leichter und bequemer ist. ein bestimmtes Lehrpensum nachtriiglich durch aus- schlief.jlichen Betrieb zu bewiiltigen, als dasselbe innerhalb des Schuljahres selbst zugleich mit den anderen Aufgaben des ganzen Unterrichtsplanes zu leisten. Im Publicum aber wiirde sich die verkehrte und den hier (largelegten Grundsatzen schnurstracks zuvviderlaufende Ansicht bilden, als babe ein jeder Schiller, dessen Leistungen — bei erster Fortgangsclasse im 1. Semester — im 2. Semester nur in einem Gegenstande als nicht genugend bezeiclmet wurden, hiedurch allein schon den Anspruch erworben, zur Wiederholungspriifung zugelassen zu vverden. AuBerdem scheint bei Zulassung zahlreicher Wiederholungspriifungen ein anderer wichtiger Punkt aulžeracht gelassen zu werden. Die Prufung ist ganzlich wertlos, wenn sie nicbt mit dem Ernste, der Griindlichkeit und auch auflerlich schon mit dem Zeitaufivande vorgenommen wird, \velchen die Reehenschaftsablegung uber den Lehrstoff eines ganzen Semesters oder Schuljahres erfordert; es liegt auch \veder 11 im Interesse der Schule noch des Schiilers selbst, dass es ihm bei dieser Priifung mogliehst leicht gemacbt werde. Es erwachst daher durch die Abhaltung der Wiederholungspriifungen zu Beginn des Schuljahres sowobl den Lehrern als namentlich dem Director, zumal bei einer grof.) er en Zahl solcher Priifnngen, eine Arbeit, welche sehr viel Zeit und Kraft beansprucht. Nun ist aber fur eine solcbe Arbeit gerade der Beginn des Schuljahres, welcher genug andere, viele Zeit und alle Aufmerksamkeit in Anspruch nehmende Geschafte mit sich bringt, ein vvenig giinstiger Zeitpunkt. Der Director einer Anstalt auch nur mittelmaGiger Frequenz ist zu Ende der Ferien und zu Beginn des Schuljahres auGerstande, einer groGeren Zahl von Wiederholungs- priifungen personlich beizuvvohnen; die Priifung vollzieht sich also meistens unter vier Augen, was im allgemeinen keinem der daran Betheiligten erwiinscht sein kann. Alle diese Schwierigkeiten entfallen, wenn štren ge nach dem Geiste und der Absicht dieser Instruction von der Bevdlligung der Wiederholungspriifung nur sparsam Gebrauch gemacht wird. Die Erlaubnis zu einer Wiederholungspriifung ertheilen die Lehrer der Classe, aus vvelcher der Schiller versetzt werden soli, mit Zustimmung des Directors, jedoch unbeschadet der Rechte, welche der Gesammtconferenz nach §. 112, Punkt 2 des Organisations-Entwurfes zustehen. Eine Schulbehorde wird nur in den seltensten Fallen die vom Lehrkorper verweigerte Gestattung ihrerseits auszusprechen in der Lage sein. Hat ein Schiiler im er sten Semester aus einem Gegenstande nicht geniigt, der ein fur sich abgeschlossenes Ganzes bildet (vvie dies gegenwartig bei der Mineralogie in der Y. Classe der Fali ist), so dass der an die Stelle tretende Lehrstoff des zweiten Semesters ein planmaGiges Zuriickgreifen auf jenen als Grundlage nicht zulasst und daher geniigende Leistungen aus demselben keine Beruhigung iiber die Nachholung des im ersten Semester Versaumten gewahren konnen. so ist es gestattet. ohne Rticksicht auf die giinstigen oder ungiinstigen Leistungen in den anderen Gegenstanden mit dem Schiiler eine Wiederholungspriifung aus diesem Gegenstande in den ersten sechs Wochen des zweiten Semesters abzuhalten und erst darnach das Semestralzeugnis auszufertigen. Im Falle eines ungiinstigen Prufungsergebnisses wird es von dem Ermessen der Lehrer der Classe mit Zustimmung des Directors abhangen, ob eine zweite Wiederholung dieser Priifung zur Zeit der Versetzungs- priifungen zu gestatten sei; die Gewahrung derselben wird jedoch immer dadurch bedingt sein, dass der Schiiler den Forderungen des Lebrzieles in den iibrigen Gegenstanden geniigegethan bat und iiber seine Reife zum Aufst.eigen in die hohere Classe kein Zweifel obwaltet. Der ungiinstige Calcul, beziiglich dessen die Wiederholungspriifung platzgi’eifen soli, ist gleich allen anderen Noten in den Hauptkatalog einzutragen, die Gestattung der Wi e derh olun gspr ii fu n g in der Anmerkungsrubrik ersichtlich zu machen, die Rubrik fur die allgemeine Fortgangsclasse aber offen zu lassen. Nach abgelegter Wiederholungsprtifung wird das Ergebnis derselben mit dem Beisatze: „infolge der Wiederholungsprtifung“ in den Hauptkatalog eingetragen und sonach die allgemeine Fortgangsclasse festgestellt. Unterlasst es ein Schiller, die ihm gestattete Wiederholungspriifung rechtzeitig abzulegen, so erwachst natiirlich 12 die am Schlusse des Sehuljahres, wenn auch mit Zulassuug der Reparatur, ertheilte ungiinstige Note zur vollen Kraft mit der Wirkung der zweiten Fortgangsclasse. Erst als Copie der in solcher Weise erganzten Rubriken des Hanptkataloges kann dem Schiller das Semestralzeugnis ausgefertigt werden. Das im Erlasse des Staats-Ministeriums vom 12. Jiinner 1863, Z. 121/C. U. erwabnte Interims- zeugnis ist bei der Wiederholungspriifung abzunehmen. Nach §. 73 des Organisations-Entvurfes kann eine Wiederholungspriifung in der Regel nur an jener Lehranstalt vorgenommen werden, welche dieselbe zu dem Behufe, um die in suspenso gelassene Classification eines Schiilers abzuschlieften, gestattet hat, und nur unter ganz besonderen Verhaltnissen darf eine andere Anstalt, bei welcher ein solcher Schiller Aufnahme in die nachst hohere Classe nachsucht, denselben zwar einer Aufnahmspriifung unterziehen, aber weder hieriiber ein Zeugnis ausstellen noch die Lucken des etwa beigebrachten Interimszeugnisses ausfiillen. Welche Gesichtspunkte bezuglich der bei der Maturit&tspriifung zulassigen Bewilligung einer Wiederholungspriifung noch besonders zu beachten sind, wird unten (Abschm IV. S. 36 fg.) dargelegt werden. III. Die Semestralzeugnisse. Die Schulzeugnisse bilden, wenn sie ein treues und charakteristisches Bild des Schiilers entwerfen, ein bedeutendes Moment des Schullebens fiir jeden der dabei interessierten Theile, fiir die Schiller, ftir deren Eltern und fiir die Lehrer; fiir die Schiiler zur Leitung ihrer Selbstpriifung; fiir die Eltern zur Einsicht in die Mangel' und Fehler, auf deren Entfernung sie bei ihren Sohnen vorziigliche Auf- merksamkeit zu venvenden haben; fiir die Lehrer endlich, um am Schlusse eines Abschnittes ihrer Thatigkeit in e i n e m Blick zu iibersehen, was ihren vereinten Bemiihungen an den einzelnen Schiilern gelungen und vas ihnen unerreieht geblieben ist. Sollen aber Zeugnisse in dieser vollen Bedeutung ertheilt werden konnen, so enthalt ihre Ausstellung fiir die Lehrer viel veniger eine Vermehrung ihrer Arbeit in den letzten Wochen des Semesters, in welche die Ausfertigung fallt, als eine Forderung an die wahrend des ganzen Unterrichtes zu befolgende Metliode. Denn nur dann, wenn der Lehrer sich nicht begniigt, seinen Gegenstand verstandlich vor- zutragen, den Grad der Aneignung den Schiilern selbst iiberlassend, sondem wenn er sich fortivahrend iiberzeugt, ob und in velchem Mafie ali e einzelnen Schiiler das Vorgetragene zu ihrem geistigen Eigenthume gemacht haben: nur in diesem Falle kann der Lehrer mit Sicherheit ein wahres Urtheil iiber die Schiiler fallen und vir d, da sich das Urtheil vahrend des ganzen Verlaufes des Unterrichtes bildete, bestatigte, berichtigte (vgl. Abschn. VI), iiber die Aufzeichnung desselben bei dem Abschlusse des Semesters weder in Verlegenheit sein noch dazu eines bedeutenden Zeitaufwandes bediirfen. Je mehr dagegen das Urtheil nur aus einer oder einigen Schlussleistungen entnommen ist, ohne dem Verlaufe der Entwicklung des Schiilers selbst gefolgt zu sein, desto mehr ist es dem Zufalle und dem Irrthume ausgesetzt. Diese keineswegs leichten, namentlich in zahlreichen Classen die groiite 13 Anspannung erfordernden Bedingungen zur Ausstellung eines genauen Zeugnisses zu erfiillen, ist dringende Pflicht der Lehrer, wenn die Schule wirklich eine Bildungs- anstalt sein soli; die Forderung erhalt noch dadurch eia hoheres Gewicht, weil das wichtige padagogische Mittel der Zeugnisse geradezu in das Gegentheil urn- schlagt, wenn ungenaue, auf Zufalligkeiten sicli griindende Zeugnisse haufig mit dem eigenen Bewusstsein besonders der ernsteren, redlich strebenden Schiiler in Widerspruch treten. Damit die Zeugnisnote als das Ergebnis aller Leistungen wahrend eines Semesters und als der annahernd richtige Ausdruck des Gesammtwissens und -Konnens eines Schiilers am Schlusse des Semesters erscheine, sind bei der Festsetzung der Semestralnoten sowohl die miindlichen als auch die schriftlichen Leistungen der Schiller zu beriieksichtigen. Das Priifungsverfahren wahrend des Semesters ist derart einzurichten, dass jeder Schiiler einer Classe in jedem Gegenstande in der Regel einmal im Monate oder doch vier- bis fiinfmal im Semester zur miindlichen Priifung gelange. Damit die Minimalzahl von vier bis fiinf Priifungsnoten, auch bei stark besuchten Classen erreicht werde, kan n ausnahmsweise einmal im Semester mit Genehmigung des Directors eine schriftliche Prufung im Umfange eines miindlichen Examens vor- genommen werden. Diese Priifungsarbeiten sind sorgfaltig zu corrigieren und jede mit einer Note zu versehen, die ihrem Werte nach einer miindlichen Leistung gleichzustellen ist. tiberhaupt aber soli das Priifungsverfahren nicht biol.) der grof.) er en oder geringeren Schiilerzahl einer Classe Rechnung tragen, sondern ganz besonders nach den verschiedenen Alters- und Bildungsstufen verschieden eingerichtet werden. Wahrend also fiir die unteren Classen als allgemeine Regel gelten kann, dass in jeder Lehr- stunde Priifungen vorgenommen werden, dass iiberhaupt, Unterricht und Prufung in engster Verbindung und Beziehung bleibe, damit die Aufmerksamkeit und der Fleii.i der Schiiler fortwahrend rege erhalten werden, wird es fiir die obersten Classen zweckmaf.)ig sein, in einzelnen Disciphnen zeitweilig Priifungen iiber groftere Partien des Lehrstoffes vorzunehmen, um den Schiiler allmahlieh und rechtzeitig an die an den Hochschulen iibliche Lehr- und Prufungsmethode zu gewohnen. Zur Evidenzhaltung der Leistungen ganzer Classen, sowie der einzelnen Schiiler aus allen Unterrichtsfachern, sowie zur Gewinnung eines leichteren und rascheren Uberblickes fiir den Director, fiir den Classenvorstand und fur die iibrigen Lehrer einer Classe, dienen die Classenkataloge, welche unter der Aufsicht des Directors und der Classenvorstande im Schulgebiiude verwahrt bleiben. In diese Kataloge werden die nach der vorgeschriebenen Notenscala classificierten Ergebnisse der miindlichen und schriftlichen Priifungen Tag fur Tag sofort eingetragen. Die in diese Classenkataloge eingetragenen Noten sind den Eltern oder deren Stellvertretern auf Verlangen mitzutheilen. (M.-E. vom 2. Mai 1887, Z. 8752, M.-V.-Bl. Nr. 15.) Damit die zum Schlusse des Semesters iiber die Leistungen der Schiiler gewonnenen Urtheile angemessen abgefasst werden konnen, sind fiir das Semestral- zeugnis Formular e von der Gestalt C (vergl. Abschn. VIII) zu verwenden. Die Rubriken dieses Formulares sind so gewahlt und gruppiert, dass die Individualitat des Schulers 14 moglichst treu und genau gekennzeichnet wird. Zunachst fallen die Rubriken filr drei allgemeine Urtheile auf, namlich fur die (allgemeine) Fortgangselasse, filr das sittliche Betragen und fur den Fleifi. Was die erste betrifft, so ist es in der Tbat nothwendig, den Standpunkt des Wissens und der Bildung eines Schiilers im Verhaltnis zu den Forderungen der Classe im allgemeinen kurz und biindig zu bezeichnen. Zur Aufnahme einer besonderen Note fur den Fleifi und zur Wahl bestimmter Wortausdriicke filr die Zeugnisurtheile iiberhaupt ist Folgendes zu bemerken. Zwar ware in den Urtheilen liber den Fortgang in den einzelnen Lehrgegen- standen mittelbar auch ein Urtheil liber den Fleifi und die Aufmerksamkeit des Scbtilers als solche Factoren entbalten, aus denen sich das Mafi seiner Fortschritte und Leistungen ergibt. Aber gewiss sind die Fortschritte nicht so ausschliefilich ein Ergebnis des Fleifies, dass man jedesmal mit Sicherheit von jenen auf diesen zuriick- schliefien konnte, vielmehr nehmen natiirliche Gaben, Vorkenntnisse von frtiher her und andere Umstande eine ebenso wichtige Stelle imter den Ursachen der Fort¬ schritte ein; und dann ausdriicklich zu erfahren, aus welchen von dem Lernenden selbst abhangigen Ursachen die Fortschritte mangelhaft blieben oder befriedigend ausfielen, ist filr den Schiller wie fur dessen Eltern gleich sehr wichtig. Um aber diesen Zweck zu erreichen, kann das Urtheil iiber den Fleifi nicht etwa durch Zahlenabstufungen bezeichnet, sondern muss in Worten ausgedriickt werden. Filr ein unbedingtes Lob \viirde es keinen grofien Unterschied machen, ob man es durch eine Zalil oder durch ein Wort ertheilt; ganz anders aber steht es bei einem Tadel. Ob ein Schiller in Betrefi' des Fleifies den gesetzlichen Forderungen nachkommt, ohne aber griindlich zu arbeiten, ob er bald ernstlich angestrengt, bald oberfiachlich und fliiehtig arbeitet oder in einigen Gegenstanden auf die eine, in einigen auf die andere Weise u. dgl. mehr: dies alles wiirde, wenn man nach Zalilen rubricieren wollte, vermuthlich in eine und dieselbe Kategorie fallen; und doch bedarf es kaum eines Wortes, um daran zu erinnern, wie grofi der Unterschied schon unter den vvenigen angefiihrten Fallen und wie wichtig es filr die Schiller und deren Eltern ist, nicht nur zu erfahren, dass etwas vermisst wird, sondern auch, was vermisst wird; denn gerade von der speciellen Beschaffenheit des Mangels miissen die Bemiihungen, ihn zu heben, ihren Ausgang nehmen. Dieselben Griinde, welche filr das Urtheil iiber den F1 e i fi dem Ausdrucke durch Worte vor der blofien Zahlenabstufung den Vorzug geben, gelten auch filr die Beurtheilung des sittlichen Betragens und des wissenschaftlichen Fortganges in d§n einzelnen Fachern. Beziiglich des ersteren \vird vorausgesetzt, dass die Lehrer mit richtigem sittlichen Takte bei aller Strenge der Beurtheilung jede abstofiende und die Gesinnung des Zoglings entfremdende Harte vermeiden, und dass sie sich filr ihre Beurtheilung auf das Gebiet ihrer Beobachtungen innerhalb der Schule selbst beschranken, Vorgange aufierhalb derselben aber nur dann beriick- sichtigen, wenn sie in der Schule Gegenstand der Rtige oder Strafe geworden sind. Endlich fiir Beurtheilung der Fortschritte und Leistungen, wie sie durch die mannig- fachen, sich verandernden Momente von Talent, Vorkenntnissen, Fleifi, Aufmerksamkeit sich verschieden gestalten, muss es dem genau abwagenden Lehrer erwiinschter sein, 15 die Moglichkeit mehrerer Abstufungen, von der sehr erfreulichen oder vollkommen befriedigenden Beschaffenheit der Fortschritte bis zu den ungentigenden oder ganzlich fehlenden, vor sich zu haben, als an wenige feste Zahlen gebunden zu sein. Fur die Classification gelten ausschlieBlich folgende Notenscalen, welche auch stets auf dem Zeugnisformulare selbst abgedruckt sein miissen. (M.-E. vom9. Marž 1886, Z. 4452, M.-V.-Bl. 1886, Nr. 19.) Ftir die Sitten: lobenswert, befriedigend, entsprechend, minder entsprechend, nieht entsprecbend. Die Noten „minder entsprecbend' 1 und „nicht entsprechend" bediirfen sowohl im Hauptkataloge als im Semestralzeugnisse eines Zusatzes, der durch nahere Bezeichnung des sittlichen Mangels oder Vergehens den ungiinstigen Calciil motiviert_ Fiir den F1 e i B: ausdauemd, befriedigend, hinreichend, ungleichmaBig, gering. Eine Classification des FleiBes nach den einzelnen Gegenstanden ist nicht gestattet. Die eine zu ertheilende Note ist so zu wahlen, dass sie ein Gesammturtheil liber den FleiB darstellt, den der Schuler in den einzelnen Lehrfachern bethatigt hat. Fur den Fortgang. vorziiglich, lobenswert, befriedigend, genugend, nieht geniigend, ganz ungeniigend. Die Aufstellung gleichmaBiger, allgemein giltiger Normen fur die Abfassung der Schulzeugnisse hat vomehmlich den Zweck, dem betheiligten Pubbcum sowie den Behorden feste Anhaltspunkte fiir deren Beurtheilung zu geben. Dieser Zweck aber wiirde trotz der Gleichformigkeit der fur die einzelnen Rubriken anzuwendenden Bezeichnungen nur unvollstandig erreicht werden, \venn nicht zugleicb in Bezug auf die Geltung dieser Bezeichnungen fiir die Ertheilung der allgemeinen Fortgangs- classe ein gleicbartiger Vorgang eintrate, wenn also z. B. die Summe gewisser Pradicate fur die einzelnen Schiilerleistungen an der einen Lehranstalt die allgemeine erste Fortgangsclasse mit Vorzug mit sich brachte, wahrend dieselbe Summe an einer anderen Lehranstalt nur die e i n f a c h e erste Fortgangsclasse zur Folge hatte u. s. w. Um einer solchen Ungleichheit vorzubeugen, ist eine Instruction nothwendig, durch welche bestimmt wird, welcher Wert den einzelnen Pradicaten zukommt, und welche Pradicate die Ertheilung der ersten Fortgangsclasse mit Vorzug, ferner der ersten, zweiten und dritten Fortgangsclasse bedingen; sodann in welchen Fallen eine Wiederholungsprufung gestattet \verden kann; endlich wie bei Charakterisierung der Schiilerleistungen in solchen Gegenstanden, die zwar nur ein Gebiet umfassen, aber in zwei Partien geschieden werden konnen, \vie z. B. Geschichte und Geographie, Arithmetik und Geometrie, bei Sprachen die schriftlichen und mundlichen Leistungen, vorzugeben ist. Im allgemeinen reichen nun fur alle die erwahnten Fragen die in §.73 und §.76 enthaltenen Normen des Organisations-Entwurfes aus. Im einzelnen aber haben sich die Lehrkorper an nachstehende Bestimmungen zu halten. 1. Fiir die Bezeichnung besonders guter Schiilerleistungen gelten zwei Pradicate: vorziiglich und lobenswert: Ftir Leistungen, die sich liber das Gewohnliche erheben, ohne deshalb liber das von der Schule geforderte MaB hinauszugehen, besteht die Bezeichnung „vorziiglich“; Leistungen eines Schiilers, welche etwa iiber dieses MaB betrachtlich hinausgehen, konnen, jedoch nur auf motivierten Antrag des Fach- 16 lehrers und nach Beschluss des Lehrkorpers durch einen besonderen Beisatz zur Note „vorzuglich“ hervorgehoben werden. Fur Leistungen, die als durch\vegs gut, aber doch nicht als hervorragend bezeichnet zn werden verdienen, ist die Note „1 o b en s w er t“ bestimmt; von den Pradicaten „befriedigend" und „genugend“, welche fur die zwei nachsten Abstufungen gelten, bezeichnet jenes einen hoheren Grad der Reife des Schiilers in dem Gegenstande, dieses hat als Durchschnittsnote fur solche Leistungen zu gelten, die als ein Minimum fur das Aufsteigen des Schiilers in die nachst hohere Classe unbedingt gefordert werden miissen. Fiir die Leistungen, welche den Forderungen des Classenzieles nicht entsprechen, gelten die zwei Abstufungen „nicht geniigend“ und „ganz ungentigend“. Der Gebrauch anderer Bezeichnungen, als der in der vorgeschriebenen Noten- scala enthaltenen, fur die Leistungen der Schiller ist untersagt. 2. Fiir jeden Lehrgegenstand ist nur eine einzige Gesammt- note zu geben, die bei Beurtheilung der Reife oder Nichtreife des Schiilers zum Ubertritt in die nachst hohere Classe als mafigebend anzusehen ist. Eine nahere Motivierung des Urtheiles liber die Leistungen eines Schiilers erscheint in diesem Falle nur dann gerechtfertigt und zulassig, wenn ein M angel in demselben zu bezeichnen ist. Ganz allgemein gehaltene Zusatze, wie „schwach“, „unverlasslich" und dergleichen diirfen nicht gemacht werden. 3. Die „erste Fortgangsclasse mit Vorzug“ ist bei tadelfreiem Sittenzeugnisse dann zu ertheilen, wenn in einem Zeugnisse kein Pradicat unter „befriedigend“ und wenigstens eines auf „vorztiglich“ lautet, wenn aufierdem jedes darin vorkommende „befriedigend“ durch ein „vorztiglich“ aufgewogen wird. Die einfache „erste Fortgangsclasse" kommt jenem Zeugnisse zu, welches zwar den Bedingungen fiir die Vorzugsclasse nicht entspricht, aber doch kein Pradicat unter „geniigend“ aufweist. An Gymnasien mit obligatem Zeichenunterricht *) bildet die Note „genugend“ im Zeichnen kein Hindernis fiir die Ertheilung der Fortgangsclasse mit Vorzug, sobald eine solche sich aus den Leistungen in den iibrigen Fachern ergibt. Umsoweniger kann auch eine iiberschiissige das GleichgeiGcht zwischen dem „vor- ziiglich 11 und „befi:iedigend“ storende Note „befriedigend“ aus dem Zeichnen an solchen Anstalten der Vorzugsclasse hinderlich sein. Beziiglich der „zweiten Fortgangsclasse" ist an der Bestimmung des Organisations-Entwurfes in Punkt b des §. 73, dass einem Schiller, der auch nur in einem Gegenstande fiir den Unterricht in der nachst hoheren Classe entschieden unreif ist, die allgemeine zweite Fortgangsclasse ertheilt werde, sowie an der weiteren Bestimmung in Punkt 7 des §. 73, dass eine Wiederholungspriifung nur in dem Falle zu gestatten ist, wenn sich die nicht geniigenden Leistungen auf einen einzigen Gegenstand beschranken, unverriickt festzuhalten. DemgemaC hat die allgemeine zweite Fortgangsclasse schon bei einem „nicht geniigend" einzutreten. Besteht jedoch an einem Gymnasium (Realgymnasium) ein obligater Unterricht im Freihandzeichnen oder in der Kalligraphie, so hat der ‘) Fiir Realgymnasien gelten diesbeziiglich dieselben Normen wie fur Realschulen. 17 Lehrhorper in jedem e i n zel n en Falle zu beurtheilen, ob mangelhafte Leistungen eines Schiller s in einem dieser Facher bei Tiichtigkeit in den iibrigen Gebieten sein Zuriickbleiben in der niederen Classe zu motivieren geeignet sind otfer nicht; je nach dem Ergebnisse dieser Erwagung ist dann die zweite oder die erste Fortgangsclasse zu ertheilen. Die Note aus dem nur an einzelnen Gymnasien obligaten Turnen bleibt bei der Bestimmung der allgemeinen Fortgangsclasse ilberhaupt aufter Betracht. Die „dritte allgemeine Fortgangsclasse“ ist einem Schiller dann zu ertheilen, wenn derselbe in der Halfte oder in der Mehrzahl der obligaten Lehr- gegenstande die Noten „ nicht geniigend“ oder „ganz imgeniigend“ erhalt. E i n „ganz ungeniigend“ ist dabei z\vei nicht geniigenden Noten gleichzuhalten und hebt somit in der Gesammtzahl der Gegenstande zwei giinstige Noten auf. Darnach begriindet z. B. bei sechs obligaten Lehrgegenstanden e in „ganz ungenugend“ und e in „nicht geniigend“ die dritte Fortgangsclasse. In der dritten Fortgangsclasse des Zeugnisses ist a uti er der Erklarung, dass der Schiller fiir das folgende Schuljalir noch in derselben Classe zuriickzubleibeu habe, zugleich fiir die Eltern die Aufforderung enthalten, ernstlich zu uberlegen, ob sie bei Belassung ihres Sohnes auf dem Gymnasium den richtigen Weg fiir seine Bildung einschlagen. Ein Schiller, der auch nach (unfreiwilliger) Wiederholung der Classe, d. i. am Schlusse des z\veiten Semesters, ein Zeugnis der dritten Fortgangsclasse erhalt, ist dadurch unmittelbar von diesem Gymnasium entfernt. Nach §.71 des Organisations- Eutwurfes soli auch derjenige Schiller, welcher in beiden Semestern desselben Schuljahres ein Zeugnis der dritten Fortgangsclasse erhalt, von dem Gymnasium ausgeschlossen sein (Locale A us selili e 13 ung). Doch ist die Landesschulbehorde ermachtigt, in besonders riicksichtswiirdigen Fallen auf Antrag des Lehrkorpers die Wiederholung der Classe an derselben Anstalt zu gestatten. Gesuche um diese Bewilligung sind stets bei der Direction und zwar innerhalb der ersten vierzehn Tage nach Schluss des Sommersemesters einzubringen und von der Direction unter Anschluss des Votums des Lehrkorpers, das schon in der Schlusseonferenz bei Schiilern, die von der obigen Bestimmung getroffen werden, fiir den Fali ihres Einschreitens festzustellen ist, sowie ihres eigenen Gutachtens mit moglichster Beschleunigung der Landesschulbehorde zur Entscheidung vorzulegen. Indem die allgemeine Fortgangsclasse schon an sich die Entscheidung iiber das Aufsteigen in die hohere Classe oder das Zuriickbleiben in der bisherigen in sich schliefit, so ergibt sich, dass in ihr nur der wissenschaftliche Standpunkt bezeichnet ist, die Sittennote aber darauf keinen unmittelbaren Einfluss iiben kanu mit der einzigen, bereits envahnten Ausnahme, dass zur Ertheilung der Vorzugs- classe auch das Sittenzeugnis tadelfrei sein, d. h. mindestens auf „entsprechend‘' lauten muss. Wie am Schlusse des ganzen Schuljahres sich die Hauptabstufung der Fortgangs- classen der Zeugnisse aus den am Ende des Jahrescurses zu stellenden Forderungen ergibt, so findet dasselbe am Ende des ersten Semesters statt nach dem Mati e des Wissens und Konnens, das in der ersten Jahreshalfte zu erreichen ist. 2 18 Als blofie Nebenrubriken sind zu betrachten die Urtheile iiber die aufiere Form der schriftlicben Arbeiten und die Bemerkung iiber die RegelmaGigkeit des Schulbesuches, d. i. die Angabe der Zahl der versaumten Lehrstimden, welche der Classenvorstand aus dem Classenbuche entnimmt. Hiebei ist besonderes Gewicht zu legen auf die ausreichende und wahrheitsgema(3e Rechtfertigung der Absenzen. Ftir die ohne hinreiehende Rechtfertigung versaumten Lekrstunden enthalt das Zeugnis- formular eine besondere Rubrik. Wenngleich diesen Nebenrubriken ein unmittelbarer Einfluss auf die Bestimmung der Fortgangsclasse des Zeugnisses nicht zuzugestehen ist, so kann doch, was die auftere Form der schriftlichen Arbeiten betrifft, bei sonst lobenden Pradicaten ein Tadel wegen undeutlicher Handschrift, wegen mangelnder Ordnung oder Unsauberkeit der schriftlichen Arbeiten eine erspriefiliche Erinnerung zur rechten Zeit geben; und bei sonst ungiinstigen Censuren kann ein Lob der Handschrift, der auGeren Ordnung u. dgl. dem Schiller ftir die etwa zu treffende Wahl eines andenveitigen Berufes zur Empfehlung dienen. Und was den Schulbesuch anbelangt, so kann die Angabe der Zahl der versaumten Lehrstunden, auch \venn sie alle durch die Eltem oder deren berufene Stellvertreter entschuldigt wurden. ftir diese selbst zur Ubersieht nicht unenvunscht sein, wie denn auch ein weniger giinstiger Erfolg, den hauptsachlich ein durch Krankheit hiiufig unterbrochener Schulbesuch ver- schuldete, nur durch die Zahl der Absenzen in das richtige Licht gestellt wird. Die Ausfertigung der Zeugnisse zu leiten ist Saehe des Classen- vorstandes; hieftir empfiehlt sich folgendes Verfahren: Jeder Lelirer tragt vor der Classificationsconferenz — und zwar zeitig genug ftir die noch erforderlichen Vor- arbeiten — in die betreffende Rubrik des Classenkataloges sein Urtheil iiber die Leistungen der Schiller in seinem Lehrgegenstande ein. In der Conferenz selbst werden kierauf durch sorgfaltige Berathung und Vereinbarung nur ausnahmsweise durch Abstimmung, die Urtheile iiber die Sitten, den Fleifi und die auGere Form der schriftlichen Arbeiten, dann die allgemeine Fortgangsclasse festgesetzt und in die entsprechende Schlussrubrik des Classenkataloges eingetragen. Ftir diese Urtheile und Festsetzungen hat zunachst der Ordinarius die Antrage vorzubereiten und zu stellen. Dieselbe Conferenz entscheidet auch, welchen Schiilern etwa die Wieder- liolung der Priifung aus einem einzelnen Gegenstande gestattet werden soli; in dieser Frage steht der Antrag zunachst dem Lehrer des in Betracht kommenden Lehrgegenstandes zu. Diese Beniitzung des Classenkataloges bis zur endgiltigen Festsetzung aller fiir das Zeugnis bestimmten Daten erleichtert dem Ordinarius den unentbehrlichen Uberblick uber den Stand seiner Classe und die ihm obliegenden Arbeiten; sie bietet aber auch noch den Vortheil, dass der Hauptkatalog, die \vichtigste Urlmnde des Gymnasiums, von der sonst nicht immer vermeidlichen Entstellung durch Correcturen verschont bleibt. Auf Grundlage des Classenkataloges werden nun die auf die angegebene Weise festgestellten Urtheile und sonstigen Daten in der Art in den Hauptkatalog*) sorgfaltig eingetragen, dass jeder ein z el n e Fachlehrer bei jedem Schiiler die festgesetzte Note in die seinem Lehrgegenstande zugewiesene Rubrik, der * S. u. Absclin. VIII. Formulare B. 19 Ordinarus aber aufter den Noten aus seinen eigenen Lehrgegenstanden auch die allgemeinen Noten, und was sonst zur Volištandigkeit erforderlich ist, eigen- handig einschreibt. Hiebei obliegt es dem Ordinarius auch, die Vollstandigkeit aller Eintragungen und ibre vollige Ubereinstimmung mit dem Classenkataloge genau zu priifen und alle Rubriken, in vvelche nichts einzutragen war, zu paraphieren. Die Aus s teli ung der Zeugnisse *), iveiche als Copien des Hauptkataloges anzusehen sind, erfolgt auf Grund des correct ausgefertigten Hauptkataloges entweder mit derselben Vertheilung der Arbeit, oder es fertigt der Ordinarius die Zeugnisse vollstandig aus und lasst sie von den einzelnen Fachlehrem der Classe nur unterschreiben. Zuletzt werden die Zeugnisse mit dem Hauptkataloge genau verglichen, wenn nothig in ubereinstimmung gebracht, paraphiert, vom Ordinarius selbst unterschrieben imd nebst dem Hauptkataloge dem Director zur Beisetzung seiner Unterschrift und des Amtssiegels iibergeben. Der Director bebalt den Haupt- katalog bei den Amtsacten zuruck und iibergibt die auch seinerseits unterschriebeneu Zeugnisse dem Ordinarius zur Vertheilung an die Schuler. IV. Die Maturitatsprufungen. 1. Die Notlnvendigkeit der Maturitatsprufungen. Die Einrichtung grundlicher Maturitatsprufungen, welcbe den gesammten Bildungszustand der zur Universitat abgebenden Jtinglinge zu constatieren haben, ist eine nothwendige Folge der den Studierenden auf der Universitat gewahrten, Hor- und Lernfreiheit. Denn wenn der Staat denen, welche einst einen offentlichen mehr oder minder umfangreichen Wirkungskreis gewinnen wollen, die Wahl und Einrichtung ihrer Studien \vahrend der so entscheidenden Universitatszeit iiberlasst und sich damit begnugt, die Fruchte dieser Studien einer Priifung zu unterziehen, so hat er in seiner Aufsicht iiber das gesammte Unterrichtswesen ebenso das Recht wie die Pfiicht, sich vorher die Uberzeugung zu verschaffen, dass die auf die Universitat Aufzunehmenden nach dem gesammten Stande ihrer Bildung die Fahigkeit und das moralische Recht besitzen, fiir ihre ferneren Studien ihrer Selbstbestimmung iiberlassen zu werden. Die Einrichtung der Maturitatsprufungen ist andererseits auch eine nothwendige Bedingung fiir die Erhaltung der Universitaten in der ihnen zukommenden Stellung. In ihnen wi 11 der Staat Anstalten besitzen, welche die einzelnen Wissenschaften in ihrem ganzen jeweilig erreichten Umfange zu vertreten und durch Einfuhruiig in dieselben zugleich die grundlichste und sicherste Vorbereitung fiir praktische Lebensberufe zu geben vermogen. Alle Bemuhungen aber, durch Berufung tiichtiger Vertreter ihrer Wissenschaft die Universitaten zu heben, vviirden vergeblich sein oder nur zum geringsten Theile ihren Zweck erreichen, wenn nicht der Staat zu¬ gleich sich dariiber Sicherheit verschaffte, dass der Ilauptstamm der ordentlichen Horer der Universitat die erforderliche Vorbildung und eine geivisse Entwicklung des wissenschaftlichen Sinnes schon zur Universitat mitbringt. Denn geschahe dies *) Formulare der Semestralzeugnisse s. u. Absclm. VIII. C. 2 * 20 nicht, so wiirden, selbst abgesehen von den daraus flieRcjiden sittlichen Gefahren, die Universitaten von der ihnen gebtirenden Hohe der Wissenschaftlichkeit unauf- haltsam herabsinken, indem sie, um nicht auf jeden Erfolg zu verzichten, sich der Mehrzahl ihrer Horer anzupassen genothigt waren. Es bedarf hiernach keiner weiteren Begriindung, dass nur denen, welche sicli durch die ahgelegte Prufung das Zeugnis der Reife erworben haben, das Recht zugesprochen ist, auf eine Universitat aufgenommen zu werden. Allerdings bleibt es demjenigen, der bei der Maturitatsprufung daš Zeugnis der Reife nicht erlangt hat, freigestellt, auf welchem Wege er seine noch mangelhafte Bildung erganzen will, ob durch ferneren Besuch eines Gymnasiums oder durch Privatstudium; es ist sogar zulassig, dass ihm die Universitat unter besonderen Modalitaten den Besuch ein- zelner Collegien gestattet; aber fiir alle Pilile. wo zur Erlangung gewisser Rechte eine bestimmte Universitiitszeit erfordert wird (z. B. zum Examen der Gymnasial- lehrer, der Juristen, der Mediciner), kann diese erst von dem Zeitpunkte an gerechnet werden, wo jemand durch das Bestehen der Maturitatsprufung das volle Recht erlangt hat, an der Universitat als ordentlicher Studierender aufgenommen zu \verden. Denn wenn das Gesetz in gewissen Fallen eine Anzahl Jahre des Universitats- studiums als nothwendige Bedingung erfordert, so kann damit nicht gemeint sein, dass jemand sich soviel Jahre in Universitatsstadten aufgehalten oder regelmiiiiig in den Horsalen der Universitat gesessen habe, sondern dass dies bei einer solchen allgemeinen Vorbildung geschehen sei, welche die gegriindete Wahrscheinlichkeit ergibt, dass die Jahre des Universitatsstudiums den geminschten Erfolg gehabt haben. Wenn aber die Ablegung der Maturitatsprufung die Hbrfreiheit der Studierenden moglich machen und die Universitat gegen unwurdige Horer verwahren soli, so konnte man mit Recht emvarten, dass dieselbe demgemaG als Aufnahmsprtifung den Universitaten, nicht aber als Abgangspriifung den Gymnasien zugetheilt werde. So richtig dies im Principe ist, dass die Universitat selbst ihre Rechte zu wahren habe, so steht doch in der praktischen Ausfiihrung der Sache manches entgegen, was den gewahlten Weg als um vieles rathsamer erscheinen lasst. Zunachst widerspricht einer Verlegung der Maturitatsprufung an die Universitaten das nothwendig zu berticksichtigende Interesse der Eltern der Schiller. Es ist eine billige Forderung, dass die Eltern beim Abgange ihrer Sohne vom Gymnasium wissen, ob diese die Aufnahme an der Universitat zu gewartigen haben, und dass sie nicht erst dann, wenn — nachtraglich bei der Prufung an der Universitat — deren Unreife sich zeigen solite, liber die weiteren Studien neue Vorkehrungen, mit Verlust an Kosten und Zeit, zu treffen genothigt sind. Hiezu hommt, dass die Gymnasien, vermoge ihrer Kenntnis der Leistungen der Schiller in allen einzelnen Lehrgegenstanden wahrend einer Reihe von Jahren, zur Prufung selbst schon ein vorliiufiges Urtheil hinzubringen, \velches die Prufung erleichtert und sicherer macht. Vorausgesetzt ist dabei, dass die Examinanden der Maturitatsprufung in der Regel an demselben Gymnasium, an welchem sie sich der Prufung unterziehen, auch ihre Vorbildung empfangen haben und nicht durch Privatunterricht vorbereitet sind. 21 Aber es karm allerdings nicht eine bloBe Prilfung von der Art, wie sie das Gymnasium ftir seine sammtlichen Classen am Schlusse jedes Schuljahres anstellt geeignet und gentigend sein, die Berechtigung zum Besuche der Universitat zu ertheilen. Denn wahrend jene Priifungen wesentlich darauf abzielen, den wissen- schaftlichen Fortgang der einzelnen Schiller wahrend des eben verflossenen Schul¬ jahres zu constatieren, kommen bei der Maturitatspriifung im Gegentheile nicht speciell die Leistungen des letzten Jahres, sondem vielmehr der Stand der \vahrcml der gauzen Gymnasialzeit erworbenen Gesammtbildung in Frage, weil von ihm allein die Zulassung zur Universitat oder die Zuriickiveisung bedingt sein darf. Es kanu aber auch nicht den Gymnasien an sich und im eigenen Wirkungs- kreise das Recht zuertheilt werden, durch ein ihrerseits ausgestelltes Zeugnis iiber die Sphare ihrer Wirksamkeit hinauszuschreiten und den Zugang zur Universitat zu eroffnen. Sie erhalten cliese Bei-echtigung daher erst dadurch, dass die Prufung durch die Mitwirkung des Landesschulinspectors (oder eines von der Regierung bestellten Vertreters) zu eineni Staats-Examen erhoben wird; denn die Aufgabe, des Inspectors bei der Leitung der Prufung ist im wesentlichen die, dass er zu iiberwachen hat, ob das Gymnasium an seine Schiller am Schlusse des gesammten Cursus \virklich die Forderungen stellt, welche durch den allgemeinen Studienplan als seine Aufgabe festgestellt sind, und deren Erfulhmg die Berechtigung zum Universitatsbesuche verleiht. Hicdurch werden die Maturitatspriifungen zugleich eine Erprobung der Gym- nasien, ob sie die ihnen gestellte Aufgabe an ihren Schiilern erfiillen. Denn wenn gleich der Inspector nicht blof.‘i bei Gelegenheit der Maturitatspriifungen Kenntuis vom Stande der ihm untergebenen Gymnasien gewinnen, sondern auch durch Besuche wahrend der iibrigen Zeit sich mit ihnen moglichst genau bekannt machen vvird, so ist doch die bestimmte, regelmaBig wicderkehrende, die einzelnen Gymnasien in nothwendige Vergleichung setzende Anschauung der Zielleistungen des Ganzen von groBer Wichtigkeit fur diesen Zweck. Die G.ymnasien aber wiu.’den im Unrechte sein, wenn sie hierin einen Mangel an dem gebiirenden Vertrauen seitens des Staates zu sehen vermeinten; vom Staate beauftragt, ihre Schiller nicht nach eigenem Gutdtlnken, sondem nach einem gesetzlich vorgezeichneten Plane zu bilden, haben sie die Pflicht, liber die Erfiillung ihres Auftrages Rechenschaft abzulegen, und es liegt in ihrem eigenen wohlverstandenen Interesse, dass, abgesehen von anderen Gelegenheiten dazu, die Ablegung dieser Rechenschaft zu bestimmten Zeiten und in einer grilndlichen, gesetzlich geordneten Form geschehe. 2. Zeit und Inhalt der Maturitatspriifungen. Man hat gegen die Abhaltung von Maturitatspriifungen ofters den Einwand erhoben, dass dadurch- den Gymnasiasten das letzte, wichtigste Semester ihrer Schulzeit fur den Unterricht groBentheils verloren gehe, indem es durch die einzelnen Theile der Maturitatspriifung unterbrochen wird, und was noeh bedeutender ist, dass diese Schlussprufung die Gymnasiasten zu einer gedachtnismaBigen Vorbereitung veranlasse, welche, bloB fur die Prufung angestellt, der wahren 22 Bildung schade, statt zu mit,zen. Dass in den gesetzlichen Anordnungen diese beiden sehr beachtenswerten Gefahren moglichst vermieden sind, wird eine genaue Erwagung des Einzelnen leicht erkennen lassen. Was zunachst den ersten Punkt betrifft, so ver den die flinf Tage, welche auf die Anfertigung der schriftlichen Arbeiten zu verwenden sind, als eine merk- liche Unterbrechung des Unterrichtes umsoweniger empfunden ver den, da die Aufgaben dazu, vollstandig aus dem Kreise der Beschaftigungen der obersten Classe gewahlt, eine specielle Examenvorbereitung nicht erheischen, vie hernach naher zu zeigen ist. Hingegen viirde allerdings die miindliche Priifung in dem Falle eine bedeutende Storung in die Theilnabme der Schiller am Unterrichte bringen, venn sie liber ali noch v or dem Schlusse des Schuljahres zum Abschlusse gebracht und in nothvendiger Folge davon, da der Landesschulinspector an mehreren Gymnasien die Priifung zu leiten bat, an einzelnen vielleicht einen vollen Monat vor dem Scblusse abgehalten ver d en miisste; denn es ist nicht zu ervarten, dass nach Beendigung der Maturitatspriifung und nach gtinstiger Entscheidung derselben die Theilnahme am Unterrichte und der Fleifi fiir dessen Aufgaben unverkummert bleiben wtirden. Dieser Storung ist aber durch die Anordnung *) vorgebeugt, dass die Maturitats- priifungen an sammtlichen Gymnasien in der Frist eines Monates, von veleli er nur die erste Halfte in die letzten Wochen des Schuljahres fallen darf, zimi Abschlusse zu bringen sind. Darnach kann also hochstens ein halber Monat der Unterrichtszeit und dieser nur fiir Abiturienten derjenigen Gymnasien verloren gehen, an welchen die Maturitatspriifung zuerst abgehalten vir d. Was aber den zveiten Einwand betrifft, die Gefahr einer gedachtnis- mafiigen und der vahren Bildung nachtheiligen Vorbereitung auf die Priifung, so sind bei der Ervagung desselben die einzelnen Prufungsgegenstande zu unter- scheiden, da sie nicht alle gleichmaftig zu einer solehen Besorgnis Anlass geben. Fiir die Forderungen der Prufung in der Unterrichtssprache und in den beiden classischen Sprachen wird man nicht leicht eine Besorgnis der bezeichneten Art aussprechen. Denn die Fahigkeit, seine Gedanken in der Unter¬ richtssprache klar und gevandt zu entvickeln, die Fahigkeit, aus lateinischen und griechischen Schriftstellern, velche im Gymnasium gelesen vorden sind, auch nich^ erldarte Abschnitte zu verstehen und zu iibersetzen, die Gewandtheit, den Ausdruck der Unterrichtssprache mit dem der lateinischen in Wortern und Satzbildung treffend zu vergleichen: dies alles l&sst sich nicht durch eine specielle Vorbereitung erreichen, sondern kann nur das Ergebnis einer allmahlich durch Unterricht und eigene Thiitigkeit geforderten Entwicklung sein. Bei der Wahl der Aufgaben fiir die schrift- liche wie fiir die mundliche Priifung werden die Lehrer als Hauptnorm nur das Eine anzusehen haben, dass dieselben dem Standpunkte der obersten Classe angemessen seien, und es werden demnach die in den Instructionen fiir die genannten Gegenstande gegebenen Weisungen auch hiefiir ma(3gebend sein. Nicht einmal fiir die literarhistorischen Kenntnisse, welche in der miind- lichen Prufung in Frage kommen, wird eine specielles Memorieren erforderlich oder *) Staats-Ministerial-Erlass vom 4. Mai 1865, Z. 3325/C. U. 23 bei geschickter Einrichtung der Prufung erfolgreieli seiu. Denn diese Kenntnisse sind durch selbstthatige Beschaftigung der Schuler mit deu bedeutendsten Erschei- uungen der Literatur gewonnen und liaben dadurcb eine viel grofi ere Festigkeit und weit innigeren Zusammenhang erlangt, als das mir gedachtnismiifiige Aufuehmeu eines Vortrages bewirken karm; insoferne bediirfeu sie bei Gymnasiasten, die far deu Uuterriclit fleifiig gewesen sind, keiuer besonderen Vorbereitung, und anderer- seits wiirden sicli die Kenntnisse, welche erst durcli eine solclie Vorbereitung gewonnen sind, von den durch selbstthatige und gleichmafiige Beschaftigung allmahlich entwickelten merklich unterscheiden. Naher liegt die Besorgnis einer speciellen und gedachtnismafiigen Vorbereitung auf die Prufung bei der M a t h e m a t i k, ja sie ist bei diesem Gegenstande voll- kommen begrtindet, wenu man die Kenntnis a 11 e r im Unterrichte vorgekommenen Lehrsatze und Aufgaben sammt ihren Beweisen und Auflosungen zur Priifungs- forderung macht. Aber eine solche Forderung ist auf der einen Seite zu weit, indem sie nothwendig ein specielles Memorieren mancher Gegenstande unmittelbar zur Prufung erfordert, auf der anderen Seite ist sie zu eng, weil die mathematisehe Bildung des zu Priifenden hiedurch noch immer nicht sicher constatiert wird. Denn diese liegt nicht in der blofien Kenntnis jener Sfttze, sondern in der Fahigkeit, von ihnen einen math ematisch-v r issenschaftlichen Gebrauch zu maclien, namlich zum Beweise von Lehrsatzen, zur Losung von Aufgaben, welche in unmittelbarer Abhangigkeit von den im Unterrichte durchgenommenen und verstandenen Haupt- satzen stelien. Diese Fahigkeit ist nicht durch eine specielle Vorbereitung, vollends nicht durch Auswendiglernen von Satzen und Beweisen zu erlangen, sondern sie ist nur die stufemveise sicli ergebende Frucht der Vertiefung in die einzelnen Gebiete des Gegenstandes. Eine unbillige Forderung aber, etwa die Forderung mathematischer Erfindungsgabe oder gliieklicher Combination, wird hiedurch an den zu Prufenden nicht gestellt, wenn nur der ganze Unterricht dahin gearbeitet hat, jeden bedeutenden Lehrsatz durch geeignete Durehiibung in Anwendungen und Folgerungen zum lebendigen Eigenthume der Lernenden zu maclien. Indem nun diese Aneignung bis zu einiger Herrschaft tiber den Lehrstoff nicht fur alle Gebiete der Mathematik in gleichem Mafie erreicht werden kanu, se hebt die Vorschrift einige bestimmte Gebiete hervor und zwar diejenigen, deren Beherrschung vom Schuler am ehesten zu erreichen und deshalb audi am entschiedensten zu fordern ist, weil sie den Zugang zu allen anderen Gebieten sicher eroffnen. -- Der Lehrer wird darauf bedacht sein, fur die scbriftliche Prufung auf dem Gebiete der Planimetrie und Trigonometrie Auf¬ gaben zu wahlen, seien es Aufgaben im speciell mathematischen Sinne, oder seien es Lehrsatze, welche zu den Hauptsatzen dieser Gebiete in einer so nahen Beziehung stehen, dass diese Beziehung dem, welchem jene sicher und griindlich bekannt sind, gewiss einfallen muss; besonders eignen sich Aufgaben und Lehrsatze, welche zugleich eine geometrische, arithmetische und trigonometrische Bearbeitung zulassen. In den arithmetischen Gebieten hat die Wahl passender Aufgaben keine Sclnvierigkeit. In der Geschichte endlich, welche zu den besprochenen Besorgnissen den dringendsten Anlass gegeben hat, ferner in der Physik, welche bei ihrer umfassenderen Aufnahme in den Gymnasialunterrieht dieselbe Gefahr mit sich zu bringen scheint, 24 sucht dic Vorschrift die Schwierigkeit die Prtifung dadurch zu mindera, dass sie aus dem weiten Umfange dieser Wissenschaften diejenigen Gebiete heraushebt, in dcnen sichere und grtindliche Kenntnisse zu besitzen jeder Gebildete als Forderuug an sich stellen muss, und auf deren umfassende und wiederbolte Mittheilung das Gymnasium deshalb besondere Muhe verwendet. Wenn die obigen Ausftihrungen nachweisen, dass die Forderungen der Priifung in manchen Einzelheiten hinter der Behandlung der Lehrgegenstande in der obersten Classe zurtickbleiben, und dass sie nicht die auftersten Spitzen der Gymnasial- kenntnisse zum wesentlichen Gegenstande haben, sondern den festen S t a m m des Wissens, aber bei diesem nicht bloS ein todtes Wissen, sondern ein lebendiges Verarbeiten und Verwerten des Gewussten verlangen, so werden die Gymnasien nicht etwa daraus die Folgerung ziehen, sie hatten in den einzelnen Gegenstanden des Unterrichtes uberhaupt nicht weiter zu gehen, als die Prtifung ftir die Abgehenden eben erfordert. Es bedarf wohl keiner besonderen Begrimdung, dass das Ziel eines Unterrichtes, der fortwahrend das Interesse wecken und die geistige Kraft starken soli, durch ein ganz anderes MaB gemessen werden muss, als die Forderungen einer Prtifung. Nach diesen Erorterungen allgemeinerer Natur tiber Zweck und Wesen der Maturitatsprtifung sollen nun im Anschlusse an die §§. 78—88 des Organisations- Entwurfes mit Berticksichtigung. der seit der Reorganisation der Gymnasien durch besondere Verordnungen und Erlasse eingeftihrten Modihcationen die gegemvartig giltigen Bestimmungen tiber die Abhaltung dieser Prtifung im einzelnen folgen. Zu §. 78. Ort der Prufungen. Jedes vollstandige Staatsgymnasium hat am Schlusse eines jeden Schul- jahres unter Leitung des Landesschulinspeetors, dem es untergeben ist, oder eines von der Regierung beauftragten Stellvertreters eine Maturitatsprtifung zu veranstalten. Offentliche Gymnasien, die nicht Staatsanstalten sind, haben das Recht zur Abhaltung von Maturitatsprtifungen und zur Ausstellung von Maturitatszeugnissen nur dann, wenn es ihnen besonders und ausdrticklich veriiehen worden ist. Privat- gymnasien steht das Recht, Maturitatsprtifungen vorzunehmen, nicht zu. Zu §. 79. Bedingungen zur Zulassung zur Prtifung. Zur Maturitatsprtifung kann sich im allgemeinen jeder Gymnasiast am Schlusse des letzten Jahres des Gymnasialcurses melden, mag er dem Gymnasium als offent- licher Schiller oder als eingeschriebener Privatist angehoren; er hat sich zu diesem Zwecke wenigstens zwei Monate vor dem Schlusse des 2. Semesters schriftlich beim Director zu melden. Die in der ohersten Classe beschaftigten Lehrer ziehen sodann in einer beson- dereu Conferenz in Erwagung, ob der Bildungszustand derer, die sich gemeldet haben, so beschaffen ist, dass die Ertheilung eines Zeugnisses der Reife mit Wahr- scheinlichkeit zu erwarten steht. 25 Schiller der VIII. Classe, \velchen im 2. Semester ein Zeugnis der ziveiten oder dritten Fortgangsclasse ertheilt wurde, sind nicht vor Ablauf eines weiteren Schuljahres, jene, ivelchen wegen nngeniigender Leistungen in einem einzigen Gegen- stande die Wiederholungspriifung nach den Ferien gestattet wurde, erst nach gelungener Wiederholungspriifung — im giinstigen Falle auf ihr Ansuchen bereits fur den Herbsttermin desselben Jahres — zur Ablegung der Maturitatspriifung zuzulassen. Externe, d. i. Priifungscandidaten, welche weder als offentliche Schiller noch als Privatisten der obersten Classe an einem offentlichen Gymnasium eingeschrieben waren, miissen, um zur Maturitatspriifung zugelassen zu werden, 1. das 18. Lebensjahr zuruckgelegt haben und bei der Landesschulbehorde jenes Kronlandes, in welchem sie die Maturitatspriifung abzulegen wiinschen, \venigstens 3 Monate vor Ablauf des Schuljahres um die Zulassung zur Ablegung dieser Priifung und um Bestimmung des Gymnasiums ansuchen. In diesem — classenmaBig gestempelten — Gesuche ist das Alter, das Religions- bekenntnis und der Wohnort des Bittstellers, dann Name und Stand des Vaters oder Vormundes mit beglaubigten Zeugnissen nachzuweisen, endlich aufzuklilren, wo, wie und binnen welcher Zeit der Candidat die Gymnasialbildung erlangt hat. 2. Die Landesschulbehorde hat diese Nachweisungen zu priifen und liber deren Kichtigkeit im Falle eines Zweifels nabere Erhebungen zu pflegen. Sind die Nachweisungen befriedigend, so hat die Landesschulbehorde ein Gymnasium zu bestimmen, an welchem mit solchen Candidaten die Maturitatspriifung und zwar mit besonders sorgfaltiger Erprobung ihrer gesammten Bildung und geistigen Reife vorzunehmen ist. Ohne ausdriicklichen Auftrag der Landesschulbehorde ist keine Anstalt berechtigt, mit Candidaten der bezeichneten Art Maturitatspriifungen vorzu¬ nehmen, und solite es dennoch geschehen, so ware eine solche Priifung ungiltig und wirkungslos. 3. Weisen die der Landesschulbehorde vorgelegten Documente die gesetzliche Bedingung der Zulassung nicht nach oder ist aus ihnen, beziehungsweise aus den liber sie gepflogenen Erhebungen zu ersehen, dass es dem Bittsteller offenbar an der erforderlichen Bildung fehlt, oder dass es ihm an der Moglichkeit, sich die erforderlichen Kenntnisse zu ervrerben, gebraeh, oder endlich dass gegen seine Zulassung zu hoheren Studien sittliche Bedenken obvralten, so ist sein Gesuch abzuweisen. 4. Eine durch falsche Angaben oder wie immer erschlichene Zulassung zur Maturitatspriifung hat deren Ungiltigkeit und die Ausschlieliung von jeder Wieder- holung derselben zur Folge. Selbst der Versuch einer derartigen Erschleichung ist mit unbedingter Ausschliefiung von jeder Maturitatspriifung zu bestrafen. Den Landesschulinspectoren und deren Vertretern bei der Leitung der Priifungen obliegt es insbesondere, im Einvernehmen mit den Gymnasialdirectoren und den Lehrer- collegien sorgfaltigst und mit Amvendung aller hiezu geeignet erscheinenden Mittel die Identitat der vor der Prilfungscommission erscheinenden externen Examinanden mit den zur Priifung gemeldeten sicherzustellen, 26 5. Externe, \velche in friiheren Jahren einem Gymnasium angehort haben und aus deinselben ausgetreten sind, um die Gymnasialstudien auf dem Wege des hauslichen Unterrichtes zu vollenden, ohne sich dabei den Semestralpriifungen zu unterziehen, sind in der Regel nicht friiher, als am Ende desjenigen Sehuljahres, in welchem sie bei regelmaftiger Fortsetzung ihrer Studien an einem offentlichen Gymnasium die achte Classe absolviert haben wtirderi, zur Maturitatspriifung zuzulassen. Ausnahmen hievon konnen bewilligt werden, wenn durch besondere Umstande die Wahrscheinlichkeit eines ungevvohnlich erfolgreichen Studhims glaub- wiirdig nachgewiesen ist. liber die Meldungen der zugelassenen Externen ist ein Protokoli zu fiihren, in welchem auch angemerkt wird, auf welche Weise, z. B. durch welche Zeugen ein jeder von ihnen die Identitat seiner Person dargethan habe. 6. Candidaten, welche sicli mit einem im Inlande gesetzlich erworbenen Maturitatszeugnisse fiir Studien an technischen Ilochschulen a,usweisen. ist bei der Ablegung der Maturitatspriifung fiir Universitatsstudien die Priifung aus Mathematik, Physik und Naturgeschichte unbedingt zu erlassen und die Priifung aus Geschichte auf die Geschichte der classischen Volker des Alterthums zu beschranken. Ein local a-u s g e s c h 1 o s s e n e r Schiller bedarf, wenn er nicht bereits wieder a n einem offentlichen Gymnasium Aufnahme gefunden hat, um zur Maturitats¬ priifung zugelassen zu werden, der speciellen Erlaubnis der Landesschulbehorde desjenigen Kronlandes, in welchem er die Maturitatspriifung abzulegen wtinscht. Ist ein Schiller von allen Gymnasien ausgeschlossen worden, so hangt seine Zulassung zur Maturitatspriifung von der speciellen Bewilligung des Ministeriums fiir Cultus und llnterricht ab. Frauen, welche den Besitz der bei einer Maturitatspriifung auszmveisenden Kenntnisse darzulegen wiinschen, ist die Ablegung dieser Priifung in der allgemein vorgeschriebenen Form nicht zu venvehren. Da aber Frauen zu akademischen Studien weder als ordentliche noch als aufierordentliche Horer zuzulassen sind, folglich ihre Zulassung zur Maturitatspriifung den regelmaftigen Zweck dieser Priifung, die Reife fiir das akademische Studium zu erproben, nicht verfolgen kann, so ist in dem iiber den Priifungsact auszustellenden Zeugnisse die sonst vorgeschriebene Schlussclausel, dass Examinand seine Reife zum Betriebe hoherer Studien dargethan habe oder dergleichen, wegzulassen und an Stelle dessen lediglich anzumerken, dass Exaininandin denjenigen Anforderungen geniigt habe, \velche bei einer Maturitats¬ priifung an die mannliche Jugend gestellt werden. Das Zeugnis ist auch im Ein- gange nicht als Maturitatszeugnis, sondern einfach als Zeugnis zu bezeichnen. Zu §. 80. E i n 1 e i t u n g der P r ti f u n g. Zu Punkt 1 : Die Lehrer der einzelnen Gegenstande haben die fiir die schriftlichen Arbeiten vorgeschlagenen Themen fiir jeden Theil der Priifung abgesondert in doppeltem Couvert, \vovon das innere, fiir die Rtieksendung bestimmte, unver- siegelt bleibt und jedes die entsprechende Aufschrift tragt, mit dem eigenen Privat- siegel geschlossen dem Director zu iibergeben, der dieselben unter dem Amtssiegel dem vorgesetzten Landesschulinspector unmittelbar zusendet. 27 Es ist wunschenswert, dass die vorgeschlagenen Textesstellen beigelegt und dass bei jedem Thema, zumal bei den Ubersetzungen ins Latein und aus dem Latein, dann aus dem Griechischen zugleich ersichtlich gemacht iverde, welche das Verstandnis erleichternden Angaben oder Winke an das Dictat angeschlossen werden sollen. Werden diese Hilfen vom Inspeetor genehmigt, so ist der Fachlehrer in dieser Beziehung gebunden und darf iiber das bereits aus dem Vorschlage Ersichtliche nieht mehr hinausgehen. Zu §. 81. S c h r i f 11 i c h e P r ii f u n g. Zu Punkt 2 : Wenn der Aufsatz in der Unterrichtsspracbe vorzuglich die allgemeine Bildung erproben soli, so muss sich diese zunachst in der Klarheit, Angemessenheit und logischen Richtigkeit der Anlage, dann in dem sprachrichtigen, gewandten, einfacben und natiirlichen Ausdrucke der Gedanken offenbaren. Es ist klar, dass der Abiturient des Gymnasiums den Grad der gewonnenen sprachlich- logischen Bildung in erster Linie und vomehmlich durch den freien Aufsatz in der Unterrichtssprache aufweist, und daraus ergibt sich die Bedeutung, welcbe dem Aufsatze in der Unterrichtsspracbe bei der Maturitatsprufung zukommt. Fur die Ubersetzungen aus dem Lateinischen, ans dem Grichischen, sowie in das Lateinische sind solche Vorlagen zu wahlen, welche die wahrend des letzten Jahres an die Schiller gestellten Forderungen an Schwierigkeit nicht iibertreffen. Zu Punkt B: Als Hilfsmittel sind fur die Ubersetzung aus dem Griechischen das Lexikon dieser Sprache, fur die mathematische Arbeit Logarithmentafeln gestattet; fiir den Aufsatz in der Unterrichtssprache und der zweiten lebenden Sprache, dann fur d ; e Ubersetzung aus dem Lateinischen und ins Lateinische sind keine Hilfsmittel zuzulassen. Der Text der zu iibersetzenden Classikerstellen ist in der Regel den Examinanden ohne Angabe des Autors oder Werkes zu dictieren, uberdies, wenn es nothig erscheint, auf der Tafel nachschreiben zu lassen; die auf das Dictieren ver- wendete Zeit wird natiirlich in die zugemessene Arbeitszeit nicht eingerechnet. Da das Dictieren des Textes langere Zeit in Anspruch nimmt und sich dabei in die Dictate trotz aller Aufmerksamkeit manche storende Fehler und manche Miss- verstandnisse einschleichen, so sei es den, Directoren anheimgestellt zu envagen, wie sie bei strengster Wahrung des Geheimnisses und sorgfaltigster Verhutung jedes Missbrauches den Examinanden einen correcten Text vorlegen konnten. Zu Punkt 4: Um Unterschleifen wirksam vorzubeugen, ist es nothwendig, dass der die Aufsicht fiihrende Lehrer seine ganze Aufmerksamkeit unausgesetzt nur den Examinanden zuwende. Auch ist einem Examinanden nur in den aller- dringendsten Fallen das Verlassen des Arbeitslocales wahrend der Arbeitszeit zu gestatten. Die inspicierenden Lehrer sollen es auch sorgfaltig vermeiden, den Examinanden irgend welche unstatthaften Winke oder Andeutungen beztiglich der Arbeit zu geben. Zu Punkt 5: Die Tage fiir die schriftlichen Clausurarbeiten sollen unmittelbar nacheinander fallen; der Unterricht in der VIH. Classe wird an diesen Tagen aus- gesetzt. 28 An sammtlichen Mittelschulen (Gymnasien und Realschulen), an welchen Maturitatsprufungen abgehalten werden, haben die schriftlichen Maturitatsprufungen in je einern Lande gleichzeitig zu beginnen. (M.-V. v. 8. April 1890, Z. 6929, M.-V.-Bl. Nr. 18.) Da auf einen Tag fiinf Arbeitsstunden fallen diirfen, ist es moglich, einmal zwei Arbeiten, durch eine ausgiebige Unterbrechung getrennt, auf denselben Tag zu verlegen — nebst der zweistlindigen Ubersetzung aus dem Lateinischen die drei- stiindige Arbeit aus der zweiten lebenden Sprache — und so bei der gesetzlichen Zalil der scbriftlicben Priingsarbeiten mit fiinf Tagen ausreiehen. Zu Punkt 8: Nach Beendigung seiner Arbeit hat jeder Examinand sowobl die Reinschrift als auch das Concept und etwaige stenographische Entwiirfe, sonstige Notizen oder Nebenrechnungen, mit der Ubersetzung aus dem Lateinischen und aus dem Griechischen auch den dictierten Text abzugeben. Zu Punkt 9: Wenn ein Examinand bei den Clausurarbeiten dem unredlichen Gebaren eines anderen Vorschub leistet, so kann dies nach Umstanden in derselben Weise geahndet werden, als hatte er selbst sich eines Unterschleifens schuldig gemacht. Im Falle, als ein Examinand sich bei den Clausurarbeiten eines Vergehens im Sinne des §. 81, Punkt 9 des Organisations-Entwurfes und des Punktes 2, lit, b) der Ministerial-Verordnung vom 28. April 1885, Z. 7553, M.-V.-Bl Nr. 24, schuldig macht, und sonach sein gesetzwidriges Benehmen gemafi §. 81, Punkt 9 des Organisations-Entwurfes auf dem Zeugnisse abgesondert zu bemerken ist, hat dieses die Bemerkung zu erhalten: „Musste nach §. 81, Punkt 9 des Organisations- Entwurfes fiir Gymnasien die schriftliche Maturitatsprufung wiederbolen.‘' Zu §. 82. Correctur der schriftlichen Prufungsarbeiten. Zu Punkt 1 : Das Urtheil iiber die Clausurarbeiten ist stets ohne Modification oder Einschrankung durch eine der fiir die Semestralzeugnisse vorgeschriebenen Fortgangsnoten auszusprechen; eine hievon abgesonderte kurze Motivierung des Urtheiles, bei welcher unterscheidbare Seiten der Leistungen abgesondert charakterisiert werden, soli damit keineswegs ausgeschlossen sein. Zu Punkt 2 : Mit den corrigierten schriftlichen Arbeiten und mit der tabellarischen Ubersicht der Urtheile iiber die einzelnen Prufungsarbeiten u. s. w. ist eventuell auch das oben erwahnte Protokoli iiber die Anmeldung der zur Maturitatspriifung zugelassenen Externen an den Landesschulrath einzusenden. Fiir die tahellarische Ubersicht empfiehlt sich das Formular D. (Abschn. VIII.) Aus naheliegenden Griinden erscheint es angemessen, das Urtheil iiber die schriftlichen Priifungen, das ja, selbst wenn es keine Modification zu erfahren hat (s. O.-E. §. 83, 5), nur eine von den Componenten des Schlussresultates darstellt, als strenges Amtsgeheimnis weder den Examinanden selbst noch deren Angehiirigen bekannt zu gehen, jene Falle ausgenommen, wo die Priifungscommission \vegen des Misslingens der schriftlichen Arbeiten sich bestimmt sieht, einern' Candidaten aus diesem Grunde von der Fortsetzung der Priifung formlich abzurathen. 29 Sind von den schriftlichen Arbeiten eines Examinanden vi er*) als nicht genugend befunden \vorden, so ist derselbe ftir den laufenden Termin von der Maturitatspriifung zuriickzmveisen und als reprobiert zu behandeln. Diese Reprobation ist als ein in der Vorconferenz gefasster Beschluss der Priifungscommission aus- zusprechen. Zu §. 8-5. Miindliche Priifung. Punkt 1. Die miindlichen Maturitatspriifungen finden im Haupttermine am Sehlusse des II. Semesters (Sommertermin) und im Nebentermine, unmittelbar nach den Hauptferien (Herbsttermin) unter personlicher Amvesenheit und Leitung des Landesschulinspectors oder dessen Stellvertreters statt. Die mundlichen Priifungen im Haupttermine werden in Wien und nach Thunliehkeit auch in den groUeren Landeshauptstadten innerhalb der letzten acht Tage des Schuljahres abgehalten. Am Tage vor ihrem Begilme wird der gesammte Unterricht an der betreffenden Anstalt abgeschlossen und die Vertheilung der Semestralzeugnisse vorgenommen. An allen anderen Orten wird die miindliche Priifung innerhalb der letzten zwei Wochen des Schuljahres und der ersten zwei Wochen der Hauptferien an den vom Landesschulrathe bestimmten Tagen abgehalten. Der Sommertermin ist der regelmaftige Priifungstermin fiir die im selben Schuljahre absolvierenden offentlichen Schiiler, fur die Privatisten der obersten Classe, soferne dieselben zugelassen werden diirfen (Punkt 2, lit. a) d. M.-V. v. 28. April 1895, Z. 7553, M.-V.-Bl. Nr. 24) und ftir die bei der Maturitatspriifung im vorangegangenen Sommer- und Herbsttermine auf ein ganzes Jahr zuriickgewiesenen Candidaten. Der Herbsttermin ist nur zur Priifung solcher Abiturienten bestimmt, welche im Sommertermine die bereits begonnene Priifung zu Ende zu fuhren that- sachlich verhindert sind, und fiir diejenigen Abiturienten, welche, um zur Priifung kommen zu diirfen, vorher noch eine Wiederholungspriifung zu bestehen haben. Privatschiiler (Externe) konnen zu jedem der beiden Termine zugelassen werden. Wahrend der sechs dem Beginne der mundlichen Maturitatspriifung unmittelbar vorangehenden Wochentage, beziehungsweise, wenn die miindliche Maturitatspriifung in die Hauptferien fallt, w;ihrend der sechs letzten Wochentage des Schuljahres findet fiir die Abiturienten keinerlei Unterricht statt. Die Landesschulbehorde maeht, rechtzeitig diejenigen Gymnasien namhaft, an vvelchen im Herbsttermine eine Maturitatspriifung stattfindet; diesen Gymnasien sind alsdann die Abiturienten auf ihr von dem betreffenden Lehrkorper befiirwortetes Ansuchen durch den Landesschulinspector zuzuweisen. Wird fiir den Herbsttermin nicht auch jene Lehranstalt ausersehen, an welcher die die miindliche Maturitats¬ prufung nachtragenden Examinanden bereits die schriftlichen Priifungen abgelegt haben, so dass der Abschluss ihrer Priifung nicht vor derselben Priifungscommission erfolgen kann, so haben dieselben vor der neuen Priifungscommission nach den vom Landesschulinspector zu wahlenden Themen die schriftlichen Arbeiten zu wiederholen. *) In Dalmatien ftinf (von sieben) (M.-E. v. 13. April 1886, Z. 6225). 30 Die Prufungscommission besteht rege 1 m a 13 i g aufter dem Vorsitzenden aus dem Director des Gymnasiums umi den Lehrern der lateinischen, griechisehen und der Unterrichtssprache, der Geschichte uud Geographie, der Mathematik und der Physik in der VIII. Classe. Der Lehrer der zweiten lebenden Spraebe (Landessprache) und die Lehrer jener Obligatgegenstande, \velehe bei der Maturitatsprufung in der Regel nicht gepriift werden (s. u. P. 2), sind der Prufungscommission n ur insoferne beizu- ziehen, als aus diesen Gegenstanden Examina vor der Commission abzulegen sind. Pnnkt 2 . Die miindliche Priifung erstreckt sich auf a) lateinische Sprache und Literatur, b) griechische Sprache und Literatur, c) Literatur der Unterrichtssprache, d) Geschichte und Geographie, e) Mathematik, f) Physik, g) Grammatik und Literatur der zweiten lebenden Sprache in dem §.81, 1 des Organisations-Entwurfes bezeichneten Falle. Die Priifungen aus der Religionslehre, Naturgeschichte und philosophischen Propadeutik, welche Candidaten mangels staatsgiltiger Zeugnisse aus diesen Gegen¬ standen abzulegen haben, sind regelmafSig vor der iibrigen Maturitatsprufung, jedoch stets nur an demselben Gymnasium, a n w e 1 c h e m die Maturitatsprufung beabsichtigt wird, vorzunehmen. Jede solche Priifung \vird durch den betreffenden Fachlehrer im Beisein des Directors abgehalten, und es wird dabei ein Protokoli aufgenommen, welches den Verlauf und Erfolg derselben mit bestimmter Angabe der erworbehen Note zu enthalten hat und den Maturitatsprufungsacten einzuverleiben ist. Von dem giinstigen Erfolge dieser Priifung ist die Zulassung zur weiteren Priifung in demselben Termine abhangig zu machen, Die Zuriickgewiesenen sind nicht unter die Reprobierten zu zahlen. Die bei dieser Vorpriifung in den einzelnen Gegenstanden erworbenen gunstigen Noten behalten bei einer eventuellen neuerlichen Ablegung der Maturitatsprufung ihre Giltigkeit. Punkt 3. In der Regel soli kein Examinand von der mtindlichen Priifung in irgend einem obligaten Gegenstande dispensiert werden; doch steht es dem Vorsitzenden der Prufungscommission frei, im Einvernehmen mit dem Fachlehrer ausnahmsweise einen Gegenstand fur einzelne Examinanden ausfallen zu lassen. Diese Dispens soli sich in der Regel auf solche offentliche Schiller beschranken, welche nicht nur die schriftliche Priifung mit mindestens lobens- wertem Erfolge bestanden, sondern sich iiberdies im Laufe der letzten Semester durch ihre Leistungen volles Vertrauen erworben haben. Bei Privatisten, Externen oder offentlichen Schulern eines and er e n Gymnasiums darf unter keinen Umstanden eine Dispens bewilligt w er den. Aus der zweiten lebenden Sprache (Landessprache) darf die m u n d 1 i c h e Priifung ni e entfallen; nur sind bei derselben die allgemeinen Grundsatze, welche 31 weiter unten beziiglich des Mafistabes der Beurtheilung der Priifungsleistungen entwickelt werdcn, streng im Auge zu behalten. Diejenigen Abiturienten eines Gymnasiums, deren Durchschnittsleistung aus den vier letzten Semestern ihres offentlichen Studiums in der Geschichte und in der P h y sik durch die Noten „lobenswert“ oder „vorztiglich“ charakterisiert werden kann, werden von der Prufung aus diesen beiden Gegenstanden losgezahlt und die ihnen zukommenden Durchschnittsnoten aus diesen zwei Gegenstanden mit Einfiuss auf den Gesammtcalciil in das Maturitatszeugnis eingetragen. Dasselbe gilt von den an einem offentlichen Gymnasium eingeschriebenen Privatisten, wenn dieselben durch die vorgeschriebenen Semestralpriifungen tiber sammtliche vier Semester der VII. und VIII. Classe staatsgiltige Zeugnisse erworben haben. ' Fiir einen Candidaten, dessen Leistung bei der Prufung im Sommertermine blofi in einem Gegenstande ,,niclit geniigend“ war, und welchem von der Priifungs- commission gestattet vfurde, sich im nachsten Herbsttermine einer Verbesserungs- priifung zu unterziehen, haben, wenn er diese Prufung nicht bestand, bei der Wiederholungspriifung diejenigen Gegenstande unbedingt zu entfallen, aus welchen er im vorangegangenen Sommertermine \venigstens die Note „befriedigend“ erhalten hat. (M.-E. v. 10. December 1885, Z. 22906, M.-V.-Bl. 1886, Nr. 1.) Punkt 4. Die miindliche Prufung der Maturitatscandidaten \vird vormittags von 8-12, nachmittags von 3—7 Uhr in der Art vorgenommen, dass vor- und nach- mittags je eine Gruppe von Candidaten vollstandig gepriift und das Ergebnis der Prufung den Candidaten unmittelbar nach der Beschlussfassung der Prtifungs- commission mittags und abends bekannt gegeben wird. Punkt (5. Zu priifen hat in jedem Gegenstande der denselben in der obersten Classe vortragende Lehrer, der als solcher Mitglied der Commission ist. Doch hat der Vorsitzende das Recht, wenn er die Art und Weise des Priifens in einem Fache nicht fur angemessen halt, oder wenn es ihm aus irgend einem anderen Grunde passend erscheint, sich in einer das Ansehen des betreffenden Lehrers gebiirend berueksichtigenden Weise am weiteren Priifen selbst zu betheiligen. Punkt 7. Bei der miindlichen Prufung miissen fortwahreud zugegen sein: der Vorsitzende, der Director und jene Lehrer der obersten Classe, welche als Examinatoren Mitglieder der Prufungscommission sind. Dringend zu wiinschen ist die Amvesenlieit der iibrigen Lehrer des Gymnasiums; n ur wenn diese zuver- lassig erwartet werden kann, darf wahrend der Dauer der miindlichen Priifungen, jedocli nur im Haupttermine der Unterricht in allen Classen des Gymnasiums ausgesetzt werden. AuBerdem durfen bei der miindlichen Maturitatsprtifung anvvesend sein die Vertreter stadtischer und anderer Behorden und Corporationen, welche zur Erhaltung der Lehranstalt in Beziehung stehen, — der Director hat ihnen daher die Zeit dieser Priifung amtlich bekanntzugeben — ferner auf ihren besonderen Wunsch auch die V liter oder Vormiinder der Gepriiften. 32 §.84. F o r d e r u n g e n u n d M a fi s t a b d e r Beurtheilung. Zum Maiistabe der Beurtheilung fur die schriftlichen wie fur die miindlichen Leistungen dienen im allgemeinen die Forderungen, welehe gemafi der Lehraufgabe des Obergymnasiums an die Schiller zu stellen sind, so dass Prufung und Beurtheilung sich weder auf den Lehrstoff des letzten Sehuljahres beschrankt, noch auch diesen iiberwiegend hervorhebt, sondern yielmehr die aus dem ganzen Unterrichte gewonnene Bildung ins Auge fasst. Die Maturitatspriifung soli keines\vegs eine Gesammtpriifung uber das ganze, auf den einzelnen Lehrstufen des Gymnasiums erlangte Wissen sein, sie hat vielmehr — im Unterschiede von anderen Priifungen — den selbstandigen Zweck, die geistige Reife des Schiilers zu einem akademischen Studium zu erproben; deshalb ist bei ihr das ganze Gewicht nicht auf die,einzelnen Kenntnisse der Schiller, sondern einzig und allein auf die erreichte allgemeine Bildung, auf den allmahlich gewonnenen geistigen Gesichtskreis und auf jene formale Schulung des Geistes zu legen, welche zu wissenschaftlichen Studien, wie sie auf der Hochschule betrieben werden, die nothwendige Voraus- setzung ist. Diesen Principien widersprache es direct, wenn die Maturitatspriifung in eine Reilie zusammenhangloser Einzelpriifungen aufgelost und hiebei Forderungen gestellt wiirden, welche eine besondere, zumal im letzten Jahrescurse kaum zu leistende Vorbereitung bedingen. Es ist festzuhalten, dass ohne Nachweis der erforderlichen allgemeinen (formalen) Reife auch das minutioseste Einzelwissen nicht gentigt, und es ist umgekehrt bei erbrachtem Nachweise jener Reife auf einzelne, unwesentliche Liicken in dem positiven Detail eines Gegenstandes kein entscheidendes Geivicht zu legen. Darum ist es von besonderer Wichtigkeit, dass zunachst schon auBerlich bei der Fragestellung alles vermieden werde, was das Bestehen der Prufung als Sache des Zufalles erscheinen lassen konnte (Zettelfragen); femer das die Prufung in jenen Gegenstanden, welche am ehesten zu gedachtnismaBiger Vorbereitung Anlass bieten, mehr die Form eines freien Colloquiums annehme, um das Gebiet der Prufung je nach dem Ausfalle der Antworten angemessen einschranken oder eriveitern zu konnen, in allen Fallen aber nur auf Wesentliches auszudehnen. Der Exaininator darf sich iiber die Schwierigkeit des Prufungsgeschaftes nicht tauschen, und er \vird selbst dann, wenn er sonst im Lehren und Priifen bereits Ubung und Erfahrung besitzt, einer sorgfaltigen Uberlegung bediirfen, wie er diese Prufung einzurichten habe, damit sie ein rationeller Act sei und zur richtigen Beurtheilung der Reife zureichende Momente liefere. Von der Art des Priifens, die einem Examinator eigen oder an einer Schule iiblich ist, hangt es auch ab, ob die Abiturienten eine besondere Vorbereitung fur unerlasslich halten zum Bestehen der Maturitatspriifung oder derselben ohne Schaden entrathen zu konnen glauben. Vor allem wird sich der Examinator gegemvartig zu halten haben, dass weder in Bezug auf die Menge noch auf die Genauigkeit des Besonderen jene Forderungen gestellt werden diirfen, die allerdings bei Priifungen wahrend des Unterrichtes und zur Erprobung der Versetzbarkeit, wo es sich um ein en beschrankten und erst kiirzlich durchgearbeiteten Stoff handelt, ganz berechtigt erscheinen; dass ebensowenig 33 dieselbe Genauigkeit in Entwickelung und Darlegung, dieselbe Abrundung und Correctheit der Darstellung gefordert werden konne. Andererseits ist auch nicht auGeracht zu lassen, dass diese Prtifung nicht der Belehrung zu dienen habe, daber denn Irrthtimer, die der Examinand nicht sofort selbst gewahrt oder auf eine leichte Erinnerung alsbald zu berichtigen weiG, nicht weiter verfolgt zu werden brauchen. Endlich wird der Examinator wenigstens bei den Abiturienten des eigenen Gymnasiums, deren Entwicklung und Leistungsfahigkeit ihm in der Regel aus jahre- langer Beobachtung bekannt ist, durch die Maturitatsprtifung nicht so sehr erst selbst ein Urtheil liber ihre Reife zum Ubertritte an die Universitat zu gewinnen brauchen, als vielmehr die Gelegenheit zu bieten haben, dass die Prtifungs- commission sich dariiber ein begriindetes Urtheil bilden konne. Wie er dies am sichersten und auf dem ktirzesten Wege moglich mache, das sei die Hauptsorge des Examinators. Die Auswahl der Fragen ist zunachst dem Ermessen des Prtifenden iiberlassen; ob er aber die Beantwortung einer jeden in aller Ausfiihrlichkeit und bis zu Ende durchfiihren lassen soli, ferner wie viele Fragen und aus wie vielen Gebieten des Faehes von dem Priifling zu erledigen sind, dies zu bestimmen ist dem Vorsitzenden der Commission vorbehalten, der in beiden Beziehungen die Sache so zu leiten liat, dass die Prufung nicht mehr Zeit in Anspruch nimmt, als ftir die Mitglieder der Commission zur Gewinnung eines begrundeten Urtlieils unbedingt nothig erscheint. Nach den entwickelten Gesichtspunkten stellen sich die Forderungen ftir die einzelnen Lehrgegenstande in folgender Weise. 1. Lateinische Sprache und Literatur. Der Examinand muss tiber die im Gymnasium gelesenen Schriftsteller, also liber Caesar, Ovid, Livius, Sallust, Cicero, Tacitus, Vergil, Horaz, was Inhalt und Form ihrer Werke anbelangt, Rechenschaft geben konnen und muss fahig sein, einen in der Schule nicht gelesenen, weder kritische noch greli ere sachliche Sch\vierigkeiten bietenden Abschnitt aus diesen Schriftstellern nach kurzer Uber- legung auf Grund grammatisch grtindlichen Verstandnisses gewandt zu tibersetzen. Das Lesen des vorgelegten lateinischen Abschnittes muss Sicherheit in der Prosodie bekunden; in der Metrik sollen dem Examinanden das elegische und die von Horaz am haufigsten gebrauchten lyrischen Versmalie bekannt sein. Seine Uber- setzung ins Lateinische muss Sicherheit in der Grammatik und einige Gewandtheit in der Vergleichung der Ausdrucksform der Unterrichtssprache mit der lateinischen beweisen. 2. Griechisclie Sprache und Literatur. Der Examinand muss tiber das aus Xenophon, Homer, Herodot, Demostlienes, Plato, Sophokles Gelesene nach Inhalt und Form Rechenschaft geben konnen und muss fahig sein, einen nicht besonders schwierigen, aber im Unterrichte nicht gelesenen Abschnitt aus diesen Schriftstellern bei Angabe seltener und ihm etwa unbekannter Worter auf Grund grammatisch grundlichen Verstandnisses gewandt zu tibersetzen. 3 34 Die Privatlecture hat bei der Maturitatspriifung insoferne Beriicksichtigung zu finden, als jeder Schiiler, weloher eine Privatlecture wenigstens in dem Umfange, der etwa einem Jahrespensum der lateinischen, beziehungsweise griechischen Schul- lectiire entspricht, nachzuweisen im Stande ist, und welcher dadurcb seinen Calciil verbessern zu konnen meint, zu ersucben berechtigt sei, dass ihm auch eine Stelle aus seiner Privatlecture vorgelegt \verde. 3. Unterriclitssprache. Von dem Examinanden ist eine historische Ubersicht, der schonen Literatur und Bekanntschaft mit den hervorragendsten Werken der anerkannt classischen Autoren auf Grund eigener Lectiire zu fordern. Hinsicbtlicli dieser Autoreu konnen auch einzelne, nicht zu weit ins Detail gehende Fragen iiber ihren Lebenslauf und ihre schriftstellerische Thatigkeit gestellt werden. Sorgfaltig zu vermeiden ist jede Veranlassung zur Eeproduction kriti- sierender Bemerkungen, ivelche der Candidat ohne geniigende eigene Literatur- kenntnis, mithin auch ohne eigenes Urtheil aufgenommen hat. Speciell aus der deutschen Sprache als Unterrichtssprache ist zu fordern: Historische Kenntnis der Entwickelung der schonen Literatur nach MaLgabe des Lehrplanes, durch eigene Lectiire gewonnene Bekanntschaft mit hervorragenden Werken aus der Zeit seit Klopstock, bei denKoryphaen der neueren Literatur auch die Kenntnis der wichtigsten biographischen Daten, endlicb die Fahigkeit, die Hauptgattungen der prosaischen und poetischen Kunstformen zu charakterisieren. Eine Priifung aus dem Mittelhockdeutschen findet nicht statt. 4. Geschichte und Geographie. Der Examinand soli mit den groBen historischen Epochen, ihrer Aufeinander- folge und ihrem Zusammenhange bekannt und in den einschlagigen geographischen Verhaltnissen orientiert sein; iiber einzelne Daten soli er so weit Bescheid wissen, als dieselben besonders hervortretende historische Personlichkeiten oder folgenreiche Begebenheiten betreffen. Genauere Bechenschaft soli er geben konnen im Gebiete der griechischen und roinischen Geschichte und zwar ebensowohl der aulieren als der inneren und der Culturgeschichte. Auch aus der osterreichischen Geschichte konnen eingehendere Fragen gestellt werden, und zwar, dass der Examinand hier die Kenntnis aller ivichtigeren Ereignisse, ihres Zusammenhanges mit den Begeben¬ heiten der allgemeinen Geschichte und der Ruckwi]-kung der letzteren auf die vater- landischen Verhaltnisse zu erweisen hat. Ebenso hat die bsterreiehische Geographie eine eingehendere Beriicksichtigung zu erfahren. 5. Mathematik. In der Planimetrie und Trigonometrie muss der Examinand so geiibt sein, dass er die Beweise von Lehrsatzen und die Losung von Aufgalien, welche in nachster und einfachster Beziehung zu den Hauptsatzen jener Gebiete stehen, nach 35 kurzer Uberlegung selbst zu fmden vermag; in den tibrigen Gebieten der Geometrie muss er Kenntnis nnd Verstandnis der Hauptsatze und ihrer Beweise dartbun. Ferner muss er einfacbe Gleichungen des ersten Grades mit e in er oder mehreren Unbekannten und des zweiten Grades mit e in er Unbekannten leicht zu losen, mit Logaritbmen gelauiig zu recbnen verstelien und in den tibrigen Gebieten der Arithmetik und Algebra mit den Hauptsatzen und ihrem wissenschaftlichen Zusaminen- hange bekannt sein. Im allgemeinen aber ist nicht sowohl die nur durch besondere Vorbereitung zu erlangende Gewandtheit und Sieherheit in der Ableitung aller Lehrsatze, sondern vielmehr die Fahigkeit zu erproben, von denselben aui' Grund klaren Verstiindnisses wissenschaftlichen Gebrauch zu maclien. 6. Physik. In der Physik ist von dem Examinanden Kenntnis der Fundamentalerscheinungen und Fundamentalgesetze aus den einzelnen Gebieten zu beanspruchen, sowie auch die Fahigkeit, einfache, damit zusammenhangende Naturerscheinungen durch dieselben zu erklaren. Vor allem sind daher aus diesem Gegenstande klare Begriffe liber die e m p i r i s C h e n Partien und etwa ihre einfachsten mathematischen Beziehungen zu fordern. 7. Zweite lebende Sprache. Der Examinand bat grammatische Richtigkeit des schriftlichen und miindlichen Ausdruckes und einige Kenntnis der Literatur zu erweisen. Zu §. 85. Conferenz liber die Zeugnisse. Zu Punkt 1 . Auf Grund des angegebenen MaBstabes fiir die Forderungen in den einzelnen Lehrgegenstanden, welcher auch schon .bei der Correctur der schrift¬ lichen Arbeiten in Anwendung zu bringen ist, berathet sich nach Beendigung der miindlichen Priifung und nach Entfemung der etwa anwesenden Vater oder Vormiinder die Priifimgscommission unter Vorsitz des Landesschulinspectors oder dessen Stell- vertreters dariiber, welches Urtheil in den einzelnen Gegenstiinden und welches Gesammturtheil einem jeden der Gepriiften zu bestimmen sei. Zu Punkt 3. Die Conferenz bestimmt auch auf Grund der Semestralzeugnisse, beziehungsweise der Priifungsprotokolle (s. o. zu §. 83, 2), die Urtheile bezilglich jener Gegenstande, welche in der Regel oder unter besonderen Bedingungen (s. o. zu §. 83, 2 und 3) bei der Maturitatspriifung nicht zu priifen sind. Zu diesem Zwecke halt der Ordinarius der obersten Classe die aus den Semestralzeugnissen und Priifungsprotokollen sorgfaltig ausgezogenen Daten in Bereitschaft und theilt sie der Conferenz mit seinem Antrage mit. In Betracht zu ziehen sind hiebei fiir Naturgeschichte die vier Semestralzeugnisse der V. und VI. Classe, fiir Religions- lehre, Geschichte, Physik und philosophische Propadeutik die vier Semestralzeugnisse der VII. und VIII. Classe. 3 * 36 In gleicher Weise wird auch das Urtheil ilber das sittliche Verhalten des Abiturienten bestimmt, wobei nur die letzten zwei Jahre zu beriicksichtigen sind. Alle diese Urtheile werden ganz kurz durch die fiir die Semestralzeugnisse geltenden Noten ausgedriickt; ein begriindender oder einschrankender Zusatz ist nur allenfalls bei der Sittennote statthaft. Das Protokoli dariiber (s. Absch. VIII, Form. E) wird nach den fiir die Fiihrung des Hauptkataloges und die Ausfertigung der Semestralzeugnisse geltenden Vor- schriften gefiibrt. Den Noten aus Religionslehre, Naturgescliichte und Propadeutik ist, wenn dieselben auf dem Erfolge der Vorpriifung beruhen, die Bemerkung „Ergebnisder Priifung", jenen aus Gescliichte und Physik, wenn sie als Durclischnittsnoten liber die vier Semester der VII. und VIII. Classe erscheinen, die Bemerkung „Durch- schnittsleistung“, endlich ist in ali en Fiillen wo die miindliche Priifung (nach Organisations-Entwurf §. 83, 3) vom Vorsitzenden erlassen wurde, der Note die Bemerkung „mit Erlassung der miindlichen Priifung" in Klammer voran- zustellen. Punkt. 4. Aus den also festgestellten Einzelurtheilen liber einen Examinanden ergibt sich unmittelbar die Beantwortung der Frage, ob demselben das Zeugnis der Reife fiir die Universitat zuzuerkennen sei oder nicbt; dabei gilt fiir die Zuerkennung der Reife mit Auszeichnung oder der einfacben Reife und fiir die Absprechung der Reife dieselbe Norm wie bei der Semestralclassification fiir die Ertheilung der allgemeinen ersten Fortgangsclasse mit Vorzug, der ersten und der zweiten Fortgangs- classe; doch hat die Note aus der (nicbt obligaten) zweiten lebenden Spracbe (Landessprache) dabei nur nacb der giinstigen Seite einen Einfluss. Tritt ein Candidat wiihrend der miindlichen Maturitatsprufung, ohne an der Fortsetzung der Priifung thatsachlieh gebindert zu sein, zuriick, so hat die Priifungs- commission in dem Falle, als nach den bereits vorliegenden Priifungsergebnissen die Unreife desselben aufier Zweifel steht, ein Schlussurtheil auszusprechen und im Maturitatspriifungsprotokolle vorzumerken. Analog der Bestimmung, nach \velcher die nicht geniigende Semestralleistung aus ein e m Lehrgegenstande repariert werden kann, darf auch — jedoch nur bei dem Priifungstennine im Sommer (Haupttermine) — einem Abiturienten, der bei der Maturitatsprufung aus einem einzigen Gegenstande nicht geniigt, von der Prtifungs- commission gestattet werden, nach den Ferien eine Wiederholungspriifung aus diesem einen Gegenstande abzulegen, jedoch nur dann, wenn die minder entsprechende Beschaffenheit der Leistungen in diesem Gegenstande einer mangelhaften Ubung des Gedachtnisses, nicht aber einem vollkommenen Abgange des nothigen Verstandnisses zuzuschreiben ist. Musste schon in Betreff der bei nicht geniigender Semestralleistung zulassigen Bewilligung einer Wiederholungsprtifung dargelegt w er d en, dass nicht in allen Fallen, wo die Unzulanglichkeit der Leistungen sich auf einen einzigen Gegenstand beschrankt, die Gestattung der Wiederholungspriifung angemessen sei, so gilt die Forderung, von dieser Bewilligung nur einen sparsamen Gebrauch zu machen, beziiglich der Maturitatsprufung in noch hoherem MaBe. Es \vird nur dann am 37 Platze sein, die Wiederholungspriifung zu gestatten, wenn die Priifung zwar iiber die allgemeine Reife des Abiturienten filr die Universitiit, d. b. liber die erforder- liche Entwickelung der Intelligenz keinen Zweifel gelassen, andererseits aber in dessen positiven Kenntnissen aus einem einzigen Gegenstande Mangel gezeigt hat, deren Erganzung bei ernstem Fleifie in der Frist von 8—10 Wochen erwartet \verden kann. Es konnte nun scheinen, dass in solchem Falle liber die Mangel hinweggesehen und ohneweiters das Zeugnis der Reife ertheilt, oder vielleicht aueh, dass in allen Fiillen ungenligender Leistung in einem einzigen Gegenstande die Wiederholungs- priifung gestattet werden solite ohne Riieksicht darauf, ob die allgemeine Reife des Abiturienten bereits aufier Zweifel steht oder niclit. Allerdings ist wiederholt mit Nachdruck betont worden, dass das Gymnasium seine Zoglinge durch den Unterricht zu einem gewissen Grade allgemeiner Bildung und formaler Schulung des Geistes entwickeln soli; es darf aber nicht libersehen werden, dass diese Schulung allein, ohne den sicheren Besitz positiver Kenntnisse manchem ernsten Bedenken unterlage, und dass jeder Abiturient aus dem Gymnasium unbedingt auch jene positiven Kenntnisse mitnehmen muss, ohne welche ihm flir den erfolgreichen Betrieb eines Facultatsstudiums die unentbehrliche Grundlage und fiir die dem Gebildeten zustehende Theilnahme am geistigen Leben der Nation und der Welt Verstandnis und Interesse fehlen wiirde. Halten sich die Forderungen der Maturitatsprufung innerhalb der in diesem Sinne gezogenen Grenzen, so kann die Berechtigung nicht bezweifelt werden, auf der Erflillung derselben auch dann zu bestehen, wenn sich die Mangel auf einen einzigen Gegenstand beschranken. Wollte andererseits eine Priifungscommission die Wiederholungspr(ifung gestatten, trotzdem sie durch die Maturitatsprufung die Uberzeugimg von der allgemeinen Reife des Abiturenten nicht hat gevdnnen konnen, so dlirfte sie nicht erwarten, bei der Wiederholungsprlifung zu einem giinstigeren Urtheile in dieser Beziehung zu gelangen; \vas solite sich denn in der kurzen Frist weniger Wochen so ivesentlich andern? Diese Zeit mag wohl hinreichen, um kleinere Liicken in den positiven Kenntnissen zu erganzen, niemals aber vermochte sie die Frucht zu reifen, die man nur von jahrelanger und vielseitiger Schulung erhoffen kann. Soli also die Gestattung der Wiederholungsprufung gerechtfertigt sein, so muss von den zwei Bedingungen, an welche die Erlangung des Zeugnisses der Reife fiir die Universitatsstudien gekniipft ist, die eine, namlich die formale Schulung des Geistes, bereits aufier Zweifel gestellt, die andere aber, namlich der Besitz der unerlasslichen positiven Kenntnisse, so weit erfiillt sein, dass nur noch in einem einzigen Gegenstande kleinere Mangel und Liicken zu erganzen sind. Im iibrigen haben die Bestimmungen liber die Wiederholungspriifungen Uber- haupt (Organisations-Entwurf §. 73, 7) auch auf die bei der Maturitatsprufung gestatteten Wiederholungsprufungen sinngemaBe Amvendung zu finden. Demnach bleibt in solchen Fallcn die Entscheidung iiber die Zuerkennung oder Versagung des Zeugnisses der Reife vorbehalten und von dem Erfolge der Wiederholungs- prufimg abhiingig, nach deren Abschluss erst ein defiuitives Zeugnis ausgestellt werden kann. '38 Solite ein Examinand, dem die Wiederholungspriifung gestattet ist, um ein Zeuguis liber die bereits abgelegteu Prlifungen ansucheu, so kanu ihm nur ein Interimszeugnis ausgestellt werden, in welchem bei dem betreffenden Gegen- stande statt des Urtheils die Bemerkung, dass die Wiederholung der Priifung nach den Ferien gestattet sei, eingetragen und kein Schlussurtheil liber die Reife ausgesprochen ist. Ein solches Interimszeugnis ist bei der Wiederholungsprufung abzunehmen. Die Wiederholungsprlifung aus einem einzelnen Gegenstande darf nur an demselben Gymnasium abgelegt werden, an welchem die Priifung Begonnen worden ist. Entspricht ein Abiturient bei derselben vieder nicht oder unterlasst er es, diese Priifung rechtzeitig abzulegen, so wird er far unreif erkannt und die Frist bestimmt, wann er sich friihestens zur neuerlichen Ablegung der Maturitatspriifung meklen darf. Punkt 5. Wenn bei den Discussionen liber das Urtheil in den einzelnen Gegen- standen oder iiber die Gesammtentscheidung eine Abstimmung erforderlich wird, so haben nur der Director und die regelmiiliig in die Prtifungscommission berufenen Lelirer (s. o. zu §. 83, 1 al. 9) in allen Fiillen, dagegen die nur fiir einzelne Examina berufenen (a. a. O. al. 10) blof.i beziiglich der von ihnen gepriiften Examinanden das Recht zu stimmen; bei Stimmengleichheit hat der Vorsitzende die entscheidende Stimme. Zu §. 86. Z e u g n i s s e. Punkt 1. Auf Grund der durch diese Schlussconferenz festgestellten und in das Priifungsprotokoll eingetragenen Urtheile fertigt der Classenvorstand der obersten Classe die Zeugnisse fiir die einzelnen Abiturienten auf den entsprechenden Formularien (s. Abschn. Vlil. Form. E und Bemerkung dazu) aus; hiebei ist die Unterrichtssprache in der fiir sie bestimmten Rubrik mit ihrem besonderen Namen zu benennen und die zweite lebende Sprache, wenn sie iiberhaupt ins Zeugnis aufzunelimen ist (§. 83, 2), in die erste der freigelassenen Rubriken einzutragen. Puukt 2. Das Zeugnis m u s s nach dem vollstandigen Nationale (Geburtsort und Vaterland, Tag und Jahr der Geburt, Religionsbekenntnis) des Al)gehenden und nach der Angabe der Gymnasien, welche der Schiller besucht hat, und der Dauer seines Aufenthaltes auf jedem Gymnasium iiberhaupt und speciell in den einzelnen Classen enthalten: a) das Urtheil Uber das sittliche Verhalten des Abgehenden, b) die Urtheile iiber die Leistungen desselben in den einzelnen Gegenstanden (§. 83, 2), wie sie von der Conferenz festgestellt worden sind (s. o. zu §. 85, 3) c) zum Schlusse die Erklarung, dass dem Abiturienten hienach die Reife fiir die Universitat (schlechtweg oder mit Auszeichnung) zuerkannt sei oder nocli nicht habe zuerkannt werden konnen. Nur auf besonderes Verlangen eines Abiturienten werden auch die Noten uber seine Leistungen in nicht obligaten Lehrgegenstanden w;ihrend des letzten Semesters desjenigen Schuljahres, in welchem der Schliler den nicht obligaten Gegenstand in den Oberclassen ordnungsmaftig in dem fiir die hochste Stufe dieses 39 Gegenstandes an der betreffenden Lehranstalt vorgeschriebenen AusmaBe freqnentiert und das Lehrziel erreicht hat, in dieses Zeugnis aufgenommen. In das Maturitatspriifungszeugnis eines Candidaten, dem im Sommertermine eine Verbesserungspriifung in e i n e m Gegenstande im Herbsttermine bewilligt worden war, und der diese nicht bestand, sind mit Riicksicht auf die ihm fiir eine etwaige Wiederholungsprufung im nachsten Termine vorschriftsmaBig zukommenden Erleicbterungen auBer den Gesammtnoten auch die Noten der schriftlichen Arbeiten einzutragen. (M.-V. vom 10. December 1885, Z. 22906, M.-V.-Bl. 1886. Nr. 1.) Punkt 3. Die vom Classenvorstand ausgefertigten Zeugnisse sind von der Commission genau darauf zu prtifen, ob die Urtheile iiber das sittliche Verhalten und iiber die Leistungen in den einzelnen Gegen stanci en mit dem Prtifungsprotokolle vollkommen iibereinstimmen. Punkt 4. Hat sich dabei kein Anstand ergeben, so werden die leer gebliebenen Rubriken paraphiert, die Zeugnisse mit der vorgeschriebenen Stempelmarke (1 fl.) ordnungsmaBig versehen, vom Director und den an der Prufung bctheiligten Lehrern unterzeichnet und nebst dem Prtifungsprotokolle dem Vorsitzenden der Priifungs- commission zur Unterschrift vorgelegt, worauf dieselben den Abgelienden eingehandigt werden konnen. Den Abiturienten, welche als offentliche Schtiler die VIII. Classe absolviert oder als Privatisten die Prufung iiber das 2. Semester abgelegt haben, kanu auch das Semestralzeugnis verabfolgt werden; es ist jedoch darauf anzumerken, ob und mit welchem Erfolge der Schtiler sich der Maturitaspriifung unterzogen habe. Zu Punkt 5. Die Zeugnisse der nicht reif befundenen Examinanden (Maturitats- p r iif u n g s zeugnisse) v/erden auf einem besonderenFormulare, dessen vorge- druckter Text die erforderlichen Modificationen (s. u. Abschn. VIII. Form. E Bemerkg.) bereits enthalt, ausgestellt. Zu Punkt 6. Die Frist, auf welche ein bei der Maturitatspriifung noch nicht reif befundener Candidat zuriickgewiesen wird, hat nicht weniger als ein Jahr zu betragen. (M.-V. vom 10. December 1885, Z. 22906, M.-V.-Bl. 1886, Nr. 1.) Punkt 8. Kanu einem Examinauden auch nach der zweiten Prufung das Zeugnis der Reife nicht zuerkannt werden, so muss sein allfalliges Ansuchen um Zulassung zu einer dritten Prufung durch den Laudessehulrath an das Ministerium geleitet werden. Eine vierte Prufung ist schlechterdings unzulassig. §. 87. G e b ii r e n. 1. Als Taxe fiir das Examen hat ein Examinand, welcher als offentliche r Schiiler die oberste Classe eines zur Abhaltung der Maturitatspriifung berechtigten Gymnasiums absolviert hat, 6 H., ein Privatist oder Externer den dreifacheu Betrag vor dem Beginne der schriftlichen Priifungen zu erlegen. 2. Die von der Entrichtung des Schulgoldes zur Halfte oder ganz befreiten offentlichen Schiller sind in demselben Verhaltnisse auch vom Erlage der Priifungstaxe befreit. 40 3. Bei Wiederholung der Maturitatspriifung ist in allen Fallen gleichmaGig eine Taxe von 6 fl. zu entrichten. 4. Die einmal erlegte Prilfungstaxe wird nur dann zurtickerstattet, \venn der Examinand noch vor dem Beginne der schriftlichen Priifungen von der Priifung absteht. 5. Die Priifungstaxe \vird in der Weise vertheilt, dass der Director als soleh er einen Theil, jeder bei der Prufungscommission fungierende Lehrer— auch der Director, wenn er zugleich alsExaminator fungiert — so viele gleiche Theile erhalt, als er auf dem Zeugnisse getrennt erscheinende Fileti er vertritt. Woferne einzelne Examinanden auch aus Religion, Naturgeschicbte oder philosophischer Propadeutik zu priifen waren, erhalten auch die Examinatoren dieser Facher je einen gleichen Antheil an der Prtifungstaxe der von ihnen Gepruften. T. Der Lehrer im allgemeinen. Der Forderung, dass das Gymnasium nicht bloki U n t e r r i c h t s anstalt, sondern auch Erzichungsanstalt fur die eine hohere Schulbildung suchende Jugend sei, dass es also nicht blofi durch Forderung des Wissens und durch eine vielseitige Cultur des Verstandes, sondern auch durch entsprechende Mittel der Zucht, soweit ihm solehe zur Verfiigung stehen, starke und echt sittliche Charaktere heranzubilden strehe, — dieser Forderung kann nur da genugegeleistet werden, wo Einheit der padagogischen und didaktischen Principien und Ubereinstimmung ihrer Durch- fiihrung herrscht. Wird nun diese Einheit und Ubereinstimmung schon bei den Factoren der hauslichen Erziehung nicht selten vermisst, so ist diese Aufgabe bei einem Schulorganismus, in welchem eine Vielheit von Lehrkraften auf den Zogling Einfluss nimmt, noch um vieles schvderiger und werden die Forderungen an den einzelnen zur Mitwirkung Berufenen umso hoher und ernster. An einen Mann, der sich’s zum Berufe macht, die Jugend auf jener Entwicklungs- stufe, auf der sich die Fundamente des Charakters sowohl als des Wissens fur das ganze Lehen allmiihlich festlegen, unterrichtend zu erziehen, muss vor allem die Forderung gestellt werden, dass er selbst ein in sich bereits gefesteter sittlicher Charakter sei; er muss ferner ein lehrfreudiger und lebrkundiger Mann sein, der auf dem Grunde einer fur seine hohe erzieherische Aufgabe ausreichenden allge- meinen Bildung ein gediegenes, nach wissenschaftlichen Grundsatzen erworbenes und geordnetes Fachwissen besitzt, und fur dessen Berufswirken ernste pada- gogische Grundsatze und wahre aus echter Humanitat erwachsene Iiebe zur Jugend die Triebfedern sind. Lasst sich nun billigerweise nicht voraussetzen, dass ein junger Mann beim Antrittc des Lehramtes sich schon im Vollbesitze aller dieser unent- behrlichen Eigenschaften befinde, so muss umsomehr erwartet werden, dass er mit redlichem Willen, mit Ausdauer und vor allem mit genauer Selbstbeobachtung nach diesem Besitze strehe. Sittlicher Charakter schlieRt in sich Selbstbeherrschung, Besonnenheit und Con- sequenz im Ilandeln nach Grundsatzen, die aus reiflichem Nachdenken unter dem Einflusse der Erfahrung sich allmahlich entwickelt haben. Griindliche Kenntnisse 41 auf dem Gebiete des gewahlten Speci alfaches mit rastlosem Streben, sie fortwahrend zu vertiefen und zu erweitern, bilden eine, wenn auch nicht die einzige Bedingung tur eine richtige, dem jeweiligen Schiilerkreise angepasste Lehrmethode. Die Berufs- freudigkeit des Lehrers versetzt die Schiller in eine still-frohe, unbefangene Stimmung, ivelche sie tur die Aufnahme des Unterrichtes weit empfiinglicher macht, als Gedrtlcktheit, Verdrossenheit und Furcht. Humane Gesinnung und jenes Wohl- wollen, das dem Lehrer ganz besonders ziemt, — das, obne in grundsatzlose Schwache auszuarten, dem Bedtirfnisse des Schiilers geni entgegenkommt und selbst durch den Ernst der Zurechtweisung oder Strafe \vohlthuend hindurchschimmert und so dem Stacbel der Beschamung das Gift benimmt, — dieses klug temperierte Wohl- wollen wird von niemandem schneller erkannt und gewiirdigt als von den Schiilern, deren Blick so uberaus scharf und deren Beobachtung so merkwiirdig tein ist. Ein Lehrer aber, \velcher dieses Wohlwollen tur die Schiller in sich nicht aufzubringen vermag und die Lehrerfolge durch einschiichternde Strenge zu erzwingen sucht, hat seinen Beruf verfehlt und wird diesen Mangel durch den redlichsten Eifer tur die Sache und durch wissenschaftliche Tiichtigkeit nicht aufwiegen konnen. Auch wird ihm die innere Freudigkeit, welche der erziehlichen Arbeit Miihen sonst lohnt, nicht zutheil. Gewahlte Umgangsformen des Lehrers endlich und eine jederzeit das bessere Gefiihl im Schiller voraussetzende, das Ehrgefilhl sorgfaltig schonende, alleu Schiilern gegeniiber gleich gerechte Behandlung — mdgen sie auch anfangs nur auf eine geringe Anzahl edler angelegter Nature n Eindruck machen — werden mit der Zeit auch die gewohnlichen und dafiir weniger empfanglichen Gemiither anziehen und allmahlich zu sich emporheben. Mit diesen Eigenschaften ausgestattet, vermag die natiirliche Macht der Person- lichkeit des Lehrers bei der Classe im ganzen wie bei den einzelnen Schiilern die Bildung des Geistes und des Charakters kraftiger zu fordern als alle sonstigen kilnstlichen Mittel. Es darf wohl envartet werden, dass kein benifseifriger Lehrer versaumen werde, sich mit den Grundsatzen der allgemeinen Unterrichtslehre und mit der Didaktik seines besonderen Faches eingehend bekannt zu machen; daher kann es genilgen, hier nur einige Hauptpunkte in Bezug auf den Unterricht und die Iland- habung der Disciplin hervorzuheben. A. Pflichten des Lehrers beziiglich des Unterrichtes. Beziiglich des Unterrichtes muss an den Lehrer zunachst die Forderung gestellt werden, dass er in seinen Lehrgegenstiinden mit der Classe das Lehrziel des Semesters, beziehungsweise des Schuljahres erreiche, d. h. dass seine Schiller durchschnittlich von dem vorgeschriebenen Lehrstoffe sich soviel zum freiverfiigbaren geistigen Eigen- thume gemacht haben, dass die Moglichkeit der unmittelbaren Fortsetzung dieses Unter¬ richtes in der niichst hoheren Classe und damit auch die Moglichkeit der Erreichung des Lehrzieles derselben gesichert erscheint. Wird das Lehrziel des 1. Semesters nicht erreicht, so ist dadurch auch schon der normale Erfolg des 2. Semesters in 42 Frage gestellt und die Gefahr herbeigefiihrt, dass fiir die Fortfiihrung des Unterrichtes in dcr nachst hoheren Classe die unentbehrliche sichere und liickenlose Grundlage fehlt. Um nun die Erreichung des Semestral-Lehrzieles zu sichern, muss der Lehrer ganz planmaftig vorgehen. Es muss daher sogleich zu Anfang des Schuljahres alles, was auf seinen Zweck Einfluss nimmt, in Berechnung ziehen: die Vorkenntnisse und die mittlere Begabung der Schuler, den Umfang und die Schwierigkeit des vor- geschriebenen Lehrstoffes iiberhaupt und des in das Lehrbuch aufgenommenen ins- besondere, endlieh die ihm fiir die Behandlung und Einiibung des Lehrstoffes zu- gemessene und mit Sicherheit zugebote stehende Zeit. Um liber die beiden ersten Punkte Klarheit und fiir die Behandlung de.s neuen Lehrstoffes sichere Ankntipfungspunkte zu gewinnen, wird der Lehrer, besonders wenn er eine ihm noch nicht bekannte Classe ubernommen hat, etwa die ersten vier- zehn Tage des Schuljahres dazu venvenden, um durch mtindliche und schriftliche Priifungen liber die wiehtigsten Partien des in den friiheren Classen Gelernten den Stand des Wissens und Konnens der Schuler zu ermitteln, und um die vorgefundenen Liickeji theils durch eigene cursorische Erklarungen theils durch Veranlassung hiius- licher Wiederholung oder Nachholung zu erganzen. Wahrend er nun auf diese Weise sich zu orientieren und die Schuler fiir die Aufgabe der Classe vorzubereiten sucht, wird er nicht versaumen, einerseits sich mit den Lehrmitteln, die er zu gebrauchen hat, zumal wenn sie ihm noch nicht durch eigenen Gebrauch bekannt sind, moglichst genau bekannt zu machen und andererseits die Zeit zu berechnen, die ihm zur ein- gehenden und nutzbringenden Behandlung seines Stoffes mit Sicherheit zugebote steht. Er wird dabei von der Gesammtzahl der auf seinen Lehrgegenstand im ganzen Semester entfallenclen Lehrstunden die auf die soeben besprochene Orientierung und Vorbereitung venvendete Zeit, dann alle auf Fest- und Ferialtage fallenden, ferner die fur die Schularbeiten (Compositionen) und fiir die in der Schule vorzunebmende Correctur der Schul- und Hausarbeiten bestimmten Stunden, endlieh die auf exami- nierende Wiederholung des Vorgenommenen erforderliche Zeit in Abschlag bringen, um so genau zu erfahren, wieviel Lehrstunden ihm fiir den eigentlich fortfiihrenden Unterricht zur Verfiigung bleiben, und darnach den zu bewaltigenden Lehrstoff ein- theilen zu konnen. Solite sich hiebei heraustellen, dass er den Lehrstoff' in der zugemessenen Zeit nicht in seinem vollen Umfange absolvieren kann, so scheidet er sorgfaltig das Unwesentliche aus. Unwesentlich ist al)er alles, was auf den Fort- schritt des Konnens innerhalb dieses Gebietes keinen direeten Einfluss nimmt, was also nicht als nothwendige Vorkenntnis zur verstandnisvollen Verfolgung des weiteren Unterrichtes vorausgesetzt werden muss. Nach dieser Ausscheidung des Unwesent- lichen \vird der verbleibende Lehrstoff auf die verftigbaren Lehrstunden des Semesters vertheilt und jeder einzelnen Lehrstunde ein angemessenes Lehrpensum zugewiesen. Nur so erscheint die Absolvierung der Classenaufgabe im voraus gesichert. Um aber in jeder einzelnen Lehrstunde das bestimmte Pensum mit Erfolg zu absolvieren und zum vollen Verstandnis der Schiller zu bringen, bedarf der Lehrer sorgfiiltiger Vorbereitung. Fur die Erklarung der einzelnen, den Schiilern noch nicht gelaufigen Begriffe muss er den richtigen Ausdruck wahlen, fiir ihre Erlauterung die fasslichsten Beispiele aufsuchen und bereit halten; er hat zu iiberlegen, an welche 43 sicher vorhandene oder do eh dureh wenige Fragen leicht wieder ins Gedachtnis zu rufende Kenntnis der Schiller er ankntipfen konne, ob der Gegenstand durchaus eine zusammenhangende Darstellung erfordere oder wenigstens in einzelnen Theilen die heuristische Bebandlungswei.se gestatte, welche die ganze Classe in thatige Theil- nahine setzt. Je grtindlicher sich der Lehrer auf die methodische Behandlung seines Stoffes vorbereitet hat, desto leichter muss es ihm werden, seinen Gegenstand frei, d. h. ohne Hilfe des Lehrbuches darzustellen. Hieran niuss er sich von allem Anfange gewohnen, sowohl damit er seine ganze Kraft und Aufmerksamkeit der Arbeit mit den Schiilern zuwenden konne, als auch weil er nur dureh diese volle Beherrschung des Gegen- standes auch die volle Herrschaft ilber den Geist der Schuler gewinnen wird. So nothwendig aber diese Unabh&ngigkeit des Lehrers vom Lehrbuche ist, so wenig darf doch das Lehrbuch aus dem Auge verloren werden, weil es dem h&usliehen Flei(3e des Schulers als Leitfaden zu dienen hat. Nicht minder wichtig ist es, das einmal Gelernte bei den Schulern dureh haufige Wiederholung und fleiftige Ubung in dauerndem Besitze zu erhalten. Daher solite namentlich in den unteren Classen die Vornahme des neuen Lehrstoffes stets nur einen Theil der Lehrstunde in Anspruch nehmen, damit auch fur die Befestigung des friiher Erworbenen Zeit bleibe und dadurch die Schiller allmalilich befahigt werden, von ihrem gesammten geistigen Besitze jederzeit freien und beliebigen Gebrauch zu machen. Sowie bei der Darstellung eines neuen Gegenstandes, wo es nur immer thunlich ist, die ganze Classe dureh einzelne an sie gerichtete Fragen zur Mitthatigkeit heran- gezogen werden soli, ebenso soli auch — und zwar in nocli weit hoherem Mafie — beim sogenannten „Prilfen“ dasselbe Verfahren beobachtet werden. Es ist unzweck- mafiig, einen oder zwei Schuler vortreten zu lassen und sich vielleicht eine halbe Stunde lang mit ihnen allein oder fast allein zu beschaftigen, indessen sich die iibrigen Schuler vielleicht mit anderen Dingen befassen oder volliger Zerstreutheit hin- geben. Der Einwurf, dass der Lehrer bei gleichmafiiger Vertheilung seiner Fragen auf die ganze Classe kein hinreichend sicheres Urtheil ilber die Leistung und den Fleifi des einzelnen Sehtllers und daher auch fur den Classenkatalog keine feste Fortgangsnote gewinnen konne, entfallt, wenn er jedesmal je nach der fur das Prufen erubrigten Zeit eine kleinere oder groftere Anzahl theils guter, theils schwaeherer Schuler besonders ins Auge fasst und seine Fragen vonviegend an diese, die da in der ganzen Classe vertheilt sitzen, richtet. Nimmt er hiebei ofters einen oder den anderen der erst jungst in dieser Weise gepriiften Schiller hinzu, so wird es dem Einzelnen nicht leicht werden, sich den Tag auszurechnen, an welchem er wieder an die Reihe kommen dilrfte, es wird daher stets die ganze Classe vorbereitet sein mtissen. Indessen lasst sich filr diesen Punkt keine allgemein giltige und ins ein¬ zelne gehende Regel aufstellen; es genuge zu betonen, dass auch das Prilfen eine Bearbeitung des Lehrstoffes sein und der ganzen Classe zunutze kommen soli. Es lasst sich in der kurzen Frist einer Lehrstunde mehr leisten, als man gewohnlich zu glauben geneigt ist, wofern nur die Zeit piinktlich eingehalten und mit kluger Sparsamkeit ausgenutzt wird. Der gewissenhafte Lehrer wird auch den 44 Schein vermeiden, als koste es ihm Uberwindung, reehtzeitig in die Classe einzutreten. Diese Ptinktlichkeit beugt manchem Unfuge vor, und das stille, aber štete Beis])iel genauer und freudiger Pflichterfiillung erzieht die Schiiler zur selben Tugend. Ubrigens aehte der Lehrer auch die Erholungspausen und das Redit des nach- folgenden Collegen. Die scbriftlichen Aufgaben sollen einerseits den Fortschritt des Schtilers durch Ubung fordern, anderseits diesern Gelegenheit geben zu zeigen, was die eigene Kraft bereits zu leisten verrnag; sie sollen bei mafiigem Unifang reiche Ubung bieten und besonders in den unteren Classen auch die Reinschrift fordern. Die Zusammen- stellung einer Aufgabe erheischt daher umsichtige Uberlegung; denn sie soli dem durchschnittlichen Konnen der Schiller angepasst, dabei aber doch so schwierig sein, dass sie die Verstandesthatigkeit der Schiller reizt, und auch ivieder so leicht, dass sie der Mehrzahl gelingen kann; die Freude des Gelingens aber, der naturliche Lohn ftir die aufgewendete Miihe, belebt den Muth und spornt den Fleift. In den scbriftlichen Arbeiten, ilirer Anpassung an den miindlich durchgeubten Lehrstoff, ihrem stufemveisen Fortschreiten und dem Grade ihres Gelingens zeigt sich vor allem die PlanmaGigkeit des Vorganges, der denkende Geist des Lehrers. Es sei daher vor der Forderung allzu schwieriger Arbeiten und der Fuhrung allzu vieler Hefte gewarnt. Man wird namentlich beim Beginne des fremdsprachlichen Unterrichtes in den unteren Classen mit dem blotien Aufzeichnen der Vocabeln und Phrasen sich begniigen und die Ordnung derselben uach einem bestimmten Principe der g e me i li¬ sam e n Arbeit von Lehrer und Schiilern zutheilen miissen; von der Fuhrung eines Notaten- und Praparationsheftes fur den Unterricht in der Unterrichtssprache kann in den unteren Classen abgesehen werden. (M.-E. vom 2. Mai 1887, Z. 8752, M.-V.-Bl. 1887, Nr. 15.) Vor allem halte sich der Lehrer den verscliiedenen Zweck der einzelnen Arten der scbriftlichen Arbeiten gegemvartig. Die Schularbeiten *) konnen nur als Priifungen aufgefasst werden, durch welche der Schiller zeigen soli, wie \veit und bis zu \velchem Grade der Sicherheit und Fertigkeit er das im Unterrichte bisher bearbeitete und eingeilbte Material sich zu eigen gemacht hat. Wie sie daher linter den Augen des Lehrers in zugemessener Zeit und ohne Beniltzung irgend eines Hilfsmittels, aus dem der Schiller entnehmen konnte, \vas er sich bereits angeeignet haben soli, ausgearbeitet werden miissen, so konnen sie nicht den ArbeitsfleiiS, sondern nur den Arbeits e r fo 1 g, den wirklichen Besitz und den gesicherten Zuwachs an Kenntnis vor Augen stellen. Die Pr aparati o n en in den Sprachfachern andererseits Iiaben den fortlaufenden Unterricht stetig zu begleiten, sie bieten das Material, an dem voruehmlich das zmvachsende grammatische Wissen eingeiibt wird und zwar in allen seiuen Einzelheiten; \veder dilrfen sich also die Praparationen auf die Hauptpunkte beschranken, noch konnen sie auf die Wieder- holung alterer Partien genugsam Bedacht nehmen; sie dienen eben zuvorderst dem Bediirfnisse des Tages. *) liber die lateinischen und griecliisclien Schularbeiten am Obergymnasium handelt im besonderen der M.-E. vom 30. September 1891, Z. 1786/C. U. M., M.-V.-BL 1891, Nr. 33. 45 Gerade diese Aufgabe nun, die Hauptpunkte eines groGeren Gebietes zusammen- zufassen und nachdriicklich hervorzuheben, jene alteren Partien, deren Wiederholung sieh als ein Bedilrfnis der Classe herausgestellt hat, auf welche jedocb der fort- schreitende Unterricht nicht wohl immer zurilckgreifen kann, neuerlich vorzuftlhren, damit der Schiller Anlass habe, zurilckzublieken, aufzufrischen, zu erganzen: gerade diese Aufgabe haben die Hausarbeiten zu verfolgen, die eben deshalb periodisch wiederkehren miissen. Praparationen und Hausarbeiten sind Mittel des Unterrichtes, sie gestatten nicht bloG, sie f or d er n vom Schiller geradezu die Beniitzung aller zulassigen Hilfsmittel; sie legen nicht unzweifelhaft und ohneweiters den Fortschritt des Schulers im Wissen und Kiinnen an den Tag, aber sie erlauben einen Schluss auf seinen FleiG und auf die gevissenhafte Beniitzung aller Unterrichtsmittel. Weil also jede Art der schriftlichen Elaborate ihren eigenthlimlichen Zweck hat, nach welchem sie sich in Umfang, Inhalt, Form, kurz in allen Beziehungen zu richten hat, darum kbnnte auch nicht die eine willkiirlich an die Stelle der anderen gesetzt werden. Beziiglich der Aufsatze in der Unterrichtssprache, namentlich in den Ober- classen, geniigt zur Nachweisung des auch hier durchgreifenden Unterschiedes die Bemerkung, dass Sammlung reicheren oder entlegeneren Stolfes, strengere Durch- und reichere Ausfiihrung, endlich sorgfaltigere Durchbildung des Ausdruckes billiger- weise nur bei hauslicher Bearbeitung eines Themas gefordert werden kann. Sollen aber die schriftlichen Arbeiten die Schiller wirklich fordern, so miissen diese auch in den Stand gesetzt werden, die gemachten Fehler zu erkennen und mit Verstandnis zu verbessern. Diejenige Art der Correctur seitens des Lehrers, welche diesen Zweck am sichersten erreichen lasst, ist die beste. Hieriiber sind in den didaktischen Instructionen die nothigen Andeutungen gegeben. Es versteht sich von selbst, dass ein sicheres und auf die Schlussclassification Einfiuss nehmendes Urtheil ilber den Fortschritt der Schiller nur auf jene schriftlichen Arbeiten gegriindet werden kann *), welche sie selbstandig, d. h. ohne fremde Iiilfe oder besonderes Hilfsmittel angefertigt haben. Diese Arbeiten sollen denn auch von dem Lehrer mit besonderer Sorgfalt behandelt, die vorkommenden Fehler gewissenhaft abgewogen und filr das Urtheil keineswegs etwa eine bestimmte, scalenmaGig gewahlte Zahl von Fehlern, sondern vor allem das Verhaltnis der Leistung zu dem erreichten Standpunkt der Classe und zu den Leistungen der ubrigen Schiller maGgebend sein. Die Note nach einer gewissen Zahl von leichteren oder groberen Fehlern zu bestimmen, wiire deswegen verkehrt, weil eine und dieselbe Fehlerzahl sehr ver- schiedene Bedeutung haben kann, je nach dem Umfange der Arbeit, nach dem Grade ihrer durchschnittlichen Schwierigkeit, nach der besonderen Beschaffenheit, der Febler, die sich vielleicht an einer einzigen Stelle der sonst fehlerfreien Arbeit zusammendrangen oder vorwiegend altere und somit in der Erinnerung schon etwas verl)lasste Partien des Gegenstandes betreffen u. dgl. m. Bei einer so mannigfache Seiten darbietenden Beschaftigung, wie es der Unterricht ist, alles durch besondere Weisungen zu regeln, ist weder moglich noch *) Schriftliche extemporale Ubersetzungen (ohne gescliriebenes Dictat) aus der Unterrichtssprache ins Lateinische oder Griechische als Aufgaben, die fur die Censur mal5gebend sind, diirfen nicht gegeben werden. (M.-E. vom 28- Februar 1887, Z. 4402, M.-V.-BI. 1887, Nr. 6. 4 G r&thlich; es muss vielmehr innerhalb der Schranken einer ailgemein gehaltenen Instruction der Individualitat ausreichende Freiheit, der Bewegung gelassen werden, damit der Lehrer mit Lust und Hingebung, olme Angstlichkeit und olme Einbufie an idealem Streben wirken konne. Das aber moge jeder Lehrer sich im allgemeinen vor Augen halten, dass es sicb beim Unterrichte nicht um die positiven Kenntnisse allein handelt, soudern ganz besoiulers um die Art der Erwerbung derselben. Die Menschen konneu nicht alles lernen, aber solche, welche zu lernen gelernt haben, vermdgen sich selbst, weiter zu bilden. Das ist aber der hohere Gewinn des Lernens; denn die positiven Kenntnisse verfliichtigen sich haufig, jener immanente Zustand aber bleibt und befahigt den Menschen, immer neue Kenntnisse in sicli aufzunehmen. B. Pflichten des Lehrers beziiglicli der Disciplin. Fiir die disciplinare Haltung der Schiller wahrend der Lehrstunde ist jener Lehrer verantwortlich, dem die Stunde zugewiesen ist. Bei der padagogischen Behandlung der Jugend ist Vorbeugen die Hauptsache; erst wenn dies nicht gelingt., treteu repressive Maftregeln in ihr Recht ein. Dass fiir die Aufrechthaltung einer tadellosen Disciplin wiihrend des Unterrichtes, zu welcher nicht nur gespannte Aufmerksamkeit jedes Schiilers, sondern auch iiufierlich anstandige Haltung, Bescheidenheit des Auftretens und eine ge\visse Selbstbeherrschung in jeder Bezie- hung gehort, die Personlichkeit des Lehrers mafigebend ist, wie sie oben in allgemeinen Ziigen gezeichnet wiu'de, sein Ansehen also bei den Schulern, sein maiivoller, von edlem Eifer fiir den Beruf und herzlichem Wohlwollen fiir die Jugend getragener Ernst, seine das Interesse der ganzen Classe fesselnde Behandlung des Gegenstandes, seine den Kraften der Schiller angemessenen Forderungen und die besonnene und jederzeit unparteiisehe Beurtheilung der Leistungen: daftir kann jeder Lehrer leicht aus seiner Erfahrung, volil auch aus seiner eigenen Studienzeit Belege genug herholen. Auf keiner Stufe des Unterrichtes sei der Lehrer der Tyrann seiner Schiller, auf keiner ihr Kamerad, vohl aber immer und iiberall ihr edler, verstandiger Freund. Gegen jene Gebrechen und Fehler, welche der Jugend anzuhangen pflegen, ohne dass desvegen der Sittlichkeit aller Gefahr droht oder die Achtung vor den Schulgesetzen und Lehrern untergraben \vird, wird der Lehrer, um das Ehrgefiihl des Fehlenden mogliehst zu schonen, zunachst mit den gelindesten Mitteln der Zucht vorgehen und erst dann zum Classenbuche greifen, venn ein Blick, ein bedeutsames, aber noch nicht schmerzendes Wort, eine kurze Belehrung unter vier Augen, eine ernste und offentlich ausgesprochene Mahnung nicht zum Ziele gefiihrt liat. Unter den verschiedenen Strafmitteln wiihle der Lehrer mit Vorsicht und Klugheit und beachte stets, dass anders der Knabe, anders der heranreifende Jiingling zu behandeln ist. Grobere Vergehen vahrend der Lehrstunde, deren Wiederholung durch ein rasches und kraftiges Einschreiten verhutet verden muss, sind von dem Fach- lehrer sogleich dem Ordinarius, wenu Gefahr im Verzuge ist, auch dem Director unmittelbar anzuzeigen. 47 Das Betragen der Schiller aul3erhalb des Schulhauses zu iiberwachen umi nothigenfalls strafend einzuschreiten, ist zunachst Pflicht und Recht der Eltern oder deren Stellvertreter. Insofeme aber die Schule auch das Verhalteti der Schiller a u 13 er h alb des Schulhauses durch die Disciplinarvorschriften regelt, kommt es auch ihr zu, die Schiller au(3erhalb des Schulhauses nicht unbeachtet zu lasseu. Wahrgenommene oder von verlasslicher Seite mitgetheilte Ubertretungeu der Disciplinarvorschriften hat der Lehrer dem Ordinarius, in dringlichen Fallen sogleich der Direction mitzutheilen. Wie weit iibrigens der Einfluss der Anstalt auf die Disciplin au(3erhalb der Schule sich erstrecken soli, liisst sich nicht im allgemeinen bestimmen; in diesem Punkte forderu die besouderen Verhaltnisse des Schulortes Berucksichtigung. VI. Der Classenvorstanrt. Die gesetzlich normierten Forderungen an die einzelnen Lehrgegenstande des Gjmnasiums und die Holie der wocbentlichen Stundenzahl, die in jeder Classe iiber das von einem einzigen Lehrer zu bestreitende Ma(3 hinausgeht, bringen es notli- wendig mit sich, dass in jeder Classe mehrere Lehrer den Unterricht in den verschiedenen Lehrgegenstanden zu iibernehmen haben, und dass sich diese Theilung des Unterrichtes in den oberen Classen im Vergleicbe zu den unteren noch steigert. Als eine Folge dieser Einrichtung konnte man befiirchten, dass trotz der gegen- seitigen Abwagung und Abgrenzung, welche der Lehrplan ftir die verschiedenen Lehrgegenstande im allgemeinen hergestellt hat, sich doch bei ihrer speciellen Betreibung schon innerhalb derselben Classe eine bedenkliche Ungleichmaftigkeit, iibergrol3e Ansprilche an die Zeit und Thatigkeit der Schiller fiir den einen Gegen- stand, zu geringe in einem anderen, geltend machen miisste, wenn nicht ein Mittel- punkt fiir das didaktische Zusammenwirken der Lehrer derselben Classe gegeben ware. Noch gro!3er und durch allgemeine Bestimmungen des Schulgesetzes noch weniger leicht zu beseitigen ist diese Gefahr in Betreff der Disciplin, in welcher Hin- sicht, namentlich fiir die unteren Classen, eine bemerkbare Ungleichheit den grofiten Schaden bringen miisste. Um dies zu verhuten, geniigt es nicht, dass das Collegium der in derselben Classe beschaftigten Lehrer auf die Herstellung und Erhaltuug einer Ubereinstimmung in den Gruudsatzen der Behandlung der Jugend iiberhaupt und bei einzelnen Vorkommnissen insbesondere allen Ernstes bedacht sei; es muss auch ein besonderes Organ vorhanden sein, das diese Ubereinstimmung gewisser- ma(3en in sich verkorpert, in welchem sich die Einsicht und das Ansehen aller Classen- collegen wie in einem Punkte sammelt, und das in allen Angelegenheiten, welche nicht der gesammten Conferenz oder dem Director ausschlie(31ich zugewiesen sind, die Regierung der Classe besorgt. Dieses Organ ist der Classen vor s ta n d (Ordinarius). Denn der Director selbst, an den man hiebei zunachst denken konnte, ist aul3er Stande, diesen Einheitspunkt zu bilden, nicht nur, weil hiemit an seine Zeit und seine Kraft unerfullbare Anspruche gestellt wurden, sondern vornehmlich, weil hiezu eine specielle Kenntnis der einzelnen Schiller der Classe und die personliche Mitwirkung in Unterricht und Erziehung der betreffenden Classe die unerlassliehe Bedingung 48 ist. Deshalb ist die Bestimmung getroffen, dass der Director unter Genehmigung des Landesschulrathes fiir eine jede Classe einen Lehrer derselben zum Classen- vorstand (Ordinarius) bestimmt. Die Bestellung des Ordinarius kann nieht etwa der Wahl seiner Collegen iiberlassen werden, weil nur der Director fiir den ganzen Organismus des Gymnasiums und sonach auch fiir die so wichtige Wahl der Classen¬ vorstande verantwortlich ist. Aus eben diesem Grande sind die Classenvorstande in allem, was sie als solche tiran oder unterlassen, dem Director verantwortlicb und konnen von ihm, wenn es ihm vom Interesse der Sclrale geboten erscheinen solite, sogar veranlasst werden, das Ordinariat noch wahrend des Semesters an einen anderen Lehrer abzugeben. Die Verpflicbtungen, welcbe der Classenvorstand mit dem Ordinariate uber- nimmt, sind in Kiirze in dem allgemeinen Scbulgesetz enthalten. Wenige Bemerkimgen werden geniigen, damit sein Verbaltnis zu seinen Classencollegen, zu den Schiilern und zum Director und danil seine Tbatigkeit im eigenen Wirkungskreise kein Miss- verstandnis erfahre und die Lehrer aus Uberzeugung bereit seien, eine ftir das ganze Leben des Gymnasiums folgenreiche Einrichtung mit Hingebung zu pflegen. A. Der Classenvorstaud im Verbaltnis zu seinen Classencollegen. Der Ordinarius wird durcb seine Bestellung nicbt etwa der Vorgesetzte seiner Classencollegen, sondern bleibt eben ibr Collega; fiir seine Classe jedoch ist er in dem oben bezeichneten Sinne primus inter pares, auch wenn er zufalliger Weise der jiingste Lehrer in der Classe sein solite. Er verwaltet ein vom Director ihm iibertragenes Vertrauensamt, dessen Ablebnung ohne die triftigsten Griinde unzulassig ist. Dieses Vertrauen kann fiir seine Classencollegen nichts Verletzendes baben, denn auch diese nehmen der Mehrzahl nach dieselbe Stellung ein als Vorstande anderer Classen. Durch die Emennung zum Classenvorstande wird dem Lehrer einer Classe einerseits eine Reihe von Geschaften der aufterlichen Ordnung iibertragen, welcbe die Collegen derselben Classe ohnedies zur Abktirzung und Regelung des Geschafts- ganges einem aus ihrer Mitte iibertragen miissten, und es ist ihm zweitens die Aufgabe gestellt, fiir das Zusammenwirken in Erziebung und Unterricbt ein Organ der Einigung seiner Collegen zu sein. Audi ohne solchen Auftrag wlirde jedes seine Aufgabe ernstlich begreifende Lehrercollegium einer Classe allmahlicb dazu kommen, aus sich selbst ein solches Organ zu bilden. Dieser einigende Einfluss wtirde im letzteren Falle in der Regel demjenigen zufallen, welcher, durch eine grof.)ere Stunden- zalil mit der Classe im einzelnen genau bekannt, zugleich durcb Erfabrung und padagogischen Takt sich einen sicheren Blick erworben und durch seinen Charakter das Zutrauen seiner Collegen gewonnen hat. Diese Gesicktspunkte miissen denn auch den Director bei der Wahl der Vorstande fiir die einzelnen Classen leiten; je mehr die bezeichneten, verschiedenartigen Bedingungen sich in demselben Manne vereinigen, desto erfolgreicher fiir das Zusammemvirken der Collegen wird die Wahl sein. 49 An Gegenstanden, fiir welche eine gemeinsame Verabredung zu kraftiger Zu- sammenwirkung unerlasslich und auch jedem ernstlich thatigen und berufseifrigen Lehrer wiinschenswert sem muss, wird es nie fehlen; das allgemeine Schulgesetz nennt mir einige, unmittelbar sicb darbietende und zwar an erster Stelle das M a (J der in den einzelnen Lehrgegenstanden aufzugebenden Arbeiten. Hieriiber bat der Classenvorstand nothwendig am Anfange eines jeden Semesters Besprechungen und Verabredungen der in derselben Classe mitwirkenden Collegen zu veranstalten, um dadurch ebensosehr der Uberbiirdung der Schiller oder der Haufung der Arbeiten fiir denselben Tag als einem erschlaffenden Mangel an haus- licher Beschaftigung vorzubeugen. Zur Richtsehnur diene im allgemeinen, dass die gesammten Anforderungen an die hausliche Thatigkeit der Schiller so bemessen werden sollen, dass ihnen ein Heitiiger Schiller gewohnlicher Begabung bei einem taglichen Zeitaufwande von 2 bis 3 Stunden in den unteren Classen, von 3 bis 4 Stunden in den oberen Classen zu geniigen in der Lage sei. Auch ist zu beachten, dass von Seite der Schule alles hintangehalten werden muss, was die wohlthatige Wirkung der Sonntage und der in das Schuljahr fallenden Ferien als Erholungspausen filr die studierende Jugend verkbmmern konnte. Die Lehrkorper haben unter Vermittlung der Classen vorstande zu Beginn eines jeden Semesters auf Grund des Lehrplanes und mit Beriicksichtigung aller voraus- ■ sehbaren Umstande, namentlich der Fest- und Ferialtage, die Ablieferungstermine fiir die schriftlichen Hausarbeiten festzustellen, ferner die Tage und die Stunden zu bestimmen, in \velchen die schriftlichen Schularbeiten (Com- positionen) angefertigt vverden sollen. Hiebei ist eine soweit als moglich gleichmatiige Vertheilung vorzunehmen, so dass an keinem Tage mehr als eine Hausarbeit ab- zuliefern ist, andererseits die Eintheilung so zu treffen, dass in keiner Classe an einem und demselben Schultage aus mehr als einem Gegenstande eine Schularbeit geliefert vvird. Die festgesetzte Vertheilung der schriftlichen Arbeiten stellt jedei Ordinarius- fiir seine Classe in einer Ubersichtstabelle (Arbeitskalender) zusammen und ubergibt dieselbe dem Director zur Approbation. Selbstverstandlich bedarf auch jede Anderung des Arbeitskalenders im Laufe des Semesters der Genehmigung des Directors. Bei dem im §. 97 des Organisations-Entwurfes erwahnten Ineinandergreifen der Gegenstande, welche eine Beziehung zueinander darbieten — und dies bildet einen weiteren Gegenstand fiir die Besprechungen und Berathungen der Classencollegen — ist an Falle folgender Art gedacht. Fast in jeder Classe finden sich gleichzeitig Lehrgegenstande, welche einander in vielen oder doch in einzelnen Punkten beriihren, und nicht selten sind in dem einen Gegenstande Anwendungen aus dem Gebiete des anderen gestattet. Als Beispiel hiefiir diene die alte Geschichte und die Lectiire griechischer und romischer Historiker in der fiinften und sechsten Classe, die Geschichte des Mittelalters and die altere Geschichte der deutschen Nationalliteratur jn der sechsten Classe, die Aufgaben zu Aufsatzen in der Unterriehtssprache und der Inhalt der altclassischen Lectiire oder der geschichtliche Unterricht in sammt- lichen Classen des Obergymnasiums u. a. m. Geht nun jeder der Lehrer einer Classe seinen Weg, ohne sich um das, was gleichzeitig an und mit den Schiilern 4 no gethan wird, genauer zu bektimmern, so ist nicht zu vermeiden, dass ofters derselbe Gegenstand entweder in gleicher Weise oder gar in einer fiir die Schiller storenden Verschiedenheit sich wiederholt und der Schiller sich gewdhnt, den Inlialt eines jeden Lehrgegenstandes eben nur filr die demselben besonders gewidmeten Lehr- stunden sich gegenwartig zu halten, ohne an einen Gebrauch auRerhalb derselben zu denken. Eine eingehende gegenseitige Besprechung und Ubereinkunft der Lehrer dagegen wird nicht nur diese gewichtigen Ubelstande vermeiden lassen, sondern aucb kaufig den einzelnen Lehrgegenstanden durch wechselseitige Beniitzung des in ihnen erworbenen Wissens oder Konnens eine enviinschte Kraftigung verschaffen und dem Schiller den Gedanken an einen Zusammenhang der verschiedenen ihm zugemutheten Lernobjecte naher bringen. Die ordentlichen Classenconferenzen, welche fiir jede Classe mitten in jeder Conferenzperiode einmal abzuhalten sind, liaben den Zweck, sowohl auf dem sittlichen als auf dem wissenschaftlichen Gebiete den Erfolgen und Misserfolgen der Classe iiberhaupt und der einzelnen ihrer Schiller nachzugeken, den Ursachen der wahrgenommenen Ubelstande durch gemeinscliaftliche Uberlegung aller Lehrer nachzuforschen, die Mittel zur Beseitigung derselben zu beratlien, durch eine sich immer mehr und mehr berichtigende und erganzende Kenntnis der Schiller ihre riehtige Beurtheilung und Behandlung herbeizufiihren und daher zu dieser Kenntnis durch lovale Mittheilung aller Beobachtungen beizutragen. Die eingehendste Kenntnis der Individualitaten wird von dem Classenvorstande ervvartet, der auch in der Regel mit den meisten Lehrstunden in der Classe bedacht ist. Jedesfalls \vird es eine der ersten Sorgen desselben sein, aus den mitgebrachten Zeugnissen der Schiller ihren bisherigen Studiengang kennen zu lernen und, wenn sie bisher der eigenen Anstalt angehort liaben, aus den Classenbuchern der frilheren Jahre, aus den gelegentlichen Mittheilungen ihrer bisherigen Lel ir er, vor allem aber aus seinen eigenen Beobachtungen ein moglichst zutreffendes Bild des Naturells, der Neigungen, der Begabung und des Fleilies der einzelnen Schiller zu gewinnen und dieses Bild nach Mittheilungen ilber ihre hausliche Erziehung und Auffiihrung, sofern ihm solclie aus ungetriibter Quelle und ohne Beliistigung der Familie zuflielien konnen, zu ergiinzen. Was ihm von alledem fiir die Erklarung der an den Schiilern auftretenden Erscheinungen wichtig diinkt, \vird er sich kurz anmerken und dadurch in die Lage kommen, in den Classenconferenzen zu den Wahrnehmungen der Collegen ilber einen Schuler manche wichtige Bemerkung machen zu konnen. Ilegelmaloig wird daher bei diesen Besprechungen der Ordinarius zunachst im allgemeinen, dann im einzelnen damach frageu, ob die Lehrer mit dem Betragen, dem Eleilie und den Leistungen der Classe iiberhaupt und der einzelnen Schiller zufrieden seien; wenn sie es nicht sind, woran es telile, \vo die Ursachen zu suchen und wie abzuhelfen sein mochte. Dabei wird er es nicht unterlassen, auch seine eigenen Beobachtungen an jeder einzelnen Stelle auszusprechen. Zuletzt werden an der Iland des Classenbuches die zur Besserung einzelner Schuler etwa nothwendigen Mal-iregeln in Erwiigung gezogen. Die Besprechungen in den Classen- und Monatsconferenzen haben nicht nur fiir den Classenvorstand Wert, welcher so in regelmaBigen kurzen Fristen das Gesammt- 51 urtheil sammtlicher Lehrer iiber sammtliche Schiller seiner Classe erfiihrt, sondern ebensosehr fiir die anderen Lehrer; denn bei einem vereinzelten Gegenstande mid vielleicht geringer Stundenzahl auGer Stande, mit voller Sicherheit zu beobachteu und zu beurtheilen, finden sie in den Bemerkungeu ihrer Collegen Bestarkung oder Berichtigung ihrer eigeneu Ausichten und dadurch zugleich die Weisuug, welche Mittel bei den einzelnen Schillern, in Ubereinstimmung mit den Collegen in Anwendung gebracht, die meiste Aussicht auf Erfolg eroffnen. Das personliche Verhaltnis des Classenvorstandes zu seiuen Classencollegen ist eines der schwierigsten, welche das Lehramt darbietet. Er soli der Einheitspuukt der erziehenden und unterrichtenden Thatigkeit fiir seine Classe sein; was er thut, soli als der Ausdruck des gemeinsamen Willens seines Lebrercollegiums erscheinen; cs soli mit der ausdruckliehen oder stillschweigenden Zustimmung aller Collegen geschehen, und diese sollen auch in dem dieser Voraussetzung entsprechenden Geiste handeln. Es fiigt sich nuu zwar ein gebildeter Mann gern der anerkannten Uberlegenheif einer fremden Einsiclit, auch wenn diese nicht mit einem iiuGeren Vorrang oder einer besonderen Machtbefugnis ausgestattet ist; allein da von den zwolf Lehrern eines achtclassigen Gymnasiums nicht vveniger als acht ein Ordinariat ubcrnehmen miissen, so mag es nicht selten vorkommen, dass der Vorstand einer Classe manchen seiner Classencollegen weder an Jahren, noch an Umfang und Reife der didaktischen oder piidagogischen Erfahrung, noch auch an Fachwissen iiberragt, und gleichwohl soli er auf dieselben in nicht wenigen Fallen einen bestimmenden Einfluss ausiiben, ohne sich auf etwas anderes berufen zu konnen, als auf die mit seiner Vertrauensstellung ilbernommene Pflicht, allseitig fiir das Wohl seiner Classe zu sorgen, eine Pflicht, welche die Collegen anerkennen und zu theilen erklaren, die sie aber vielleicht im einzelnen Falle auf einem anderen Wege, als auf dem, welchen der Ordinarius eiuschlagen vili, geubt zu sehen \viinschen. Er wird sich in einem solchen Falle nicht dem Unmuthe iiber den Widerstand seiner Collegen hingeben diirfen, sondern sich vor Augen halten miissen, dass ihm ja ihr Beirath zur Seite gestellt ist, nicht damit stets seine, sondern damit stets die richtigste Ansicht zur Durchfuhrung gelauge; er wird begrundete Rathschlage und Ausichten seiner vielleicht altereu und erfahreneren Collegen willig anhoren und annehmen; ist es aber in einem besonderen Falle seine feste Uberzeugung, dass seine Ansicht dem Wohle der Schule am meisten entspreche, so wird er den Collegen in loyaler Weise erklaren, dass er die Sache dem Director zur Entscheidung vorlegen miisse. Sclnvieriger noch ist seine Lage, wenn etwa unter den Classencollegen ein Lehrer ist, der es sich in irgend einer wichtigeren Beziehung allzu bequein maeht. Ilier soli er als Ordinarius vielleicht seinen alteren Collegen an seine Pflicht erinnern. Wenn freundliches Ersuchen nicht Gehor findet, vielmehr auf gereizte Empfindlichkeit stoGt, wenn eruste Vorstellungen nicht zum Ziele fiihren, dann bleibt \vohl nichts anderes tibrig, •* als die Sache zunachst in einer Classenconferenz zur Sprache zu bringen, und wenn auch dies vergeblich sein solite, die Entscheidung des Directors oder der Gesammtconferenz herbeizufuhren. Der schlimmste Fali aber ware es, wenn einer der Lehrer, als eine in sich vollig haltlose Personlichkeit, zum Spielballe der Jugend herabsinken und des steten 4* 52 Beistandes des Classenvorstandes oder eines anderen gefalligen, der Jugend imponierenden Collegen bediirfen solite, um mu - olme fortwahrende Storungen unter- richten zu konnen. Denn wo die Wurde des Charakters fehlt, da richteu Winke uud Bitten, Belehrnngen und ernste Erinnerungen nichts aus, nichts der štete Beistand; hier ist der Ordiuarius machtlos, Hilfe kann nur von anderer Seite kommen. Wie erust aber auch der Ordinarius seine Pflicht nehmen soli, so darf er sich doch niemals verleiten lassen, das Ansehen eines Collegen vor den Schtilern anzu- tasten, so gerechten Grund zu ernstem Auftreten er etwa auch haben mochte; denn nichts liegt mehr im Interesse der Erziehung und des Unterrichtes, als dass die Wtirde und die Autoritat aller Lehrer vor dem scharfen Auge der Jugend unverletzt erhalten werde. Diese Riicksicht sind ilbrigens alle Lehrer einander gegenseitig schuldig und zwar nicht bloft innerhalb des Schulhauses; denn darauf beruht zum grofien Theile das Gewicht ihres Wortes bei der Jugend, das Ansehen der Schule nach auf J en. Nur wo unter den Lehrern der Classe ein collegialer, auf gegenseitiger Achtung beruhender Verkehr besteht, wo sie als gebildete und von der hohen Bedeutung ihres Berufes durchdrungene Manner liber das Gedeihen der Schule in gleicher Songe berathen und zusammenwirken, mir da entfaltet die Einrichtung des Classenordinariates vollig ihre heilsame Wirkung. B. Der Classenvorstand im selbstandigen Wirkungskreise. Ohne dazu der Mitwirkung oder der ausdriicklichen Zustimmung seiner Collegen zu bediirfen, besorgt der Ordinarius eine Reihe von Geschaften der aufierlichen Ordnung und Venvaltung in seiner Classe, die der RegelmaGigkeit wegen in ein er Hand liegen miissen, den Director aber tiberhiirden und den ivichtigeren Pflichten seines Amtes entziehen wtirden. Die wichtigsten dieser Geschafte lverden im folgenden niiher besprochen; damit soli aber nicht ausgeschlossen sein, dass der Director auch in anderen Fallen die Unterstiitzung des Ordinarius in Anspruch nehmen und auf Bereitwilligkeit zahlen darf. Der Ordinarius tibernimmt zu Anfang des Schuljahres die von den Schtilern seiner Classe ausgefertigten Nationalien, pruft, erganzt, berichtigt dieselben in allen Stiicken — namentlich hinsichtlich des haufig unrichtig angegehenen Datums der Gehurt — durch Vergleichung mit den Documenten, fertigt dann auf dieser Grund- lage die Schiilerliste an und theilt dieseibe den Collegen in der Classe mit, \vie er denn auch fernerhin diese Liste in Evidenz halt und eingetretene Veranderungen im Stande der Classe alsbald den Collegen zur Kenntnis bringt. Zu solchen Mittheilungen mag er sich des Classenbuches bedienen. Er liest seiner Classe in der ersten Schulstunde die Disciplinarvorschriften vor, soweit sie auf die Schliler dieser Classe Anwendung finden, und fiigt wichtigeren Punkten die nothigen Erlauterungen bei; er sieht darauf, dass jeder Schiller im Besitze eines Exemplares der Disciplinarordnung sei. Er weist ferner jedem Schiller vorlaufig seinen P1 a t z an mit besonderer Rucksicht auf die Kleineren, Kurzsicbtigen, Schwerhorigen u. dgl.; berechtigten 53 Witnschen einzelner Schuler entspricht er, soweit es thunlieh ist; er sucht, namentlich in den unteren Classen, die Lebhafteren, welche jeder Lehrer unmittelbar unter seinen Augen zu haben vvtascht, bald kennen zu lernen und weist ihnen ent- gprechende Platze an. Endlich, nachdem er auch die Classencollegen um ihre Wahr- nehmungen befragt hat, stellt er die bleibende Sitzordnung der Schuler fiir alle Lehrstunden dieses Jahres fest und verfasst dariiber ein Schema (Bankspiegel), dessen die anderen Lehrer der Classe sowohl zur Controle des Schulbesuches als, um die einzelnen Schuler rasch kennen zu lernen, bedtirfen. Die Feststellung der Sitzordnung durch den Ordinarius schliefit indessen keineswegs einzelne Ver- anderungen aus, welche sich etwa fiir einzelne Lehrstunden aus besonderen Grtinden empfehlen sollten. Der Ordinarius theilt den Schiilem den Stundenplan mit und lasst ihn im Classenzimmer affigieren. Er Uberwacht die Reinhaltung des Schulzimmers und aller Einrichtungs- gegenstande und Unterrichtsmittel (Wandkarten, Bildertafeln, Schaukasten u. s. w.) darin, er unterzieht alle diese Gegenstande ofters einer genauen Besichtigung und behandelt jede durch Schuler erfolgte Beschadigung nach der bestehenden Disciplinarvorschrift. Nachlassigkeit in der Liiftung, Heizung, Sauberung des Schulzimmers stellt er auf kurzem Wege durch Erinnerung des Schuldieners ab; nur wenn dies nicht fruchtet, wendet er sich an den Director um Abhilfe. Uberhaupt hat der Ordinarius den Director in allen, mit der auBeren Schul- und Unterriclitsordnung zusammenhangenden Angelegenheiten zu unterstiitzen. Im Einvernehmen mit dem Director verfasst der Ordinarius auf Grund der Nationalien der Schuler, bei Neueingetretenen auch ihrer Zeugnisse, den Haupt- katalog (vgl. Formulare B Abschn. VIII.) der Classe und den Classenkatalog. Er iibervvacht die ordentliche Fuhrung des Classenbuches, nimmt die miindlichen und schriftlichen Entschuldigungen der Schulversaumnisse entgegen und notiert im Classenbuche die Stundenzahl der entschuldigten Absenzen mit kurzer Angabe des vorgebrachten Entschuldigungsgrundes. Ebenso merkt er die Zahl der uberhaupt nicht oder nicht ausreichend gerechtfertigten Absenzen an, berichtet, wenn diese Zahl bedenklich erscheint, an die Eltern und zieht sie, wenn keine befriedigende Aufklarung erfolgt ist, bei der Semestralclassification (s. o. Abschn. III) in Rechnung. Er ist ferner dazu berufen, bei schweren Disciplinarvergehen in seiner Classe mit Vorwissen des Directors die Untersuchung zu fiihren und, wenn der Fali der Beurtheilung und Bestrafung durch die Gesammtconferenz unterliegt, denselben dort vorzutragen und den Strafantrag zu stellen. Der Ordinarius ubernimmt die Meldungen liber die Wohnungsveranderungen der Schuler und tragt sie in die Kataloge ein. Findet er, dass ein auswartiger Schuler unter unzulanglicher hauslicher Aufsicht steht oder gar auf eine fiir seine Sitten gefahrliche Weise untergebracht ist, so hat. er den Anstofi zu geben, dass nach §. 70, 3 des Organisations-Entwurfes vorgegangen werde. Er hat ferner nach jeder ordentlichen Monatsconferenz, wenn in derselben iiber einzelne Schiller wegen geringen Fleiftes und sclmachen Fortganges T a d e 1 oder wegen sch\vererer Disciplinarvergehen S t r a f e n ausgesprochen worden sind, die Eltern oder deren berufene Stelivertreter davon schriftlich zu verstiindigen. Es empfiehlt sich zu verlangen, dass solehe Verstandigungen von der Partei, mit ihrer Unterschrift versehen, alsbald dem Ordinarius zurilckgestellt werden *). Der Ordinarius ist den Schiilern gegeniiber zat’ die erziehende A utor it at: er belehrt und warnt, lobt und straft und nimmt Kenntnis von allem. An ihn vvenden sich die Schtiler zunaehst in allen Schulangelegenheiten; er erledigt sie theils selbsfiindig, theils fiihrt er sie dem vorsehriftsmaftigen Gange der Erledigung zu. Eintagigen Urlaub bewilligt er selbstandig, langeren erhiilt der Schiller nur im Einvernehmen mit ibm vom Director; die Weisungen der Direction gehen der Classe meistentbeils nur durch den Mund des Ordinarius zu. Beschwerden der Lehrer gegen Schtiler der Classe und der Schiller gegen Mitschiller werden zunaehst ihm vorgetragen; Bitten von Schtilern um Schutz gegen vermeintlich erlittenes Unrecht erledigt er durch taktvolle Belehrung oder nacli collegialer und vertraulicher Auseinandersetzung mit dem betreffenden Lehrer durch eine denselben nicht hlofistellende und den Schiller dennoch wombglich befriedigende ErkUirung oder endlich durch Yerweisung der Sache an den Director. Ist nun auf diese Weise dem Ordinarius eine im gevvissen Sinne tonangebende Stellung in seiner Classe angewiesen, so ist gleichwohl nicht zu besorgen, dass dadurch s eine Autoritat, namentlich in disciplinarischer Hinsicht, allein erhoben und die der anderen Collegen herabgedriickt werde. Der Erfolg wird vielmehr bei richtiger Ausfiihrung der Sache fur die Autoritat ali er der einzelnen Lehrer ein gtinstiger sein. Ohne eine solehe Einrichtung namlich ist die Autoritat, welche sich ein Lehrer schafft, nur eine personliche; dieselbe Classe ist in der einen Lehrstunde gesittet und aufmerksam, in der anderen zerstreut und unaufmerksam. Lasst sich nun aucb der Unterschied der personlichen Einwirkung nie aufheben, so gewinnt doch jeder einzelne Lehrer dadurch, dass die Schiller die Thatigkeit sammtlicher Lehrer in Unterricht und Zucht als ein einheitliches Ganzes anzusehen gezwungen sind und von dem, \vas sie in ein e m Lehrgegenstande gelernt oder worin sie in e in er Lehrstunde in ihrem Betragen gefehlt haben, die Nachwirkungen in allen Lehr- stunden und demgemaft eine gleicbmafiige Behandlung erfahren. Weit entfernt daher, das Ansehen der iibrigen Lehrer herabzusetzen, ist vielmehr die durch Ernennung von Classenvorstanden erzielte Einigung geeignet, auch der Thatigkeit von Lehrern mit \veniger pildagogischem Takte den erforderlichen Halt zu gehen. Es ist wold sehr zu \vilnschen, dass Schule und Haus nach iibereinstimmenden Grundsatzen auf die Schiller einwirken und sich gegenseitig unterstiitzen; allein nur zu haufig kilmmern sich die Eltern erst dann um den sittlichen und vvissenschaft- lichen Zustand ihrer Kinder, wie er den taglichen Beobachtungen der Schule vorliegt, wenn derselbe nahe daran ist, sich in ungiinstigen Zeugnissen fiihlbar zu machen. Von der Schule kann man gleichivohl nicht mehr verlangen, als dass sie den Eltern zu gemeinsamem Handeln die Hand biete, nicht dass sie sich aufdrange. *) Diese Verpflichtung der f.ehrkorper, die Eltern oder deren Stellvertreter von dem Fortganfie und von der disciplinaren Ilaltung der Schtiler zu verstandigen, wurde durch die mit Ministerial- Erlass vom 2. Mai 1887, Z. 8752 (M.-V.-Bl. Nr. 15) angeordnete Einrichtung der Classenkatalogc nicht aufgehoben. 55 Der Ordinarius wird dah or im Geiste der Vorschrift handeln, wenn er, wiewohl er dazu nicht eigentlich verpflichtet ist, den Eltern Beobachtungen iiber Dinge, die den Schiller abwarts zu fiihren drohen, in einfacher und hoflicher Form briefiich mittheilt. Er wird den besorgten, Rath und Trost suchenden Eltern mit freundlicher Auskunft entgegenkommen; stofit er aber auf Gleichgiltigkeit oder gar auf verletzende Erwiderung, so wird er sich zuriickziehen, ohne deshalb in den Grenzen des Schul- lebens seine Besserungsversuche aufzugeben. Welche Geschiifte dem Ordinarius insbesondere bei der Semestralclassification, den Maturitatspriifungen und der Ausfertigung der Hauptkataloge, Priifungsprotokolle und Zeugnisse zufallen, ist in den Abschnitten III. und IV. auseinandergesetzt. C. Der Classenvorstand im Verhaltnisse zum Direetor der Anstalt. Dem Classenvorstande ist fur seine Classe ein Theil der Pfiichten des Directors zugevviesen, z. B. der Verkehr mit den Elteni in Betreff der Leistungen und des Betragens der Schiller u. dgl. m. Der Grund hiefiir liegt darin, woil zu dieser Thatig- . keit, wenn sie padagogischen Wert haben und nicht in eine aufterliche, mechanische Geschaftsfiihrung ausarten soli, eine specielle Kenntnis der Schiller erforderlicli ist, wie sie der Vorsteher der ganzen Anstalt iiber alle Schiller zu erwerben nicht in der Lage ist. Die hiedurch gewonnene Zeit wird dem Vorsteher sehr enviinscht sein, damit er sich anderen, seiner Stellung und schwierigen Aufgabe in der Leitung des Ganzen ausdrilcklich gebiirenden Arbeiten mit ungeschwachter Kraft widmen konne. Der Classenvorstand verwaltet ein ihm vom Direetor ilbertragenes, wider- rufliches Vertrauensamt, fiir dessen richtige Fuhrung er dem Direetor verantwortlich ist. Was er immer als Ordinarius thut, das thut er im Namen und als Stellvertreter des Directors, der seinerseits alle Vorkommnisse in den einzelnen Classen vor der vorgesetzten Schulbehorde zu vertreten hat. Hieraus folgt, dass es in der Befugnis des Directors liegen muss, nach seinem Ermessen einem Ordinarius einen grofieren, einem anderen einen kleineren Antheil an der Regierung seiner Classe zuzmveisen und so einen Theil der gewdhnlichen Functionen des Ordinarius sich selbst vorzubehalten. Diese Befugnis muss ihm umsomehr gewahrt werden, als er nicht selten in die Lage konimt, einem eben erst eintretenden Lehrer, dessen personliche Eignung fur die Leitung er noch nicht zu beurtheilen vermag, eine Schulclasse anzuvertrauen. A us demselben Grunde ist es nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht des Directors, den Classenconferenzen dfters beizuwohnen und den Classenvorstanden mit dem Rathe ilberlegener Erfahrung beizustehen. Hat nun aber der Direetor einem Classen¬ vorstande einen bestimmten Pflichtenkreis bezilglich seiner Schulclasse anvertraut, so darf er demselben seinerseits die zur Erfilllung dieser Pfiichten nothwendige Vollmacht nicht verkummern und nicht etwa ohne Beiziehung des Ordinarius bezilglich eines Schiilers Entscheidungen treffen, welche geeignet sind, dem Ansehen des Classenvorstandes bei seiiien Schiilern Abbruch zu thun. Audi darf er nicht iiber Beschiverden, die von Schiilern oder deren Eltern oder von anderen Personen bei ihm vorgebracht worden, ein entscheidendes Wort sprechen, ohne vorher mit dem Ordinarius sich besprochen und die Aufklarung oder Rechtfertigung desselben 56 gewurdigt zu haben; denn das Ansehen des Ordinarius ist ein Stiick seines eigenen, und der Director wiirde dieses untergraben, wollte er jenem den gerechten Schutz versagen. In einer wohlgeordneten Schule ist der Ordinarius in Angelegenheiten seiner Classe die erste, der Director die zweite Instanz; eine Instanz darf die andere nicht iibergehen oder gar herabsetzen. Ist aber in einer der beiden Instanzen wirklieh gefehlt worden, dann muss die andere mit Schommg und Klugheit eintreten. * * Verbindet ein Glassenvorstand mit den Vorzugen eines tiichtigen Lehrers scbarfe Beobachtungsgabe, die ibn vor Irrthiimern in der Beurtheilung und Behandlung der Jugend schiitzt, und den feineren Takt des gebildeten Mannes, der ihm sowohl die freundschaftliche Gefalligkeit seiner Collegen als auch die Achtung und das Zutrauen des Publicums erwirbt, dann ist er ein wahrer Segen fur die Schule. Wer, mitten hineingestellt zwischen Schiller, Eltem, Collegen und Vorgesetzte ohne irgend ein Attribut der Macht nur auf den guten Willen aller angewiesen, allen zudanke das Richtige zu tliun versteht — periculosae plenum opus aleae —, . der bat die beste Schule durchgemacht, um einst selbst die Leitung einer Anstalt mit Erfolg fiihren zu konnen. VII. Der Director. Soli das Gymnasium eine Bildungsanstalt sein, welche durch den Einklang eines in sich zusammenhangenden Unterrichtes und einer der jedesmaligen Alters- stufe angemessenen Zucht die ihr anvertraute Jugend zu intellectueller und religios- sittlicher Tiichtigkeit heranzubilden unternimmt, so ist zur Erreichung dieses Zweckes nicht nur eine Mannigfaltigkeit von Kraften, sondern vor allem inniges Ineinandergreifen der einzelnen Krafte erforderlich, indem eine jede derselben sich nur als ein dem Ganzen dienendes Organ anzusehen bat; daraus aber ergibt sich von selbst die Nothwendigkeit einer einheitlichen Leitung des Ganzen, welche das Ziel fortwahrend im Auge zu behalten und fur die Wohlfahrt der gesammten Anstalt Sorge zu tragen berufen ist. Eine solche Leitung, in die Hand eines Mannes gelegt, der dazu mit bestimmten Befugnissen ausgerustet sein muss, wird aber auch durch das Verhaltnis der Lehr- anstalt zum Staate und zum Publicum, namentlich zu den Eltern der Schiller, erfordert. Dem Staate muss eine Burgschaft gegeben werden, dass die von ihm ftir die Gymnasien erlassenen Gesetze und Verordnungen beobachtet, die Erreichung des denselben zugrunde liegenden Zweckes ernstlich erstrebt wird; den Eltern der Schiller aber muss die Moglichkeit geboten sein, ihre gesetzlich begriindeten Anspriiche an die Schule bei jemand geltend zu machen, der fur deren Erfilllung verantwortlich ist. Diese Verantwortlichkeit kann nicht dem Lehrkorper zugemuthet werden, weil dadurch, — abgesehen selbst von allen den Fallen, \vclche eine unmittelbare und schleunige Erledigung erheischen, •— so oft in ihm eine Verschiedenheit der Ansichten hervortrate, die Minoritat des Collegiums ftir tlas Verfahren der Majoritat vex-- g.ntwortlich wtlrde; sie muss vielmehr ein e m Manne hbertragen werden und zwar 57 einem solchen, welcher, als Lehrer des Gvmnasiums befahigt, den gesannnten Zustand desselben immer genau zu iibersehen, zugleich der Vorsteher der ganzen Anstalt und der nachste Vorgesetzte auch seiner Collegen, der iibrigen Lehrer, ist. Erlasse mitzutheilen, Berichte zu erstatten, die Gymnasialacten in guter Ordnung zu halten, administrative Anordnungen zu treffen und ihre autierliche Durchfiihrung zu iiberwachen, kurz den aufieren Mechanismus der Schule im regelmafiigen und sicheren Gange zu erhalten, das vermoehte allerdings auch ein Vorgesetzter zu leisten, der den Lehrern nur zu befehlen hatte, ohne an den Miihen und Schwierigkeiten der Ausfuhrung fortwahrend selbst thatigen Antheil zu nehmen. Alle diese Dingeaber, so nothwendig sie sind und so unerlasslich es ist, darin strenge Ordnung zu halten, erschopfen keineswegs die Aufgabe des Directors, ja sie inachen nicht einmal die Hauptsache aus; es geniigt nicht, dass der Director mit peinlicher Genauigkeit administriere, er soli stets und vornehmlich der vereinigende Mittelpunkt und die belebende Seele sein fur die mannigfaltige Thatigkeit der Lehrer an der Schule; und desvegen bedarf er der Stellung i n m i 11 e n des Lehrkorpers. Durch die unmittel- bare Betheiligung an Zucht und Unterricht gewinnt der Director eine genauere Kenntnis der Lehrer und Schiller, als er sie im Verhaltnisse der bloften Uberordnung erlangen konnte; die Pflichten des Lehrers selbst theilend, vermag er zur Belebung der Gewissenhaftigkeit und Freudigkeit im Berufe durch sein personliches Beispiel mehr zu wirken als durch die umfassendste Vollmacht des Befehlens. Mit der bloften Bestimmtheit des Befehles und der strengen Uberwachung seiner Befolgung konnte er wohl auBere Ordnung schaffen; freudiges Zusammenwirken des ganzen Lehrer- collegiums aber lasst sich nur durch Verstandigung und Uberzeugung erreichen. tjber Manner, die selbst in einem wissenschaftlichen Gebiete grundliche Studien gemacht haben, kann dem Director nur eigene wissenschaftliche Gediegenheit jene tiberlegenheit verleihen, ohne welche seine Leitung blofter Schein bleiben miisste. Weit entfernt also, dass dieses Verhaltnis der Lehrer zu einem Vorgesetzten aus ihrer eigenen Mitte, dessen Anordnungen sie Gehorsam schuldig sind, fur diese ein drtickendes sei oder ihre freie Bewegung innerhalb der durch die Gesetze und den Zweck des Gymnasiums gezogenen Grenzen beeintrachtige, ist es vielmehr fur sie ein gunstigeres, als wenn sie unmittelbar unter die Aufsieht eines nicht ihrer Anstalt selbst und ausschlieGlich angehorigen Vorgesetzten gestellt werden. Denn einerseits wird der Director, mit den Bedilrfnissen der Schule, mit den Uberzeugungen, Ansichten, Wtinschen seiner Collegen durch steten Verkehr genau bekannt, die ihm iibertragenen Befugnisse als solche nur insoweit anwenden, als es fur das Wohl und die Ordnung des Ganzen nothwendig ist, und er wird dahin streben, dass seine Anordnungen in dem Vertrauen und der Zustimmung seiner Collegen die beste und sicherste Biirgschaft ihrer Ausfuhrung tinden, weil er nur dann die auf ihm ruhende Ver- antwortlichkeit fur das Wohl der Anstalt zu tragen vermag; andererseit besteht fur die Lehrer in den regelmaflig angesetzten und aufierdem auch auf ihren eigenen Antrag aufierordentlich abzuhaltenden Conferenzen die Moglichkeit, unzweck- maBigen oder unbefugten Anordnungen des Directors nicht nur ein moralisches Gewicht entgegenzustellen, sondern auch ihnen gegenuber ihr Recht zu wahren, da die Protokolle dieser Conferenzen iinverzilglich der Landesschulbehorde zur Erledigung 58 vorgelegt werden miissen; iiberdies ist ein bestimmter wichtiger Kreis von Gegen- standen, welche die eigentliche Seele des ganzen Schullebens ausmachen, ausdriicklich der selbstandigen Entscheidung des Directors entzogen uud der miter seinem Vorsitze zu haltenden Confereuz anheimgegeben. Nur nach solcheu Grunds&tzen, wornach dem Director eine bestimmte Gevralt in der Leitung und Yerwaltung der ganzen Schule, dem Lehrercollegium aber ein wesentlicher EinHuss bei allen Lebensfragen des Gymnasiums im Gebiete des Unterrichtes und der Zucht gesichert ist, scheint es moglicb, ebenso die Einheit des Ganzen und die Eintracht des Lehrkorpers, wie das Recht der einzelnen Lehrer zu wahren. Der schwierige Beruf des Directors, das Wohl der gesammten Anstalt nacli innen und au!3en stets im Auge zu behalten, erfordert aufžer grtindlichen Fach- kenntnissen und didaktischer Sicherheit in deu von ihm selbst vertretenen Lehr- gegenst&nden vor alllem die richtige Einsicht in den Zweck der ganzen Bildungsaustalt, eine genaue Wtirdigung der einzelnen in ibr vereinigt wirkenden Elemente sittlicher und wissenschaftlicher Bildung, endlich sicheren padagogisehen Blick in der Wahl der erforderlichen Mittel; denn nur unter diesen Voraussetzungen wird ihn die von ihm zu erwartende štete und genaue Kenntnis des wirklichen Zustandes der Schule in den Stand setzen, Mangel entfernen zu helfen und der Erreichung des Zieles mit Erfolg zuzustreben. Der innere Gehalt dieser Thatigkeit lasst sich selbst durch eine bis ins einzelnste gehende Instruction nicht ausdrucken, und es bedarf dessen auch gar nicht fiir einen von der sittlichen Wiirde und der gesellschaftlichen Bedeutung seines Berufes durchdrungenen Director; wohl aber sind die zur Erfiillung dieses Berufes unerlasslichen au 13 ere n Bethatigungen im einzelnen nither zu bezeichnen. A. Der Director im Verlialtnisse zu der vorgesetzten Schuibehdrde. 1. Alle Gesetze und Verordnungen, welche die Schule betreffen, sowie alle amtlichen Anfragen ergehen von der Bebdrde an den Director und sind von diesem entsprechend zu erledigen. Ob biezu Mittheilung an den Lehrkorper, sei es vor, sei es nach der Erledigung, und ob Discussion mit demselben erforderlicb ist oder nicht, hangt von dem Inhalte der eingelaufenen Geschaftssachen ab, (wie z. B. gevvisse Personalien nothwendig jeder Mittheilung und Discussion im Lehrkorper entzogen sind) und ist von dem Director zu beurtheilen; denn die Erledigung geschieht unter s ein er Verantwortlichkeit, und iiberdies geben tiber die gemachte oder uriterlassene Mittheilung an den Lehrkorper die Conferenzprotokolle Auskunft. 2. Die Originalprotokolle tiber die regelma!3igen und aufierordentlichen Conferenzen des Lehrkorpers hat der Director sogleich an den Landesschulrath einzusenden. Ist aber das Gymnasium von der Landesschulbehorde dieser Verpflichtung enthoben worden, so sind die Conferenzprotokolle, solange deren regelmit(3ige Einsendung nicht wieder aufgetragen ist, nur dem Gymnasialinspector bei seinen Visitationen der Schule vorzulegen; diesem kommt es zu, sein besonderes Augen- merk auf den Inhalt der Protokolle zu richten, hieriiber mtindliche Aufklarungen zu 59 verlangen imel darnach seine Weisungen an Ort urni Stelle zu ertheilen. Protokolle aber, deren Inhalt eine Frage bildet, welche der hoheren Entscheidiing oder Erledigung bedarf, oder deren Vorlage auch nur e in Mitglied der Conferenz aus- driicklich minscht, sind jedesmal unverziiglich der Landesschulbehbrde vorzulegen. 3. Am Schlusse des 1. Semesters hat der Director dem Landesschulrathe das Original der Hauptkataloge des Oymnasiums, in welchen die sammtlichen Semestral- zeugnisse enthalten sind, nebst einer tabellarischen Ubersicht liber die Classificatipn in Sitten und Fleifi und liber die allgemeinen Fortgangsclassen nach den einzelnen Classen und fur das ganze Gvmnasium (s. Abscb. VIII. Form. G) zugleich mit dem Protokolle uber die Schlussconferenz des Semesters, durch welche die Classification der Schiller festgestellt worden ist, einzureichen. Am Schlusse dieser Conferenz hat der Director den Lehrkorper zu befragen, ob zu den Ilauptkatalogen allgemeine Bemerkungen, besonders iiber den \vissenschaftlichen Fortgang und die sittliche Haltung der Schiller zu machen seien. und die etwa vorgebrachten AufJerungen zur Discussion zu stellen. Es steht ihm frei, in seinem eigenen Begleit- berichte noch andere als die in der Conferenz besprochenen Punkte zu erwahnen; ebenso hat er auch die durch das Classificationsergebnis geforderten Aufklarungen und Erlauterungen zu geben. Kataloge und Protokoli werden vom Landesschulrathe — dem es iibrigens freisteht, auf die Vorlage der Hauptkataloge im Originale zu verzichten — in moglichst kurzer Frist wieder zuruckgestellt. 4. Der nach §. 112 des Organisations-Entivurfes alljahrlich in der Conferenz festzusetzende Lectionsplan (d. i. der specielle L eh r plan) fur das folgende Schuljahr ist nur dann dem Landesschulrathe zur Genehmigung einzureichen, wenn eine Abweichung von dem allgemeinen Normal-Lehrplane beantragt wird. 5. Am Schlusse des Schuljahres erstattet der Director den Jahreshaupt- 1)ericht, welcher eine vollstandige Statistik und Charakteristik des auBeren und inneren Zustandes des Gvmnasiums im verflossenen Schuljahre zu enthalton hat, und zwar nach den folgenden Hauptrubriken : A. Das Auiiere der Scliule. I. Lehrpersonale. a) Veriin de run gen in dem gesammten Personale der ordentlicheu Lehrer, der Hilfs- und Nebenlehrer seit dem letzten Jahreshauptberichte (Austritt, Eintritt; mit kurzer Angabe des Anlasses und Anfiihrung der behordlichen Entscheidiing). b) Personalstand am Schlusse des Schuljahres (nach den Diensteskategorien, innerhalb einer jeden Kategorie nach dem Dienstalter, nicht alphabetisch geordnet) mit Angabe der dienstlichen Beschaftigung nach Lehrgegenstanden und Stundenzahl. c) B e ur laubu n gen mit Angabe des Anlasses und der Dauer und mit Anfiihrung der behordlichen Entscheidiing. II. Lehrmitfel. a) Verfiigbare Geldmittel mit Angabe der Quellen (Cassarest, Aufnahmstasen und Duplicatstaxen, Lehrmittelbeitrage der Schiller, Dotationen u. a.) und des Betrages im einzelnen und im ganzen. 60 b) Zuwachs, geordnet nach den einzelnen Sammlimgeu — Bibliothek (Lehrer-, Schiilerb.), geographische, mathematische, physikalische, chemische, natur- geschichtliche Lehrmittel, ferner fiir den Zeichenunterricht, fiir Kalligraphie, Gesang, Turnen u. s. w. — innerhalb jeder getrennt nach der Art der Erwerbung (Ankauf, Geschenk, Legat). c) Stand der Sammlungen am Sehlusse des Schuljahres, vomehmlicb aus dem Gesichtspunkte ihrer Zulanglichkeit fiir die Bedurfnisse des Gymnasiums. III. Schulerzahl nach den einzelnen Classen und in der Gesammtsumme in einer Tabelle (s. Abschn. VIII. Form. H) und zwar a) Stand am Sehlusse des vorangegangenen Schuljahres, b) Stand zu Anfang, c) Veranderungen im Laufe, d) Stand am Sehlusse des eben abgelaufenen Schuljahres, uberall mit Unterscheidung der offentlichen Schiller und der Pri vati sten *), bei b) auch der eigenen und der von auften hinzugekommenen, der aufgestiegenen und der zurilckgebliebenen Schiller — an Realgymnasien bei der III. und IV. Classe mit Unterscheidung nach der gewahlten Studienrichtung. IV. Unterstiitzuiigswesen. a) S t i p e n d i e n; es geniigt die Anzahl der Stipendisten, die Zahl und den Gesammthetrag der Stipendien anzugehen. b) Locales Unterstiitzungswesen, Hohe und Verwendung der zugebote gestandenen Mittel in summarischer Darstellung. V. Schulliygiene. Veranstaltungen zur Forderung der korperlichen Aushildung der Schiller (M.-E. vom 15. September 1890, Z 19.097, M.-V.-Bl. Nr. 58.) VI. Chronik der \vichtigsten Daten aus dem aulieren Leben der Schule (Eroffnung, Schluss des Schuljahres, Unterbrechungen; Schulfeste, Inspectionen; Krankheiten, Todesfalle unter den Lehrern oder Schiilern). 15. I)a s Innere der Schule. I. Unterriclit. 1. Obligate Lehrgegenstande. ajDurchfilhrung des Lehrplaneš (nur et,waige Abweichungen vom allgemeinen Lehrplane mit Anfiihrung der behbrdlichen Genehmigung — voll- standige Angabe der in den einzelnen Classen wirklich absolvierten Lecttlre in dem gesammten Sprachunterrichte und der Themata, welche in den Classen des Obergymnasiums zu den Aufsatzen in der Unterrichtssprache und etwa einer zweiten lebenden Sprache gegeben und bearbeitet worden sind — Erreichung der vorgeschriebenen Classenziele). *) Am einfaclisten geschieht diese Unterscheidung in der Tabelle symbolisch dadurch, dass die von den Privatisten geltende Zahl der correspondierenden Zahl, welche sich auf die offentlichen Schiiler bezieht, iiber der Zeile in kleinerer Schrift beigesetzt wird (z. B. 26 3 = 26 offentliche Schiiler, 3 Privatisten). 61 b) Erfolg des Unterrichtes und zwar zunachst allgemein, imvieferne die in den einzelnen Gegenstanden und Classen erzielten Resultate befriedigen oder nicht, dann Ergebnis der Classification am Scblusse des z\veiten Semesters classen- weise und im ganzen nach der allgemeinen Fortgangsclasse, der Zahl der Wieder- holungs- und der Nachtragspriifungen und der ungepruft gebliebenen Schiller — alles, was sich durch Ziffern darstellen lasst, in tabellarischer Form — unter Vorlage der Hauptkataloge, woferne das Gymnasium nicht davon befreit ist und der sich daran kntlpfenden erlauternden und erganzenden Bemerkungen. c) Maturitatspriifungen und zwar Termin, Aufgaben zu den schriftlichen Prlifungen, Zahl und Kategorie (offentliche Schuler, Privatisten des Gymnasiums, Externe) der Gemeldeten. Zuriickgetretenen, Gepriiften; Erfolg der Prufung, bei den Approbierten mit Angabe des Grades, bei den Reprobierten mit Angabe des Reprobationstermines; Zahl, Gegenstand, Erfolg der gestatteten Wiederholungsprufungen; Namenliste der Approbierten mit Angabe des Geburts- ortes und Vaterlandes, des Lebensalters, der Dauer der Gymnasialstudien, des Grades der Reife, des gewahlten Berufes — alles Ziflenvesen unbedingt, das iibrige soweit als moglich in tabellarischer Form. d) Ve r w e n d u n g der Lehrer — Fachkenntnis , Berufseifer , Methode, Behandlung der Schuler u. s. w.; Haltung im Lelirkorper und im otfentlichen Leben; das Privatleben eines Lehrers ist nur dann zu beriihren, wenn dies die Wahrung der Ehre des Standes unbedingt erheischt. c) Conferenzen, summarische Angabe der Zahl und der Termine der Classen- und der Ges h mmtconferenzen, wenn das Gymnasium zur regelmaBigen Vorlage der Conferenzprotokolle nicht gehalten ist, mit Bezeichnung der \vichtigeren Verhaudlungsgegenstande. f) Forderungen und Hindernisse des Unterrichtserfolges, soweit solche thatsachlieh wahrgenommen oder mit Sicherheit vermutliet werden konnten. 2. Nur bedingt obligate und nicht obligate Lehrgegenstande *). a) Organisation — Anzahl der Lehrabtheilungen und der wochentlichen Stunden in jeder Abtheilung nach den einzelnen Gegenstanden. b) Starke des Besuches im einzelnen und im ganzen nach dem Stande am Schlusse des Schuljahres. c) Erfolg des Unterrichts. d) Lehrer — dienstlicher Charakter, Qualifieation, Verwendung, Remuneration. II. Zuclit. a) Allgemeine Bemerkungen liber die sittliche Haltung der Schuler. b) Zahl der in den einzelnen Classen wahrend des Schuljahres vorgekommenen s c h w e r e n S t r a f e n (bei den — localen und allgemeinen — Aus- schliefjungen mit Angabe des Namens der Schulclasse und der Vergehung bei *) Der Religionsunterriclit der confessionellea Minoritaten an einem Gymnasium ist dann, wenn die Sickerstellung der Ertheilung nacb dem Reichsgesetze vom 20- Juni 1872, R.-G.-Bl. Nr. 86, dem Erhalter der Schule obliegt, beim obligaten Unterrichte zu bespreehen. 62 jedem einzelnen Falle, bei den Carcerstrafen mit summarischer Angabe dcr Dauer und der Griinde). c) Sittenclassification classemveise und im gauzen nach den einzelnen Pradicaten mit Angabe der Begriindung der ungiinstigen Noten und genauer Anfiihrung besonders auffitlliger Vorkoinmnisse (das Ziffervvesen in tabellarischer Form). d) It e 1 i g i 6 s e Ubungen nach Zeit, Art und Zalil, Beaufsiclitigung, Ilaltung der Schiller. e) Forderungen und Hindernisse des erziehenden Einflasses der Rebule. Die das Innere der Scliule betreffenden Punkte — mit Ausnahme dessen, was die Verwendung der Lehrer angebt — h at der Director vor Abfassung seines Berichtes in der Conferenz vorzubringen und zur Discussion zu stellen und zugleicli den Lehrkorper zu befragen, ob derselbe noch andere als die angefiibrten Gegen- stande in den Schulbericht aufgenommen wiinsche. Das Protokoli daruber ist, zugleicli mit dem Hauptberichte einzureichen, obne dass jedocb der Director an dasselbe in dem von ihm selbstiindig abzufassenden Berichte, seinem Inhalte oder Umfange nach, gebunden \viire. W enn das Gjmnasium einen g e d r u c k t e n Jahresbericht (P r o g r a m m) oder wenigstens die sonst ins Programm aufgenommenen Schulnacbrichten veroffent- licht *), so wird diese Schrift den groftten Theil des oben niiher bezeicbneten Stoffes, liamentlieli alles nur Statistische — natilrlich mitsorgfaltigerAusschlieBung a 11 e s dessen, wa s nicht vor die Offentlicbkeit g e h o rt **) — sowie die Ein- ricbtungen und getroffenen Verfiigungen zur Forderung der korperlichen Ausbildung der Jugend (M.-V.-BI. 1890, Nr. 58) aufzunehmen, der (geschriebene) Jahreshaupt- bericht des Directors aber zur Vermeidung lastiger und nutzloser Wiederholungen in allen Dingen, die bereits im Programme ***) oder im Conferenzprotokolle behandelt sind, sich auf diese Schriftstucke zu beziehen und dazu nur die nothwendigen Erganzungen, namentlicb durch das, was dem Programme bat entzogen werden miissen, zu liefern haben. Die hierin liegende wesentliche Vereinfachung der Bericht- erstattung wird jedem Director gevviss willkommen sein, weil sie ilim gestattet, die Hauptaufgabe des Jahresberichtes, namlich die Beleuchtung des Zustandes seiner Schule und ihrer Loistungen in Unterricht und Z u elit, mit umso grolierer Genauigkeit zu bebandeln. Die Regierung setzt natilrlich einen boben Wert darein, von jenen Mannern, \velchen die Leitung eines Gymnasiums anvertraut ist, ein umfassendes, griindbehes, unbefangenes und freimtithiges Urtheil iiber den Zustand und die Bediirfnisse dieser Schulen zu vernelimen. *J Fiir den Inhalfc und die Form der Programme geben die Ministerial-Verordnungen vom 9. Juni 1875, Z. 8710 und vom 2. Miirz 1880, Z. 1072 (Marenzeller, Normalien f. d. Gymn. Nr. 482 u. 483) die Richtsclmur. **) Nicht vor die Čffentlichkeit gelioreii z. B. die kurz en Beurlaubungen oder Erkrankungen der Lelirer. ***) Das gedruckte Programm ist dem Jahreshauptberichte an die Landesscbulbelibrde in fiinf Exemplaren beizulegen. 63 G. An den Staatsgynmasien hat (ler Director alsbald naeli Schluss (les ersten Semesters und nacli den Hauptferien, sobald der Erfolg der Wiederholungsprufungen den definitiven Abschluss der Classification erlaubt, den A u s v e i s iiber die Classification der von der Entrichtung des Schulgeldes befreiteu Schiller im abgelaufenen Semester — in tabellarischer Form: Name, Classe, Sittennote, Fleifimote, allgemeine Fortgangsclasse — mit besonderer Bezeichnung jener Schiller, welche der Befreiung verlustig gehen, der Landesschulbehorde vor- zulegen. Die sonstige Mitwirkung des Directors bei der Schulgeld-Einhebnng und -Verrechnung ist durch besondere Normalien geregelt * **) ). 7. Da far die Stipendienangelegenheiten die • Statthalterei (oder die Landesregierung) die competente Behorde ist, so hat die Direction in dieser Ilinsicht den amtliclien Verkehr umnittelbar mit dieser Behorde zu fiihren. Aufier jenen Eingaben und Berichten, die von Fali z u Fali vorzulegen simi, hat die Direction am Sehlusse eines jeden Semesters zwei Ausweise einzusenden: den einen iiber den Studienerfolg der Stipeudisteu iiberhaupt, den anderen iiber jene Stipendisten, welche in Folge der Classification gemiitl den Stiftungsbedingungen des Genusses ihres Stipendiums verlustig werden. 8. YV enn Veranderungen im L e h r p e r s o n a 1 e vorgehen, sei es durch Versetzung, durch den Tod oder andere Ursachen, so hat der Director sogleich dariiber die Anzeige zu erstatten und nach §. 101 des Organisations-Eutvvurfes vorzugehen. Bezuglich der fiir den Amtsgebrauch des Unterrichts-Ministeriums bestimmten Ausweise iiber den Personalstand der Lehrer an Mittelschulen hat der Director die Bestimmungen der Ministerial-Verordnung vom 28. August 1876 (M.-V.-Bl. 1876, Nr. 28) zu befolgen. 9. liber seine ganze schriftliche Amtsfuhrung hat der Director ein ordentliches Geschafsprotokoll zu fuhren; die gesammte amtliche Correspondenz, die eingegangenen Schriftstticke sowie das Original seiner Erledigungen hat er, sammt dem Geschaftsprotokolle, in geschaftsmaUiger Ordnung aufzubewahren; er allein fuhrt fiir seine amtliclien Schriften und Documente das Amtssiegel der Schule. Die bislier vorgeschriebene Fiihrung eines eigenen ausfiihrlichen N or mali e n- buches, in \velches alle fiir die Zukunft maligebenden Verordnungen und und die normativen Bemerkungen aus den einzelnen Erledignngfc der Direction in vollstandiger Abschrift einzutragen waren, kanu jene Normalien eingeschriinkt werden, welche weder in die Unterrichts-Ministeriums herausgegebene Sammlung der Normali *) Vgl. M,-V. v. 12. Juni 1886, Z. 9681, M.-V.-Bl. Nr. 39; M.- M.. V.-BI. 1887, Nr. 2;. M,-V. v. 6. Mai 1890, M.-V.-Bl. Nr. Z. 12800, M.-V.-Bl. Nr. 48. **) Normalien fiir die Gjmnasien und Realschu Auftrage und mit Benutzuug der amtliclien Quellen des k. k. Unterricht redigiert von Dr. Edmund Edlen von M a r e n z e Wien 1884. II. Theil; Realschulen. Wien 1889. Im k. k. Schulb 61 sind, nocli im „Verordnungsblatte fiir den Dienstbereich des Ministeriums fiir Cultus und Unterricht” kundgemacht werden, urni es gentigt, danebeu mir eineu voliš tkndigen Normalienindex (ara besten nach alphabetischer Ordnung der Schlaguorte) anzulegen und fortzufilhren, der die Normalien nachweist und ihre rasche und sichere Auffindung ermoglicht. Hierauf ist auch bei der Einordnung der Acten in das Gymnasialarchiv angemessene Rilcksicht zu nelimen. liber die von allen M i 11 e 1 s c h u 1 e n des R e i c h e s a u s g e- schlossenen Schiller, sowie ilber jene, welche von der Ablegung der Maturitatsprilfung ausgeschlossen tvorden sind, ftihrt der Director eigene I n d i c e s nach den amtlich zukommenden Mittheilungen und balt dieselben in steter Evidenz, um jedem Versuche einer Einschleichung sofort begegnen zu konnen. Beziiglich der bei den Maturitatspriifungen vorkommenden Reprobationen dagegen, die der Direction gleichfalls regelmafMg bekannt gegeben werden, geniigt es, die Mittheilungen so zu ordnen und aufzubetvahren, dass jederzeit leicht darin nachgeschlagen werden kann; fortlaufend vollstandige Indieierung wilrde eine den Nutzen weit ilbersteigende Schreibarbeit erfordern. In die Geschichte des Gjmiusiums mag der Director nur jene wichtigeren Daten und Ereignisse aus dem auReren und inneren Leben der Schule in cbronologischer Folge eintragen, welche in das Programm nicht aufgenommen werden durften oder konnten, und sich im iibrigen auf das Programm beziehen. Eine vollstandige Folge der eigenen Programme solite ein jedes Gymnasium auf- bewahren. 10. Zu jeder Enthebung von seinen Amtsgeschaften wahrend der Schulzeit hat der Director beim Landesscbulratbe um Urlaub anzusuchen; jede Entfernung vom Schulorte \vilhrend der Ferienzeit hat er unter Namhaft- machung seines Stellvertreters dem Landessehulrathe anzuzeigen, tvenn jedoch seine Abwesenheit liber eine Woche dauern soli, um die Genehmigung anzusuchen. B. J)er Director im Verhaltnis zu den iibrigen Lehrern der Anstalt. 1. Der Director hat die Gesetze sowie die Verordnungen und Erlasse der Schulbehorden den Lehrern mitzutheilen, ihre Ausfiihrung anzuordnen und zu tlber- wachen. Solite ein Lehrer die Ausfiihrung der vom Director getroffenen Anordnung Z u c rr!; r ',sfiu oder vehveigern oder sonst irgendwie den Dienstespiiichten zutvider- einen liohen Wert' der Director darilber je nach der Natur des einzelnen Falles anvertraut ist, eifeiahnung, bestimmte Weisung — in der Regel zunachst unter vier iiber den Zustand tien Fallen schriftlich — zu ertheilen, nothigenfalls aber an den '- -ncht' zru erstatteh. *\ I' ur den Inbalt und u . un( j i nnerell Vertvaltung der Schule nothtvendigen Mali- 9. B. * * * * * * * J, ;m l 87 5 z 8 7 io un treffen. I-liezu gehbren namentlich: die **) Niciit vor die čffentlicP ’ & I ,er di e Schiller im Schulhause aufier denLehrstunden der Lelirer. Jbungen; die Anordnung und Zeitbestimmung fiir die Auf- ***) Das gedrnckte Programmd Privatistenpriifungen und die Ilestimmung der Uber- Exemplaren beizulegen. .jen tvahrend der schriftlichen Maturitatspriifungen; die