\ ( - I I I \ ' SEPARAT-ABDRUCK AUS WIS8EN8CHAFTLICHE IITTHEILUNGEN AUS BOSNIEN UND DER HERCEGOVINA, YIII. BAND, 1901. ETHNOLOGISCHE NOTIZEN AUS BOSNIEN UND DER HERCEGOVINA. E MILI AN LILEK, PROFESSOR AM OBERGYMNASIUM IN SARAJEVO. L THEIL. WIEN, 1901. IN COMMISSION B E I CARL G E R O L D ’ S SOHN. DRUCK VON ADOLF HOLZHAUSEN. T 44568 Ethnologische Notizen aus Bosnien und der Hercegovina. Von Emilian Lilek, Professor am Obergynmasiuin in Sarajevo I. Theil. A. Aus dem Volksglauben. I. Die Menschenseele. a) Die Seele kann den Menschen zeitweise verlassen. In. Gračanica sagen die Muhammedaner, dass ein Schlafender nicht plotzlich erweckt werden diirfe, weil die Seele den Schlafenden verlassen habe und in den verschiedensten Weltgegenden herumstreife; der Erweclcte wurde jedermann durchpriigeln, der ihn wahrend dieser Zeit aus dem Schlafe risse. Geschieht es dennoch, dass man einen Schlafenden plotzlich erweckt, so muss man ihn an die alte Liegestatte zuruckbringen und ihn dort so lange liegen lassen, bis er selbst erwacht; thate man das nicht, dann wiirde er sein Lebelang mente captus bleiben. Von der Hexe sagt man, dass sie auf zwei Arten herumgehe: entweder sie selbst. oder ihre Seele. Verlilsst diese ihren Korper, dann wird dieser eiskalt und ganz blau, der Mund verzieht, die Lippen schwarzen sich. Vor der Morgenrothe kehrt jedoch die Seele in Gestalt einer Hummel durch den Mund in den Korper zurtick, der da- durch sofort wieder belebt wird. b) Gestalt und Sitz der Seele. Die Seele ist ein luftartiger Korper, ein Hauch (dah), wie dies schon das mit dah verwandte Wort duša (Seele) anzeigt. Ausserhalb des menschlichen Korpers kann sie uns erscheinen in Gestalt eines Schmetterlings, einer Hummel, eines weissen oder schvvarzen Vogel s und eines menschlichen Ge- spenstes, angethan in weisse Kleider. Wahrend des menschlichen Lebens ist ihr Sitz im Herzen. So lange dieses pocht, lebt der Mensch, d. h. er hat eine Seele. Auch dem hiesigen Volke sind Leben und Seele identische Begriffe. Da die Seele, die Lebenskraft, im Herzen ihren Sitz hat, deshalb verbrennt man in einigen Gegenden Bosniens beim Vampirverbrennen anstatt den ganzen Korper nur das Herz des Vampirs, in der Meinung, dass nur dieses den Leichnam belebt und ihn auf diese Art zu einem Vampir macht. c) Aufenthalt der Seele unmittelbar nach dem Tode. Die Seele des Ver- storbenen geht nicht sofort nach dem Tode in den Himmel, sondern halt sich gegen 40 Tage in der Nahe seines Grabes und in seinem Familienhause auf, wo sie die ersten sieben Tage insbesonders um seine Kleider herumfliegt und Acht gibt, dass niemand 2 II. Volkskunde. [ 268 ] dem Leichnam (solange er sich im Hause befindet) etwas Bdses zufiige oder Boses liber den Verstorbenen spreche. Die Seele fliegt im Hause entweder ungesehen herum, oder in Gestalt eines Vogels, Schmetterlings, oder menschlichen Gespenstes (st8o)Xov), gekleidet in Aveisse Kleider. Erscheint sie im Hause iiber 40 Tage nach dem Begrabnisse, dann ist dies ein Zeichen, dass sie sicli noch nicht beruhigt hat, weil sie noch immer etwas driickt und schmerzt, z. B. weil ihr jemand nicht verziehen hat, oder weil ihr ein Wunsch noch nicht erfiillt worden ist. Verspricht ihr derjenige, dem sie sich gezeigt hat, dass er ihr alle Wiinsche erfiillen Averde, dann nimmt sie die Gestalt einer Aveissen Taube an und entfliegt sofort gegen den Himmel. Eine siindige Seele erscheint in Gestalt eines sc Invarzen Vogels. (Siehe diese Mitth. IV, 1896, S. 408 f.) d) Was Aviinscht man der Seele des Verstorbenen? Frieden und sich selbst Ruhe vor ihr! Deshalb hringt man ihr Gahen in Speise und Trank dar, bestattet den Todten aufs pietatvollste und legt ihm Geschenke ins Grab, das dann eifrig geschmiickt, gerauchert und mit OpferAvein begossen Avird; bezeigt man auf die verschiedenste Art seine Trauer ob des Verlustes und betet schliesslich zu Gott, dass er der Seele des Verstorbenen alle Siinden verzeihen moge. — Wie der Leichnam eines bosen und siindigen Menschen im Gi’abe keine Ruhe finden kann, sondern aus demselben herausgeAvorfen Avird, ebenso kann aucli seine Seele nicht zur geAviinschten Ruhe gelangen, sondern muss herumirren, insbesonders um das Grab und im Familienhause, avo sie die In- Avohner beunruhigt, ihnen Furcht und Schrecken einjagt und Bdses anstiftet. Die Seele eines Guten hingegen hilft nach dessen Tode den Venvandten und Freunden und wird deshalb in pietatvoller Erinnerung bebalten. e) Wie lange lebt die Seele eines Verstorbenen? Schon oben haben Avir erAvahnt, dass die Seele einen lebenden Menschen Avahrend des Schlafes zeitweise ver- lassen kann. Nach seinem Tode ist sie nicht mehr an seinen Korper gebunden; aber doch halt sie sich nach dem alten Volksglauben noch am meisten um die Leiche auf, und ZAvar so lange, bis diese nicht ganz in Venvesung iibergegangen ist. Aus dem Grabe besucht sie ihr Haus, besonders in den ersten Tagen nach dem Begrabnisse. Dass nach dem altesten Volksglauben die Seele nicht schon den 40. Tag nach dem Begrabnisse ins Jenseits fahrt, sondern sich noch hinger im Grabe oder in seiner Nahe aufhalt, das beAveisen uns die halbjahrigen und jahrigen Todtenopfer am Grabe des Verstorbenen, ferner die allgemeinen Erinnerungsfeste an alle todten VerAvandten am Charfreitag, am Marcus- und Himmelfahrtstag, die ebenfalls an den Griibern abgehalten Averden. Daraus konnen wir schliessen, dass nach dem altesten Volksglauben die Seele eines Verstorbenen im Allgemeinen so lange lebt, als sich die Vemandten oder nachsten Bekannten ihrer erinnern. Lange Avird man der Seele eines verstorbenen Hausvaters gedenken, der das HausAvesen mit Kraft und Giite geleitet hat. Ihn Avird man bis ins neunte Knie und noch Aveiter in Erinnerung behalten. Als Erinnerungsfest an die verstorbenen Vorfahren und die iibrigen Mitglieder der Familie feiern die Orthodoxen das „Krsno ime ; ‘ oder die „Slava“ (heutzutage schon fast ganz in christlich-kirchlichem GeAvande); die Muhammedaner schlachten dem verdienstvollen Vater oder Grossvater an jedem Kurban-Bajram ein Schaf als Todtenopfer (kurban). Die Katholiken erinnern sich ihrer Vater bis zum neunten Knie nur noch mit Gebeten und gelegentlich eines Avichtigen S c h av u r e s, z. B. in der ScliAvurformel: „Bei meinen verstorbenen Vor- vatern! Bei ihren Gebeinen und ibrem Staube!“ [269] 3 Lilek. Etlinologische Notizen aus Bosnien und der Hercegovina. II. Der Vampir. 1 ) 1. Wer ist ein Vampir? Ein Vampir (lampir, vukodlak) ist ein Todter, in den 7 40 Tage nacli dem Tode der Teufel (eigentlicli der Unreine = nečastivi) gefahren ist und ihn so belebt bat, dass er in der Nachtzeit das Grab verlassen kann, um in seinem Hause und Dorfe Leute und Vieb zu vviirgen und ihr Blut zu trinken; insbesonders liebt er das Blut junger Kinder. — Der Vampir bat Aelmlichkeit mit einem Menschen ohne Gebeine, er ist angebliiht wie eine Blase, voli Blut, struppig und zottig, bat grosse Augen und grosse Nagel; gekleidet ist er in die Grabkleider, tiber die Schulter triigt er den ins Grab gelegten „pokrov“ [eigentlicli Bedeckung, und zwar ein Stiick iveissen bosnischen Ge- ivebes (bez.)]. In der Posavina sagt man, dass er Ketzer- oder Zigeuneraugen babe, und dass er desbalb fortwahrend seine Augen verstecke, wenn er mit einem Menscben zusammentrifft. Ausser der menscblicben Gestalt kann er nocli jeglicbe moglicbe Ge¬ stah annebmen; er kann sicli in eine Katze, einen Hund, ein Schvvein, 'einen Ochsen, ein Pferd, eine Maus etc. verwandeln. Aus dem Grabe steigt er jedoch nur wie eine Maus, und desbalb ist auch das Loob im Grabe, durcb das er dasselbe verlasst, nicbt grosser als ein Mauseloch. Aber ausser dem Grabe rvird er zu einem furcbterlichen Ungeheuer, das mit den unheimlichsten Lauten Furcbt und Schrecken einflosst. Gevvohnlich treibt er sein Umvesen am Friedliofe und um denselben, in seinem 1 amilienbause und in seinem Dorfe, ferner an Gewassern und um Miiblen. Niibert er sich dem Hause, so muss man ihm zurufen, er miige seine Schritte zu den Gewassern und in die Gebirge lenken; sonst kann man sicb seiner nocli mit einem angebrannten Holzscheit envehren. Erscheint er vor einem Hause, so wirft er Steine und Erde aufs Hausdach; im Hause selbst wirft er Allcs, was er findet, drunter und driiber: Loffel, Bescliubung, Ge- schirr etc. Oft nimmt er Graberde mit und halt sie einem der Hausbewobner unter die Nase, damit er niese. Sagt man dem Betreffenden nicbt „Helf Gott!“, dann wird er auch zu einem Vampir. — Gelit der Vampir um das Ilaus, so scheint es einem, als wenn aus vielen Sieben gesiebt wiirde. Ucber das nachtliche Herumstreifen des Vampirs, liber seine RingkHmpfe mit Leuten, besonders mit Miillern, weiss das bosnische Volk viel zu erziihlen. 2. Wer tvird zu einem Vampir? Zu einem Vampir wird: a) ein Todter, liber den etwas getragen wurde, iiber den ein Thier gescbritten, ein Vogel geflogen oder der menschliche Schatten gefallen ist; nur das Lamin und das Schaf konnen dem Todten nicbts anbaben; b) ein boser Mensch, den die Erde nicht in sich behalten will, sondern ihn hinauswirft; c) ein guter Mensch, falls auf ihm noch irgend ein Fluch lastete, als er ge- storben ist. Zu einem Vampir kann Jung und Alt, Mann und Weib werden; doch iverden in der Begel nur erwachsene mannliche Leute zu Vampiren. — Wurde ein Ehemann *) Vgl. die Abhandlung: „Yolkodlak in vampir sposebnim ozirom na slovansko bajeslovje“ von Fr. Wiestlialer im „Ljubljanski Zvon“, lil. Jalirg. 1883. 4 II. Volkskunde. [270] vor dem Tode seines Weibes ein Vampir, dann besucht er es in der Nacht. Ein solches Weib wird in Auszehrung iibergehen, das Kind aber, das es infolge des Umganges mit dem zum Vampir gewordenen Manne gebaren wiirde, klime ohne Knochen zur Welt und wiirde nicht langlebig sein. Wird ein ganz kleines Kind zum Vampir, dann kommt es in der Nacbt zur Mutter saugen. Diese muss es in dem Falle abwehren mit den Worten: „Geh’ ins Gebirge und suche dir dort deine Nahrung!“ 3. IVelche Mittel tvemlet das Volk in Bosnien und der Hercegovina an, damit ein Todter niclit zum Vampir iverde? In erster Linie lialt man sorgsam Wache beim Todten, damit kein Thier oder Menscli iiber denselben schreite; ferner legt man ihm auf die Brust etwas Erde, oder man spiesst ihm ein spitziges Stabchen aus Weissdorn- oder Cornellkirschen- holz unter die Zunge oder in die Magengrube. 4. IVie erkennt man, ivelclier Todte zum Vampir geivorden ist? Das Grab des Vampirs erkennt man an dem Loche, welches in dasselbe fuhrt. Ist nirgends ein Loch Zu finden, streut man auf jedes Grab Kienholz, um dann in der Friihe an der Verschiebung desselben zu erkennen, aus welchem der Vampir gestiegen ist. Sonst kann man den Vampir noch an den Grabkleidern und am „pokrovac“ (Decktuch) erkennen. Im Bezirke Foča hat man ausserdem nocli ein Erkennungszeichen: man fuhrt ein Fiillen iiber die Graber; vor -vvelchem es stehen bleibt und sich scheut, es zu iiber- schreiten, in dem haust der Vampir. 5. Wie vertheidigt sicli das bosnisch-hcrcegovinisclie Volk gegen den Vampir? Dem Vampir kann man nach dem hiesigen Volksglauben nur mit einem spitzen Pfahl aus Weissdoi’n oder Cornellkirsche, oder mit Feuer beikommen. Man muss ihn deshalb mit einem von diesen beiden Mitteln oder mit beiden zugleich todten und vernichten. Will man einen Vampir todten, dann versammeln sich, z- B. im Bezirke Višegrad, die Leute am Friedhof, suchen da nach seincm Grabe, und nachdem sie es gefunden, stecken sie neben demselben einen grossen, spitzigen Weissdornpfahl ein und legen Feuer an. Hierauf beginnen sie das Grab aufzugraben. Sobald sie den Vampir aus- gegraben haben, stossen sie ihm den Pfahl in die Brust, dass er aufbriillt wie ein Oclis, beschiitten ihn dann mit glulienden Kolilen so lange, bis er nicht ganz verbrennt. Manch- mal versammeln sich 3 — 4 mit F lin ten bewaffnete Mann er, um den Vampir zu er- schiessen. — Im Bezirke Vlasenica gelit man mit Hacken auf ihn los, zerhackt ihn in Stucke, schneidet ihm das Herz heraus und verbrennt es dann im Feuer. — Im Bezirke Prijedor stosst man einen spitzigen Weissdornpfahl so tief ins Vampirgrab, dass man damit ihn selbst durchbohrt. — In der Posavina trachtet man den ins Haus gekommenen Vampir bis zum ersten Hahnens chrei zuriickzuhalten, damit er sich vor Angst und Zorn noch mehr anblahe und dann infolge dessen zerplatze. — In manchen Gegenden meint man, dass einen Vampir nur der jiingste Sohn umbringen konne. Bei der Todtung eines Vampirs muss man entweder den Vampir oder sich selbst mit einer Ochsenhaut oder sonst einer Dečke bedecken, damit man nicht vom Vampir- blute bespritzt und dadurch selbst in einen Vampir verwandelt werde. [ 271 ] Lilek. Ethnologische Notizen aus Bosnien und der Hercegovina. 5 6. tJnterschied zwischen einem Vampir und einem Werwolf (rukodlak). Das Volk in Bosnien und der Hercegovina macht in seiner Mehrheit keinen Unter- schied zwischen einem ,,Vampir 1- ' (lampir) und einem eigentlichen „vukodlak“; deshalb wird der Vampir auch als ,,vukodIak“, das ist als Werwolf bezeichnet. Nur im Bezirke Trebinje bin ich bisher dem Glauben in die Existenz eines eigentlichen Vukodlaks oder Werwolfs auf die Špur gekommen. Es wird da erzahlt, dass sicli ein Weib, •vvohnhaft in der Niihe von Trebinje, vor zwanzig Jahren in einen Wolf venvandelt und als soleh er gegen 40 Schafe aufgefressen habe. Die Venvandlung geschah auf folgende Art: Das Weib nahm ein Seil und legte es kreisformig auf die Erde; dann entkleidete sie sicli, legte die Kleider umgedreht in den Kreis und niachte dann im Kreise drei Purzelbaume. Auf die gleiclie Weise ging dann auch die Riickverwandlung vor sich. In einigen Gegenden der Posovina halt man den Vampir fiir einen Teufel in Menschengestalt, den Vukodlak aber fiir irgend einen unreinen Geist, der sich in einem mit griinem Gifte angeftillten Balge fortbewegt. III. Drekavac (drek). Aehnlich dem Vampir ist der „drekavac“. Dieser hat einen bunten, langlichen und dtinnen Korper. Er zeigt sich bei Nacht auf Friedhofen, aber auch zwischen den menschlichen Ansiedlungen, wo er bald schreit wie ein Ziegenbock, bald wie ein Kind, eine Kuh etc.; manchmal spricht er auch wie ein Mensch. Sein Geschrei deutet auf Tod. IV. Gespenster. Die Gespenster zeigen sich nach dem hiesigen Volksglauben in erster Linie an unreinen Orten (z. B. am Diingerliaufen) und dort, wo ein Mor d begangen worden ist; ferner noch an den Brunnen und am Holzspalteplatz. Deshalb muss z. B. der Wascheplatz nach Beendigung des Wasche\vaschens mit reinem Wasser begossen und dann mit Feuerkohlen bestreut werden, damit er nicht zu einem Gespensterheim werde. — Die Gespenster erscheinen in M&nner- und Weibergestalt und treiben ihr Unwesen in der Nacht bis zum ersten Hahnenschrei. V. Bose Geister. Auch bose Geister oder Teufel konnen einem erscheinen, insbesonders auf den Iriedhofen, in verlassenen Hausern, an Bach en und Brunnen, in Felskliiften etc. Ilire Herrschaft dauert von der ersten Abenddammerung bis zum ersten Morgen- grauen. Deshalb darf man von der Abenddammerung an nicht mehr vom Brunnen Wasser holen, sich nicht unter die Traufe stellen etc. Wehen starke Winde, so sind es nach dem Volksglauben bose Geister, die pfeifend und heulend Kolo tanzen. Der Teufel kann sich in einen Menschen und in die ver- schiedensten Thiere venvandeln. Hat er Menschengestalt angenommen, so kann man ihn daran erkennen, dass er nur ein einziges Nasenloch besitzt. Erscheint einem ein boser Geist, so soli man die Kappe scliief setzen, sich bekreuzigen und sprechen: „himveg du teuflische Erscheinung!“ — und der Geist wird sofort verschwinden. 6 IT. Volkskunde. [ 272 ] Der Teufel kann auch in den Menschen fahren und aus ihm. sprechen. Soleh ein Ungliicklicher gelit zum Hodža, damit er ihm bestimmte Gebete spricht, oder zum Muttergottesbilde in Čajnica, oder ins Kloster Ostrog in Montenegro, oder in die St. Ivankirche bei Jajce, wo die Franciscaner am 24. Juni die Teufel austreiben. In der zuletzt genannten Kirche erscheinen zu diesem Zivecke am Johannistage (24. Juni) Katholiken, Orthodoxe, Muhammedaner -— Alles zusammen oft gegen 2000 Leute! Unter jedem grossen Baum ist nach der Volksmeinung ein Schatz begraben, den ein boser Geist hiitet. Jenem Menschen, den er ftir sicli geivonnen, erscheint er im Traume und gibt ihm die Stelle an, wo der Schatz versteekt ist. Einige Ilodžas verstehen sich darauf, alle Teufel um sich zu versammeln, wann immer dies gewunscht wird. Diese Teufelbeschworung oder „daira“ 1 ) geht folgendei’art vor sich. Der Hodža nimmt eine Wanne voli Wasser und stellt ein barfiissiges Kind hinein. Dann murmelt er eine Besclnvorungsformel, und nun beginnen die Teufel einer nach dem anderen aus dem Wasser herauszusteigen. VI. Anf das Grab eines Getodteten werden Steine und Zweige gelegt. Bei Tešanj, auf dem Wege nach Maglaj, steht ein Grab, das „Čatin grob“ (das Grab des Čato) genannt wird. Es wird erzahlt, dass diesen Čato Hajduken ermordet und daselbst begraben hatten. Wer immer an diesem Grabe vorilberging, warf einige Ziveige darauf, so dass sich dadurch ein ganzer Grabhugel aufgethiirmt hat. Melit weit von Vlasenica steht das Grab eines Hajduken, der daselbst um sein Leben gekommen ist. Jeder, der an diesem Grabe vorubergelit, wirft einige Zweige darauf. Wer dies nicht thate, der wurde nach dem Volksglauben von einer Krankheit befallen oder von einem anderen Ungliick betroffen werden. Auch bei Prača, auf dem Waldwege nach Gorazda, wird ein Hajdukengrab gezeigt. auf das jeder Einheimische beim Voriibergehen einen S tein legt. Wird in der Krajina irgend ein Todter ausserhalb des Friedhofes begraben, dann ist es dort Brauch, dass jeder Bauer, wenn er am Grabe vorubergelit, einen Zweig und einen S te in oder etwas Erde auf das Grab wirft und hiebei die Worte spricht: „Dieser Todte ist im Ungliick umgekommen, Gott moge sein er Seele gnadig sein!“ VII. Allgemeine Todtengebete in den Bezirken Maglaj und Gračanica. In den oben bezeichneten Bezirken halt jedes orthodoxe Dorf im Jahre zwei all¬ gemeine Todtenfeiern ab, eine im Sommer, die andere im Winter. Die Winter- todtenfeier wird am Friedhofe, die Sommertodtenfeier aber an irgend einem anderen passenden Orte abgehalten. Die Todtenfeier geht folgenderart vor sich: Das zur Ver- anstaltung des Todtenfestes verpflichtete Dorf hat ftir diesen Tag fiir den Geistliclien und seine Familie ein besonderes Mahi zu bereiten; zum allgemeinen Mahle hat es die Patlien und Freundc und die angesehensten Leute aus den benachbarten Dorfern ein- zuladen. Zum Gebete versammelt man sich um Mittag. Auf den Friedhofe n oh ne Kapelic verrichtet der Geistliche seinen Dienst auf dem landesublichen, niederen Speisetische J ) Vom arab. daire-, Kreis. [ 273 ] Lil ek. Ethnologische Uotizen aus Bosiiien und eter Hercegovina. 7 (sinija), der auf vier zu diesem Zwecke in die Erde gesteckten Pfahlen aufgestellt wird. Auf den Tisch stellt man zuerst eine Schiissel voli Wasser und darein einen Basilikumstrauss; hierauf werden die Todtenverzeichnisse (čitulje) der einzelnen Familien daraufgelegt; unter den Tisch legt jede Familie einen Bund Salz. Nachdem der Geistliche die Gebete flir die Todten beendet und die Salzbiindel mit dem Weih- wasser besprengt bat, nimmt jede Familie ihr Todtenbuch und ihr Salzbiindel; das geweihte Salz wird dem Vieh verabreicht, damit es gut gedeihe. Auf das Todtengebet folgt das Todtenmal. Nach diesem lassen die Aelteren vom Geistlicben die Graber rauchern und besprengen, die Jugend aber ergibt sich dem Gesang und Tanz. Auch einige muhammedanische Dbrfer verrichten im Sommer ihre Dovas (Todten- gebete). VIII. Eine Hohle als moslimischer Gebetsort. Unweit des Dorfes Breteliviči, 1 1 / 2 Stunden nordostlich von Kladanj, befindet sich am Fusse eines Berges eine Hohle. Zu dieser vvandern die Muhammedaner alljahrlich einmal im Sommer ihre Dova verrichten, und zwar am Dienstag vor dem Alidžun (Ilija, Elias). Die Hohle ist breit und 1 / 2 Stunde lang. Inmitten derselben befindet sich ein Brunnen und neben demselben das Grab eines muhammedanischen Madchens, das da- selbst vor Schrecken umgekommen ist. Flir die Ungluckliclie verrichten die Kladanjer jedesmal das lodtengebet, so oft sie die Hohle besuchen. G elit man vom Madchengrabe vveiter vonvarts, so gelangt man zu einer Stelle, wo in den Felsen Stufen eingehauen sind, die dem Imam als Kanzel d i en en, von der er laut die Hudba spricbt. Nach Beendigung der Andacht verlasst man ruhig und lautlos die Hohle. Vor derselben folgt nun bis zur Abenddammerung die landesubliche Unterhaltung. War diese Hohle nicht vielleicht ehemals eine Mithrashohle? IX. Alidžunfeier auf dem Trebevič. Die Muhammedaner von Sarajevo und Umgebung gehen am Vorabend zum Ali- džuntage auf den Berg Trebevič und bringen da die ganze Nacht singend, tanzend und aus der Flinte schiessend zu. Diejenigen, die nicht die ganze Nachtwache aushalten konncn, lassen sich wahrend des Morgengrauens aufwecken, um mit den ubrigen Ge- nossen den Sonnenaufgang unter Gebeten zu envarten. Manche sagen, dass es ein griisseres religioses Verdienst sei ; am Vorabende des Eliastages auf den Trebevič zu gehen, als eine Wallfahrt nach Mekka zu unternehmen. X. Opferung beim Pflugen. Nicht nur in Gacko (sielie diese Mittheilungen IV, 1896, S. 436), sondern auch in der Krajina ist in jedem Dorfe ein Bauer, gewohnlich der reichste, dazu bestimmt, der erste zu ackern. Wenn zu diesem Zwecke die Ochsen in den Pflug gespannt werden, zerschlžlgt man dem rechtsstehenden Ochsen an der Štirne ein Ei und bindet ihm rothe Seide um die Homer. Sobald die erste Furche aufgefurcht wird, legt man auch in sie ein Ei. Band VIII. 8 II. Volkskuncle. [ 274 ] XI. Brot und Salz. Kommt ein verdachtiger Fremder ins Haus, so gibt man ihm hierzulande sofort Brot und Salz, damit er dann dem Hause nichts Biises anthun konnte, auch wenn er es wollte; denn nach der hiesigen Volksmeinung wiirde ihn an dessen Ausfiihrung das genossene Brot und Salz hindern, fesselnd seine Hande. Es wurde mir untei' Anderem erzahlt, dass ein von einem Katholiken entlassener Diener sicli bei seinem frliheren Dienstherrn in der Nacht eingeschlichen habe, um dort das Kistchen, in dem Geld aufbewahrt war, zu steklen. Den nachsten Morgen kam er selbst zum Herrn, um ihn um Verzeihung zu bitten, und gestand bei der Gelegenheit, dass er sein Vor- haben deshalb nicht ausfiihren konnte, weil ihn das im Hause genossene Brot und Salz derart fesselte, dass noch jetzt seine Hande davon ganz steif seien. Will sich einer mit seiner Person loben und vor den anderen hervorthun, so sagt er: „Icli habe mit ihm viel Brot und Salz verzehrt!“ — Hat er etwas verschuldet, so wird er die betreffende Person bei mit ihr genossenem Brot und Salz um Ver¬ zeihung bitten. XII. Zauberei. a) Regenzauber. In Višegrad geht man aufs Grab des zuletzt Ertrunkenen und begiesst das Grab mit Wasser. — Im Bezirke Breka nimmt man einen verwelkten Strauss, setzt ihn in trockene Er de, nimmt dann eine leere Kanne und ruft, das Giessen markirend: „Gebe Gott Regen!“ — In Tešanj nimmt ein Hodža — oft auch die christlichen Geistlichen — einen Sack, in den jeder Bewohner je einen S te in werfen muss. Hierauf wird der Sack zugebunden und in Procession auf die Brucke getragen, von wo er nach Hersagen des Regengebetes ins Wasser geworfen wird. — In Rogatica sammelt man 7000 Steinchen und vertheilt sie unter die Hodžas, damit diese iiber jedes Steinchen dreimal die Sure „kul-huvel-lah“ und das Regengebet beten. Hierauf legt man alle Steinchen in einen Sack und legt diesen auf soleh einen Ort, wo er nicht mit unreinen Sachen in Beriihrung kommen kann, namlich in den Brunnen, in die Erde oder in die Džamia. — In B. Kostajnica steigt der Hodža mit mehreren auserlesenen Leuten in den Fluss, liest da das Regengebet, und alle An- wesenden rufen ihr Amin! — Oder er geht mit mehreren Kindern und Erwachsenen auf einen Berg, wo er einem jeden von ihnen ein gleiches Lesestiick aus dem Koran zmveist. Nachdem die Begleiter ihre Aufgabe zu Ende gelesen haben, nimmt er in die rechte Hand einen Štab, stiltzt sich darauf — der Štab soli die „membera“ (Kanzel) vorstellen — und betet das Freitagsgebet. An manchen Orten treibt man Rinder ins Wasser, wahrend der Hodža das Regengebet verrichtet. Die Dodola ist nur in Bijelina, an der serbischen Grenze bekannt. Herrscht grosse Diirre, werden dort fiinf Knaben erwahlt und einem jeden von ihnen eine ge- wisse Verrichtung zugewiesen. Der eine von ihnen wird ganz entldeidet und ganz mit Weidenruthen umlegt. Das ist die „Dodola“. Diese haben zwei Knaben zu fiihren, wiihrend die restlichen zwei einen Korb zu tragen und von der Bevolkerung Eier ein- zusammeln haben. Derart angethan, gehen sie in der Stadt von Haus zu Haus. Die den Korb tragenden zwei Knaben haben vor jedem Hause das Lied zu singen: „Wir fiihrten die Dodola Und beteten zu Gott dem Herrn, Dass er uns gebe thauigen Regen, Besprenge jegliches Graschen, Den Weizen und die Weinrebe!“ \ [ 275 ] Lilek. Ethnologische Notizen nus Bosnien und der klercegovlna. 9 Die iibrigen Knaben haben zum Schlusse auszurufen: „Amin! Gott gebe Regen!“ Hierauf nimmt die Hausfrau einen Kiibel Wasser und giesst ihn auf die Dodola aus, diese aber schiittelt ihn ab ; um derart das Regnen vorzustellen. Nach beendeter Cere- monie beschenkt die Hausfrau die Knaben mit 4—5 Eiern oder mit Geld. Angeblich soli auch im Bezirke Bilek eine mannliche Dodola herumgehen. b) Gegenzauber gegen Behexung. Damit die Kinder nicht behext werden konnten, nahen ihnen die Orthodoxen in die Kopfbedeckung: Kreuzchen, Sabelcben, einen Wolfszahn, Barenhaare und den Gegenzauberstein. Die muhammedanischen Kinder tragen die sogenannten „mašale a , d. i. vergoldete oder versilberte ellipsenformige Blechstiicke, ferner in einen Flecken gebundene Rauten und in stiller Nacht beschriebene Amulete. Jungen Fiillen wird ein Loffel aus Weissdorn um den Hals gebunden. Werthvollen Ochsen bohrt man ins Horn einen Zapis oder ein Stiick Eibenholz. Einer guten Kub und einem Kalbe werden gefarbte Bander in den Schweif ge¬ bunden. c) Zauber gegen die Pest und andere ansteckende Krankheiten. Als vor vielen Decennien in Lušci-Palanka (Bezirk Sanskimost) die Pest wuthete, spannte man vier weisse Ochsen in den Pflug und zog mit ihnen eine Furche ums ganze Dorf. — Ein ahnlicher Brauch besteht noch heutzutage in der Gemeinde Dolnji Unac. Zeigt sich namlich da eine gefahrliche Krankheit, dann erwahlen die Madchen und Burschen unter sich je drei, die frehvillig drei Tage Fasten und wahrend dieser Zeit bei lag und bei Nacht ums Dorf Umgiinge halten werden. Die envahlten Madchen und Burschen bestimmen die Zeit, wann sie zu fasten anfangen und wo sie zusammen- kommen werden. Zur festgesetzten Zeit gehen alle, versehen mit etwas Speise und Trank, mit ihren Familienvorstanden an den verabredeten Ort. Bevor sie zu fasten anfangen, essen sie gemeinsam die Speisen auf, trinken und freuen sich bis zu 11 Uhr abends. Da verlassen sie die Begleiter, und nun beginnt der Umgang ums Dorf. Wahrend der drei Tage und Nachte haben sie es dreimal zu umgehen. Zum Aus- ruhen steht ihnen wahrend dieser Zeit jedes Haus, das genug geraumig ist, zur Ver- fiigung. Nachdem sie ihre Aufgabe beendet haben, besuchen sie jedes Haus im Dorf, um ihre Belohnung zu begehren: die Einen geben ihnen Geld, die Anderen Kaše, Rahm, Getreide, Wolle; die Reichen behalten sie ausserdem noch zum Mittag- und Abendessen. Die beim Umgang betheiligten Madchen und Burschen betrachten sich v on nun an als wirkliche Geschwister. d) Heilung eines kranken Kindes. Ein Kind, das den ftinften Monat nach dem Tode des Bruders oder der Schwester erkrankt, heilt man bei den Orthodoxen auf folgende Art: Es werden die landesiiblichen Fussschellen genommen und in die eine Schelle ein Fuss des todten, in die andere ein Fuss des kranken Kindes gesteckt. Hierauf stellt sich auf die eine Seite der Domačin oder die Domačica, auf die andere aber der Pathe (kum). Der Domačin (Hausvorstand) oder die Domačica spricht nun zum Pathen die Worte: „Nimm, Pathe, Gott und dem heil. Johannes zulieb!" und reicht ihm eine Flasche Wein. Der Kum (Pathe) ergreift die Flasche, erwidert die Worte: „Ich nehme sie, Kuma (Pathin), Gott und dem heil. Johannes zulieb!“, macht einen starken Schluck und entfesselt dann die Fussschelle vom Fusse des kranken Kindes. Daraufhin gibt der Domačin (oder die Domačica) den Fuss des kranken Kindes abermals in die Schelle, wiederholt die friiher gesprochenen Worte und reicht dem Kum abermals die Weinflasclie. Dieser wiederholt seinerseits seine Worte, macht 10 II. Volkskunde. [2 7 G] abermals cincn Schluck und befreit das todte Kind abermals der Fessel. Das Gleiche geschiebt noch ein drittes Mal. Schliesslicb neigt sich der Patbe liber die Fesseln und kiisst sich mit dem Domačin (oder der Domačica). Wird diese Ceremonie am Grabe des begrabenen Kindes vollfiihrt, so steckt man ins Grab einen Štab, der anstatt des todten Fusses zu dienen hat. In soleh einem Falle Pathenstelle zu verrichten wird als ein gottgefalliges Ver- dienst angesehen, und deshalb iibernimmt jedermann gerne die Pathenschaft, wenn er dazu gerufen wird. Soleh ein Pathe rangirt wie ein Tauf- oder Traupathe. Bei den Muhammedanern besteht diesbeztiglich folgender Brauch: Ist jemandem ein Kind durch liingere Zeit krank, dann tragt er es eines Tages sehr friih auf einen Kreuzweg. Wen er da zuerst bemerkt, den bittet er, dem Kinde Pathe zu sem und ihm das Iiaar zu scheeren, damit von ihm gleich dem Haare aueh die Krankheit weg- falle. Sobald der Pathe das Kind geschoren, gibt er ihm noch einen anderen Namen, nennt es dann sein Pathenkind und beschenkt es schliesslicb mit einem Gesclienke. B. Aus dem gesellschaftlichen Leben. I. „Čarojice“, „vučari“ und „vješalice“. a) Čarojice. AmVorabend des ki. Nicolaus (13. December a. St.) versammeln sich mehrere Dorfburschen. Der eine von ihnen hat die Rolle eines Alten, der zweite die einer Braut, der dritte die eines Brautfiihrers, der vierte die eines Ziegenbocks und der ftinfte die eines Katers zu spielen; die iibrigen gehen als Statisten mit. So¬ bald die Gesellschaft vor dem ersten Hause angekommen ist, lautet der Ziegenbock mit seiner Glocke oder klappert mit seiner Holzklapper, damit man weiss, dass die Čarojice angekommen sind. Der Alte, der sich einen Bart aus Wolle oder Spinngarn gemacht und einen ausgehohlten Kurbis auf den Kopf gesetzt hat, tritt der. erste mit einem Gruss ins Haus. Der Hausvorstand bringt ihm sofort ein Glaschen Schnaps, mit dem der Alte einen Toast auf die Gesundheit des Domačin ausbringt und dann sowohl ilm als dessen ganze Hausgenossenschaft segnet, wobei ihm seine Begleiter mit einem „živio“ und „amin“ zustimmen. Daraufhin fragt ihn der Hausvorstand, was die Gesellschaft wiinsche. Nun beginnt der Ziegenbock zu lauten und zu meckern, liiebei auf das Salz hhrvveisend; der Kater kratzt miauend an den Trambaumen und wirft gierig seine Blicke auf den Dachboden, wo das getroeknete Fleisch hangt; die Braut (seka) ver- langt von den Madchen und Frauen Spinngarn und der Alte Hiilsenfruchte. Nachdem jeder seinen Theil bekommen hat, verlassen sie das Haus, um vor einem zweite etc. das Gleiche zu thun. Versperrt man ihnen ein Haus, dann spricht der Alte folgenden Fluch: „Dies Haus ist aus Lindenliolz, Es wolmt niemand darinnen Und soli nie jemand wolmen!“ Nach der Volksmeinung ist es eine Siinde, die Carojice abzirvveisen. Nachdem die Burschenschaar das ganze Dorf abgegangen ist, kehrt sie in einem grijsseren Hause ein, bereitet sich dort von den gesammelten Gaben ein Nachtmahl und freut sich dann unter Gesang und Tanz bis zum Morgengrauen. Die muhammedanischen Čarojice gehen am orthodoxen Badnjak um und unter- scheiden sich von den orthodoxen nur dadurch, dass bei ihnen nur der Fiihrer ver- kleidet ist, ivahrend seine Begleiter in die Alltagskleider gekleidet sind. Der Fiihrer [277] Lilek. Etlmologisclie Notizen aus Bosnien und (ler Hercegovina. 11 zieht sich ganz zerrissene Kleider an, hangt sich um den Hals eine Glocke, an die Schultern einen Fuchssehwanz, auf den Kopf setzt er sich eine Papierkappe, in die Hand nimmt er einen Čibuk, und das Gesicht bedeckt er sich mit einer Maske. So angethan hat er als Spassmacher nicht nur seine Begleiter, sondern auch die Dorfleute mit seinen geschickten Bewegungen, mit seinen Witzen und Spassen zu erfreuen, wofur er von den Letzteren mit allerhand Gaben belohnt wird. Weist man ihn in einem Hause ab, so beginnt die ganze Gesellschaft das betreffende Haus mit Steinen zu bom- bardiren and die Fenster einzuschlagen. Manchmal brechen sie auch ins Haus ein und nelimen sich dann selbst ; was ilmen beliebt. Die Čarojice gehen geivohnlich in der Nacht auf ihren Bettel aus. Heutzutage haben sie sich nur noch in den orthodoxen und muhammedanischen Dorfern der Kra¬ jina erhalten. b) „Die Wolfsleute“ (vučari). Den Carojicen sehr ahnlich sind die „Wolfsleute“. Sie unterscheiden sich von ihnen dadurch, dass sie: 1. wahrend der ganzen weihnachtlichen Fastenzeit ihre Uinzilge halten, wogegen die Carojicen nur den Tag vor dem kleinen Nicolaus herumgehen; 2. dass sie ihre Streifungen auch in die entfernteren Gegenden ausbreiten, wogegen sich die Čarojicaren bei ihren Streifziigen nur an die benachbarten Dorfer, zumeist sogar nur an ihr Heimatsdorf halten; 3. dass sie bei T a g e, die Caro- jicaren dagegen bei Nacht herumziehen; 4. dass sie nicht maskirt sind; 5. dass sie einen Wolf mit sich tragen, woher auch ihr Name riihrt. Sie fangen namlich einen Wolf im halleisen oder erschlagen ihn, stopfen ihn dann mit Heu aus, verzieren ihn mit Wollflocken oder Spinngarn und stecken ihn auf eine Stange. Kommen die Wolfsleute in die Nahe eines Hauses, dann stimmen sie folgendes Lied an: „Domacm und du mein Haus, Sieh, der Wolf kommt vor dein Haus! Gib dem Wolfe etvvas Salz, Damit er nicht Schafe zerreisso; Gib ihm etwas Selchfleisch, Damit er nicht die Berge verlasse; Gib dem Wolf etwas Wolle, Damit er nicht Kalbinnen schlachte; Gib ihm von Allem genug, Damit er nicht vriithe um die Brucke!" Auf das hin bringen ihnen die I:Iausbewohner Alles, was sie ivunschen. Auch die Wolfsleute sind nur in der Krajina bekannt, und zwar nur den ortho- doxen Christen. c) Vješalice. Im Dorfe Hrge, Bezirk Maglaj, versammelt sich am Vorabend des ki. Nicolaus (13. December a. St.) die ganze mariniiche Dorfjugend mit Taschen oder irgend einem Gefass; einige von ihnen nelimen auch Stričke mit. So angethan, be- ginnen sie ihren Marsch von Iiaus zu Haus, iiberall Gaben begehrend, und zwar: von den Ilausfrauen getrocknetes Fleisch, Mehi, Fisolen, Salz und eine Kerze; von den Madchen und jungen Ehefrauen Wall- und Ilaselniisse; von den Hausvorstanden alko- holische Getriinke. Wer ihr Begehren nicht erfiillt, den binden sie mit den hiezu mit- genommenen Stricken; besonders binden sie gerne die Hausfrau, den Hausvorstand jedoch nur dann, wenn er sehr jung ist. Nachdem sie das ganze Dorf abgegangen sind und in jedem Hause ihre Einladung zum gemeinsamen Sijelo gemacht haben, begeben sie sich in ein geraumiges Haus, wo sie sich von den gesammelten Speisen zunachst ein Nachtmahl bereiten, dann aber II. Volkskunde. 12 [ 278 ] fiir sicli und clie Geladenen eine Unterhaltung, bestehend in Gesang, Tanz und Erzahlen von allerlei Geschichten, veranstalten. Der Name dieser streifenden Gesellschaft diirfte von vješalice, hangendes Fleisch, das in erster Linie begebrt wird, herriihren. II. Das Vater-, Mutter- und Kinderfest. a) Oci oder Vat er fe st. Der letzte Sonntag vor Weihnachten heisst „oci“ (eigentlicli Vater). An diesem Tage versammeln sicli die Kinder mit einem Stričke nm den Vater, damit sie ihn nach der Anleitung der Mutter aufhangen oder wenigstens an den Fiissen binden. Der Vater muss sich auf das hin entweder selbst von den Kindern loskaufen oder sein Weib rufen, damit sie fiir ihn das Losegeld zaide, be¬ stehend in Niissen, getrocknetem Obst u. dgl.; als Entgelt hiefiir muss er dann aucli ihr mit Kaffee und Scbnaps aufwarten. Man bereitet fiir diesen Tag sclion im Vor- hinein Katfee, Schnaps und irgend einen Imbiss vor. Nach dem Mittagsessen kommen die Dorfburschen, die ebenfalls vom Hausvor- stand ein Losegeld verlangen. Ist dieser jung und weigert sich eins zu erlegen, dann wird er von den Burscben gezwickt und an irgend einen Balken oder Haken aufge- hangt und daselbst so lange gelassen, bis er verspricht sich loszukaufen; einen alten Hausvorstand bindet man nur an den Fiissen. Der aber keinen Scherz treiben will, zahlt sofort das Losegeld. b) Materice, Mutterfest. Dieses fallt auf den Sonntag vor dem Vaterfest. Den Tag vor dem sogenannten Mutterfreitag bereiten die Frauen allerhand Speisen und Getranke: eine Pita und Pogača nebst Schnaps fiir die Erwachsenen, Niisse, Kolačen und getrocknetes Obst fiir die Jugend. Am Muttersonntag, wenn schon alle aufgestanden und die Alten ihren Kaffee ge- trunken haben, bringen die Weiber alle ihre vorbereiteten Speisen und Getranke ins gemeinsame Familienhaus, damit sie sich mit diesen Geschenken vom Hiingen und Binden loskaufen. c) Djetinci, Kinderfest. Dieses fallt auf den Sonntag vor dem Muttersonntag. Die Kinder freuen sich schon lange vorher auf ihren Sonntag und fragen bestandig ihreEltern: „Wann werden wir gehangt werden?“ Ist endlich der sehnsiichtig envartete Tag herangebrochen, springen sie schon in der friihesten Friihe aus ihren Betten und rufen nach ihren Miittern, damit sie ihnen Niisse, gedorrte Zwetschlien u. dgl. bringen mochten. Aber die Kinder miissen sich noch gedulden. Zu allererst werden sie in ihre schonsten Kleider gekleidet. Dann kommt der Hausvorstand oder ein anderer alterer Haus- genosse mit einem Strick, bindet eines nach dem anderen an den Fiissen und hangt es einen Moment auf einen starken Balken; aus dem Stričke werden die Kinder nicht eher losgelassen, bis sie nicht ihre Miitter mit Kaffee, Schnaps, Niissen, gedorrtem Obst etc. loskaufen; die Getranke sind fiir die Erwachsenen, das Obst fiir die Kinder bestimmt. Spater kommen auch die Burschen und verheirateten Manner aus dem Dorfe ins Haus, um die Kinder zu binden. Aber die Burschen miissen zuerst sich selbst loskaufen, denn sobald sie ins Haus treten, werden sie von den verheirateten Mannern erfasst, gebunden und so lange festgehalten, bis sie nicht der Hausherr mit Schnaps, die Hausfrau aber mit Siissigkeiten loskauft. Das geht so den ganzen Tag fort. Die „oci“, „materice“ und „djetinci“ werden nur von den Orthodoxen gefeiert. Die hiesigen Katholiken feiern hingegen am 28. December das Fest der unschuldigen Kinder, das hier „mladijenci“ heisst. An diesem Tage kommt ein \ltes Weib aus Lilek. Ethuologisclie Notizen aus Bosnien und der Hercegovina. 13 [ 279 ] der Verwandtschaft oder nachsten Bekanntschaft mit einer Wiinschelruthe, mit Obst und Kolačen in aller Frtilie ins IIaus, um die Kinder mit der Ruthe zu sclilagen und dabei bei jedem die Worte zu sprecben: „Wachso und gedcihe!" Hierauf beschenkt sie die Kinder mit den mitgebracliten Gesclienkcn, sie selbst aber vvird dafiiL von den Eltern mit Speise und Trank bewirthet. III. Umgang (oblazak). Am griechisch-orientalischen Christtag geht bei den Muhammedanern ein Knabe von Haus zu Haus Gaben bitten. Sobald er ins Haus tritt, wirft ihn der Domačin auf eme ausgebreitete Dečke, woraufhin nocb die jiingeren Hausgenossen herbeieilen und den Knaben herumvvalzen, damit ihnen die Salme recbt dick wurde. Hierauf beschenkt ihn der Hausvorstand mit Obst. Will er das Haus verlassen, trachtet ihm die Domačica mit der Haspel oder dem Garnbaum einen Scldag zu versetzen, damit sie genug Spinngarn bekiime. IV. Wahlbruder- und Wahlschwesterschaft (pobratimstvo). Diose vvird in Bosnien und der Hercegovina noch nach der altesten Art und Weise abgeschlossen, namlich durch Bluttrinken. Am feierlichsten und ceremoniellsten geht der Abschluss einer Wahlbruderschaft m evesinjs to polje voi sich. Gedenken sich zvvei zu verbriidern, so laden sie alle ilire Ireunde und Nachbarn zu diesem Acte ein. Jeder, der dazu geladen ist, bringt n gene cm eschenk fiir seinen Freund mit, manche auch ftir seine gesammte Familie, ja se st fiii den zukiinftigen Pobratim des Freundes. Die Gaben bestehen -zumeist m peisc und Trank, vri e bei der Hochzeit; nur die Weiber bringen gevvohnlich Kleider und Schmuck als Geschenke mit. Zum Abschluss eines Pobratimstvo begeben sich nur envachsene Leute. Haben sich bereits alle versammelt, vverden zu allererst unter Begleitung der Gusle Helden- und liegsliedei angestimmt und eine ldeine Leibesstarkung vorgenommen. Darauf treten ie beiden Jiinglinge oder Manner, die sich verbriidern vvollen, vor die Gaste, umarmen und kiissen sich vor ihnen und begriissen sich dann als Briider. Nachdem ein Apfel m zvvei Halften zerschnitten und diese unter die „Briider“ vertheilt vvorden sind, nimmt zueist der eine das bereit liegende Rasirmesser, macht sich eine Schnittvvunde im esicht und tropfelt einige Tropfen Blutes auf seine Apfelhalfte, dann der andere; die mit Blut besprengten Apfelhalften vverden umgetauscht und aufgegessen. Schliesslich unc^G Id^* issen s * e noc h oinmal und beschenken sich gegenseitig mit Waffen ™ c ' Each Beendigung dieser feierlichen Ceremonie fragen sie sich noch vor ei ganzen Veisammlung, wann sie sich gegenseitig besuchen vverden. Bei der Ge- egen leit nimmt jeder der Pobratime bedeutende Geschenke fiir seinen Pobratim und alle seme Hausgenossen mit. Die Bande der Pobratimstvo sind so fest geschlungen, dass sich daran noch die Nachkommen dei Pobratime bis zur dritten Generation halten. In den Bezirken r I rebinje, Foča, Tuzla, Brčlta, Sarajevo und auch in der Krjina macht sich jeder der zu Verbriidernden auf dem Oberarm eine Schnittvvunde, und nun saugt einer dem anderen das Blut direct vom Arm oder vermengt es mit Wein, um es so mit Wein gemischt zu trinken. Daraufhin kiissen sie sich, die Wahl- II. Volkskunde. 14 [ 280 ] brlider wechseln die Kappen oder den Fes, schwdren sich ewige Treue und Freund- schaft in jeder Noth und beschenken sich. In Livno wird das Blut auch manchmal am kleinen Finger der rechten Han d gelassen. Die einfachste nationale Form der Schliessung eines Pobratimstvo ist die, wo die sich zu Verbriidernden nur irgendeinen Gegenstand gegenseitig auswechseln, z. B. die Kopfbedeckung. Wird der Abschluss eines Pobratimstvo unter kirchlicher Assistenz vorgenommen, dann nimmt der Geistliche ein Kreuz in die Iland, legt sein Epitrahil auf die Kopte der Wahlbriider, liest ibnen das hiefiir bestimmte Gebet vor und segnet sie, woraufhin sich die Pobratime kiissen und gegenseitig beschenken. Ausser der Wahlbruderschaft und Wahlschwesterschaft kennt man hier auch noch die Wahlmutter- und Wahlvaterschaft. Traumt z. B. ein Jtingling, dass ihn ein Madchen vor einer Schlange gerettet hat, so wird er sie nachsten Morgens sofort als seine Wahlschwester (posestrima) anrufen und sie ihn als ihren Wahlbruder anerkennen; hat er hingegen getraumt, dass ihn ein Weib oder ein alter Mann gerettet hat, so wird er das betreffende Weib zu seiner Wahlmutter (pomateriti) oder den Alten zu seinem Wahlvater erwahlen (poočimiti). Traumt jemand nacheinander, dass ihn ein Bekannter aus einer grossen Gefahr gerettet habe, so schenkt er dem getraumten Erretter eine Kuh oder einen Ochsen. So ist es Brauch in der Krajina. Gebiert eine Ehefrau ihrem Ehemanne das erste, zwcite und dritte Jahr Zwillinge, so erwahlt sie dieser zu seiner W a h 1 s c h w e s t e r und nimmt sich mit ihrer Eimvilli- gung eine zweite Frau. Das Gleiche kann auch eintreten, wenn das Eheweib unfrucht- bar ist. Aus Obigem ist es ersichtlich, dass das Pobratimstvo in seinem weitesten Begriff nicht nur zwischen Jltnglingen und Mannern untereinander, sondern auch zwischen dem mannlichen und weiblichen Geschlecht, zwischen Eheleuten, zwischcn Jung und Alt ohne Rilcksicht auf die Religion abgeschlossen werden kann. Was die Grilnde anbelangt, aus denen es zum Abschluss eines Pobratimstvo kommt, so sind deren die wichtigsten: 1. Liebe und Freundschaft, z. B. zwischen einem Jtingling und einem Madchen, die sich wegen irgendwelcher Hindernisse nicht heiraten konnen; 2. wirkliche oder nur getraumte Gefahr (pobratimstvo nevolje ili na javi und pobratimstvo u snu;) 3. die Sehnsucht nach dauernder Aussohnung; 4. die Sehnsucht nach Kindern; 5. Eigennutz. Ein Pobratimstvo entsteht auch, wenn z. B. ein neugeborenes Kind seine Mutter verliert und von einer anderen Mutter zugleich mit deren Kindern aufgezogen wird; in dem Falle sind die Kinder der Ziehmutter dem von ihr auferzogenen Kinde Wahl- briider, resp. Wahlschwestern. [573] Notizen. 3 langen Winterabenden verfertigen die Gebirgsbauern mancherlei einfachen Hausrath, welchen sie mit verscliiedcnartigcn Schnitzercien verziercn. Bccher, LofFel, Kannen. Iruhen, Spinnrocken und andere Gegenstande werden da fiirs Haus geschaffen, aber selten zu Markte gebracht, weil sie dcr Bauer zu- meist fiir den eigenen Bedarf herstellt.*) Es liaben sicb wolil bis jetzt einige talentirte Holzschnitzer gefunden, die hie und da ihre Arbeiten, welche getrost mit ahnlichen Erzeugnissen aus den oster- reichischen Alpenliindern concurriren konnen, zum Verkaufe bringen; doch sind deren nur wenige. Ein sebr altcs und interessantes Stiick sogenannter Rindenschnitzerei wurde dem Landesmuseum durcli den Herrn k. u. k. Hauptmann v. Krajčevic in Rogatica zum Gesel i en k e gemaebt. Fig. 2 und ‘d. HOlzerne Seliallpfeife eines Dudelsaokes mit Schnitzereion aus dem nOrdlichen Bosnien. Das Object, die Seliallpfeife eines Dudelsaokes, ivurde von dem genannten Herrn in Nordbosnien acquirirt. Die breite Schalloffnung ist mit einem K ran z von fiinf einfachen Schildern, deren jedes zur Halfte mit dunkelbrauner Rinde geftillt ist, decorirt; dieser Kranz ist unten durcli eine 3 / i Cm. breite Bordure abgeschlossen, an welche sicb beiderscits figurale Darstellungen von Jagdscenen ansebliessen. Die einc Seite, Figur 2, stellt cine Hasenjagd dar. Dcr mit einer Armbrust (?) beivaflfnete Jager zielt auf den von drei Jagdhunden verfolgten Hasen; im Costume des Scbiitzen talit die eigenthumliehe hutartige Kopfbedeckung und der mit Schniiren besetzte Rock auf. Hund und Hase sind recht natiir- licli ausgefuhrt, wahrend die Biiuine nur schematisch beliandelt erscheinen. Den Abschluss dieser Scene bildet ein 1 Cm. breiter, bandartiger Streifen, auf welcben danil ein lichtercs Feld mit dcr Dar- stcllung eines Fuchsen, der von einein Jagdhunde gehctzt. wird, tolgt. Ein V 3 Cm. breites Band mit einem aus fiinf Schildchen bestehenden Kranze bildet den Uebergang zum Mundstucke. Auf der anderen Seite, Figur 3, ist im ersten Feldc cbenfalls eine Hasenjagd dargestellt; das zweite langere Feld zeigt eine undeutlich gravirte Thierfigur, die von einem Jagdhunde verfolgt wird. Das fliehende Thier scheucht einen Vogel (Rebhuhn?) auf, der mit gestrccktcm Ilalsc und gebffnetem Schnabel emporfliegt. Der Riicken der Pfeife ist mit einem der Lange nach verlaufenden, im Felde mit scbiagen Querstreifen und an den Seiten mit einem Palmettenmotivc verzierten Bande decorirt. Ob wir es hier mit einer wirklich sebr alten, etwa noch aus dem Mittelalter stammenden Arbeit zu thun liaben, oder ob dcr einer jungeren Zeit angehorige Verfertiger iiltere Vorbilder vor Augen hatte, ist nicbt mit Sielierbeit auszunehmen. Docli kanu nach dem Erhaltungszustande des Objectes ein Alter von mindestens 100 Jahren angenommen \verden. *) Einen liSlzerneu Lehnstulil mit geschnitzten Handen und Ftissen aus Mokro (Hercegovina) liaben wir in einem Aufsatz iiber „Holzgeratlie und Holzbau in Bosnien 11 , Mittli. der Antbrop. Gesellscli. \Vien, XII, 1882, S. 88 ff., Figur 5, veroffentliclit. D. R. 4 II. Volkskunde. [574] Em. Lilek. Erzeugung „lebendigen“ Feuers in Bosnien umi der Hercegovina. (Mit Figuren 4 und 5.) — Die ursprungliche Feuerbereitung geschah bekanntlich entvveder durch An- einanderreiben zweier Holzer oder durch Drehung eines zugespitzten Holzstabes in der Vertiefung eine andere Art der Feuerziindung iiberhaupt unbekannt ist, aber auch einige Culturvblker, denen bessere Feuerzeugc keinoswegs mehr fremd sind. Diese bedienen sich der alten Eržeugungsvveise, wenn sie, wie man in Bosnien-Hercegovina zu sagen pflegt, ein reines, heiliges oder „lebendiges“ Feuer (živa vatra) zu haben wiinschen. In Jablanica (Hercegovina) vverden nach dem Bericlite des Gymnasialschulers Sušljic z\vei trockene Pfiihle von Kornelkirscbenholz in der Entfernung von 20 — 30 Cin. derart fest in die Erde eingesehlagen, dass sie mit einer Lange von ungefahr 40 — 50 Cm. herausstehen. Auf der inneren Seite dieser Pfable sind je drei ubereinanderstehende Locher zur Aufnabme einer circa 20—30 Cm. langen, zugespitzten Winde (Welle, Querstock) aus trockenem Kornelkirscbenholz ausgebobrt. Damit die in die Erde eingeschlagenen Pfiihle beim Drehen der Winde nicht gelockert vverden, verbindet man sie oberhalb der Winde mit einem Seile, das von einem Manne, der seinen Fuss gegen einen der Pfable stemnit, festgehalten vvird. Auch um die Winde wird ein Seil gevvickelt. An den Enden dieses Fig. 4. Apparat zur Gevvinnung „lebendigen“ Feuers in Jablanica. Fig. o. Feuerzeug „Čekrk“ aus Dolac bei Sarajevo. letzteren Seiles zieben abvvechselnd nach entgegengesetzter Kicbtung zwei Manner, welche auf der Erde derart einander gegeniibersitzen, dass sie dieFlisse gegen einauder stemmen. Wiibrend nun die Beidcn diese Winde rascli drehen, bringt ein Dritter in einer Feuerzange oder einem gespaltenen Holzstiick knapp in die Niihe einer der Bohrlocher, in denen die Winde sich dreht, einen Feuersclnvamm, um ibn da anzuziinden. Ist dieser Versuch dreimal misslungen, so stehen sie von ilirem Vorbaben mit dem Bemerken ab, „es sei nicht bestiinmt, dass das Feuer heilkraftig werde“ („da nije sugjeno, da bude lijek“). In Figur 4 zeigen A und B die Hande derer, \velcbe die Winde drehen; die Iland bei C scliiitzt die Pfable vor Verrilckung, (\vas sonst auch ein angestcrninter Fuss bevvirkt). Bei D wird das Feuer genommen. I—I sind die verticalen Pfable, II die Winde, III das Seil ober derselben und IV das Drehseil. In Dolac bei Sarajevo wird das vvild# Feuer nach der Erzahlung des Gymnasialsch(ilers Popovič auf fulgende Art gemacht. Aus geivohnlichem IIolz wird ein kleiner Block (a in Figur 5) zugebauen. In diesen \verden zwei circa 40—50 Cm. lange PHbcke von Lindenholz ( h , b) fest ein- gedrebt und in diese Pflocke ein circa 20—30 Cm. langer Querstock (c), ebenfalls aus Lindenholz, eingesteekt. Um den Querstock vvird ein lliemen (d) gelegt. Wer nun das lebendige Feuer erzeugen *) Abbildungen davon an vielen Stellen, bei Hoernes: „Uie Urgeschichte des Menscben", S. 126, und Tylor: „Einleitung in das Studium der Antbropologie und Civilisation 11 , S. 311. narodna in univerzitetna KNJIŽNICA