yx*/, ■*>£/-' JM!.\ 2/' f:y Reise nach Istrien, Dalmticn und Montenegro. Erster Theil. ^^' Reise nach Istncn, Dalmatien nnd Monlenegr« von jF. G. ^«hl. Erster Theil. Dresden, Arnoldische Buchhandlung. V oVeede. 33ei der Arbeit, welche ich hier dem geneigten Leser vorzulegen wage, war es lediglich die Absicht, einige im Jahre 1850 unternommene Ausflüge nach Istrien, Dalmatien und Montenegro zu schildern und die Sensationen, Ideen und Speculationen, zu welchen der Anblick dieser interessanten Länder den Reisenden anregt, auszuführen. — Sollte sich Jemand durch die Lecture dieses Buches zu dem Wunsche veranlaßt fühlen, sich über die darin berührten Länder noch weiter zu unterrichten, so will ich mir erlauben, ihm hier statt einer Vorrede eine Liste von Büchern, die sich mehr oder weniger mit demselben Gegenstande beschäftigen und die ich näher kennen lernte, vorzulegen. — Die großen literarischen Fundgruben und Quellen für die geographische und historische Kunde der östlichen Küstenländer des adnatischen Meeres sind in den Bibliotheken, Archiven und Manuscriptsammlungen der Länder selbst, so wie in denen von Serbien. VI Kroatien, Venedig, Pesth, Konstantinopel und Wien, überhaupt in den Hauptstädten, Fürstenresidenzen, Bischofssitzen und Klöstern aller der Staaten, mit denen jene Küstenländer im Laufe ihrer Geschichte verbunden waren, zu suchen. — Allein für unseren Zweck genügt es hier, nur diejenigen Werke namhaft zu machen, die einige der zerstreuten Urquellen so zu sagen in größeren secundären Canälen vereinigt haben, und von denen zugleich auch einige Aussicht vorhanden ist, daß sie der deutsche Leser, den ich hier immer im Sinne habe, sich in seiner Nähe wird verschaffen können. Ich übergehe dabei ebenfalls, was uns die Griechen und Nö'mer über Dalmatien und überhaupt über Illyrien hinterlassen haben, weil dieß theils (wie z. B. Strabo's Schilderung, das von Tacitus und Plinius gelegentlich darüber Bemerkte) allgemein bekannt, theils aber (wie die byzantinischen Autoren) dem größeren Publicum ziemlich unzugänglich und auch mir selbst unbekannt geblieben ist. — So viel als möglich will ich die Werke chronologisch ordnen und mit einigen kurzen kritischen (aber unvorgreiflichen) Bemerkungen begleiten. Dominio del Mare Adriatico, dolla seronissima Re-pubbli(U) di Venetia. Da Fr. Paolo Sarpi. suo Consul-tore. In Venezia 1685. VIl Eine sehr bekannte Abhandlung des berühmten vcnctiani-schen Mönchco, die zwar sehr eigenthümliche venetianische Ideen entwickelt, aber noch heutiges Tages jedem mit dem adrianschen Meere Beschäftigten nicht uninteressant sein kann. Voyage d'Italie? tie Dahnatie et du Levant par Jacob Spon et George Wheler. 2 Vol. a la Haye. 1724. Ale« eins der älteren Neisewerke über Dalmatien interessant und oft citirt. Historia degli Uscochi, Scritta de Minueio Minuci, Arcivescovo di Zara. In Venetia. 1683. Ziemlich nnerbaulich, Gründliche Beschreibung des Königreichs Dalmatien. Nürnberg, zu finden bei Peter Conrad Monath. 1723. Ist in zwei dicken Bänden eine deutsche Bearbeitung des bekannten Werkes des Dalmatiners Lucius über die Geschichte und Geographie des Landes. — Im vorigen Jahrhunderte war dieses Werk, da? man überall angeführt findet, die Hauptquelle der Kenntniß Dalmatiens in Deutschland, Es ist merkwürdig, daß unsere Zeit noch kein so umfassendes Werk über Dalmaticn wieder hervorgebracht und nöthig gefunden bat. Ruins of the Palace of the Emperor Diocletian at Spalatro in Dalmalia by R. Adam, Architect to the King. 1763. Gin sehr bekanntes PrachNrerk. das noch jetzt so ziemlich das einzige in sei,er Art über Spalaw ist. Physikalisch-politische Reise aus den Dinarischen durch die Iulischen, Carnischen, Nhätischen in die Norischen Alpen von B. v. Hacqnet. 2 Thcile. Leipzig 1785. l^in Buch, das sebr wenig Belehrung gewahrt. Saggio d'osservasrioni sopra l'isola di Cherso ed Ossero d'Alberto Fortis. In Venezio 1771. Vlll Die wichtigste und speciellste Arbeit über die Inseln des Quarnerischen Meerbusens. Fortis, Reisebeschreibung von Dalmatien. Auch von den Sitten der Morlaken. Aus dem Italienischen. 2 Bände. Bern 1797. Von den Neiftwcrken über Dalmatien aus dem vorigen Jahrhunderte das bekannteste und vorzüglichste, das znr Verbreitung der Kenntniß dieses Landes am meisten beigetragen hat. Leben des berüchtigten Hayducken Sotschwiwizka von der Nation der Morlaken. Aus dem Italienischen. Leipzig 1778. Gin in vieler Beziehung sehr interessanter Beitrag zur Kunde der Sitten und des Lebens der Morlachen und anderer serbischen Volksstämmc. Die Morlaken von I. Wynne, Gräsin von Urstni und Rosenberg. Aus dem Französischen übersetzt von I> G. Bürde. 2 Bünde. Breslau 1790. Ei» Roman, der ein sehr poetisches und vielfach interessantes Tittengemälde der Morlachen enthalt. Illyricuin Sacrum. Auctore Daniele Farlato et Ja-cobo Coleto Soc. olini Jesu alunmis. Venetiis. 1800. Dieses Werk ist eine der bekanntesten Fundgruben für Dalmatien. Namentlich kann man sich darin vielfachen Rath über die Antiquitäten dos Landes erholen. Voyage pittoresque et historiquo de Tlstrie et de la Dalniatie redige d'apres litinorairo de L. F. Cassa* par J. Lavallee. Paris 1803. Eins der berühmtesten, beßten und umfassendsten Kupfet-und Reisewerke über Istrien und Dalmatien. Appendini. Notizie istorico-critiehe sulle antichita, storia e litt'eratura dei llagusei. % Vol. Ilagusa 1802. IX Dieses Werk ist die wichtigste und vollständigste Arbeit über Ragusa, und seine Lecture ist Jedem unentbehrlich, der etwas in den Geist der Geschichte und Versassung des merkwürdigen Freistaates eindringen will. Leider ist es hier und da etwas weitschweifig. Statistisch - historisch - militärische Darstellung der üooen« äi ^aUaro, von einem Augenzeugen. Cöln 1808. Dieses originelle und geistvolle kleine Werk soll von dem ehemaligen östreichischen Fcldmarschalllieutenant Mar, de Trau; herrühren, der sich auch durch die Ausarbeitung einer großen Karte von Dalmatien sebr verdient gemacht hat. Geschichte der Freistadt Ragusa von I. C. v. Engel. Wien 1807. Enthalt in einem kurzen kleinen Baude eine recht gute Compilation der Geschichte Nagusaö und giebt einen ziemlich vollständigen Nachweis über alle Schriftsteller, die über Nagusa geschrieben haben. Auch sind die Beilagen zu em° pfehlen, namentlich auch die Reiseberichte zweier Nagnseischcr Abgesandten durch das Innere der Türkei. Memorie per la Storia dolla Dalmazia da Giovanni Kreglianovich Albinoni. Zara 1809. yine umfassende Gesänchte Dalmatiens von den ältesten Ieiten bis auf Napoleon in 2 Quartb.mden. Hvar nicht sehr geistreich, aber docb mit Nutzen zu gebraucken. Riflessioni economico-politiche sopra la Dalmazia di Gio. Luca Caragnin. Zara 1806. Ein Werk, das manclies Interessante über Acker, und Gartenwirthschaft auf den dalmatischen Inselu enthält. Skizzen des physisch-moralischen Inftandes Dalma-tiens und der Buchten von Cattaro von H. F. Rödlich. Berlin 1811. ('in ziemlich fluchtiges und bedeutungsloses Werkchen, das aber hier und da in den Anmerkungen unter dem Tezte einige interessante Veiträge zur Ethnographie und Charakteristik der Bewohner des Landes enthält. Reise nach Dalmatien und in das Gebiet von Ragusa von Prof. Nl-. E. Fr. Germar. Leipzig 1817. l Band. (5in sebr wenig geistvolles Werk, das aber über die Naturgeschichte des Lande« manches Beachtenswertbc bietet. Picturesque Views of the Antiquities of Pola in Istria, by Th. Allason, Architect. London 1819. Sowobl der Text als die Kupfer dieses Werkes sind in der Hauptsache nur ein Ausnig aus dem größeren Werke des Franzosen kaffas. Voyage hisloriqne et politique au Montenegro par M.le Colonel L.C.Vialla deSommieres. 2 Vol. Paris 1820. Ist das weitläufigste Werk über Montenegro, das mir vorgekommen ist, aber voll von unzuverlässigen uud unglaublichen Angaben. Im Ganzen ziemlich gebaltlos. Reisen durch das östreichische Illyrien, Dalmatien und Albanien im Jahre 1818. Von R. v. H.....g. 2 Theile. Meißen 1822. Dieses Werk soll von einem Hreibcrrn von Liechtenstein kerrühreu, der sich längere Zeit in Dalmatien aufhielt. Vs enthält mehre vortreffliche politische und uationalökonomische Bemerkungen und Betrachtungen über dieses Land. Bericht über das Detonations-Phänomen auf der Insel Meleda bei Nagusa von P. Partsch. Wien 1826. b'in Vand von 211 Teiteu, der außer einer speciellen -Schilderung von Meleda sehr viele allgemein interessante Bemerkungen über ganz Dalmatien enthält. Voyage dans la Grece, par F. C. II. L. Pouque-vilJe. 2 Vol. Paris 1820. XI Dieses ausgezeichnete Werk des berühmten französischen Reisenden, der sich lange in Albanien aufhielt, ist wegen der Bocca von Cattaro und Nagusa, die darin berührt werden, so wie auch wegen der darin enthaltenen Schilderung der Albanesen, die in so viessachen Beziehungen mit den Montenegrinern und Süd-Dalmatinern ühereinkonuncu, hier zu vergleichen. Ueber die Vegetation Dalmatiens von Herrn General Baron von Wcldcn. 1829. (xine kurze, aber sehr interessante kleine Brochure. — Von demselben Verfasser, der einst Oonverncur von Dalmatien war, giebt es noch mehre Aeiseschilderungen uud Abhandlungen über Dalmaticn, leider in verschiedenen östreichischen Journalen zerstreut. Doch hatte ich einmal das Gluck, sie alle in einer Sammlung vereinigt für einige Zeit bei einander zu besitzen. Dello Ansitealro di Pola. Saggio del Gonle Pietrp Stancovich. In Venezia 1822. Onthält in einer umstmldlicken Abhandlung von l l',5 Seiten die Meinung eines ausgezeichneten Alterthumsforschers über alle die beim Amphitheater von Pola oft berührten Fragen. Memorie politico-economiche della Citla e tcrri-torio di Trieste, della Penisola d'Istria, della Dalmazia Vcneta, di Ragusi e dell' Albania ora congiunti all' Austriaco Iinpero di G. d. B — n. Yenezia 1821. Der Verfaner dieses in nationalökonomischcr Hinsicht interessanten Werkes soll ein Herr von Vroderen sein. Es ist sehr lehrreich und empfehlenswert!). Compendio Geografico della Dalmazia del Prof. Francesco Peller. Zara 1834. Diesel auch in deutscher Sprache er,istirendc Werk von dem bekannten dalmatischen Gelehrten ist der kürzeste, bequemste und beßte Inbegriff alles Wisseuswürdigen über Dai- XII maticii, der nur vorgekommen ist, und jeder dalmatische Reisende wird wohlthun, sich dieses Werkchen anzuschaffen. Von demselben Prof. Pettcr rühren noch mehre umständliche Werke über Dalmatien ber, von denen eins auch eine Neihe dalmatischer Costume giebt. Volkslieber der Serben, übersetzt von Talvy. Halle und Leipzig 1835. Da das Volksleben und die Poesie des größten Theiles der Bewohner Dalmatiens mit denen der Serben ganz dieselbe ist, so ist es jedem mit Dalmatien Btschastigtcu zu empfehlen, dieses bekannte Buch dcr Talvy stets zur Hand zu haben. Le Goste e Isole della Jonia e della Dalmazia di Marco de Casotti, unt> La Dalmazia, lc Isole Jonie e la Grecia di T, Cusani sind beides höchst entbehrliche nnd dürftige Arbeiten. Reise Sr. Majestät des Königs Friedrich August von Sachsen durch Istrien, Dalmatien und Montenegro im Frühjahr 1838. Aus dem Italienischen des I)l. Bartolomeo Bia-soletto übersetzt von E. Frhrn. v. Gutschmid. Dresden 1842. Dieses Werk ist besonders auch der Anmerkungen wegen zu empfcblen, die unter dem Texte stoben, von einem Kenner Dalmatiens herrül'ren und manchen sehr brauchbaren Wink enthalten. Istrien und Dalmatien. Briefe und Erinnerungen von H. Stieglitz. Stuttgart und Tübingen 1845. Momorie dogli Avvenimenti succcssi in Dalmazia dopo la Gaduta della Repubblica Veneta con un saggio sull Amministrazione pubblica Veneta e del Regno d'ltalia di Gio. Cattalinich. Tom. I. Spalato 1841. Das wichtigste Werk über die Geschichte Dalmatiens im Anfange dieses Jahrhunderts und über die Verwaltung und Verfassung des Landes in der letzten Zeit der venetianischcn Herrschaft. Zwölf Tage auf Montenegro, beschrieben von Dr. W. Ebel. Königsberg 1642. 2 Hefte, von denen das erste einen Reisebericht, das zweite botanische Bemerkungen über Montenegro enthalt. Reisebemerkungen, größtentheils archäologischen Inhalts, von Vindobona über Tergeste nach Salona im Jahre 1846, von Joseph Arneth, wirklichem Mitgliede der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Wien 1849. Dieses Werk cittbält die Ansichten des genannten und hochverdienten Gelehrten über die Alterthümer, Münzen und Inschriften von Pola, Parcnzo, Zara »nd Spalato und außerdem cinige andere interessante Notizen. Ueber die geologischen Verhältnisse von Istrien, mit Berücksichtigung Dalmatiens und der angränzenden Gegenden Kroatiens, Unterkrams und des Görzer Kreises, von A. v. Morlot. Wien 1848. Enthält eine vollständige Schilderung der geologischen Verbaltnisse Istriens und ist jedem nach Istricn Reisenden besonders zu empfehlen. Dalmaticn und Montenegro, mit einein Ansstuge nach der Herzegowina und einer geschichtlichen Uebersicht der Schicksale Dalmatiens und Nagusas. Nach Sir. I. Gardner Wilkinson bearbeitet von W. A. Lindau. Leipzig 1849. Dieses Vuch, das ich leider nur in der deutschen Ueber-schung kennen lernte, rührt von einem Verfasser her, der sich durch feine Werke über Mgnvten schon bekannt gcmacht hat. Es ist größtcuthcils eine gnte Kompilation und enth.ilt Alles, 'lvas einem englischen Tonristen auf einer Neise längs Dal-watien nöthig sein mag. Ein noch neueres englisches Vuch über Dalmatien, das ich aber leider nicht kennen lernte, ist folgendes: XIV Highlands and Islands of the Adriatic, including Dalrnatin, Croatia and the southern provinces of the Austrian Empire. By A. A. Paton. 2 Vol. II Mare Adriatico, descritto ed illuslrato con no-tizie topografiche, idro-gcologiche, fisiehe, etnografiche, e storiche, raccolte ed ordinate da Guglielmo Monis. Zara 1848. Enthält eine vollständlgc Darstellung der orographischen,, geologischen, hydro^rapyischen, klimatischen, botanischen, zoologischen und historischen Verhältnisse des adriatischen Meeres und ist ein ganz vortreffliches Wert. das von einem ausgezeichneten Gelehrten Dalniatiens herrührt nnd wobl verdiente, ins Deutsche übersetzt zu werden. Die Slaven der Türkei, von Cyprian Robert. Aus-dem Französischen überseht und berichtigt von Marko Fedorowitsch. Dresden und Leipzig 1844. Dieses bekannte und geistreiche Werk ist hier wegen der Abschnitte über die Serben, Bosniakcn und Montenegriner zu Rathe zu ziehen. Ein ahnliches neueres Werk von einem geistreichen Franzosen ist folgendes: Les peuples de l'Autriche et de la Turquie par Hippolyte Desprez. 2 Vol. Genni al Forestiero, che visita Pola del Dr. P. Kandier. Trieste 1845. Ein schätzenswerther Führer über Pola. Genni al Forestiero, che visita Parenzo del Dr. P. Kandier. Trieste 1845. Ein kurzer, kleiner, von einem großen Kenner Istriens für den Reisenden zusammengestellter Führer. La Dalmazia descrilta del Professore Dotlorc Francesco Carrara. Zara 1846. XV (5ntl,ält eine Zusammenstellung geographischer und statistischer Notizen über Dalmcitien und eine Reihe ziemlich treuer Costume. Document] Storici sull' Istria e la Dalmazia, rac-colti o annotati da V. Solitro. Ycnezia 1844. Dieses neue interessante, noch nicht abgeschlossene Werk, von dem ich <» Fascikeln erhielt, enthält eine Menge höchst merkwürdiger Documcnte, insbesondere aus dem Ni. und 17. Jahrhunderte. (5me der interessantesten Piecen ist die darin wiedergegeben kolaxion« 8ulw valmniiia di ^.nlouio l^iu-»Unilmi n'in schönes Vilderwerk, das sich hauptsäcklich mit Istrim beschäftigt und das einzige seiner Art ist. Die malerischen Darstellungen der landschaftlichen Ansichten, der Völker und Costume Istriens, die von dem deutschen Künstler Tischbein herrühren, sind vortrefflich. XVI Topografia e scavi
  • uarncrischer '.Viorgcn^rnß. — (>t^nuologie res ^.narinro. ^ Dio ^uarnerischen Inseln, — Gefährlichkeit des Qnarnero. ^- Der Quarncro Italiens inUnrlichc Gnwzc. — Daliuatische Synipathll'cn drr iüin'ischcn Iusclb^wohner. 2. .^lippell und Inseln........^ Primitiver ?,,lttand dcr Inselbewohner, — .,I^o!<>'' und ,,8t?u^l<''. — ,.^'ilu dixi^ian«', cli >»l>8!'t)Ii zü>IIc sx'<'nr<'." — ^^!'i>!>!ii l>l>Ui»i. — l (^ul>uni. — l <^>< illiall. — 3«o^l 5. Die position von Za«a 23 Defenssonsvorlheile von Zara. — Zara eine Hauptstation der Nömcr und Veneliancr. ^ Gnter Rath für Reisende in Dal- matien. — Dalniatien eine schmale laiuMi'treckie Küstcnprovinz. <». Geographischchiftorische Wtizze über Dal« matien , ,...............29 Knstenstreifen und Vinnenländer. — Klimatischer Contrast bcs dalmatischen Küsten- und Binnenlandes. — Vegetation an der Küste und im Inneren. — Bedeutung der dalmatischen XVIIl Zctte, Inselkette. — Phmiizische Niederlassungen an der illyrischen Küste. — Pclasgische Ansiedler. — Libnrnirr. — Nruskische Adriaten. — Celto-Illyriker. — Griechische Iusel-Republik, — Nomer. — Dalmmium. — Germanen, Gothen, Hunnen, Slaven. — Byzantinisches „Thema". — Freie Stadtrepublikcu unter byzantinischer Oberhoheit. — Collistoneu der Venetianer mit den dalmatischen Städten. — Eroberung Dalmatiens dnrch die Venetiancr. — Die Beuetianer und die Türken. — Das venc-tianische Dalmatieu. — Dalmatiens Einverleibung mit Oestreich. — Geschichtlicher Rückblick. — Jetzige Weltstellung der Ostküsie des adriatischen Meeres, 3. Ethnographische Skizze über Dalmatic« 46 Griechisch-italienisches Völkergemisch, — 1) Griechen. — 2) Italiener. — DieNbmer, — Die Veuetianer. — ij<>!u nnd i;cx>nli^!nci. — 3) Magyaren. — 4) Spanier, — 5) Türke». — 6) Albanesen. — 7) Franzosen, — 8) Normauueu uud Briten, — !)) Deutsche. — U1) Slaven. — Iapyden, Illyrier, Libur-nier, celtische Illyrier. — Kroatische Slaven. — Serbische Slaven. — Kroatisch-serbische Nnancirnngeu. — Italieuisirte Slaven. — Die ,,Primories". — ,,l ^son!:i»3ii". — Murlachen, — Itmioli. — N<'!n!ivc>nl;>. - - Slavisirte Italiener, — ,,I.)!>lm!»l»" lind ,,!),nn!.!!io". — Dalmatien eine Völkerver-zehrerin. — Dalmalien uie selbststäudig. — Die Dalmatier im Dienste Anderer. — Naguseische Haudeloniederlassnngen, — Dalmatische Matroseiieoloiiieen. 8. Im Ganal von Znra........?7 Porti »will, — Panorama der dalmatischen Küsten, — Die Eeoglicn von Sebeuieo, — Reisegesellschaft. — Orientalische Kaufleute. — ,,,Vl! l!i ^<:n^1i!" V. Das Fort San Vtieolo .......82 Ginfahrt von Sebeniio. — Sammicheli. — Der geflügelte Marcus-Löwe. — l'lnuiw tt. Gevenico ............65 Handel mit der Türkei. — Weiuschenkende Montanari. — Sodom und Gomorra. — I'i^x!» 'j. — Dalmatische Platzregen. — Der Dom von Sebemco. — Berühmte Sebeni-ccnftr. — Honigrafssnerie und Wachsbleiche. — Bosnisches Eisen. __ Dalmatische Weine. XIX Voile. «. Schwamm» und ckorallenfische« . . 95 I»ui8« (^cllxkl^^lx', — Streitigkeiten der illyrischen Sardellen- und Korallenfischer. R2. Die Punta Pianca .^,......97 ,,Die west!kl)en" und ,.die östlichen Inseln", — Die illyrische Scylla. — Situation der Punta Pianca, — Beleuchtung des adriatischen Meeres. — Nichtigkeit der dalmatischen Küste sur die Herrschaft des adriatischcn Meeres. »3. Die dalmatische «inie des Lloyd 102 Bemalte Segel. — Uralte Schifffahrtsverbindung Apuliens und Illynens, — Zug der Wandervögel über das adriatische Meer. — Die Tragettos, — Die dalmatische und griechischorientalische Kinie deo ^'l^yd, — klagen über die Privilegien des Lloyd. — Bedeutung der dalmatischen Lloydliuie sür Dal-matien. — Was die dalmatischen Inseln sind mi? sein könnten. — Das Paradies von Dalmatien. »4. Spaiato und der Malast des Diocletian. N2 ^Inl5 Vl»Ii'i'!l!5 l)il»( li'li^!,^^ .lo^n!!-! !!!!!»!nr.— Umwandlung des Dil'cletiauischen Palastes zur Stadt Spalato,— Ansiedelungen außerhalb desselben, —Das Nazareth. — Erschwertes Studium des Dioe'etianischen Palastes. — Vrhaltnng desselben, — Adam's und ^assas' Werke über denselben und ihre Mängel, — Adam's Versuche ^u seiner Nestanration, — Die Frage v»m Di^eletianischen Palaste noch ungelöst, — Andrich'S PalastlUbum. Der Inpitertempel...........«26 Dao Perisiylium, — Der Porticus. — Der Campanile.— l! I>uc»>xi
  • l)n Ooiino. — Vernnschungen des Neuen mit dem Alten, — Die Kuppel des Inpilertempels. -^ Mnchich's Nachbildung desselben. Das Mausoleum des Diocletian......133 Ilnttiü!l«!'!n lli klill s»vi!!li!>. — Arsculaptempel oder Grab' mal? — Die entdeckte Kaiserkrone. — Gründe für das Grabmal. — Der Sarkophag mit seinen Basreliefs. - Die Substructionen des Palastes......143 Mn Souterrain. — Der Hafen-- Laxdsrite. XX Seite. Die Thore des Palastes..........14? Die ?o>'tll lwmtn. — Die l^n-li» lVi'icn und die ?nil:, l,l>,iel>. — Phantastische Benutzung der alten Thorreste. — Das Museum von Spalato. Der Abend zu Spalato.......... 152 Der Schuster als Cicerone, — Vin deutsches Vierhaus im — Die Diocletianischen Ruinen bei Nacht. ,5. Vrcbitsck...............«55 Contrast der Inseln Lesina und Curzola. — ,,^8. Dalmatiens Hero und Leander. >^< Insel S. Audrea. — ^cargherita Spoletaua nuo ihre Brüder. — Tragische Geschichte» der dalmatischen Inseln. I?». Hn der Bai von Vravosn......177 Isow mclüli. — Straßen- l!»d Chansseebauten des Lloyd. — Die Bai von Gravosa ein ,,i>m'ls> !n!<,»i8^inm.'' — Das Echo und die italienischen Soldaten. 2«. Der Miozzo.............l82 Gesänge der italienischen Soldaten, — Lombardisch vcne. tianischc Vielodiecn. — Vinntere Vanue des Mozzo. — Der Mozzo der allgemeine Sündenbock. — Vtecklutt dec« Mozzo. — Die durchnäßten Italiener. — Der Schlußstein 5,'on Dalmatien, — Die Umwohner der Bocea. li. Die Docche di Cattaro und Monttnegro. l. Eattaro...............19^ Ruinen zerstörter Pilleu, — Montenegrinische Plünderungen. — Die erste» Montenegriner. — Cattaro und Montenegro. — XXl Vazarsrenen. — Das Waffenablegen der Montenegriiier. — Montenegriner in östreichischen Festungen. — Ein „Hanptgcier" von den Gebirgen. — Der Montenrgriner-Bazar. — Montenegrinische Marktlente. — Montenegrinische Freudenschüsse. — Eingeweide putzend.'^attarenferinncn. - (iattarensisches Mäd-cheneostüm. — Gemeinschaftliche historische Orinnernngen der serbischen Stämme. — Freiheilskämpfe der Eerbeu. — Serbische Reisegefährten, — Montenegrinisches Männereostüm. — Das Hanptschreren. — Montenegrinische nnd borchesische Passion für Waffe,,. — Montenegrinischer Knras;. — Die „Girra" mit de,n Pascha von Scutari. — Vergrößerung des Gebiets von Montenegro. — Montenegrinische Lieder. — Die montenegrinische Gnsla. -. Der Guölasänger. — Anstaudövolles und höfliches Benehmen der Montenegriner. — Die Fimnera. — Der (Yor-diecio. — Die Minta. — Der Eopot. — Salzgehalt der Bai von Eattaro. — Die FelMippe hinter (^ttt.iro. — Die (nit Wein-und Oclgarten. — Die Dobrotauer und die Montenegriner. — Einrichtnng einer boel^esisch^n Villa. — Deutsche Wolfs-klingen. —Häuslichkeit der Vocchesen. — Voechesische,? National-costüm. — (5'itt'bocchesisches Liebespaar. —Heroismilo derVorche-sinnen. — Befestigte Kirche in Tobrota. — Der Vaum-(5remit. N. Wi'rasto..............249 Boechesische Arten zu rudern. — SchiMichleitsgefühl der Vucchesen. — Griechische Popen bei Gntbindnngen borchesischer Frauen. — DaS Kastell bei Pcrasto. — Illumination der Voeea, — Qesireichifche Militarconrertc. ü. Di? Shuppa.............^5 Dao östreichische Albanien. — Die Shuppluier, — Das ^ort Trinit.!. — Die,,<'!>->«!!!." — Die,,l?c'!>!ü ^iniln. ' — Un-Gewohnheit der Ebene. — Ursprung der borchesischen Grafenfamilien, — Ein bocchesischer Bauer nnd seine Frau. — Der „Pojas." — Vocchesischc Gewehre. — Felsenvegetation, — Flora der Festungsmauern und Ruinen, ^ Beschuhte Pferde, 5. Njegnsch.............269 Aufbruch nach Montenegro. — Unverletzbarkeit der Weiber in XXII Montenegro. — Zum Ba^ar ziehende Montenegriner. — Der Fest-uugsfelsen Giovanni, — Die Spigliarianer, — Montenegrinisches Dorf, — Bergsteigergewandtheit der Montenegriner, — Die junge Montenegrinerin Johanna, — Verachtung nnd Heilighaltung oer Montenegrinerinnen, — Der Kessel Von Njegnsch, —Der Onkel des Wladika, -^ Njegnsch die Wiege von Montenegro nnd der Ur-svrungSort der Petrowitsch, — Das montenegrinische Hochland. — Situation uon Njegusch,— Montenegrinische Bettler.— Kleine Cultnroasen. — Kostspieligkeit d^S fruchtbaren Bodens in Montenegro. — Die Kartoffeln in Montenegro. — Die Campagne von Cetinje. — Montenegrinische Bewillkommnung. — Montenegrinische Türkenbeute, — Ländlich, sittlich! V. Vetinje..............^94 Montenegrinische Neiterküuste. — Ankunft in (^etinje. — Die Bewillkommuuugsfanonen. — Einführung beim Nladika, — Die Zimnler desselben. — Des Wladika Liebe zu Homer. — Die Houierischen Griechen nnd die Montenegriner. — Montenegrinische Trauben nnd andere Früchte, — Zahl der Bevölkerung von Montenegro, — Zahl der waffenfähigen Montenegriner. - Der Senat des Wladika, — Die Periani^eu. — Strafen in Montenegro, — Des Wladifa Purpurmantel. — Die Druckerei und Bibliothek des Wladika, — Der Nladika als Dichter. — Dichtende Helden der Serben und Kroaten. ?. Die Granitza...........317 Die Thermopylen von Montenegro. — Moutencgrinisclie Nege. — Die Gränze des montenegrinischen Ober- und Unterlandes. — Mangel an Festungen in Montenegro. — Die Ka-junska Nahia. — Orän^streitigkeiten der Montenegriner und Albanescn. — Der Zee von Seutari. — Die Katunoka Nahia die Akropoüs von Montenegro. — Die Njcka, — Imposanter Wasserfall. — Dobrohko Selo, — Dreifache Bedeutung montenegrinischer Namen, — Die Festnng Xabljak. — Die Inseln Vranina nnd Germogur, — Scntari. — Der Pascha von Scutari und der Wladika. — Die Wiera mit den Herzegowi-nern. — Die VerdaS. — Prokleti Gori, ^ Ursprung des Namens von Montenegro, — Frieden in der Natur nnd Hader unter den Menschen.— Geographische und historische Bedeutung des Seebeckens von Scutari. — Schauplatz von Diocletians Kind- XXlII Seite. heit und Jugend. — Berühmte montenegrinische Geschlechter nu Auslande. — Oestreichische Handwerker in türkischen Orten. ». Der ZlOladika...........341 Der schwarze „Kaluger." — Der Gnölasänger und sein Voitrag, — Serbische »nd rassische bieder. — Süßer Kern in rauher Schale, — Wirkung der Kuslasanger auf die Montenegriner. — Montenegrinischer Pfarrer in Waffen. — Wohnung des Bruders des Wladika. — Die Glocken der Kirche von (5c-tinje. — Titulatur des Wladita. — Das Wappen Montenegros. — Nachbildung der großen Moskauer Glocke. — Das. Ikonostas und der Sarkophag der Kirche von ^etinje. — Der Wladika Peter Petrowitsch l. und feine Heiligsprechung. — Seine Kapelle auf dem Lowtschen. — Montenegrinische Chirurgen. — (5del-niuth des Wladika gegen türkische Gefangene. — Abschied von Eetinje. — Des Wladika Position und ihre Kontraste, — Montenegro und Oestreich. -- Montenegro und Rußland. — Der Wladika ein großer Mann. — Unersehlichkeit des Wladika. «. Das, Felfenplatcau und das Mteer 36l> Vine natürliche niontenegrinischc Nationallandstraße. — Klagen der Montenegriner über ihre eigene Unverbesserlichkeit. — Sawwas Radouitz Kosicri. — Siege der Montenegriner über Mahmud Pascha. — Montenegrinischer Kanonenranb. — Wellenförmiges Hochland. — Unbewohutheit. — Kleine Vu-chenhaiue. — Sage ven der Entstehung der Steine in Montenegro. — Poetische Ansdrucksweise der Montenegriner. — Die Tscherniska Nahia. — Fehden und Streitigkeiten der Tscher-nisker mit den Türken. — Urbrrfall und Olinordung eines türkische» Vegs. — Die Montenegriner in ihren Heldenliedern und in der Wirtlichkeit, — „Rawninas". — Monte Volotuu. —Der Paß von Stanjewitsch. — „Das Meer! das Meer!" — Die Pastrovichianer. — ,,!.? lre ^«iinniiiu'". — Bndua. — Die Militäreonnnandanten im östreichischen Albanien. — Der Militärkommandant als Schiedsrichter. — Die Vnduauer und das vermauerte Stadtthor. — Naivetät der Pastrovichianer. — Geduldsproben. — Das Nnfen der Gebirgsbewohner. — Zwic-gcschreie der Hirten. — Polizei der Berge, — Lebendiges Telegraphen netz. ^ Alarmrufe. — Das Rufen in den serbischen Zedern und bei Homer. — Miraz. — Der östreichische Weg XXIV und Schwierigkeiten bei seiner Anlegung. — Die Cigarrenbüchse als Trinkgefäß. — Patronen als Zahlungsmittel. — Situation von Miraz. — Illyrische Anssichtspunite auf Italien, LG. Wenicrkttn^en iibcr die vei derVlntrache herrfche»den Gewohnheiten.........M> Schwierigkeit der Ausrottung der Blutrache. — Die Blutrache ein natürliches Verhältniß. — Die Blutrache nur das Duell. ^ Die Blnlrache ein Nebel und eine Wohlthat, — Die Blutrache und vie Crimiualgerichte, — Berechtigung nnd Verpflichtung zur Blutrache. — Der Racheeid. — Der rachedürstende Knabe. — Der betrogene Bräutigam und seine Nache, — Schlauheit der Montenegriner bei Ausübung der Blutrache. — Laugdanerude Blntrachefälle, — Der Pfeii'enrohrschlag. — Die Geldabsiudnug, — Ceremonieen bei der Versöhnung. — Die Präliminarien. — Bitte nm freies Geleit. — ,,!)^!>i'i Liiuli". — Der Waffenstillstand. — Die Deputation des Beleidigers. — Der Tag der Ausgleichung. — Demüthigungen des Beleidigers. — Versöhnung. — Versöhuungou^hl^eil nnd Ueberreichnng des Blutpreises, — Ausschlagung desselben. — Kosten des Versohnungomahles. — (Held- und Streitsucht der Voechesen und Montenegriner. — Montenegrinische Art von Gelderpressung. — Montenegrinische Freunde der Boccheseu.— Zusammenhalten der montenegrinischen Familien. RR. Risano «nd die.Kriwoschiancr ... «3 Die Bucht von Nisano. — Muth und Unternehmungslust der Kriwoschianer. — Die Grachower. — Geisieogegenwart und Schinerzüberwindung der Kriwosctnauer. — Kleidungen der Kriwoschianer >uit den Türken nnd Montenegrinern. — Der friwoschiauische Pope Mareo Coniueuowitsch nnd sein Untergang. — Nache der Kriwuschiauer dafür, — Kühne triwo-schianische Nachethat. — Folgen von Pop Marco's Tode. — Niviera von Teod<». Ä2. Vaftelnuovo...........461 Okwl l!i n>ln<' und ^,!!!>!l>I !,'!,. — Posilion von Vastelnuovo. — Arabische Thorinschrift. — Miloes Klima. — Malteserritter-Gräber/— Kloster Savina. — Straußeneier in der Klosterkirche, — Gemsen in deu albanesischcn Gebirgen. I. Dampfsllhrt längs der dalmatische« Küsten und Inseln. Kohl, Neise ln D^lmaüen. I. 1 l. Der Quarnero. 3)en ersten Geschmack von den dalmatischen Gewässern bekam ich ungefähr in der Gegend des Fanal Porer. Es ist dieß ein hoher Leuchtthnrm, der mitten im Meere ans einem einsamen Felsen, der südlichsten Vor-gebirgs-Spitze von Istricn gegenüber, errichtet ist. Es war eine etwas stürmische Nacht, nnd schon am Abende vorher hatten uns die Leute unseres Lloyd-Dampfers gesagt: „il I^oNunale o rotto!" (der Slnnn ist los!). Ich hatte mich ,in der Cajüte eines der Offiziere des Schiffs niedergeht, die man mir als provisorische Wohnung angewiesen, weil ich mich zu spät gemeldet hatte, um noch einen Platz unter den übrigen Passagieren zu finden. In diese Cajütc mündete ein kleines Fenster, dessen Ver-schlicßungs-Mechanismus ich nicht gehörig studirt hatte. Ich glaubte es fcst zugemacht zn haben; aber es erwies sich anders. (5inc hoch und quer an das Schiff schlagende Woge stieß mit ihrem Gewicht das Fenster auf, als ich eben gegen Morgen etwas eingeschlafen war, und überschüttete mich und die ganze hübsche Cajüte mit Millionen strandenden Infusionsthierchen und mit einer Wassertaufe, die mir, wie gesagt, den ersten recht voll- 1* 4 Etymologie dcS Quarnero. ständigen Geschmack der salzigen Welle der dalmatischen Gewässer beibrachte. Bei dem bezeichneten Leuchtthurme und Promonto-rimn — I'unlli cli I'rolnouwlc! heißt es jetzt, ?luilwn-loriuili I'oliNicum (Vorgebirge von Pola) nannten es die Nömcr — beginnt der, wegen seiner Sturme und Schiffbrüche berüchtigte Meerbusen Quaruero, von dein Einige glauben, daß er eigentlich Carnero geschrieben werden sollte, und daß sein Name von t^l-n« (Fleisch) und l^rnivoro (Fleischfresser) abgeleitet werden müsse, weil er von alten Zeiten her so viel armes Menschen-fleisch verschlungen babe, wogegen aber Andere wohl mit mehr Recht behaupten, daß sein Name aus derselben Wortwurzcl .entsprungen sei, aus welcher anch die Namen der ihn umgebenden Gebirge und Länder, der Carnischen Alpen, des Cars» (Karst) und der Provinzen Krain, Käriithrn u. s. w. hervorgewachseu seien, nämlich aus einen: alten celtischen Nrwortc ,,kin" oder „l^,l-" oder „s^cl-ii^ womit die Celten alles kahle, zerklüftete Felseuterrain bezeichneten, nnd daß demnach Quarnero so viel bedeute als ein mit solchen Felsen und steinigen, so zu sagen „karrigen" Inseln gefüllter Meerbusen. — Dem sci indeß, wie ihm wolle, quar-neri scher als ich hätte Niemand so leicht geweckt werden können, nnd es kam mir vor, als wenn der Carnivoro in Person seine Junge nach mir ausgestreckt hätte, um seinen Hunger nach <^l-n6 6i uom« zu befriedigen. Ich war sehr froh, daß ihm der Versuch mißlang, und giug, da mittlerweile der Tag heraugedämmert war, auf das Verdeck hinaus, um mir dort den Zustand der Dinge anzuschancn. Die quarnerischen Inseln. . 5 Das Meer um uns her bildete cine einzige graue, wüste und tobende Masse, und das Land, welches in Sicht war — die steinige quarnerische Insclgrnftftc — sah mich nicht viel erftcnlicher alls. Kara, nee haeo selix, in apertis oniinot arvis Arbor, et i» terra est altera forma maris, gelten, auch dann nicht einmal von üppigem Wllchse, ragt mitten im Felde ein Banm empor, lind das Land scheint nur ein erstarrtes Meer zu sein) -" singt ein lateinischer Dichter, — vermuthlich mit Bezug auf diese qnarncrifchen Inseln, Chcrso, Ossero, Unie U'., auf die mir das Bild so vollkommen zu passen schien. — Gin anderer Autors, von dem ich mit Bestimmtheit weiß, daß er die besagten Inseln dabei im Sinne hatte, sagt von ihnen: ,,V'i»nnn »li li-.iUi lli l^mpk^ni, äo! WUo 8!,88U»i u nli>8li o »pn^Ii cli m, nk, in der Ferne. Wer etwas näher wissen will, welche Menschen auf diesen Inseln leben, und wie sie da hausen, dem empfehle ich das obcn citirte Werk von Fortis, der diesen quaruerischen Inseln einen eigenen Band gewidmet hat, und der uns zeigt, in welchem primitiven Zustande die slavischen (kroatischen) Einwohner, namentlich der kleineren von aller Welt abgeschnittenen Inseln, ans denen sich oft nur 300, ja sogar nur 1W Menschen finden, arm über alle Begriffe, elende Etemhütten und Höhlen bewohnend'; der uns berichtet, wie sie ihre kleinen Schafbeerdcn, fast ihr einziges Besitzthum, hüten, wie sie oft sogar zu wenig Kapital besitzen, um den Fischfang zu betreiben, wie sie, gleich den Bewohnern sehr versteckter und wüster Älpen-thäler oder gleich deu armen Leuten auf den friesischen Halligen, von aller Welt abgeschnitten sind, weil sie nicht Kraft (n«>->u3 i-vl'um) genug habe», um sich mit den f'O „Tsole" itnb „Scogli". Verkehrsströmnngen, die an ihren Scoglicn vorübergehen, in Rapport zu sehen. Wie in dcm friesischen Archipel zwischen den eigentlichen Inseln nnd den sogenannten Halligen, so mnß man hier in dcm illyrischcn Isolcm'o zwischen den eigentlichen Isole nnd den Scoglien unterscheiden, ^«nglia heißt bekanntlich im Italienischen so viel als Klippe (Fels im Wasser). Und, streng genommen, werden anch im illyrischen Archipel nnr die zahllosen nnbcwohnten Klippen nnd abgesonderten Felsen „Scogli" genannt. Meistens werden oarnnter aber auch alle kleine Inseln, selbst wenn sie bewohnt sind, begriffen. Nnr die größeren Inseln, welche Städte oder doch ordentliche Ortschaften nnb eine gewisse Anzahl von Einwohnern besitzen, bekommen den Titel lsalo (Inseln). Die Bewohner dieser Inseln heißen dann l^olgni (Insulaner), die der Seoglicn: 8«oglmni (arme Scoglier oder Halligcnleute). Weil aber alle, selbst die größeren Inseln Dalmatiens, äußerst felsig nnd klippenhaft sind, so ist das Wort 8Iic) hier von einem sehr ausgedehnten Gebranchc, nnd man hört mit dem Namen Seoglien, wenn man eollcctivisch spricht, anch wohl größere, besser bebante nnd stärker bewohnte Inseln bezeichnen, denen man, jede für sich genommen, den Titel Isolo (Inseln) zugestehen würde. So z. B. heißen die ganzen Insel- nnd Klippengruppen von Zara nnd von Sebenico „i «on^Ii tii ^n^" und „i »eo^li tti Hokenico" (die Klippen von Zara und Sebenico), obgleich darunter auch große, mehre Meilen lange Inseln sind. Weil aber das Klippenhafte in ihnen vorwaltet, so hat man den Namen Scoglien obenan gesetzt, was die Italiener in „Una division*» di pascoli pelle pecore". 11 anderen von ihnen bewohnten Gegenden nicht gethan haben. Man kann daher den Namen Ecoglien in seinem eben angegebenen Gebrauche als einen eigenthümlich dalmatisch - i t a l i e n i schell bezeichnen. Hie und da sahen wir ans den Felseil, die uns nahe geuug kamen, lwtanisirend ein Dutzend Schafe. Von einer Inscl habe ich in meinem Tcigebnchc angemerkt, daß ich ini Vorüberfahren ein paar Esel anf ihr zwischen den Felsen habe stehen sehen. Aber selbst diese Esel sind ans vielen Inseln eine große Seltenheit, und eine noch größere die Pferde. Nur die wohlhabenderen Insnlaner halten zuweilen einige nm des Transportes willen und zum Reisen; denn die Reisen ans diesen gebirgigen Inseln werden eben so wie weiter im Innern Illyriens und der Türkei zu Pferde ausgeführt. — Auf einigen Inseln sollen sowohl die Schafe als auch die Esel und Maulesel zuweilen gänUick verwildern, so daß man sie dann wie wilve Thicrc niederschießt, um wenigstens ihres Felles und Fleisches habhaft zu werden. Auf einer der Inseln sal) ich einen steinernen Damm oder Zaun über die Fclsenrüclen lang hinlaufen. ,,0^8t<» « um» ^lvlsiono lN'pu5ooli i,o!ll) iioooi'o!" (das ist eine Grenzabthcilung der Weiden für die Schaft), bemerkte mir ein einheimischer Mitreisender, den ich über jenen Damm befragte. Also diese nackten Fclsenstrichc haben auch noch Besitzer und Herren, und das öde Gcklipp dort nennt Ihr eine Schafweidc, und diese Wüsteueieu werden noch benutzt, begrenzt, abgetheilt und bestritten? — Dieß setzte mich wahrhaft in Erstaunen, viel weniger, daß, wie FortiS S. 46 seines oben citirteu WerkeS 12 „Arabia Pelraoa". sagt, die Einwohner von Cherso einen gewissen großen Sttich ihrer Insel, weit er platterdings gar nichts bietet als kahle, nackte Kalkfelsmasse, „."Vi^Iii« I'ellnoa" nennen. Sie hätten übrigens wohl, so dachte ich, ohne groß Nn-rccht zu thnn, ihre ganze Insel nnd anch alle die übrigen Inseln dieser Gewässer dazu, kleine im Meere schwimmende ,,^,l-al>in« pt;lriw:w" nennen können. Nur ganz selten sieht man einmal mitten in der granen Felsenwüstenei einen kleinen grünen Fleck, der angebant und bepflanzt ist, der Weingärten nnd einige Olivcnbäume enthält. Diese kleinen grünen Flecke, welche das Auge so begierig aufflicht und die meistens in den hart am Meere ausmündenden Thälern versteckt sind, erscheinen aber auf diesen Inseln so selten, wie die Schönvsiäster-chen auf der Wange einer Dame des vorigen Jahrhunderts. Noch seltener sind die „vereinzelten Bäume", von denen jener lateinische Vers oben sprach. Cs giebt ganze Inselreihcn und Gebirgszüge, ans denen kein einziger Baum erscheint. Nur alle zehn Meilen einmal hat sich die Natur eapricirt, mitten im Felsengeklüft ganz oben auf der Kante des Felsrückens einen großen schönen Banm ausnahmsweise stehen zu lassen und zu conser-viren. Diesen merkwürdigen und beinahe unbegreiflichen Bäumen, die als die einzigen ihrer Gattung dastehen, und gleichsam wie Einsiedler mitten in der Wüste hausen, begegnet man überall in den höheren Bcrgregionen des dalmatischen Insel- und Küstenlandes wieder. Iu-weilen sind diese vereinzelten Bäume, gleich wie die (5e-dern des Libanon, den Bewohnern gewissermaßen heilig und haben Kapellen und Grabstätten in ihrer Nähe, so Viusirmigkcit der dalmatischen Küstengrstaltung. 13 z. B., wie ich später sagen werde, die zwei oder drei großen Bäume, die auf dem kahlen Rücken der das Amphitheater von Spalato nmzingelnden Gebirge stehen, und die Jedem gleich von ferne so auffällig sind, der in den Haftn dieser Stadt hiiteinsegelt. Uebrigcns wollte ich mir die öden Felsen vonDal-matien noch wohl gefallen lassen, wenn sie sich nur dabei in der Regel recht kühn und energisch zeigten in Schat-tirung nnd Gestaltung, wenn sie nur recht keck und großartig mit schroffen Wänden ans dem Meere hervorstiegen, wenn sie recht colossale Proportionen hätten und tiefe Einschnitte, schwarze Abgründe und Klüfte, himmelan-steigendc Gipfel nnd Spitzen darböten, wenn mit einem Worte das Wildromantische in ihnen repräsentirt nnd ausgeprägt wäre. Dieß scheint aber einem auf dem Dampfschiffe durch diese Gewässer Dahineilenden gar nicht der Fall zu sein. Die Felscnzüge sind alle im Ganzen und Großen äußerst einförmig gestaltet. Die Gebirge der Festlandküste und so auch die der Inseln sind sehr lang gestreckt, dazn auch alle in einer und derselben Richtung gedehnt, sämmtlich von Nordwesten nach Süd-ostcn laufend. Sie sind im Großen nnd Ganzen auch alle so ziemlich gleich hoch. Dabei sind sie selten schroff, selten solche ,,8lilnui inunliimn! w'ndlin vülmnlmo", wie Ovid sie poetisch beschreibt, vielmehr meistens abgerundet wie Hügel. Nur im Kleinen nnd im Detail sind sie nnendlich vielfach zerklüftet nnd zerspalten, nicht aber im Großen. (5s giebt sogar, wie ich unten zeigen werde, ganz flache Striche, die so eben sind wie unsere Marschen oder Thalbodcn, und deren Oberfläche doch ^4 Grfte melancholische Eindrücke in Dalmatien. nichts darbietet als endloses Gestein. Gs kommt daher sehr wenig Schattirung in diese dalmatischen Landschaftsbilder, wo Alles blos graller, — hellgrauer Fels zu sein scheint. Und wer Dalmatien auf einem Bilde darstellen wollte, ohne auf Einzelheiten Rücksicht zn nehmen, der könnte mit einem dicken Pinsel eine zahllose Menge hellgrauer paralleler Farbenstriche auf die Leinwand bringen und dieß für ein treffendes Bild jenes Landes ausgeben. 3. Werstrente Reize. Das ist ja Alles sehr wenig einladend und anziehend, wird der Leser sagen. Aber warum reist man denn nach Dalmaticn, lind warum beschreibt mau dieses Land? — Ich bin im Verlaufe meiner Reise und meiner Studien über die interessanten Seiten, die Dalmaticn bietet, eines Besseren belehrt worden, und ich kann sagen, daß es mit meiner Theilnahme für dieses Land immer ci-l!8cnnl. Ncise in Dalm.ttien. l, 2 lg „Coronali." des Bodens bleibt fast ganz den starken und fleißigen Armen der Menschen überlassen. Diese müssen zuerst ein Terrain, das zum Anbau bestimmt ist, ganz von dcn herumliegenden großen und kleinen Eteinbrocken befreien und dieselben zu Mauern oder Eteindämmen anhäufen, mit denen sie das kleine Feld umgeben, abgrenzen und schützen. Gewöhnlich haben diese künstlich geschaffenen Felder eine kreisrunde oder elliptische Figur und werden von den Insulanern „^nl'nn<,1>" (Kranzfelder) genannt. Es giebt innerhalb der Umzäunung hie und da große Blöcke, Gipfel und Platten, welche sich nicht so leicht bewegen lassen, weil sie entweder zu schwer sind, oder mit der ganzen Masse des Gesteins, das den Körper des Landes bildet, zusammenhängen. Diesen plumpen Blöcken wird nun mit allen Arten von Instrumenten und Arbeiten der Krieg erklärt, und man begreift leicht, wie viel Zeit und Schweiß solche Vorbereitungen kosten. Die kleinen Cultur-Terrains von äußerst geringem Umfange, die man auf jenen Inseln hie und da liegen sieht, erforderten, um für den Anbau vorbereitet zu werden, ohne Zweifel vier-ober fünfmal so viel Mühe als ein vier- oder fünfmal besseres und größeres Terrain in der Lombardei. Das Wasser fehlt auf diesen Inseln durchweg in eben so hohem Grade, wie anf dem Karst bei Trieft und wie auf allen dalmatischen Küsten, und die Bora oder der Nordostwind, der mit Gewalt von den Gebirgen Kroatiens und der Morlachei bcrabbraust, ist ihr großer Feind und Zerstörer. Um dem Mangel des Wassers so viel als möglich zu begegnen und den tödtlichcn Hauch der Bora möglichst unschädlich zu machen, befleißigen sich die In- Weinbau. Olivcin'ultur. 19 sulancr bei jeder Rebe, vie sic pflanzen, einen kleinen Berg von Erde nnd Steinen zn bereiten, der die Wurzeln in der Zeit der gröstten Trockenheit frisch erhält und zugleich dazu dient, in der Winterszeit den Nebstock ganz zu verdecken. Dazu pflanzen sie die Neben so dicht wie die Lombarden ihren Mais nnd halten sie ganz niedrig am Boden, indem sie ihnen von Jahr zu Jahr die Zweige abschneiden, damit das Ganze ein dichtes, niedriges nnd widerstandsfähiges Gebüsch bilde. Sie gebrauchen daher auch feine Pfähle oder anderweitige Stutzen, um die Reben daran zu binden. Die Kunst, die Oliven, die häufig neben dem Weine in jenen kleinen Coronali der Inseln stehen, zn reinigen, zu beschneiden, auszuholzen und von ihren Krankheiten zu heilen, ist auf einigen dalmatischen Iuseln in neuerer Zeit auf den Höhepunkt der Vollkommenheit gelangt. Auch die Oliven halten sie der Bora wegen und um viel Schatten zu erzeugen, ganz niedrig, wie die Ncinstöcke. Selten pflanzen sie Oliven und Weinstöcke vermischt in denselben Coronali. Gewöhnlich haben sie besondere Coronali für die Oliven, besondere sür den Wein nno wieder besondere für das wenige Getreide, das sie bauen." Diese Schilderung der besagten Schönpstästerchen oder Kranzfeldcr der Inseln mag vorläufig hinreichen, um das Interesse des Lesers für diese Inseln und ihre Bewohner ;n wecken und ihn davon abzuhalten, gleich von vorn herein, den ersten Eindrücken sich hingebend, Alles zu verachten, vielmehr ihn anzufeuern, dem Zusammenhange der Dinge weiter nachzuforschen. Der Schriftsteller, dem ich jene Worte entlehne, hat zunächst nur 2 « 20 Qlianierulo. die quarncrischen Inseln im Sinne gehabt; aber was er sagt, paßt mehr ober weniger auch auf die anderen größeren Inseln ganz Dalmatiens. 4. Die „«Kamme", die „Mohlen", die „Spötter", die „Stachelschweine". Die beiden qnarnerischcn Inseln Cherso und Ossero sind nur durch eine sehr schmale Meerenge von einander getrennt, und sie bilden zusammen einen Felsrücken von beinahe 5l) Miglicn ^) Länge, der gleichsam wie cin Pseil in die Mitte des Buscns von Fiume hinemstrcbt und diesen in zwei Theile theilt. Streng und im engsten Sinne genommen heißt nur die nordwestliche Hälfte desselben längs der Küste von Fiume Quarnero, die Ge^ Wässer im Osten von Cherso-Ossero aber ,,^uc!i-nel'o!o", d. b. der kleine Quarner, obwohl sie im Grunde gar nicht kleiner sind. Doch werden, wenn mnn das Wort im weiteren Sinne nimmt, auch beide Busen unter dem Namen Quarnero begriffen. Ja man kann diesem Namen eiue noch umfassendere Bedeutung geben, uud zwar auf folgende Weise: Die Mauer des Velebitsch-Gebirges, die von Fiume an hart an der kroatischen Küste Hinstreist uud hier gleichsam das eigentliche Nftr des Meeres bildet, verläßt im *) Italienisch« Mcilcn zu 10N0 Wiener Klaftern, 60 auf einen Grad. Die qimrnenschen Gcwasser. 8oo^li 6i Xni«, 21 Norden von Zara, etwa von Carlopago an, das Ufer und hält sich mehr im Binuenlande. Das Uferland des eigentlichen Dalmaticns beginnt hier weit ins Meer hinaus vorzutreten nnd cm 5 Meilen breites Vorland vor dem Velcbitsch zu bilden. DieseS Vorland, der Hauptkörper des dalmatischen Landes, begränzt nun im Süd-ostcn den mit Inseln gefüllten Busen, welchen Istrien im Nordwesten abgräuzt. Vinicn, die man von Pola nach Zara, nach Carlopago und Fiume ziehen kann, bestimmen ungefähr die Figur dieses Busens, der bei den Geographen freilich in der Regel gar keinen Namen bekommt, deu man aber am beßten die „quarnerischen Gewässer" m'nnen kann, und der allerdings auch zuweilen schon so genannt worden ist. — Der Busen hat zwar keine sehr auffallenden und markirtcn Grcnzformen, aber nichtsdestoweniger ist seine Auffassung wichtig, wie ich gleich unten bei der Position und Bedeutung von Zara zeigen werde. Bald hinter Ossero gelangten wir in die östlichste Abtheilung der so eben näher bestimmten quarncnschcn Gewässer und fuhren längs einer Reihe von kleineren uud größeren Inseln hin, welche die nördlichste Abtheilung einer großen Inselgrnftpe sind, die man unter dem Namen ,,!-,c,l»^i »!> ^arn'- zusammenfaßt. Die äußersten dieser Inseln sind Premuda auf der rechten und Selve anf der linken Seite. Zwischen beiden fuhren wir hindurch, uns den Gewässern von Zara nähernd. Bei der Insel Premnda, so sagen die Schiffer und Geographen des adriatischen Meeres, beginnt die Spaltung der großen Meeresströmung aus Südwestcu, und hier geht der eine 22 I Pcttini, i Carboni. Arm nach Westen, nach Aneona hinüber, während der andere seinen Weg in der angenommenen Richtung bei Istrien vorüber nach Venedig fortsetzt. Es mag sein, daß diese Etromspaltung sich wirklich bei Prcmuda zuerst bcmerflich macht. Allein ich habe oben schon gezeigt, daß die Ursache derselben wohl ohne Zweifel in Istricn zu suchen ist. Doch mag allerdings die durch Istrien verursachte Spaltung noch bis Prcmnda zurückwirken. Der kleine Ort Sclvc mitten in einer tiefen Einsattelung der Insel gleiches Namens präsentirt sich recht freundlich. Ihm gegenüber liegt aber als Gegensatz eine Gruppe sehr schroffer nnd wüster Klippen, an denen das Meer aufschäumt, nnd welche die Dalmaticr .,i ?«Uim" (die Kämme) nennen. Es giebt noch eine solche Gruppe von „Pettini" in den Gewässern von Nagnsa. Eine andere Gruppe ähnlicher Klippen, die bei der größeren Insel Lagosta liegen, werden von den Dalmaticrn „i (^ii'I)nm" (die Kohlen) genannt. Auch dieser Name kehrt noch an einer anderen Stelle im dalmatischen Archipelagus wieder, lind recht bezeichnende und gewissermaßen humoristisch-poetische Namen sind dieß für solche Fclszacken, welche die Rippen der armen Schiffe auskämmen und, wie ein eiserner Kamm den Flachs, zerkratzen, oder an denen das Meer beständig anfschänmt, wie wcnn sie glühende, zischende Kohlen wären, nnd wo, wenn er sich arglos naht, der Schiffer sich leicht die Finger verbrennt. Ich dachte bei diesen „Kohlen" im adriatischen Meere an die sogenannte „heiße Platte" in einem der Schweizer Alpengletscher, dem das Volk diesen Namen gegeben hat, weil beständig Lawinen und I Cuculiari, Scogli Ricci. 23 Msbrockel auf dieser Platte hinabschänmen und es so aussieht, als schmölze das Vis beständig an ihr ad. — Wieder eine andere kleine Klippcngruppe nicht weit von Sedcnico nennen die Lente „i sw^lliül-i" (die Spötter). Auch in dieser Benennung liegt eine nicht geringe Poesie. Die Felsen spotten den Angriffen des Meeres. Sie scheinen aber auch, abwechselnd weiß bcschänmt oder in den Wogen verschwindend imd dann wieder mit granen Köpfen hervorblickend, dem armen Schiffer gleichsam spöttische Gesichter zn zeigen. — Im Canal von Pasman bei / von Istricn, so lag Zara in der Nähe der nördlichsten Spitze des Hauptkörpers des dalmatischen (liburnischen) Landes, gleich jener an der Gränze oder an der Basis des oben näher bestimmten quamerischen Mcerbnscns. Dieser Mcerbnsen ist, wie ich zeigte, rings umher, in Istrien nnd in Kroatien, dem Lande der alten barbarischen Iapyden, von wilden Gebirgen umgeben. Ihn zu Lande zu umrcisen, war stets schwierig und umständlich. Man durchschnitt daher vom Po-Lande und von Pola her seine Gewässer auf dem kürzesten Wege zu Schiffe nnd stieg in Illyrien bei Zara, dem äußersten leidlichen Hafen, ans Land. — Das Land hinter Zara bis an die Mauern von Velebitsch und die dinarischen Alpen ist ebener, leichter mit Knnftstraßen zn versehen, für Truppen und Handels-Karawanen minder schwierig zu bewandern. Von hier an sehte man daher gern die Reisen und Märsche ;n Lande weiter fort. Wie die Römer, so hielten auch die Venctianer den Punkt Zara als eine ihrer Hauptstationen fest. Es war ihnen der zunächst erreichbare Hafen der dalmatischen Terra Firma. Sie konnten Dalmaticn von hier ans gleichsam am beßten packen und festhalten. Hierher konnten sie am schnellsten ihre Truppen uud Befehle hinübersckiffen. Von Zara aus, das an der ganzen umliegenden Küste ihre Operationen zn unterstützen am besiten geeignet war, konnten sie das Land erobern. Zara war bei den verschiedenen Phasen, welche die venetianische Herrschaft in Dalmaticn durchzumachen hatte, immer der letzte Punkt, den die Veuetianer in Dalmatien aufgaben, und der erste, den sie wieder von Neuem angriffen. Sie machten daher Zara zu der Hauptstadt des Landes, znm Sitz ihres 26 Guter Nath für Reisende in Dalmatien. dalmatischen Stattbaltcrs, des sogenannten pravlliloi-o ^c»nl'i">Ic, zur Residenz der obersten Behörden des Landes. Dieselbe Bedeutung hut einstweilen die Stadt auch unter Oesterreich behalten. Doch werde ich unten zu zeigen versuchen, daß jetzt unter veränderten Umständen vielleicht ein anderer und besserer Centralpnnkt iu Dalmatieu zu finden wäre. Da wir bei Nacht in Zara ankamen uud es bei Nacht auch wieder verließen, so sahen wir dicßmal von dieser interessanten Stadt nicht mehr, als was uns die Laterne des Thorwächters an der l'c»,-t,n «nni-im, (dem Seethor) und die altniodigen Talglichter au der Abend-tafcl der I^oonnäa al Vapol^ (des Wirthshauses zum Dampfschiff) davon beleuchteten. Doch hielten wir uns auf der Rückreise hier fünf Tage lang auf, deren für mich lehrreiche Resultate ich weiter unten geben werde. Es ist, glaube ich, kein übler Nath, den man denjenigen, die Dalmatien besuchen und kennen lernen wollen, geben kauu, wenn man ihnen vorschlägt, zuerst ohne Aufenthalt au Bord eines Lloyd-Dampfers von Trieft in schneller Fahrt bis an das äußerste (inde Dcilmatiens, bis nach Cataw zu reisen und erst auf der Rückreise an denjenigen Punkten, für die sie sich intcressircu, ctwas länger zu verweilen, und danu entweder zu Lande zu gehen oder daselbst die Ankunft eines folgenden Dampfschiffes abzuwarten. Auf diese Weise hat mau wenigstens vor allen Dingen das äußerste Ziel der Reise gesichert und erreicht. Nach Hause kommt man dann immer wieder, während, weun man sich auf der Reise bis zum Ziele aufhält, man sich nur gar zu leicht zum Bleiben verführen läßt und die für das Gan;e vergönnte Zeit- Dalmatien cmc schnlale, langgestreckte Küsteilprovinj. I7 frist verliert, wie manche Feldherren, die erst am Wege jede Festung einnehmen wollen und dann am Ende gar nicht znm Ziele gelangen. Besser ist es, anderen Feldherren nachzualnnen und gleich in das Her; des feindlichen Landes vorzudringen. Bis zu der Nocx:»
  • s, die Agaven, die Cactus, die Dattelpalmen schicken längs dieser Küste die äußersten Aus-laufer ilnes Verbreitungsgebietes hinauf. Die ganze Vegetation des Küstenlandes ist, wie ihr Klima, griechisch-italienisch, und dieß allein schon mußte die Lebensver-hältnifse an der Küste anders gestalten als im Innern. Griechische und italienische und überhaupt mediterraneischc Cultur konnte sich hier leichter ausbreiten, während im Innern auch hierin Alles den Skythen — wenn ich mich hier etwas hellenisch-antik ausdrücken darf — angemessener sein mußte. Die Hauptsache und das eigentlich Entscheidende ist aber die Art und Weise der Abgrenzung des festen Landes mit dem Meere, uud hierbei ist zunächst die lange Inselkette, die sich längs der ganzen Bedeutung der dalmatischen Inselkette. 31 Küste hinzieht, daS Wichtigste. Diese Inseln sind, wic auch die Küste selbst, überreich an vortrefflichen Bnchten und Häfen, welche den Schiffen den schönsten Schuh und Ankergrund gewähren. Auch haben sie überall neben ihren Häfen Berge, Felsen und andere Bodengestaltungen, welche leicht durch die Klmst befestigt werden konnten. Es boten sich demnach hier viele Anhaltepunkte dar, wo die See- und Handelsvölkcr des mittelländischen Meeres festen Boden gewinnen konnten, um von da aus Herrschaft uud Ginslnß auf das benachbarte Küstenland zu üben. Von diesen Punkten aus ließ sich leicht ein gc-winnrcicher Handel mit dem Innern betreiben. Allein nicht blos die verlockende Aussicht auf Gewinn, sondern anch die Nothwendigkeit der Selbstvertheidigung und der Conscrvirung der bereits erworbenen Meercshcrrschaft mußte diese Völker einladen und fast zwingen, die Inseln und Küsten auf der Ostseite des adriatischeu Meeres beseht zu halten. Ließen sie dieselben in die Hände dcr Barbaren des Innern gerathen, so bauten diese sich selbst Schiffe und störten durch Eee-räuberei und kriegerische Unternehmungen die Handelsbewegungen der Kulturvölker und bedrohten dann von den illyrischen Häfen und Festungen aus sogar Groß^ Griechenland uud Italien. Man kann gewissermaßen die ganze Geschichte Dal-maticns als einen Kampf der griechisch-italienischen Cul-turvo'lkrr, die ihre Meere und Handelsstraßen schuhen wollten, mit den Barbaren des Festlandes, die an die Küste und weiter über's Meer hinaus vordrängten, besinnen und die ganze Ncihe dcr wundervoll verbundenen ^5nscl- und Küstenhäfcn DalmaticnS als eine natür- ZI Phöinzische Niederlassungen an der illynschcn Küste, liche Kcttc bezeichnen, welche die ersteren, so zn sagen, immer angespannt und in gutem Stande erhalten mußten, damit die letzteren nicht daraus hervorkämen. — Es mußte hier stets eine langgestreckte Provinz am Meere hin gebildet werden, die gleichsam wic ein Damm au demselben sich hinzog, um die wilden Gewässer des Innern an dem Hervorbrechen zu hindern. Wir können diese schmale Küsten-Provinz, diese Kette, diesen Damm, als welche Dalmaticn noch heutiges Tages erscheint und wirkt, auch fast zu allen Zeiten der Geschichte nachweisen, wenn sie auch nicht immer so vollständig erscheint wie jetzt und allerdings zu Zeiten großer Völkerwanderungen und Verwirrungen ans kurze Perioden gänzlich verschwindet. Das älteste Schiffer- und Handelsvolk, welches wir auf den zum mittelländischen Meere gehörigen Gewässern kennen, waren die Phönizier. Gs ist ziemlich gewiß, daß sie auch in das adriatischc Meer eindrangen und Niederlassungen längS der illyrischen Küste besaßen. Freilich können wir diese Punkte nicht mehr bei Namen nennen. Doch reichen z. B. die Sagen von Ragusa bis iu die phönizische Zeit hinauf, da ucich ihnen der Phönizier (5admus die Mutterstadt Nagusa's, Eftidau-rus, angelegt haben und als König der sogenannten Enchclienser diesen illyrischen Küstenstrich beherrscht haben soll. Auch haben noch die heutigen Enchelienser, d. h. die Bewohner des Naguseischen Küstenstriches (5analc, obwohl sie slavisch sprechen, keineswegs slavisches Blut und slavische Gesichts- und Körperbildung, gleichen vielmehr den Orientalen nnd sind, nach der vielleicht nicht Pclasgische Ansiedler. Liburnier. 33 unbegründeten Meinung Einiger, direcle Abkömmlinge der Phönizier. Vielleicht war dieses Eindringen der Phönizier in den südlichen Theil des adriatischen Meeres gleichzeitig mit der Hcmdelsblüthe pelasgischer Ansiedler im Norden desselben. Wir hören hier von einer alten pe-lasgischen Handelsstadt Spina an den Mündungen des Po, die sehr mächtig und reich gewesen sein soll und vielleicht die erste und älteste Vorgängerin des späteren Venedig war. Die Pelasger sollen auch einige der dalmatischen Inseln, namentlich das durch seine Position in der Nähe des Centrums des adriatischen Meeres so wichtige Lissa besessen und beuamt haben. Lange Ieit hindurch hieß nach ihnen das ganze adriatische Meer das pelasgische, sowie auch noch heutiges TagcS der Name der kleinen Insel Pclagosa bei Lissa an die pe-lasgischc Ieit erinnern soll. Den Pelasgcrn folgten die Liburnier, die nach der Meinung Einiger nur die Nachkommen und Schüler der Pelasgier gewesen sind. Sie hatten Handelsbeziehungen, Coloniecn und Besitzungen an beiden Küsten des adriatischen Meeres hin, das von nun an nicht mehr das pclasgische, sondern das libnrnische genannt wurde. Wie phönizische Kricgserveditioncn und Handelsunternehmungen den Pelasgern theils die Hand reichen, theils ihre Blüthe durchkreuzen mochten, so mochten zur Zeit der liburnischen Ucbcrmacht griechische Eindringlinge, Abenteurer, Flüchtlinge und Spcculanten dieß Meer zu besuchen beginnen. Schon vor dem trojanischen Kriege zogen die Argonauten und die ihnen folgenden Colchier hierher und gründeten Städte auf den nördlichen Inseln K°l,l, Reise in Dawatien, l, 3 34 Etrustische Adriaten. und Halbinseln der illyrischen Küste, wo noch heutiges Tages ihre in mythisches Dünkel gehüllten Erpcditionen nicht vergessen sind. Edenfalls noch vor dem trojanischen Kriege kam ein Häuptling der Aetolier, Diomedes, hierher, dessen Name für lange Zeit an ein gewisftS Vorgebirge Dalmatiens, sowie an ein paar kleine Inseln, die ich nnten näher bezeichnen werde, geheftet blieb. Nach der Zerstörung von Troja soll Antenor mit einer Flotte hierher vorgedrungen sein und auf einer der dalmatischen Inseln die Stadt Curzoln begründet habcn. „Die liburnische Vlüthczeit", sagt Virgil, „war schon vorüber, als Antenor kam", und ihr folgte gleichzeitig mit der Ncbermacht der Griechen in Süditalien (Großgriechenland) die ctruskische Periode im Norden Italiens. Die Etrnsker gründeten, als Nachfolgerin von Spina, die Stadt Adria an den Mündungen des Po, und diese etruskischen Adnaten spielten in drn Jahrhunderten nach dem trojanischen Kriege beinahe dieselbe Nolle, die in späteren Zeiten den Vcnctianern zufiel. Sie hatten Niederlassungen an verschiedenen Punkten ihres Meeres, so auch auf d<-n Dalmatischen Inseln und namentlich auf Lissa, wo man noch heutiges Tages als handgreifliche Spuren ihrer Anwesenheit ctrurischc Vasen und andere etrurische Alterthümer anögrabt. Jedoch dauerte die etrurische Blüthe verhältnißmäßig nicht lange. Die Invasion der barbarischen Gallier im Norden von Italien schwächte sie, während die Griechen im Süden sich länger bel Kraft und Lcbcn erhielten. Die Celten drangen von Italien aus auch in Illyrien ein und gründeten dort auf der Ostseite des adnalischen Meeres ein mächtiges celtisch-illyrisches König- Celto-IllYliker, Griechische Insel-Rcpublik. ^5 reich, das die etrustischen Colonieen auf den Inseln bedrohte. Gegen diese in Macht wachsenden Celto-Illyriter riefen die etruskischen Adriaten die sicilischen Griechen zu Hilfe, die unter dem alten Dionysins, dein Tyrannen, mit einer Flotte kamen und sich anf der Insel Lissa ansiedelten, sowie bald darauf eine andere Colonie von Griechen, Auswanderern von der Insel Paros, sich neben Lissa auf der Insel Lesina niederliesi, welche nach ihnen den Namen Pharos bekam. Nach dieser Zeit, im fünften, vierten und dritten Jahrhundert vor Christi Geburt haben auf diesen dalmatischen Inseln daher mehre griechische Handelseolonieen geblüht, und es hat hier ein griechisches Inselrcich bestanden, das etwa dein ahnlich sein mochte, welches noch heutiges Tages längs der eftirotischen Küste die Engländer umer dem Namen der ionischen Republik besitzen. Das syrakusisch-griechische Assa sckcint das Haupt dieser Insel-Republik gewesen zu sein. Von oa aus wurden auch auf der Küste des Festlandes Erwerbungen gemacht und in der Gegend des heutigen Epalato die Städte Tragurium (jetzt Trau) und Epezium (jetzt Strobez) gestiftet. Den Griechen solgten in Süditalicn und nach und nach überall die Römer. Nach Dalmatien wurden sie auf ähnliche Weise durch die Bewohner der griechischen Insclstädtc hinüber gernfen, wie diese Inselstädte auch, als sie noch etruskisch waren, ihrer Seits die Griechen gerufen hatten, nämlich zur Hilfe gegen die wieder überhandnehmende Macht der Fcstlandvölkcr, mit denen, wie ich sagte, die dalmatischen Inseln und Küsten als in beständigem Kampfe begriffen betrachtet werden müssen. Die «fte Insel, welche die Römer nahmen, war wieder die- 3* Ig Ndmer. Dalmnnum. jenige, die dem Gcutrum des adriatischen Meeres und der italienischen Küste zunächst lag, nämlich Lissa, dessen geographische Position ich unten näher beleuchten werde, Von den Inseln und von Istrien auS eroberten die Römer in einem zweihundertjährigen Kampfe, dessen einzelne Kriegszüge und Ereignisse hier nicht näher beleuchtet werden können, nicht nur die gan;c dalmatische Küste, sondern auch das ganze Innere des großen Continental stücks, dessen Sauin sie ist. Znleßt hatte, wie es scheint, die ganze Kraft dieses westlichen Theiles der griechisch-slavischen Halbinsel sich zum Widerstände gegen die Römer in einem Staate oder in einer Art republikanischer Eidgenossenschaft zusammengezogen, deren Centralpunkt und Hauptstadt ein Ort war, den die Römer Dalminium nannten. DiefeS Dalminium, Daliua oder Dclmc lag in einem Thale im Innern des Landes etwa zehn Meilen von der Küste bei Spalato entsernt (es soll das heutige türkische Städtchen Duvno in der Herzegowina sein). Vielleicht ist der Name dieses Orts aus dem Slavischen von dem Worte ,,Ija!" oder „Daiinf," abzuleiten. Weil diese Dalmimcr oder Dalmatcn den Römern am längsten Widerstand leisteten und zu Zeiten bei wechselndem Kriegsglücke auch das gauze Küstenland beherrschten, so nannten sie nach ihnen die ganze am Ende eroberte Provinz Dalmatien, ein Name, der sich, wie so vieles von den Römern Begründete, bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Unter den Römern, die vom adriatischen Meere bis zum Pontus im Osten und bis zum Istcr im Novden hinüber ihre Herrschaft ausbreiteten, verschwand der politische Gegensah zwischen dem Küstcnsaumc und dem Germanen, Gothen, Hmmcn, Slaven. 37 Innern. Dalmaticn, oft im engeren, oft im weiteren Sinne anfgcfaßt, bildete einen Theil der großen römischen Provinz Illyricmn. Doch trat jener Gegensatz sehr bald bei dem Verfall und der Theilung der großen römischen Weltherrschaft wieder hervor. — Die Germanen, Gothcn, Hunnen, Slaven befreiten, wenn man sich dieses Ausdrucks hier bedienen darf, zuerst die weiten inneren Landstriche von der Römerherrschaft und fielen dann auch in die Küstenlandschaften an der Ostseitc des adriatischen Meeres ein, in denen am Ende die letztgenannten, die Slaven, als Grundbevölkerung sitzen blieben, während in den Städten sich noch römisches Leben, römische Sitte, römische Vommnnverfassung lange erhielten und viel länger als in den Städten des Innern, die vom Meer aus nicht so leicht mit Flotten unterstützt werden konnten. In den verschiedenen Theilungen des römischen Reichs ward der dalmatische Küsten- und Inselsaum zuweilen dem orientalischen, meistens aber dem occidentalischen Reiche zugetheilt, weil er von Italien aus leichter erreicht und beschützt werden konnte und von jeher durch das adriatische Meer mit den italienischen Interessen mehr verknüpft war als mit den byzantinischen. Als aber am Ende das byzantinische Nömerreich noch allein übrig blieb, erbte dieses auch allein die Oberhoheit über das adriatische Meer und eroberte und besaß dort lange Jahrhunderte hindurch mehre Küstenstriche, die es von seinem Erarchate in Ravenna aus regierte. Ravenna war damals etwa dasselbe, was in früherer Römerzeit Aquileja und vor den Römern Adria und Spina gewesen waren, der Angelpunkt des adriatischen Meereslebcns. Die byzantinischen Kaiser nannten ihr langes dalmatisches 38 Freie Stabt-Ncpubliken unter byzantinischer Oberhoheit. Land ,,'!'kl'mn", was man etwa mit „Ansah" oder „Saum" übersetzen kann. Ein sehr bezeichnender Name für ein Küstenland. Die byzantinischen Griechen waren nach dem Untergange Westroms lange Jahrhunderte hindurch, wie vor dcn Römern die Hellenen, die Hauptpfteger der Cultur und des Handels, die Besitzer von Flotten und die Beherrscher der Meere, und fie konnten daher überall die Küstenpunkte mit mehr oder weniger Glück gegen die Handels- und schifffahttsnnlundigen Hirtenvölker vertheidigen. Zahllos sind die byzantinischen Flotten, welche ins adriatische Meer hineinsegelten, um hier das Ansehen der östlichen Kaiser aufrecht zu erhalten. Oft aber, wenn man in Byzanz sich zu schwach fühlte, mußten die römisch-griechischen Küsten und Inselstädte sich selbst ihrer Hallt wehren, und es bildeten sich daher in ihnen unabhängige und städtische Gemeinden, kleine Republiken aus, welche zuweilen ans eigene Hand mit den Barbaren des Innern Krieg und Frieden machten, und über welche die byzantinischen Kaiser oft nur eine nominelle Oberhoheit ans-übten, etwa wie unsere Kaiser über die freien Reichsstädte. — Im 9ten, Men und Uten Jahrhundert waren Zara, Trau, Epalato, Nagusa :e. solche sreie Etadt-Nepublikcn. Doch hat von allen diesen Communen nur Ragusa daS Glück und die Ocschicklichfeit gehabt, sich seine Freiheit und Souveränetät auf lange Zeit zn erhalten. — Zuweilen sehen wir in Zciten der Gefahr einige dieser Städte mit einander in Bündnisse trelen und eine Art Eidgenossenschaft bilden, so daß der Ausdruck „8ui88o mlli-kinw" (Meer-Schweiz), den ein geistreicher Mann in Bezug auf das dalmatische Küsten- und Inselland ge- Eolllsionen der Venetians mit den dalmatischen Städten. 39 braucht hat, für keine Zeit bcsser paßt als für die Periode, die der ungarischen und vcnetianischen Uebermacht vorangeht. Die Venetian er, die von dcm 8ten Jahrhundert an ihre politische uud commercielle Macht mehr und mehr entwickelt hatten, mußten natürlich sehr bald, wie die alten Pelasger, wie die Ctruricr von Adria, wie die Nömer und Griechen ein Auge auf die dalmatische Küste werfen, ohne deren Besitz sie keine Herrschaft über dieses Meer ausübcu konnten. Schon im wtcn Jahrhundert fingen ikre Kollisionen, ihre Kriege und Verhandlungen mit den dalmatischen Städten und mit den legitimen Schutz- und Obrrherren derselben, den byzantinischen Kaifern, an. Mehre Male eroberten sie die eine oder andere derselben, mchre Male verloren sie sie wieder, mehre Male traten ihnen die byzantinischen Kaiser den Besitz und die Hoheitsrechte über diese Städte ab, mehre Male entzogen sie ihnen dicse Abtretungen wieder. — Doch schien schon einmal zu der Zeit der Eroberung Konstantinopels durch die Venetiancr und Franzosen die venetianische Herrschaft an vielen Punkten längs der ganzen dalmatischen Küste ziemlich fest begründet. Aber sie verloren wieder sllles an die unter ihrem großen König übermächtig werdenden Ungarn, denen sich die Küstenstädte in die Arme warfen, um sich von den Venetianern zu befreien, während sich zuweilen einige von ihnen auch wohl wieder den Vcnetianern in die Armc warfen, um sich vor den Ungarn zu retten. Der venetianische Doge hatte längst den Titel eines Herzogs von Dalmatien, der ihm von den byzantinischen Kaisern zuweilen zugestanden, zuweilen verweigert wurde, 40 Eroberung Dalmatiens durch die Venetianer angenommen, als die Ungarn, unbekümmert um Venedigs oder Konstantinopels Ansprüche, fast das ganze alte Illy-ricum, Kroatien, Bosnien, die Herzegowina und Dal-matien bis zn den llaooln?
  • er Signoria über den Haufen gestoßen hatten. Zwar verlor es nachher dasselbe für eine kurze Zeit, Dalmatiens Einverleibung mit Oestreich. 43 gewann aber später nach dem Sturze Napoleon's nicht nur das Ganze wieder, sondern complctirte die dalmatische Kiistenlcmdschaft auch noch durch das Gebiet der Republik von Nagnsa, welche die Venetianer nie hatten erlangen können, und welche die Franzosen ebenfalls für Oestreich umzustoßen das Geschick oder Ungeschick batten. Ans diesem kurzen Ueberblick der politischen Schicksale des östlichen adriatischen Küstensanmes geht also zur Genüge hervor, mW das war eben das Resultat, welches wir durch jene Digression gewinnen wollten, daß es mehr oder weniger zu allen Zeiten sich als ein solches besonderes langgestrecktes Küstengebiet darstellte, Wie es dieß noch heutiges Tages thut. Meistens wurde es von den italienischen und griechischen oder überhaupt mediterraneischen Cnltnrmächten beherrscht nnd von seinem Eontincnte abgelöst, zuerst in den ältesten Zeiten als phönizisches, pelasgisches, liburnischcs, etrnrisches, dann als griechisches Colonicnlcmd, später als eine römische Küstenprovinz, als byzantinisches Thema, zuletzt als ein venetianisches General-Provcditoriat. Während des größten Zeitraums der Geschichte hing es mit dem Westen, mit Italien zusammen, nnbestimmte Jahrhunderte lang unter den Pelasgern nnd Ammern, unter den Spinaten und Adriaten, dann unter den siciliam'schen Griechen, nachher vierhundert Jahre unter den Römern, dann wie^ der achthundert Jahre nnter den Vcuetianern und endlich einige Jahre unter dein von Napoleon gestifteten lll^iw 6' lUilia. Doch fiel es zuweilen auch, z. B. bei einigen Theilungen des römischen Weltreichs, und dann später vierhundert Jahre lang nach der Zerstörung Westroms dem Oriente, den orientalischen Griechen anheim. 44 Geschichtlicher Rückblick. Uebrigens konnte sich das Land auch nie ganz den Einflüssen der Begebenheiten ans dem Contincntc, mit dem es als Küstensaum verwachsen war, entziehen. Zu wiederholten Malen nahmen es die alten illyrischen und nachher die celto-illyrischen Könige hinweg. Die Gothen, die Hunnen und nachher vor Allen die Slaven drangen hier bis in das Meer hinein vor. — Eine Zeit lang überwältigten die Magyaren beinahe das Ganze, später kamen die Türken auch wenigstens bis an den hohen Rand der Küste. Stets stand der continentalc Osten dräuend dem Lande im Rücken. Doch waren im Ganzen die Perioden seines entschiedenen UebergewichtcS fürzer als die Perioden der Herrschaft des Westens. Endlich hat in nnscrer Zeit die östreichische Continental' macht Alles für sich genommen. Doch haben fast gleichzeitig mit ihr schon wieder andere Seemächte ins adriatische Meer hineingeblickt, erstlich die Russen, die im Anfang dieses Jahrhunderts zum ersten Male kamen, und dann die Engländer, die bereits einmal das adriatische Malta, nämlich die Insel Lissci, einige Jahre hindurch, wie früher die auf demselben Wege eingedrungcnen Griechen uud Sicilianer, besetzt hielten, und die noch jetzt innerhalb der Thore des adriatischen Meeres auf Corfu stehen. Die neue Constellation, in welche nun seit dem Anfange dieses Jahrhunderts vie Ostküste des adriatischen Meeres getreten ist, kann man, däucht mich, etwa so dezeichueu: In Folge eigener Kraftcntwickelnng, so wie in Folge der von Russen und Engländern, welche gegen die Franzosen hier mit Flotten operirten, geleisteten Hilfe stellt sich Oestreich jetzt auf dem ganzen adriatischen Meere als die Erbin der Venttianer, der Aquilejenscr, der Adria- Jetzige Constellation der Ostküste des adriatifchen Meeres. 45 ten, der Griechen, Pelasger und Libnrnier und überhanpt aller der Mächte dar, die einmal Herrschaft auf diesem Meere übten, und schickt sich seit einiger Zeit mit mehr Energie als je an, dieser Herrschaft Nachdruck zu geben und sich in dieser Meeresabtheilung als Seemacht zu etabliren. Sollte Oestreich einmal — was zwar weder zu hoffen, noch auch vorerst zu erwarten ist, was aber ein Historiker sich immer als möglich denken muß, -— sollte einmal Oestreich mit seinen jetzigen Freunden in Eollisionen gerathen, so würden vornehmlich Frankreich, Rußland nnd England diejenigen Mächte sein, deren Aus- und Absichten hicbei zu erwägen wären. Frankreich könnte nur als Beschützer und Beförderer der sogenannten italienischen Unabhängigkeit, als alter Gönner des nie zu Stande kommenden kc'^nn ä' Il.llil», auf Dalmatien einwirken. Als solcher hat es, wie bemerkt, noch im Anfange dieses Jahrhunderts einmal alle Küstenländer des adriatischen Meeres eine Zeit lang besessen. Doch ist es jetzt glücklicher Weise sehr in den Hintergrund gedrängt und auch durch seine afrikanischen (5rpe-ditioncn in westlicheren Abtheilungen des mittelländischen Meeres beschäftigt. ^ Mehr in den Vordergrund treten dagegen, als zn beobachtende Competcnten, die Russen und Briten. Jene, die Russen, welche man oft als bic Erben der byzantinischen Kaiser bezeichnet hat, haben auch schon seit längerer Zeit ihr Augenmerk auf Dalmatien, wie auf alle anderen mit dem ehemaligen griechischen Kaiserthume zusammenhängenden Landstriche gerichtet. Unter den nicht sehr zahlreichen Griechen des Landes haben sie sehr begreifliche Sympathies, und in den Montenegrinern erhalten sie sich scholl seit mehr als hundert Jahren ^6 Jetzige Konstellation der Ostküste des adricttischtli Älteres, Verbündete uild Freunde. Vorübergehend haben sie auch schon einmal die Umgegend der lw^ll« sli (^»t^i-u, die dalmatischen Inseln Cnrzola, Lessina und einige andere besetzt gehalten. Die Briten, deren Handelseinftnsse in den Gewässern dcr Levante bis auf den heutigen Tag im Steigen waren, die auch schon das Thor des adriatischen Meeres, Corfu, besetzt halten, möchten ohne Zweifel wohl gern auch innerhalb dieses Meeres einen Punkt gewinnen und haben vermuthlich als solche Punkte Lissa und die üoooke äi ^glaro oder einen Hafen Albaniens ins Auge gefaßt. Jenes besaßen sie, wie gesagt, schon eine Zeit lang im Anfange dieses Jahrhunderts. 7. Ethnographische Skizze über Dalmatien. Nlle die in der vorangehenden historischen Skizze aufgeführten Völker, die nach Dalmatien kamen oder dieses Land mehr oder weniger lange beherrschten, haben mehr oder weniger nachweisbare Spuren ihrer Anwesenheit im Lande zurückgelassen. Ich kann hier zwar nicht auf eine erschöpfende Ethnographie des so bunt gestalteten Dalmaticns eingehen; da dcr Leser aber mit mir fast keinen Schritt mit Nutzen wird thun können, ohne von den Bevölkcrnngsverhältnissen wenigstens eine übersichtliche Notiz zu nehmen, so will ich wenigstens, so weit mir die Sache klar geworden ist, in einer kurzen Skizze zusammenfassen, was mir als das Wesentlichste aus dcr Ethnographie DalmatieuS erscheint. Griechisch-italienisches Völkorgcmisch, 47 Im Ganzen kann man wohl sagen, daß es zwar fast kein Volk Europas giebt, das nicht einmal an den Küsten Dalmatiens erschienen sei und eine Icit lang dort Wurzeln getrieben habe. Orientalische und occi-dentalische, nördliche und südliche Völker kämm hierher. Normannische Erpeditionen wie britische, saracenische wie maurische waren hierher gerichtet. In der Hauptsache aber erscheint des Landes Bevölkerung jetzt, wie zu allen Ieitcu als ein Gemisch von denjenigen Stämmen, welche die griechische und italienische Halbinsel bewohnten. Schon die ältesten (Geographen stellen es so dar, wie es sich noch heute zeigt, als von Skythen im Innern bewohnt, mit einem Anftuge von Italienern und Griechen an der Küste und in den Städten. Wollte man die Ethnographie Dalmatiens nur nach der jetzt im Lande herrschenden Sprache schildern, so wäre dieß ziemlich leicht. Denn im Ganzen genommen ist das ^and nur doppelsprachig, und Alles spricht entweder bloß slavisch oder italienisch, oder in den meisten Fällen beide Sprachen zusammen. Schwerer aber ist es, wenn man die Völker in ihre ursprünglichen Bestandtheile zersetzen uud zeigen will, welche Elemente unter diesem allgemeinen Deckmantel der beiden Sprachen versteckt sind. Am bequemsten kann man, so scheint es mir, Alles unter folgenden Rubriken auffassen: 1) Griechen. — Wenn auch die hellenischen Colo-nisten aus Sicilien, Paros, Sparta nicht als die ersten Städtebauer auf den dalmatischen Inseln und Küsten betrachtet werden können, da vermuthlich schon vor ihnen diese Städte eriftirtcn, so sind diese Ansiedelungen doch die ältesten, von deren Enstenz uud Blüthe wir etwas 48 Griechen. Genaueres wissen. Manchmal ist uns freilich nicht viel mehr als der Name von diesen Städten übrig geblieben. Doch haben wir von vielen auch noch wohlvcrbürgte Nachrichten, so wie auch noch heutiges Tages ziemlich zahlreiche griechische Münzen, die auf den dalmatischen Inseln ansgcgraben werden, und die einst von den Rc-gentcn jener Städte geprägt wurden. Im Ganzen ist aber wohl das hellenische Element schon zu der Römer Zeit wie in Eüditalicn, so auch in Dalmatien, in dem römischen oder italienischen Elemente völlig aufgegangen. Etwas bedeutender mögen die Spuren aus der späteren byzantinischen Zeit sein. Die byzantinischen Kaiser ließen zwar ihre römischen Städte in Dalmatien bei ihrer von den Römern regnlirten Communal-Verfassung. Doch ist wohl sehr denkbar, daß anch byzantinische Einrichtungen und Sitten sich hinübcrschlcppten. Selbst bei der Eroberung Konstantinopels durch die Türken wnrdcn viele vertriebene Byzantiner in Dalmatien, namentlich auch in Nagusa, gastfreundlich aufgenommen. Und noch heutiges Tages giebt es nicht nur in den Städten des Landes, sondern auch unter den Landbewohnern, z. B. unter den Häuptlingen der slavischen Stämme an der Bocca, viele, die byzantinische Namen haben, und die sich byzantinischen oder griechischen (vielleicht gar auch hellenischen?) Ursprungs rühmen. 2) Italiener. — Ziemlich allgemein verbreitet ist die Meinung, daß das italienische Element in Dalmati-tiens Bevölkerung erst durch die Venetianer dahin gekommen sei. Diese Meinung beruht aber wohl auf einer ziemlich kurzsichtigen Vorstcllungsweise. Wir finden itali- Italic»«'. 49 eni scheu Vevölkerungsanstug schon so frühzeitig, als überhaupt das Licht der Geschichte uns leuchtet, und können die Couserviruug dieses Anflugs, wenn ich mich so ausdrücken darf, mittels nur von Italien her zugeführtcr Nahrung durch alle Läufe der Zeiten fast ununterbrochen verfolgeu. Wenn ich nicht weiter als bis zu den alten Etruricm hinaufsteigen will, die doch unzweifelhafte Italiener waren, und deren Spuren wir auch unzweifelhaft auf den dalmatischen Inseln und Hüften finden, so reicht doch die Italienisirung dieses Landes wenigstens bis zu dem achten Jahrhundert vor Christi Geburt, in welches die Hauptblüthezeit der etrurischeu Macht und Cultur fallt, hinauf. Etrurischc Vasen und einige andere Kunstgegenstände sind aber das Einzige, was man aus dieser etrurisch-italienischen Epoche noch übrig findet. Die bedeutungsvollste und nachhaltigste Italienisirung des Landes geschah durch die Römer. Sie dirigirten zahlreiche Colouieen hierher, gründeten Städte und führten überall die römische Municipal-Verfassung ein, die selbst noch lange Jahrhunderte nach Roms Untergänge bestanden hat. Auf diesen römischen Städte-Verfassungen beruhten die alten Gewohnheiten, Gesetze, Freiheiten nnd Privilegien Zaras, Spalatos, Ragusas ic., welche diese Städte sich so oft von den byzantinischen Kaisern und dann von den Ungarn und Venetianern, zuweilen auch von slavischen Fürsten bestätigen ließen. — Und zum Theil beruhen ihre Communal-Einrichtungen noch heutiges Tages darauf. — Ginzcluc Familien, die ihren Ursprung bis nach Rom zurück datircn, giebt es in Dalmaticn nnd Istrien so gut wie in anderen von den Römern besetzten Landern. Auch ist das Land noch Kvh!, Ncise in Dalmaticn. I, °1 5t) Die Römer. heutiges Tages voll römischer Kunstwerke, Gebäude uud Einrichtungen. ES giebt römische Cistcrnen, die noch jetzt Nasser geben (z. B. in Zara), römische Chausseen, die noch jetzt befahren werden, römische Gebäude, die noch jetzt bewohnt werden (z. B. in Spalato), alte römische Sitten und Gebräuche, die noch heutiges Tages geübt werden. Man kann sagen, daß, so wie die große Cistcrne, der sogenannte ,^» Nmlolü" nennt man das Dalmatisch-Italienische. ,,lj tti-n^" genannt wird. Vor den Venetiancrn enstirte eigentlich kein Dalmatien in dem Sinne einer organisch znsammenhängenden Provinz. Das ^and war unter vielerlei Herrschaften und Herren vertheilt. Die Venetians brachten erst Alles Magyaren. 53 zusammen und vereinigten es zu einem Ganzen. Sie, kann man sagen, schufen das Dalmatien unserer Tage in dem Umfange und mit den Einrichtungen, wie es nun aus den Händen der Venetian« in die der Franzosen und aus den Händen der Franzosen in die Oestreichs übergegangen ist. Dem Allen nach ist es sehr natürlich, daß Venedig bei den Dalmatiern, die sich fast für ganze Vcnctiancr halten können, tief wurzelnde Sympathieen hat, daß sie den Untergang der Republik betrauern, und daß sie ihr Land, wie man dieß bei den dalmatischen Schriftstellern häufig bemerken kann, noch heute besonders gern !:> I)n!mo«!,ji>). Auch. fast sämmtliche Inseln des dalmatischen Archipels bevölkerten die Kroaten. Im Süden mögen hie und da die Serben schon sehr lange gesessen haben. Als aber die kroatische Macht und Blüthe den Magyaren erlag, und mehr noch als die Serbier mit den Türken in Colli-sionen gcriethen, wurdeu die Einwanderungen der serbischen Flüchtlinge in den Gegenden an der Küste, auf welche sie von den Türken zurückgeworfen wurden, immer häufiger. Es wurden daher außer den südlichen Strichen, welche schon seit alten Ieiten zu Serbien gehört hatten, auch die nördlichen kroatischen Gegenden mehr und mehr so zu sagen serbisirt. ES geschah hier am adria-tischen Meere also vermuthlich etwas Aehnliches, wie nn Norden an der Donau, wo ebenfalls von serbischen Ilskoken (Flüchtlingen) in der heutigen Woiwodina ein neues Eerbenland begründet wurde. Demnach ist der 64 Snbische Slaven. kroatische Stamm in Dalmatic» immer mehr zurückgewichen, und der serbische Stamm waltet demnach in gan; Dalmatien, namentlich aber in Mittel- und Süd-dalmatien vor. ' Insbesondere sind die Boecheseu, die Bewohner des Gebiets von Nagusa und der raguseischen Inseln, die Anwohner der Narcitta und Cettina, dic sogenannten Morlachen und Ilstoken ganz serbischen Stammes, während die Morlachen im Norden der Kerka als ein Gemisch von Serbieru und Kroaten, jedoch mit Vorwalten des Serbischen, die Anwohner der Zcrmagna und des Vclebitsch als ziemlich reine Kroaten zu betrachten sind, sowie sich auch durchweg auf den Inseln der kroatische Stamm erhalten hat. Die Serbier und Kroaten Dalmaticns zeichnen sich durch einige charakteristische Unterschiede sowohl ihres Physischen als ihreS Moralischen ans. Im Ganzen hält man den serbischen Stamm für den edlereu und schöneren. Die Servier sind nicht nur von größcrem und ausgezeichneteren: Körperbau als die Kroaten, sondern sie sollen auch stetS einen größeren Kriegsmuth und Freiheitsdrang offenbart haben. Die tapferen Narentiner, die in, Mittelalter au der Narenta einen höchst merkwürdigen Naubstaat begründeten und zweihundert Jahre laug im Kampfe mit Venedig aufrecht hielten, die noch immer mit den Türken ringenden Montenegriner, die unternehmenden Bocchescn, die Republikaner des Cantons Poglizza, die Erbfeinde der Türkcu, die Morlachen und Uskoken sind alle wesentlich serbischen Stammes. Und selbst das ganze Verdienst der Ragusauer um Freiheit, Literatur und Cultur schreiben die Serben sich zn. Was wir kroatisch und serbisch in Dalmatieu nennen, Kroatisch-serbische Nuancirungen. 65 setzt natürlich nirgends schroff gegeneinander ab. Es giebt vielmehr Ueberga'ngc und Zwischenschattirungen zwischen beiden, und »nan kann vernmthlich einen mehr rein serbischen Süden, einen mehr rein kroatischen Norden und eine kroatisch-serbisch gemischte Mitte annehmen, wie dieß ein sehr geachteter dalmatischer Schriftsteller*) thut, der von diesen Schattirnngen, so weit sie sich im Somalischen des Volks anssprechen, folgende Schilderung entwirft: „In dem Landstriche von Finme bis zur Znmagna (Fluß am Fuße des Velebitsch) haben die slavischen Ur-bewohner allgemein eine weiße Haut, himmelblaue Augeu, blonde oder hellkastanienbraune Haare, einen im Ganzen dünnen Bart- und Haarwuchs, eine etwas breitgequetschte platte Nase, einen großen Mnnd, eine sanfte Physiognomie mit abgerundeter Gesichtsbildung und mittler Statur." „Zwischen der Zermagna und Ccttina (in Mitteldal-matien) zeigen sie eine Gesichtsfarbe, die zum Braunen und Olivenfarbenen neigt, schwarze oder dnnkelkastanien-braune Haare, ähnliche Augen, sehr lebhaften Blick, längliche Physiognomie, eine ernste und fast drohende Haltung und eine hohe Statur." „Die, welche das Land im Süden der Cettina bewohnen, baben eine auffallend vortheilhafte Körperbildung von sehr schönen Proportionen, eine röthlichc oder dunkle Haut O pello i-udiomiäil 0 soso!») mit schwarzem und sehr dichtem Haarwuchs, schwarze Augen, ein martialisches, entschlossenes und herausforderndes An- *) Menis in seinem höchst interessanten Werke: l! Ai,!'? Kol'l. Nme m Dalmatic,!, >, 5 ' Hß Italienisirte Slaven. sehn, eine würdige und ernste Haltung, lange Statur und athletische Formen." Uebrigcns sind alle diese so eben geschilderten Unterschiede und Nnancirungen dei slavischen Gnmdbevölker-ung dcS Landes wohl nicht allein und ausschließlich als bloße Folgen kroatischer und serbischer Einwanderung zu betrachten, sondern zum Theil anch als generelle nördliche und südliche, oceidentalischc und orientalische Völker-unterschiede aufzufassen. Ein Naturforscher sagt von der Vegetation Dalmaliens, daß, je weiter man nach Süden hinabkomme, in Gärten, Wäldern und Fluren Alles griechischer, afrikanischer und überhaupt südlicher und orien-italischcr würde, lind eben dieß mag auch aus derselben geographischen Ursache bei der Bevölkerung stattfinden. Nie die Palmen, die Agaven, die Aloes, die Sylomoren, die Arbutus, die Capernsträuche :c. aus Süden her an diese Küste schlugen, so mögen auch von jeher die Mau-ien, die Saraecnm, die Mö'nizier, die Griechen, die Pe-tasger und andere südliche Nationen sich immer mehr der Vevölkernngsmasse amalgamirt haben. Wie von Norden nach Enden, so wird das ganze schmale Land auch in der Richtung von Westen nach Osten, von dem Meere ans in's Binnenland immer orientalischer, serbischer, slavischer, kriegerischer und wilder. — Dbgleich der Hauptsache und der Grllndbevölkeruug nach slavisch, so sind doch die Inseln und die äußersten Küstensäume im Ganzen „piu iwlwnwni" (italienischer). Die slavischen Inselbewohner, selbst die Fischer und Landleute, haben eine Menge italienische Ausdrücke in ihre Sprache aufgenommen, auch viele italienische Sitten sich augeeignet. Sie verstehen meistens beide Sprachen und mischen Italiciusirtc Slaven. 67 zuweilen sogar beide Sprachen in ihren alltäglichen Unterhaltung,.'« durcheincmder, insbesondere natürlich diejenigen, welche in dcn Städten salbst neben den Italienern, oder in der Nähe dieser Städte wohnen, und die mit der Schifffahrt, mit dem Handel oder überhaupt mit dem Meere etwas zu thun haben. — Man nennt diese Inselbewohner, wie erwähnt, meistens sl^Iümi (Halligenleute) und setzt dann den Namen der Insel hinzu, z. B. Jede der Hauptinseln hat, so zu sagen, ihren eigenen slavischen Stamm, mit besonderer Nuaucirung der slavischen Sitte, Sprache, Kleidung. Dasselbe findet anch längs dcs äußersten Küsten-saumcs statt, an dem die vornehmsten italienischen Städte des Landes liegen. Auch hier muß man die Slaven als etwas mehr italienisirt betrachten. Ich sage als etwas mehr. Denn allerdings muß man sich diese Italienisir-ung ja nicht als zu weit greisend denken. Auf der Küste wie auf den Inseln stecken in dem Landbewohner durchweg wenigstens 80 Procent Slavisches, und höchstens für die restirendeu lO Proccnt ist er etwas Italiener, d. h. etwas weniger rauh uud martialisch als die Leute nn Innern und etwas Weniges italienisch redend. Das ganze Land Dalmatien ist zwar, wie gezeigt, ein Küstenland von geringer Breite nach innen. Allein eine gewisse Mächtigkeit in die Breite hat es doch noch immer, uud man kann daher auch selbst bei diesem schmalen Lande das Innere von einem eigentlichste» Küsteu-saumc treunen. Die Lansseskiiidcr thun dieß auch. Die Montenegriner neuuen oen schmalen Küstensaum am Westfuße ihrer Berge t'limulic. Ebenso heißt der 5 * HI Dir PnmoiieS. schmale bewohnte Küstcnsaum in,! Norden von Nagusa,, wie anch der lange Küstenstreifen im Norden der Narenta. ?l-inu)l'ic,, bedeutet im Deutschen: „Am Meere"^), und man kann dieses slavische I^imoric? zu einer allgemeinen Bezeichnung für den ganzen schmalen Küstensaum Dal-matiens zwischen dem Fuße der Berge und dem Meere erheben, obwohl die Slaven, die natürlich nur das Nächstliegende auffassen, sich eines solchen weitgehenden Gebrauchs nicht bewußt sind und ihre Primories dann gewöhnlich dadurch unterscheiden, daß sie den Namen dcr Nächstliegenden bedeutenden Stadt hinzusetzen, z. V. „das Pnmorie von Macarsca," „das Primorie von Ragusa", „das Primorie von Budua :c. Bei den Italienern habe ich wohl für dasselbe, was die Slaven primm-w nennen, den Ausdruck: ,,nolw m.il'niir' (an der Seeküste) oder auch „i! liltorglo" gehört, so wie ich bei den italienischen Schriftstellern für die ganze Inselwelt Dalmatiens den umfassenden Namen: ,,i! isolal'io" gefunden habe. Das Innere, das sich von dcr Küste her meistens als ein fortlaufendes Gebirge darstellt, bezeichnen sie dann meistens nur als ,,i! lntui'wl'l!" oder ,,l^k>" (z. B, >as ungarische Littorals) gcilannt wird. „I Monlamiri." 69 heimisch ist da fast nirgends die italienische Sprache nnd Sitte. Nur die dahin versetzten italienischen Beamten reden italienisch, und natürlich von den Slaven diejenigen, die als Kaufleute, Fuhrleute ?c. mit dem Handelsverkehr zusammenhängen. Dieß ist denn auch noch weiter in Bosnien nnd die Herzegowina hinein der Fall, wo auch alle einigermaßen bedeutenden Handelsleute italienisch zu sprechen und zu correspondiren verstehen. Wie wir demnach Dalmaticn der Lange nach, von Norden nach Süden in drei Abtheilunaen gebracht haben, in ein mehr kroatisches Nordstück, in ein mehr serbisches Südstück und in ein gemischtes Mittel gebiet, so können wir es auch in die Breite von Westen nach Osten sondern: 1) in das I8ol!iria, den Insclarchiftel, 2) in das I.ittm'l»l6 oder I'l-imarin, den Küstcnsaum, 3) in das littol'wl'«! oder die Nnntn^n.). Die slavischen Einwohner des Binnenlandes werden gewöhnlich an der Küste bloß „> ^onwimn" (die Ge-birgischen) oder auch wohl, wie z. B. bei Nagusa, mit einer gleichbedeutenden slavischen Benennung „^""^c^^ni" (buchstäblich: „die auf den Höhen") genannt. Eben so oft aber nennen die italienischen Dalmatier sie auch ,Mm'!:ic!»i" und ihr Land, eben das innere Gebirge, ,,!a Hm-I^nm'-. Wir Deutschen und andere Enropäcr haben diesen Namen, über dessen Herleitung man sehr viele verschiedene Meinungen aufgestellt hat, als einen ächten slavischen Volksnamcn aufgefaßt und sprechen daher immer von einem besonderen Volke der Morlachen, obgleich es eigentlich gar kein solches Volk giebt, nnd obgleich kein Volk diesen Namen aceeptircn will, die Slaven Dalma- 70 MMachrn. tiens ihn vielmehr eigentlich nur als einen Scheltnamen betrachten, indem sie sich entweder nur als Kroaten oder als Serben oder im Allgemeinen als Slaven bezeichnet zu sehen wünschen. Insbesondere wollen die slavischen Einwohner des Gebiets von Ragusa nichts von dem Namen Morlachen wissen. Sie nennen aber ihre herze-gowinischen Nachbarn unter türkischer Oberhoheit wohl zuweilen, jedoch auch nur scheltweisc: „Morlachen." Bei ihnen sind Morlachen so viel als Skytlml bei den Griechen. — Gine ganz bestimmte geographische Ab-gränzung kann man daher dem Namen Morlachcn fast eben so wenig geben, wie dem Namen Uskoken, welches Wort gar kein Volk, sondern nur „Flüchtlinge" bedeutet. Doch kann man im Ganzen die Gegenden an den beiden dalmatischen Centralstüssen, an der Kerka und Cettina, als diejenigen bezeichnen, sür deren Bewohner der Name Morlachc am meisten gebraucht wird. Iiebri-gens können wir Deutschen, weil es einmal so herkömmlich ist, den Namen Morlachcn überhaupt sür alle dalmatischen Slaven beibehalten, etwa mit Ausnahme der Bewohner der Inseln und des Küstensaumes. Schelten die Küstenbewohner den Slaven des Innern Morlach, so hat dagegen dieser für die Küstenbewohncr jenen Scheltnamen adoptirt, den ich als venetianisch bezeichnete, nämlich den Namen ,,!l." Ich habe oben die dalmatischen Insel- und Kustcn-städte als italienisch bezeichnet. Allein, wie die Slaven hie und da eincr gewissen Italienisirung, so baden diese italienischen Bewohner der Städte sich noch weniger eines Eindringens des slavischen Elements erwehren können. Vielmehr ist es von allen Seiten her so zu sagen tief in sie eingedrungen, so tief, d«ß die Venetianer wohl ganz Dalmatien überhaupt als Slavenland (8c:kinvoni«) bezeichneten. Sie nannten den berühmten Maler Andrea nicht als 1)i,vnll> ^clliinom^ (daS slavische Ufer). — Die Borgos (Vorstcidte) der dalmatischen Städte sind fast ganz von Slaven bewohnt, und diese Borghigianos (Vorstädtler) bilden in ethnographischer Hinsicht eine Uebergangsstufe zwischen den mehr italienischen Etadt> bürgern und den ganz slavischen Landlenten. — Aber auch die Hälfte der eigentlichen ganz italienisch gekleideten, italienisch sprechenden, nach italienischer Sitte lebenden *) Man findet auch den Ausdruck ,,!ingug «uci«!:»" für „deu dalmatisch-italienischen Dialekt." 72 Slllvisirte Italiener, ,,I)»1mÄw" — ,,s)alm<»twc)," Stadtbürgcr verräth in ihren slavischen Familiennamen ihren slavischen Urspnlng. — Es kommen zwar in diesen Städten zuweilen Menschen mit slavischen Familiennamen vor, die so sehr ihren Ursprung vergessen hatten, daß sie nicht einmal mehr die slavische Sprache verstanden, allein dieß ist doch eine Seltenheit, nnd die meisten verstehen slavisch eben so gnt wie italienisch nnd nennen das Slavische auch ihre Muttersprache. Namentlich ist diesi 5. B. in Ragusa der Fall, wo sogar die Mütter selbst ans den höchsten Standen mit ihren Kindern slavisch reden. Wie in das Blut, so mag denn überhaupt auch in die ganze sociale Verfassung nnd in alle moralische Zustände des Landes viel Slavisches übergegangen sein. Und die Sitten, Gewohnheiten nnd Gesetze aller dieser sogenannten italienischen Städte Dalmatiens sind ein wahres Gemisch aus Slavischem und Italienischem, so wie denn auch in politischer Hinsicht sowohl eine slavische als eine italienische Partei in diesen Städten wie im ganzen Lande enstirt. Es giebt übrigens einen Volksnamen im Lande, der ein Ehrenname ist, ans welchen sie alle stolz sind, und durch den sie anch alle als eine Bezeichnung, die ihnen eigen ist, sich gern sowohl von den eigentlichen Italienern als von den außerdalmatischen Slaven nnte>scheiden lassen. Dieß ist der Name ,,l)<)l-mnw" (Dalmate) — nicht Dulmntmn, denn diese Form des Wortes hat schon einen kleinen Nebensinn, nämlich die Nebenbedeutung von dalmatischem Provinzialismus, wenn es dieß auch nicht so stark ausdrückt, wie „lloäalo." — „l)uw,»w", lateinisch „l)<,!m<,t.u8", das ist dic ächte, würdevolle und angenommene Benennung jedes Dalmlitien eine ViMerverzehrerin. 73 Mannes diescs Landes, mag cr bei den Slaven oder auf der schönen Halbinsel Italien seine Urvorväter gehabt haben. — Ich sagte, Alle lassen sich diesen Namen gefallen. Dabei nehme ich jedoch die Raguscr aus. Denn diese wollen weder den Morlachen, noch den Bodoli, noch den Dalmatinern, noch den Dalmaten angehören, sondern nur sich selbst. Sie protestiren dagegen, daß sie Dal-mcttier seien, sie sind das I'npula I^!,^8t><>, oder noch besser l^i cl«! I^lovä ^U5ltiul?«, ljl8<^nnw per «r6ino ä<.!»n ^!'äli-Vchen Kaufleuten waren einige von den liool)!^ ,.Ah quosti bonodelii ScogH!" 81 6i s^c»lnl'l>, andere aus dcm Innern von Bosnien und der Herzegowina. Die von dcr Vocca waren von oben bis unten schwarz gekleidet, und ich war erst geneigt, sie für eine Art Mönche zu halten, ihr ernstes nnd strenges Wesen unterstützte diese Einbildung, nnd ich hatte nachher, als ich sie von Kopf bis zu Fnß in Waffen sah, Noth, diesen Waffenschmnck mit dem Anschein von Prie-sterkleidnng in Harmonie zu bringen. Die Kanflcnte ans Bosnien und der Herzegowina warcn türkisch gekleidet, und wenn sie bei schlechtem Wetter sich in ihre großen und pnrvnrrothen Kabanizzas (weite Mäntel mit daran genähter Kapotte) hüllten, so sahen sie fremdartig genug aus. Die mehrsten von ihnen wollten sich entweder in Spalato oder in Nagusa ausschiffen lassen, um dann von da ans mit Karawanen zn Pferde in ihr Vaterland zurückzukehren. Unter ihnen war ein recht artiger nnd gefälliger Kaufmann aus Sarajewo, der Hauptstadt Bosniens, ein sehr geweckter Kopf und ein junger Mann von patriotischer, natürlich serbische patriotischer, Gesinnung. Er redete unsere deutsche Sprache sehr geläufig und fast mit einer sehr eleganten und präcisen Aussprache und erzählte uns Mancherlei von den inneren, jetzt freilich sehr betrübten Zuständen seines Vaterlandes. Unter den Mönchen war ein kleiner Franziskaner, der, ich glaube, von Venedig nach Dalmatien versetzt War, und der, da er das 5!and zum ersten Male sah, sich über den Anblick der vielen Felsen und Klippen seines neuen Vaterlandes gar nicht beruhigen konnte. ,,^k V,c^«li don«(il>ui 8e«^ll!" (o diese glückseligen Scoglien!) hörte ich jhn mehr als ein Mal zwischen den Zähnen Kohl, M,iss in Dalm.Ult», I, 6 82 Einfahrt Von Sebenico. murmeln, wenn wir wieder an einer langen Reihe von Klippen vorbeikamen. Die Italiener segnen Alles, was wir ehrlicheren Deutschen „verwünschen", so wie die Ir-länder die „bösen Geister" das „gute Volk" nennen. Mit diesen Reisegefährten also, sage ich, fuhren wir durch die Gruppe der sogenannten Scoglicu von Sebe-nico und kamen nun um Mittag auf diese Weise vor der Stadt an, von der sie den Namen haben. 9. Das Fort Van Mieslo. Sebeuko ist unseren Malern eine der liebsten Städte Dalmaticns, — nicht etwa bloß weil in ihr die berühmten Künstler Andreas der Slave und Martin Nota geboren und für die Musen erzogen wurden, sondern auch weil sie selbst sowohl in ihren engen Trepp auf und Trepp ab laufenden Straßen, als auch in ihrer Umgebung dem Piusel so viele willkommcue Gegeustäude darbietet. Gleich die Einfahrt zur Stadt ist ungemein überraschend und eigenthümlich. Sebenico liegt an der Mündung des größten dalmatischen Flusses, der Kerka. Um zu dieser Flußmündungsstadt zu gelangen, muß man zuerst vom Meere aus einen engen Fclsencanal mit schroffen Felsabhängen passiren. Dann kommt man iu ein umschlossenes Binnenwasser, das wie unsere Hochlandseeen von Gebirgen und Felsenabhängen umgeben ist. Au der Spitze des Canals, der vom Meere aus zum See von Sebenieo führt, — es ist die eigentliche Mundung der Kerka, — liegt daS Fort San Nicolo, ein Sammicheli, Der sseslügelte Marciis-Löwe. 83 sehr schmuckes Festungswerk, von dem Veronese!! Sam-michcli*) gebaut, demselben, der so zu sagen ganz Dal-matien und alle venetianischen Besitzungen im Oriente auf Kosten der Republik mit Forts, Cisternen und anderen Gebäuden erfüllte. Sammicheli ist der wahre Vauban der Penetianer. Er wußte das ^lilu und 1)u!oo zu vereinigen. Wie der i,lte Vulcan das Schild des Achilles nicht dloß solid, fondern auch zierlich bildete, so hat auch Sammicheli seiue Festungen immer prachtvoll ausgeschmückt, und es giebt, wie es mir scheint, keine Befestigungen, die zu ihrer Zeit so dienlich waren und zugleich noch jetzt durch ihren pittoresken Anblick das Auge so erfreuen. Das Fort S. Nicolo bedeckt den Kopf einer kleinen Seoglie völlig, und seine Mauern steigen aus dem Meere selbst empor. Dicht über dein Spiegel des Wassers hat es gewölbte Ocffnungen, Schießscharten für Kanonen des größten Calibers, um die feindlichen Schiffe an ihrem empfindlichsten Theile zu durchlöchern. — Auf der Vinuen-seite erhebt sich ein prachtvolles Thor, und darüber, in einer Art Nische oder Wölbung, steht eine colossale und sehr elegante Figur des geflügelten Marcus-Löwen. Solche geflügelte ^öwenfignrcn sieht man noch häufig in den dalmatischen Städten. Die Venctianer waren in ihren Marcus-Löwcn nicht weniger verliebt, als unsere großen Staaten in ihre einfachen und doppelteu Adler. Sie brachten ihn überall an den Festungen, über den Thoren, an Thürmen u. s. w. an, nur mit dem Unterschiede, daß Nnßland, Oestreich, Preußen ihre Adler *) Der große und berühmte Sanunicheli hat den Plan »nd die Zeichnung des Forts entworfen. Sein Neffe hat den Bau geleitet. 6* 84 Ganale di San Antonio. meistens nur von irgend einem beliebigen Farbenkünstler darstellen lassen, während die Vcnetianer in ihren De-pendenzien den Löwen, als sollte er nie von dort weichen, recht solid aus Stein und in voller Figur ansmcisieln ließen. Man sieht den venetianischen Löwen sogar zu^ weilen aus dem lebendigen Felsen herausgemeißelt, z. V. über Heilquellen in einigen ehemals venetianischen Alpen--gegenden. Auf den Ecken der Festungsbastionen oder auf Stadtmauern steht cr, weit seine stachgestreckten Flügel hebend, zuweilen recht malerisch da. Einer der hübschesten ist dieser von Sebcnico. Die Franzosen verstümmelten ihn, wie sie dieß Schicksal auch vielen anderen Marcus Löwenstatucn bereiteten. Aber der Kaiser Franz ließ ihn — welcher Freund historischer Monumente wird ihn dafür nicht loben! — wieder herstellen. An einer der kahlen Felswände dcs besagten Canals ist dem heiligen Antonius eine Nische und ein Vilduiß bereitet, das den Ankommenden und Absegelnden recht freundlich zuwinkt. Die enge Passage hat davon ihren Namen (^nuilc di 5>im ^nw„w. Das weite Bassin, in welches man alsdann gelangt, ist eines der vielen von Nordwesten nach Südosten gestreckten Binnenbccken, die sich an dcr Küste von Dalmatien finden, und die, je nachdem ihr Niveau höher oder tiefer war, entweder mit Salz- oder Eüßwasser ausgefüllt sind oder trockene Felsenthäler darstellen. Die Kerka bildet gleich oberhalb Sebcnieo wieder ein solches Becken, den See von Proklian, und oberhalb Scardona noch eins. Manche dieser Becken stehen mit der See in gar keiner Verbindung, weil ihre Gewässer das trennende Felsenriff nicht zu durchbrechen vermochten, so z. B. der See von Prana. Handel mit der Türkei. 85 10. Sebenieo. Die Stadt Sebenico soll, so wic ihr Name, slavischen Ursprungs scin. Slavische Seeräuber sollen ihr zuerst Aufschwung verliehen haben. Als das berühmte Scardona, das etwas oberhalb Scbcnico, ebenfalls an der Kerka liegt, zerstört wurde, flüchtete ein Theil seiner Bürger hierher, und Sebcuico fing nun bald cm, eben so blühend zn werden und als Kcrka-Mündungsstadt dieselbe Rolle zu spielen, wic ehemals Seardoua. — Der Handel mit der Türkei, welcher sich im Kerkathale herabzog und in Sebcnieo seinen Ausgangspunkt fand, war sehr lebhaft, und es soll Zeiten gegeben haben, wo diese Stadt nahe an dreißigtauscud Einwohner besasi. Noch jetzt ist der Ort volkreich und auch als militärische Position nicht unwichtig. Uebrigeus gehört schon einige Uebung im Abstralmeu dazu, um das Iutcrcssante und Pittoreske in diesem Ort gleich beim ersten Anblick recht zu erkennen. Wer hier, wie wir, in Scbenico zum ersten Male eine dalmatische Stadt bei hellem Sonnenscheine sieht, dem verüble ich es nicht, wenn er uicht gleich jenes Abstrahin'n von Schmuz, Elend und dumpfer Luft, von denen die engen Straßen derselben erfüllt sind, bei sich zu Stande zu bringen weiß unv über den Anblick der wild und barbarisch ausschauenden ^eute, denen er in dieser Stadt begegnet, in Erstaunen geräth. Wir wurden hier zum ersten Male dcr slavischen Urbevölkerung Dalmatieus ansichtig. Da es Markttag und noch dazu die Zeit des 86 Wrinschenfende Montanari. Weiiuiberflusscs kurz nach der Weinlese war, — wir hatten den Monat September, den die Dalmaten Ninim (den rothen Monat) nennen, weil dann überall rother Wein fließt, ^ so zeigte sich die Stadt mit morlachischen Bauern und mit den Bewohnern der Gebirge des Innern (den Montanari) ganz erfüllt. Diese Kerle mit ihrem langen schlotterigen Gliederbau, mit ihren wilden braunen bartigen Gesichtern^), mit ihren großen baumelnden Haarzöpfen, mit ihren bunten, aber schnulzigen und zuweilen zerlumpten Nationalcostümci,, mit ihren Dolchen und Pistolen in Gürtel und Taschen ist'man von vorn herein sehr geneigt für lauter geborene Nänberhauptleute zu nehmen, obgleich zuweilen die gutmüthigsten Menschen von der Welt in solcher Vanditenhülle stecken mögen. Sie hatten allerlei Gemüse- und Fleischwaarcn zu Markte gebracht; die meisten aber Wein in Zicgenschläuchen. An allen Straßenecken verkauften sie den dunkelen Nebensaft an die Städter, die ihre Gefäße unter die breitmäuligen Schläuche hiclten und den dicken Safterguß darin auffingen. Die Mor-lachen packten dabei die Schläuche mit den Handen am Halse, den sie mehr oder weniger zuschnürten, je nachdem sie glaubten genug für's Geld gegeben zu haben. Vs sah aus, als wenn sie die Thiere schlachteten. Der dunkelrothe Wein stürzte wie ein Vlntstrahl heraus. An allen Straßenecken voll Scbenico floß so der Wein. Manche Geister hatte er schon trunken gemacht, und aus *) ,,I)u,'i» t!c»! ^s»'!ü, xti'li'li üilllki, MM3X Vllltuk", sagt Ta-citns von den Illyrern seiner Zeit. (5s gilt dich Alks noch heute. Oin französischer Schriftsteller, (5a ssa S, nennt die M01 lachen ,,,my e»pi!0« ll'Iinmmot, »ililV!,^», l-cpinuws <1iM5 I«'8 o«nti>«o!>! in- ,,une especc d'hointnes sauvages, ropandus dans los contrees in-tericures de la Dalmatic" Kleines Sobom und Gomorra. W den Schellten erschallten lante wilde Lieder nach Melo-dieen, wic ich sie noch nic gehört hatte. Zwischen durch ergoß sich ein heftiger Regen, nnd arme, halb oder beinahe ganz nackte Burschen verkrochen sich vor den heftig niederschlagenden Wasscrströmen unter dcn Thüren der Kirchen. Ans diesen traten Priester hervor nnd wollten das arme Lumpengesindel wegtreiben. Die „nuver-schämten" Buben waren aber wie matte Fliegen nicht so leicht fortzubringen nnd flohen erst, als einer der Priester zürnend seinen Stock erhob. Knr;, ich wunderte mich ordentlich, als ich am Abend mitten in diesem kleinen Sodom und Gomorra in ein vornehmes Haus geführt wurde und hier eine gebildete Familie und eine sehr comfortable Hanseinrichtting fand. Fast hätte ich die Lente gefragt, wie sie dazu gekommen wären, sich in dieser Türkei anzusiedeln, nnd ob sie mit allen ihren schönen Sachen nicht Furcht hätten, so mitten in diesem Näuber-platze zn stecken, wie Kolibris in einem Wcsftennestc. Aber wic gesagt, man muß abstrahircn, man muß seine von außen her mitgebrachten Maßstäbe bei Seite legen und sich des landesüblichen Ellenmaßes bedienen. Und ich spreche alles Jenes nicht etwa deßwegen aus, um damit gleich cm Urtheil über die Dalmatier zu fällen, sondern eben nnr, um die ersten Eindrücke eines von Dcntschland nach Dalmaticn Reisenden zu schildern. Er muß diese Eindrücke überwinden, um des Schönen, welches er unter der fremdartigen Hülle entdecken kann, der herrlichen Gebäude, die in diesen engen dumpfen Gassen stehen, des trefflichen Weines, der selbst znweilcn aus jenen Iiegenschläuchen quillt, der gutmüthigen Seelen, die mitnnter in jenen 88 Piazza dei Signori. Nänbermasken stecken, des Umgangs mit gebildeten, kennt-nißreichcn und talentvollen Menschen, die mitten unter jener anscheinend so großen Barbarei wohnen, nicht verlustig zu gehen. Man führte uns vor allen Dingen zuerst auf den Hauptplatz der Stadt, der dem berühmten Dom von Sebenico gegenüber liegt, auf den ,,I'iux/ll <1oi 3ign<,!-i." Einen solchen „Herrenplatz" giebt es in jeder dalmatischen Stadt, eben so gnt wie ihn jede Stadt in Norditalien besitzt. Gewöhnlich ist er wie ein Saal mit großen stachen Steinen gepflastert und von den Hauptgebäuden der Stadt, dem Dome, der Loggia (Nachhaus), dem Casino und dem vornehmsten Kaffeehause, umgeben. Jeder kennt die wundervollen I'm//6 äci ^i^nm-i von Verona, Vicenza u. f. w. Aber von diesen sind die in den dalmatischen Städten nur verschiedentlich varirrtc Copicen, sowie die Politischen Verfassungen und die Signorias derselben (die „Hcrre" in der Schweiz) nur Copieen derer in Italien waren. Und ein Maler könnte für uns eine Reihe der herrlichsten Gemälde gewinnen, wenn er uns alle die verschiedenen „Herrenplatzc" in den dalmatischen Städten vorführte. Auch das Kaffeehausleben ist hier in Dalmatien wieder eben so wie in der Lombardei uud Venedig. Der Dampfschiff-Passagier und überhaupt jeder'ankommende Fremdling eilt gleich ans das Kaffeehaus an der Piazza. Hier ist die Börse und das allgemeine Rendezvous des Orts. Hier findet er Menschen, dahin bestellt er seine Freunde, da kann er anch seine Empfehlungsschreiben abgeben. Als wir vor dem Kaffeehause von Sebeuico saßen, Dalmatische Platzn'gm, 89 fing wieder ein Platzregen an, der seiues Gleichen suchte. Der Hinlmcl schien alle seine Pforten aufgemacht zu haben, und es goß hinans, was gießen wollte. Auf den felsigen Treppen, die iUn einem erhabenen Theile der Stadt zwischen einem Gerumpel alter malerischer Gebäude zn diesem Platze hinabführen, spazierten von Stnfe zu Stufe ganze Ströme von Regenwasser hinunter. Die weiße Marmorkuppcl und daS gewölbte Dach der schönen Kirche wnrden von den ungestümen Fluchen gewaschen wie die Patienten in Gräfenberg, und auf unserer PW/./.il dci ^nm-i entstand ein Lärm und ein Zusammensturz wie in dem Zimmer von Götbe's Zauberlehrling, und wir mußten unter unserem Kaffeehaus-Portieus auf unseren Stühlen die Beine zusammenziehen, wie Türken, um vor der Ueberschwemmung gesichert zu bleiben. Die Gebäude hielten zwar aus; aber ich kann mir denken, daß solche heftige Regengüsse, wie diese, an denen die dalmatische ^tüste häusig leidet, dem Lande selbst viel Schaden zufügen. Sie reißen die Dammerde von den Felsen herab uud führen sie in's Meer hinaus. Und wenn mau sich vorstellt, daß die Gewässer hier seit Jahrhunderten von Zeit zn Zeit in Dalmatien so gewüthet haben, so irrt mau wohl nicht, wenn man in der Art und Weise, wie der Regen fällt, eine Hauptnrsache der Entblößung des Landes findet. Es ist ein Jammer, wenn man den Schmnz, den die heranfgewundeucn Echiffsanker aus dem Meeresgrunde cmporlningcu, in den dalmatischen Vaien und Buchten untersucht, — es ist der schöuste fetteste Schlamm, — nud weun man nachher zwischen den kahlen Inseln dahinfährt. Man sieht dann, daß das alte fette fruchtbare Dalmatien M Der Dom von Sebcnico. zwischen diese Inseln hinab gefallen ist und wie ein verlorener Schatz tief anf dem Grnude des Meeres liegt. Wenn die atmosphärischen Niederschläge in Dalmatien häufiger in der Form vMi Nebel, Thau und feinem nie endenden Sprühregen kämen, wie in unserem mit dergleichen gesegneten Deutschland, so stände es wohl besser um das Land. Der Dom von Sebenico ist nicht groß, aber eine wahre Pretiose von Kirche. Er stammt aus der Zeit des ^!n-N5(cknw <1i 8l>!)oni<'<) den ersten Platz einnehmen. Der Tartaro hat feinen Namen von dein hohen, ziemlich isolirt dastehenden klonto lül-^i-n im Süden der Stadt, der Maraschino, ein lieblicher Süßwein, von einer Gattung von Tranben, die deßwegen ,,llvo mm-^lllimc" heißt, weil ihre Beeren denen der sauren Weichselkirsche (italienisch: in!ii-n8O.i'odcr mnm-.'»5Ll! von gmm-s,) gleichen. Diese köstlichen dalma- 94 Dalmatische Weine. tischen Weine sind im Auslande wenig bekannt*), zum Theil deßwegen, weil die einheimischen Winzer ihnen nicht Dauer und Haltbarkeit genug zn geben verstehen. Beim Versenden werden sie leicht trübe nnd erreichen auch kein großes Alter. Zum Theil aber wird auch von jeder Gattung eine so geringe Quantität erzielt, daß es sich für einen Kaufmann nicht der Mühe lohnt, sie zu einem stehenden Handelsartikel in seinem Geschäfte zu machen. Ich habe mir sagen lassen, daß einmal einer Versammlung von Wiener Wcinhändlern eine Answahl von Proben dalmatischer Weine vorgelegt worden sei, und daß sie sie alle ganz köstlich uud preiswürdig gefunden hätten. Als sie sich aber darnach erkundigten, ans wie viel Fässer sie wohl jährlich mit Bestimmtheit rechnen könnten, bekamen sie so unbefriedigende AnMmft, daß sie erklären mußten, es sei bei so großer Unsicherheit der Persorgung mit dem Artikel unmöglich, sich auf ein Geschäft einzulassen. Sehr befriedigt von allem Geschauten und Gehörten begaben wir uns zn später Stnnde wieder an Bord unseres Dampfers zurück, der mm am frühen Morgen seine Reise nach Sftalato fortsetzte. ') In alten Zeiten wurden dalmatische Weine als Tribut nach Konstantinl'pel gesandt. Doch ft'll auch jetzt in'ch zu Zeiten der Uarl,8c!lntw cli Kükonico seine» Weg nach Amerika finden. 11. Schwamm und Korallenfischer. Die Klippen und Inseln, welche das Meer bei Sebenico und die Mündnng der Kerka erfüllen, bilden eine besondere kleine Gruppe, wie ich schon sagte, die in alten Zeiten den Namen I^ulno (^lnclussae hatte. Ihre Bewohner sind, wie ich anch schon andeutete, berühmt durch die Fischerei auf Schwämme und Korallen, die sie betreiben. Diese beiden interessanten Producte finden sich nur auf der illyrischen Seite des adriatischen Meeres, auf der italienischen aber nicht. Auf dieser letzteren, die meistens flach, untief und felsenlos ist, haben sie nicht das ihnen vorthcilhafte Terrain. Die dalmatischen Felseninseln und Klippen gewähren ihnen dagegen die willkommensten Anhaltepnnkte. — Beide Producte zeigen sich zwar überall in den dalmatischen Gewässern, hauptsächlich aber, wie es scheint, bci den Scoglien von Ee-benico. Wenigstens werden immer die Bewohner von zweien dieser Scoglien als die vornehmsten Korallen-und Schwammsischcr genannt, nnd zwar für jede Branche eine besondere Insel. Die Bewohner von Slarina, so sagte man mir wiederholt, seien die Schwammfischcr (sie haben seit alten Ieiten das Regale der Schwammfischerei gepachtet), und die der Insel Crapano ständen an der Spitze des Korallenfanges. Die Schwämme sitzen nicht sehr tief unter dem Meeresspiegel, etwa 2 bis 4 Klaftern tief, selten tiefer. Die Fischer lösen sie mit einem eisernen Instrumente ab, das dem Dreizack des Neptun gleicht. Sie haben ein geübtes Auge und wissen den Schwamm selbst bei trübem 96 Streitigfeiten der illyrischen Sardellen- u. Korallcilsisclirr. Wasser und in größerer Tiefe sehr genau zu erkennen. Noh, wie sie aufgefischt werden, gehen diese Schwämme meistens nach Trieft, wo man sie reinigt, wäscht, trocknet und bleicht. In den Vorstädten dieser Stadt finden sich Anstalten, die den Wachsbleichen gleichen, und in denen man die illyrischen Schwämme zu Tausenden an der Sonne ausgebreitet sieht. Die Korallen dagegen sitzen in viel größerer Tiefe, und ihre Losbrcchuug ist daher weit schwieriger. Sie geschieht in der Art, wie bei uns der Ansternfaug, mit einem an einem Stricke herabgelassenen Eisen und Sack. Viel edles Korallengezweige wird dabei zerstört. Außerdem aber wird dabei auch noch viel audercs Leben auf dem Grunde des Meeres gestört, weil das Eisen der Korallenfängcr auf demselben in weiten Strecken hin-und hergeführt wird. Wenigstens behaupten dieß namentlich die Sardellenfischer. Ihre Sardellen, sagen sie, legen ihren Laich gern auf die Korallenbänke oder haben daselbst ihre Verstecke. Die Korallen selbst, so lange sie weich sind, dienen den Fischen zur Nahrung. Diese beißen die jungen Spitzen der Korallen ab oder holen die Thiere heraus. — Am liebsten möchten die illyrischen Sardellenfischer den Korallenfischern das Handwerk ganz legen. Pcriodenweise soll auch früher unter Venedig das Korallensischen wirklich ganz verboten gewesen sein. Sie processircn, wie ich hörte, eben jetzt wieder mit einander darüber, wo und wie tief ein Jedes mit seinen Stricken und Fanginstrmncnten ins Meer hinabgehen kann. Aber schon zur Zeit der vcuetianischen Republik sollen Jahrhunderte lang unentschiedene Streitigkeiten obgcschwcbt haben. Die Schwammfischer von Slarina, die mehr auf ,,DK wcsilichcn" und ,,dic östlichen Inseln". 97 der Oberfläche bleiben, und die ihr Object gleich selbst ins Auge fassen und vorsichtig herausholen, kommen nicht in solche Collisionen. 12. Die Munta Pianea. Die Scoglien von Scbenieo schließen sich noch ziemlich nahe an die Inseln von Zara cin, mit denen sie zusammen die illyrische Inselgruppe bilden, welche die Dalmatier selbst gewöhnlich „die westlichen Inseln" (1« i«o1o noeicll'ntnle) nennen. Von Sebcnieo aus Wird nun die illyrischc Inselkette für einige Zeit unterbrochen. Es zeigt sich von der Küste aus auf einer Strecke von etwa 8 bis 10 Meilen offenes Meer. Dann beginnt ein neuer Archipelagus von Inseln, welche in Dalmatien „die östlichen Inseln" (w '«<>!<' m-ionwl«) genannt werden. Zu dieser östlichen Gruppe gehören die schönsten, fruchtbarsten und am meisten bevölkerten Inseln bcs Landes: Lissa, Lesina, Brazza, Curzola :c., die meisten schon aus der Zeit der Griechen, denen sie näher lagen, wohlbekannt, von griechischen Coloniecu bevölkert und auch jetzt noch durch ihre Produete, durch ihre gepriesenen Weine, Oele, Marmorstcine, Asphalt- und Naphtha-Quellen:c. berühmt. In jeder Beziehuug ist diese östliche Inselabthcilung historisch und uatioual-ökouomisch Wichtiger. Streng genommen sollte man nicht, wie die Dal-watier und Venetiancr oder Triestincr thun, eine östliche und westliche, sondern eine südöstliche und nord- Kohl. Ncisc mln clolw ?1nno!i (das Äret) genannt. (5s ist dieß von jeher ein bei den Schiffern sehr übclberüchtigtcr Küstenvnnkt gewesen, eine der gefährlichsten Stellen des ganzen adriatischen Meeres, sowohl der sich hier brechenden Winde, als auch der Strudel und Meeresströmungen wegen. Wenn man so wie wir im schönen Sonnenschein auf Situation drr Punta Piauca. 99 einem sich selbst beherrschenden Dampfer ganz nahe bei dieser illyrischen Eevlla vorübcrfährt, so entdeckt man nichts, was ihr einen so bösen Namen gemacht haben könnte. Nir sahen nur ein flaches und niedriges Felsenriff wie ein steinernes Bret vom Lande Heranslaufen, und oben daranf lag eine kleine freundliche Kapelle, Da war nichts Schroffes, Wildes und Romantisch-Pittoreskes, vielmehr sah die Pianea so unschuldig aus wie Sirenengesang. (5s giebt hundert ähnliche Riffe in den illyri-schcn Gewässern. Man mus; die Landkarte und eine Darstellnng der Hauptschiffsahrtslinie des adriatischen Mccres zn Hilfe ncbmen, uni die hervorrageude Bedeutung dieses Punktes zn begreifen. Die ganze Hauptmasse des dalmatischen Landes drängt sich bei dieser Stelle am meisten ins Meer hinaus, nnd die Punta Pianca ist gerade die südwestlichste Spitze von ganz Dalmanen. Von hier ails gcht die Küste nördlich in den Busen von Sebenieo und weiter hinab, südöstlich abcr in den Busen von Spalato uud weiter. Im Angestchte der Punta ist, wie gesagt, writ und breit offenes Meer. Hieraus folgt uun zunächst, daß die ganze Küsten- und Inselschifffahrt von Spalato, Ragnsa und den östlichen Inseln her nach Sebenieo, Iara und den westlichen Inseln hin dieses Vorgebirge, das sie in der Mitte ihres Weges findet, umzingeln muß. Der die Hälfte des Jahres hindurch herrschende Sciroeco wirft die ganze Masse des adriatischen Meeres gegen dicse Spitze, die von keiner- vorliegenden Insel geschützt wird. Auch die Strömung des adriatischcn Meeres, die von Südosteu her an der Küste heraufkommt, mag sich hier etwas brechen, wenden nnd ge- 75 400 Situation der Punta Pianca. fährliche Wirbel verursachen. Die kleinen Küstenfahrer, die das offene Meer scheuen und sich gern so nabe als möglich an der Küste halten, kommen hier also zwischen zwei Feuer, nämlich zwischen den nahe heranrückenden Hauptkörper der Adria und das weit hinausgrcifende Vorgebirge, das sie umschiffen müssen. In dem offenen Schlunde zwischen den Scoglien von Sebenico und denen von Epalato, wo in der Mitte die Punta Pianca liegt, finden sie aus einmal die Kette von Inseln und Canälen, in deren Schutz sie fuhren, unterbrochen, und bier schlüpfen sie nun furchtsam und möglichst schnell vorüber, um bald wieder den Schutz neuer Scoglim zu erlangen. Aber nicht bloß die Küsten schifffahrt, sondern auch überhaupt die ganze große Handelsheerstraße des adria-tischen MccrcS geht näher bei Illyrien als bei Italien vorüber, denn dort ist das Wasser tiefer, die Küste reicher an Hilfs- und Nothhäfen. Der letzteren giebt es auf italienischer Seite nur sehr wenige, auf der dalmatischeu aber ist fast Alles Hafen*). Dazu kommt die Meeresströmung an dieser Seite, welche wenigstens auf der Reise nach Norden den Schissen die Fahrt erleichtert. Auch die Beschaffenheit der Winde endlich mag die illyrische Küste nahbarer erscheinen lassen. Die Hauptwinde auf dem adriatischcn Meere, die sich fast beständig untereinander in der Herrschaft ablösen, sind bekanntlich der Seiroeco (Südwind) uud die Bora (Nordostwind). Diese letztere ist besonders, plötzlich und heftig und stürzt oft ") Allein im Kreise von Spalato hat man fünfzig Buchten gezählt, die fähig sind, Schiffe aufzunehmen und ihnen Ankergvund zu gewähren. Beleuchtung des adriatischen Meeres. 1()1 unerwartet von dm illyrischcn Küstenländern herab. Mit ihr riskirt man gegen die stäche italienische Küste geworfen zn werden, und hält sich daher lieber an der illyrischen Seite, wo man noch einen breiten Spielraum zwischen sick nnd Italien behält. Die Schiffer, die auf dieser großen Vcrkehrsstraße answätts um die dalmatischen Inseln hcrmnschiffen, bekümmern sich nnn zwar wenig um die Gestaltung der inneren Küsten, nnd im Ganzen berührt sie die mehr oder minder große Gefährlichkeit einzelner Küstcnpunkte nicht viel. Doch muß auch bei ihnen die Punta Pianea, das Vorgebirge des Diomedcs, das ihrer Heerstraße am freisten gegenüber liegt, häufig von ihnen erblickt wird, und dem sie sich bei einem Scirocco am meisten zn nähern versucht fühlen, vor Allem bekannt sein. Es ist zwar recht schön, daß die Dalmatier mitten auf der Höhe jenes gcfürchteten Promontorinms ein kleines Gotteshaus erbaut haben. Aber anch hier sollte es doch heißen: <»l-n (nn dmnp»Znu) herkomme, das sich in Illyrien als Name so vieler Striche: U«8oci - p^lio, ?^ovvo-?«^llo, ?0^ix/^ u. s. w., wiederfindet. Zug der Wandervogel über das adnatische Meer. 1()5 Wie die Bewegungen der Schiffe, so werden auch die Richtungen der Vögelwandcrungcn durch die Winde und den Zusammenhang und die Verkettung der Inseln und Festländer bestimmt. Große Schaarcn von Wandervögeln kommen im Herbst, von der Kälte getrieben, aus dem Innern des Festlandes gleich wie flüchtige Ustokeu an die dalmatische Küste und stiegen an dieser Küste abwärts, indem sie dann eine günstige Bora abwarten und eine Verengung des Meeres benutzen, nm nach Italien und südlicheren Ländern überzusetzen. Ich denke mir, daß ein Theil von ihnen schon von der Punta Pianea aus nach Lissa, und von ^issa zu deu tremitischeu Inseln, und von diesen nach dem dort hervorragenden Italien gehen mag, eben so wie die apnlischen Schiffe; doch weiß ich dieß nicht gewiß. Gewiß ist es aber, daß die Hauptmasse der Wandervögel bis nach Albanien hinabgeht, daraus bei der Meerenge von Otranto, zwischen Durazzo (l)vi-!'!mo!iwm) uuo Brindisi (1ilul^lu«,iuin), so wie zwischen Otranto (l^änmlum) und Avlona (^pal-lntni,) über das adriatischc Meer zieht und dann über Süditalien, Eicilicn und Malta ihren Weg nach Afrika fortsetzt. Zwischen denselben Orten waren bekanntlich schon im Alterthume die großen Ueberfahrten und Fähren (U'gZ<>tti) ans dem Westen zum Osten und nmgekehrt. Zu diesem Uebergangc passen auch die Vögel jedesmal wie die Schiffer eine Bora ab. Zuweilen überrascht sie aber eine heftige Bora zu ungelegener Zeit und treibt sie an Stellen, wo das Meer noch breit ist, aufs Wasser hinaus, wo sie dann wohl in Schaaren ihren Untergang finden. Namentlich soll dieß oft den Wachteln geschehen, die im Herbst an der dalmatischen Küste so 106 Die Tragettos. zahlreich erscheinen, und die Schiffer und Insulaner erzählen davon, daß sie zuweilen Tausende von Leichnamen dieser kleinen Vögel anf dem Wasser schwimmen sehen. Auch liest man in den Annalen Dalmatiens, daß die Fischer von Lcsina ganze Haufen von Wachteln mit ihren Netzen ans Land gezogen haben. Von dem Canale von Solta thut man einen Blick auf den Meereswinkel, in welchem die alte griechische Colonic Tragunnm (jetzt Tran) liegt. Man sieht für einen Augenblick ein Stückchen von den Thürmen dieser Stadt, so wie auch von der Brücke erscheinen, welche bei ihr über einen Mecresarm führt uud die Insel Bna mit dem Festlande verbindet. Brücken über Mecresarme kommen sonst in dein illyrischen Archipelagus nicht mehr vor. Regelmäßige Fähren (Tragettos) sind aber zwischen vielen Inseln eingerichtet, so wie auch von Spalato und anderen Küstenstäoten ans regelmäßige wöchentliche Marktschiffe zu denjenigen Inseln ausgehen, die gewissermaßen zu dem städtischen Rayon gehören. Da diese Fähren aber noch nicht wie in dem Inselarchivclagus an der Küste von Schottland mit Dampf getrieben werden, so ist es, wenn widrige Winde wehen und die Inseln oft wochenlang in Belagerungszustand halten, meistens mit Hilfe der Lloydschiffe leichter von irgend einem entfernten Küstenpunkte zum anderen, als zn einer ganz nahen Insel zn gelangen. Uebrigens dient auch der Lloyd, indem er wenigstens einige der vornehmsten Inselpnnktc berührt, znr Verbindung der Inseln untereinander und mit der Küste. Mit seiner Hilfe kann manche Insclreisc abgekürzt werden. Dalmatische und gnechisch-onetitalischc Linie des Aoyd. 107 Diese Fahrt längs der dalmatischen Küste bildet eine ganz besondere Abtheilung der verschiedenen von jener Gesellschaft organisirtcn Dampfschifflinicn, dic sogenannte dalmatische Linie. Sie ist bloß auf die innige Verbindung der illyrischen Küstenländer Oestreichs mit Trieft und unter sich berechnet. Sie geht mir bis Cattaro und von da zurück. Dic griechische und orientalische Linie, die aus der Höhe des adriatischeu Meeres mit ihr parallel läuft, ist ohne Zusammenhang mit ihr. Die letztere geht nahe bei dem Ende der dalmatischen Linie, bei Cattaro vorüber, ohne hier anzulaufen. Ihre erste Station ist Corfu am Cingangsthore des adria-tischen Meeres. In Cattaro ist man daher gefangen und wie am Cnde der Welt. Wer von da aus sich mit dem Orient in Rapport sehen will, muß entweder mit sehr unsicheren Segelschiffen zunächst nach Corfu fahren, kaun aber unter Umständen auch gezwungen sein, die ganze dalmatische Linie rückwärts zu buchstabiren bis Trieft, um sich dann da erst in die orientalische Linie hinüberzu-schwingen. Cs müßte, däncht mich, ein großes Glück für die ganze Voeea sei, wenn dic griechischen Dampfschiffe dort zuerst anlegten und den dort fallen gelassenen Faden der dalmatischcu Linie wieder aufnähmen. Und ich begreife eigentlich nicht recht, warum der Lloyd dieß nicht schon jetzt auch für seinen Interessen gemäß hält. — Die Bocca ist ein Pnnkt, wo sich eine Bevölkerung von mehr als 30MU Menschen auf einem ganz kleinen Flecke in einer Weise conecntrirt, wie dieß sonst fast nirgends in Dalmaticn wieder vorkommt, und außerdem stehen diese Menschen mit dem Oriente in der lebhaftesten und innigsten Beziehung. Auch die ganze Umgegend von Ragusa 108 Klagen über die Privilegien des Lloyd. sowie überhaupt ganz Dalmatien würde dadurch dem Oriente viel näher gebracht werden. Ich habe in Dalmaticn die Leute wohl zuweilen über die Privilegien des Lloyd etwas klagen hören. Der Lloyd, sagen sie, der allein für die dalmatische Dampfschifffahrt privilcgirt sei, hemme alle eigene Unternehmung bei ihnen. Wenn er nicht wäre, so hätten sie längst von Spalato, von Scbenico, von Nagnsa, von Zara aus eigene Dampsschifffahrten eröffnet und mannigfaltige Linien etablirt. Der Lloyd hindere und vereitle nun solche Speculationcn. — Allein mich däucht, die guten Dalmatier sollten dabei nicht vergessen, daß sie vorerst die ganzen Damvfschifffahrtsideen dem Lloyd zu verdanken baben. Wäre der Lloyd nicht gewesen, so würden sie vermuthlich noch überall nicht anders als mit ihren Marktschiffcn, uralten Tragettos und Trabaccolos hingelangen können, und sie würden noch heutiges Tages, wie vor dreißig Jahren außer aller energischer Verbindung mit der übrigen civilisirten Wclt sein, der sie nun durch den Lloyd innig angeschlossen sind. Es ist kaum zwei Jahrzehnte her, daß einer der letzten Gouverneure Dalmatiens zu seiner Reise von Trieft nach Zara l4 Tage gebrauchte. Man darf nicht vergessen, daß der Lloyd mancherlei Schwierigkeiten bei Eröffnung seiner dalmatischen Linie zu besiegen hatte, wettend und wagend manches Capital in die Schanze schlng, und daß er vermuthlich die ganze Sache nicht hätte unternehmen können, wenn ihm nicht dnrch ein Privilegium der Genuß später zu erwartender Vortheile im Voraus sicher gestellt gewesen wäre. Die Lloydlinie wurde zuerst mit einem sehr kleinen Dampfer bloß alle Monate einmal befahren, dann alle 14 Bedeutung der dalmatischen Lloydlinie für Dalmatien. 109 Tage. Jetzt fahren zwei Schiffe abwechselnd alle Wochen. Dic dalmatische Linie des Lloyd ist eine Hauptstütze der ganzen Cultur und Wohlfahrt Dalmaticns. Und es ist wichtig, daß diese Stütze recht stark nnd solid sei und bleibe. Der Lloyd ist ein bewährtes und solides Unternehmen, basirt auf sichere Capitalien, wohl organisirt und im Besitze aller Kräfte und Kenntnisse, die zur regelmäßigen Veschiffnng dieser Meeresgcgenden nöthig sind. Selbst wenn der Lloyd das Aufkommen kleiner Dampfschifffahrts-Bpceulationen und Gesellschaften hindert, so fragt es sich, ob dieß als ein Unglück zu betrachten ist. Zwar würden ohne Zweifel alsbald solche Gesellschaften aufsprießen, nachdem man dem Lloyd, wie es einige Dalmatier zu wünscken scheinen, sein Privilegium genommen hätte. Allein es ist die Frage, ob solche Gesellschaften auch die Bürgschaft einer soliden Begründung und Dauer geben würden, wie sie der Lloyd längst gegeben hat. Jede gesammelte, cmlsolidirte und gut orga-nisirte Kraft in der ganzen Welt drückt allerdings auf die nachdringenden Kräfte nnd hindert sie. Vielleicht aber, wenn man den alten Baum fällt, um den unten nachwachsenden Schößlingen Raum zu schaffen, wird nicht ein Wald, sondern ein verwilderndes Gebüsch daraus. Der Canal von Solta hat seinen Namen von der nach der offenen See hin vorliegenden Insel Solta, und nicht von der rückwärts oder landeinwärts liegenden Insel Bua. Diese Vcnenmmgswcise der Canäle nack den vorliegenden Inseln ist im dalmatischen Archipelagus ziemlich allgemein. Alle die Canäle von Curzola, von Mck'da, von Lesina, von Bra^za u. s. w. heißen nach deu vorliegenden und nicht nach den rückwärts 110 Was die dalmatischen Inscln sind und scin könnten. liegenden Inseln. Es ist dieß ein ziemlich natürliches Verfahren, weil die ganze Nomenclcttur als von der Festlandküste angefangen gedacht werden mnß, nnd weil, die Fcstlandküste als etwas Gegebenes vorausgesetzt, ein Canal erst dnrch das Heraustreten der vorliegenden Insel gebildet wird. Bua, glauben Einige, soll seinen Namen von den Rindern (l)05, dovi») haben, nnd Solta heißt im Slavischen ungefähr so viel wie „die Goldene." Aber auf der einen ist so wenig von Gold »ls anf der anderen von Rinderheerden eine Spur. Alles das gewöhnliche dalmatische öde Felsgcbirge, mit einigen wenigen von jenen Schönpflästerchen ^- Weingärten — darauf und alle italienische Miglien ein Baum zum Zeichen, daß, wenn nur Erde da wäre, wohl etwas hier wachsen könnte. Ja, wenn ich denke, was diese dalmatischen Inseln scin könnten, wenn nnr Erde da wäre, und wenn der Negen nicht so Alles ausspülte, und die Sonne nicht wiederum so sebr Alles verdorrte, und weuu die Menschen nicht so unvorsichtig Alles verwüstet und verwahrlost hätten, uud wenn man dagegen sieht, was sie sind, so wird einem übel und wehe, und beim Anblick aller dieser nackten und unproductive:: Scoglien, Felsenköpfe und Riffe fallen einem recht die Morlachen und Bewohner des Vandes selber ein, bei Venen man auch kaum deuken darf, was sie sind nud was sie ihren Naturanlagen nach sein könnten, wenn nicht die Türkeu und andere barbarische Völkerfluthrn ihnen immer den, Kopf gewaschen batten, wie jenen Scoglien die Meereswogen, und wenn die Platzregen beständiger Kriege nicht immer alles gute Erdreich wieder abgespült, uud weun sie sich Das Paradies von Dalmatien. ?11 selber zu eultiviren und ihr geistiges Terrain anzubauen uicht unterlassen hatten. Leider nnisi man bei den Seog-lien wie bei den Menschen Alles so nehmen, wie es einmal ist, und kann kein Titelchen daran ändern. Ans dem Canale von Solta bei Bua herumkommend, blickt der Reisende auf einmal mitten in das Herz von Dalmatien, in den Busen von Spalato, hinein. Vor ihm liegt das Paradies von Dalmatien aufgeschlossen, die Umgegend von Salona und Spalato und die gepriesene Nivwl-l, ll<>i (^>8l^!!>, die sich längs der Küste eines inneren Bnsens dis Trau hinzieht. Das Ganze ist von nahen Gebirgen umzingelt, die zuerst all-mälig aufsteigen und dann oben von einer langen Reihe schroffer und kahler Felszinnen gekrönt werden, in deren Mitte man nur einen einzigen grosien und schon ans der Ferne auffallenden Banm sieht. Hinten in einem breiten Spalte dieser Berge entdeckt man die alte vielumkämpftc Festung Clissa. Aber im Vordergrunde liegt der mit 10,000 Bürgern erfüllte Palast jenes römischen Kaisers, die jetzige Stadt Split oder Spalato, mit ihrem hohen Glockenthurm, mit ihren: alten wohl-eonservirtm Inpiterstempel und mit ihren von den Vcnctianern angelegten Fortificationeu und wcitlänfigetl Lazarethcn. Wohl eine Stunde lang hatten wir dieß schöne Bild, in das unser Dampfer mitten hineinfuhr, vorAngen, bis wir endlich im innersten Hintergrunde der prachtvollen Bai, an welcher Diocletian nnd die Spalatincr fich niederließen, vor Anker gingen und hier im Angcsichte der Frontseite des Palastes ans Land stiegen. 112 Cajus Aurclius Valerius Diocletianus. 44. Spalato und der Malast des Diocletian. Das alte berühmte Solona, ;u der Römer Zeiten die Hauptstadt von Dalmatian, lag nicht genau au der Stelle, die jetzt ihre Nachfolgerin, Sftalato , einnimmt, sondern mehr landeinwärts in dem innersten Winkel einer großen Meeresbucht, welche von der Insel Bna und der Halbinsel von Spalato gebildet wird. Einige Miglien davon an einer einsamen Bucht dieser Halbinsel baute der arme Schreiberssohu Cajus Valerius aus Salona, nachdem er sich zum General emporgeschwungen und mit dem Purpur der römischen Weltbeherrscher bekleidet hatte, und nachdem er s!3ju8 ^ur<>Iiu8 Valerius OjoolcUimu» .Iaviu8 (der Göttliche) Im^l-att»!- (Selbstherrscher) geworden war, von Heimweh und Lebensüberdruß getrieben, seine Cottage, seine klösterliche Villa, um in ihr unangefochten zu wohnen, seinen Kohl zu pflanzen und seine Blumen zu Pflegen. Wie Alles, was dieser prachtliebcnde, nach orientalischer Weise lebende Kaiser baute, wurde auch seine Cottage etwas großartig, ein höchst weit-läusiges, sehr prachtvolles und solides Gebäude, das innerhalb des Quadrates seiner festen Umfangsmaucrn geräumige Plätze, Tempel und zahlreiche andere Baulichkeiten für die Begleiter und den Hofstaat des zurückgezogenen Kaisers enthielt. Wir wissen nicht genau, wem Diocletian in seinem Testamente das Eigenthum seines Palastes vermachte; aber wahrscheinlich ist es, daß die römischen Kaiser, seine Nachfolger, darüber zu verfügen sich fitr befugt hielten uud vermuthlich allerlei Umwandlung beS Diocletianischcn Palastes. 111 Beamten, Pensionairen, Behörden, wie dieß mit kaiserlichen oder königlichen Provinzpalästen zn geschchrn Pflegt, Wohnungen darin anwiesen. Es mochten auch Suiten von kaiserlichen Zimmern darin rcservirt bleiben, nm für die Aufnahme der „hohen Herrschaften" zu dienen, wenn die Kaiser einmal die Provinz besuchten. Eine Ieit lang bewohnte ihn der abgesetzte Kaiser Julius NepoS, dem der Bischof Glycerion, selbst ehemals Kaiser, hier ein Asyl gab. Vielleicht hat schon damals der Proconsul der Proviuz hier zuweilen seinen Sitz aufzuschlagen Erlaubniß gehabt, und außerdem mochte auch, wie dieß bei allen großen Gebäuden, die eine Zeit lang der Sitz angesehener Personen sind, geschieht, mancher Colonist sich außerhalb der Mauern des Palastes anbauen, un5 so bereits noch während des Bestandes von Salona die Umwandlung des Kaiscrpalastes zu einer Stadt beginnen. Als Salona im sechsten und siebenten Jahrhunderte zu wiederholten Malen von den Barbaren (z. B. 535 von den Gothen) geplündert mid endlich im Jahre 64 l von den Avaren völlig zerstört und dein Erdboden gleich gemacht wurde, blieb vermuthlich auch der mit Menschen und ohne Zweifel auch mit allerlei Habseligkeiten angefüllte Palast nicht unangetastet. Doch müssen seine Mauern für die Zerstörungswuth der Barbaren zu fcst gewesen sein. Sie ließen sie in der Hauptsache bestehen, und als die nber's Meer anf die Inseln geftüchteten Salonitaner, nachdem der Krieg ausgetobt, allmälig zu ihrem väterlichen Boden zurückkehrten, fanden sie daselbst nur noch das Gemäuer dieses Palastes aufrecht. Die Fürsten der Avarcn, denen das Land für einige Kl'lil, Reise in D>>ln>>itien. 1, 8 11^ Umwandlung rcs Dioclctiamschen Zeit Unterthan blieb, mochten den verarmten Flüchtlingen, die zur Erbauung neucr Wohuuugen nicht Kraft und Geld genug hatten, gestatten, sich in den Räumen des Palastes so gut, als sie konnten, einzurichten. Hier theilten sie nun die kaiserlichen Gemächer unter sich ab, das „Atrium", den großen „Coucertsaal", die uock größereu „ägyptischen Säle für die Hosfeste", die „Spciscsäle", das „Gynaccum" und alle die anderen kaiserlichen Gemächer. Sie mochten aufaugs darin, um den Winkel, den Jeder mit den Seiuigeu und mit seinen Habseligkeiteu eiunahm, abzutheilen, Kreidestriche ziehen, wie dieß noch heutiges Tages die armen Leute in Polen und anderswo zu thun pflegen, wenn man ihnen große Zimmcrräume zutheilt. — Ms aber ihre Angelegenheiten sich wieder etwas ordneten, bauteu sie dauu auf den Kreidestrichcn ordentliche Maueru, und Jeder uahm das Stück Atrium oder Gynaccum oder Portirus, das er usurpirt hatte, als sein Eigeuthum uud als sein Haus in Besitz. Die Fenster, die mau für die kleineu nun entstehenden bürgerlichen Wohnungen zn grosi fand, wurden halb zugemauert, die Zwischeuräume zwischen den Säleu der verschiedenen Hallen ebenfalls mit Mauerwerk gefüllt und die Bögen nnd Arkaden unter einander mit Kalk und Stein zu einem Ganzen verschmolzen. Zuerst mochte man die bei der Avaren-Plündcrung, die ohne Zweifel nicht ohue partielle Feuersbrünfte im Palaste ablief, mehr unversehrt gebliebenen Abtheilungen des Palastes einrichten. Allmälig klebte man auch die ruinirten Particen wieder zurecht uud stellte mit Benutzung der Trümmer und Maucrreste Privatwohnuugeu her. All-mälig, als die Bevölkerung sich mehrte, führte mau auch Palastes zur Stadt Eftalato. 115 Häuser von Grund auf ganz neu auf. Dieß that man 'natürlich licbcr innerhalb als außerhalb der Palastmauern, die nun fast von selbst durch vielfache Verdauungen zu Festungswerken geworden waren nnd gegen etwa erneuerte Anfälle der Barbaren einen nicht verächtlichen Schntz versprachen. — So wnrden denn anch die inneren Hofräume des Palastes mit einem dichten Labyrinthe kleiner Privatwohnnngen angefüllt, zwischen denen nur ganz enge Straßen nnd einige wenige freie Plätze übrig blieben. Der ganze große nnd weite innere Ranm, den der viereckige Hauptkörper des Palastes nmgab, war schon von Anfang herein nicht völlig frei nnd unbebanl^). Vielmehr standen hier ein Tempel des Inpitcr, ein anderer des Acskulap, eine große Rotnnde «nd als Vorhof zu ihnen in der Mitte dieser drei Gebäude eine prachtvolle Colonnade oder ein Vestibulum, und außerdem noch mchre andere innere Gebäude-Abtheilungen. Wie die Ranken der Neben sich nach den Gebäuden nnd Gitter-Werken accomodiren, die man ihnen zu Stützpunkten gewährt, so rankte sich anch der neue Hänserban an den Trümmern der hier im Innern gegebenen Gebäude fort, goß sich nm die Tempel, die in christliche Kirchen verwandelt wurden, herum, erfüllte die größeren Räume und ') Der Palast des Diocletian soll 666 Wiener Fuß lang und 550 breit sein. Dieß giebt ein Nreal von circa 366,000 Wiener O-uadratfuß, Der Glaspalast ist l85l englische Fuß lang und im Durchschnitt 420 englische Fuß breit. Dieß giebt ein Areal von circa 777,000 englische Quadratfuß. Das Diocletianische Palast-Areal ist also etwa halb so groß als das Londoner Glaspalast-Areal. 8* 11ß Umwandlung deS Dio^letianischcn Palastes, ließ kleinere, die fest ummauert waren, zum Dienst der entstehenden Commune bestehen. Da die Hanvteiugangs-' thore in dem äußeren Quadrate des Palastes offen blieben und nnr zu Thoren der Stadt verwandelt wurden, da man durch diese Thore im Innern frei zn circulircn wünschte, da man auch die Eingänge der benutzten Tempel und anderer Gebäudetheile nicht verbauen wollte, so wurdcu dadurch die Richtungen der neu entstehenden Straßen bestimmt, und diese mußten demnach in der Hauptsache mit den Cireulationswegen und Hauptdurchlässen des Palastes übereinstimmen, und der Plan des Ganzen blieb daher im Allgemeinen derselbe, nur mit dem Unterschiede, daß dabei zuweilen ein ehemaliger Durchgang der kaiserlichen Bedienten zu einer Straße der neuen Stadt, ein den hohen Herrschaften reservirter Spazierplah zu einem Sackgaßchcn, eine Tempelvorhalle zu einem Markt- oder Kaffechausplatz, ein kaiserliches Stallgebaude zu dem Diminutiv-Palazzo eines mittelalterlichen Nobili umgewandelt wurde. Es ist bis auf die neuestcu Zeiten herab ohne besondere Aufsicht nnd Ordnuug innerhalb der Mauern des Diocletianischen Palastes gebaut und wieder niedergerissen worden, neue Etagen wurden anf alte Hänser gesetzt, die alten Eckthürme des Palastes vielfach umgebaut. Dazu haben dann die Spalatiner außer den Steinen, die sie vorfanden, noch die Hälfte der Trümmer ihres alten Salona in dieß ihr neues Nest hineingeschteppt und aus ihnen neben den ehemaligen Tempeln Glockcnthürme und Vcfestignngswerke errichtet. Und aus diesem Allen ist denn ein so wunderbares und so pittoreskes Labyrinth von Baulichkeiten hervorgegangen, daß es fast uumöglich Ansiedelungen außerhalb des Palastes. 117 ist, eine auch mir einigermaßen genügende Schilderung von allen den interessanten Scenen nnd Anschauungen, die sich hier auf Schritt und Tritt darbieten, zn entwerfen. Anfänglich mochte die neue Gemeinde, die sich in dem Kaiservalaste eiurichtcte, sich bloß auf seine Um-fangsmaucru, die einen so trefflichen Schutz gegen feindliche Anfälle gewährten, beschränken, und anch noch heutiges Tages steckt die Hauptbcvölkerung, der eigentliche Kern der Nobili und Mtadini von Spalato bloß in diesem einen Gebäude, so wie der Haupttcrn von Wien nmerhalb seiner Bastionen steckt. Hier hat der Spala-tinisshe Adel seine kleinen Palazzos und Casas, hier haben in den Gewölben und Souterrains des Palastes die Kaufleute ihre vornehmsten Niederlagen und Magazine. Da aber im Mittelalter Spalato in Folge seiner sehr günstigen geographischen Lage wieder ein sehr blühender Haudelsort wurde, so bautcu sich am Ende anch vor den Thoren des Palastes wieder Bürger an. Ihre Wohnungen mochten anfangs eine Vorstadt bilden, die aber bald mit dem Palaste zn einem Ganzen verschmolz und zuletzt mit ihm innerhalb der später angelegten Fest-uugsmauern zusammengefaßt wurde. Diese Festnngs-inancrn wurden von den Venetiancrn zur Zeit des kandischen Krieges nach den damaligen Regeln der Forti-firationskunst errichtet. Sie stehen uoch heutiges Tages. Der Theil der von ihnen umfaßten Stadt, welcher nicht in den Mauern des Palastes steckt, macht nicht völlig bie Hälfte des Ganzen ans. Außerhalb dieser Fortify ccttionm haben sich im Lause dcr Zeiten mm schon wieder kleine Borgos oder Vorstädte angesetzt. Auch haben die 118 Das Lazareth. Vcnetianer dem Palaste noch ein anderes colossales Gebäude zur Seite gesetzt, nämlich ein großes sogenanntes Lazarett), bei welchem die lcvantischcn Schiffe, um ihre Pestquarantaine ab;uhaltcu, anlegen mußten, und in welchem die Geschäfte des leuantischen Verkehrs abgemacht wurden. Es ist das größte Gebäude dieser Art, welches die Venetianer überhaupt in Dalmatien gebaut habcu, und entspricht iu seinem Umfange der Wichtigkeit des Verkehrs, der damals in Epalato seinen Sitz aufschlug. Auch dieses große Gebäude, das später sowohl nach dem Verfall des levantischen Handels, als auch nach dem Aufhören der Furcht vor der Pest ziemlich überflüssig wlirde, hat ein ähnliches Schicksal wie der Dioelctianische Palast gehabt. Es ist ebenfalls in kleine Gebäulichkeiteu zerstückelt, zu Privatwohnungen verwandelt und von vielen armen Bürgern der Stadt, so wie auch von Kaufleuten in Besitz genommen worden. Es ist unleugbar, daß durch die vielfachen Ver-baunngcn und (5'inmauerungen in dem Dioeletianischen Palaste und durch die Benutzung aller seiner übrig gebliebenen Abtheilungen zn Privatzwccken das Studium seines Planes und seiner Constructionsweisc sehr erschwert ist. Der Freund des Alterthums möchte gern in den Souterrains des Palastes vordringen, allein ein Wein-Händler, der seine Fässer darin aufgestapelt hat, verbietet ihm, eine Thüre durchzubrechen. Er möchte gern daS hübsche Schnitzwerk eines Eäulcncapitäls ringsherum besehen und abzeichnen können, allein zur Hälfte ist dasselbe mit Kalk vcrkleckst, mit Mauern aus Feldsteinen eingefaßt, und einem kleinen eigensinnigen Sftalatiner Bürger scheint seine Schlafstube oder seiue Bodenkammer, Erschwertes Studium des Palastes. 119 die sich an jeneil Sänlenknauf lehnt, so wichtig, daß er um Alles in der Welt keinen Stein daran verrücken lassen will. Dcr Merthnmsfrennd wünschte die ganze etwas verschüttete Nordseite des Palastes und namentlich das dort befindliche schöne Thor herausgraben, abputzen nnd restanriren zu lassen, aber ans dem Haufen von Dnng, Schutt, Trümmern und Scherben, der diese Mancrn und Thore bis zur Höhe von 4 und 5 Ellen verschlungen hat, sind Weinreben und Feigenbäume gepflanzt, deren Eigenthümer so gute Rechtstitel ans diesen verunstaltenden Schmuzhanfen zu habcn glaubt, daß er sich keineswegs so ohne Weiteres crpropriireu lassen will. Der Geschichtsforscher möchte gern eine sehr interessante Inschrift, die vielleicht über die Geschichte von Salona und Dalmaticn zu dcr Römer Zelten ein helles Licht zu werfen im Stande ist, nicht nur genan eopiren, sondern sie auch zum bleibenden Zeuguiß ill seine Mnseen retten, allein dieser edle Inschriftsstcin ist leider oben in dem Glockenthurme dcr Stadt vermauert und muß da wie ein gemeiner Ziegel das Dach des Campanile tragen helfen. Der Thürmer protesti« mit Händen und Füßen gegen die Entführung dieses wichtigen Steines und weiß nicht einmal Anstalten zn treffen, daß man nur einmal dazu gelange, seine Schriftzüge deutlich zu erkennen. Der Antiqnar möchte, wenn anch nur auf eiuigc Tage, die gauze Bewohnerschaft im Namen des Diocletianus zum Palaste lnnanseomplimentiren, um einmal in aller Muße Trepp auf und Trepp ab durch alle Winkel und Eckeil schlüpfen, alle Keller untersuchen, alle Mauern auseinander nehmen, anbohren oder dnrchbrechen zu können, aber dagegen würde die ganze Spalatinische 120 Erhaltung deö Dwclelianischen Palastcs. Gemeinde auftreten, Bürgermeister und Signoria nnd Alles. Denn an die Schlaf- und Prunkgemächer, an die Gartenterrassen, Springbrunnen und Badebassins deS Kaisers haben sich nun so viele Familien mit ihren Interessen nnd Capitalien geheftet, daß man ihnen eine noch höhere Entschädigungs- und Erftropriationssumme bieten müßte als dem Kaiser selber. Es fragt sich, ob es noch irgend ein zweites Gebäude in Europa giebt, das seit 15l)l) Iahreu zu allen Zeiten ganz gut wenigstens seine 19 bis 20 Millionen werth gewesen ist. Ich sage also, die mannigfaltigen Ein- und Anbauten erschweren in hohem Grade eine genanc Kenntniß dieses den Alterthumsforschcrn, Malern und Architekten so interessanten Gebäudes, in dessen mannigfaltige Schlupfwinkel sie entweder gar nicht oder nur mit großer Mühe eindringen können. Nichtsdestoweniger aber ist es nicht zu verkennen, daß wir doch eben jenen Ein- und Anbauten es verdanken müssen, daß uns überhaupt noch so Vieles von diesem kostbaren Neberreste des Alterthums erhalten nnd zugänglich geblieben ist, und daß wir dieselben viel weniger verwünschen, als vielmehr segnen müssen. Gesetzten Falls die Salouitaner hätten nicht den Einfall gehabt, sich im Dioeletianspal^st einzuquar-tiren, sondern vielmehr ihre neue Stadt wieder aus der alten Banstelle errichtet. Was wäre geschehen? Zunächst wären die Wände des Palastes und seine Tempel nie, wie es jetzt oft geschehen ist, reparirt worden, Wetter, Regen, Wind und andere Elementarmächte bätten ein viel freieres Spiel gehabt. Die Pflanzen und Unkräuter, die man jetzt immer von Zeit zu Zeit ausgerottet hat, hätten überHand genommen nnd Alles bedeckt, mit Pstanzcnerde Erhaltung des Dwclctianischcn Palastes. 121 erfüllt und dic Wäude und Bogen gelockert. Diese, die nun durch die neueu Eiumauerungen iu ihrer Altersschwäche gestützt sind, wären wohl herabgestürzt und manche schöne Säulencapitälcr, die jetzt von den Wänden der Privathänscr festgehalten werden, wären zertrümmert worden. Namentlich hätten wohl die Erdbeben, die nuch in dieser Gegend zn Zeiten gewüthet haben, manche frei schwebende Gebälke herabgeworfen, die sich in der ganzen Masse von Steinwcrk, in der sie nun wie Rosen zwischen Disteln stecken, erhalten haben. Vor allen Dingen aber, und dieß ist die Hauptsache, würden die Salonitaner selbst den Palast als einen äußerst bequemen Steinbruch betrachtet und aus ilnu alle ihre Steiue zum Wiederaufbau von Salona geholt haben. Der ganze Palast würde ohne Zweifel mit der Zeit stückweise nach Salona gewandert uud dort m den Privathänsern verschwunden sein. Er würde dasselbe Schicksal gehabt haben, welches jetzt den Trümmern von Saloua bereitet wurde, die ihrerseits größten-theils in den Palast hinübergcholt und dort zu Vau-werken, Kirchen und Thnrmen verwendet wurden. In Salona ließen die Avaren, wie cS scheint, wenig Gesundes' aufrecht stehen. Fast Alles wurde dem Erdboden gleichgemacht oder übereinander geworfen, während sie den Palast so ziemlich bei ganzem Leibe ließen. Wenn es demnach durchaus unvermeidlich war, daß entweder Salonci im Palaste, oder dieser in Saloua aufging, so ist es doch viel glücklicher für uns, daß das Geschick es so gefügt hat, daß das Erste erfolgte, und daß der noch ziemlich conservirtc Palast mit den Trümmern von Salona gestickt und gestützt wurde. Es wäre ja auch keine 122 Adam's und Easta'S Werke über den glückliche Idee, wenn ein Meusch, dem von einem Rocke nichts als Lappen, von einem anderen noch eine leidliche Bekleidung übrig blieb, diesen ganz zerschneiden wollte, um jene Lappen damit wieder zusammenzustückeu. Kurz also, es ist am brßten, daß wir nns in Dankbarkeit nnd Geduld fügen nnd uns die Mühe nicht verdrießen lassen, trotz aller der im Wege stehenden Vermauerungeu, und znm Theil, wie gesagt, auch mit Hilfe derselben, das ganze Gebäude so gut, als es angeht, in allen seinen Theilen unverdrossen kennen zu lernen. Es ist bekannt genug, daß im vorigen Sa'mlo zuerst ein Engländer Namens Adam diese Mühe übernommen hat. Dieser Mann machte vor ungefähr hundert Jahren (Anno l75?) eine Reise nach Spalato und brachte drei Monate damit zu, alle Theile des Palastes zu untersuchen, zu messen und zu zeichnen. Gr hatte dabei mit mancherlei Schwierigkeiten, sogar mit solchen, die ihm von Seiten des venetianischen Gouvernements bereitet wurden, zu kämpfen, kam aber doch endlich mit seiner Arbeit zu Stande und publicirte ein großes Pracbt-werk, in welchem er alle Resultate seiner Forschungen und alle aufgenommenen Pläne und Ansichten des Palastes und seiner verschiedenen Bauwerke niederlegte. Dieß Adam'sche Werk ist noch heutiges Tages trotz seiner vielen Mängel das Beßtc, was über den Palast pnbli-eirt wnrde. Nach ihm kam am Ende des vorigen Jahrhunderts ein französischer Reisender Namens Eassas hierher, der ganz Dalmaticn bereiste nnd in einem ähnlichen Prachtwerke seine gewonnenen Ansichten und Bilder niederlegte und unter diesen auch mehre Darstellungen des Diocletianischen Palastes, die aber nur zum Theil neu, Dioclttianischen Palast und ihre Mängel. 123 zum Theil dagegen dem Werke voll Adam entnommen waren. Wenn man das Werk von Adam ansieht, so könnte man anf den ersten Anblick glanben, dast hier bereits Alles erschöpft sei, was sich über den Palast des Diocletian mittheilen ließe. Es sind einnndsechszig große Knvfertafeln, die außer den größeren Ansichten eine Menge von architektonischen Details über einzelne geschmückte Theile des Gebäudes geben. Allein trotz des großen Verdienstes, welches Adam's Werk als erste nnd bis jcyt anch fast einzige umfassende Arbeit über nnseren Palast hat, muß man doch gestehen, daß jener Engländer nicht viel anders verfuhr als Lord Elgin in Athen. Er raffte nämlich in kurzer Zeit so viele Ansichten zusammen, als er in drei Monaten zusammenbringen konnte, ohne nachher bei seinem Werke das Gelungene von dem Mißglückten mit sonderlicher Kritik zn scheiden. Anch vervollständigte er mangelhaft gebliebene Skizzen nachher aus unsicherer Rückerinnernng oder aus seiner Phantasie. — So geben denn einige seiner Skizzen ein so untreues Bild, daß man das Original darin kaum wiedererkennt. Als Beispiel hiczn will ich nur seine Skizze von den Nninen des Diocletianischen Aquädncts anführen, die vollkommen mißrachen nnd unbrauchbar geworden ist. Nicht nur haben die Bogen in der Wirklichkeit ganz andere Proportionen, als ihnen Adam gegeben hat, sondern anch die Bauart dieser Bogen ist in der Wirklichkeit eine ganz andere. Adam stellt nur die Pfeiler als aus Quadern, die Bogen aber als aus kleinen Ziegelsteinen gebant dar, während auch diese in der That aus großen schönen Blöcken zusammengesetzt 124 Adam's Versuche zur Restauration des Palastes. sind. Hier bleibt das Bild dcs Künstlers weit unter dem Werthe des Originals zurück. — Vci manchen anderen seiner Darstellungen ist das Umgekehrte der Fall, besonders bei denen, welche das Detail des architektonischen Schmucks der Tempelthürcn, der Sänlencapitäler u. s. w. geben. Hier hat Adam manche Dinge viel schöner und reicher geschmückt dargestellt, als sie es jetzt sind, nnd als sie es auch jemals waren. Schon Gibbon soll, wie Herr Petter in seinem Werke über Dalmatieu behauptet, einen Zweifel an der Genauigkeit der Adam'-schen Zeichnungen erhoben haben. — Hie und da war Adam offenbar nicht im Stande, sich hinreichende Local-kenntniß vom Sachverhalte zu verschaffen. Seine Versuche zur Nestaurcttiou des ganzen Gebäudes und zur Combmiruug eines Plaues, wie dasselbe zur Zeit Diocletian's selbst gewesen sein möchte, sind daher zum Theil ganz phantastisch und weder auf den Angaben eines alten Schriftstellers, noch auf den jetzt noch vorliegenden Nesten begründet. Seine ,,<^n^l^I 1'Ilm« of l!,l> ?l>I<-w6 1ltt8lm^l," die ihm Cassas uacheopirte uud die bisher von vielen Gelehrten als das Wahre über die Sache betrachtet wurden, sind daher, wenn auch als Versuche nicht werthlos, doch in der Hauptsache nicht zu gebrauchen. Dann mochte zur Zcit Adam's Manches noch eristiren, was jetzt gar nicht mehr oder in anderer Weise vorhanden ist, so wie umgekehrt in neuerer Zeit Manches wieder entdeckt und aufgefunden wurde, was jener Englander noch nicht kennen konnte. Und endlich haben neuere Forschungen unsere Ansichten von dem Zweck und der Bedentnng mancher Theile der Diocletianischen Baulichkeiten sehr verändert und berichtigt. — Dieß ist Die Frage vom Diocletianischen Paläste noch ungelöst. 125 z. V. namentlich mit dem sogenannten Teinpel des Aes-culap der Fall, wie ich gleich unten dem Leser zeigen werde. Kurzum also die Frage von dem Diocketiauischen Palaste ist noch immer eine offene. Sie ist noch immer für die Antiquare und Historiker ein Feld, auf welchem ihre Bemühungen nene Resultate ans Licht fördern können, um damit sowohl die politische als auch die Kunstgeschichte jener entlegenen Zeiten zn berichtigen und zu bereichern. — Es wäre ein Wunder, wenn nnser Jahrhundert, in welchen Ausgrabungen und antiquarische Forschungen in allen Richtungen mit solchem Eifer betrieben werden, nicht wieder seine Adams für Spalato erzeugen sollte, welche die Allgelegenheiten des Dioeletia-nischen Palastes einmal in die Hand nähmen uud mit allen denjenigen Hilfsmitteln, welche der jetzige Stand der Wissenschaften bietet, so wie mit allen den reichen und intimen Erfahrungen, welche ein längerer Aufenthalt an Ort und Stelle gewähren kann, uud deren Sammlung und Publiciruug uach Beseitigung des mißtranischen Gouvernements von Venedig jetzt nichts mehr im Wege steht, behandelte». In der That freute ich mich nicht wenig, in Spalato die Bemerkung zu macheu, daft ein solcher Adam beS ncnuzchnteu Iahrhuuderts schon im Anzüge ist. Ein kenntnisireicher und würdiger Mann, Herr Andrich, hat sich auf ähnliche Weise, wie der Freiherr von Graimberg dem Pfalzgrafenhause bei Heidelberg, schon seit Ichren dem Studium des Palastes gewidmet, Risse und ausführliche äcichliungen von den verschiedenen Theilen desselben anf-genommen, ganz neue Restanratiousversuche gemacht und 126 Andn'ch's PalastaN'um. Pläne von den Diocletianischen Constructionen entworfen, die der Wahrheit ohnc Zweifel um ein gutes Theil näher kommen als die Adam'schcn, uud daraus ein Album für den Palast gebildet, zu dem ich, bevor ich die interessanten Gegenstände innerhalb Spalato selber besichtigte, vor allen Dingen meine pilgernden Schritte richtete. Mitten unter seinen fleißigen Arbeiten fanden wir den trefflichen Herrn Andrich in einem geräumigen Zimmer, das in der Frontseite deS Palastes angelegt war, etwa im Centrum des großen Porticus, der einst diese Frontseite zierte und dessen Pfeiler oder Säulen noch in den Wänden dieses Zimmers vermauert stecken. Aus den Fenstern, die jetzt zwischen den Pfeilern eingesetzt sind, genossen wir eine herrliche Aussicht auf deu Hafen und das Meer. Ohnc Zweifel hatte hier der kaiserliche Eremit seine schönsten Zimmer und seine eigenen Wohnstuben. In der That verlegte auch Adam alle seine prächtigen „I^zplian IIci!l5," „l>»l'inU,ign" und ,,^vxi-06!iu Ilallg," seine „I5xoclr»o" (Conversationszimmer) „^aä^wi-in" (Toilettenzimmer) und warmen und kalten Bäder hierher. Ich hätte besonders gern gewußt, wo hier des kaiserlichen Einsiedlers Schlafzimmer gewesen sein mag. Adam hat darüber eine Hypothese, die aber wenig Wahrscheinlichkeit für sich haben soll. Der Jupiterttmpcl. Nachdem wir die Arbeiten uuseres Freundes, deren Publicirung der ganzen gelehrten Welt gewiß vom höchsten Interesse sein wird, und denen wir daher einen gedeihlichen Fortgang und die nöthige Protection von Seiten Das Penslyliimi. 127 des Gouvernements von ganzem Herzen wünschten, beschaut und bewundert hatten, fuhrt« man uns vor allen Dingen zu den größten und beßteonservirten Monumenten von Spalato, zn den sogenannten Tempeln des Jupiter und Aesculap und zu dein prachtvollen Peristylium in der Mitte zwischen ihnen. Diese Gebälidc liegen ungefähr im Centrum der Stadt, d. h. dcs Palastes, nur etwas der Frontseite genähert. Das Peristylinm isl so zu sagen das Allerheiligste des jetzigen Spalato; denn das Parallelogramm, das seine herrlichen Säulen und Bogen umfassen, wnrde gleich von vorn herein von der neuen in den Palast einziehenden Gemeinde zu ihrem Domplatze (?in/./n äol Ounmn) erkoren nnd daher frei von Gebäuden erhalten. Auch wurden die Säulen und ihre Bogen wundervoll conscrvnt, da mail sie gleich als fertige Frontispiee zu deu Hänsern, die man hinter ihnen und zwischen ihnen einklebte, benutzte. Unter diesen Häufern sind einige für öffentliche Zwecke, ein Podcsta-Gebäude, ein Kaffeehans u. s. w. Der Platz ist mit großen Quadern gepflastert, wie ein großer Saal, und er allein bietet einen Anblick dar, der einzig in seiner Art ist. Gerade aus nach Süden schaut man durch mehre Thore und Thüren in die sogenannte Rotunda oder das Vestibulnm. Zur Rechten, ebenfalls durch mehre Säulenbogen und Thore, eröffnet sich eine Perspective zu dem tief versteckten Tempel des Acscnlap. Zur Linken aber führen Stnfen und Hallen, denen auf ihrem wohleonservirten Postamente eine Sphinr zur Seite liegt, zu dem Eintritt in den Tempel dcs Jupiter. Dieser Tempel ist entschieden die Krone des Ganzen, 128 Der Porticus dcö Iuvitertempels. Der Campanile. und es giebt wohl in der ganzen Christenheit wenige Heidentempel, die so schön erhalten nnd zugleich auf eine so überraschend malerische Weise in dem Organismus einer jetzigen Stadt verklebt und verdaut sind. Er bildet ein Ottogon von den gefälligsten Proportionen, in dem der ganze Kern bis zu den obersten Gewölben und bis zu dem achtzipfeligen Dache noch heute so dasteht, wie er vor fünfzehnhundert Jahren hingestellt wurde. Auswärts läuft um dieses Ottogon eine freie Colonnade von korinthischen Säulen rings herum. Diese Colonnade, die mit ihrem Gebälk etwa bis in die Mitte der Tempelhöhe hinaufreicht, und auf der ehemals ein ganzer Kranz schöner Statuen gestanden haben soll, ist jetzt der am meisten zerstörte Theil des Tempels. Die Statuen sind überall verschwunden, das Gebälk ist größtentheils heruntergeworfelt. Viele Säulen sind zerstört, die meisten stehen indeß noch aufrecht, und man kann noch in dem Ganzen selbst, sowie größtentheils rings um den Tempel herumgehen. Acußerst malerisch uud interessant sind die Einblicke, die man von diesem Porticus aus in das Gcwirre alter Trümmer und neuer ans ihnen entstandenen Gemäuer gewinnt. Ein Theil dieses Porticus wurde wahrscheinlich erst bei der Gelegenheit zertrümmert, als die Spalatiner ihren großen Campanile neben den zu einer Kirche verwandelten Tempel hinsetzten. Dieser Campanile ist so zu sagen wie eine Mosaik ganz aus Alterthümern zusammengesetzt. Die meisten Steiuc dazu sollen die Spalatincr aus Salona geholt haben, doch mochten sie natürlich auch manche benutzen, die sich ihnen innerhalb des Palastes selbst darboten. Vs sind darunter Quadersteine, Säulen II Duomo cli San Doimo. f 29 und Säulchen und Knäufe aller Art; unter anderen, wie ich schon obcn andeutete, auch mehre merkwürdige In-schriftssteine, die als historische Documente besser in einem ' Archive als in einem Glockenthunne steckten. Wir bestiegen diesen merkwürdigen Thurm, von dessen Spitze herab man einen schönen Ueberblick von Spalato selbst und der ganzen Umgegend gewinnt. Wir sahen von hier ans den ganzen Plan des Palastes in der Vogel-perspective, noch einmal die itivioia cloi <ül,8lol!i^ Clissa, und nach der Meeresseite hin die Inseln Brazzo, Solta, Bua und ganz in der Ferne das schöne Lissa. Endlich traten wir in den „'I^mpia (li <^iav«^ selber ein. Jetzt heißt er „il llnomo äi 8iin Onima" (die Kathedrale des heiligenDoimus), welcher Heilige ein Schüler dcs Apostels Paulus und der erste Prediger des Christenthums in Salona gewesen sein soll. Die Salonitaner nahmen seine Verehrung und sein Andenken mit in den Diocletianischen Palast lnnüber, hielten ihn bis auf den heutigen Tag als ihren Hauptheiligcn fest nnd widmeten ihm den Tempel dcs Jupiter. Das Innere dieses Tempels besteht aus zwei über-einandergesetzten Stockwerken und einer darauf gedeckten Kuppel. Das erste Stockwerk — weiln ich mich dieses Ausdrucks bedienen darf — bilden acht schöne große korinthische Sänlen, die, zu den Seiten rings herumstehend, ein Gesimse oder Gebälke tragen, das in der Mitte der Tcmpclhöhc einen Umgang darstellt und einem Kranze ähnlicher, aber tlcincn Säulen zur Basis dient/. Dieser zweite Säulenkranz trägt oben das Gesimse, auf ^ das die Kuppel gestützt ist oder wenigstens gestützt zu Kohl, Reist in Dalni.Uicn. l. !) <30 Vermischungen des Neuen mit dcm Alten. sein scheint. , An der inneren Wand hinter den Knäufen dieser oberen Säulenreihe läuft eine Arabeske von Iagd-scencn in Hautrclief hernm. Es sind Genien, welche Pferde und Hunde tummeln, Löwen, Hirsche, Ziegen erlegen, und von denen zwei das Portrait eines weiblichen Kopfes cmporhalten. Manche haben aus diesen Reliefs geschlossen, daß der sogenannte 7l!Ms>io 6i (^invo nie dem Jupiter, sondern vielmehr der Diana oder der Cybele gewidmet gewesen sei, worauf Andere aber entgegnet haben, daß solche Iagdscenen zur Verzierung auch wohl in den Iupitertcmpeln vorkämen, sich zugleich auf eine gewisse Statue beziehend, die man aus diesem Tempel hervorgezogen habe und die den Jupiter darstelle. Diese Statue soll sich noch vor längerer Zeit in Venedig befunden haben. Der Kaiser Constantinus Porphyrogenncta versichert irgendwo, daß weder ein Gemälde, noch eine Beschreibung eine entsprechende Idee von der Pracht und Bauart des Diocletianischen Palastes geben könne. Wenn dieß zur Zeit jenes byzantinischen KaiserS schon der Fall war, so trifft dieß jetzt noch viel mehr zu, da nnnüberall auf dieGrundlage der alten die Neubauten sich aufgesetzt haben, wie Austern auf dem Rücken einer schönen farbigen Muschel. Namentlich sind hier im Dom des heiligen Doimns die Vermischungen des Nenen mit dem Alten hie und da äußerst manch-faltig und überraschend. Sehr malerisch ist z. B. die Orgel mitten zwischen die alten Capitäler der korinthischen Säulen eingeklebt, die zum Theil mit ihren Köpfen aus bey Orgclreihcn hervorblicken, zum Theil von ihnen verdeckt werden. Die Nischen und Wölbungen unten sind Die Kuppel des IupitertempelS. 13 l in christliche Capcllen verwandelt. Die Alten hatten keine Fenster in dem Gebäude, in das nnr durch die Thür etwas Dämmerlicht einfiel. Die Christen haben jetzt aber anch Fenster dnrch die Mauern gebrochen. Die Kuppel des Tempels ist von innen ans lauter tot-l-li ! — Ich habe seitdem es nie satt bekommen, alle die verschiedenen Ansichten, Risse und 9. 132 Ciuchich'S Nachbildung des Iupitettempels. Durchschnitte, die Adam, Easas und andere Forscher von dicsein Tempel entworfen haben, zu betrachten und nachzusehen. Aber obwohl er allerdings der beßte Theil ihrer Darstellungen ist, so habe ich sie doch alle weit unter der Wirklichkeit und tief unter den Impressionen, welche man an Ort nnd Stelle von den wundervollen Scenen empfängt, gefunden. Es ist hier, wie gesagt, noch ein ganz offenes Feld auch für einen geschickten Maler, der sich hierher begeben und in Spalato Lorbeeren pfllickcn wollte. Es ist mir unbegreiflich, daß solche Maler, wie Canale und Eanaletto, die doch Venedig so oft darstellten, das nahe Epalato so ganz vernachlässigten. Die hübscheste und treneste Nachbildung des Iupiier-tcmpels sah ich bei einein Schullehrer in Spalato, zu dem mau uns führte. Dieser fleißige und für die Alter^ thnmcr seiner Stadt glühende Mann hatte das besagte Gebäude in Pappe, Thon, Holz nnd einigen anderen Stoffen nachgebildet nnd zwar so, wie es etwa znr iltömer-zeit sich darstellen mochte, dabei so treu, so sauber und zierlich, daß es eine Freude war, dieses tlcine Kunstwerk anzuschauen, das er gern ans die Londoner Industrieausstellung gesandt hätte. Man konnte die einzelnen Theile leicht anseinandernehmen und wieder zusammensetzen und sich genau von der Bauart und Einrichtung des Ganzen überzeugen*). *1 Sollte irgend ein Beschützer und Liebhaber der Künste dieß lesen und nach jenem Tempelbilde Verlangen tragen, ft' erlaube ich mir, ihm die Adresse des besagten SchnUehrcrs zu geben. Cie tfl: (Üiovanni Ciuchich, Maestro del la J. H- Capo SciioJa tli Spalalo. Batüstnrio di San Giovanni. J33 Das Mausoleum dcs Diocletian. Dem Iupitertempel gegenüber liegt, wie gesagt, der sogenannte Aesculaptempcl. Wie gern geht man noch einmal die alten Tempclstufen hinab, bei der noch älteren Sphmr vorüber, die wie ein schr trencr Hund ganz unversehrt und uuverrückt auf ihrem Postamte liegt, wieder quer über das schöne Peristylium hinweg und durch mehre Bogen und enge Gänge zu dem schon von Weitem eutgegenwinkendeu Monumente hin, das auf einem hoheu Sockel mitten zwischen den henlin-gcbauten Spalatinischcn Bürgcrwohnungen da liegt, wie ein Grabmal in einem ringsumher aufgeschossenen Walde. Gs ist ein kleines, aber so dickmaurig und solid gebautes Haus, das; man glauben sollte, die Nomer hätten dabei schon an Bombeufestigkeit gedacht. Zwölf Stufen führen zu dem großen uud mit reicher Seulptur verzierten Eingänge hinauf. Rechts und links stehen Bruchstücke von Säuleubogen und Steine mit eingemeißelten Reliefs. Oben auS dem äußerlich zerstörten Dache wächst höchst unförmlich und unharmonisch wie ein lauger Schornstein ein später aufgesetzter christlicher Campauile heraus. — Im Iuneru ist das Gebäude jetzt zu einer christlichen Taufeapelle (l^llinwi-m cli 8:m Niavimm) umgewandelt. Die Mciuung, daß die jetzige Kathedrale deS heiligen Doimus ehemals ein Tempel des Jupiter ^ewcseu sei, stützt man noch insbesondere durch die Anführung dcS 1Z4 Aesculaptempel oder Grabmal? Umstandes, daß Diocletianus sich .lovi^8 (der Iovische) genannt und jenen obersten Gott zn seiner persönlichen Schutzgottheit gewählt habe, wcschalb cr ihr auch vor allen Dingen seine größte Palastcapellc habe widmen müssen. — Die alte Tradition, daß das jetzige N-mw-t^rin (li 8un (iit>vi,nni ehemals ein Aescnlaptcmpcl gewesen sei, hat man noch durch die Hervorhebung des Umstandes wahrscheinlicher zn machen gesucht, dasi Diocletian sich keiner sonderlichen Gesundheit ersreut habe und um sein Wohlbefinden sehr ängstlich besorgt gewesen sei, weßhalb er sich veranlaßt gesehen habe, vor allen Dingen auch dem Aesculap, dem Gott der Medicin, ein Heilig-thum in seiner Eremitage zn bauen. — So wie man aber in dem sogenannten Iupitertempe! aus dem oben angeführten Vasrelief geglaubt hat schließen zn können, daß dieser Tempel keineswegs ein Iupitertempel sei, so hat Ulan neuerdings nun auch in dem sogenannten Acscnlaptemftel ein anderes Basrelief in Erwägung, gezogen und daraus geglaubt beweisen zn können, daß jenes Gebände keineswegs ein Aesculaptcmpel, ja überhaupt gar kciu Tempel, sondern vielmehr nichts weniger und nichts mehr als das Grabmal des Kaisers Diocletian selber sei. Diese merkwürdige und interessante Vermuthung haben zwei dalmatische Alterthumsfreundc, I),. Lanza in Zara und der schon genannte Herr Andrich in Spa-lato, aufgestellt uud sie durch ihre Entdeckungen und Auslegungen so wahrscheinlich gemacht, daß man sie kaum mehr als bloße Vermuthung bezeichnen kauu, und daß man sich in der That schmeicheln darf, wo nicht die Schlafkammcr, doch die Gruft des großen Kaiser wirklich entdeckt zu haben. Beide genannte Herren, die übrigens Die entdeckte Kaiserkrone. 1I5 in den Details ihrer Meinungen und Auslegungen von einander etwas abweichen, lernte ich persönlich kennen. Sie hatten die Gute, mir ihre Ansichten zn erpliciren und mir anch einige Aufsätze, die sie über diesen Gegenstand abgefaßt Wttcn, mitzutheilen. Und wenn ich sie recht verstanden habe, so. verhält es sich nun der Hauptsache uach damit so: Die Meinnng, daß das in Frage stehende Gebäude ein Aescnlaptempel sei, beruhte auf bloßer Tradition und ans jener Ueberlieferung von der kränklichen Acngst-lichkeit des Kaisers in Bezug auf seine Gesundheit. In dem Gebäude selber war nichts, weder eine Inschrift, noch eine Statue oder ein Relief, das auf den Aesrulap hingedeutet hätte. — Die Frage, was daS Gebäude sei, blieb also für den Gelehrten ganz unentschieden. Einer derselben, der das Gebäude oft in seinen Theilen beobachtete nud untersuchte und über seine Bedeutung nachdachte (wenn ich mich reckt erinnere, war dieß Herr Andrich), entdeckte darauf im Jahre 1846 in dem Giebel auf der Rückseite dcs Tempels ein Basrelief, das bisher ganz uubeachtet geblieben war, vielleicht weil es zu klein und in großer Höhe angebracht oder vielleicht weil eS mit Un/raut bewachsen war. Bei näherer Betrachtung zeigte es sich, daß dieses Basrelief eine große Kaiserkrone vorstellte. Vine Kaiserkrone auf der Außenseite eineS Tempels? Dieß wäre eine sonderbare und sonst nirgends vorkommende Erscheinung gewesen. Anf den Grabmälern der Kaiser kommen dagegen gewöhnlich solche Kronen vor. Man sprach nun mit ziemlicher Sicherheit die Idee, die man indeß anch schon früher als Hypothese gewagt hatte, aus, daß in dem besagten Monumente kein Aes< 136 Gründe für das Grabmal. culaptcmpcl, sondern vielmehr das Grabmal des Diocletian erblickt werden müsse. Wir wissen mit Bestimmtheit ans den alten Schriftstellern, daß Diocletian wirklich innerhalb seines Palastes gestorben ist. Auch wird es aus diesen Schriftstellern sehr wahrscheinlich, daß dcr Kaiser ebenfalls innerhalb seines Palastes begraben ward. Wie sollte er sich anch anderswo haben begraben lassen? Er bante ja seinen Palast fast wie ein colossales Kloster, in dem er sich gewissermaßen schon bei seinen Lebzeiten begrub. Er wollte ja gerade hier auf seinem beimischen Nodcn sein Leben beschließen, und wo hätte er sich daselbst wohl natürlicher seine Ruhestätte wühlen können als innerhalb seines Palastes? Da Diocletian häusig an den Tod dachte, so häufig, daß er sich sogar am Ende selber den Tod gab, so ist es wahrscheinlich, daß er anch schon bei seinen Lebzeiten sich seine Grabcapelle baute, und diese wird er natürlich, um sie mit der ganzen Umgebung in Harmonie zu sehen, nicht klein nnd unsolid gebaut haben. Ein Eremit, dcr seine Schlafgemächer, seine Badezimmer, seine Speisesäle u. s. w. so brillant einrichtete, wird auch seine bleibende Ruhestätte in demselben festen und prächtigen Style eingerichtet haben. — Es wäre demnach ein Wunder, wenn das kaiserliche Grabmonument ganz ans dem Kreise des Palastes sollte verschwunden sein, und doch finden wir hier keine Spur einer anderen Nuine, die wir dafür nehmen könnten. Die Grabstätten der großen und mächtigen Männer pflegen nicht nnr ihren nächsten Erben uud Nachfolgern, sondern auch deu zerstörenden Barbaren besonders heilig zu sein. Von den ägyptischen, von den persischen Kai- Gründe für das Grabmal. 437 sern und von vielen anderen Gewaltigen haben wir noch heutiges Tages, wenn sonst nichts, doch ihre Grabmäler. Diefc genießen fast dieselbe Achtung und Heiligkeit wie die Tempel, und es ware doch wunderbar, wenn die Avaren und die anderen Barbaren, welche Salona und den Palast heimsuchten, die Tempel und vieles Uebrige unversehrt gelassen, gerade das Grabmal aber zerstört hätten. Derselbe Grund' einer gewissen traditionellen Heiligkeit der Gräber spricht anch dafür, daß die Salo-nitaner, als sie innerhalb des Palastes zu bauen anfingen, sich mit ihren Privatanbauten von dem Grabmale des Kaisers eben so in einer gewissen respectvollen Entfernung hielten, wie von den Tempeln, und dasi sie es vermuthlich nicht in eine Privatwohnung verwandelt oder uutcr ihre Häusennanern versteckt haben. — Betrachtungen dieser Art mochten also die Gelehrten veranlassen, in einem der cnstirenden Gebände das verloren gegangene Dioclctianische Grabmonument zn suchen, und bei Entdeckung der besagten ^m-omi iinpeli^li» am Giebel des sogenannten Aesculaptempels glaubten sie daher mit großem Rechte, in diesem dasselbe gefunden zu haben. Es ist auch sonst nichts, weder in der Bauart noch in der Position des Geda'ndes, waS nicht mit jener Annahme, daß es ein Grabmonumcut sei, in Harmonie stände. Als ein Grabmonumeut ist es zwar groß, für emeu Tempel aber ziemlich klein. Es ist, wie ich schon sagte, sehr solid und fest gebaut, mit nngemein dicken Mauern. Die Dicke beider Seitenmaueru zusammengenommen betragt fast so viel, wie die Breite des inneren Ranmcs. Dieß giebt ihm trotz seiner Ansschmückung mit brillanten Scnlpturen etwas Ernstes und Gravitäti- 138 Drr Sarkophag schcs, wle man es Grabmonnmentcn zu geben liebte. Kennt man Tempel mit so nnverhältnißmäßig dicken Mcincrn? Die Manern der beiden Tempel von Pola, die sonst im Plane dem in Frage stehenden Gebäude sehr gleichen, sind bei Weitem dünner, Anch die Bedachung ist der eines Grabmals entsprechend. Vorn nnd hinten sind zwar zwei Gicbcltriangel, aber das Mittelstnct stellt ein halbkreisförmiges oder tonnenartiges Gewölbe dar, wie es bei Tempeln seltener, bei Grabmonnmeuten aber bänftger ist. Endlich aber, und dicß ist nnn eigentlich das Interessanteste, liegt vor dem Oebändc ein großer Sarkophag mit Basreliefs auf seinen vier Seiten, in denen man sehr merkwürdige Anspielungen auf Ereignisse in dem Leben des Kaisers zu entdecken glanbt. Auf der einen Langseite des Parallelogramms, die ich der Kürze wegen No. ! nennen will, steht in der Mitte als Hanptsignr ein junger Mensch, der Säcke' oder sonst eine schwere Last, unter der er sich bückt, trägt. Ihm zur Rechten befinden sich mehre Nebenfiguren, zur Linken Hnnde, die an einen Vanm hinanspringen, als verfolgten sie eine in seinen Zweigell versteckte Katze oder ein Eichhörnchen. Auf der sich anschliesienden Kurzseite des Parallelogramms (No. ll) steht in der Mitte ein kräftiger Mann, in der Blüthe der Jahre mit seinem Pferde, das er am Zügel hält. Vor ihm aber sitzt auf einem Steine eine Frau, die ihn anblickt, und die, darnach, sowie nach der Handbewegnug, die sie macht, ;n schließen, ihm etwas zu erzählen scheint. Auf der folgenden Langseite (No. Ill) ist in der mit seinen Basreliefs, 139 Mitte die Figur eines Kriegers, der mit der Lanze gegen einen (5bcr anslegt. Hunde und zwei Reiter kommen ihm von dcr Rechten zu Hilfe, so wie auch ein Freund ihm auf der Linken zur Seite steht und ebenfalls nach dein Eber einen Streich führt. Eine Figur neben dem Cber scheint in klagender Stellung die Hände zu ringen. Endlich in der Mitte der letzten Kurzseite (No. lV) steht wieder in gebietender Stellung ein Mann, mit einem Mantel bekleidet, ihm zur Seite ein treuer Hund, der sich, ihm die Hand leckend, au ihm emporrichtet, wie Hunde dieß nach Veendiguug der Jagd ihren Herren zu thun pflegen, ringsumher mehre andere müssige Figurcu. In diesen Basreliefs hat man nun früher entweder gar nichts gesehen, oder »nan hat gedacht, es sei hier die ^'berjagd des Mcleager dargestellt, die ans der gricchi^ scheu Mythologie belalint genug ist. Der hier auf der Laugseite No. M dargestellte t5bcr, so glaubte man, sci jenes llngcthüm, welches die durch Opfern nterl a ssuug beleidigte Diaua dem Calydonischen Könige Oencus und seinen Unterthanen sandte, und welches, um seiueu Vater und sein Laud zu retten, dcr junge Königsohn Melcager erlegte. Nach dieser Auslegung sollten dann die beiden cchengenaimten Reiter die Dioskuren (5astor uud Pollur und die übrigen Figuren diejenigen griechischen Helden vorstellen, welche Meleager zur Cberjagd eingeladen hatte. Die Darstellungen auf den auderen Seiten i, II und IV deutete mau dann auf andere Ereignisse in der mmln'schen Lebeusgeschichte des Meleager. Der Umstand von drr entdeckten Kaiserkrone und die anfgelcbte Idee, daß der Tempel des Aescnlap das Grabmal Diocletian's sei, brachte nun die genannten 140 Dcr Sarkophag Herren darauf, eine ganz andere Anspielung in jenen Basreliefs zu finden, nämlich darin eine Lebensgeschichte des Kaisers Diocletian selber dargestellt zu sehen. Diocletian war bekanntlich von sehr geringen und armen Aeltcrn geboren, lind in seiner Jugend mußte er vielleicht manche schwere Dienste verrichten. Vielleickt sollce diese seine Ingeud auf No. l. dargestellt werden, nnd vielleicht soll der Säcke schleppende junge Mensch im bescheidenen St'lavenkleide niemand Anderes sein als der junge arme Schreibcrssohn Cajus. Wahrscheinlich flogen aber schon damals unter den Mehlsäcken seine Gedanken hoch, und vielleicht sollte dieß durch die Hunde angedeutet werden, welche nach den Vögeln oder Eichhörnchen in den Baumzweigen aufspringen. Nachdem er in Soldatendicnste getreten und General geworden war, kam er auch nach Tongern ill Belgien, wo ihm ein prophetisches Weib geweissagt haben soll, daß er einmal Kaiser werden würde, aber nicht eher, als bis er einen Eber (^pi-um) erlegt habe. Diese Weissagung ist vielleicht ans Nr. II. dargestellt. Diocletian mochte die Prophezeiung nicht vergessen haben, aber es gelang ihm nicht, auf einer Jagd einen ^prum (Eber) zu erleben. Auf einmal jedoch sah er sich einem.V^l n wunderbar gegenüber, nämlich dem römischen Feldherrn Aper, der einer der Hanptgenerale des Kaisers Numericmns, vermuthlich auch ciner der Hanpturheber des Todes dieses Kaisers war. Nnmcrian, so lautet die Erzählung, wurde, weil er krauk war, auf dem Marsche in einer verschlossenen Sänfte getragen. Die gegen sein Leben Verschworenen tödtcten >l)n in derselben und ließen ihn noch einige Tage darin liegen, indem sir dem Heere mit seinen Basreliefs. 141 ! dm Tod des Kaisers verheimlichten, vermuthlich weil sie lhre Angelegenheiten noch nicht gehörig gereift hielten oder unter sich noch nicht über das, was erfolgen sollte, einig waren. Die Sänfte mit dem kaiserlichen Leichnam wurde eine Zeit lang in derselben Weise fortgetragen, als wenn der Kaiser noch lebte. Endlich aber machte, wie es heißt, der Geruch des Leichnams die Soldaten aufmerksam, sie rissen die Sänfte auf, entdeckten das Geschehene, und es entstand ein Aufruhr, der sich hauptsächlich gegen den Aper, als den vermeintlichen Haupturheber der That, wandte. Diocletian, der sich nun vielleicht der drnidischen Prophezeiung criuuerte, einen leicht zu saugenden Aper vor sich sah und die Gelegenheit günstig sand, stellte sich an die Spitze der Malcontenten, beschuldigte den Aper geradezu des Kaisermordes und tödtete ihn im Angesichte des ganzen Heeres, das ihm Beifall klatschte und ihn bald darauf zum Imperator ausrief. Äuf dieses Ereiguiß ist vielleicht die Eberjagd auf Nr. III eine Anspielung. Das Basrelief auf Nr. IV, wo die Figur in be-fehlcndcr ruhiger Stellung, mitten in einer Nmgebung müsstger Männer, blos; von einem treuen Hunde geschmeichelt, dasteht, ist vielleicht eine Darstelluug des Ebcrjägers, der seine Jagd beendigt, seinen Zweck erreicht hat, ich meine des Dioclctiamis, der Kaiser geworden ist. Es ist übngeuS nicht nothig, anzunehmen, daß Diocletian schon gleich von Anfang herein diese Arbeit von einem Künstler, so wie wir sie jetzt sehen, als eine symbolische Darstellung der Hauptmomente seiner Lcbcns-geschichte habe ausführen lassen. Vielmehr ist es möglich, 142 Der Sarkophag. daß die besagten Basreliefs ursprünglich wirklich etwas AndcreS bedeuten und namentlich wirklich die Geschichte des Meleager darstellen sollten. Die Blüthe der Kunst war znr Zeit des Diocletian schon merklich im Abnehmen begriffen, und wir wissen, wie schon dieser Kaiser von verschiedenen Orten her fertige Knnstgegenstcinde herbeibringen ließ, nm damit seinen Palast zu schmücken. Es ist daher auch nicht unmöglich, daß dieser Sarkophag ursprünglich ganz anderswo stand, wo seine Basreliefs wirklich die Jagd des Meleager bedeuten sollten, daß aber Diocletianuö, als er ihn sah und von der Aehn-lichkeit der dargestellten Scenen mit einigen Ereignissen seines Lebens frappirt wurde, ihn hierher schaffen ließ und zu seinem Sarkophag bestimmte, indem er jene Scenen nur anders und zwar so auslegte, wie wir es zu thun versucht habeu. Es war ja im Alterthum nicht selten, daß die Kaiser und Großen sich mit den Göttern und Halbgöttern identificirten, in den Mythen mystische Anspielungen oder Vorbildungen ihrer eigenen Lebcnsschicksale fanden und daher auch Götterstatuen die Bestimmung gaben, ihre eigenen kaiserlichen Bildnisse zu sein. Jetzt nimmt der besagte Sarkophag eine sonderbare Stellung ein. Er steht nämlich in einiger Entfernung vom Tempel neben den Stufen der Treppe, die zu diesem hinaufführt. Allerdings laßt sich ja aber deuten, daß er früher wirklich innerhalb des Tempels oder Grabgewölbes selber gestanden habe, und daß die Christen ihn erst herausschafften, als sie dieses Grabgewölbe in eine Tauf-capelle verwandelten. Uebrigens steht noch ein zweiter, Souterrain. I^Z kleinerer und senlptnrenloscr Sarkophag vor dem Tempel, nahe bei seiner Thür*). Die Substruction« des Palastes. Wie interessant wäre es für nns, wenn wir noch das Archiv des alten ursprünglichen Spalato aus dem siebenten nnd achten Jahrhundert hätten nnd darin die Decrete und Senatusconsulte der ersten sich etablirenden Spalatinischen Commune über die Verwendung und Bestimmung der verschiedenen Abtheilungen des Palastes finden könnten. Aber dergleichen Leckerbissen zn finden, wird einem Historiker selten beschieden. Die gefräßige Zeit hat solche Delicatessen alle aufgefressen und gefällt sich darin, uns in der Dunkelheit hernmtappen zu lassen. Aber freilich in Spalato gewährt anch schon dieses Hcrum-tappen seine besonderen Genüsse. Man führte uns noch in ein wunderliches Souterrain hinab, von dem ich mich aver nnr der großen Steinblöcke, ans denen es zusammengesetzt war, und des Wassers, welches unten seinen Boden bedeckte, erinnere, ferner durch die Ruinen der Notunda oder des Vestibulums, von dem ich aber auch zu wenig aufgcfaftt habe, um von seinem jetzigen Zustande eine treue Schilderung geben zu können. Adam *) ssarlati m seinem Werke: „Illx"» »lmi-n" citirt ciuen ge: wissen Maruovitius, welcher behauptet habe. baß des Kaisers Dio-llttianllS Leichnam zu seiner Znt (im sechsten Jahrhundert) in einem der Thürme auf der südlichen Seite des Palastes aufgefunden worden sei. 1^4 Der Hasen-Quai. giebt eine prachtvolle Zeichnung von dieser Rotunda, wie sie seiner Vorstellung nach einst ausgesehen haben soll. Hinter ihr kommt man wieder in engeGäßchen und auf den Marktplatz der Stadt hinaus. Dieser Marktplatz ist ein Theil des großen Palastsaales, den Adam ,M-8>li^i! 0l' Ilumn l«!' irni8lNlI iM(1 tll'amülic.il onloilain-luont.«^ nennt. Die Frontseite der Häuser zu beiden Seiten des Platzes sind vermuthlich die ehemaligen Wände jenes Saales oder doch Theile dieser Wände, durch welche Fenster lind Thüren hindnrchgebrochen wurden. Ueber ven Marktplatz kamen wir durch eins der Eeethore gleich wieder hinaus in's Freie au die Marina oder den Hafen-Quai. Vermuthlich beruht auch dieser Hafen-Qnai, sowie seine Molos, aus alten Diocletianischrn Vasamenten. Natürlich konnte Diocletian nicht umhin, das Seeufer, an das sein Palast bis auf wenige Schritte Entfernung hiuantral, zu befestigen und mit in den Plan seines Gebäudes zu ziehen. Auf der oben von mir erwähnten alteu Abbildung dieses Palastes, die sich, wie ich sagte, in dem Archive der Spalatinischen Kathedrale befindet, ist anch das ganze breite User als ans regelmäßigen Quadersteinen gebaut dargestellt. Auch laufen von ihm vier kleine, aber scheinbar sehr solide Molos in's Meer hinaus, die wahrscheinlich zum Anlegen der Schiffe, welche die Bedürfnisse des Palastes herbeiführten, bestimmt waren. Vermuthlich waren sogar diese MoloS nnd Uferbefestigungen der Theil des Ganzen, nnt dem Diocletian den ersten Ansang machte. Denn nicht nur nachher mußten der Palast und seine Bewohner sich von der Mecresseite Die Gewölbe des Palastes als Waarenmagaznie. >45 her mit dem Nöthigen versehen, sondern auch schon die meisten Baumaterialien zur Errichtung des Palastes selbst kamen von vorn herein über's Meer. Die beßten und vornehmsten Steinbrüche dieser Gegenden, aus denen nicht nur der Palast des Diocletian, sondern auch die ganze Stadt Salona, sowie die Marmorsteine zu der Kathedrale des benachbarten Trau größerntheils hervorgingen, liegen nämlich ans der nahen Isola Brazza. Wer in Spalato einige Zeit zu verwenden hat, sollte es nicht versäumen, diese Steinbrüche auf Brazza zu besuchen. Längs der vorderen Palastseite, parallel mit dem Meeres-ufcr, haben sich, wie ich schon sagte, viele kleine Häuser angeheftet. (5s sind Kaffeehäuser, Raseurbuden, Kramläden, Hafen-Bureaur und dann auch Waarenmagazine. Diese letzteren haben sich nicht damit begnügt, sich bloß an die Palastmaucrn anzuheften, sondern sie haben dieselben auch durchbrochen und sind in die Souterrains des großen Hauses eingedrungen, in denen sie ihre Waaren aufstapelten. Man zeigte un.s in einigen dieser Magazine die schönsten alten Substructiouen, äußerst wohlerhaltene Gewölbe, die wir jetzt zum Theil mit Weinen von den Inseln, zum Theil mit Holz von Cur-zola und Meleda, zum Theil mit Getreide aus Odessa — die Hälfte, ja zuweilen mehr als die Hälfte des ihm nöthigen Getreides bezieht Dalmatien vom schwarzen Meere, das ihm so nahe Ungarn nnd das über Dal-matien gebietende Oestreich und Deutschland können hier nicht mit diesem so entfernten Auslande concurrire» — begreift man das! — also, wie ich sage, auch mit Getreide aus Odessa gefüllt fanden. Kohl, Rciic in IXUmaticn, I, 10 1^6 Die Substructions der Meeres- und der Landseite. Gs ist sehr auffallend, daß sowohl Adam als Cassas von diesen merkwürdigen Substtumonen des Palastes nicht die geringste Notiz genommen zu haben scheinen. Sie geben weder eine Darstellung, noch einen Riß von ihnen, noch cmch erwähnen sie dieselben nnr einmal. — Mein oft erwähnter Freund, Herr Andrich, hat ihnen aber jetzt seine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Er sucht sie alle kennen zu lernen und Risse von ihnen aufzunehmen, was keine geringe Mühe ist, da die Privateigenthümer dieser Gewölbe, nicht immer ein Eintreten und Erforschen gestatten, da zu Privatzweckcn und beqnemcn Abtheilungen auch hier unten Mauern gezogen und Umbauten vorgenommen worden sind, und da manche Gewölbe im Innern wohl ganz eingestürzt sein mögen. Jedenfalls ist zu hoffen und zu erwarten, daß eine Vervollständigung des Planes dieserSubstructionen unsere Kenntniß von dem Palastbau nicht wenig bereichern und berichtigen werde. Vlnd viele Liebhaber und Kenner Spalato's halten es für sehr wünschenswerth, daß eine eigene Summe bewilligt werde, um den Nachgrabungen, den Durchbrüchen und dem tieferen Eindringen in diese Gewölbe etwas mehr Nachdruck zu geben. Vorzüglich bedeutend scheinen diese Souterrains unter dem Hauptflügel des Schlosses nach der Mecrcsseite hin zu sein. Die Flügel, welche landeinwärts liegen, befanden sich schon von Haus aus auf höherem, trocknerem und festerem Boden und bedurften so vieler Substructions nicht. Doch ist es möglich, daß auch hier sich dergleichen finden, uud daß sie nur durch die größere Anhäufung von Erde und Getrümmer, die dort stattgehabt hat, mehr gefüllt und verdeckt sind. Da £ie Porta mirala. 147 auf der Vorder- oder Marineseite des Palastes Handel und Waarenvcrkehr seinen Sitz aufschlug, so lag es hier immer im Interesse der Leute, alles Erdreich und allen Schmu; so viel als möglich wegzuschaffen und die benutzten Souterrains offen zu halten. Auf der Nordoder Binnenlandseite aber, wo Winzer und Gemüsegärtuer sich anbauten, ließ man sich eine solche Anhäufung von Schmuz und Erdreich lieber gefallen, weil darauf etwas gepflegt werden konnte, und so verstopfte sich hier Alles. Die Thore w Palafteg. Iu den vornehmsten Stücken, die ein Fremder an dem Diocletianischen Palaste zu beachten hat, gehören vor allen Dingen noch die Thore oder Eingänge desselben, deren es an jeder Seite eins giebt. Das vornehmste dieser Thore, das sogenannte goldene Thor, die ,,l'm-w uul-l,^- oder „«mru^, lag uach Norden ill der Mitte des Palastflügels, der dem Binnenlande und Salona zugekehrt war. Es ist viel reicher ausgeschmückt als die übrigen Thore. Unten ist ein viereckiger Durchgang, über demselben ein nut Sculpture« verzierter Bogen. Noch weiter nach oben und zu den Seiten sieht man Nischen mit Statuen und zwischen, sowie über diesen Nischen einen reichen Kranz zierlicher Säulen uud Bogen, von denen noch heutiges Tages mehre unversehrt dastehen oder hängen. Durch dieses Thor kam man von Salona. Und es war natürlich, daß der Kaiser seinen lieben Landsleuten und Gästen von Salona das Compliment machte, ihnen den weitesten und geschmück-testcn Eingang seines Palastes zuzuwenden. Auch mußte 10* 148 35te l>ort;i auraia. sich eben hier alls der N'ordseite deßwegen das Pracht^ vollste Thor befinden, weil ihm auf der Südseite der prachtvollste Palastslügel, das Hauptcorps-dc-logis gegenüberlag. Dieses letztere, sein großer Potticns, seine säulcnreichen Säle ließen sich obne Störuilg der Harmonie durch einen großartigen Thoreingang nicht wohl unterbrechen. Daher die Zugänge von der Meer- oder Südseite her kleiner und versteckter waren. Bei diesem großen Binnenlandthore fuhren die Equipagen auf, und Gäste, Beamte, Dieuer, Vferde und Wagen vertheilten sich von hier aus in dem Palaste, ein jedes nach seiner Bestimmung. Der Kaiser, dcr mit seiner Hofumgebung im Südsiügel wohnte, durfte dadurch nicht gestört werden. Jetzt kann durch dieses goldeue Thor kaum eiue Maus, geschweige denn eine Equipage mehr durchschlüpfen; denn ich habe schon gesagt, daß sein uutercr Durchgang ganz mit Erde und Steinen verstopft ist. Seine schönen oberen Iieratheu ragen aber noch hoch aus dem Erdreiche hervor. Die Hauptansicht, so wie die Details dieses Thores giebt Adam am bcßten in einer Reihe von Kuvfer-tafeln. Doch hat er weder in seinem Grnndrisse des Palastes, noch sonst wo von zwei großen hohen Säulen gesprochen, die nach derjenigen Abbildung des Palastes, welche ans dem Archive der Epalatiner Kathedrale genommen ist, auf der Biuuenseite dieses Thores standen. Nach der besagten Abbildung, von der ich gar nicht weiß, anf welche ursprüngliche Autorität sie sich berufen kann, waren diese beiden Sänlen das höchste Bauwerk im ganzen Palaste. Sie ragen noch selbst über die Spitze des Iupitertempels und über die Giebelspihc der vier Eckthürme hervor, und auf ihren Knänfen stehen zwei Die I'm'lll so.n'0» und dic I'oNa o<;ne«. 149 colossale Statuen. Diese beiden merkwürdigen Monumente sind jetzt völlig verschwunden, wenn sie überhaupt je eristirt haben, was, wie gesagt, noch bezweifelt werden kann. In der Mitte des West- und Ostflügels des Palastes befinden sich die beiden einfacher construirteu Seiten-thorc, auf jener die sogenannte ,,?oNi» for, ^ (das Eisenthor), anf dieser die „?s»'la lu^non^ (das Bronze- oder Erzthor). Beide Thore scheinen sich in ihrer Construction vollkommen gleich gewesen zu sein, wie dieß denn anch durch die Gesetze der architektonischen Harmonie bedingt wurde, nach welcher den Dingen, bei denen Zweck uud Bedeutuug ganz dieselben sind, dieselbe Construction gegeben werden mnß. Es fehlen bei diesen Thoren der Schmuck der zierlichen Säulen und die für Statncn bestimmten Nischen, lleber ihren Durchlässen stehen drei offene Fenster oder Bogen. Diese sind noch heutiges Tages erhalten, so wie auch Theile von den achteckigen Thürmen, welche diesen beiden Thoren eben so zur Seite standen, wie dem goldenen Thore. Merkwürdiger Weise hat Adam das Erz- und Bronzethor, so wie überhaupt den ganzen Oststügel des Palastes völlig vernachlässigt. Er hat gar keine Ansicht von ihm gegeben, uud dieß ahmt Eassas ilnu nach, als wenn er gar nicht mehr eristirte. Wie nachlässig und vergessen wir Schriftsteller überhaupt zuweilen sind, und wie oft wir dadurch große Verwirrungen austiften, zeigt (5,assas auf der 187teit Seite seines großen Werkes, wo er, wie sich Jeder, der dazu Lust hat, überzeugen kann, eine lange, aber vollkommen falsche Beschreibung des goldenen Thores entwirft, indem er dabri sagt, dieses Thor habe nichts, was seine Bau- 150 Phantastische Benutzung der alten Thorreste. art besonders auszeichne, vor ihm sei aus zierlichen Säulen ein Wachhaus für Soldaten gebaut, sowie ein Mastbanm mit der Flagge des Marcnslöwen errichtet, auch sei es durch Erde verworfen ic., lauter Dinge, dic zur Hälfte anf die porl.« nul-en, zur Hälfte auf die l'oi-u» ^ri'l'a passen, welche beide der Schriftsteller lucr mit einander vermischt, obwobl er von jedem besonders ganz gute und richtige Zeichnungen gegeben hat^). Die Zeichnung der l'm-lu Ku-ron bei Cafsas ist viel besser und vollständiger als die bei Adam. Doch giebt auch sie nur ein schwaches Bild von dem Interesse, welches der Anblick des Originals selbst einzuflößen im Stande ist. Vor diesem Thore ist jetzt der Hauptmarktplatz der Stadt Spalato, und es ist hier der vornehmste Ein- und Ausgang aus dem Palaste in die Vorstadt uud aus dieser in den Palast. Auch wir passirten hier während unseres kurzen Aufenthaltes in Spalato wohl ein Dntzcnd Mal, und ich mußte stets besonders auf der inneren Seite des Thores die phantastische Wcise bewundern, in welcher der Znfall und die Erfindungsgabe der Spalatiner Bürger die alten Fenster- und Bogenreste, die alten Zinnen der Mauern, die alten Corridorc für die Soldaten und Thorwächter mit ihren Gebäuden verschmolzen, und wie sie alle diese Dinge zu Fenstern oder Thüren, zu Communicationswegen oder Balkönen, zum Aufstellen von Blumen oder zum Aushängen von Wäsche und Hausgeräth benutzt haben. *) Dieß Versehen fallt aber freilich eigentlich nicht dem ssassas, sondern dem Lavall^e, der des Ersteren Tagebuch redigirte und herausgab, zur Last. Das Museum v»n Spalcito. 151 Woher übrigens die besagten Thore ihre Metallnamen bekommen haben, weiß ich nicht. Anch kann ich nicht sagen, ob diese Namen antik sind und sich noch aus den Zeiten des Diocletian herschrciben. Gewiß aber ist es, daß sie sehr alt nnd anch noch heutiges Tages sehr popular sind. Wie das slavische Volk der Vorstädte diese Thore nennen mag, ist mir unbekannt geblieben. Den Namen „goldenes Thor" für den Hauptcingang eines Gebäudes oder einer Stadt findet man anch bei anderen Localitäten dieser Gegenden. So heißt z. B. das dem Binnenlande zngewandte Hauptthor von Pola ebenfalls I'nrw uurnU». Zuletzt führte man uns in das Mnseum von Spa-lato, in welchem man alle mobilen und dem Verderben ausgesetzten Antiquitäten, Inschriften, Statncn, Bruchstücke, Geräthc:c. sammelt. ?lllein die antiken Immobilien sind jedenfalls in Spalato die Hauptsache. Das Museum steht in Bezug auf Reichthum mit ihnen in keinem Verhältnisse. Ucbrigcns glaubt man, daß uoch mancher schöne Knnstgegcnstand in den verschütteten Gewölben des Palastes stecken möge. Diese Gewölbe sind, wie gesagt, sehr groß. Es mochten schon von vornherein manche geheime Verstecke darin angelegt sein. Als die Avarcn Salona zerstörten und dabei auch den Palast nicht ungeplnndert ließen, mochte wohl manches kostbare Geräth und manches schöne Kunstgebilde in diese Souterrains gerettet werden. Vci der Zerstörung und dem Brande, den die Avaren anstifteten, mag vielleicht schon damals ein solches Gewölbe verschüttet und jenen Räubern unzugänglich geblieben sein. Nnd wenn man dieß Alles bedenkt, so ist es sehr wohl möglich, daß wir bei 152 Der Schuster als Cicerone. den Nachgrabungen in jenen Gewölben noch unvermuthet auf cin ganzes Californieu von Antiquitäten gerathen. Möchten doch diese Nachgrabungen recht bald so ins Werk gerichtet werden tonnen^ wie es einige kenntnißreiche Männer in Spalato wünschen. Der Abend zu Spalato. Nachdem ich ans diese Weise mit Hilfe einiger guten Freunde mich in dem alten Hause dcs Dwcletia-nus einigermaßen oricntirt hatte, und nachdem so nnscr Tag zu Ende gegangen war, gewährte es mir am Abend einen wundervollen Wennß, noch allein ein wenig in dem merkwürdigen Labyrinthe herumzustreifen. Da ich mich hierbei sehr bald verirrte und nach meiner ungeschickten Weise nicht mehr zurecht sindeu kouute, so trat ich in ein kleines offenes Haus ein, wo ich bei Lampenschem eiucn Schuster beschäftigt sah. Ich redete diesen guten Mann italienisch an. Er antwortete mir aber deutsch, indem er mir erklärte, daß er wohl sähe, er sei ciu Landsmann von mir. Er sei nämlich aus Fiume gebürtig, wo er auch sein Deutsch gelernt habe. Deutschrrdende Fiumaner, Ungarn und Kroaten, die man häufig in Dalmatieu zerstreut findet, haben mich auf diese Weise fast immer als ihren Landsmann begrüßt. Mit sciuem Handwerk, sagte mein Schnster, habe es in Fiume nicht recht mehr fortgewollt. Er habe sich daher nach Zara begeben und sei von da nach Sebenico gezogen. Das fei aber ein gräßlicher Ort, und so sei er denn endlich nach Spalato gekommen. Hier ginge es ihm leidlich, Gin deutsches Vierhaus im Diocletianischen Paläste. 153 und da er nun über diese langen Wanderungen und vielen Wohnungsvcränderungcn alt geworden sei, so wolle er denn hier in Spalato bleiben und in dem Dio-cletiamschen Palaste sein Lebensende abwarten. Der gute Mann war sehr gefällig und begleitete mich unter lauten frommeu und höflichen Reden, wohin ich wollte, und ich hielt mich überzeugt, daß dieser Arme sein Leben christlicher und befriedigender beenden würde als sein Vorgänger, der große Kaiser, der aus Lebensüberdruß sich am Ende selbst umbrachte. Er sagte mir, cs wären sonst wohl etwas mehr Deutsche in Sftalato und überhaupt in Dalmalien gewesen. Seit dem Jahre 4848 und der italienischen Revolution hatten sich aber viele Landsleute aus Dalmatien und ebenso aus Italien zurückgezogen. Jetzt seien die Deutschen daher hier nur sehr „schütter," was er zu seiner Betrübniß sehr übel in seiner Werkstatt empfinde, denn er habe unter der deutschen Landsmannschaft immer am meisten zu thun gehabt. — Dieser gute Mann hielt es auch für seine Pflicht, mich auf ein deutsches Bierhaus aufmerksam zu machen, das man jetzt auf den Trümmern des Oststügels des Palastes errichtet hat. Ein Glas frischen deutschen Bieres läßt sich ein mit süßlichen: und tintcnschwarzcm dalmatischen Wein zum Ueberdrusi Getränkter gern gefallen. Bekanntlich giebt es auch in der Laguuenstadt jetzt einen deutschen Biergarten. Anch hat man deren in anderen dalmatischen Städten neuerdings etablirt*). *) Ich »mg lner anführen, daß auch der alte berühmte Reisende Sz,,on schon im Jahre 1675 hier einen Deutschen in Spa-lalo traf, bei dem cr sich zu essen kocheil ließ. 154 Die Spalatinischen Ruinen bei Nacht. Zum Schlüsse meiner Spalatinischen Wanderungen ließ ich mich aber von meinem Schuhflicker noch einmal zum Centrum der Stadt, zur l'iu/xii 6c;1 Ouomu, zum Peristylium zurückführen. Es ist einem Schriftsteller leider unmöglich, dem Leser etwas von den Eindrücken wiederzugeben, welche der eigenthümliche Anblick dieser erhabc nen Ruinen bei Nacht einflößt. Ein Groftius könnte dieß schon eher, und ich muß mich wundern, daß noch kein Gropius diese Scenen zu Dioramen und Panoramen benutzt hat, diese prachtvollen Granitsänlen, deren Capi-täler hoch zum dunklen Himmel hinaufsteigen, diese Hallen, Porticus und zahllosen Eingänge und Durchlässe, die zu den Tempeln, Rotunden und Mausoleen führen, diese geschmückten Thürpfosten und die Sphinrc vor ihnen, welche von den matten Lichtrcfteren der Sterne oder der kleinen Straßmlampen dämmerig beleuchtet werden, diese kleinen Stubenlichter, die hie und da in den dunklen Gassen aus den Fenstern, welche man in die Mauerreste der Palastsäle oder zwischen zwei Säulen eingesetzt hat, hervorschimmern, und dann diese wilden unheimlichen Gestalten, in halb orientalischen Costümen, die in den engen Gassen herumschleichen, dazwischen diese munterm östreichischen Offiziere, die sich vor den Kaffeehäusern und auf den kleinen Plätzen bewegen. — Wie große Augen würde Diocletianns machen, wenn ihm sein Jupiter einmal erlauben könnte, aus einem Himmclsftnster auf dieses wunderliche Treiben, wie es sich heut zu Tage in seinem Palaste bewegt, hcrabzuschauen. Contrast dcr Inseln Lesina und Eiirzola. 155 15. Qrebitsch. Erst gegen Mitternacht kam ich wieder an Bord unseres Dampfers, der bald die Anker lichtete nnd mich von Diocletian und Spalato Träumenden dnrch verschiedene Inselgrnpften, Canäle nnd Meerengen hindurch führte, die ich alle erst später bei meiner Rückkehr von Ragusa im hellen Sonnenscheine zu sehen bekam, daher ich denn anch erst unten das Wenige verrathen werde, was mir von diesen Inseln zu erspähen vergönnt war. Als am folgenden Morgen Alles wieder auf dem Verdeck versammelt war, arbeitete unser Schiff eben sehr emsig in dem breiten Canale zwischen den großen illyrischen Inseln Lesina und Curzola hin, von denen jene ganz nationaldalmatisch, d. h. ganz nackt, öde nnd baumlos, aussieht, diese aber sehr fremdartig, nämlich grünlich, buschig und waldig, als ob sie gar nicht dazu gehörte. — Ein solcher schroffer Gegensatz ist fast unerklärlich. Lesina ist bis auf einige wenige solcher Schön-Pftästerchen von Weingärten, wie ich sie schon oben beschrieb, ganz kahl nnd nackt, wie ein morlachischer Bettler, und Curzola ist von Kopf bis zu Fuß in grünes Gewand gebullt, wie ein wohlhabender Dal-Matier in sein überreiches Nationalcostnm. Unsere Augen waren natürlich unverwandt dem anmuthigcn Cnr-zvla zugewendet, das zwar der Hauptsache uach nur mit niedrigem Krummholz erfüllt ist, hie nnd da aber auch schöne Eichen, Pinien und Fichtenwälder bergen soll, aus denen ein großer Theil des dalmatischen Schisssbau-und Brennholzes hervorgeht. In den Gebüschen und 156 "^llni 8NiV3til!w." Wäldern dieser Insel streift und haust noch heutiges Tages ein wildes Thier, das auf den übrigen dalmatischen Inseln, wenn es daselbst je gewesen ist, längst ausgerottet wurde, und das von einigen alten Reisebeschrei-bern eine „Hyäne"*), von anderen ein ,,wilder Hund" genannt wird, eigentlich aber und in der That der orientalische Schakal ist. Es ist in Europa wohl der nördlichste Punkt, an welchem dieses Thier noch verkommt. Und es wäre wohl einmal der Mühe werth, alle die Umstände und Verhältnisse zu erforschen, in Folge derm es dem Schakalgeschlechte von Eurzola möglich geworden ist, sich seit Jahrtausenden auf diesem langen Riff zu erhalten. Die Bewaldung kann nicht die einzige ihm günstige Ursache sein; denn auch die Insel Mcleda ist ähnlich bewaldet und überhaupt ähnlich beschaffen, wie Curzola, und doch hat sie keine Schakals. Die ^cute der Umgegend nennen die Schakals von Cnrzola gewöhnlich ,,«mi 5alvnn«8N8, von einem Schlosse gleiches Namens. Bei den slavischen Illyriem heißt sie Peljesaz. Die Schiffer aber nennen sie meistens bloß ,,!:> l'unu»." Diesen Namen: „I^i i'unu»^ oder „?unclil<.> t^i(,'r8s>nnnl>u8^ hat sie auch meistens in den alten Raguseischen Schriften, obgleich sie bei ihrer Längencrstreckung von wenigstens fünfzig italienischen Meilen so viel Aehnlichkeit mit einem Punkte hat, wie ein Mastbaum mit einem Apfel. Aber freilich, wenn man aus dem Canale von Curzola heranfegelt und der langen Halbinsel gerade auf den schmalen und hohen Kopf blickt, so kommt denn, indem man so den ganzen übrigen Leib in der Verkürzung sieht, allerdings eine Art Punkt heraus. Dieser äußerste in den Canal von Curzola hervortretende Kopf von Sabioncello ist nämlich so voll hoher Protuberationen nnd Anschwellungen, wie ein Phrenolog sich nur ein menschliches Haupt Wünschen könnte. Zwar ist auch die ganze Halbinsel gebirgig, aber ihre Haupthöben haben sich doch in dieses nördliche Ende zusammengedrängt. Der höchste dieser Berge ist der ,Monl,e Viper»" (der Natternberg), dessen kahles Haupt man schon von Weitem, wenn auch sonst von der ganzen Halbinsel nichts, erblickt. In diesen nördlichen Gebirgen sollen sich nach Dr. Petter auch noch viele ,,(^,m 8uIv!NieKi" finden, was aber freilich an Ort und Stelle einige Bewohner der Halbinsel nicht zugeben, welche jene Hunde bloß auf Curzola beschränkt wissen wollen. Die äußerste nördlichste Spitze von Sabioncello ist das Cap Gomena. Beinahe eben so weit und schroffer als diese tritt aber die sogenannte I'unli» 8. Kiov.-wni oder 6. Aunnu« hervor. Zwischen beiden liegt ein sehr Die Halbinsel Sabioncello. 159 geräumiger und schöner Naturhafen. Weil die Punta Gomena sich allmaliger verläuft, so wird von den Schiffern vielleicht die Punta S. Giovanni als die eigentliche Nordspitze von Sabioncello betrachtet. Auf ihr ist eine von Cyvrcssen umstellte, sehr hübsch gelegene Kirche erbaut. Und da dieses Gottesbaus den nahenden Schiffern Von ferne entgegenschimmcrt, so ist es wohl möglich, daß eben von dieser Punta die ganze Haldinsel ihren Namen Punta empfangen hat. (Nebrigens haben noch mehre Spitzen von Sabioncello den Namen Puuta, z. B. ?unt äi (^u.il-o ist Schwarz die Natioualfarbe. Ctwas ganz slehnlichcs findet in einigen unserer dcntschen Schifferorte an den Mündungen der Elbe statt. Ein Raguscischer Schriftsteller, den ich gelesen habe, erzählt, daß zur Zeit, als Ragusa bei der unglücklich ablaufenden Erpedition Carls V. gegen Afrika so viele Schiffe verlor, auf einer dcr kleinen Raguseischen Inseln dreihundert und fünfzig Franen auf einmal zn Wittwen geworden seien. Den Kopf oder vielmehr den Strohhut ihres Kopfes hatten unsere Orebitschaucrinneu der Art mit Federn, Blumen und anderen Dingen besteckt, daß eine solche breite Värenmütze, wie sie sonst die königlichen Leibgre-Nadierc in Dresden anf dem Kopfe balaneirten, klein Kl'hl, Ncisc iu Dalmaticn. !, I!, l li^ Die Ol'cbitschaücnnin'N mid ihr Kopfpulz. dagegen erschien. Von Weitem glaubte ich, sie trügen eilten Korb mit allerlei Gemüse, Blumen, Eiern u. s. w. auf dem Haupte. Es ist auf den ersten Anblick fast unbegreiflich, wie diese hübschen Weiber dazu gekommen sind, ihren Kopfputz auf eine so erorbitante und überschwä'ngliche Weise aufquellen zu lassen. Und doch ging es dabei ganz natürlich zu. Es ist, wie ich bei näherer Erkundigung erfuhr, ein ziemlich neumodiger Lunls, dcr mit dem zunehmenden Reichthum uud der wachsenden Schifffahrt ihrer Männer gleichen Schritt gehalten hat. — Vor vierzig Jahren, und ich glaube noch vor kürzerer Zeit trugen diese Schiffertöchter einen ganz einfachen, zierlichen uud bescheidenen Etrohhut. Als ihre Männer anfingen, wie die Vocchesen in die Levante, nach Konstautiuopel, uach Asien und Afrika zu segeln, brachten sie ihnen allerlei Hübsches mit nach Haufe, seidene Bänder und Tücher, goldeue Schnallen und Strau-ßeufcderu, nud zierten damit den Hut ihrer geliebten Weiber oder Bräute aus. Ginige mochten mit der Anzahl und Größe ihrer Federn groß thun, und so wurde es, wie es denn so geht, wenn der Teufel einmal los ist, am Eude Mode, sich in der Ansschmückuug des Hutes zu überbieten und allen Geschenken, die man nur bekommen konnie, ihren Platz auf dem Strohhute anzuweisen. Sie machten dort nun seidene Tücher, Goldmünzen, goldene Perlen und viele andere Dinge fest, uud je höher der Schmucksacheuberg wurde, den Eine auf ihrem Haupte versammeln konnte, desto bewundernswürdiger erschien sie sich selber und Anderen. Wenn der Handel der Orebit schauer so wie bisher fortblüht, und wenn sie ihren Weibern immer so wie bisher allerlei Schiffsbootbliu dor ^m-zolainr. 163 Dinge aus allen Welttheilen zusammenschleppen, so werden diese am Ende wie lauter Atlasftguren mit Weltkugeln anf dem Kopfe umhergehen. 16. Vurzola. 3eider war es uns nicht vergönnt, bei Orebitsch anf Sabionccllo selber zu landen. Dagegen gingen wir in dem kleinen Hafen von Cnrzola ans Land. Wir fanden hier ein großes Seeschiff im Bau begriffen, das aus den Holzungen der Insel constrnirt wurde. Der Hauptcrwerbszweig der Stadt ist aber der Bau kleiner Boote, wie sie auf den großen Schiffen gebraucht werden. Nnd in dieser speciellen Branche der Schiffsbauknnst sollen die Cnrzolancr große Meister sein. Wer ein gntes Echiffsboot haben will, verschreibt es von Enrzola, und namentlich sind fast alle Schiffsboote der Dampfschiffe des östreichischen Lloyd hier eonstmirt. Vermnthlich paßt das niedrige Knichol; der Insel besser zu diesen kleinen Wasscrvehikeln als zu den großen, zu welchen besseres Holz von der Narenta herabkommt. ' Der Handel der Cnrzolaner mit Schiffsbooten soll weit und breit in den Gewässern des adriatischen Meeres verzweigt sein. So viel von diesem Punkte, was den Ethnographen und Nationalöfonomen iittercssirt. Nun aber noch etwas für den Architekturmaler und seinen Freund, den Historiker, die hier beide entschieden viel bessere Geschäfte machen als die Erstgenannten. Denn was pittoreske Ansichten und historische Erinnerungen betrifft, so sucht 11* lst^ Die Akwpolis von b'nrzola. dieser kleine Ort seines Gleichen an der illyrischen Küste., Die Stadt theilt sich in zwei Theile, den niedrig dicht, am Meere und am Halse einer kleinen Erdznnge gelegenen Theil mit dem Hafen nnd den höher anf dem Kopfe der besagten felsigen Halbinsel liegenden Theil, die Akro-polls und den eigentlichen Kern des Ganzen. Wir gingen, von einem deutschsprechenden Ungarn,, der sich wieder als „Landsmann" nnserer annahm, geleitet, anf diese Akropolis hinanf und waren nicht wenig, überrascht, hier innerhalb der Umzäunung der einige Hundert Ellen im Umfang haltenden Befestigungen ein kleines Ensemble von Baulichkeiten, Miniatttr-Rathhäusern, Diminutiv-Palästen, Forums und Ga'ßchcn zu finden, wie man es in so malerischer Grnppinmg nnr selten beisammen sieht. — Dieß Curzola ist, so wie es sich heute präfentirt, zur Zeit der venetianischen Republik entstanden, und es sieht ganz so ans wie ein Stück venetianischer Geschichte in Marmor und Stein. Ein altes, mit dem Mar-cuslöwen geschmücktes Monument, an welchem die Vene-tianer hier wie in allen ihren Provinzstädten die Standarte des heiligen Marcns befestigten, ist noch vorhanden. Das Rathhaus und das Proveditorengebändc steht noch da, wie vor hundert Jahren, als die Morosinis, die Falieros u. f. w. hier eommandirten. Sie sind ck'äuoti» clcäuc^lxlj» in einem fast eben so geschmückten Style gebaut, wie der Dogenpalast iu Venedig, und eben so ist es der Dnomo oder die Hauvtkirche des Ortes. Auch in den stillen Nebengäsichen fanden wir noch manches Gebäude, das uns durch seinen Banstyl überraschte, und das so aussah, wie die Pitti Paläste nnd die mittelalterlichen schloßartigen Wohnuugen der italienischen Familien Gin alter Thürklopfer. 165 in Verona und Vicenza in verjüngtem Maßstabe. — Anch nannte man nns die Namen der alten edlen Insel-gcschlechter, die ehemals hier gewohnt hatten, die aber jeht meistens ansgestorben waren, oder deren verarmte Nachkommen hier noch lebten. An einem dieser Gebäude war die alte Pracht noch ganz bis ans den Thürklopfer erhalten. Dieser Thnrklopfer war ein kleines Meisterwerk ans Bronze, etwas über einen Fnsi in der Länge. Iwei Drachen oder Eeenngethnme, die sich oben mit ihren Schwänzen verschlungen hielten und nnten mit ihren Mänlern sich berührten, bildeten den änßeren Nahmen desselben. In der Mitte zwischen ihnen stand eine noble kleine Statue des Neplnnns mit dem Dreizack. Dieses Knnstwerk hing an halb verrosteten Nageln an einem alten dicken Thore von Eichenholz. Man sagte mir, dem Besitzer des Palastes, einem alten Nobili Arnicri, seien schon große Summen für seinen Klopfer geboten worden; obwohl nicht mehr sehr reich und genöthigt, als Advoeat seinen Lebensunterhalt zn suchen, wünsche er doch Alles im alten Znstande wie znr Zeit seiner Vorväter zu erhalten nnd wolle seinen Klopfer um keinen Preis hergeben. Ich freute mich über diese Gesinnung, sowie anch darüber, daß er seinen kostbaren Klopfer so ohne Fnrcht vor Dieben an den verrosteten Nägeln vor der alten Thüre hängen lassen konnte. — Es ist bekannt, daß man in Venedig ätmliche schöne Thürklopfer findet. Ich sah dort einen, von dem schon mehre Kunstliebhaber sich einen Gypsabgnß hatte:» machen lassen. Anch sand ich noch an einem anderen Orte in Dalmatien, ich habe aber vergessen, an welchem, einen ganz ähnlichen Thür-klopfcr. Vei den meisten, die ich gesehen habe, war lßli Achnlichl^it lZnrzl,'laö mit Corfu. auch dasselbe Thema behandelt, nämlich Neptun mit zwei Drachen. ,Xa cilia do Curzola non ofl'ro nulla di pailico-laro all' osservatorc", sagt ein sonst von mir sehr geachteter Alttor (l)r. Petter) über Dalmatien. Nach den eben gegebenen Andeutungen kann man sich denken, wie wenig ich geneigt bin, diese Aeußerung zu unterschreiben. 1),'. Pettcr's übersichtliches und comftcndiöses Buch über Dalmatien ist der beßte, zuverlässigste nnd zweckmäßigste Führer, den ich kenueu gelernt habe und den ich jedem dalmatischen Reisenden empfehle. Aber jene Phrase über Curzola sollte er, um sein Buch noch zu verbessern, zurücknehmen. Als ich mit feinem so uützlichcn Compendium in der Hand diese Phrase las, war ich fttst böse über ihn und strich dieselbe mit einem dicken Bleistiftstriche aus, den ich in allen Eremplaren des Werks nachgeahmt zu sehen wünschte. Selbst die Stille in diesen so malerisch zusammengewürfelten Gebäuden gab ihnen einen eigenthümlichen Reiz. Wir begegneten feiner Seele in den ausgestorbenen Gäßchrn. Nnr ein paar hübsche Frauen blickten aus dcn oberen Stockwerken neugierig auf die fremden Wanderer herab. — Nach den Beschreibungen, die ich vm, Corfu gelesen habe, muß Cnrzola etwas Aehnlichkeit mit der Situation dieser Stadt haben. Es schließt sich auch iusosern zunächst an Corfu an, als es in der Kette der Inselpunkte, welche die Venetianer längs der Küste der griechisch-slavischen Halbinsel besaßen, der diesem Corfu nächste war. Curzola war im adriatischen Meere die südlichste InsclsVstuug der Venetianer, und Corfu im benachbarten ionischen Meere die nördlichste. — Mit Curzola hörte die Reihe der venetianisch-dalmatischen. Situation CnrzolaS, 167 Inselbesitzungcn alls, und man kanil dicsc Festung in gewisser Beziehung don südlichsten Wächter dieses vene-tianisch-dalmatischcn Inselreichs nennen. Es liegt so zu sagen am Thore des südlichen Eingangs zu diesem Archipelagus und sichert die Herrschaft über eine der wichtigsten Passagen. — Selbst der gleiche Name, den beide Inseln und Städte im Alterthum trugen, ,,Eorcyra", fnhrt schon nach Eorfu hin. Es ist möglich, daß die Alten durch die Aehnlichfeit der Position des nördlichen Coreyra als südlichen Wächters des dalmatischen Archipels mit der des südlichen Conyra als nördlichen Wächters des ionischen Archipels darauf geführt wurden, diese Gleichnamigkeit für beide zu bestimmen. Nm dies; besser zu erkennen, muß man folgende Umstände in Erwägung ziehen: Die Halbinsel Sabioncello ist bei Staguo an's Festland gewachsen nnd erlaubt hier also keine Durchfahrt. Sie umschließt das Hl,,!^ I'lc^olo und den Busen der Narenta. Mit der Insel Curzola, die iu derselben Richtung von Osten nach Westen weiter geht, bildet sie gleichsam einen großen Festlanddamm von ungefähr 70 Miglien Länge, die den ganzen dalmatischen Archipelagus gegen Süden abschließt, indem dieser nur iu der Mitte der schmalen Straße von Enrzola und Orebitsch durchbrochen ist. Alle kleine Schifffahrt von Ragnsa, von der Vocca und Cattaro her nach Norden zu den Mündungen der Narentn, in die Gewässer von Spalato, Lesina, Almissa, Macarsea, Trau, muß daher, wenn sie sich nicht auf das offene Meer hinaustreiben lassen will, diese Straße zur Passage wählen. Es ist eine der unvermeidlichsten und daher der belebtesten Passagen im ganzen dalmatischen 168 Seeschlacht» bci Cmzola. Iusellande. Daher die eben beregte Schifferbevölkerung auf der kleinen Knstenstrecke von Sabioneello, daher die Wichtigkeit der kleinen Festnng Curzola in der Mitte dieser von ihr dominirten Passage. Es hat dem Allen zufolge anch nie an historischer Regsamkeit und bedeutenden Ereignissen an diesem Endpunkt gefehlt, und die kleine hohe, scharfabgerundetc Halbinsel, auf der die Stadt Curzola liegt, ist vermuthlich ein Pnnkt, der schon so lange bewohnt und bebaut ist, wie irgend ein Korallenfelsen der Wett. Die Griechen von Cnidos gründeten hier bereits eine Colonie, fanden aber ohne Zweifel schon eine ältere Stadt vor. Zur römischen uud byzantinischen Zeit war hier eine nicht unbedeutende Station für die Flotte des adriatischen Meeres. Auch der Seeräuberstaat der Narentiner im Mittelalter hielt lange diesen Punkt fest, was eben nachher anch die Venetianer thaten. Die Wichtigkeit des Punktes hat immer feindliche Augriffe hierher geleitet, und es ist daher nicht selten zu großen Seeschlachten in der kleinen Meerenge gekommen. Schou im Alterthum wnrden deren hier mchre geschlagen, so z. B. eine zwischen der Pompcjanischeu Flotte und der der Legaten des Cäsar, welche letztere gcschlageu wurde. Eine der bedeutendsten und bekanntesten lieferten hier die Genueser den Venetianeru im Jahre >298. Als im Jahre 1485 Friedrich von Arragonien im Namen des Königs Ferdinand von Neapel sich in Besitz von Dalmatieu zn sehen trachtete, suchte er in die Inselgruppe zunächst durch dieses Thor von Curzola einzudringen. Sein Unternehmen scheiterte aber au dem kräftigen Widerstände, den er hier fand. Eine andere große Seeschlacht wnrde hier im Jahre 157l geliefert zwischen der vereinigten päpstlich- Meeresströmungen im Canal von Cülzl'la. 1ß9 spanisch-venetianischen und der türkischen Flotte, in welcher diese cine entschiedene Niederlage erlitt. Als im Jahre 1806 die Rnssen znm ersten Male mit einer Flotte in diese Gewässer eindrangen, nahmen sie vor allen Dingen zuerst das Thor des süddalmatischen Busens, (5urzola, weg und trafen dann hier zu wiederholten Malen mit den Franzosen zusammen, welche Cnrzola nahmen, verloren, wieder eroberten nnd endlich von 18<1? bis 1813 behielten. Ich will noch bemerken, daß anch die Meeresströmungen innerhalb des Canals zwischen Eurzola nnd Ea-bioncello sehr stark sind. Man kann sagen, daß die große Meeresströmung, welche von Südosten herkommt und an der Küste der griechisch-slavischen Halbinsel hinausgeht, hier bei Curzola eigentlich in den dalmatischen Insel-Archipel zuerst eintritt. Anch nach den Verhältnissen der (5'bbe und Fluth erkundigte ich mich. Man kannte dieß Phänomen hier ebensowohl wie überhaupt in den ganzen dalmatischen Gewässern nnd gab mir hier, wie überall in Dalmatien, die, wie es scheint, ganz constante Angabe, daß der Unterschied zwischen Fluth uud Cbbe drei bis fnns Fuß betrage. Natürlich muß dieses Naturereiguiß aber M solchen Meerengen sich bemerklicher machen. 17. M oled a. Sinter l5nrzola fommt man wieder in's offene Meer lnnaus, und der erste interessante Gegenstand, den man Mm, wenn man müde ist, die öden nnd endlosen Felsen 170 Mcleda u»d Malta. von Sabioncello zn betrachten, in's Auge faßt, ist die Insel Meleda. Diese vielfach merkwürdige Insel stellt sich von Nord-osteu her als ein kleines mitten aus dem Meere emporsteigendes Gebirge dar. Eie ist, wie ihre Nachbarinsel Girzola, grünlich nnd viel besser bewaldet als das kahle Sabioneello. Anch hat sie das mit Curzota geniein, daß sie in südlichen Gewässern eine gleichnamige Schwester, nämlich Malta, von den Alten Melita genannt, besitzt, mit der sie oft verwechselt worden nnd mit der sie gleichsam in mehre literarisch-historische Processe verwickelt ist. Die patriotischen Gelehrten Ragnsa's, die eben so eifrig mit dem Studium des Alterthums wie mit dem ihrer eigenen Stadtgeschichte beschäftigt waren, und die immer gern jedes Besitzthnm ihrer kleinen Republik mit dem Argonautenznge oder mit Kadmus oder mit sonstigen Mythen in Verbindung brachten, haben auch dieses Na-guscische Melcta mit allerlei Fabeln geschmückt. Zuerst sollen die Argonanten diese Insel anf ihrer Fahrt eben so gesehen haben, wie wir sie jetzt sahen: .,lJost hanc ot Molilen, seeundo pergaudentcs vento, praolorihant." — Dann soll dich Melrda die Iniel O.iygia iiewc>en sein, auf der die schöne Nyinphe (5alypso den Ulysses beherbergte. — Weiterhin sollen anch die kleinen, schon von Aristoteles ihrer Zierlichkeit wegen gcrnlmtten Mcli-tüischen Hunde nicht von dein mittelländischen, sondcm von dem cidricttischen Vlelita ihren Ursprung genommen haben, freilich eine Meinung, dir nicht blos; erst die Ra-gnseischcn gelehrten Benedictincr, sondern schon Plinins anfstellte, obwohl es viel wahrscheinlicher ist, daß solche feine kleine seidenhaarige Schooshnndchen bei den enltl- SclMnich d.'s Apostels P^nil»!,', 171 virtcren und reicheren Bewohnern von Malta erzeugt wurden. — Gndlich soll auch der Apostel Paulus uicht auf dem afrikanischen Malta, sondern auf diesem illyrischcn Mclita Schiffbruch gelitten haben und von der giftigen Viper, ohne Schaden zu nehmen, gebissen worden sein; eine Ansicht, die freilich dnrch die Stelle der Bibel: ,^'nvi^mi-lidu8 nodi» in ^äi-ili", „da wir in Adria fuhren", wie Lnther übersetzt, viel Wahrscheinlichkeit gewinnt. Auch sind die Vipern noch heutiges Tages auf Meleda giftig und von den Bewohnern scl>r gefürchtet. Ebenso rafft man dort noch solches Reisig zum Feuer zusammeu, wie die Insulaner es für den schiffbrüchigen Paulus thaten. Ferner gleicht die ganze Art seiner gastfreundlichen Bewirthung, wie er sie selber erzählt, der Art uud Weise, wie man noch hcntiges Tages auf diesen dalmatischen Inseln aufgenommen wird. Sodann giebt es dort noch solche einzeln verstrente Vorwerke von Possidenti (Gutsbesitzern), wie die des Possidente Tublius war, der den Paulus beherbergte. Endlich ist es merkwürdig, daß Paulus gar keiues Handelshafens und keiner. Stadt erwähnt, deren es doch damals anf Malta längst schon gab, während Meleda allerdings nie eine Ortschaft, die man eine Stadt uennen konnte, hatte. Gs giebt in Meleda in der Mittc eines einsamen Sees anf einer kleinen Insel ein berühmtes Benedittiner-kloster, dessen Mönche znr Zeit der Ragustischen Republik gelehrt uud wohlhabend waren. Die Mönche dieses Klostors haben alle die angeführten Dinge sehr reiflich erwogen und namentlich über den Schiffbrnch des Paulus sehr umständliche und gelehrte Abhandlungen geschrieben, die dann wieder von anderen Gelehrten, 172 Porto Palazzo. namentlich von Venedig aus kritisch beleuchtet und widerlegt worden sind. Die Insel hat eine Menge schöner, tiefer und sicherer Hafen, die aber alle ohne Hafenstadt sind und höchstens nnr von Schiffbrüchigen wie Paulus oder von Schutz bedürftigen Schiffern besucht werden. Der berühmteste dieser Häfen ist drr Porto Palazzo, dessen Eingang wir im Vorüberfahren erblickten. Ein mir bekannter Herr, der einmal dort gewesen war, erregte mit der Schilderung, welche er von diesem einsamen Orte und seiner Umgebung machte, in mir eine große Sehnsucht dahiu, die ich leider nicht befriedigen konnte. Der besagte Hafen ist eine tiefe nnd versteckte, von Felsen umgebene Bucht, in dereu Hintergründe die Ruinen eines autiken Palastes liegen. In diesem Paläste, so erzählt das Volk, soll in alten Zeiten ein Prinz, den sein Vater, der Kaiser, dahin verbannt hatte, gewolmt haben. Der junge Prinz lebte hier mit Fischfang, Jagd und Gartenzucht sich divertirend, wie Diocletian in Spalato, und hatte ciu prachtvolles Schlos; mit Gärten und Weinbergen. Eines Tages entdeckte er am Ufer einen kleinen Oclbaum, an dessen Wurzeln sich eine Anster befestigt, während in dem Gezweige ein Vogel sein Nest, unter dem ein reicher Büschel von reifen Oliven heral'hiug, gebaut hatte. Seines zürnenden Vaters gedenkend, sendete er ihm diesen Oel-zweig als eiu sonderbares Naturspiel, uebst einem freundlichen Gruße. Der Vater aber sagte beim Anblick dieses Zweiges lächelnd: „Das Land, wohin ich meinen Sohn verbannt habe, scheint eben kein Strafort, sondern ein Paradies zu sein, da so reiche Gaben sich dort an einem und demselben Zweige vereinigt finden. Wir müssen ihn wohl von dort zurücknehmen." Und mit diesem Scherze ließ er ihn, da er zugleich von der Aufmerksamkeit des jungen Prinzen, von seinein freundlichen Gruße nnd von dem als Versöhnnngszeichen geltenden Oclzweige gerührt war, frei nnd nahm ihn an seinen: Hofe wiederum zn Gnaden auf. Es war mir merkwürdig zu hören, daß nnd wie diese Sage nock beim Volke eristirt, obwohl sie mit der vcrisieirtcu Geschichte selbst nicht ganz harmonirt. Denn der berühmte Mann, der einst hier in der Verbannung wohnte, nnd ans welchem die Insulaner jetzt einen Prinzen machen, war bekanntlich ein Proeonsul aus Cilicien, Namens Agcsilans Anazarbams, der sich die Ungnade des Kaisers Septimius Severus zugezogen hatte nnd der hier lange Ieit, wie es heißt, mit einem großen Gefolge und mit seinem Sohne Opftianns, der auf dieser Iusel vielleicht das Dichten lernte und sich später als griechischer Dichter berühmt machte, in einem prachtvollen Palaste wohnte. Nach Einigen soll dieser junge Oppianus feine und seines Vaters Zurnckbcrufung dnrch ein Gedicht über den Fischfang, welches dem Kaiser Caraealla sehr gefiel, nach Anderen durch die Uebersendung eines Delzweiges von der beschriebenen Art erlangt haben. Die nicht nnbedentcuden Ruinen ihres Palastes liegen Noch heutiges Tages an den Ufern der einsamen Bncht, der sie eben so noch ihren heutigen Namen Porto Palazzo acben, wie die Ruinen des Diocletianischen Palastes der Stadt Spalato den ihrigen. Von dem Hintergründe der Bucht, von Porto Pa-lltzzo steigt man über ein ödes Felsengebirge nnd fommt dann im Süden zn jener noch versteckteren Bucht herab, 174 Das Vencdittmcrflostcr auf Mcleda, in deren Mitte das berühmte Venedictincrkloster liegt. Diese Bucht lst wie ein Landsee abgeschlossen, heißt auch I.llZo ^rninil^ und wird mit dem Meere dnrch einen laugen nur wenige Klaftern breiten (5anal verbunden. Hinter ihr, ganz in den Felsen versteckt, liegt noch ein kleinerer See, I.^o piccolo genannt. Die landschaftliche Eee-uerie, die Wildheit der Felsen, der Anblick, den das Iuselklostcr im See gewährt, solleil hier von ganz überraschender Schönheit sein, lind wem es möglich ist, der mag es nicht versäumen, diesen Theil von Meleda zn besuchen. Wer eS nicht kann, dem mag wenigstens die Erinnernng an jene Dinge wie uns dazu frnchten, daß ihm der Anblick dieses zerklüfteten Inselendcs lieber unv interessanter werde. 18. DalmatienK Hero und .Leander. N^an braucht überbaupt nur weuig den Erzählungen der hiesigen Leute sein Ohr zu leihen oder in den auf diese Inseln bezüglichen Annalen nnr wenig zn blättern, nm zn erkennen, wie alle diese Inseln ihren gan; eigenthümlichen Charakter haben, wie jede ihre ganz besondere historische Nolle gespielt hat und wie an jede, selbst zn-weilen an bloße nackte Seoglien, sich ganz besondere Interessen und Geschichten knüpfen. Es ist nicht ihre Schuld, wenn sie nicht fast eben so berühmt und gepriesen unter den Dichtern nnd Geschichtschreibern sind, wie die Eilande des ionischen und des griechischen Archipelagus. Dort hat man z. B. viel Verse auf Hero und Leander Inscl T, Andrea. 175 geschmiedet. Aber in Dalinatien, gleich nahe bei Meleda, giebt cs eine Insel, die eben ein solches außerordentliches Liebespaar erzeugt hat, nnr mit dein Unterschiede, daß dabei Hero und Leander gewissermaßen die Rollen tauschten. Dieß ist die kleine Insel S. Andrea, die im Osten von Melcda liegt. Diese Insel, die wir bald hinter Meleda erblickten, ist ein ganz kleiner Felsen von einigen Hundert Klaftern im Umfang, der hoch und einsam ans dem Meere emporragt. Seine verschiedenen Gipfel sind mit Geba'nden gekrönt, welche Theile eines Klosters bilden. ,M0N!>c!l>m'mn l)ivi Ii!Nl«!l!'vm>l (j!li8 80 i>!> i>1< l!l'8i<)!!l!)!l8 I>!I'ilUU'lIIN" (ein llei- nes, aber sehr elegantes Kloster der Mönche des heiligen Bcnedictus mit einer ähnlichen Kirche nnd mit einem Thurme zum Schutze gegen die Einfälle der Seeräuber), so nennt es ein Naguseischer Schriftsteller. Dieses Klosters wegen wird die Insel S. Andrea auch „I«ow ^nw^lcl-l»--(die V^önchsinsel) genannt. , Die dalmatische Hero (Margherita Spoletaua soll sie geheißen haben), so erzählte man mir, war ein junges, schönes Mädchen von der benachbarten l8nli» M!^!51. Trümmer eines ehemals zusammenhängenden Landrückens, so wie Juno, Ceres. Pallas:e. die Trümmer eines größeren Planeten. Ein Naguseischcr Schriftsteller beschreibt diese Inseln als sehr reizend, mit schönen Anpflanzungen unv eleganten Gebäuden bedeckt und als von einem kernigen und tüchtigen Menschenschlage bewohnt. Dieser Schriftsteller, .lannno« c>O Nanu, piiUioiu» Knou8»nu8, sagt in seiner Do^npUo DiUnnl» ltknou8»ni»o namentlich von der grösttcn der Elaphiten, von der l^ol» »wäin (illyrisch: l.opliä genannt): „llaoc insula magnificis acdi-ficiis, incolarum virtute et humanitate cum urbibns jam comparanda. Aeris salubcrrimi gaudet ternperie. Solum cxeuHum rnira varietalo arborum, quae poina omnis generis ferunt. Haec insula intogras pono niag-narum navium classes cl praestantes in navalibus praoliis (Jcdit Duces". (Diese Insel hat so prachtvolle Gebäude und so gesittete uud tugeudfame Einwohner, daß man sie fast eine im Meere schwimmende Stadt nennen kann. Sie genießt des heilsamsten und angenehmsten Klimas und hat einen angebauten Boden, der alle Arten von Früchten erzeugt. Sie allein hat, so zu sagen, gau;e Flotten von großen Seeschiffen und dazu Flottenanfübrer hervorgebracht, die in den Naguseischen Seeschlachten Ausgezeichnetes leisteten). Leider konnten wir von diesem Allen nicht viel wahrnehmen, als wir durch einen der Durchbrüche dieser Inselkette in das Binnenmeer einfuhren, in dessen Hintergrunde der berühmte Hafen 8ln Oooo liegt, der auch die ttiija sli l^i-inn^n genannt wird, und der der vornehmste Hafen für die Nagusetschen Schisse war. — Denn es ließ sich eben die nächtliche Dämmerung auf diese Gewässer herab, die orU pu88udlli" oder „buoni", in „pm'li A'O88l, i'i8tl^tti" und in „poili duo-M85l!m," abtheilte, gab ihm den letzten Charakter: „dun-ultimo! oo«o1I<'Ntl)! l)sc»s(M(iu! oliiu8o! Iwn m'mgtn!" — Aber freilich hat er diesen Charakter schon seit mehr als tausend Jahren, und es sind hier von alteu Zeiten her mehr Schiffe und große Flotten vor Anker gegangen, als ich hier in der Kürze sagen kann. Ich rief zufälliger Weise etwas laut einen der Moz-zos des Schiffes herbei und mackte dabei die Entdeckung, daß iu der ü^-,
  • li!,l>!" und als* der Scherz einmal im Gange war, uud das Echo so reichlich und bereitwillig Alles zurückgab, befahlen sie am Ende ein ganzes „l'l'cmxc»!'- (Mittagsmahl), „un MÄn/o!-' ß diese Physiognomic, eben so wie bei den irischen, schottischen, englischen, russischen und anderen Volksweisen, eine gleichförmige und allgemein durchgehende war. Alle italienischen Lieder, die ich hörte, schienen mir nur wie Varationeu desselben Themas. Auch waren sie zu meiner Verwunderung, wie ja wohl fast alle Volkslieder der Welt, in Molltönen, freilich aber doch unvergleichlich viel heiterer und beweglicher als der tiefmelancholische Gesaug der slavischen Dalmatiner. Ich hörte nachher uoch hie und da, z. V. einmal in den Straßen von Iara diesen italienischen Gesang erschallen und erkannte dann gleich unsere lombardisch-venetianischc Musik vom Schiffe wieder. Vermuthlich bort mau überall in den dalmatischen Städten auf diese Weise italienischen und slavischen Gesang sich mischen und hat daher dort Gelegenheit, die Charaktere der beiden Volksmusiken, die sich hier so nahe und in so frappantem Coutraste einander gegenübertreten, recht genau zu erkennen und von einander zu unterscheiden. Auch unser kleiner „Moz;o" auf unserem Dampfschiff war eiu Italiener, und auch er, obgleich das geplagteste Thier auf dem gauzen Schiff, hatte eine unverwüstliche gute Laune, die nebenher zu beobachten und zu bewundern mir kein geringes Vergnügen machte. Das Wort Mo;zo kommt eigentlich von ,,mox/nro," d. b. „abschneiden, absondern, bei Seite setzen," her und bedeutet ursprünglich so viel als: ein Theil vom Ganzcu, ein Stumps, Stummel, Mutz. Mau kann sich danach schon im Voraus deukeu, wie ein Wesen, dem man einen wlchm Namen beigelegt hat, ein Vootsjnnge, Stalljuuge, Küchenjunge, von dem Publicum betrachtet und behaudelt Wird. Dieser Stnmmcl von Mensch ist der Diener von 184 Muntere Laune des Mi,'zzo. den Dienern nnd dcr Sklave von Allen, und Jeder befiehlt ihm jedes Geschäft, welches er gerade eben nicht selbst zu thun Lust hat. Der östreichische Lloyd hat eine ganze Compagnie solcher Mozzos in seinen Diensten. Man hat die t-amin» 6« ?I»I" schrie er ganz laut uud mit ungemein freudiger und heiterer Miene, als ob auch für ihn in dieser Ankündigung etwas sehr Erfreuliches läge, da er doch im Gegentheil gar nichts davon hatte, als das Znsehen und höchstens das Tellerlecken. Er kam mir vor, wie ein kleiner Affe und das Schiff wie sein Kameel, auf dessen Nucken er herumkugelte. Schon mit den Nostromim, geschweige denn mit den höheren Offizieren des Schiffs sprach er immer aus der respcetoollsten Entfernung, oder eigentlich sprach er nicht mit ihnen, sondern er vernahm nur ihre Befehle und die scharfen Ausputzer, die sie ihm zuweilen mit gestrengen Mienen ertheilten. Einen Ausputzer bekommt ein Mozzo fast für Alles, was er thut, z. B. wenn er nicht augenblicklich auf jeden Pfiff an Ort und Stelle ist, wenn er die Suppe oder die Polenta, die er den Matrosen vorsetzen soll, nicht gleich bei der Hand hat, Wenn diese Suppe etwas kühl geworden oder weun sie zu heiß ist oder vom Koch nicht uach dem Geschmacke der Leute bereitet wurde, uud überhaupt wenn sonst irgend etwas auf dem Schiffe nicht in Ordnnng befunden wird und darüber ein Tadel auszusvrechcn ist. Jeder ^appm, der herumliegt, wird dem Mozzo zugeworfen: „Mozzo, warum hast Du dieß nicht bei Seite geschafft?!" Schlägt der Blitz gerechter Entrüstung uud Unzufrieden- 186 Neckereien dcs Mozzo. heit irgendwo in den höheren Regionen ein, so wird er, wo er auch immer znerst sich entwickelt haben mag, zn-letzt gewiß doch nach mehr oder welliger langer Zeit den Mozzo erreichen. Denn so wie anf einem Schiffe einerseits alle Befehle, alle Verweise von dem Eapitän ans-gehen, so trifft andererseits alles Gehorchen, alle Unzufriedenheit, alle üble Laune, alle Neprimandc schließlich anf dem Haupte des unglückliche:! Mozzo concentrisch zusammen. Unglücklich? Doch dieß Wort möchte ich beinahe wieder zurücknehmen, wenn ich mir die Erinnernng an unseren ewig munteren Mozzo zurückrufe und mir sein fast beständig heiteres Angesicht vergegenwärtige. Er fand mitten in seinen hundert Geschäften immer Zeit und Gelegenheit zn Scherzen und Tändeleien. Meistens hatte er einen Strohhalm im Munde oder kaute sonst etwas zwischen den Zähnen. Nur wenn die Nostromini so ernst mit ihm sprachen, daß ich jeden Augenblick befürchtete, es möchten ein paar Ohrfeigen hervorvlatzen, nahm er sich den Strohhalm aus dem Munde weg, steckte aber gleich, sowie er aus der Traufe war, seine lustige Physiognomie wieder aus und watschelte wie eine ausgelassene Ente anders wohin. Unterwegs guckte er, selbst bei der größten Eile, noch neugierig entweder anf die See binaus, wenn es da etwas Nenes gab, oder blickte einem Passagier, der las oder schrieb, in sein Buch. Mit den Soldaten hattc er immer etwas vor, und selbst wenn er große Suppenschüsseln oder die schweren Nachtsacke der aussteigendm Passagiere vorübertrng, znpfte er hie und da einen neckend oder schnitt ihnen Gesichter. — Und als einmal eine ungeschickt über Vord schlagende Welle über einen ganzen Haufen von Soldaten, die zusammen- Die durchnäßten Italiener. 187 gekauert neben einander lagen, hinfuhr und eine» großen Aufruhr unter ihnen veranlaßte, war der arme geplagte, herumgestostene, gescholtene, vielgcschäftige Mozzo derjenige, der von unserer ganzen Gesellschaft am herzlichsten über die komischen Scenen, die es dabei gab, lachte. Freilich die italienischen Soldaten gewannen bei diesem kleinen Mißfall auch ganz meinen Beifall. Ich vernahm, obgleich diese kalte Salzfiuth nicht wenig ihre Behaglichkeit störte, keineswegs eine Verwünschung, einen Fluch oder nur einen Seufzer von ihnen. Sie nahmen vielwehr die Sache auf dcr Stelle von der komischen Seite, blickten sich unter einander an und belachten von ganzem Herzen die verschiedenen Ritter von der triefenden Gestalt, zn denen sie auf einmal diefe Uebcrschüttung verwandelt hatte. Da die Welle eine ziemliche Quantität Wasser herbeigeführt hatte, welche nicht sogleich von Bord ablaufen konnte, so kreuzten ihre Fluthen, die bei dem Schaukeln des Schiffes zurückkehrten, noch ein paar Mal schnell hinter einander die Beine, die Mantel und Kleider meiner gutmüthigen Soldaten, und diese schienen darin nicht eine Fortsetzung ihres Elends und ihrer Folter, sondern vielmehr einen wiederholten Anlast zum Ausbruch ihrer mnutcren Laune zu sehen. (Kiner von diesen lustigen und geduldigen Italienern hatte cine Katze unter seinein Mantel gehalten, und ich bemerkte, wie er, ganz mit Wasser überschüttet, nicht etwa vor allen Dingen dieses Thicrchen bei Seite setzte, um sich, aus der Feuchtigkeit zu retten, sondern vielmehr zuerst das Katzen vorsichtig unter dem Mantel hervorholte, nachsah, ob es auch naß geworden, es streichelte und seine Freude ausdrückte, daß es ungestört geblieben war. 188 Der Schlußstein v>m Dalmatian. Bei Ragusa waren wir noch in der Nacht vorübergesegelt. Als wir aber vor der Boeca von Cattaro anlangten, war es schon heller, sonnenklarer Tag. Diese Bocea von Cattaro bildet jetzt mit ihrer Umgebung das Ende und den Schlußstein der östreichischen Provinz Dalmatien. Bis hierher hat auch schon zn den Nömcr-zeiten das Land, welches man Dalmatia nannte, herabgelangt, und es begann hier ein nenes Land, nämlich Eftirus, und zwar zunächst das sogenannte neue Epirns (l^)il'U8 liovi>), anch das griechische Illyricn (lüvria ^ri!^<») genannt, dessen nördlichster, zu der genannten Bocca hinausgreifender Theil anch die prävalitanische Provinz (l'rovinOi« ?rnc?vnlitUiüo, diese mit einbegriffen, verbreitet haben. Die Slaven schließen mit Die Umwohner der Nlxca. 189 dem letzten Ende der bocchcsischen Besitzungen Oestreichs ab, und dann fangen die Aruauten, Albancsen oder sogenannten Skipctaren an. Ich sage die Slaven, richtiger sollte ich wohl sagcu die slavische Sprache. Denn ihrem Blute nach sind wohl die Umwohner der Bocca eiu Gemisch sehr verschiedener Stamme. Die Canalesen im Norden derselben sollen uralte Phönizier sein nud gar nichts Slavisches in ihrer Physiognomie haben. Die Pastrovicchianer im Süden der Bocca sollen nach Einigen von Hans aus ein kleiner albauesischer Stamm sein. An der Voeca selbst soll sich slavisches und albanesisches Blut vermischt, anch viel westeuropäisches, italienisches, französisches und namentlich spanisches Blnt beigemischt habeu, wie denn auch die schwarze Kleidung der Bocchesen noch aus Spanien stammen soll. In Bezug auf Sitten aber uud Gewohnheiten ist zwischen den dalmatischen Morlacheu, den Bocchesen, den Montenegrinern und den Arnauten oder Slipetaren fast gar kein Unterschied, uud ihrer Lebensweise nach könnte mau sie alle für ein und dasselbe Volk halten. Aber die slavische Sprache, wie gesagt, ist allen Umwohnern der Vocca, den Canalesen, dcu Pastrovicchianern u. s. w. gemein und hört weiter im Enden der Vocca auf, und sie zeigt uns dentlich genng au, daß die Bocca einen sehr markirten Einschnitt in der Abgliederung der Völker macht nnd daß sie mit einem Worte ein Schlnß- und Markstein vieler politischen uud ethnographischen Verhältnisse ist. Als solchen faßten ihn auch die Vcnetiancr auf, die hier in den Festungen und den tapferen männlichen Stämmen an der Bocca eine Hauptstütze nnd Schutzwchr ihrer dulinatischeu Besitzungen und ihrer adriatischen Herrschaft fanden. Als 190 Die Bocm. solchcil hat auch Oestreich sich beeilt diesen Punkt für sich zu gewilmeu und ihn seinen dalmatischen Besitzungen beizufügen, wie man dem Haupte eines Kriegers seinen Helm beifügt. II. Die Docche di CilUnro nnd Montenegro. Die ersten handgreiflichen Spuren von der Enstenz des kriegerischen Volks der Montenegriner begegnen dem an den illyrischen Küsten hinab Reisenden bei Ragusa; hier zeigt man ihm in der Nachbarschaft dieser edlen Stadt eine Menge höchst trübseliger Ruinen halb oder ganz zerstörter Villen der ehemals reichen Ragusaner. Die Montenegriner plünderten nnd verbrannten im Jahre 1806, als sie auf Anstiften der Russen in zahlreichen Schwärmen von ibren Bergen hernnter kamen, um mit ihnen vereint die Franzosen ans Nagusa zu vertreiben, iene Villen. Die verarmten Ragusancr waren später Nicht im Stande, ihre Häuser wieder herzustellen. Ganz ähnliche Zerstörungen nimmt man wieder wahr an den Ufern der Nc)«-1it; äi (.'.mm-o, wo die wohlhabenden Ortschaften Perasio, Dobrota :c. hart am Fuße der montenegrinischen Berge liegen. Auch hier blicken zwischen den wohlcrhaltenen und zum Theil schön und reich gebanten Hanscrn der (Anwohner hie und da einige ganz häßliche Ruinen von Wohnnngen oder Kirchen hervor, bie mit ihren ansgehöhlten Fenstern nnd eingefallenen Dächern wie Todtenschädel daliegen, und deren zerstörte Nmgebnng sich in dem reizenden Culturteppich dieser Ufer Kohl, Neist in Dalmatien. l. 13 494 Ruinen zcrstortcr iLillci,. ausnimmt, wie eine häßliche Narbe over eilte gerupfte Stelle in dem Pelze eines schön gesteckten Tigers. — Und wenn du nach der Geschichte und Ursache dieser Zerstörungen fragst, so verklagen Alle bei dir die Montenegriner und nennen dir dieß oder ein anderes ^mmm 11a,nmi, in welchem sie wie ein böses Hagelwetter von den Bergen hernnter kamen und einen Coup gegen die reichen, aber ihnen verhaßten Bocchesen ausführten. Mit den montenegrinischen Tscheten und Ausfällen ist es hier, wie mit den Ausbrüchen und ^avaergüsseu am Vesuv. Montenegro ist ein Vulkan, der zuweilen etwas von dem „schrecklichsten der Schrecken" ausspeit und rings um sich her Ruinen geschaffen hat, deren es natürlich an der Gränze nach der Türkei, nach der Herzegowina und Scutari hin uoch mehr giebt als au der Bocca und bei Ragusa. Jetzt, als wir auf unserem Lloyd-Dampfer in den letzten und hintersten Busen der Bocca einfuhren, lag dieser Vulkan, daS himluclanstrebcndc tschernogorische Gebirge, recht freundlich und schön, von der Sonne an-mulhig beschienen, vor uns da. Es besaud sich eben jetzt eine fehr bedeutende östreichische Truppenmacht in Cattaro, und es waltete daher der schönste Friede in dem Verhältniß der Bewohner jener Berge zu den Anwohnern der Vocca. Wir waren sehr begierig, den ersten leibhaftigen Montenegriner von Angesicht zu Angesicht zu schauen. „Hicr nehmen Sie mein Perspettiv", sagte mir einer meiner Reisegefährten, „dort können Sie einen ganzen Haufen auf einmal schauen". Es war gerade heute in Cattaro Bazartag für die Montenegriner, und zu diesem stiegen sie in kleinen Trupps von ihren Bergen Die ersten Montenegriner. 495 herab auf dcm langen Zickzackwege, den die Ocstreicher ihnen voil Cattaro aus bis an den Rand ihrer obersten Verzinnen hinanfgebaut haben. Wie ein Alpenbesncher, dem sein Führer lange den Anblick eines Gemsthieres versprochen hat, jnbilirt, wenn er endlich einen kleinen brannen Fleck ans der Felswand entdeckt, der sich hin- und wrbewegt, und um den herum sich eben solche kleine braune Flecken bewegen, denen er, wenn sein Ange sich gewöhnt hat, kletternde Beine und krnmme Hörner angesetzt erblickt, so freuten wir uns, als wir dnrch das Perspectiv endlich auch einige kleine trippelnde und hüpfende und springende Flecken, durch welche Montenegriner angedeutet wnrden, auf jener Bergstraße erkannten. — Brann waren sie auch, denn der montenegrinische Mantel, die Strukka, hat fast die Farbe des Gemspelzes. Als wir erst einige erkannt hatten, da fanden wir auch bald andere, und am Ende zeigte sich uns fast die ganze Straße bis Cattaro hinab mit montenegrinischen Männern und Weibern, Mädchen und Burschen, Pserdchen und Eseln belebt, die, mit allerlei Dingen bepackt, zu dcm Bazar der Stadt herbeieilten. Wir mnßten uns zunächst mit dieser perspectivischen Fernansicht des Volkes begnügen, eilten aber, nachdem wir unser schwankendes Dampfschiff mit einer Cattarcnsischen Festlandslocanda vertauscht hatten, bald auf den Bazar selbst, um uns die Lente näher anzuschauen. Die Stadt Cattaro hängt gewissermaßen von Montenegro ab, denn ihre Einwohner werden der Hanptsache "ach von dort aus mit Proviant und vielen anderen sehr nöthigen Lebensrnitteln versehen. An der Bocca selbst wächst nichts als Wein und Oel und einige andere 13* 196 Cattaro und Montenegro. Früchte, und oberhalb der Wein- und Oelgärten sind die Berge, so weit sie östreichisch sind, ganz kahle, von der Sonne erglühende und verbrannte Felsgehänge. Im Innern der Gebirge aber nnd jenseits derselben in den Thälern am See von Scutari giebt es Wälder, Anbau und Früchte aller Art, fischreiche Flüsse und herdenrciche Wälder, fnr deren Uebersiuß die Montenegriner einen Ausweg über Cattaro suchen. Dieser Ort verhält sich daher zu Montenegro ungefähr eben so, wie Ragusa, Spalato, Sedenico und die anderen dalmatischen Seeplätze zu bestimmten Distrieten BoSniens und der Herzegowina. Cs sind auch die Productc, welche die Montenegriner nach Cattaro herabtragcn, beinahe identisch mit denen, welche die Türken nach den dalmatischen Ausfuhrplätzen bringen, so wie auch die Art und Weise des Handels hier uud dort ganz die nämliche ist. Wie bei Nagusa, wie bei Sebenico :c. ist ein eigener Platz vor der Stadt, ein sogenannter Bazar, zum Verkehr mit den Leuten ans dem Innern bestimmt; wie dort die türkischen Karawanen, werden auch hier die montenegrinischen Handelsleute nur an gewissen Tagen in der Woche zugelassen. Wie jeue, bringen auch diese, theils ans Pferden und Maulthicren, theils auf den Rücken ihrer Weiber, Holz, Felle, Käse, Wolle, gedörrtes Fleisch, geräucherte Fische, Wachs, Ho-uig, Mais, Kartoffeln :c. herangeschleppt. Bei Montenegro sind die Hauptartikel Kartoffeln, Fische (die sogenannten Seoranzcn) und gedörrtes Fleisch (das sogenannte Castradina), Artikel, die in hinreichend großen Quautitäten kommeu, um von Cattaro aus wieder verschifft werden zu können, und deren zusammensummirte tleincn Werthe im Jahre sich wohl anf einige Hundert- Bazarleben. 197 tauseud Gulden belaufen. Sobald Montenegro unruhig ist und so oft an der Gränze scharmützirt wird, befiudct sich Vattaro so zu sagen im Belagerungszustände und ist rund um von der Welt abgeschnitten, hat keine Lcbcns-mittcl, keine Beschäftigung keine Waaren zu verhandeln, und die Freude ist daher immer groß bei den Cattareu-stschen Bürgern, wenn der Friede wieder hergestellt wird und die ersten Montenegriner mit versöhnter Gesinnung bieder auf dem Bazar erscheinen *). Da wir, wie gesagt, an einem Bazartagc in Caltaro ankamen und da außerdem jetzt sehr viel Militär an der Boeca conccntrirt war, so fanden wir den kleinen Ort außerordentlich belebt, an dem Hafen-Molo, an dem Thore (poi-lil l!.i Ugrinn), das von dem Hafen ins Innere der Stadt führt, auf den Hauptpläjzen und den engen Straßen der Stadt überall war ein lebhaftes Gedränge, das noch von uus zweihundert Dampfschisspassagieren vermehrt wurde. Leute der verschiedensten Art liefen oder wandelten da durch einander, Bürger der Stadt, llalicnische Soldaten von der Garnison, deutsche Offiziere, Schiffer und Handelsleute in mannigfaltig variirten Kostümen von verschiedenen Orten der Bocca, — und zwischen diesen hie und da ein wildes Bergkind, ein leichtfüßiger Montenegriner, in wcißwollenem Rock, die branne be-lroddclte Strukka darübergeworfen. Wenn sie sich beim Thore melden und dort gegen einen Empfangschein ihre Waffen ablegen, dürfen die Montenegriuer nämlich auch ln die Stadt selbst kommen. Zur Aufnahme der Waffen ') Der Oberst Vi.illa beschreibt ;u wiederholten Malen die Meudenbezcigungen der (5attarcnscr bei bewirkten Friedensschlüssen "it den Montenegrinern. 198 Naffcuablcgcn dor Montcin'gritter. sind in der Nähe beider Landthore Cattaro's, der sogenannten I'orla cli 1'ium^ln nnd dor ?aiU> <1i lIOidl/zio, kleine steinerne Hänser errichtet, in denen sie deponirt und wo sie ihnen beim Hinausgehen gegen den Cmpfang-schein wieder ausgehändigt werden. Aehnlichc Maßregeln und Waffendepots hat man anch an den Thoren einiger anderen dalmatischen Städte angeordnet, ich glaube jedoch bloß bei den als Festungen betrachteten Plätzen. Natürlich ist diesen Leuten, den Montenegrinern sowohl als den Morlachen nnd Türken, das Waffeuab-legen sehr zuwider, sie sind au ihre Dolche nnd Pistolen so gewöhnt, wie ein Invalid an sein hölzernes Bein, und ihre Flinten nnd Handschare abzugeben, wird ihnen beinahe so schwer, wie einem Löwen, wenn mau ihn dazu zwingen wollte, vor dem Eintritt in eine Stadt sein Gebiß zu deponiren. Sie macheu daher ihre Geschäfte am liebsten draußeu vor der Stadt ab, uud in den Vor--städten der dalmatischen Ortschaften findet man sie daher gewöhnlich in ihrem ganzen Waffenschmuck vor den Thoren sitzen. Vielleicht sind daher anch zum Theil in Folge dieses Umstaudcs die Vorstädte das Hanpttheater des Verkehrs mit dem Inneren. Unbewaffnet zu erschein neu betrachten sie als etwas für einen Mann ganz Unwürdiges nud fast Unschickliches. Daher entschnldigen sie sich anch, wenn sic, ihrer Waffen beraubt, bei einem geschätzten Freunde eine Visite machen, wie sich etwa bei nns sonst jemand entschnldiat haben würde, wenn er bei einer Staatsvisite sich nicht in Allongenperücke, Escar-pins, mit seinem Degen au der Seite und seinem Orden auf der Brust aufführen konnte. Ginige hohe vornehme Montenegriner, des Nladika nächste Anverwandte, z. B- Montenegriner in östreichischen Festungen. 199 sein Thronfolger und Neffe, haben daher in Cattaro auch ausnahmsweise, glaube ich, die Erlaubniß, bewaffnet in die Stadt zu treten. Auf der anderen Seite abev, denke ich, mag es auch wieder zu Zeiten manche Montenegriner geben, die sich dort gar nicht, selbst nicht einmal unbewaffnet zeigen dürfen. Manche jetzige Unterthanen des Wladika haben den östreichischen Dienst auf eine vorschriftswidrige Weise qnittirt und stehen oft lange vergeblich mit den östreichischen Behörden in Unterhandlung, um auf dem Bazar von Cattaro wieder zugelassen zn werden. Andere getrauen sich uicht recht herab, weil sie vielleicht dort uuten in Vlntrache-Angelegenhciten verwickelt sind. Noch Andere giebt es, die wohl wissen, daß sie schon längst verdient hätten, in irgend eine östreichische Festung verbannt zn werden. Natürlich werden die Montenegriner, welche Verbrechen anf östreichischem Gebiete begehen, ohne Weiteres gefangen genommen und, wenn der Fall darnach ist, in östreichische Festungen trans-portirt. Die Festung Gradisca im Frianl hat schon manchen moutcuegriner Helden (?) in ihren Mauern beherbergt. Gleich als wir bei unserer Landung über den Hafcnplatz gingen, zeigte man mir einen Montenegriner, den Sardarcn oder Nojewodcn*) eines montenegrinischen Stammes, der die unfreiwillige Ncise nach Gradisca schon einmal geinacht hatte. Es war ein alter Mann, *) Das Wort Wojewodc (buchstäblich: „Kriesssfnhrer, Herzog") ist eine uralte, eigenthümlich slavische Vcuenmmss, mit der zu verschiedenen Zeiten n»d an verschiedene!! Drten sehr verschieden gestellte Beamte oder Anführer, hohe und kleine, bezeichnet wurden und die eben so wie das kosafWe „Hctmann" (oder Attania»), bald einen Herzog, bald einen Dorfschulzen bezeichnet. 200 Ein „Haupt-Geier" von den Gebirgen. von großem und starkem Körperbaue, mit breiten Schultern, mit dicken rothbraunen Backen und feister Nase. Ein Paar weiße Locken fielen unter seinem rothen Feß, mit den kleinen Seidenqnasten desselben vermischt, hervor, und seine dicken Lippen zierte ein grauer Knebclbart. Er trug einen kurzen purpurrochen Dolman, der mit Fuchspelz verbrämt war, wie ihn alle vornehmen Montenegriner tragen, und im Ilebrigen weite türkische Beinkleider. Er ragte hoch übcr die andere Menschenmenge hervor, und als ich ihn erblickte, war er eben von einigen anderen gemeinen Montenegrinern umgeben, die ihm ihre Huldigung darbrachten, indent sie ihm zu wiederholten Malen den Ellbogen küßten. Ihre Verbeugungen waren dabei so tief, daß die Besätze ihrer Strukken auf dem Boden schleiften. Ich glaubte nicht, daß auch bei den freien Montenegrinern solche Begrüßungen der Oberen und Vornehmen « In l'olanm'8« üblich seien. Vor ihrem Wladika fallen sie sogar anf die Kniee nieder, wenn sie ihm etwas zu überreichen oder von ihm etwas zu bitten haben. Aber freilich beim Wladika, der als Priester eine heilige Person ist, und der selbst der „«wüta >VIg4 2l() Montenegrinische und bocchesische herbei, ließen die Arbeit daran bewundern nnd erzählten von jedem Handschar oder Gewehre, woher es stamme, welchem türkischen Pascha oder Beg es früher gedient, wie es in die Hände der Montenegriner nnd dann in ihre gekommen sei; denn hier bei den Montenegrinern hat jeder Säbel seine lange Geschichte und, ich möchte beinahe sagen, seine Genealogie; die meisten haben sie sich selbst erst erobern müssen, da sie nicht viel Eisen- und Waffenschmiede auf ihren Bergen haben. Diese Leute zeigen nnd preisen einem ihre Waffen, wie bei uns die Pferdeliebhaber ihre Pferde. In alten Nitterzeitcn mag das bei uus eben so gewesen sein, und man begreift daher, wie in den Volksliedern (z. B. auch in den spanischen Ciddichtnngen) ein Schwert einen eigenen Namen bekommen hat und I9 nichts weniger als das! Es scheint fast, als dächten die Dobrotaner von ihrem kleinen schmalen Küstenstrich, wie die Magyaren von ihrem großen Ungarn: Kxtra Do-kt-ol<»m nan o«l. vil:,, et, »i r8l viln, nnn o»l iU>. Sie müssen alle dahin znrück und nehmen die Pistolen willig wieder znr Seite, um ihr Erworbenes und dessen Genuß auf Leben nnd Tod gegen die Montenegriner zn vertheidigen. Und dazn befestigen sie jede einzelne ihrer Villen wie ein Fort. Hin- in Dobrota kann man, däucht nur, besser als anderswo lernen, was es bedeutet: Vaterland! Heimath! und mit welcher Gewalt der Flecken Erde, auf dem er geboren ist, des Menschen Seele be-zanbcrt hat. Auch viel besser noch als in Montenegro; denn daß diese Leute an ihren Felsen wie Pech kleben, ist kein Wnnder, da sie nie etwas Besseres kennen gelernt haben. Da die Bewohner dieser Orte in oder auf den Bergen nicht viel zn snchen haben, nnd da auch ihre Nachbar-Co'.nmnnen oft dnrch keine ordentlichen Wege mit ihnen verbunden oder gegen sie seit alten Zeiten verstimmt sind, so ist fast ihr ganzer Verkehr nach der Wasserseite hin. Sie haben daher gar keine Wagen, nur einige besitzen Samnthiere, aber fast alle haben Barken oder Gondeln, nnd für diese haben sic gleich hart cin ihren Hänsern am Ufer recht hübsche kleine Molos und steinerne Häfen gebant. Diese zahllosen kleinen Molos nnd Häfen gereichen den Ufern der Vocca znr Zierde und machen sie fast an jedem Punkte znm Anlegen geschickt. Man war so gütig, uns in das Innere eines jener befestigten Hänser zn führen. Gleich zu beiden Seiten der Hofthnrc zeigte man unS Löcher oder Echießschar- Extra Do-brotam non ost vita, et si cst vita, non cst ila. ©ie müssen alle dahin znrück und nehmctl die Pistolen willig wieder zur Seite, um ihr Erworbenes und dessen Genuß auf Leben und Tod gegen die Montenegriner zu vertheidigen. Und dazu befestigen sie jede eiuzelne ihrer Villen wie ein Fort. Hier in Dobrota kann man, däucht nur, besser als anderswo lernen, was es bedeutet: Vaterland! Heimath! und mit welcher Gewalt der Flecken Erde, auf dem er geboren ist, des Menschen Seele be-zanbcrt hat. Anch viel besser noch als in Montenegro; denn daß diese Leute an ihren Felsen wie Pech kleben, ist kein Wnnder, da sie nie etwas Besseres kennen gelernt haben. Da die Bewohner dieser Orte in oder auf den Bergen nicht viel zu suchen haben, und da auch ihre Nachbar-Communen oft durch keine ordentlichen Wege mit ihnen verbunden oder gegen sie seit alten Zeiten verstimmt sind, so ist fast ihr ganzer Verkehr nach der Wasserseite hin. Sie haben daher gar keine Wagen, nur einige besitzen Saumthiere, aber fast alle haben Barken oder Gondeln, nnd für diese haben sie gleich hart an ihren Hänsern ain Ufer recht hübsche kleine Molos und steinerne Häfen gebant. Diese zahllosen kleineu Molos und Häfen gereichen den Ufern der Vocca zur Zierde und machen sie fast an jedem Punkte znm Anlegen geschickt. Man war so gütig, uus in das Innere eines jener befestigten Hänser zu führen. Gleich zu beiden Seiten der Hofthürc zeigte man unS Löcher oder Schießschar- 24l) Einrichtung einer bocchesischen Villa. ten, durch welche Angriffe auf die Thüre verhindert werden konnten. Eben solche Schießscharten waren bei den Hausthüren und bci den Fenstern eingebohrt. Sie zielten alle in einer Richtung, in welcher man schwache Punkte des Hauses bestreichen konnte. Dabei war aber das Haus selbst im Uebrigen nichts weniger als einein mittelalterlichen Castell gleich. Vielmehr war es groß, schön, zweistöckig und sehr geräumig, mit hohen weiten Gemächern und Vorplätzen, in liebliches Weinlaub, friedliche Oelbaume, Granaten u. s. w. eingehüllt. Der Besitzer des Hauses, ein reicher Schiffspatrou, kam uns in seinem schwarzseidencn, mit Silber verzierten Nationalcostüm entgegen und führte uns überall herum, m sein Prunkgemach, auf deu Balkou des Hauses, von dem sich eine liebliche Aussicht auf die Bocca darbot, zu seiuer Waffen-samiulung, und auch zu einer Kanone, die er in einem hübschen Zimmer im Hintertheile seines Hauses aufgestellt hatte. Für diese Kanoue hatte er in deu uuruhigeu Zelten des Jahres l8-48 die Wand, welche nach der Seite des montenegrinischen Gebirges hin lag, durchbohrt, und seitdem hat er sie da lieber für immer gelassen. Aergerlicher Weise vergaß ich nachzusehen, ob die Kanone geladen war; aber ich glaube, man sagte es mir. Die Waffen des Hauses beliefen sich auf zwei Dutzend Gewehre, Pistolen und Haudschars, die aber nicht etwa in dem Schlafgemache des Herrn oder sonst in einem Verstecke aufbewahrt wurden. Vielmehr hingen, sie im Centrum des Hauses an den Wänden des Vor-hauscs und des Corridors, so daß Jeder auf der Stelle dazu greifeu konnte. Anch waren sie nicht alle auf einem Haufen, sondern eine Partie hing in der unteren, eine Deutsche WolMingen. 2-11 zweite in der oberen Etage, um gleich in dcn verschiedenen Räumen das Nöthige beisammen zu haben nnd alle Posten an den Fenstern besetzen zu können. „Dieß ist ja ungefähr wie in einem Kriegsschiffe", bemerkte ich unserem Hanswirthe, der uns dann auch noch ein Schwert von der Wand bob, das er nns als ein deutsches präsentirte. Es war diesi eine sogenannte „Wolfsklinge" (italienisch: ^f)5>,'ta. , 247 jeder Flucht in ihre Berge hinaufzuschleppen pstegcn. — Dem tapferei» Eapitän, seiner Fran nüd seinen Töchtern schworen sic aber ewige Rache, und leider hat die Familie, um bei Nacht und bei Tage wenigstens einigermaßen sicher ;n sein, ihr ländliches Häuschen verlassen müsseu und sich innerhalb der Befestigungen von Eattaro angesiedelt, die sie jetzt, ohne Gefahr zu laufen, uicht verlassen dürscn. Dobrota hat drei Kirchen, von denen wir eine besuchten. Es war eiu sehr hübsches Gebäude in gefälligem Style, mit reich geschmücktem Altare. Der Geistliche zeigte uus eine schöne venetianische Goldarbeit, ein höchst zierlich gestaltetes, unbcschrcibbares Kunstwerk in Kreuzessorm, dem als kostbare Reliquien ein Dom aus der Dornenkrone des Herrn, ein Splitter aus der Säule, an welchem der Herr gegeißelt wurde, und ein Wenig wrr» snn^uim» (mit dem Blute des Gekreuzigten geschwängerte Erde) einvcrwebt waren. Nir begriffen nicht, wie man solche Echälze an einer so erponirtcn Stelle aufhäufeu könne. Aber freilich ist auch dieses Kirchlein befestigt. Zwischen Thüre und Kircheudach,am Dacheoranbe eingemauert, hängt wie ein Bienenkorb ein kleiner fester, aus Steinen construirter Erker herab, der mit Schießscharten der Art versehen ist, daß man aus ihucu deu Eingang der Kirche bestreichen und deckeu kann. Die Mcßuer und Kirchendiener — natürlich bewaffnete Leute — müssen gut aufpassen, und sie können gleich oben m der Kirche bis zu jenem Erker herunterlaufen, ohne den etwa bedrohten unteren Eingang der Kirche zu berühren. Dieß Gotteshaus, hat eine reizende Lage auf einer etwas erhöhten Landzunge, die gegen den Spiegel der 248 Dcr Vanm-Ercmit. Bocca hervortritt, und ist von Malern oft dargestellt worden. Wir hätten min noch gern von Dobrota ans einen gewissen Punkt an dem Abhänge der über ihm schweben^ den Berge erreicht, nämlich eine dort befindliche Höhle, deren uns zugewandten Schlund wir deutlich erkannten. Während rund herum Alles völlig kahler Fels ist, hat sich im Schatten dieser Höhle ein großer hübscher Baum conscrvirt, dessen grüner Laubt'opf recht malerisch aus dem Loche hervorragt. Einige sagten mir, es sei ein großer Feigenbaum. Andere hielttn ihn für einen Lorbeer, aber die meisten versicherten, es sei ein alter Orangenbaum. Wir waren, wie gesagt, gern hinaufgestiegen, nm dieß zu ergründeu, aber unsere Freuude mahutcn unS davon ab. Es wäre nicht räthlich, sagten sie, sich allein so weit hmausznwagen. Man könnte so mitten am Berge an einer so weit sichtbaren Stelle von den Montenegrinern, die vielleicht zufällig von oben her herabschauten, für einen Dobrotaner oder von den Do-brotanern, die von unten her sich häufig die Bergwände betrachteten, für einen montenegrinischen Spion gehalten und, ehe man es sich's versähe, von einigen Flintcnkngeln begrüßt werden. Man muß aber in diesem Lande nirgendswo hingehen, wo man den Leuten auffallen kann, unv wo es Jemandem einfallen könnte, sich zn fragen: „was um des Himmels willen hat der Mensch dort zu jachen?" und wo dauu dieser Jemand, wenn er seinen Kopf vergebens bemühte, auf jene Frage die rechte Antwort zu finden, rasch zn seiner Flinte greifen möchte. ^-Solcher Umständlichkeiten wegen unterblieb dieser kleine Ausfwg zu jenem mcrlwürdigcn vegetabilischen Eremiten, Vocchchfche Arten zu rudern. 249 auf den übrigens von verschiedenen Punkten der Bocca aus noch oft unsere Blicke sielen, und den deutsche Hand-werksburscheu, wenn sie hierher reisten, gewiß schon längst zum Wahrzeichen der Bocca gemacht hätten. — Gewiß müßte dort ein Maler ein recht hübsches und für Dal-matiens Natur eigenthümliches Vild gewinnen können. Ich hörte auch schon von einem Maler, der es — aber ebenfalls vergebens — versuchte, zu jenem Eremiten zu gelangen. 3. P e r a ft o. Äm folgenden Tage wnrde nns wieder eine Gon-delfahrt zu einem anderen Küstenpunkte der Bocca von unseren Gönnern bereitet. Es ging dieses Mal etwas weiter, nach dem Orte Perasto, der jenem schon genannten Engpässe I.c; t^Mmw gegenüber liegt. — Für unsere armen Ruderer, die dabei nicht weniger als fünf Stunden Arbeit hatten, war dieß etwas anstrengend. Aber die Bocchesen sind die geschicktesten Ruderer von der Welt, sie haben drei verschiedene Arten zu rudern, vou denen sie je nach den Umständen bald die eine, bald die andere anwenden. Erstlich die bei uns gewöhnliche, wobei die Lente auf den Bänken sitzen, das Gesicht den Passagieren zugewandt, und wobei sie das Ruder ein> tauchen, fortstoßen und gleich wieder, damit ausgreifend, eintauchen. Anf diese Art rudern sie, wenn das Wasser Nch unrnhig zeigt, Wind oder Strömung entgegen sind, und es daher nöthig ist, daß in jedem Moment das 250 Bocchesische Arten zu rudnn. Schiff von den Ruderern gestoßen nnd anf seiner Linie erhalten werde. — Dann haben sie die Rnderweise der venetianischen Gondelfahrer, wobei sie alle stehend arbeiten, den Passagieren den Nucken zukehren nnd dem Nnder cine eigenthümliche Schwenkung geben. Diese Weise wenden sie zn ihrer Grlwlnng an, wenn sie sehr ermüdet sind. Denn so stehend zu rudern, können diese kräftigen Leute immerfort aushalten, weil dabei nicht bloß ihre Arme angestrengt werden, vielmehr der ganze Körper, Schultern und Brust und auch die Beine in Spannung sind nnd Beihilfe leisten. Doch wird das Schiff dabei nicht so schnell gefördert. — Um rechte Schnelligkeit hcr-vorznbringen, nnd wenn das Wasser recht glatt und rnhig ist, haben sie noch eine dritte Weise, die ich, mich däucht, bloß hier an der Borea sah. Die Pointe dieser sltt zu rudern besteht in Folgendem: Sie greifen alle sitzend mit ihren Rudern rasch ans, tauchen ein nnd geben dem Schiffe einen energischen Stof;. Dann aber, wenn sie das Nuder schnell wieder herausgebracht haben, tauchen sie nicht gleich wieder ein, wie bei der ersten Art, sondern tasten das Schiff ein paar Momente rasch dahingleiten, indem sie die träufelnden Rudcr dabei einige Zeit hoch über dem Wasser still halten. Darans tauchen sie eben so schnell wieder ein und wiederholen den energischen Stoß. Diese Weise soll am meisten anstrengen, aber auch, wie gesagt, das Schiff am bcßten vom Flecke bringen. Da wir, wenn gleich Regen, doch ruhiges Wasser hatten, s» arbeiteten nnsere Leute gewöhnlich auf die letzte Art. Zuweilen aber nahmen sic ihre Mntzcn ab, nnd ihr Vorsprecher bat in ein paar ehrerbietigen Worten den Herrn, der unser Steuerruder führte, ob er SchicklichkeitSgefühl der Bocchesen. 251 sie wohl entschuldigen wolle, wenn sie nun zu ihrer Erholung ein wenig anf venetianische Art ruderten, und wenn sie nns dabei den Rücken zukehrten. Und diese respectvolle Entschuldigung wiederholten sie jedes Mal, wenn sie wieder ans Venetianisch ansingen. Der Herr, den sie baten, war zwar ihr Landeschef, allein man muß nicht glanbcn, daß unsere Leute die besagte Ent-schuldignng bloß ans tiefem Respett vor einem Oberen für nothig hielten. Eie würden sich auch gegen Ändere, auch gegen ihres Gleichen bei Gelegenheiten, wie die besagte, entschnldigt haben. Diese Leute an der Bocca und überhaupt alle Leute in Dalmanen, auch selbst die Montenegriner und Morlachen, haben bei ihrer übrigen sogenannten Barbarei ein außerordentlich empfindliches Gefühl für das Schickliche. Den Nucken oder dergleichen drehen sie Niemandem zn, ohne um Verzeihung zu bitten. Auch kann man in den kleinsten bocchesiscken oder dalmatischen Ortschaften eine Menge Dinge, ohne die Leute errothen zu machen nnd in Alarm zu bringen, nicht thun, die in Paris ganz gewöhnlich sind. Ebenso sind hier in Dalmatien gewisse polizeiliche Anordnungen, vie man anch in Wien an Kirchen und Straßenecken angeschlagen sieht, ganz überflüssig. Diese Lente haben daher auch fthr viel Zeremoniell- und Artigkeits-Plnasen und schr verbindliches Ausdrücke der Höflichkeit, und ein Franzose selbst riskirt bei ihnen nicht selten, in den Ruf eines Grobians zu kommen. Perasto liegt höchst malerisch auf einem schr ranhen und felsigen Küstenterrain. Der Ort ist eben so wie Dobrota nnd Perzagno eine Residenz reichgewordencr Echiffseapitanc nnd Handelsleute, die hier mitten unter 352 Griechische Popen bei Entbindungen bocchesischer Frauen. vielen Armen in palastartigen Gebäuden wohnen. Aber anders als in Dobrota und Perzagno sind die Hänser hier in nur kleinen Hausen dicht zusammengedrängt (vermuthlich einen in Folge des beengten Terrains), nnd als wir in den engen Gäßchen dieses Orts herumgingen, schien er mir viel Achnlichfeit mit Corzola nnd anderen kleinen malerischen Städten Dalmatiens zu haben. Ginige Häuser schienen sehr alt und mit der Ausschmückung und in dem Style der venetianischcn Paläste gebaut zu sein. Wir besahen auch hier das Innere eines solchen schönen reizend gelegenen Hauses; aber auch hier bekamen wir nur den männlichen Besitzer, keine Hansfrau zu sehen. Von Männern führen sie nur die nächsten Verwandten und Freunde zu ihreu Frauen, und dann natürlich auch den Arzt und zuweilen den Popen. Dieser kommt sogar bei Entbindungen der Frauen, besonders wenn sie schwer sind, um mit seinem Gebete zu helfen. Man bat mir gesagt, daß sogar die Mohammedaner in Bosnien und der Herzegowina bei schweren Geburten den christliche» Popen zll ihren Frauen kommen lassen. Neberhaupt sollen diese Türken, trotz ihres Fanatismus für Mohammed, zuweilen noch recht viel Hinneigung nnd Vertranen zum Christenthum zeigen. Meistens ist es wohl nichts weiter als ein abergläubiges Vertrauen. Es giebt nicht nnr in der Herzegowina uud in Bosnien selbst, sondern auch in Dalmatien nicht wenige Reliquien und Heiligenbilder, denen anck die Türken ihre Ehrfurcht beweisen. Und selbst ein Bcg oder Pascha in jenen Ländern spricht bei schweren Krankheiten oder sonstigen Traucrfällcu, weun gar nichts helfen will, oft: „Nnn so laßt mir einen Popen kommen, wir wollen sehen, was der vermag." DaS ssastell bei Perasto. 253 Die bosnischen Türken, so fanatisch mahommedanisch sie, wie gesagt, für gewöhnlich siild, erinnern sich, wenn das Schicksal sie recht hart packt, auf einnml daran, daß sie oder ihre Vorväter doch einst Christen waren. Alls diesen interessanten Umstand werde ich noch oft zurückzukommen Gelegenheit nehmen. Bei der Aussicht, die wir haben, Bosnien und die Herzegowina wieder für das Christenthum zu gewinnen, ist es wichtig genug zu wissen, in wie weit es noch auf seinen alten christlichen Unterlagen wurzelt. Dicht über Perasto liegt ein altes ganz sonderbar gebautes Castell. Es ist ein mit gewaltigen Mauern umgebenes längliches Viereck und sieht aus wie ein riesenhafter Kasten von Stein. Da es, wie die Befestigung von Cattaro, schief am Berge hinauf liegt, so kann man vom Ufer aus in diesen Kasten hineinblicken. Gegen Montenegro zu wendet es seine schroffste Seite. Cs diente bei Uebcrfällen der Montenegriner und Risanoten, mn die flüchtende Bevölkcrnng von Pcrasto und ihre Habseligkeiten aufzuuchmcn. Seine Mauern sind noch M, und Niemand steht uns dafür, daß sie unter Umständen der genannten Bevölkerung noch manchmal die besagten Dienste leisten müssen*). Ganz nahe bei Perasto liegt das famose Nisano, bicht vor dem Ort auch die hübsche Kirchen- uud Kloster-lnsel S. Giorgio und La Madonna, aber leider, leider! legnete es beständig in unsere Gondel hinab. Wir hofften *) Ich habe irsssndwo die V^inrfuiic, gelescil, daß Vmrdig allein axs diejVm Pclvislo vl>,r sriucr berühmtesten Admirale erhalten habe. 254 Illumination der Vorca. vergebens auf Besserung, unser Schiffchen irrte wie eine von Jägern verscheuchte Ente auf dem Gewässer der Bocca herum, und wir mußten uns am Ende entschließen, auf den Anblick aller der besagten interessanten Dinge zu verzichten und in stiller Ergebenheit nach Hause zurückkehren, ohne noch sonst etwas erreicht zu haben. Im Dunkeln kamen wir nach Cattaro znrück. Von allen Seiten her glimmten Lichter an den Ufern und Bnsen der Bocca aus, und unsere Freunde erzaklten uns, wie zauberisch sich eine allgemeine Illumination der Bocca ansnehmc, wie sie wohl zuweilen bei Anwesenheit hoher Herrschaften veranstaltet worden sei. Ans der Stadt scholl uns fröhliche Musik entgegen, und wir belauschten noch zu unserer Erheiterung den letzten Nossimschcn Marsch, — oder war es ein Straußischer Walzer? — ven die zahlreiche Musikbande eines östreichischen Regiments auf dem Hauptftlatze der Stadt vortrug. Solche hübsche militärische Concerte — ich hatte es schon früher erwähnen können — werden eben so wie anf der I'i"//n lii 8»n Äiiü-on in Venedig, auch in Cattaro an bestimmten Wochentagen wiederholt nnd bilden an schönen Abenden das Rendezvous der Veanmonde der Stadt, der Bürger und Bürgerinnen, der Offiziere und Soldaten und gelegentlich auch der Montenegriner, die sich dabei in buntem Gemisch umhertreiben, und zu deren Aufheiterung die Musik bestimmt ist. Das ostreichische Albanian. 255- 4. Die Shuppa. Den folgenden Tag war am Morgen wieder Vind-fadenrcgen, aber der Nachmittag envies sich schön, nnd für uns wurde ein Ritt in die 5nvpa oder Shuvpa*) beliebt. Um recht dentlich zu begreifen, was die Ehuppa sei, mnß lnan das geo- und orographische Vild des ganzen kleinen Landes, welches man das venetianische oder östreichische Albanien nennt, vor Augen haben. Dieser kleine Ländcrabschmtt kommt so heraus: Die gewaltig hohe nnd schroffe Bcrgmaner von Montenegro lauft in der Hauptsache von Nordwesten nach Sndosten, parallel mit der Küste des adriatischen Meeres, in einer durchschnittlichen Entfernung einer deutschen Meile vom Meercs-nfer. Der Parallelismns ist jedoch nicht genau. Vielmehr ziehen sich im Norden bei den Nnociw lii ^üw'i-o die hohen Berge etwas in's Innere zurück, umgeben diese Boeea rings umher und laufen dann von Cattaro aus, unter einem sehr spitzen Winkel znr Küste geneigt, längs dieser hin, bis sie mit ihr am Ende ganz i>n Süden bei der ?unln 1)udowit?:.i in eins zusammentreffen. Es cutsteht auf diese Weise ein längliches Und sehr schmales Dreieck, das im Norden nnd Osten von den besagten Bergen, im Westen von der Meeresküste begrenzt wird. Dieses Dreieck mag ungefähr 9 Meilen lang nnd an der Basts im Norden 3 Meilen *) Sprich, wie die Franzosen ^ouppI" sprechen würden. 256 Das östreichische Albanien. breit sein. Die Venetianer', als sie als Eroberer und Herrscher in die Vocca von Eattaro eindrangen, mnßtcn nothwendig sich aufgefordert fühlen, dieses Dreieck als ein Ganzes aufzufassen und bis zu seinen» äußersten Punkte als ein Anhängsel ihrer Herrschaft an der Bocca zn betrachten. Sie eroberten — und so würde es den Natnr-umstäuden gemäß gewiß auch jeder Eroberer der Bocca zu thun streben — zuerst die Gegend an der Bocca überall von den Ufern aufwärts bis an den Rand der nahen Hochgebirge, jenseits dessen die Montenegriner und die Türkcn der Herzegowina sich behaupteten. Außerdem aber dehnten sie ihre Herrschaft auch überall gen Süden längs des Küstenlandes aus, das durch seine Thäler und durch seine Flüsse, die sich zum Theil der Vocca zuneigen, mit dem Anlande dieser letzteren in Verbindung steht und mit ihm einen zusammenhängenden Nicderlandftrich bildet. Sie gingen dabei bis zu dem besagten Vorgebirge Dubowitza, wo dieser Zusammen--hang unterbrochen wird, wo die Berge, ganz zur Küste tretend, einen Abschnitt machen, und jenseits dessen die albanesischen Türkcn das Land an sich genommen haben. Man sieht hieraus, dasi man also in dem sogenannten venctiauiscben Albanien ein Ganzes, ein historisch-geographisches Glied vor sich hat, und es ist begreiflich, daß Oestreich auch innerhalb derselben Naturgreuze hier als Erbe Venedigs auftrat. — Das ganze Land mag etwa so groß sein, wie ein mittelgroßes thüringisches Herzog/ thum; es hat ungefähr !W Quadratmeilen mit circa 40,(M Bewohnern. Diese Bewohner bestehen zwar aus lauter verschiedenen kleinen Volksstämmcn mit besonderen Namen. Doch haben auch diese Volksstämmc stets viel Die Shuppaner. 257 Gemeinsames in Sitte und Wesen gehabt. Es sind lauter Slaven oder slavisirte Albanier; die alte skipetarische Urbevölkerung ist in diesem Theile von Aloanien ganz verschwunden (nicht so in dem benachbarten türkischen Albanien). Auch haben sie wohl zur Zeit ihrer Selbständigkeit, wenn sie kein ausländischer Eroberer zusammenpreßte, ein besonderes politisches Ganze dargestellt. Noch in der neueren Zeit, in dem Interregnum zwischen französischer und östreichischer Herrschaft, sind wohl gemeinsame Stände dieses gesammten Landstrichs zusammengetreten und haben Beschlüsse gefaßt, durch die sich Alle als gebunden betrachteten, und bei solchen Gelegenheiten haben sie sich dann als das Volk von Cattaro, von der Boeca, von der Shuppa und Pastrovichio zusammengefaßt. Auch die Montenegriner haben einen besonderen Namen für dieses Land. Sie nennen es „Pomorje", d. i. Küstenland. Nun komme ich auf die Shuppa insbesondere. Es ist dieß in Beziehung auf Größe, Fruchtbarkeit und Ackerbau gewissermaßen der Hauptkörper und der wichtigste Abschnitt des ganzen östreichischen Albaniens. Auch gehören die Bewohner der Shuppa als besonders privile-girte, äußerst verwegene Leute und sehr widerspänstige Unterthanen zu den berühmtesten Stämmen des Landes. Sie haben sehr oft zu den Waffen gegriffen, um wirtliche oder vermeinte Privilegien vor Eingriffen zu schützen. Und auch eben in neuester Zeit wieder haben die Shuppauer mehr als alle übrigen Bocchcsen kritische Glossen nach ihrer Art gemacht über dic höchst mäßigen Steuern und die Rekrutenaushebuugen, welche die Regierung in Folge des in Oestreich jetzt herrschenden Princips der Gleichberechtigung und Gleichverpflichtung aller Kohl. «eiic in Dalmaticn. l. 17 258 Die Ehupftaner. Völker der Monarchic anordnete. Und zum Theil war eS dieser unruhigen Köpfe wegen nöthig, dic Truppen-macht an der Vocca nm ein Erkleckliches zu verstärken. Jetzt, als wir dort waren, hielten sie sich ganz mäuschenstill, sowie denn überhaupt im ganzen Albanien umher, auch an der montenegrinischen Grenze, überall Friede, Freundschaft und Aussöhnung herrschte. Wollte man hier an der Bocca Volk und Land sich selbst und seiner eigenen wilden Freiheit überlassen, so würde vermuthlich sofort eine Hand wider die andere sein, und wenn irgendwo, so hat daher hier ei» strenges Militärregiment seine guten Seiten, besonders wenn ein so wohlwollender, gerechter zugleich und energischer und dabei über das Lob eines deutschen Reisenden, wie ich, ganz erhabener Mann an der Spitze jeneSRcgiments steht, wie dieß' jetzt der Fall war. Mit diesem Mann uud noch einigen Freunden spa-zirten wir, wie gesagt, weiter zur Shuppa hinein. Unser Weg führte nns zuerst aufwärts aus dem Kessel der Bocea nach Süden zu einem Höhenrücken, der das Weichbild Cattaros von der Shuppa trennt. Denn obgleich das ganze östreichische Albanien in Vergleich zu den benachbarten, sich himmelhoch aufbauenden montenegrinischen Bergmauern als Niedcrland aufzufassen ist, so wird es doch auch seinerseits wieder von niedrigeren Gipfelreihen und Höhenrücken durchzogen. Ein solcher Höhenrücken scheidet die im Norden Shnppa von Cattaro und von dem Striche, den man „Theodo" nennt. Im Westen geht auch ein niedriger Höhnizug im Parallelismus mit den montenegrinischen Mauern und mit der Meeresküste. Er faßt die Ebene der Shuppa von Seiten des Meeres zusammen. Andere kleine Erhebungen schließen dieselben Das Fort Trinita. 259 Wieder von den südlichen Communitäten oder Stämmen Albaniens, von Maini, Budua, Pastrovichio u. f. w. al». Auf dem Höhenrücken in der Mitte des Vergpasses, auf der Grenze der Shnppa nnd des eigentlichen Vocca-landes, liegt das kleine von den Venetianern erbaute Fort Trinitü oder „Troiz", wie die Slaven es nennen. Von diesem Fort wie von dem ganzen Wege dahin boten sich die wnndervollsten Aussichten und Rückblicke dar auf Cattaro, seine Festung und seinen Golf. Unser trefflicher Dresdener Landschaftsmaler Kummer hat auf diesem Wege fleißig studirt und manchen Punkt mit Farbe und Pinsel auf der Leinwand verherrlicht. Das Innere des kleinen Forts durften wir besichtigen. Es ist ganz auf plötzliche Uebel fälle der Montenegriner eingerichtet, und diese haben sich schon mehre Male au diesem steinernen Kanonenkästchen die Finger verbrannt. Noch bei den unruhigen Zeiten der letzten Ialne war ein Trupp von mehren Tausenden hier, konnte aber trotz dem, daß das Fort nur dreißig oder vierzig Mann Besatzung hatte, keinen (Anlaß erzwingen. Eie erlitten vielmehr bei ihrem Rückzüge noch einige Verluste, da die Kanonen den einzigen Weg, auf dem dieser Rückzug ausführbar war, bestrichen. Das Fort besteht aus einem inneren thurm-artigeu hohen Gebäude, in welchem die Soldaten und Kanonen liegen, und daun aus einer kleinen Umfangsmauer, die ein Gehöfte einschließt, und hinter die sich die benachbarten Familien und Hirten mit ihren Habselig-keitcn und ihrem Vieh nöthigensalls zurückziehen können. Jetzt liegen hier 18 Soldaten und ein Offizier, für den das Quartier freilich etwas langweilig sein mag. Dafür ijt es aber sehr gesund, denn von der Besatzung hier !7* 260 ®'c „Casclli." CDtc „Seala santa." oben auf dem frischen Pafft ist fast nie Jemand krank. Wir stiegen über mehre enge Räume und Treppen, die inwendig etwas finster waren. Nach außen durch die Schießscharten bietet sich aber überall eine schöne Aussicht. — Auf der höchsten Plattform lagen ein paar eiferuc Geschütze, die vermuthlich einmal von den Engländern zurückgelassen worden sind, denn sie trugen ein deutliches 6. 1i. ((icoi^iu» Nox) auf dem Rücken. Kugeln und Pulver sind hier natürlich immer in Bereitschaft, und neben den Kanonen steht eine Alarmstange, die mit den Alarmstangen der Festung Cattaro correspoudirt. Die Oestreicher haben in neuerer Zeit eine Neihc ähnlicher, aber viel kunstmäßigercr Forts längs der montenegrinischen und türkischen Grenze im Süden angelegt, die hier „<^>8ttl!i" (Häuserchen, nicht l^st^lli) genannt werden. Unsere werthen Begleiter schilderten uns diese Casclli als sehr merkwürdig und besonders als äußerst interessant uud malerisch gelegen. Sie stecken mitten in den hohen Gebirgswildnissen hart an der bezeichneten Grenze. Von dieser Wildniß bekamen wir zwar später noch ein Pröbchcn zu schmecken, die Caselli selbst aber sahen wir leider nicht. Auf der anderen Seite von Fort TriniN'» geht jetzt ein von den Oestreichern angelegter sehr guter Weg quer durch die Shuppa nach Budua hinab, uud ein Zweig desselben fühlt liuks ab nach dem Kloster Stanjewitsch an der Grenze Montenegros hinauf. Der alte Weg in die Shuppa hinunter heißt die „8o»ln snnln" (die heilige Leiter), ein Name, der überall im italienisirten Oriente sehr häufig bei Bergwegen, die in ebene Gegenden hinabführen, vorkommt. Ich erinnerte mich, auch an der Küste Unbcwohntheit der Ebene. Ißi ber Krim eine 8c>,1^ «.lnirl gefunden zu haben. Hier lag nun die ganze kleine Fläche der Shuppa vor uns. Bei zweckmäßigem Anban könnte es, wie es schien, ein wnnoervolleS Ländchen sein. Aber die Leute wissen wohl nicht alle seine Vortheile zu benutzen. Der ganze Thalboden ist ohne Dörfer und Häuser, weil er in der Regenzeit zu sumpfig und sowohl von den Bergen als von der Vocca her überschwemmt ist. Die 8nlv» vonm Dörfer liegen auf beiden Seiten am Rande der Gebirge hin, und in der Ebene ist Alles mit einförmigen und weitläufigen Knkurusfeldern angefüllt. Wie zuweilen von Ueberstuß deS Wassers, so leiden die Leute auch mitunter von anhaltender Hitze und Dürre. Dieß war leider dieß Jahr der Fall gewesen, wo ihm'n der Kukurus durchweg verbrannt nnd der trockene Sumpfboden überall zerklüftet war. — Wahrscheinlich sind aber wohl nicht bloß die sonst so sumpfige Beschaffenheit des Terrains und seine Ungesundheit die einzigen Ursachen der Unbewohntheit der Ebene Vermuthlich suchen sie auch deßhalb die Seiten der Berge, weil sie sich hier mit ein paar Steinen uud Felsen besser arrangiren und ihre Gehöfte ctwas verbarrikadiren können. Der Name Shuppa hängt wahrscheinlich mit dem auch bei uus ziemlich bekannten slavischen Worte Shuppan (Dorfschulze, Distrietsvorstehcr) zusammen und mag im Allgemeinen so viel heißen als Bezirk. District. In einem Buche, in dem ich Auskunft darüber suchte, fand ich, daß „Shuppa" insbesondere so viel bedeute, als ein heißer, sonniger Landstrich. Wenn dieß begründet ist, so würde der Name vortrefflich auf den vor uns liegenden Bezirk paffen und es sich leicht erklären, wie das Gatluugs-wort hier zum Eigennamen wurde. ES giebt im Sla- Iss2 Ursprung der bocchcsischcn Graftufamilien. venlande übrigens noch andere flache breite Thallandschaften, die den Namen Shuppa führen. Die albanesischc Shnvpa ist seit alten Ieiten in vier Kuasenthümer oder Grafschaften (Conteas)gcthcilt,mit deren besonderen Namen ich die deutschen Leser nicht behelligen will. Wir betraten bloß dic Grafschaft Tuicovitsch. Jede dieser Grafschaften hatte ihren besonderen, von den Shnppanern selbst gewählten und von Venedig bestätigten Knäs (die Venetianer übersetzten dieß mit conls). Mehr oder weniger mochte die Knä'Swürde einem der Mitglieder derselben Familie übertragen werden, so wie in Montenegro die Bischofswürde. Aber auch wenn einmal eine andere Familie genommen wurde, so suchte doch die alte ihren Grafentitel beizubehalten. Und so sind denn hier und überhaupt im ganzen Boeealande viele gräfliche Familien entstanden. Allein man muß sich bei diesen albane-sischen Grafen nicht eben viel Köstliches denken. Es begegneten uns unterwegs mehre Shnpvaner, die vermuthlich eincS Geschäfts wegen nach Cattaro gingen. Sie hatten sich da;u recht herausgeputzt. Ihr hübsches Rationaleostüm kleidete sie recht stattlich. Außer ihren Pistolen und Messern hatten sie auch ihr blitzendes Gewehr nicht vergessen. Denn dieß zu gebrauchen, kann ein Shuppaner auf allen Stegen und Wegen seines Lebens Veranlassung finden. Ueber das AlleS hatten sie ihre Strukken geworfen, die ihnen, wie unseren Damen die türkischen Shawls, von den Schultern hingen. Zudem hatten sie auch noch irgendwo an ihrem Leibe ein drei Ellen langes» Pfeifenrohr befestigt. Und so marschirtelt sie gemessenen Schritts hinter einander her. — Da machen es unsere Bauern, wenn sie zur Stadt gehen, doch kürzer. Gi» l'l'cchesischer Baxcr u>,d scixe Frau. IßI Aber den Shnppaner genirt diese ganze untständliche Aufschirrung so weilig, wie cine Gemse ihre Hörner, ihr Fell und ihr Schwanz. Sie hüpfen damit gewandt wie die Katzen von Fels zu Fels, von Kluft zu Kluft. Wir ritteil bis zu dem Orte Dub iu der Shupfta und stiegen hier am Ziel uuseres Ausflugs bei dem Hause eines Bauers ab, dessen Gastfreundschaft wir für einige Augenblicke in Anspruch uahmeu. Er trat, als er die Gaste gewahr wurde, aus seinem Pferdc-stalle hervor, uud mit ihm seine Frau, die ihm dort vermuthlich geholfen hatte, die Pferde zu putzen. Er näherte sich uns sehr freuudlich und obwohl voll Höflichkeit und Respect, doch uicht ohne eine gewisse Juttaltlichkeit uud Liebe, was beides die Slaven immer vortrefflich zu verbinden wissen. Auch die Frau kam, indem sie ihre Pferdedürstc bei Seite legte, ungcuirt heran «ud begrüßte mit gutmüthiger Freundlichkeit uud Händcküssen die Gäsic, von denen wenigstens ein Theil für sie sehr hohe waren. Ich erwähne dieß nur, damit sich doch die deutschen Leser nicht allzuarge Begriffe von dem Verstecken und von der Sklaverei der Fraueu in diesen Gegenden machen. So wie diese Frau in Gemeinschaft mit ihrem Manu die Pferde putzte, so habe ich Ehepaare hier mehrere mit einander zusammen arbeiten sehen, und oft, scheint es, behandelt der (libanesische Mann sein Weib weniger als seine Sklavin, sondern vielmehr als seinen ersten Gehilfen, Gesellen und Adjutanten. UebrigenS sind diese Shuppauer und Shup-Panennnen iu der Regel, selbst wenn man sie mitten in der Arbeit überrascht, weit besser in der Verfassung, sich vor Gästen sehen zu lassen, als z, B. unsere deutschen 264 Tcr „Pojas." Bauerfrauen. Denn sie sind gewöhnlich selbst bei der gröbsten Beschäftigung vom Kopf bis zum Fuß, fo zu sagen, aufgeschirrt. Immer haben sie ihre Perlenschnur um dm Hals, ihre blinkenden Nadeln im Haar, ihren mit Steinen besetzten „Pojas" (Gürtel) nm den Leib. Der Gürtel unserer Shuppanerin, deren Mann reich war, siel nnS besonders auf. Sie nahm ihn ab und ließ ihn unS näher betrachten. (5r war von Metall und Steinen, etwa einen halben Fuß breit, einen Zoll dick, und so gewichtig wie ein eiserner Küraß, so daß wir uns wunderten, daß er der Frau die Hüfte nicht wund druckte. Die zahllosen Steine waren in recht hübsche, bunte, zierlich gemachte und übergoldete Silberarbeit eingefaßt. Es waren lauter rothbraune Achate, und sie bedeckten den ganzen Gürtel wie den Pfaueuschweif feine Fcderaugcn. Die Fran sagte, er koste ihr 40 Thaler (Kronthaler). Und mit einem so kostbaren Instrumente schleppte sie sich Tag und Nacht herum uud hatte eben, wie gesagt, in solchem Schmuck ihrem Manue die Pserde pichen helfen. Es ist dieß ungefähr eben so unbequem, als wollten bei uns die Könige auch immer mit der Krone auf dem Haupte und mit Scepter und Reichsapfel in der Hand Kaffee trinken oder Briefe schreiben. Uebrigens sind ganz eben solche Pojas hier an der Boeea, auch in Montenegro, durchweg bei den Weibern gebrauchlich. Nur sind sie natürlich nicht inimer gleich schwer und elegant. Auch sind bei den Armen statt der Achate, braunroth gefärbte Glasstücke oder sonst solche glänzende Massen, die wie Achate aussehen, eingefügt. Mehr noch als seines Weibes Gürtel setzten uns unsercS Wirthes Gewehre und Pistolen in Verwunder- Blicchcsische Gewehre. 265 «ng. Er hatte der Gewehre mehre an der Wand hängen, ich zählte acht. Eins darunter war geradezu ein wahres Prachtstück, für das er, wem« ich mich recht erinnere, 170 Gulden (eher mehr als weniger) bezahlt hatte. Die Gewehre dieser Leute haben am Kolben und Schaft die bekannte elegante Form, die alle Gewehre im Oriente haben. Sie wollen leine anderen und finden unsere Gewehrkolben, wenn nicht unzweckmäßig, doch plump und ungewohnt. Ich finde dies, sehr begreiflich. Das ganze zierliche Instrument war, mit Ausuahme des Laufs, mit kleinen hübschen Perlmutterstückchen besetzt, deren jedes für sich besonders, ich glaube, in Silber eingefaßt war. Hie und da waren überall in den Vckchen zwischen den Perlmutterstückchen kleine rothe Steine zerstreut, die sich in der weist blinkenden Umgebung ganz allerliebst ausnahmen. Ich weiß nicht, ob es Granaten waren oder bloß geschliffene falsche Steine, oder etwas zwischen beiden. Der Mann zeigte nns sein Gewehr mit großem Wohlgefallen, wir verliebten uns auch beinahe förmlich darein. Und ich verstehe vollkommen, daß man für solche schöne Gewehre eine eben so heftige Passion bekommen kann, wie z. B. für einen schönen Schimmel oder für andere Gegenstände des Besitzes, besonders in einem Lande, wo die Waffen Grund und Basis alles Vesitzcs, alles Rechtes, alles Ansehens sind. ^- Diese Art geschmackvoller Ausschmückung der Gewehre bnrch weiße Perlmutter und eingestreute rothe Halbedelsteine ist bei den reichen Leuten hier sehr gewöhnlich. — Wenn Jemand mir sagen wollte, daß ich mich hier mit nu^is abgäbe, wenn ich die Echmucksachen und Flintenkolben der Shuppancr, eines so unbedeutenden 266 Bocchcsische Gewehre. Völkchens, betrachte, so möge cr bedenken, daß ich solche Dinge eigentlich nur beispielsweise erwähne, nnd daß sie mit Variationen bei allen anderen benachbarten Stammen ganz ähnlich sind wie bei den Shnppanern; daß der Reisende Alles, was cr hier im östreichischen Albanien sieht, in Gedanken gleich mit tausend mnltipliciren und sich nach diesem Muster in sehr weitem Gebiete rings-nmher die Sache eben so denken kann. Wenn Jemand dem Leser an der Vocca ein recht helles Licht aufstecken könnte, so würden von diesem Lichle viele mchr oder weniger dentliche Strahle» anch auf Griechenland, auf Macedonien und noch weiter hinausfallen. — Ucberhaupt ist der Reisende immer in dem Falle des bekannten Sha-kcspearischen Echanspieldirectors. Wie dieser führt er einige ärmliche Figurantcn anf die Bühne und muß wie dieser von seinen Zuschauern erwarten, daß sie sich dabei Armeen, Völkerschaften und Staaten vorstellen. Um übrigens noch ein Mal anf die besagten Gewehre zurückzukommen, so sind sie im Ganzen mehr hübsch als zweckmäßig eingerichtet. Sie sind in Bezug ans den Feuer-schlag und Schicßmechanismus noch nm zweihundert ^ahre gegen llnsere Inndnadelgewebrc und gezogenen Büchsen zurück. Aber die Hiesigen wollen sie nicht nur so haben, sondern behaupten anch, sie könnten mit unseren Gewehren nicht gut treffen; namentlich wünschen sie ihre Gewehre immer recht lang zu haben, womöglich um einen Schuh länger als die uns'.igen. Oft sind, wie man mir gesagt hat, ihre Gewehre anscheinend so unbehilslich, daß man nicht begreift, wie sie noch mit einem solchen Instruinente etwas treffen können. Aber allerdings sollen sie auch im Ganzen nicht so gut treffen, wie unsere geübten Schützen. Felsenvl'getatwn. 267 Das Haus unseres Shuppaner Bauers war sehr groß, schön, reinlich und geräumig; daher hatte er auch (naturlich gegen Vergütung) einen bedeutenden Posten von Soldaten bei sich aufnehmen können. Die Soldaten waren sehr gut bei ihm einquartiert, uns aber mahnte der nahende Abend, unserem eigenen Quartier wieder zuzueilen. Unterwegs machte mich einer unserer Reisegefährten auf die Vegetation zwischen den Felsen aufmerksam, an deuen wir hinritten, und zeigte mir Mvrthengebüsche über Myrthengebüsche. Sie quollen recht schön dicht und buschig aus den Felsspalten, in denen sie Wurzeln gefaßt hatten, hervor, wie del,,, überhaupt hier in den Felsgebirgen Albaniens und Dalmatiens die Gewächse, Blumen, Gräser, Kräuter, Büsche, Bäume sehr sparsam gcsäet sind, dann aber da, wo sie erscheinen, in rechter Fülle und Pracht auftreten. Die Salveibüsche, die einzelnen Haide-stauden, die bald hier, bald da zwischen Felsen eingewurzelt, standen — jede von der nächsten sechs Schritt weit entfernt — waren alle außerordentlich mächtig, dicht, blätterreich und voll von Blüthen, und fast jede von ihnen, Wenn man sie herausgehoben und in einen großen Blumentopf geseht hätte, würde in unseren Zimmern oder Gärten als ein Prachteremplar erschienen sein. — Vermuthlich eben daher, weil daS Wenige, was wächst, äußerst kräftig ist, kann man hier auch noch Fclsenpar-tieen als Echafweide benutzen, die bei uns für baare Wüstenei erklärt werden würden. Die Leute in Dalma-tien bezeichneten mir zuweilen ganze große Landstriche als „Weiden", wo ich im Namen dcr armen Schafe erschrak, weil ich dort die Kräuter so sparsam verstreut 268 Flora der Festungsmauürn und Ruinen. fand, wie etwa die Berge in der Mark Brandenburg. Aber, wie gesagt, die Kraft jeder einzelnen Pflanze muß es wohl ausmachen nnd bewirken, daß die dalmatischen, albanesischell und montenegrinischen Hammel trotz der kahlen Felsen so schmackhaftes Fleisch gewinnen, daß sie deßwegen sogar in Venedig sehr berülmtt und gesucht sind. — Auch bei den Kräutern oder Unkrautern, die auf den Dächern der Häuser und in den Mauerritzen der Festungswerke und alten Ruinen wachsen, kann man es bemerken, daß die Göttin Flora hier immer die beßte Intention hat und daß nur die Unterstützung der Gäa ihr manchmal gebricht, lieber den Thoren Cattaros und an anderen Geinäuern innerhalb der Stadt hingen so reiche Dolden wunderschön gefärbter Glockenblumen herab, an so langen Stielen, mit so frischem Blan, mit so vollkommener Entwickelung jeder Blüthenglocke, daß man hätte denken können, ein Kunstgärlner habe dieß schöne Unkraut sorgsam gepflegt, und daß ihr Anblick unS völlig entzückte. Und später wieder an den Befestigungen des Eeeforts in Castelnnovo hingen so gewaltige Büschel und so mächtige Troddeln herunter, daß es dadurch völlig malerisch garnirt war. Ich kannte zwar die Namen dieser Pflanzen nicht, aber dieß ist mir auch gan; einerlei. Denn es kommt mir nicht auf den Namen dieser oder jener Pflanze an, sondern auf den durch die Beschaffenheit dcs Landes bedingten Charakter der Vegetation und ihres Wachsthums. Wir ritten bei der Rückkehr durch daS Dörfchen Scagliari, das, unter Oelbänmen und Weingärten begraben, unweit der Thore Cattaros liegt, und wo die östreichischen Offiziere sich in einem kleinen ländlichen Beschuhte Pferde. 269 Kaffeehause zu geselligen Vergnügungen zu versammeln Pflegen. Wie viel Schönes und Malerisches es hier giebt, wenn man als Künstler die Details stnditt und auffaßt, lernte ich zum Theil erst später bei der Ansicht des Skizzenbuches eineS Freundes kennen. Unter anderen sah ich bei ihm einen Oelbaum, der so schön und graziös mit Weinreben berankt nnd behängen war, daß ich über das Bild ganz entzückt war. lind doch ist dergleichen hier so gemein, daß man nur zuzugreifen braucht. Vor deu Thoreu von Cattaro, wo wir zu Pferde gestiegen waren, fasten wir auch wieder ab. Dann wurden unseren Pferden lederne Schuhe an die Füße geschnallt, und so zogen sie wie wir beschuht in die Etadt ein. Cattaro und überhaupt die meisten dalmatischen Städte sind mit so großen und glatten Steinen gepflastert, und noch dazu geht es in den engen Gassen so vielfach bcrganf und bergab, daß es gefährlich ist, darin zu reiteu. Cs ist hier zu Lande daher fast durchweg Sitte, erst vor den Thoren der Städte aufzusitzen und von da wegzureisen. Alle Pferde, die du bestellst, erwarten dich vor den Thoren. In den Straßen selbst sieht man daher selten ein Pferd, einen Wagen versteht sich n>e; denn Wagen giebt es in ganz Albanien keine; ans die Wagen in Dalmatien werde ich später zu sprechen kommen. 5. Njegusch. Da wir äußerst gimg empfohlen und befürwortet waren, so hatte der Wladika nach seiner gastfreuudlichen 270 Aufbruch nach Montenegro. Weise auch äußerst freundlich in Bezug auf unser Kommen heruntcrgcschrieben, und als daher an einem der folgenden Tage das Wetter etwas freundlicher zu werden schien, so versammelten wir uns denn allesammt frühmorgens vor der ?«i'tn ^li ^mmcl'« auf dem Bazar der Montenegriner, wo unsere Pferdchen und unsere montenegrinischen Freunde unserer schon warteten, dazu anch eine Menge gelegentlicher Müssiggänger, die theilweise unserer Abreise bloß zuschauten, hie und da aber hilfreich zugrissen, um dem Einen seine Steinbügel zu verlängern, «der dem Anderen einen Strick zu verschaffen, um seinen Mantel zu schnüren »der seinen Zügel zu verbessern. Ein kleines Packpferd und ein hübsches montenegrinisches Mädchen Namens Johanna waren mit unseren Nachtsäcken beladen. Und von einem Dutzend Montenegrinern theils zu Pferde, theils zu Fuß begleitet, bewegte sich unsere kleine Karavane min zu den Thoren des Bazars hinaus und betrat sofort den gleich beginnenden Gebirgspfad unter dem slbschicdsgruß der Pistolen- und Flintenschüsse, welche die Montenegriner, wie gewöhnlich, auf der Spitze der ersten Felsen abfeuerten. Gewiß war es so in großer Gesellschaft angenehmer zu reisen; aber bloß um in Montenegro sicher zu sein, sagte man mir, wäre die Gesellschaft der besagten jungen Montenegrinerin Johanna gerade hinreichend. Denn man soll, wie ich gehört habe, in Montenegro nie ungrsährdtter sein als in Gesellschaft cincs jungen Mädchens oder einer alten Frau (vermuthlich überhaupt wohl uur eines Weibes). Ich habe von einem deutschen Maler gehört, der mit einem alten Weibe in Montenegro sehr weite Streiferelcn unternommen hat. ES ist dieß NlN'crletzl'arleit der Weiber in Montenegro. 27 l sogar oft besser als cin Passepartout des Wladika; denn der Wladika kam» einen doch nicht vor jeder Räuberei oder Rachehandlung schützen. Die Weiber aber gehen bei den Montenegrinern immer frei ans nnd ein. Niemand beleidigt sie. Tliäte dieß Jemand, so würde er sich die ärgste Nache ihrer Angehörigen auf den Hals ziehen nnd dazu sich allgemeiner Verachtung aussehen. geduldig wartend, bis Einer kam und ihr das Gepäck abncchm. Ich glaube, daß wir unter unseren neunzehnjährigen Banerdirnen kaum irgendwo solche Ausdauer und Ilnermüdlichkeit gefunden hätten. Dieser montenegrinischen Johanna zollte hin Niemand Bewunderung als ich im Stillen. UebrigcnS war dieß nicht das Einzige, was mir au unserer Begleiterin auffiel. Ihr Verhalten zu den Männern unserer Umgebung, sowie das Benehmen dieser Männer gegen sie war ebrn so bemerkenswerth und charakteristisch. Sie war, wie gesagt, das einzige Frauenzimmer unter zwanzig Männern. Eine gewisse Älengstlichleit und verschämte Schüchternheit ware davon bei jedem deutschen Mädchen sicherlich die Folge gewesen, und diesen Erfolg hätte man hier noch um so mehr zu erwarten sich berechtigt halten können, da die Montenegriner ihre Weiber fast so streng und abgesondert halten wie die Türken. Dagegen sah ich unsere Johanna sich überall ganz unbefangen und dreist benehmen. Sie schaute nichts weniger nls verlegen drein. Sie war immer mitten drunter, und obwohl sich Niemand um sie bekümmerte, Niemand ein Die jinlgc Montcnryrinenn Johanna. 279 Wort an sie richtete, so schien sie doch neugierig und aufmerksam an Allein Theil zunehmen und beschaute und belächelte für sich das Treiben, das Schießen und Lärmen der Männer, unter denen sie sich so sicher zu fühlen schien, wie in Abrahams Schooße. Ucbrigens fiel es auch von diesen keinem ein, sich irgend etwas Unziemliches gegen sie zu erlauben. Ja, nicht einmal, was wir „einen unschuldigen Scherz" nennen würden, gestattete sich irgend Einer gegen sie. (5s wurde ihr keine Art von Compliment oder Artigkeit gesagt. Obgleich sie, wie erwähnt, sehr anmuthig und hübsch war, so jchien doch Jeder gegen sie im höchsten Grade unempfänglich oder, soll ich sagen, respcctvoll zu sein. Wir waren fast lauter junge und größtentheilS unvcrheirathete Männer. In Deutschland wäre unter solchen eine Schwäbin oder ste^er'sche Sennerin gewiß weder so lieblos noch so» ungeschoren davon gekommen. — Als wir später in Njegusch mit Branntwein und Brot trattirt wurden, sah ich unsere hübsche Montenegrinerin ganz vereinsamt vor der Thüre sitzen, und ich fing an zu fürchten, man möchte sie mit dem Essen ganz vergessen. Ich steckte ihr daher ein Stück Brot zu, wofür sie mir dankbar die Hand küsite und auch nachher noch mich zuweilen freundlich anblickte, obwohl diese Vorsicht sich später ganz unnütz erwies; deun als nachher unsere Begleiter sich zu-sammeuthaten, um unter einander die Neste unseres Hammels zu vertheilen, bemerkte ich Johanna mittm unter ihnen sitzen und tapfer mit essen. — Auch hier blieb Amor, obgleich es doch an Bachus (an montenegrinischem Wein) keineswegs fehlte, vollkommen aus dem Spiele. Keinem siel es z. B. ein, Johanna die Wange 280 Verachtung und Heilighaltung der Montcgrinerinnen. zu streicheln oder vielleicht gar in die Arme zu kneifen, und etwa mit dem Glase in dcr Hand dcm Fremden zu sagen: „Nicht wahr, wir haben doch luibsche Mädchen in unseren Bergen?" — was Alles und noch mehr bei einem Ausflüge in die deutschen Alpen nicht unterblieben wäre. Uebrigens kann ich auch nicht sagen, daß die Männer unfreundlich gegen das Mädchen gewesen wären. Ich sah, daß sie ihr mehre Male trotz aller Zurückhaltung ein recht gutes Stück Fleisch vorlegten. — Alle diese kleinen Beobachtungen, welche ich machte, lassen sich uicht allein schlechtweg aus der bloßen Verachtung gegen das weibliche Geschlecht, deren wir diese Völker ohne Weiteres zeihen, erklären und reimen. Es ist mit dieser Verachtung zugleich ein gut Theil höchst lobcnswerthen Respects auf eine wunderbare Weise gemischt. Ein Frauenzimmer ist bei den Montenegrinern verachtet zugleich und heilig, verachtet ihrer Schwäche wegen und heilig gehalten aus demselben Grunde. — Unwillkürlich ahmten wir Deutsche in Allem unseren montenegrinischen Männern nach, und dieß ist überhaupt hier jedem Fremden zu rathen. Denn, sagt Cyprian Robert, „wagte es Jemand, die Scham-haftigkcit eines montenegrinischen WeibeS zu verletzen, so würde sein Tod eine gewisse Folge davon sein." — „Trotz ihrer gedrückten Lage" — bemerkt dieser Schriftsteller weiter — „ist dennoch die Frau in Tschcrnogora in moralischer Hinsicht keineswegs bloß daS Spielzeug des Mannes, wie dieß in civilisirtcn Ländern nicht selten der Fall ist. Dort ist sie wahrhaft unverletzbar, darum kann sie sich auch ohne Bedenken selbst fremden Männern anvertrauen, in der Gewißheit, daß sie sich keine Un- Der Kessel v>m Njegusch. 2M ziemlichkeit gegen sie crlanben werden^)." — Alles, was ich an unserer Begleiterin Johanna bemerkte, war mir eine sehr willkommene nnd deutliche Bestätigung dieser Behaiiptnng. Der Weg schleppte sich noch etwa zwei Stunden weit, ohue viel bcrgcnlf nnd bergab zll gehen, aber immer anf sekr unebenen, Terrain zwischen Felsen fort. Ich glaube daher, daß alle die Passagen, dnrch welche man anf oieser Strecke schlüpft, nnr Theile eines nnd desselben Hochgebirgskessels oder Hanpteinschnittes sind, eines Kessels, den man nach dem darin befindlichen montenegrinischen Hanptorte den Kessel von Njegnsch^) nennen taun, und der gleich hinter diesen: Orte von einem Felsenhalbzirkel abgeschlossen war. Diesen gangen obersten Gebirgs-Plaleankessel und seine Nebeneinschnitte füllt ein nnd derselbe Stamm (Plemen) ans, der Stamm der Njeguschi, dessen Hauptort gleiches Namens ganz in der hintersten Abtheilung des Kessels an dem Fuße des ihn abschließenden Halbzirkels liegt. Njegusch ist etwa die Mittelwcgsstation zwischen Cattaro und Cetmje, der Residenz des Wladika, und ') Cyprian Robert, die Slaven der Türkei, Dentscl'e Ueber-sehung von Feborowitsch. Bd. l. S, 7-1. D!',5 zu verstehen. Das Geld würde dabei meistens nicht baar ausbezahlt, soudcrn es würden oft Waffen und andere Tauschmittel an Geldesstatt gegeben, die daun äußerst hoch veranschlagt würden. Indeß unsere Montenegriner bestanden trotz unseres Widerspruchs steif und fest auf ihrer Behauptung, und ich erinnere mich auch in der Morlachei von ganz erorbitanten Preisen kleiner fruchtbarer Landstriche gehört zu haben. — Vermuthlich hält in diesen Ländern, wo man das baare Geld selbst sonst gar nicht anlegen kann, der Eigenthümer sehr fest cm dem Besitze eines kleinen Grundstücks, dessen er sich einmal bemächtigt hat. Sehr wohlthätig auf den Zustand der Bewohner hat die Einführung der Kartoffeln in Montenegro ein- sagt. „Unter den montenegrinischen Streitern/' bemerkt er, ,,qiebt es eine beträchtliche Zahl Äckerbauer, und mitten in den mit Steinen und Mcnschengebeinen übersäeten Einöden trifft man ans manche freundliche Oase. Wo irgend der Tschernogorze dein Felsen ein kleines culturfähiges Feld hat abgewinnen tonnen, besäet nud pftegt er es auch und schent dabei keine Muhe." Kl'lil, Mcisc in Dalm.ilic», 1, ^9 290 Dir .Kartoffeln in Moittmcgro. gewirkt. Sie verdanken dieselben dem vorigen Wladika Peter Petrowitsch l, der sich ill dieser wie in mancher anderen Beziehung als Reformator seines Volkes erwiesen hat. Es ist merkwürdig genug, daß der Kartoffelbau schon zu einer Zeit, nämlich in: Ansänge dieses Jahrhunderts, bei den Montenegrinern durchgesetzt wurde, als selbst in Deutschland noch hie und da jenes jetzt so verehrte Knollengewächs mit Vornrtbeilen und Hindernissen zu kämpfen hatte. — Jetzt wird die Kartoffel allgemein in Monte-uegro angebaut uud hat gewiß nicht wenig zur Milderung der Theuerungen und Hnngercalamitäten dieses Gebirgslandes beigetragen. Auf dem Bazar zu Callaro ist die montenegrinische Kartoffel eine Hauptwaare. Eie wird auf dem Rucken der Menschen nnd Sanmthiere so reichlich von den Bergen heruntergeschleppt, daß alle Ortschaften der Bocca damit versorgt und außerdem gauze Schiffsladnngeu davon verführt werden können. Sogar in Trieft ist die montenegrinische Kartoffel bekannt und als besonders mehlig und schmack' haft geschätzt. Die Montenegriner haben ihren Wladika Peter Petrowitsch unter die Heiligen versetzt. Wenn für sonst nichts, verdient er dieß schon der Kartoffeln wegen. Merkwürdigerweise ist mit der Kartoffel auch ein deutscher Name für diesen Knollen nach Montenegro eingewandert. Die Montenegriner nennen sie „Krnmbiri" (Grnudbirn). Endlich, endlich wand sich unser Pfad aus diesem beständigen Felsengewirre hervor und ließ sich zn weg-samercn und sanfteren Fluren, zu dem grünen Thal von Cetinje herab. Dieses Thal ist ein vielleicht anderthalb Meilen langer, ziemlich schmaler und ganz ebener Landstreifen, der sich in der Begrenzung eines Halbmonds Die Campagne von Cctinje. 291 zwischen den Felsen und Bergen auf beiden Seiten hin erstreckt. Es ist die größte und grasreichste Ebene, die wir überhaupt auf unserer ganzen kleinen Tour in Montenegro gesehen haben, und überhaupt, wie ich glaube, die einzige kleine Hochebene in diesem Theile von Montenegro, in der sogenannten Katunska Nahia. Die Campagne von Cetinje liegt um etwas niedriger als das Thal von Njegnsch, ans dem wir herabkamen, ist aber breiter, bequemer und anmuthiger als dieses. — Njegusch als höchster Wohuplatz im Lande wäre daher eigentlich als die natürlichste Herrscher-Residenz dieses Gebirgs-staates zu betrachten. Inder That stammt von dort, wie ich sagte, auch die jetzige Herrscherfamilic, sowie dort die ehemalige Gubernatorenfamilie zu Hause ist. Aber Ectinje liegt doch nur um ein Geringes niedriger als Njegnsch. Es ist noch ganz ein Theil des montenegrinischen Hoch- und Kcrulandes und hat dabei den Vortheil, daß eö mehr das Ecntrum des Landes einnimmt und zugleich eine minder wilde Natur als jenes besitzt. Wir waren beim Anblick der Wiesengründe von Cctinje nicht wenig erfreut und ließen die Blicke, in der Ferne das Kloster und die Residenz suchend, darüber hinschweifen, sowie unsere Pferde auf den nun auch leidlicher werdenden Wegen etwas schneller sich dahin bewegten. Iudem erschienen in der Ferne allerlei Dinge, die unsere Neugier erregten nnd die uns selber etwas näher angingen. Znerst entdeckten wir in der Mitte des Thales unter einem großen Baume, ich denke, es War eine Linde, eine Menge Männer oder, um nach montenegrinischer Weise zu reden, eine „Woiska" (einen l9* I92 Montenegrinische Vewillkommung. Kriegcrhaufeu)"°) versammelt. Von ferne scholl entdeckten wir darunter viele muffige Zuschauer zu Fuß, sowie auch mehre Berittene, die wir alsbald als solche, die zu gastfreundlicher Begrüßung uns entgegengekommen waren, erkannten. Unter ihnen sahen wir einige in glänzenden Costümeu, mit bunteu Turbans und auf kleinen weißen Rossen unter der Linde nmhergaloftftireu. Unsere Begleiter, die immer jeden merkwürdigen Punkt oder Abschnitt unserer Neise mit Schüssen bezeichneten, feuerten wieder ihre Pistolen uud Gewehre ab, als wir in das Thal von Cetiuje hinabstiegen und jener Linde ansichtig wurden, nnd von da ans wurden auch die Grüße mit Pulverentwickelung gehörig erwiedert. In ziemlich flinkem Trabe kamen wir unter der Linde an, und hier ergriffen nns die Montenegriner auf den Schimmeln bei den Händen und schüttelten sie, uns freundlich anblickeud, recht herzlich; auch wurden hie und da einige Worte zu uuserer Bewillkommnung gesprochen. Viele Andere standen herum uud schauten der Sache mit sehr ernsthaften Mienen zu. Ich erfuhr leider nichts von der Geschichte der Linde, auch nicht, wie ihr Name sei. Aber gewiß hat sie irgend einen poetischen Namen, wie z. B. „Linde des Grußes", „Baum des Willkommens" oder dergleichen. Denn bei diesem Volke ist Alles stereotyp und eingewöhnt. Und ohne Iweifel wurden hier auf *) Das Wort Woiska kmmnt von „Noi" oder,,Voi" her, was ft» viel als Krieg bedeutet. Woiska heißt daher eigentlich buchstäblich nur so viel alö Kriegerhaufen. Weil aber in Montenegro alle Männer bewaffnet sind nnb weil die Franen nntrr dem V.-griff von „Leuten" nicht mitwählen, so heisit dann Woiccka so viel als ein Volks-Haufen oder eine Versammlung von Leuten. Montenegrinische Türkcnbeute. 293 ähnliche Wiese wie wir, schon viele Fremde begrüßt, die von Cattaro her heraufzogen und denen immer diese Linde als der erste Baum im Thalc von Cetinje im Wege stehen mußte. Wir waren nnn allmälig in ein ganzes Geschwader von Reitern und Volk eingehüllt worden, und auf der letzten Miglie Weges bis znm Kloster selbst wurde unsere Bewegung immer beschleunigter, sowie auch der freudige!^ärm um uuS her wie eine Lawine anschwoll. — Alles schien wieder von nenen Kräften beseelt, und unsere vielgeplagten Pferde fingen sogar in der Nähe des Ziels zu Zeiten au zu galoftpiren. — Unter unseren neuen Genossen waren cinige recht schöne Leute; besonders zeichnete sich ein Mann aus, desseu offene, blühende, edle und dabei ehrliche Gesichtszüge nur unvergeßlich sein werden. Er trug eine rothe Mütze ans dem Haupte, darum einen dicken scheckigen Shawl geschlungen, der den Turban bildete. Ein pur-Purrother, mit Pelz verbrämter Dolman baumelte ihm um Rücken und Schultern. Sehr zierliche und glänzende Pistolen und Dolche glitzerten aus seinem Gürtel hervor. Weite Pantalons umhüllten seiue Beine, und sein kleiner Schimmel bockte nach Herzenslust. (5s wnrde mir erzählt, er habe dieß Alles einem türkischen Beg abgenommen. Dasselbe wnrdc mir überhanpt von den meisten guten Pferden, schönen Waffen, Schmucksachen u. s. w., die ich in diesem ^!ande zn sehen bekam, gesagt. Das Meiste sollte immer gnte Beute von den Türken sein, „Heldensäbel, Heldenwaffeu, Heldenpferde," wie die Montenegriner lich ausdrücken. Vieles mochte allerdings im ehrlichen Kampfe heimgeführt sein; Manches aber mochte wohl nicht den Namen von »^olm opim^ verdienen. (§s ist 294 Ländlich, sittlich, dem Montenegriner besonders schmeichelhaft, wenn er sagen kann, diese schöne Sache sei von ihm oder von seinem Vater oder Großvater erbentet oder geranbt worden. Vei nnS würde man sagen, ich habe sie nm so nnd so viel hnndert Dncaten gekauft. Auch von der So wie Weise, groß zuthun, heißt es: ländlich, sittlich! Art nnd der beschriebene Montenegriner, so waren auch mit Variationen die anderen. Je näher wir der Residenz des Wladika kamen, desto hänsiger schössen unsere Begleiter ihre Pistolen ab, und desto muthwilligcr wnrden sie. Znwcilen trabten sie ganz rnhig neben uns im Wege; dann gab ans einmal Einer seinein Pferde die Sporen oder vielmebr die Steig/ Hügel (denn mit den großen, langen, anS Eisen geschlagenen und eckigen Steigbügeln stoßen sie oft unbarmherzig den Pferden in die Seite) und schoß pfeilschnell znr Seite schräg in's Wilde hinans, schwenkte seine Waffe imd schoß sie gegen das Gebüsch oder die Felsen-Wände ab, gleichsam als verfolge er einen Feind. Dieß Beispiel wirkte dann gleich ansteckend, und sosort trabten auf ähnliche Weise auch 'Andere znr Seite rechts nnd links hinaus, schrieen, schwenkten «nd fcharmnzirten, was denn Alles ein recht lebhaftes und interessantes Bild abgab. 6. Das zwischen Vergmauern eingetastete Thal Cetinje ist, w!e ich sagte, im Ganzen genommen äußerst flach. Montcin'gnnischl' Rcilcrfüllstc. I95 Diesi hindert aber nicht, daß doch hie und da mitten m der Flüche einige zerklüftete und vielfach zerrissene Felsköpfe ans dem Boden emporragen. Sie sind dann mit Gestrüpp aller Art bewachsen. Einige unserer zur Seite sprengenden Reiter galoftpirten zuweilen zu diesen buschigen Felsköpfen hin, setzten, nm ihren Ueber-muth zu zeigen, mitteu in dieses Felscngeklüft hinein und ließen ihre Pferde in die Kreuz und in die Quere durch die Gebüsche und Spalten hindnrchsetzen, indem sie ihre Pistolen dazu abfeuerten. Natürlich gab es dabei einige sehr malerische, aber für die armen Pserde sehr unbequeme Attitüden. Die Montenegriner, die Türken und überhaupt alle diese die illyrisch-griechischen Gebirge bewohnenden Völker sind Liebhaber von solchen schwierigen Passagen und renommiren gelegentlich gern mit solchen halsbrecherischen Ritten. Ich hörte an verschiedenen Orten von einem Montenegriner, der einen schroffen Fclsabhang zn Pferde hinaufgeritten, oder von einem Türken, der auf einer langen steinernen Treppe in Galopp herabgekommen sei. Alle Pferde dieser Gegenden klettern wie die Gemsen. Doch gehen sie natürlich hänfig bei solchen unbarmherzigen Erfterimenten zu Grnnde. Endlich wurden wir der Hänser, die das Kloster des Wladika umgeben und die mit diesem zusammen Cetiuje heißen, ansichtig. Das Kloster liegt am Fuße der Thalwände und schlangelt sich mit seinen Umfassungsmauern und mit einem Theile seiner Gebäude noch am Berge hinauf. Am höchsten uud das Uebrige dominirend liegt ein vierkantiger alter Thurm, derselbe, dessen Iinncn die Montenegriner bisher mit den Köpfen ihrer getödteten Feinde auszuschmücken pflegten. Unter ihm zunächst 296 Ankunft in Ertinje. kommt die Kirche von Cetinjc und daneben ein steinernes Gebäude, das Zellen der Mönche enthält, jetzt aber meistens von Männern ans der Umgebung des Wladika bewohnt wird, und das nach vorn einen offenen Porticus darbietet. Noch weiter nnten nnd fast schon ganz in's ebene Thal hinaus ragt ein längliches großes Haus, das der Wladika selber bewohnt. Dieß Alles ist in ziemlich hohen Mauern eingeschlossen, die außerdem noch weitläufige Höfe dazwischen nmfangcn. Vor dem Kloster und außerhalb desselben ist ein großer freier Platz, den ein paar Dutzend Häuser in einiger Entfernung von den Klostermauern umgeben, und von dem ein paar breite Straßen auslaufen, die den Gassen unserer Städte einigermaßen ähnlich sehen. Längs dieser breiten Gassen liegen wieder ein paar Dutzend steinerne Hütten oder Häuser, und das Ganze nennt man, wie gesagt, Cctinje. Der besagte, zum Theil mit Gras bewachsene Platz, der in der Mitte eine gute Wasscrcisterne hat, ist gewissermaßen der Marktplatz oder das Forum von Cctinje, auf dem sich zu Zeitcn das Volk vor dcn Thoren der Residenz seines Herrschers versammelt, nnd der anch jetzt, als wir dort ankamen, mit einer Menge von Leuten gcsüllt war. An dem einen Ende dieses Forums am Fuße der Klostermauern liegen ein paar große eiserne Kanoncnläufe ohne Gestell und Lafetten, auf Steine oder Holzblöcke gestützt, von denen man mir sagte, daß der Wladika sie in Trieft gekauft habe. Schon von Weitem hatten wir diese Kanonen mitten in dem Lärme, den wir selbst »nachten, mit Donnerstimme hineinreden hören. Sie wiederholten ihre gastfreundlichen Grüße in so schnellen Tempos, wie die monlenegrinischcn Kanoniere sie herausbringen konnten, Die Vewillfommlmgsfancmcn. 297 und schleuderten ihre letzten Blitze unter uns, als wir uns unter dcnFrendenbezeiglmgen einiger anderer von dem uns gewogenen Wladika uns entgegengesandter Männer aus dem Sattel hoben. — Auch schon in alten Zeiten müssen die Montenegriner die Sitte gehabt haben, ein paar solche Aewillkomlmingskanoncn für passende Gelegenheiten in Bereitschaft zu halten; denn in einem berühmten montenegrinischen Liede, das die Vermählung eines montenegrinischen Fürstensohncs mit einer vcnelianischen Patri-tiertochter am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts znm Gegenstände hat, kommt folgende Schilderung der Feierlichkeiten bei dem Abschiede des Bräutigams vor: „Alle Schießwaffen Montenegros donnerten ihre Abschiedsgrüße nach, unv darunter anch jene beiden ungeheueren Kanonen Kernio und Selenko, die ihres Gleichen weder in den sieben fränkischen Königreichen, noch bei den Türken finden. Von dem bloßen Knalle dieser beiden Geschütze sinlt der Nenner zusammen und stürzt mancher Held zn Boden." — Wie gefagt, unser Willkommen glich ziemlich genau diesem Abschiede. Es giebt in Cetmje eine Locanda, die so ansehnlich, ordentlich und nett ist, wie nur sonst irgend eine in Dal-matien, und anßerdcm befaßt sich anch wohl ein ehemaliger östreichischer Unteroffizier, der sich nach Celinje zurückgezogen hat uud hier mit einer deutsch sprechenden Frau ein recht nettes Häuschen, in welchem er einen Kramladen errichtet hat, bewohnt, mit der Aufnahme und Ve-wirthnng von Fremden. Wir vertheilten uns in diesen beiden Häusern und waren hier für die Nacht so gut aufgehoben, wie sonst nicht immer in den westlichen Küstenländern der Adria. — Mir wurde das Glück zu 298 Einführung beim Wladika. Theil, mit einem anderen ivertben Reisegefährten bei dem besagten Ilnteroffizicr ein Quartier zu erlangen, wo wir sehr zufrieden waren, da wir deutsch jprechen konnten, und da die guten Lente alles Mögliche sür uns aufboten. Sie waren nin so freundlicher, da jedes Mal, wenn Deutsche zu ihnen kommen, die langgenährte Hoffnung in ihnen wieder auflebt, daß ilmen Verzeihung für ihre (5nt-weichnng ausgewirkt werden könnte, und daß sie auf dem Bazar von Cattaro zugelassen werden möchten, wodurch ihr Kramgeschaft nicht wenig gefördert werden würde. Wir wnrden dann von einem ehemaligen östreichischen Offiziere, der jetzt beim Wladika in Diensten ist, und der während der ganzen Zeit unserer Anwesenheit in Cctinje unseren sehr gefälligen Cicerone machte, beim Wladika aufgeführt. Dieser erwartete uns in seinem Billardzimmer, welches zngleich sein Audienz-, Staats- und Gesellschaftssaal ist. Denn der Wladika, obgleich ein Souve-rain, der uicht ganz verächtliche Einkünfte hat, lebt doch schr einfach und bescheiden. Als Fürst ciueS armen Gebirgsvolkes hält er es natürlich für unpassend, sich in seiner Lebensweise zu weit von der der Scinigen zu ent-fernen. -^ Er selbst bewohnt in seinein Kloster nicht mehr als drei Zimmer, die nahe bei einander liegen, erstlich das besagte etwas größere Billardzimmer, dessen Wände mit Waffen und mit den Portraits Napoleon's, i^ord Byron's, des jetzigen Königs von Sachsen und mit einem großen alten Oelgemälde von Peter dem Großen, das etwas nachgedunkelt hat, verziert ist, zweitens ein kleiues Zimmer, in welchem der größere Theil seiner Bibliothek (ein kleiner Schrank ist auch in dem Billardzimmer) steht, in dem außerdem noch Waffen Die Zimmer deS Wladila. 299 hingen und wo jetzt auch einige Trauben und andere schöne Früchte zum Trocknen aufgehängt waren, endlich drittens sein Schlafgemach mit einer recht stattlichen Bettstelle nach italienischer Weise und dem Portrait des Kaisers Nikolaus von Rnßland zu Pferde, nach Krüger. Man sieht solche Einrichtungen auch wohl bei den minder reicheil Domherren nnserer Stifte oder bei unseren Pfarrern (natürlich bis auf das Billard und die Waffen). -— In dem Billardzimmer stand auf der einen Seite des Billards bei der Eingangsthüre eine lange Banf, anf welcher Senatoren und Perianizen sich niedergelassen hatten, aus der anderen Seite ein kleines Sopha, auf dem der Wla-dika saß, eineil kleinen Teppich unter seinen Füßen. Dieß, sage ich, sind die bescheidenen Räume, die ein souveraincs Oberhaupt eines Volks von >WM) Menschen bewohnt. Wer die Schlösser unserer Herzöge, die eben so viele Unterthanen haben, keum, weiß, daß dort mehr Umstände gemacht werden. DeS Wladika Persönlichkeit zu schildern, halte lch mich hier nicht für berufen. Auch ist er schon oft von Kopf zu Fnß portraitkt werden, und es ist bekannt genng, daß er ein großer schöner Mann ist. Seine Persönlichkeit selbst ist zudem überall am adriatischen Meere, auf den Dampfschiffen des Lloyd und in Trieft, wohin er oft gereist ist, bekannt genug. Auch hat es in Wien und anderen Theilen Deutschlands nicht an Gele-Geilheit gefehlt, ihn zn sehen, da er sogar einmal bis nach Petersburg gekommen ist. Von uns war natürlich der berühmte serbische Herr, nuf den ich oben hindeutete, seinem Herzen am nächsten, doch hieß er anch uns Deutsche sehr freundlich und gütig 3l)l) Des Wladika Liebe zu Homrr, bei sich willkommen. Man fühlt sich bei ihm gleich » »on ui8L, weil man bald bemerkt, daß man mit einem sehr klugen, gewandten und gebildeten Manne zn thun hat. Gleich die erste Aeußerung, welche der Wladika gegen uns that, war eine sehr mcrkwmdige, lehrreiche, und geeignet, mich in ein Meer von Nachdenken zn stürzen. „Nun siehe da!" sagte er alls Nussisch sehr freundlich zu mir, „da sind Sie einmal nach Montenegro verschlagen. Ich hoffe, Sie werden manches Interessante bei nns finden, und ich bilde mir ein, Sie wcrdeu sich hier bei uns oft an Homer und an die Völkerzustäudc erinnern, die er schildert." — Ich möchte sagen, diese Worte des Wladika waren gewissermaßen Ton nno Richtung gebend für den ganzen Gang meiner Gedanken wahrend unserer Anwesenheit und kleinen Pilgerfahrt in Montenegro, die uns fast in allen Stücken als ein Commentar zu Homer erschien. Innächst war es in dieser Hinsicht bemerkeuswerth genug, daß der Wladika selbst mehre Male auf Homer zurückkam. Er ist ein großer Liebhaber seiner Gesänge und hat auch mehre Ausgaben des Homer, unter anderen eine in rnssischcr Ilebersetznng in seiner Bibliothek; — wer liebte nicht, seine eigenes Portrait nnd die der Seinigen und seiner Umgebung um sich her zu versammeln. Den meisten Sitten und Gewohnheiten der Montenegriner liegen uralte Vorbilder zum Grunde. Es sind Sitten und Gewohnheiten, wie sie hk-r auf der alten slavisch-griechischen Halbinsel vermuthlich schon lange vor Homer geherrscht nnd wie sie sich hier unter diesen Vera/ Die Homerischen Onochen und die Montenegriner. A)! und Hirtenvölkern entweder seit Denkalion's Ieiten stets erhalten oder mit wenigen Modifikationen immer wieder reprodueirt baben. Ich glaube, man könnte zn jedem einzelnen Zuge, der die Montenegriner charakterisirt, anch bei den Homerischen Helden irgend einen Zng als Parallele entdecken. — Der Freiheitssinn und die damit verbundene Kampflust sind den Montenegrinern eben so eigen wie den Archivern. Wie die verschiedenen Stämme dieser letzteren so haben anch jene schon zahllose Kämpfe für ihre Freiheit bestanden. Die Blutrache scheint bei den alten Hellenen ebenso wie bei den Montenegrinern geherrscht zn haben, und wenn einem Achilles sein Frennd getödtet wurde, so rnht er nicht eher, als bis er dafür biesein anch „ein blutig Opfer" geweiht hat, nnd schneidet er auch dem getödteten Hektor nicht den Kopf ab, so behält er doch den ganzen Körper in seinem Zelte, nnd es kostet Mühe genng, bis er ihn dem alten Priamns ausliefert. Ueber das Behalten oder Ausliefern der abgeschnittenen und heimgeführten Köpfe finden zwischen diesen Montenegrinern und ihren Nachbarn noch hentiges Tages ähnliche Unterhandlungen statt, wie zwischen Achilles und Pliamns. Und wenn ein Kopf freiwillig zurückgeschickt wird, so nehmen sie dieß zuweilen so hoch und dankbar anf, wie Priamns. Noch soeben hatte ja der Wladika aus Artigkeit und Großmuth den zuletzt eingelieferten Türkenkopf den Angehörigen des getödteten Veg zurückgesandt. Wie die alten Myrmivonen nnd Archiver des Ho-'"er, kriegerische Völker in halb wildem Instande, auf "ichts mehr als anf ihre mit Gold und Edelsteinen und mit sauberer eingelegter Arbeit, die Homer genau zu 302 Die Homerischen Griechen und die Montenegriner. beschreiben und zu besingen nicht müde wird, verzierten Waffen halten, so thun dieß auch die Myrmidoncn und Danaer u nserer Tage. Sie tragen reich mit Silber und Kupfer geschmückte Panzer und legen mit Perlmutter und Edelsteinen, wo nicht ihre Schilder, doch ihre Pistolenkolben und Flintenläufe aus uud erscheinen beständig, wie die Homerischen Helden im Schmuck ihrer Waffen. — Wie diese so halteu auch sie es für das schönste Loos eines Mannes, im Kampfe das Leben zu verlieren, und haben einen Widerwillen vor dem Tode ans dem Krankenbette. Die Heiligkeit der Gastfreundschaft, die Verbrüderung und Verschwörung zweier Freunde auf Leben und Tod, die Lage der Frauen, dieß Alles hat bei den Montenegrinern und überhaupt bei allen serbischen Slaven und den ältesten Bewohnern Griechenlands außerordentlich viel Aehnliches. Ich sage bci den ältesten Bewohnern Griechenlands, bci den Homerischen Griechen. Denn bei den späteren civilisirten atheniensiscken nnd byzantinischen Griechen ist wohl Manches anders, unv man möchte fast sagen, durch die Türken und nach der durch sie zerstörten Cultur der Griechen seien überall die uralten Sitten und Zustände der Mythcnzeit wieder hervorgetreten, gleich wie das matte Licht des Mondes hervortritt, wenn die Sonne untergeht. Manchmal kann man die Parallele bis in die Details der geringfügigsten Zu- uud Umstäude fortführen. Ein Ziegen- oder Hammelbraten schmeckt hier uoch eben so wie zu Odysseus Zeiten und wird auch auf dieselbe Weise zubereitet, und wenn man sieht, wie der beim Gastmahl Präsidirende die Fleischstncke bei den Knochentheilen ergreift uud sic rings umher uach Rang und Die Homerisch,,'!, kriechen und die Monteln'griner. 3(^3 Würden vertheilt, dem Vornehmsten das Stück gewährend, wo das „blühende" Fleisch nnd Fett hart am Rücken-knochen „am süßesten" ist, so glaubt man ganz unter Hellenen zu sein. Auch im Schnitt der Kleider dieser Leute ist gewiß noch viel mehr Vorchristliches, als wir nachweisen können. Auf den Basreliefbildcrn des berühmten Sarkophags von Ephesus in der Ambraser Sammlung in Wien, auf denen der Amazonenkampf dargestellt ist, kommen mehre kurze dolmauartige Gewander mit schlotternden und fliegenden Acrmelu vor, die ganz den Dolmans unserer Husaren ähnlich sehen. Der neuen Uniform, welche der Wladika seinen neugeschaffenen Pcriamzcu gegeben hat, liegt vermuthlich die Form eines uralten Kleidungsstücks zum Grunde. — Diese Periauizen, die Man nicht etwa unseren gewöhnlichen Trabanten oder Leibgarden gleichstellen darf, — am meisten Achnlich-keit haben sie noch mit den Nobelgarden des Kaisers von Oestreich, wo jeder Gardist ein geborener Edelmann ist, ^ diese Pcrianizen, sage ich, die den Wladika immer umgeben, die er auS den Söhnen oder jungen Chefs der vornehmsten Familien dcs Landes gewählt hat, und neben den Pcrianizen die zwölf sogenannten Senatoren, die mit dem Wladila zusammen eine politische Gewalt bilden und mit ihm unter einem Dache wohnen, konnte ich nicht anblicken, ohne dabei an Odysseus und seine Gefährten, an Achilles und die Myrmidoucn, an Me-nelaoS und seine Genossen, die zngleich seine Frcnnde und seine Unterthanen sind, zu denken. Die alten Homerischen Völkcrfürsteu beherrschen ihre Leute und Vasallen auf ziemlich unbeschränkte Weise, und doch zeigen sie sich zuweilen auch wieder mit ihnen ganz vertraulich, stellcu sich 3O>4 Die Homerischen Griechen und die Montenegriner. mit ihnen auf gleichen Fuß, in ein fast duzbrüder-lichcs Verhältniß, Eben so sahen wir es hier beim Wladika. Dieser präsidirte freilich als Herrscher des Volks in seinem Audienzzimmer auf einem besonderen Platze auf einem Divan, vor dem fiir ihn ein Fußteppich ausgebreitet war, nnd ihm gegenüber auf einer langen Bank saßen die Senatoren nnd Perianizcn, alte nnd junge Lente durcheinander, dicht zusammengedrängt nnd zum Theil einanver fast auf dem Schooße. Einige Audcre aber standen an den Fenstern und au den Thüren herum; allesammt erst ganz still und höchst ernsthaft dreinschauend, so lange die Bewillkommnung und Vorstellung der Gäste dauerte, was AlleS vorzugsweise nur dem Wladika galt. Sie gruppirten sich da ungefähr ebcu so, wie die Freunde, Hausgenossen und Hofleute des Königs Alcinons, als Odyssens zn ihm kam. Zuweilen richtete der Wladika an den Einen oder Anderen ein Frage, die dann immer prompt und ohne Schen beantwortet wurde. So war eS zuerst bei unserem Empfange und daun auch nachher wieder am Abend, wo wir znr Soiree eingeladen wnr-den. Als aber dann Billardspiel, Macao und so weiter proponirt wurde, da offenbarte sich ein recht ungenirtes Verhalten. Die Lente verließen ihre Sitze, spazierte« umher, und Jeder tbat, was er wollte. Einige gingen auf und ab, znr Thür hinein und hinaus, als wenn sie in ihrem eigenen Hause wären, Andere spielten mit ibrcm Wladika und mehren unserer Reisegefährten Macao, wobei es recht lebhaft zuging. Wieder Andere, die es bequemer fanden, blieben auf ihrer Bank stumm aneinander gelehut sitzen nnv schauteu den llebrigen zn. Noch Andere zeigten uns die Raritäten und Schätze ihres Herrn und Di« Homerischen Griechen und die Montenegriner. 305 schleppten sogar einige Stücke seiner Garderobe herbei, die sie in demselben Zimmer, wo er zugegen war, auf dem Billard ausbreiteten, um uns die Goldstickereien daran bewundern zu lassen. — Dieß Alles deutete auf ein so vertrauliches Verhältniß der Unterthanen zum Herrscher hin, wie wir es bei deu Genossen der Homerischen Helden sehen. Und als wir nun am anderen Morgen gar auf der Kloster-Terrasse bei eiuauder saßen, und als von da aus der Wladika', wenn auch nicht mit Pfeil und Bogen und mit der „weithinschattenden Lanze", doch mit Pulver und Blei und aus einer laugen Flinte nach einem improvisirten Ziele schoß, und als dann anf seinen Befehl ein Volkssänger mit der Gusla eintrat, sich vor uns hinsetzte und ein langes Heldenlied sang, wobei Jeder ganz still und bedächtig vor sich hin oder in die blaue Ferne hinaus blickte, da verschwanden die von ben Historikern gezählten Jahrhunderte fast gänzlich vor uns, die Zeiten zerrannen in einander und wir konnten uns eben so gut einbilden, daß wir jetzt Zeitgenossen der trojanischen Helden seien, als daß das ncbtzehnhundeltfünfzigstc Jahr der christlichen Zeitrechnung l'n »ms vorüberrollte. Auch dcr Umstand, daß der Beherrscher und Helden-mäßige Anführer der Montenegriner ein christlicher Bischof ist, war nichts weniger als eine Dissonanz zwischen den verschiedenen Zeiten, die wir vergleichen. Auch Agamemnon lst nicht nur der König, sondern auch der oberste Priester seines Volks, und Odysseus bringt unter seiuen Gefährten, die er im Kampfe anführt, immer selbst den Göttern die Dpfer,uid Wcihgcschenke dar. Kohl. Rcisc in Dalmaticn. I. 29 HOß Die Homerische» Griechen und die Montenegriner, Ueberhaupt hat das ganze Heldenthnm bei den Montenegrinern und bei den alten Griechen fast ganz gleiche Inge. — Mnthigc Helden werden bei jenen eben so gepriesen, wie bei diesen. Doch müssen die Helden, um etwas zn gelten, auch mit der Zunge eben so gewandt sein wie mit der Faust; so bei den Griechen, so bei den Tschernogorzen. Veredtsamfeit, der natürlich immer eine tiefe Warme des Gefühls und ein hochstiegender Geist znm Grunde liegt, steht bei den letzteren in so hohem Ansehn wie bei den ersteren, und es kommen auch in den serbischen Piesmen eben solche Neden vor, wie bei den Rhapsodiecn des alten ionischen Sängers. Die List verschmähen die montenegrinischen Helden eben so wenig wie die Archivcr, welche bei Homer ja das stehende Epitheton der „listigen" haben. Und Geschichten wie die mit dem trojanischen Pferde wiederholen sich tagtäglich in diesen Bergen, wen» anch nicht immer gerade ein hohles hölzernes Pferd dabei ist. Die Tscheten und Ausfälle der Montenegriner gegen die Türken, wobei bald dieser, bald jener Held freiwillig als Woiwode an die Spitze tritt, gleichen ganz den Unternehmungen der griechische»! Stämme gegen ihre Nachbarn, und die Geschichten von den Viehräubereien des Cams und anderer Unmenschen sind keine Mythen, sondern vielmehr nur, um mich so auszudrücken, typische Erzählungen von Vorfällen, die sich tausend Mal auf der griechisch-slavischen Halbinsel wiederholen nnd die alle nach einem und demselben Muster gearbeitet zu sein scheinen. Die Achnlichkcit wird noch großer, wenn man bedenkt, daß die Montenegriner eigentlich noch jetzt tagtäglich denselben Kampf kämpfen, den die Griechen Die Homerischen Griechen und die Montenegriner. 307 kämpften, den Streit der pelasgischen Stämme gegen die der asiatischen Halbinsel, den Kampf der Hellenen gegen den großen König des Ostens. Es ist eigentlich ein fortgesetzter trojanischer oder persischer Krieg. Unsere Künstler, wie Flarmann n. s. w., die Skizzen zum Homer zeichnen wollen, oder Philologen, die einen recht brauchbaren Commentar zur Iliade zu schreiben beabsichtigen, sollten es ja nicht versäumen, den kleinen Ausflug mit dein Dampfschiff nach Cattaro und von da nach Cetinje zu machen; ihnen würden da vielfache Schuppen von den Augen fallen, und sie würden in kurzer Zeit hier Manches sehen und hören, was ihnen die beßten Früchte tragen müßte, und für ihren Zweck in wenigen Tagen mehr lernen als sonst durch nwnatclanges Studium. Besonders lehrreich und ergiebig ist dabei ein dreifacher Vergleich der heutigen serbischen VolkSgesäuge, des täglichen Lebens der von ihnen besungenen Helden und der Homerischen Epopöeen. Durch diesen dreifachen Vergleich würde man erst sowohl den Homer recht verstehen, als auch das Leben und Treiben der heutigen Montenegriner recht beurtheilen lernen. — In Homer's Gesängen erscheint Alles in so schönem Lichte, so verherrlicht, so nobel und goldig. Ebenso erscheinen alle Dinge in den serbischen Liedern, während das tägliche Leben der Montenegriner es zeigt, wie alle diese Dinge, die wundervoll schönen Helden, oie großmüthigen und edlen Könige, die zauberischen Frauen und Mädchen, die tönenden Hallen, die geschmückteil Paläste, die uueroberlichen trotzigen Festungen, das blühende Fett der Ziegen- und Hammelbraten, bei dem prosaischen Lichte der Wirklichkeit betrachtet ausgesehen haben. Es ist bei Homer 20* H08 Montenegrinische Trauben und andere Früchte. gewiß eben so viel poetische und pathetische Uebertreibung, wie in den serbischen Liedern, und man muß in beiden den Dingen und Personen erst überall die Kothurne oder Stelzen abschlagen, auf welchen die Dichter sic ein-hcrschreiten lassen. Dann aber umgekehrt kann uns ein solcher Vergleich, nachdem wir für die griechischen Helden einen prosaischen Maßstab gefunden, auch wieder lehren, die Montenegriner nicht zu gering anzuschlagen und zu verächtlich zn behandeln. Fand Homer bei Leuten, die ihnen ganz ähnlich waren, so Vieles, was seine Mnse begeistern konnte, so werden wir auch bei dieseu Montenegrinern Vieles finden, was uns mit Bewunderung erfüllen kann. Nachdem der Wladika sich mit Jedem ein weuig unterhalten und dann Alle noch ein Mal willkommen geheißen, entließ er uns mit der Bemerkung, daß wir wohl einige Erfrischungen bedürfen würden, uud lud uus auf den Abend wieder zu sich ein. Zu unserem Mittagsmahl sandte er nns süßen Wein und eine Fülle schöner großer Trauben und anderer saftigen Früchte, die er als Producte seines Landes nns bezeichnen ließ. Hier oben ans den Höhen von Oetinjc uud Njegusch wächst zwar nichts dergleichen; aber in den niedrigen Thälern der Montenegriner gegen den See voll Scutari zu werden der Nein, der Oelbaum, Melonen u. s. w. cultivirt, und diese Früchte gedeihen dort, wie wir es selbst vor uns sahen, zu bewunderungswürdiger Größe. Auch Bienenzucht ist dort zu Hause, und es soll daselbst manchen Bauer geben, der an hundert Bienenkörbe besitzt. — Da es ohncdicß schon spät geworden war, so war der Abend schnell da, und wir kehrten daher bald zum Wladika Zahl der Bevölkerung von Montenegro. 309 zurück, bei dem sich mm cine noch größere Gesellschaft als zuvor eingefunden hatte. Er unterhielt sich mit uns über verschiedelle Gegenstände und gab uns auf jede Frage, die wir uns in Bezug auf seiu Laud erlaubten, sehr bereitwillige und lehrreiche Antworten. Schade übrigens, daß wir die Verpflichtung zu haben glaubten, diese Bereitwilligkeit nicht noch mehr zu benutzen. Die Anzahl der Bewohner seines Landes gab der Wladika selbst auf etwas mehr als 100,000 an. Auf 105,000 Seelen soll sie in dem letzten Hefte der „Grlitza", eiuer in Cetiuje gedruckten Schrift, einer Art montenegrinischen Etaats-Älmanachs, angegeben sein. Diese Angabe ist höher als die in allen vor dem Jahre l840 publicirteu Berichten und Reisewerken, und es ist demnach zu vermutheu, daß sich die Iahl zum Theil in Folge von Anschluß anderer Stamme, zum Theil in Folge von größerer Lebenskraft des Volks und im Schutze der mehr gesicherten Freiheit uud des größeren Friedens — die blutigsten Kämpfe und Menschenverluste hatten die Montenegriner nu vorigeu Jahrhundert zu ertragen — bedeutend vermehrt hat. Wir hatten sehr verschiedene und, wie es uns schien, zum Theil sehr übertriebene Angaben über die Anzahl der Waffenfähigen Männer in Montenegro erhalten. Und dieß konnte auch wohl nicht anders sein; denn erstlich übertreiben natürlich iu diesem Punkte die Montenegriner selbst sehr gern etwas, und ihre Nachbarn haben wieder die entgegengesetzte Tendenz. Und dann fragt es sich, ob von einem Vertheidigungs- oder Angriffskriege die Nede lst. Wenu die Türken iu's Land fallen, so greifen sogar die Invaliden wieder zu den Waffen, selbst die 110 Zahl der waffenfähigen Montenegriner. Greise und Kranken raffe» sich auf, und auch die unmündigen Knaben bleiben nicht dahinter — man erzählte uns von einem Knaben von zehn Jahren, der einen türkischen Vcg erlegt nnd seinen Säbel erobert habe und auch von einem Mädchen hörten wir, das eine Heldenthat gegen die Türken verübt habe und seitdem immer Waffen trage. — Will man nun diese alle mitzählen zu den Waffenträgern, so bekommt man eine sehr große Summe herans. Gilt cs aber, eine ordentliche Armee in's Feld zu stellen, so sind natürlich nicht so viele da. Die geringste Angabe der waffenfähigen Montenegriner, von der ich hörte, gab die Zahl von 15,000 „Puschki" (mit Gewehren bewaffneten Männern), die größte 35,000. Der Wladika sagte, Montenegro könne im Ganzen 20,000 bis 35,000 nach ihrer Art gut bewaffnete Vaterlandsvertheidiger auf die Beine bringen, 5i000 bis 7000 aber könne es bei einem auswärtigen Kriege in's Feld stellen. Bei der berüchtigten Erpedition der Montenegriner nnd Russen gegen Nagusa im Jahre 1806 sollen 6000 Streiter von den Vergen hcrabgreilt sein. Doch ist hier überall natürlich nicht von regulären und einerercirten Truppen die Rede, sondcrn von Renten, die den Gebrauch der Waffen von Jugend auf von ihren Vätern erlernt haben, wie die Sprache von ihren Müttern. Ihre Mannschaften auf europäische Weise zu uniformiren und einzuüben, haben dieWladiken noch nicht versucht, wie die serbischen Fürsten und die walachischen Hospodare es gethan haben. Die Leute ziehen unter der Anführung ihrer Woi-woven (Dorfschulzen) und Ecrdarc (Distrirtshauptleute) heran, und entweder stellt sich der Wladika selbst oder sein Der Scmit dcs Wladika. 3ll kriegerischer Neffe Georgey, der in russischen Diensten war, an die Spitze. Dieser letztere, den wir ebenfalls kennen lernten, soll sich immer äußerst tapfer bewiesen habennnd als Anführer beim Volke sehr beliebt sein. Der Wlaoika selbst übernimmt nur bei ganz außerordentlichen Füllen die Anführung. Obgleich gewiß nicht weniger tapfer als die übrigen Montenegriner, ist er doch nicht so lnegslustig Wie der frühere Wladika, der sich trotz einem Bischof des Mittelalters herumschlug. Er strebt wo möglich auszugleichen und zu vermitteln, weil er mehr auf die innere Organisation seines Staates und Volks hinzuwirken sucht. Eine der merkwürdigsten Neuerungen, die er ausführte, sind die Corps der Senatoren und der sogenannten Perianizen, von denen wir uns anch an diesem Abende umgeben sahen. Der Senat (Sowjet) bestellt aus zwölf Mitgliedern (Sowjetnik). Ob die Idee zu diesem Senate von Rußland hergenommen ist, weiß ich nicht; doch bildet dieser Senat, wie in Rußluud, das oberste Gericht des Landes. Anch werden mit ihm, gleichsam wie mit einem Ministcrrathc oder Neichsconseil, die wichtigsten Angelegenheiten besprochen. Doch sagte man uns Wohl, daß des Nladika gewichtige Stimme hier immer nm meisten durchschlägt, vermuthlich uugefähr auf ähnliche Wnse wie die Stimme des Odysseus unter seinen cdleu Gefährten: „Also redet' ich selbst und bezwang ihr wüthiges Herz in Gehorsam." Die Perianizen sind, wie gesagt, etwas Aehnlichcs wie die Nobelqardc des Kaisers von Oestreich, wenigstens insofern, als sie ans den beßten jungen Leuten des Landes bestehen nnd meistens die Person deS Wladika, stets seiner Befehle gewärtig, umgeben. Doch werden sie auch zu H12 Die Penanizen. — Strafen, mancherlei anderen Geschäften und Aufträgen gebraucht. Bei dem embryonischen Zustande dieser politischen Gesellschaft sind natürlich die verschiedenen Staatsgewalten noch nicht unter so viele Branchen und Persönlichleiten streng geschieden. So z. B. ließ der Wladika einmal ein paar Verbrecher durch seine Penanizen hinrichten. Und damit diese sich dazu bereit finden und Niemand die Blutrache fin sein besonderes Haupt fürchten möchte, wußte er dieß nicht anders einzurichten, als daß er seine sämmtlichen Penanizen — Einige sagten uns, cs wären dreißig Mann, Andere gaben sie auf vierzig und fünfzig an — alle auf ein Mal auf die Hinzurichtenden ihre Flinten abfeuern ließ. Auf diese Weise waren so ziemlich alle angesehenen Familien des Landes, vermuthlich auch die der Hingerichteten selbst bei der Tödtnng bethciligt, und die Blutrache war also fast unmöglich. Uebrigens ist es etwas Eigenthümliches bei diesen Trabanten, daß der Pfarrer (Pope) von Cetinje ihr Chef ist. Die Unterhaltung berührte auch die in Montenegro üblichen Züchtigungen, und wir erfuhren, daß hier Prügelstrafe etwas ganz Unerhörtes ist und die Montenegriner vor ihr einen außerordentlichen Abscheu haben, was sehr zu ihrem Lobe gereicht. Auch einsperren lassen sie sich gar nicht gern. Ein Monat Gefängniß, das ist ihnen schon sebr hart. Drei Jahr Gefängniß ist so gut wie Todesstrafe. Geldstrafen aber sind gewöhnlicher. Und dann wird sehr bösen Verbrechern in gewissen Fällen das Haus niedergebrannt. Der Wladika zeigte uns mehre interessante Merkwürdigkeiten; zuerst einen Kasten mit Münzen und einigen Alterthümern von Dioclea, einer alten römischen Stadt, Des Wlabita Purpurmantel. 3l3 welche Einige fl'lr die Geburtsstätte des Kaisers Diocletian halten und die später bis zum Jahre 1000 nach Christi Geburt Residenz der damaligen Beherrscher von Montenegro war. Der Platz, auf dem diese Stadt stand, gehört noch jetzt zum Gebiete des Bischofs. Ferner zeigte er uns ein kleines griechisches Kreuz, das sehr kunstvoll gearbeitet war. Es sollte vom großen serbischen Kaiser Stephan herrühren und zunächst ausz einem serbischen Kloster hierher gekommen sein. Ich hatte mich nach den Gewerben und Kunstfertigkeiten der Montenegriner erkundigt, und daher wurde noch zuletzt ein schönes Gewand dcs Wladika, das hier M Cetinje kürzlich gemacht worden war, herbeigetragen. Es war ein weiter, aber nicht sehr langer Purpurmantel von dem feinsten rothen Tuche, vermuthlich aus einer gewissen sehr berühmten Tuchfabrik in Kärnthen. Man breitete ihn auf der Billardtafel aus und ließ uns die feinen Goldstickereien daran bewundern. Sie waren in der That nicht nur sehr künstlich, sehr sauber ausgeführt und solid genäht, sondern boten auch in ihren geschnör-kelten Linien und Arabesken eine äußerst geschmackvolle Zeichnung dar. Uns schien es eigentlich unpassend, daß wir dergleichen in dem Zimmer und in der Gegenwart des Wladika, der indeß mit einigen Anderen converfirtc, besahen; aber die Leute — Perianizen, Senatoren, Verwandte des Bischofs — genirtcn sich gar nicht dabei und thaten, als wenn der Mantel ihnen gehörte, oder wie Kinder, die ihres Vaters Herrlichkeiten den Gästen des Hauses zeigen. Als wir die feine Stickerei wiederholt bewunderten, stellten sie uns auch den Künstler oder Schneider selber vor, von dem ich nicht weiß, wie er 314 Die Druckerei und Bibliothek dcS Wladika. hierher unter dic Senatoren kam. — Itebrigens haben die Montenegriner anch noch einige andere gntc Künstler und Handwerker, z. B. Waffenschmiede, ferner gnte Chirurgen, und zuweilen sollen, wie mir Jemand sagte, eben jene Waffenschmiede zugleich erfahrene Chirurgen sein, Als der König von Sachsen bier war, improvisitte der Wladika zu Ehren seines hohen Gastes cin Lobgedicht, das er auf der Stelle niederschrieb, und das gleich am anderen Morgen schon dem Könige selber nnd seinen Begleitern in verschiedenen Crcmplaren ans hübsches Papier gedruckt überreicht wurde. Der Wladika hatte es über Nacht in seiner kleinen Drnckerei, die er in einem Theile seines Klosters anfgcstcllt hat, setzen und drucken lassen. — Ich glaube wohl, daß nicht viele nnfcrcr Fnr-stcn die verschiedenen Mittel sogleich bei der Hand haben, die dazu erforderlich sind, um einen hohen Gast auf ähnliche Weise bei sich aufzunehmen und zn ehren. Ich erwähnte einer Bibliothek des Wladika. Wir durften sie besehen und fanden darin eine Menge aus-gezeichneter rnssischer und französischer Werke; vor allen Dingen Homer's Odyssee und Iliadc, noch hentiges Tages das Alpha und Omega für die Kenntniß deS Lebens nnd Geistes des slavisch-griechischen Orients, ferner in einer russischen Uebersetznng Lord Byron, dessen Geist und Dichtungen ebenfalls mehrfach mit diesem Oriente verflochten sind, ferner Grammatiken neuer lebend der Sprachen, von denen der Wladika, außer seiner Muttersprache, die serbische, die französische und russische spricht und schreibt, die italienische aber und ich glaube auch ein wenig die deutsche versteht. Ich wollte, Der Wladika als Dichtn-, 315 ich hätt».' mir einen vollständigen Katalog dieser kleinen Bibliothek inachen können. Er würde gcwiß ein hübscher Beitrag znr Kenntniß des merkwürdigen Mannes, der Montenegro beherrscht, sein nnd ein sehr vortbeilhafteS Licht ans seinen dichterischen und ernsten Geist werfen. Es ist bekannt gcnng, daß der Wladika anch selbst Dichter ist und schon eiuen bedeutenden Platz ans dem serbischen Parnasse einnimmt. Als ganz besonders schön Wird ein Gedicht von ihm bezeichnet, in welchem er eine Poetische Schilderung der Natur seines wilden Geburtslandes gegeben hat. Auch ist in seinem Schloß und unter seiner Leitnng eine Neihe von Jahren hindurch der erwähnte Etaawkalender, die in der slavischen Welt bekannte „Grlitza" (Turteltaube) gedruckt worden, der hie und da sehr interessante Anfsätze und Notizen enthalten soll. Eben jetzt war er wieder mit einem poetischen Werke, und zwar mit einem Drama beschäftigt, zu dem er den Stoff aus einer sehr merkwürdigen Geschichte genommen hat, deren Schauplatz im vorige» Jahrhunderte Montenegro War, nämlich aus der Geschichte des sogenannten „8loi> I'oli» Vc>nl,'t.," das er ,,^.nno 1718" gemacht habe, sei. Außer dem Namen des venetia-mschenKünftlers steht auch derdesWladika darauf: „1)i>mol Ittßtl-npaliw äi ^oanä^na vlttl05t). Ich glaube, dieß thnn auch die Serben. Russische Briefadressen an den Wladila sah ich nicht und erfuhr auch nicht die Titulatur, welche die Russen ihm geben. Doch ich vermuthe, daß dieß weder „Ercellenz", noch „Durchlaucht", sondern die den höchsten Kirchen-fürsten, den Grzbischöfen und Metropoliten zukommende Titulatur sein wird. — Noch weniger weiß ich, wie die Türken, die Paschas von Mostar und Scutari an ihn schreiben und ihn anreden, was sie doch wohl bei den vielen Gränzverhandlungen zu thun gar nicht umhin können. Daß das Volk in der Türkei ihn den „schwarzen Mönch" oder den „Kaluger vom schwarten Berge" nennt, erwähnte ich schon. Dieß findet man auch schon in anderen Büchern gesagt. Jemand hat mir erzählt, daß man ihn in Vosnien nnd der Herzegowina auch wohl als „Kraal Zrnigorski" sd. i. König der schwarzen Berge) bezeichnet. Wie der Name Nladifa, unter dein er jcht bei uns fast allgemein bekannt ist, zn seiner Bezeichnung vorzugsweise in Schwung gekommen ist, weiß ich nicht. Vs ist dieser Titel, der so viel als heiliger Herr bedeutet, in der ganzen griechisch-slavischen Kirche gebräuchlich und wird vor dem Altare jedem Priester i» pnnlilic-llMm» von seinen Kirchengehilfen gegeben, wenn sie ihn ofsiciell anzureden haben, und Wenn sie z. B. sagen: Titulatur beS Wladika. 349 dir Ansprüche der Wladiken, wie die der meisten Könige und Herrscher, viel weiter gehen als ihr jetziger Besitz; denn Scanderien ist nichts mehr oder weniger als Albanien oder das Paschalik von Sentari, und „Oki-u Zlgrinn" ist der italienische Name für das Küstenland, welches die Slaven „Pomorie" nennen, und von dem das jetzige östreichische Albanien einen Haupttheil bildet. Man sagte mir, Seandcria heiße Albanien von seinem großen Könige Scander Beg (d. h. Fürst Alerander), wie Friaul ^<"'um .lulii) von Julius Cäsar. Demnach wäre Scanderia ungefähr mit Alerandrien zu übersetzen. Allein vielleicht „Heiliger Herr (Nladika), segne dieses Brot!" — Wladika ist in der kirchlichen Titulatur der Slaven, so glaube ich, ungefähr dasselbe, was „Gospodar" (auch — „Herr") in der weltlichen. Man sagte uns, daß die Montenegriner, vermuthlich nur die Vornehmen, ihren Chef lieber Gospodar (was bei ihnen ungefähr tönt wie „Ge> bieter") als Wladika nennen hörten. Dieses Gosvodar, welches bei den Slaven wohl ungefähr so klingt, wie an unseren Höfen der Ausdruck „die Herrschaften", womit besonders die regierenden, fürstlichen Herrschaften gemeint sind, dieses Gospodar, sage ich, ist in vielen Slaveuläudern der eigentlich knrze und Alles sagende Titel des Souverains. Der Zufall hat es gewollt, daß die Hospodare der Walachei und Moldau denselben bekanntlich als einen ihnen eigenthümlichen Gattungsnamen behalten haben. Es ist dieß „Gospodar" in Südslavien etwas Aehnliches wie das „Gossudar" in Ostslavieu (Rußland), wo der Kaiser bekanntlich schlechtweg weit häufiger „Gossudar" (der Herr, Großherr oder Herrscher) als „Imperator" oder „Zaar" genannt wird. DaS gemeine Volk aber in Montenegro redet seinen Fürsten ganz gewöhnlich mit „heiliger Vater" au. Dazu duzt ihn der gemeine Vtann, sowie auch der Bauer in Nußland seinen Kaiser, wenn er Gelegenheit hat, ihm etwas zu sagen, duzt. Die Vornehmen und die ihn zunächst Umgebenden, so sagte man mir, reden ihn dagegen mit „Ihr" (unserem deutschen „Sie") an. I5l) Das Wappen Montnlegros. heißt es auch so von der Hauptstadt „Scadar", welchem Worte das „n" eingestickt wurde, und vielleicht hangen alle die alten und neuen Bänder-, Stadt- und District-namen dieser Gegenden: Ecodra, Ecadar, Scutari, Scan-deria, Zantc oder Centa und (mit Wegwerfung des n) Ceta u. f. w. unter einander zusammen. Uebrigens soll es sich historisch erweisen lassen, daß die montenegrinischen Wladiken früher wirklich die geistlichen Oberhirten jener Gegenden gewesen sind und nur, der Gewalt weichend, sich einstweilen m ihre jetzigen Berge zurückgezogen, dort aber zugleich ein weltliches Reich begründet haben. Auch jetzt noch soll es sowohl im türkischen als im östreichischen Albanien viele Leute griechischer Religion geben, die zum Wladika als ihrem geistlichen Oberberrn aufblicken, und es werden ihm nicht bloß aus seinem eigenen Lande, sondern auch aus den benachbarten Landschaften zuweilen Gegenstände gebracht, damit er sie einweihe und seinen Segen darüber spreche. Wir bekamen in diesem Kloster auch ein Conterfei des Wappens, das die Montenegriner sich gewählt haben, zu sehen. Es ist ein Adler oder Geier, und auf ein solches Wappen haben diese auf so unwirthbaren Felsgipfeln wie die Raubvögel horstenden Männer wohl weit mehr Recht als z. B. Preußen oder andere unserer Staaten, die auch immer reißende Thiere in ihren Schildern führen. Ich habe übrigeus nicht bemerkt, daß jenes Wappen irgendwo in Montenegro öffentlich angewandt oder ausgestellt gewesen sei. Desto häufiger aber sollen sich die Montenegriner unter einander, nicht bloß in ihren Lieder», sondern auch in ihren alltäglichen Gesprächen jenes Symbols bedienen. Sie sollen sich bei vielen Gelegen- Nachbildung der großen Moskaucr Glocke. 351 heitm: „Du Geier, Hassan Iurowitsch" (oder wie nun der Held eben heißen mag) anreden. Vor dem Kloster, l>«Iin apim» mit der Zeit ganz abzuschaffen. So etwaS laßt sich natürlich nur all-mälig ausführen, und zwar völlig erst dann, wenn auch die Türken den Montenegrinern nicht mehr die Köpfe abschneiden. Ich sagte schon, daß der Wladika uns selbst bemerkte, er habe den ihm vor einigen Tagen Präsentirten Kopf des jungen Veg den Türken zurückschicken lassen. Er soll dieß schon mehre Male gethan haben. Auch hat er meistens*) die türkischen Gefangenen sehr edel und wohlwollend behandelt, ohne Zweifel in der Absicht, dadnrch auch den Türken hnmanere Ansichten beizubringen. So erzählte mau unS hier wieder eine anch schon anderswo vorgetragene Geschichte von einem anderen jungen Vegsohne, den die Montenegriner hinterlistig seinem Vater wcgsingen nnd trinmphi-rend zu ihrem Wladika brachten. Der Wladika belobte fie zwar wegen ihres Eifers für die montenegrinische Sache, gab ihnen aber Geld für ihren Gefangenen, und indem er nun behauptete, daß dieser als ein Losgekaufter ihm gehöre,, und daß er jetzt damit machen könne, was er wolle, ließ er den jungen Beg gut bewirthen und schickte ihn dann unversehrt seinem um ihu trauernden türkischen Vater zurück. Dieser hatte darüber eine so große Freude, daß er wieder eine Votschaft an den *) Man hat nur cine Ausnahme erzählt. Z58 Abschied von Cetinjc. Wladika sendete und ihm ein schönes weißes Türkenpferd zum Geschenk machte. Es ist gar kein Zweifel, daß wir noch recht viel in Montenegro hätten lernen nnd dort noch einige Tage sehr nützlich verwenden können. Allein Nagusa wollte auch einen Theil unserer Zeit für sich haben, die Reise nach Dalmatien lag noch vor uns, uno so viele andere interessante Dinge waren auf dem Rückwege in Illyrien nachzuholen. Wir mußten daher jeder Anforderung zum Bleiben widerstehen nnd unsere bereits gezännten Pferde und Manlesel besteigen. Der Wladika mit vielen seiner Perianizen und Unterthanen war bis znm letzten Angcnblick zugegen. Unsere Gesellschaft stattete ihm den beßten Dank für die gastfreundliche Aufnahme ab und ritt, von vielen Pistolenschüssen begleitet, davon. Ich mnß gestehen, es wollte mir gar nicht gefallen, daß dieß von unserer Seite so stnmm und ohne alle Frcndenschüsse geschah. Es schien mir, dicß wäre sehr passend gewesen. Aber wir hatten zu unserem Bedanern keine Pistolen bei uns. Ich habe einmal in einem Buche gelesen: „die Montenegriner und Dalmatier sind schon überglücklich und halten sich für reichlich bezahlt, wenn ihr Gast des Morgens beim Nuf-bruch, als Zeichen seines Dankes und seiner Zufriedenheit, seine Pistole recht mnnter losknallen läßt." — Ich rathe daher jedem später in diesem Lande Neisenden, sich immer, wenn auch nicht seiner persönlichen Sicherheit, doch des im Lande üblichen Ceremoniells halber, mit geladenen Pistolen zu versehen — also, wie gesagt, Pulver und Patronen im Geldbeutel znm Almosengeben und zum Ankauf und Eintauschen mancher Kleinigkeiten und Pisto- Dcs Wladika Posilim, und ihre Eontraste. 359 lenschüsse zur Bezahlung oder vielmehr zur Vergeltung für Gastfreundschaft und Nachtquartier. Ich muß auch gestehen, ich kouute nicht ohne ein gewisses Gefühl von Wchmuth und wahrhafter Theilnahme vom Nladika scheiden, wenn ich daran dachte, daß er eigentlich der einzige civilisirte nnd geistvolle Mann nnter seinem noch so rohen Volke ist, der einzige, der beinahe ganz so fühlt, gesinnt und gebildet ist, wie wir. Was muß ein so hervorragender Geist, wie er, nntcr einem so vornrtheilsvollen, abergläubigen Volke, wie das ist, das er zu regieren und zn mltivircn strebt, für Leiden und Kämpfe haben. Wenn man es recht bedenkt, so bietet seine Position wirklich so viele schwer in Harmonie zu bringende Contraste dar, wie feine zweite in der Nelt. Er ist ein Literat, der an Kenntniß und Nr-theilskraft sehr viele nnserer Literate» übertrifft, und dabei ein Staatsmann, Gesetzgeber und Fürst, -^- er ist ein christlicher Kirchenhirt und dabei der Anführer einer Armee von 20,l)0l) bis an die Zähne bewaffneten Männern, — er ist für alles Schöne, das die Welt bietet, höchst empfänglich nnd dabei ein Mönch nnd Eremit, — er ist jnng und schön, er liebt, er sehnt sich nach Familie und dem hänslichen Leben eines Familienvaters und er hat keine andere Umgebung als seine wilden Pcrianizen — er ist viel gereist, er kennt den Lurus unserer civili-sirtcn Welt, — eine große Hauptstadt, wo Kunstgennsse in Fülle, wo reiche Bibliotheken nahe, wäre vielleicht der passendste Aufenthalt für ihu, nnd sein Schicksal schmiedet ilm wie Promethens an einen nnwirthbaren Felsen, wo er in einem comfortlosen Kloster wohnt nnd mit Mühe und Noth sich einige geistige Nahrung ver- 3W Dcs Madika Position und ihre Contrast»'. schafft, — und um unsere Theilnahme zu erhöhen, kam uoch dazu, daß er seit einiger Zeit leidend war, daß ein mildes Klima seiner Gesundheit wohl thnn würde, daß er aber, als wir ibn verließen, uns bemerkte, recht bald nun würden er und seine Leute uud ihre Felsen und Felder hier oben bei Njegusch und Cetinjc unter einer Schneedecke von vier oder fünf Fuß Dicke begraben werden. — Der Wladika hat selbst einmal unter einem Verse, den er einer Dame in's Stammbuch schrieb, die Bemerkung gemacht, daß dieser Vers von einem Menschen herrühre, der als ein ,,nnmmo civile psrmi 6t>8 (ll'!l>!l)<'N'l^>t-<'8" lebe, und der sich „pm-mi 1^3 oivili«««" als ein ,,6i'l>ur^" vorkomme, der aber unter den Fürsten Ouropa's ,^ontl-<^m<1u" sei, und die hierin enthaltene Idee und Klage scheint er sehr ties zu empfinden, denn dasselbe sprach er schon anderswo nnd auch uns gegenüber ans. Daß er, wie er sich ans-drückte, „oonU'oliünäo" unter den Fürsten Vnropa's ist, bereitet ihm als Regenten eine Position, die eben so schwierig ist, wie seine Stellung als Mensch überhaupt. Seine Herrschaft liegt gerade an den Gränzen des äußersten Einflusses der drei größten Kaiserreiche Europa's, von denen ihn noch keines offiziell als eine gesetzmäßige Macht, gegen welche alle Grundsätze des europäischen Völker- und Staatenrechts in Anwendung kämen, anerkaunt hat. Die Türkei betrachtet ihn und seine Unterthanen als Rebellen, die man zu allen Zeiten züchtigen und gelegentlich wieder ganz unter'S Joch bringen müsse. Sie hat ihren Rachen beständig gegen ihn gcöffnet und würde gleich znbeißen, so bald sie nur könnte. — Oestreich kann! die Montenegriner Montenegro und Oestreich. 361 allerdings eben so wie früher Venedig als willkommene Verbündete gegen die Türken ansehen. In der That haben diese kühnen Montenegriner, so wie überhaupt alle die tapferen Serbenstämmc, die nun zum Theil und nach langwierigem Widerstand der Türkenherrschaft und dem Mohammedanismus verfielen, die Dalmatier, Mor-lachen, Kroaten n. s. w. sowohl ans eigene Hand als auch unter Venedigs und Oestreichs Fahnen viel dazu beigetragen, daß die Mohammedaner ihre Herrschaft nicht über das ganze Illyrien und weiter hin über das avria-tische Meer und vielleicht auch über Italien ausbreiteten. Es ist aus der Geschichte bekannt, daß der Papst, als im fünfzehnten Jahrhundert ganz Albanien unter Scan-derbeg gegen die Türken im Felde stand, mit diesem illyrischen Hcldenkönigc in innige Verbindung trat, um durch ein kräftiges und unabhängiges Illyrien oder Albanien sein Italien vor der gefürchteten Invasion des Halbmondes zu schützen. Von diesem unabhängigen Albamen ist uur noch der kleine Winkel Montenegro stehen geblieben, und er bildet noch beutiges Tages einen schätzens-werthen Eckstein, eine Schutz- und Vormaner, an der sich die wilden Wogen der Türken brechen. Der östreichische Kaiser, der Eibe Venedigs und der Schutzherr der katholischen Christenheit, hat also ein Interesse daran, diese Vormauer stark zu wissen und sie möglichst zu con-serviren. Er könnte daher entschieden als Freund, Beschützer uud Bundesgenosse des Wladika auftreten. Allein verschiedene andere mißliche Verhältnisse trüben wieder diese Freundschaft uud müssen Oestreich in seinem Büudniß mit dem Wlavika vorsichtig machen. Denn erstlich muß Oestreich gegen die Montenegriner als ein 362 Montenegro und Oestreich. beutelustiges Räubervolk, dem ?s. zn Zeiten ziemlich einerlei ist, ob es auf türkischem oder östreichischem Gebiete Herden, Geld und „köstliche Habe" gewinnt, immer auf seiner Hut sein. Zweitens sind zwar die Montenegriner Christen, aber griechische Christen, sie sym-pathisiren daher mit den Unterthanen Oestreichs griechischer Confession. Sie behaupten, ihr Nladika sei von Rechts wegen auch das geistliche Oberhaupt der griechischen und östreichischen Albanier nnd würden, wenn man sie gar zn machtig werden ließe, dieser Behauptnug wohl einmal mit Gewalt Nachdruck zu geben versuchen. Drittens aber fühlen sich die Montenegriner in ihren Felsthälern immer wie in einein Käsig eingeschlossen. Sie sehnen sich darnach, nach dem Meere zn Luft zu bekommen, und betrachten die Meerbusen, Hafen nnd Hafenstädte ^astna, Budua, Cattaro n. s. w., die an dem Fuße ihres Landes liegen, als ein ganz natürliches Zubehör desselben. Die Bevölkerung dieser Küstenvnnkte ist darüber zum Theil mit ihnen einverstanden, nnd wäre Oestreich schwach, so würden sich beide Theile vielleicht einmal gelegentlich in die Arme fallen, und die Wladiken würden, wie sie es in der That vorübergehend schon gethan haben, ihre Residenz an den Ilooclio äi t^twi-o aufschlagen. Oestreichs Interesse ist es natürlich, dieser Tendenz des Innern nnd des Küstenstrichs entgegenzutreten, und es mnß sich daher gegen seine montenegrinischen Bundesgenossen nicht nur freundlich, sondern auch fest und energisch beweisen. Cs muß sogar wünschen, eine gesichertere Position gegen sie zu gewinnen, als die jetzige Gränzregnlirung, bei welcher den Montenegrinern der ganze Besitz der Gebirgshöhen bis an den Mouwn'gro mid Nußland. Zg3 obersten Rand geblieben ist, sic darbietet. Es muß wünschen, wenigstens aus einem Theil dieser Höhen festen Fuß zu fassen und z. B. in Njegusch seine Fahne aufzupflanzen, um dies; räuberische Volk von da ans ganz im Zaume halten zu können. Dieß bringt nun die Interessen Oestreichs uno Montenegros in starken Conflict; denn eben um den Besitz von jenen Höhen und namentlich von Njegusch würden die Montenegriner einen Kampf auf Leben und Tod beginnen. Die entlegenste Macht endlich, Nußland, ist den Montenegrinern in neuester Zeit ganz außerordentlich nahe gerückt. Zwar haben die Nüssen schon zn Peters des Großen Zeiten ihre Blicke auf die zur Unabhängigkeit aufstrebenden Montenegriner gerichtet, so wie auch die Montenegriner schon im ganzen vorigen Jahrhunderte Beifall, Aufmunterung und Wohlthaten genug von Rußland empfangen haben. Man kann fast sagen, daß die Entwickelung beider Staaten, jenes eolossalen Rußlands und dieses winzigen Montenegros, ganz parallel neben einander herging und gleichen Schritt hielt. In derselben Zeit uud in derselben Weise, wie Nußlaud sich zu dem immer wachsenden Ansehen einer europäischen Weltmacht erhob, in derselben Zeit und Weise erhob sich Montenegro zu seiner Selbstständigkeit. Aber doch erst in diesem Jahrhundert kamen die Montenegriner zum ersten Male mit den Russen als Brüder und Kampfgenossen in persönliche Berührung, nämlich 1606 bei deu Greiguisscn an den Laoolw »w n.^oli^" (das ist eine wilde Gegend, unser Land?) „Ja ja", sagte ich, „Ihr könntet's wohl etwas bessern." — „'Ach, Herr", erwiderte er, „wir Montenegriner sind ein schlimmes eigensinniges Volk, wir wollen uns gar nickt bessern und immer Alles bloß wie unsere Vorväter haben." — Solche offenherzige Geständnisse und Klagen der Montenegriner über ihre eigene Nnverbesserlichkeit sollen nichts Seltenes sein. Ich bedauerte nichts mehr, als dasi ich ans Mangel an Verständniß ihrer Sprache »»ich nicht gelänsiger, als dieß durch einen Dolmetscher möglich war, mit ihncn unterreden konnte. Vlber einzelne Phrasen, die wie die vorige beinahe ganz russisch waren, verstand ich doch mit Hilfe meiner wenn auch sehr unvollkommenen Kenntniß des Russischen. — Anf dieselbe Weise begriff ich auch eine Bitte, die einer unserer montenegrinischen Begleiter gelegentlich an mich richtete. Er hatte bemerkt, daß ich mir znweilen etwas iwtirte, nnd weil er glaubte, daß ich mir alle die Namen seiner Landsleute aufschriebe, so kam er ganz frenndlich und bittend zn meinem Pferde heran und sagte mir: ,,8nli!5clltt«> mono, kos^lnwi!" (Schreiben Sie mich auch auf, Herr!). „Nun, wie EawwaS Nadomtz Kosieri. 3^9 heißt Du denn?" — „Sawwa Nadonitz Kosieri", erwiderte er. Ich schrieb dieß auf und sagte ihm, ich wolle meinen Landsleuten von ihm erzählen. Der Vorname Sawwa ist das türkische „Sabbas." Weil früher viele Montenegriner Mohammedaner waren, so haben sich von daher noch manche türkische Namen erhalten. Nadonitz war sein Familienname und „Kosicri" der Name des Dorfes oder Stammes, dem er angehörte. Die Montenegriner setzen diesen gewöhnlich dem Familiennamen hinzu, und sie befolgen also ungefähr dasselbe System bei ihrer Namengebung, wie die alten Römer bei der ihrigen. Die besagten Unbequemlichkeiten und den Umstand, daß wir auf dieser Tour nichts zu essen und zu trinken hatten, abgerechnet, war unsere Reise den ganzen Tag über außerordentlich interessant und bot uns viele sehr ungewöhnliche und prachtvolle Anblicke dar. Wir überschritten die Felsengebirge, die zwischen dem See von Scutari und dem adriatischen Meere liegen. Unser Tagewerk zersiel daher in drei Abtheilungen. Zuerst beschäftigte und erfreute uns also noch der Anblick jenes Sees, der mit seiner ganzen weiten Umgebung wieder häufig erschien, so lange wir noch an jenen Bergen emporstiegen, und so oft wir auf unseren Haltepunkten und Ruheplätzen uns nach ihm umwandten. Alsdann, als wir die Höhe erreicht hatten und der See nun hinter den obersten Kanten, die wir im Rücken ließen, verschwunden war, steckten wir einen halben Tag lang zwischen den Einschnitten, Thälern und Unebenheiten deS Plateaus, lind endlich, als wir die Küstcnkanten dieses Plateaus erreichten, eröffnete sich uns die ferne Aussicht auf das Meer Kohl, Reise in Dalmatien. I. 24 I7l) Siege der Montenegriner über Mahmud Pascha. das uns dann bis zum späten Abend, wie ich weiter unten zeigen werde, zur Seite blieb. Von dem Anblick des Sees von Scutari trennten wir nns nur ungern, und er wurde immer wieder von uns bewundert, wenn er, oft sehr unerwartet, hinter einem Berggipfel hervortrat und sich in eben der sonnigen Schönheit und Ansdehnung darstellte, in welcher wir ihn auf dem Passe Granitza gesehen hatten. Unsere Montenegriner deutete» dann und wann auf ein Thal oder auf eine Uferstelle am See hinab, wo sie den Türken eine Schlacht geliefert oder sonst irgend eine Heldenthat verrichtet hatten. So zeigten sie uns z. B. sehr deutlich das Schlachtfeld, auf welchem sie am Ende des vorigen Jahrhunderts, im Jahre 1798, den Mahmud Pascha besiegten, tödtetcn und seines Kopfes beraubten, desselben Kopfes, der als Siegestrophäc so lange anf dem Kloster-thnrme in Cetinje paradirt hat. Zwei Mal war Mah> mud Pascha mit einer großen Armec gegen die Berge Montenegros vorgedrungen, und zwei Mal wurde er von den Montenegrinern unter Anführung ihreS vorigen Wla-bika gänzlich ans's Haupt geschlagen und, wie gesagt, endlich sogar seines Hauptes beraubt. Dieß sind die beiden Siege, die noch bei jedem Montenegriner im lebhaftesten Andenken stehen, von denen das Land eigentlich seine völlige Unabhängigkeit von der Pforte datirt, die den Montenegrinern die Bewunderung von Europa erwarben, und durch die sie in der ganzen Welt bekannt wurden. Anch die türkische Festung Spur zeigten uns unsere Begleiter vou ferne, aus der einige ihrer Leute bei Nacht und Nebel den Türken eine Kanone, so zu Montenegrinischer Kanonenraub. 371 sagen, vor der Nase wegstahlen. Diese kleine Festung liegt an dem Flusse Moraksa, der, wie gesagt, mit der Rjeke in den See von Scutari fällt. Es stand auf derselben eine große Kanone, die den Montenegrinern schon lange ein Dorn im Auge gewesen war. Zuerst, sagten sie, Hütten sie ihren Weibern, denen die Türken in gewöhnlichen Zeiten nichts anhaben, und die in die benachbarten kleinen türkischen Orte oft Lcbensmittcl zum Verkauf bringen, den Auftrag gegeben, die Lage der Kanone auf dem Walle, die Stellung der türkischen Schildwachen, die bequemen Zugänge zu den Mauern n. s. w. genau auszukundschaften. Und als sie dieß Alles erfahren, hätten sich dann einige Wagehälse mit Stricken herangemacht, in der Nacht die Mauer erstiegen, die Kanone an Stricken herabgelassen, sic aufgepackt und richtig in ihre Berge geschleppt, bevor nur in der türkischen Festung sich «in Ottomane gerührt, ein Hahn gekräht oder eine ka-pitolbewachende Gans geschrieen habe. — Mir that es. leid, daß ich die Darstellung dieses kecken und kühnen Streichs, bei dem Einem, nebenher gesagt, wieder die Streiche der Griechen vor Troja einfallen, in der Zeitschrift Ausland, Decemberheft des Jahres 183ä*), damals noch nicht gelesen hatte, sonst hatte ich den Montenegrinern sagen können, daß dieser Kanonenraub**) schon in ganz Deutschland bekannt wäre, und sie hätten ') Die daselbst gegebene Erzählung weicht aber etwas von der, welche die Montenegriner uns gaben, ab. '*) Auch in der bei I. G. Cotta herausgekommenen Schilderung Montenegros ist dieser Kanonenraub mit erwähnt. 24* Z73 Wellenförmiges Hochland. sich gewiß nicht wenig darüber gewundert, daß es jetzt so viele Augen, Ohren und Hände giebt, die selbst das, was sie in ihren Verstecken ersinnen und ausführen, belauschen und aller Welt bekannt machen. Das Wetter an unserem Reisetage war wieder schön, sanft, hell und lieblich und blieb auch so, trotz den bösen Anzeichen zu dem Losbrechen eines Unwetters, die Mcbrc unter uns iu der ungewöhnlichen Warme der Luft und in einigen auf den Bergen lauernden lockeren Nebeln finden wollten. Das Land, welches wir durchstrichen, ist noch anf keiner Charte nnr annährcnd genau dargestellt worden, und ich habe daher feine rechte Vorstellung von seiner Erhabenheit, seiner Abdachung und Bildung. Unsere Kenntniß reichte nnr so weit, als unsere eigene Erfahrnng und unsere Augen reichten. Wir stiegen mehre Male hinauf und hinab, kamen über verschiedene Engpässe und .über wilde Felsenrücken und dann wieder quer durch ein unwegsames und wasserloses Thal. Da wir indeß nie mehr so hoch hinaufstiegen als gleich im ersten Anlauf von Cetinje aus, und da wir auch erst im Anblick des adriatischen Meeres bleibend abwärts gingen, so muß es im Ganzen wohl ein wellenförmiges Hochland voll Einschnitte und Löcher sein. Flüsse uud Seen oder auch Wassertümpcl haben wir auf dieser Strecke gar keine gesehen, obgleich deren anf der Landcharte mehre angegeben sind. Im Frühlinge freilich mögen hier hie nnd da Waldbäche bransen. Nur einmal bekamen wir ein wenig Wasser unterwegs; doch wurde dieses von nnseren Montenegrinern auf dem Gipfel ciues großen Felsblocks geschöpft, wo sie ein tiefes Unbewohntheit. Kleine Vnchmlialne. 3?I Loch in dein Felsen wußten, in dem sich wie in einer großen Flasche das Wasser immer sammelt und eonservirt. Am Fnße dieses Fclsblockes vereinigte sich die ganze kleine Karavane, und die Montenegriner reichten das Wasser in Ledergesäßen von oben herunter, ein Schlückchcn für jeden Mann. Es war dieß mitten in einem schönen Buchenwalde. Eben so wenig wie Nasser, haben wir auch Spuren von menschlichen Wohnungen gesehen. Es muß wohl der rauhestc und unbewohnteste Theil dieses Sennhütten-Camons sein; nicht einmal Sennhütten, Hirten- oder Troglodytenwohnungen bekamen wir auf dieser Strecke zu sehen. Nur einmal begegneten wir ein paar Leuten, die aus einem tiefen Thale heraufkamen, und man sagte uns, daß bort das Dorf oder der Stamm Bielosche*) liege. Dagegen aber war unsere heutige Reiseroute nicht so vollkommen kahl und baumleer, wie die frühere von Eattaro über Njegusch nach Ee> tinje. Die völlig kahlen Felsen-Irrgärten überwogen freilich anch hier bei Weitem; allein sie wechselten doch zuweilen mit einem hübschen Gchö'lze oder Waldstückchen ab. Es waren, so viel ich bemerkt habe, durchweg kleine Bnchcnhame. Und da das Laub der Bänme äußerst frisch und hellgrün war, so machten diese Haine einen sehr lieblichen Eindruck. Unter den Bäumen wuchsen viele Favrenkränter, welche die Montenegriner „Papra-tina" nennen nnd deren große Blätter sie theils zum Füllen ihrer Bettkisscn brauchen, indem sie dabei den *) So schienen dir Leute ;n sprechen. Andere Autoren nennen diesen Stamm Bilosse over Viewce. 37^ Sage von der Ontslehnng der Steine in Montenegro. mittleren große» Blattstiel herausnehmen, theils zum Decken ihrer Häuser benutzen, indem sie dann jenen Blattstiel darin lassen.- Es war mir merkwürdig genug, daß die Montenegriner von der Entstehung der vielen Steine in ihrem Lande ganz dieselbe Mythe erfunden haben, wie die Dänen von einem gewissen Gerölldamm auf eiucr ihrer Inseln, und wie auch noch andere Völker von ihren Bergen. Als der Werkmeister der Welt, sagen die Montenegriner, umherging, die Welt zu erbaueu, und mit feinem großen Sack voll Bausteine durch Montenegro kam, da erhielt dieser Sack ein Loch, und da er es nicht gleich bemerkte, so entschlüpfte ihm hier eine so große Masse seiner Steine, daß sie nnn das ganze Land bedecken. W ist wirklich wunderbar, wie sich ganz dieselben Sagen durchaus mit denselben Ideen nicht nur, sondern auch mit denselben Nebenumständen und mit Anwendung derselben Bilder und Vergleiche wieder erzeugen. „Ja, wir haben sehr viele Steine in unserem Landc", hatte einer der Montenegriner in der poetischen Weise dieses Volkes zu einem unserer Reisegefährten gesagt, „sehr viele höchst unnütze Steine; dazu haben wir aber vom Schicksale einen kleinen sehr kostbaren Stein, der für uus eine wahre Pretiose, ein unschätzbarer Edelstein ist, erhalten". Diese Aeußerung ging unter uns von Munde zu Munde herum, nnd wir unterhielten uns darüber, auf welche „Pretiose" der Montenegriner wohl damit habe anspielen wollen. Einige meinten, er habe den Wladika damit gemeint nnd auf den hohen Werth, den dieser Mann für die Montenegriner habe, hindeuten wollen. Andere Poetische Ausdrucksweise der Montenegriner. 375 setzten auseinander, er habe die Freiheit und Selbststän-digkeit des Volkes selbst gemeint, die ihnen über Alles ginge. Andere wiederum meinten, er habe bloß den kleinen Feuerstein dabei im Sinne gehabt, der den Montenegrinern am Gewehre sitzt, und an dessen brillirenden Funken ihrc Freiheit sich alle Tage von Neuem entzündet, und durch den sie ihre Selbständigkeit und alle ihre Habe schützen uud wahren. — Mir wollte diese letztere Ansicht am natürlichsten scheinen, obgleich sich dieses Volk sonst selbst im alltäglichen Leben sehr in poetischen Vergleichen, wie sie bei der Eupponirung des Wladika oder der Freiheit an der Stelle eines Edelsteines vorauszusetzen wäre, gefällt. Selbst bei gewöhnlichen Ereignissen sollen die Montenegriner sich znweilen einem ganz poetischen und pathetischen Nedcftnge überlassen, und selbst ihre diplomatischen Schreiben an die östreichischen Behörden sollen zuweilen sehr blumig stylisirt sein. Soll darin zum Beispiel gesagt werden: „morgen früh wollen wir einen Burschen an den Commandanten von Spur senden", so heißt es statt dessen: „Kaum wird morgen in der goldenen Frühe die Sonne unseren nackten Bergen den ersten rosigen Kuß aufgedrückt haben, so wird unser Bote bereit sein, zu dem im weißen Spur comman-direnden Helden ^u enteilen". Oder wenn sie schreiben wollen: „heute Abend werden wir Euch erwarten", so sagen sie statt dessen etwa: „von dem Augenblicke an, wo die durstige Sonne nach heißer Tagesarbeit ihr rosiges slntliy im Meere zu baden beginnt, wird unser Herz Eurer Ankunft entgcgenschlagen". Unterwegs machte ich die Entdeckung, daß der Führer meines Maulesels aus der Tschcrniska Nahia stamme, 376 Die TschcrniM Nahia. eben dem Cantone, an dessen Gränzen vor einigen Tagen jener türfische Veg oder Gutsbesitzer überfallen worden war. Diese Tscherniska Nahia liegt eben gegen den See von Ecntari hin, sie nmgiebt fast das ganze Nordwestende desselben, so weit die Montenegriner seine Ufer besitzen, und hat von allen montenegrinischen Nahjen die ausgedehnteste Gränze mit türkisch Albanien, wo eben, wie ich oben sagte, die Größe des Landes am unbe^ stimmtesten ist, die Berührungspunkte und Streitigkeiten am verwickeltsten sind, und wo daher die Raufereien und Ueberfälle gar nicht aufhören. Die Stämme oder Dörfer der Tscherniska führen diese Streitigkeiten auf eigene Hand und ohne dabei den Wladika oder die oberste Regierung des Landes zn Nathe zn ziehen. Gewöhnlich sind es nur Fehden und Blutrache-Angelegenheiten von Familie gegen Familie, oder von Dorf zn Dorf, um die sich dann, wie bei uns bei Privat-Familim-Processen und Gemeindestreitigkciten, die anderen Dörfer und Familien gar nicht bekümmern. Auch fällt es den Türken oder dem Pascha von Scutari nicht ein, wegen jeder Gcbiets-verlehung oder wegen jeder montenegrinischen kleineuTschete gleich den Wladika selbst auf diplomatischem Wege zur Rechenschaft zu ziehen oder dafür verantwortlich zu machen, wie es etwa bei uns geschehen würde, wo gleich das ganze Königreich Preußen sich regt, wenn zwei Schweizer-Soldaten unbefugter Weise preußisches Territorium betteten haben. Der Wladika kann kmlesweges alle seine Leute im Zaume halten, und eben so wenig kann es der Pascha von Scutari, wie auch die Kaiser und Könige des Mittclalters nicht alle ihre Vasallen und Ritter im Zaume halten konnten. Türkische und montenegrinische Fehden und Streitigkeiten der Tschernisker mit den Türken. 377 Unterthanen scharmutziren und raufen sich daher tagtäglich an den Gränzen, treiben sich die Hecrden weg, stecken ihre Dörfer in Brand, schneiden sich gegenseitig die Köpfe ab, auch wenn zwischen dem Wladika und dein Pascha von Scutari in: Allgemeinen tiefer Friede herrscht. Nur zuweilen werden diese Fehden so bedeutend, daß alle Bewohner des Cantons Tscherniska, der nicht weniger als 3900 Gewehre stellen kann, sich dabei bctheiligen. Dann geräth der ganze Canton mit den Türken in Krieg. Da regen sich allerdings auch schon der Wladika und der Pascha von Scutari, suchen zn helfen oder zu beschwichtigen, aber es ist darum noch nicht gewiß, daß deßwegen auch gleich Krieg mit ganz Montenegro sein müsse. Wir forderten unseren Tschemisker auf, uns zu erzählen, wie es nach seinem Hören und Wissen bei jener letzten Heldenthat seiner Landsleute hergegangen sei, und er erzählte uns denn ohne viel Pathos und Poesie die Geschichte sehr kurz, wie etwa ein Bauer bei uns eine Wirthshausprügelei erzählen würde. Der türkische Veg, sagte er, habe schon viel Böses gegen die Tschernisker verbrochen, und diese hätten ihm seit lange den Untergang geschworen. Da sie nun eben jetzt gehört, daß er auf einem kleinen Landgnte in der Nachbarschaft ihrer Gränzen gegenwärtig sei, wo er seine mit der Ernte beschMgten Leute überwache, st> hatten sich ihrer ein Dutzend zusammengethan nnd von Weitem das Thun und Treiben des Begs ausspionirt. Eines Tages, als sie erkuudfchaftet, wie er in seinem Hause beim Mahle sitze und seine Leute im Felde schliefen, wären sie plötzlich hervorgebrochen, hätten ihn, den mit Speisen uud H78 Ueberfall und Ermordung eines türkischen Veg. Wein Gefüllten, überfallen und ihm in seinem eigenen Hause unter seinem Mittagstischr den Kopf abgeschnitten. Da sie in großer Ueberzahl gewesen, so wäre ihnen dieß sehr leicht geworden, nnd mit dem Kopfe hattm sie sich dann auf Schleichwegen wieder davon gemacht. — Eo klang diese Geschickte im Munde meines einfachen Maul-eseltreibers. Viele der sogenannten montenegrinischen Heldenthaten klingen anf dieselbe Weise weit mehr men-chelmörderisch als heroisch. Aber wenn nachher ein ^ied darauf gemacht wird, so bekommt das Ganze einen äußerst pathetischen Anstrich. In diesen ihren Liedern, so wie auch in den gewöhnlichen Unterredungen, preisen die Montenegriner die listigen oder hinterlistigen Streiche, die sie ausführten, fast eben so hoch wie ihre mnthvollen Thaten. Man denkt dabei wieder an Homer und seinen Ulysses. — Oestreichische Offiziere, welche die Montenegriner tagtäglich in der Nähe zu beobachten hatten, drückten mir wohl zuweilen ihre Zweifel darüber aus, ob man sie überhaupt als ein hcldenlnüthiges Volk bezeichnen könnte. Gewiß ist es wohl, baß diejenigen Autoren sich irren, welche geneigt scheinen, die M)Ml> Montenegriner sammt und sonders für geborene Heroen zu nehmen und wie lauter Hector und Achilles zu verherrlichen. Ich glaube wohl, baß viel Heldenmüthiges dabei ist, was besonders dann zu Tage kommt, wenn ihr gefammtcs Vaterland bei einem drohenden Türkenkriege in Gefahr schwebt. Allein es ist sicherlich auch viel Raubgesindel, Meuchelmördern und pnre Beutelust darunter. Es sind nicht lauter Löwen bei ihnen, mehr Wölfe und Füchse, die in Verstecken umher schleichen, die sich aber allerdings im Falle der Noth dann auch tüchtig ihrer Haut wehren. Manche Die Mcmtcncgrincr in den Helbcnlicdcrn und der Wirklichkeit. 379 von ihren in den Liedern besungenen Türkenkampfen sollen, des poetischen Schmucke entkleidet, etwa folgendermaßen aussehen: Ein paar hundert Montenegriner sind hinter Felsen und Gesträuchen versteckt, nnd eben so ihnen gegenüber ein paar hundert Türken. Sie wissen dabei so gut ihre Köpfe zu wahren, daß sie auf diese Welse oft Tage lang anf einander schießen, ohne daß irgend Einem eben groß Harm geschieht. Sie sind, wie ich schon sagte, uiit den Felsen ihres Vaterlandes ganz verwachsen nnd müssen immer, wenn sie recht tapfer feuern sollen, irgend eine Schutzwchr, wenn auch nur ein paar zusammengelegte Feldsteine, vor sich haben. (5s ist bekannt genng, daß dasselbe von fast allen slavischen Bergvölkern der europäischen Türkei gilt, die hinter Gemäuer äußerst tapfer sind, weniger in freiem offenen Felde, welches ihnen etwas ganz Ungewohntes ist. Auch in der östreichischen Armee, so hat man mir oft gesagt, sind die slavischen Regimenter in der Schlachtlinie oder zum freien Angriff bei Erstürmung von Schanzen, Qnarws oder Festungen weniger erfolgreich zu gebrauchen als die deutschen Kerntruppen. Selbst im letzten italienischen Kriege soll sich dieß mehre Male gezeigt haben. — Wie die Montenegriner gegen ihre türkischen Feinde hausig eben so wie die Vravos an den Straßenecken Venedigs verfahren, lernt man recht gnt ans ihren biedern, so z. B. aus dem nnten citirten: „die Tscheruogorzin/' wo die Heldin des Liedes, die in türkischem Gewände durch das Land reitet, nm in der Türkei ihren Mann zu rächen, es für nöthig hält, bei jedem Felsen auszurufen: „Wenn hier ein tscherno-gorzischer Bruder (Bravo) im Versteck liegt, tödtet mich nicht, ich bin kein Türke, ich bin ein Kind von T scher- HM Dic Montenegrin«- in dcn Hcldciillcd«ü nnd drr OirNichfrit, nogora!" u. s. w. — Ich bin nichts weniger als ein Neider der Lorbeeren der Montenegriner, und ich will keineswegs ihren Ruhm schmälern, sondern unr die Sachen so darstellen, wie sie sich in der Natur verhalten, oder wie sie mir nach Anhörung der verschiedenen Urtheile vorgekommen sind. — Aber die falschen Lorbeeren muß man ausreißen, mit denen einige allznschwnnghafte Schrift' steiler den Montenegrinern das Haupt bekränzt haben, wie z. B. der sonst so achtbare Cyprian Robert, der sein Capitel über die Geschichte Montenegros mit folgendem Satze beginnt: „Die Geschichte Montenegros ist ein langes Heldengedicht, das von drei Jahrhunderten her anhebt, und zu welchem jeder nene Kampf ein neues ruhmreiches Blatt liefert. Dieses noch ungestaltete, aber immer reizender sich entfaltende Epos ist nichts Anderes als der Inbegriff der tsckernogorzischen Volkslieder." — Das nene „Blatt", das der allcrneueste Kampf jenem „Hel-dengedichte" hinzugefügt hatte, und daS hier vor uns lag, schien nnn eben so ruhmreich nicht. Und ob die Montenegriner selbst dabei nicht etwas lächeln möchten, wenn Einer ihre Geschichte ein „immer reizender sich eitt^ faltendes Epos" nennt? Viel gewöhnlicher ist es bloß ein sehr blutgieriger und barbarischer Kampf um die Eristeuz, so zu sagen ein sehr bitteres und leioenvolles Ringen um das tägliche Brot, eine Rauferei um den Besitz cincs Schafs oder eines Stucks Rindvieh. Solcher Verherrlichungen des Mars, besonders da, wo er scinc häßlichste Physiognomie zeigt, sollten sich doch unsere civi^ lisirten Autoren enthalten. Es liegt darin eine Beleidigung der Cultur und Gesittung und der Göttin des Friedens, der Pflegerin aller Künste. — So lange wir „RawninllS". 38 j Schriftsteller noch so kriegerisch gesinnt sind, werden die Frankfurter Friedcnseongresse viel Mühe haben, mit ihren Ansichten durchzudringen. -^ Sehr nnbedachtsamcr und fast etwas komischer Weise setzt Cyprian Robert jener pomphaften Phrase gleich Folgendes hinzu: „Diese Gesänge, denen der alten Rhapsoden ähnlich, sind oft von den Helden, die sie feiern, selbst versaßt." Nenn dieß der Fall ist, dann erklärt sich allerdings das „Epische" und „Ruhmreiche" und „Reizende" bei der Sache sehr leicht. Es wurde sich aber von diesem nicht so viel vorfinden in den prosaischen Berichten, welche etwa die wohlhabenden Bewohner der Looobo cli OiMai-o oder die Albanesen des Secs von Scntari über eine montenegrinische Tschete, von der sie wie von einem Blitze, oder wie von dem Biß einer Schlange im Grase getroffen wurden, machen möchten. Das letzte Thal, das wir vor unserer Ankunft anf dem hohen Küstenrande des Plateaus in der Quere durchschnitten, war das breiteste. (5s kamen darin auch sogar einzelne Grassieckchen mit weicher Erde, kleine „Raw-ninas" (von l-inno, d. h. eben), wie die Montenegriner sie nannten, vor. Und obgleich sie meistens nur W bis 50 Schritt im Durchmesser hatten, so war es doch immer ein ganz besonderes kleines Ertravergnügen, nach dieser beständigen Knnstreiterei in den Felsen über das sanfte Gras ganz geläufig und natürlich dahin zn traben. Ich erinnere mich, welches Behagen es in Rnßland bereitet, wenn man nach siebenmonatlichem Einhcrspazieren auf hartgefrorenem Boden und Eise endlich im Frühling wieder ein paar schwarze schncelose Bod«nstellen entdeckt und auf das liebe weiche Erdreich treten kann. 382 Monte Colorun. Dasselbe Behagen empfindet ein Reisender in Montenegro und Dalmatien, wenn er statt der Felsen endlich ein Stückchen Land unter den Füßen fühlt. Der Einschnitt, dem nnn nnsere kleine Karavane zuzog, war von anßen her mit dichten Nebeln verstopft, die uns die Annäherung des Meeres verkündigten. Wir traten nur mit Widerstreben in dieß Nebelloch ein, und als wir durch den Engpaß hindurch kamen uud auf die andere Seite, den östlichen Abhang des montenegrinischen Plateaus, hinaustraten, wo mau uns eine so schöne Aussicht versprochen hatte, da verloren sich auch unsere Blicke in ein wege- und fernrnloses Nebelmeer, das vor uns Alles verdeckte. Das Gebirge, aus dem wir uns jetzt befanden, heißt Monte Colorun, von dem uuch ein kleiner Fluß gleiches Namens herunterkommt. Der Colorun ist ein Abschnitt des hohen Randgebirges des montenegrinischen Plateaus, und es hat also gegen Westen, gegen die Adria zu, einen sehr hohen und schroffen Abfall, der, vom Meere aus gesehen, einer fortlaufenden Riesen-mauer gleicht. Nach Westen aber, gegen das Innere des Landes, hat es nur einen sehr kurzen Abhang, der, wie ich schon oben andeutete, sehr bald mit der Masse der Hochebene verschmitzt. Wir befanden uns hier in der Nähe eines der Haupteinschnitte jener Mauer, die hier so zu sagen einen Knick hat oder einen Winkel bildet, einen Winkel, mit dem auch an der Meeresküste, wo ein Wasserbusen ins Land eindringt, ein Userwintel correspondirt. Im Innern dieses Winkels erniedrigt sich zugleich die Hebungsinasse etwas, es stießt ein kleines Gewässer daraus zum Meere hervor, und es führen Berg- Der Paß von Stanjcwitsch. IßZ wege von der Küste her dahin empor. Gs ist hier eines der Haupteingangsthore zu der großen Gebirgsfestung Montenegro, ein ähnliches wie das oberhalb Cattaro am Monte Sella, wo wir hineingekommen waren. In der Mitte dieses Canals oder Passes liegt ans einem Berggipfel, der aber, von den hohen Seitenwändcn aus gesehen, sehr ticf zu liegen scheint, das Kloster Stanje-witsch, das als befestigter Punkt zugleich diesen Eingang schützt und hütet. Der Besitz dieses Klosters hat früher zwischen den Montenegrinern und Vcnetianern oft gewechselt, und eine Zeit lang hat der vorige Wladika hier sogar residirt. Jetzt gehört dieser Punkt den Oest-reichcrn, die ihn befestigt, dahin eine kleine Garnison verlegt und von Fort St. Triniti» her eine sogenannte Chaussee hinaufgebaut haben. Man könnte die ganze beschriebene Situation füglich den Paß von Stanjewitsch nennen. Doch finde ich ihn auf einer Specialkarte von östreichisch Albanien als „Monte Giur-gewo Sdnelo" bezeichnet. Als wir unsere Montenegriner fragten, wie sie den Paß, in dem wir uns befänden, nennten, sagten sie, er heiße „Wratno Sdnelo"*). Aber ich weiß nicht, ob sie das Ganze so bezeichneten oder nur den kleineu hohen Ncbencinschnitt, über den wir hinübergingcn. „Edrielo" heißt, wie ich schon gesagt habe, im Montenegrinischen überhaupt Bergpaß. Dieß Alles erkannten wir einstweilen nur mit Hilfe unserer kleinen Charte und der uns von den Leuten ge- *) In der Uebersetzung der Schilderung der Ncise des Königs von Sachsen von Biasolettt' steht statt Sdrielo immer Sbrilk', «nd statt Giurgewo Sdnclo: Giurgero Sdrillo, Beides fälschlich. 384 ,.Das Meer! das Mecr!" machten Beschreibungen. Denn wir saßen, wie gesagt, mitten in scheinbar undurchdringlichem Wolkeuncbel auf den Felsenblöcken und den hohen Salveigebüschen, die hier ans allen Spalten hcrvordufteten, umher, wie Wach-telhühner. Aber selten wurde hier wohl ein deutscher Reisender durch ein schönes Naturschausftiel angenehmer überrascht als wir auf dem Wratno Sdrielo. Kaum nämlich hatten wir gegen Westen in die Wolken stierend dagesessen, als auf einmal die Nebel sich etwas zu lüften und die Sonnenstrahlen durchzubrechen begannen. Wir sahen es in der Ferne schimmern, die grane Farbe unter uns wurde bläulich, blauer und endlich tief dunkelblau, und noch halb unsicher rief Einer von uns: „das Meer? das Meer!" Es war so. Wir erkannten bald deutlich die gekrümmte Linie des entlegenen Horizonts, auch zeigte sich ein kleines Segel, das, bevor unsere Augen sich gewöhnt hatten, fast noch in den Wolken zu schweben schien. Es dauerte gar nicht lange, so trat auch die Küste in bestimmter Zeichnung scharf hervor. Ein sanfter Zephyr wickelte in wenigen Minuten den lockeren Vorhang auf, und der ganze südlichste Theil des kleinen östreichischen Albaniens lag bis zu seiner äußersten Spitze bei Fort Lastua in einem reizenden Bilde vor uns. Wir sahen uns nun ans einmal auf einem hohen Gebirge da sitzen, wie Noah auf dem Arrarat, als die Fluch sich aus den vorliegenden Thälern herabsenkte. Wie hoch wir hier sein mochten, weiß ich nicht genau, aber ich glaube doch wenigstens 4500 bis 5000 Fuß über dem Meere; denn wir hatten von hier einen fünf Stuuden laugen Weg bis nach Cattaro von Bergstraße Die Paftrovichianer. 385 zu Bergstraße, von Abschnitt zn Abschnitt, von Thal zu Thal hinabzureiteu. — Das Kloster Stanjewitfch lag uns zur Seite, und wir sahen es, obgleich es eine hohe Bergfestung ist, in dem Vergdurchbruchc tief unter uns. Zur Linken zog sich der lange, von den Pastrovichianem bewohnte Küstenstrich hin. Man zeigte uns dort die Halbinsel und das Fort Stefano, und noch weiter hinaus deu Punkt, wo Lastua liegen sollte, das südlichste Städtchen der östreichischen Monarchie, in welchem ein l. k. ^ieutnant deu äußersten Vorposten des deutschen Culturstaates commaudirt. Sein nächster Nachbar nach Süden ist der türkische Commandant von Antivari, woselbst sich auch ein katholischer Bischof besiudet. Dieser Bischof von Antivari sei, so erzählte man mir, jetzt zufälligerweise cm Deutscher, und zwar ein Preuße. Er soll zuweilen nach Lastua und Budua herüberkommen, uni ein wenig mit dem östreichischen Offiziere zu eon-verstren. — In alten Zeiten hat iu diesen entlegenen Gegenden auch einmal ein deutscher Kaiser, nämlich der Kaiser Sigismund, Kriege geführt, und die Pastrovichianer, welche für ihre tapferen Dienste, die sie bei dieser Gelegenheit leisteten, Belobungen und Privilegien von diesem Kaiser erhielten, sollen den deutschen Kaiser Sigismuud noch heutiges Tages in sehr gutem Andenken halten, sowie sie auch noch heutiges Tages ein sehr schöner, sehr tapferer und balbwilder Slavenstamm sind. Sie fürchten sich, so sagte man uns, weder vor den Montenegrinern, noch vor den Türken, nnd mit den ersteren, mit denen sie längs des Küstengebirges hin zusammengränzcn, haben sie beständige Raufereien. Sie lassen sich nichts von ihnen gefallen, vergelten icdes erlittene Unrecht mit Feuer Kohl. Nciic iu Dalm.Uin,. I, 25 38tj „Lc ti-c Commune." und Schwert und rächen jede Verletzung, welche ihnen oder ihren Heerdell oder ihren Weiden von Seiten der Montenegriner zu Theil wurde. Diese Paitrovichiauer gebieten AlleS in Allem über tausend Gewehre. Ihr Land, der kleine Küstensaum, den sie bewohnen, heißt slavisch „Pastrowitsch"*) oder italiemsirt: il I^^l-l-nvioliio. Gerade vor uns in kürzester Linie nach dem Meere zu lagen andere kleine Districte oder Stamme und Dörfer, die sogenannten drei Communen, ,,!c ts<' l!l>mmnlio**) Uokoin, Ül-«iodi und ^ll>ini.^ Die Vewohner von Maini heißen auch hier Mainoten, eben so wie die anderen berühmten Mai no ten in Gricchcnland, und hinter jedem dieser Namen stecken eiü paar hundert scharfgeladene Gewehre und ein paar dnndert kriegerische Männer, die sich eben so frei und tüchtig gebahrcn, wie die Manwten im ehemaligen Sparta, wie die Pastrovichianer und Montenegriner. Ueber die Maini hinaus, vom Meer umspült, auf der Spitze einer kleinen Halbinsel sahen wir, ganz deutlich und hübsch von der Sonne beschienen, das Städtchen Budua, das schon zu den Nömcrzeiten eristirt und vuwtt geheißen haben soll. Man oenkt dabei an Buda, ') Auch in ehemals von Elavcn bcwohntcn Ge>Mdcn Dcutscl'-laii^S toimnt der Name „Pastr>.'witsch" vor, so ^. A. gi^bt es mitten in Sachsen ein Rittergut und Dorf Pastcrwitz. ") Die Venetianer haben oft die von halb unabhängigen Stämmen bewohnten Gränzdistrittc ihvc^ (Gebietes nach der Anzahl der daiin enthaltenen, Communen genannt. Man denke nnr an die ,,8«ttc> s'.o,I,»,!,,,«'" der Deutschen l'ei ^icen^a, an die „Il'eäeoi Comnu,,,,'" der Deutschen bei Verona u. s. w. Bubua. I87 den slavischen Namen von Ofen in Ungarn, und da Vudua oder Buda auch sonst in der slavischen Welt noch oft als Ortsname vorkommt und überhaupt eiu acht slavisches Wort ist, so sollte man denken, das, schon zu den Nömerzeiteu an dieser illyrischen Küste Slaven gewohnt haben müßten. Hier im Lande selbst bezweifelt dieß auch Niemand, obgleich wir Anderen die Slaven immer erst iM Jahre nach Christo bier einwandern lassen. Ich hatte später das Vergnügen, die Bekanntschaft eines östreichischen Offiziers zu machen, der mehre Jahre lang in diesem Bndua commandirt hatte, nnd der mir eine Menge hübscher und für die Charakteristik dieser slavischen Stämme sehr interessanter Erfahrungen nnd Geschichten mittheilte, beider sind meinem abschenlichen Gedächtniß die meisten dieser Mittheilungen wieder entschlüpft. Aber wenigstens einige habe ich behalten, nnd ich will sie, da wir noch hier oben im dnftenden Salvei so hübsch sitzen nnd das Städtchen Budna so freundlich vor uns liegt, meinem Leser wiedererzählen. (5r muß dabei zuvor wissen, daß die östreichischen Militär-Commandanten dieser entlegenen Städte sehr viele Vollmachten in sich vereinigen nnd so ziemlich Alles in Allem sind, Militär- und Civilchcfs, Magistrate, Polizeidirectorm und Richter, ungefähr eben so wie die ehemaligen venetia-nischen Proveditoren, und sind sie dieß nicht von Haus aus durch die Anordnung der Regierung, so sind sie es doch in den Angeu dieses Volks, welches noch nicht gewohnt ist, die verschiedenartigen Branchen und Ansstüsse der obersten Gewalt zu sondern, und überall nur einen Gewallhaber als Vertheilet alles Gnten nnd Vosen er- 25* 388 Dic Militärconnnandantcn im our^ichlsch^n Alb^in^n. blicken will. Zur venetianischen Zeit wußteu daher diese slavischen Stämme hier wenig oder nichts von der Republik oder dcm Senate vvn Venedig, sondern bloß voll dem Dogen, den sie den ,,p,-m<-i,i,'n Slipon cnis Dalmatian, I90 Die Buduanl'r und das vermauerte Stadtthor. jenes Versprechen zu erfüllen; der General möge dieß nun entscheiden und sie vor den Zudringlichkeiten des besagten Mannes schützen. — Man sieht hieraus, wie die östreichischen Offiziere hier auf Entscheidung von verwickelten Rechtsfällen gefaßt sein müssen, über die sie sich nicht einmal im dicken ^orpul, .lui-iz Nnmimi Raths erholen können. Daß der in dieser Angelegenheit figurirende Mann schon jetzt auf die geistige Vollziehung der Ehe und auf die ftriesterliche Einsegnnng und Verlobung drang, darf den Leser nicht wundern, denn die Leute dieser Gegenden, die Montenegriner sowohl als die Bocchesen, versprechen, und verloben ihre Kinder schon im zartesten Alter, oft bereits in der Wiege, ja schon, wie man sagt, nn Mutterleibe, wobei denn allerdings die Bedingung gemacht wird, daß das zu hoffende Kind vom passenden Geschlechte sei. In Budua ist außer dem neuen und stets offenen Stadtthore noch ein altes, das, ich glaube, nach der See bequem hinabführt, das aber schon seit langer Zeit vermauert ist, vermuthlich, weil man von daher leicht schmuggeln konnte. Die Leute von Budua, die wie alle hiesigen Slaven in Sachen ihres Privatinteresses ein unverwüstliches Gedächtniß haben, batten dieß alte venetianische Thor immer im Sinn und hätten es gar zu gern wieder geöffnet gehabt. Daran war jedoch bis 1848 nicht zn denken, slls aber damals die Dinge in der ganzen Welt wie bei einem allgemeinen Erdbeben schwankten und alle Voller ihre Errungenschaften machten, da hätten auch die Leute von Pudua gern etwas „errungen." Ihr Commandant hatte nur wenige Truppen, auf der obersten Spitze des Forts nur einc Kanone, und Die Vuduaner und das vermauerte Stadtthor. IFj da fiel ihnen gleich das alte vermauerte Stadtthor eil«. Sie thaten sich daher zusammen und beschlossen unter sich, dieß Thor müsse wieder geöffnet werdc», und sie wollten deßwegen eine im Nothfall etwas trotzige Deputation an den Commandanten schicken, was sie auch thaten. Sie stellten dem Commandanten vor, daß es »och schön wäre, wenn das alte Thor an der See wieder geöffnet würde, die Stadtbewohner wären doch mit dem einen Thore viel zu sehr gcnirt; man könne gar nicht bequem aus- und eingehen, auch wäre es so ungesund, wenn nicht einmal ein Zugwind durch die Stadt blasen könne von einem Thore zum anderen, und was dergleichen mehr war. Sie sagten Alles, nur nicht die eigentliche geheime sie treibende Ursache. Der Commandant aber, der bald ihren Plan durchblickte, blieb ganz wider ihr Erwarten fest und erwiderte, daß aus ganz unabweislichen militärischen Bedürfnissen und Rücksichten das Thor unweigerlich geschlossen bleiben müsse, und dabei ließ er ihnen nicht undeutlich merken, daß er wohl verstehe, warum sie eigentlich das Thor geöffnet haben möchten, und that ihnen, indem er auf seine Kanone oben auf dein Castell hindeutete, unverhohlen knnd, daß er ihnen, wenn etwa Jemand in der Stadt sich unterstehen sollte, einen Stein an dem Thore zu verrücken, ganz eutschicden Gewalt entgegensetzen würde. Cr zeigte sich so fest und unerbittlich, daß die Deputation, welche anfangs eine ziemlich lecke Miene angenommen hatte, zuletzt ganz klein-müthig und völlig einsylbig ward. Verdutzt und stumm blickte der Cine rechts und der Andere links, und endlich sagte der Sprecher und Rädelsführer der kleinen Versammlung, indem er hörbar aufseufzte: „Aber Väterchen, Z9I Naivetät dcr Piistrl'vichianer, Du willst uns auch gar nichts zugestehen!" — Wenn man bedenkt, daß bei diesem Seufzer etwa dieß zu suppliren war: „Nicht einmal so cm Bißchen Schmuggel sollen wir als unsere Errungenschaft betrachten dürfen?" so wird man die ganze Naivetät dieser Lente begreifen, die ihre Obrigkeit auch dann recht väterlich finden und als gnädig zum Himmel erheben, wenn sie ihnen etwas Unrechtes zu thun gestattet, und die nicht glauben wollen, daß der ihrer Stadt vorgesetzte Commandant sich nach gewissen für das ganze große Kaiserreich gegebenen Vorschriften richten muß. — Die Aeußerung jener Leute ist uicht nnr ächt buduensisch oder pastrovichianisch, sonoern überhaupt ganz in dem Charakter und der Denkweise der Slaven, sowie denn nicht bloß die im östreichischen Albanien commandiren-den Offiziere, sondern auch der Wladika von Montenegro und vermuthlich cbeuso die Paschas von Bosnien und der Herzegowina ganz mit ähnlichen Angelegenheiten behelligt werden. Auch in Nußland sucht Jedermann, selbst der gemeine Bauer, wenn er nur kann, znm Oeneralgouver-ueur oder zum Kaiser zu gelangen, um ähnliche Gewissens- oder Vertrauensangelegenheiten oder Sorgen und Nöthe vorzutragen, indem er die gan; bestimmte Hossnnng hat, daß Der ihnen helfen kann und null. So viel von Vildna, das wir selber nicht erreichten. Reckts von unserem Standpunkte dehnten sich die vier Grafschaften der Shupfta ans, nnd zu diesen wandten w!r uns nun, einstweilen noch auf montenegrinischem Gebiete, auf einem langen Bergwcge hinab. Das Heruntersteigen legte uns Anfangs noch dieselben Geduldsproben auf, wie die Wege, die wir zurückgelegt hatten. Zunächst Geduldsproben. 393 schien es sogar noch schlimmer werde» zu wollen. Wir mußten überall über die Köpfe des Bergrückens, über diese zahllosen Zinnen der Manern der montenegrinischen Natnrftstung hinwegklettern und zwischen den Klüften, Riffen nnd Nissen uns hindurcharbeiten. Wir saßen dabei natürlich wieder ab, und Mann und Roß halfen sich ein Jedes so gut, als es konnte, für sich selbst. — Die östreichischen Offiziere, welche ihre eigenen Pfcrdchen ritten, konnten oft nicht ohne inniges Erbarmen anf die armen Thiere zurückblicken, wenn sie zwischen den Felsen eingekeilt steckten, wie Lämmer zwischen Dornen, und nicht aus und ein wußten, und klettern zuweilen zurück, um ihnen zu Hilft zu springen. Ich hatte ein Maulthier, das im Ganzen sehr fest und sicher ging und überhaupt sehr vorsichtig und klug einherschritt. Ich bemerkte selbst mehre Mal, wie es vor einem schlimmen Zacken einen Augenblick stille stand und mit dem Kopfe hin-und herschwanktc, als wolle es sich umschauen, wo es am beßten dabei vorüber kommen könne. Auch habe ich wohl erzählen hören, daß die Maulthiere und Pferde dieser Gegend, wenn sie sich auf unsicherem Wege wissen, zuweilen erst mit den Füßen probiren, ob der Stein, auf den sie treleu sollen, auch wackelt, und dann, wenn sie dieß merken, das Bein wieder zurückzieheu. Im Iicbrigm bereitete mir mein Maulthier uoch Aerger genug. Ich konnte es nicht ordentlich regieren, weil es statt eines Zügels nur einen Halfterstrick um's Maul geschlungen hatte, und zu meinem Kummer hatte es die Passion, immer hart an der abschüssigen Seite des Weges hin zu mar-schiren, und wenn es eine Krümmung im Wege gab, so rannte es gewöhnlich geradeswegs aufdieAbgründe zu. Ich I<)4 Das Nuftn dcr Oebirgol'l'wohinr. fing dann an, an dem Stricke zu rucken und zu zerren, doch wurde dieß gewöhnlich mißverstanden, nnd ich hatte dann so viel Furcht, mit ihm in die Tiefe hinabzufahren, daß ich noch hentc nicht begreife, wie es nicht geschcben ist. Es ist wohl sehr natürlich, daß die Leute in allen Gebirgsländern, wo sie auf so unbequemen Wegen zu einander gelangen, lieber ihre mächtige Stimme als ihre Beine gebrauchen, um die Botschaften zu bestellen, die sie auszurichten haben. Unsere Ebenen-Bewohner, wenn sie etwas mit einander abzumachen haben, treten bei ihren Zwiegesprächen Mund an Mund einander gegenüber und unterhalten sich leise. Die Gebirgsbewohner aber finden es bequemer über die Felsenabgründe hinüber oder vom Thalgrunde auf die Berggipfel hinauf von ferne mit einander zu communiciren. So haben unsere Alpen^ lnrtcn das Jodeln, die Jauchzer und d>e lauten Doppel-gesällge erfunden, mit denen sie sich von Weitem begrüßen. — In Montenegro aber, so wie in ganz Dalmatien und vermuthlich auch in Bosnien nnd den Nachbarländern, sind die lauten Zwiegespräche — Zwirgc schreie müßte mcu: sagen, — noch viel häufiger. — Der Reisende ist in diesen Bändern, so zn sagen, fast immer von einem Gesumme unheimlicher Stimmen umgeben. Es tönt vom Thale herauf, von den Bergen herab, aus der Nähe und aus der Ferne. — Die Leute nehmen dabei einen ganz eigenthümlichen Ton der Stimme an, von 'dem sie er-fahrungsmäßjg wissen, daß er am weitesten in die Ferne dringt. Im Lande selbst versuchten wir wohl, ihn nach-zuahmen. Auf dem Papier läßt er sich aber schwer besclneiben. Es ist kein grelles Jauchzen und Jodeln, Zwil'geschreie der Hirte». 395 wie bei unseren Tyrolern, es ist anck keine Bauchrednern, aber etwas zwischen Beidem und läßt sich am beßten als ein dumpfes Geheul beschreiben, wobei die Worte lang gedehnt wcrden, und bat in Montenegro wie in Dal mcttien und überall ganz dieselbe Weise oder Physiognomie. Wer es ein paar Mal gehört hat, vergißt es nicht wieder. Selbst wenn man einem der Schreier nahe steht, klingt es schon, als käme es aus der Ferne, und doch soll eben in dieser gedämpften Weise die Stimme am weitesten tragen. Man soll bis auf unglaubliche Entfernungen dabei jedes Wort deutlich verstehen können. Doch gehören dazu dann auch die feinen Ohren dieser montenegrinischen und morlachischen Hirten, deren Sinne oft fast eben so geschärft sein mögen, wie die der Indianer in Amerika. — Mir kam Alles immer ganz unar-tikulirt vor. Wenn ein Hirt dieser Berge sich einsam fühlt, so erbebt er seine Stimme und läßt sie auf's Gerathewobl in die Ferne tönen, um sich ein Echo zu erwecken. Er sieht Niemanden; aber er weiß wohl, daß doch irgend-wo ein anderer Hirt hinter den Felsen sitzt, der eben so einsam, eben so unterhaltungslustig und neugierig wie er ist, und der alsbald die Aufforderung znm Zwiegespräch almimmt und ihm den Gruß zurückheult. Haben sie nichts Wichtigeres zu verhandeln, so fragen sie sich unter einander, wie es ihneu geht, ob ihre Heerdcn bei einander sind, oder was in ihrer Nachbarschaft vorgeht, besonders ob vielleicht ein Reisender inuerhaw ihres Gesichtskreises vorüberzieht. Ist dieser Reisende ein Ausländer oder ein Mächtiger ihres Landes, oder hat er vielleicht gar den Anschein eines Landesfeindcs, so spitzen sie Issfi Die Pol<>i der Verge. die Ohren und fragen sich bis ins geringste Detail über ihn aus. Dann kann anch der Bcrichtanhörer die Sache nicht lange bei sich behalten, (sr stellt sick seiner Scits auf einen Felsen und schreit die erhaltene Kunde einem anderen Lauscher zu, der noch weiter im Innern des Landes seinen Posten hat, nnd so verbreitet sich denn die Neuigkeit sehr schnell über das ganze Land. — Jeder im Innern Montenegros Reisende von einiger Bedeutung kann darauf gefaßt sein, daß er von der geheimen oder vielmehr ganz offenen Polizei dieser Berge anf Schritt und Tritt beobachtet nnd vom Kopf bis zur Zeh viel schneller und genauer signalisirt nnd im Voraus angekündigt ist, als dieß bei uns durch unsere Gendarmen, Anzeigcblättcr u. s. w. geschieht. Zeigt sich nichts Besonderes innerhalb ihres Gesichtskreises, so beschränken sie sich wohl auf die Mittheilung ihrer eigenen Gedanken und inneren Regungen, und es sind daraus diejenigen poetischen Zwiegespräche entstanden, welche man zuweilen nitter den serbischen Liebern findet. — Sie erinnern an die Duetten der vene-tianischen Gondelführer, die auä> bei stillen Nächten in den Lagunen oder in einem (5anale der Stadt einen Gesang anheben und bald einen ungesehenen Genossen finden, der ihnen von einer entlegenen Straßenecke antwortet, wie der Gesangsgcnossc des Montenegriners von einer entfernten Bergwand. Vielleicht sind diese durch Göthe und Byron berühmt gewordenen Doppelgesänge Venedigs auch nur ein illnrisches Product. Bekanntlich waren die meisten Matrosen der Republik slavischen Stammes, und sie mochten ihre einheimische Gesangsweise aus den Gebirgen in die Lagunen und ihre Inseln übertragen und hier an verschiedenen Straßen- und t5analecken eben so stehen, wie dort an verschiedenen Thalecken und Bergwänden. Die Melodiecn und Gedichte selbst sind freilich mit der Zeit in Venedig ganz andere geworden. Noch mehr als der Poesie dient aber das besagte Rufen bei den illyrischen Völkern der alltäglichen Prosa des Lebens. Durch die Rufe von Berg zu Berg, von Thal zu Thal werden viele Botschaften und Nachrichten nicht nur durch das ganze Land bin verbreitet, sondern auch mit bewundernswürdiger Pünktlichkeit, wie durch nnsere Telegraphen, sämell au einen bestimmten Ort geschafft.— Gewöhnlich wissen die Leute, wo dieser oder jener Ianto seine Schase hütet, und in welchem Felsengeklüft er zu stecken pflegt. Sie rufen daher ihren Auftrag nach dieser Gegend hinaus. Ianto, der jedes Gerausch in der Luft beachtet, fängt die Töne auf und giebt ein Zeichen von sich, daß er die Sache verstanden habe. Er weiß wieder um die Iankos in der Nachbarschaft Bescheid und ruft ihnen den Auftrag zn, und so kommt die Botschaft zulegt an die Autorität, für die sie bestimmt ist. — Aber auch wenn sie gar keinen solchen Freund an einem bestimmten Drte wissen, schreien sie aufs Ge-rctthcwohl in die Lnst hinans, und da in diesem Lande gewöhnlich die Hälfte der industrielosen und schlecht behausten Bevölkerung im Freien ist, so täuschen sie sich gewöhnlich nicht in der Hoffnnng, daß irgend ein Müssiger ihre Stimme belauschen uud weiter fördern werde. Ein Bekannter erzählte mir, er sei einmal eines Maul-e>els benöchigt gewesen, der sich eben drei Stunden weit im Gebirge auf der Weide bcfundeu babe. „Hoho! hche! hört, Ihr Leute da beim Dorfe Bielizza! Hoch oben auf 398 Lebendiges Teleqrapheuneh, dem Berge Gljubotitsch bei der großen Bücke mit dem dürren Aste, hütet mein kleiner Bursche Ianko Iessipo-witsch meinen weißfüßigen Maulesel. Laßt ihn wissen, er solle mit ihm so schnell als möglich auf die Landstraße henmter kommen." So schrie alsbald der Besitzer des Maulesels ins Weite hinaus. „Hoho! hehe! der Maulesel dcS Ia»ko Iessipowitsch weidet oben auf dem Berge Gljubotitsch bei der hohen Buche mit dem dürren Aste. Er soll gleich direct auf die Landstraße herunter kommen." So ging es von Mund zu Mund. llnd mein Berichterstatter fand, als er hiuausritt, das Thier schon auf der bezeichneten Station seiner harrend und konnte seine Neise rasch beenden. Ein anderer Bekannter erzählte mir, er habe einmal auf einer Inspectionsreisc seinen Reiseftlan geändert und gewünscht, statt im Dorfe ^ im Orte II sein Nachtquartier aufzuschlagen. Sogleich hätten seine Begleiter das besagte, stets bereite illyrische Telegraphennetz zu diesem Zwecke benutzt und einen absagenden Ruf in der Richtuug nach ^, sowie eiuen seine Ankunft verkündenden nach ^ hinausgesendet, und als er nach einigen Stunden in lj angekommen, habe er längst sein Nachtlager wie das Abendessen bereit gefunden. Die Illyrier können, wie man sieht, noch eine Ieit lang unsere elektrischen Telegraphen entbehren. Am wachsamsten sind die Gebirgsbewohner natürlich an ihren Landcsgränzen gegen die Türken, von wo her sie beständig Einfälle, Viehraub und dergleichen befürchten. Und von daher wird denn auch ununterbrochen beobachtet, geschrieen und telegraphirt, um bei solchen Ge^ legenheiteu sogleich das ganze Volk zu alarmiren. — Alarmrufe. 399 Ein östreichischer Ossizier schilderte mir einmal einen solchen Vorfall im Thale der Kriwoschianer, in dem er eine Zeit lang in Quartier gelegen. Die benachbarten Türken, die beständig mit diesen östreichischen Unterthanen raufen, hatten eine Heerdc der Kriwoschianer überfallen, einen Hirten erschlagen nnd das Vieh fortgeführt. Sogleich erschien ein kleiner Innge, der den Ileberfall belauscht, ans einem Felsen deS Thalrandes «nd ließ ein entsetzliches Zetergeschrei ins Thal hinab ertönen: „Wehe! Wehe! Die Türken haben sich herangeschlichen. Tie haben den Iuro Markowitsch erschlagen und memc weiße Kuh fortgeführt, uUd die ganze Rinder-heerde dazu, und auch alle unsere Schafe. Wehe! Wehe!" — Sofort tönte es von allen Seiten im Thalc wieder: „Wehe! Wehe! Hört, ihr Leute, hört! Die Türken haben sich herangeschlichen, deu Iuro Markowitsch erschlagen und seine weiße Kuh entführt, uud die ganze Heerde da;u. Wehe! Wehe! Wer das Gewehr tragen kann und keine Memme ist, der rühre sich!" — Alsbald wimmelte und klirrte es in der ganzen Kriwoschia von Bewaffneten und berittenen. Ohne erst nach einem Sammelplatze zu fragen, stürzte Jeder auf seine eigene Hand und als wenn es für eigene Rechnung ginge, dem bezeichneten Vcrgabbange zn, den Türken nach. Insbesondere, sagte mein Berichterstatter, würde er den Eifer und die Wuth eines sehr armen und sehr zerlumpten Kriwoschiancrs nie vergessen, der, nur mit einem langen Messer uud einer alten Pistole bewaffnet, die Felsen erstürmte, bald als der Erste auf der Spitze erschien, eben so bald aber anch, ohne sich umzublicken, auf der anderen Seite verschwand, wo er sich todend den Türken nach- 400 2^ Nnfcn in dcn serbischcit Llüdeln und bci Heiner. stürzte. Diese wurden auf der Stellc eingeholt, ihrer Beute beraubt, und mit der weißen Kuh, sowie vermuthlich auch mit einigen Türkenköpfen auf ihren Lanzen voran, zogen die Leute wieder iu ihr Thal ei«. Solche Erzählungen kann man oft gut benutzen, um die serbischen Lieder besser zu verstehen oder sich ihren Inhalt lebendiger vorzustellen. Eo giebt z. V. Cyprian Robert in seinem Buche über die Südslaven ein Gedicht, „die Tschernogorzin" überschrieben, das so anfängt: „Ein Haiduk ruft wehklagend auf dem Berge: Armer Stanischa, verflucht bin ich. der Dich ungerächt fallen ließ!" — Und tief unten im Thale von Zeta hört die Gattin Stanischa's diesen Nuf und vernimmt, daß ihr Gatte fiel. Alsbald ergreift die feurige Christin ein Gewehr, stürzt sort und verfolgt die grünen Pfade, auf denen die Mörder ihres Gattin hinabstiegen, fünfzehn Türken, an ihrer Spitze Tschengitsch-Aga, u. s. w. Auch an Homer mnß man hierbei wieder denken. Auch sein Cyklop setzt sich ans einen Felsen und ver-kündet in einem langen Wehgeschrci seinen Thalgenossen das Unrecht, daS ihm Odyssens angethan. Ucberhanpt geht es bei Odyssens, seineil Kriegszügen und Viehräubc-reim ganz ähnlich zu, wie bei den Ausfällen und Tscheten, welche die Türken und Montenegriner alltäglich gegeneinander üben. Entweder hat Homer die Montenegriner nnd die andeien slavischen Bergbewohner gekannt, oder es giebt seit den nrältesten Zeiten in diesen Vergländern Sitten und Gewohnheiten, welche sich aus alle nach und nach einrückenden Völker in ganz unveränderter Weise fortgepflanzt babcn. Wir kamen endlich auf die sogenannte Chaussee Miraz. 4Y1 hinab, welche die Ocstreicher vom Fort St. Trinita nach Stanjewitsck gebaut habe», (is schien von oben herab, wo wir die verschiedenen Abstufungen nach unten nicht erkannten, daß diese Chaussee — wie lieblich klang uns von Weitem schon der Name! — beinahe ganz unten in der Ebene lieft. Aber als wir zu ihr herabkamen, sahen wir uns nock hoch über den Dörfern und den Feldern unter nns schweben. Und die Chaussee — das war auch nichts als ein Name. Wagen oder Kanonen könnte man hier nicht anders als auf dem Rücken von Mauleseln transvortiren, und stellenweise war dieser Bcrgvfad von wilden Gewässern und Felscntrümmern dermaßen zerstört, daß mein Maulthier wieder genug zu studiren und mit dem Kopse zu schütteln bekam, um die rechte Linie zu finden, und daß wir es auch noch einige Mal gerathener fanden, abzusitzen. Ueorigeus erfreuten wir uns eines köstlichen Abends, einer Reihe der schönsten Ans- und Ansichten. Iur Linken lag uns bestandig in wundervoller Klarheit das dunkelblaue Meer. Gegen Sonnenuntergang kamen wir bei dem montenegrinischen Dorfe oder Höhk-nncste Miraz au, dem einzigen Dorfe — 8il vl>mn vorlw! — das die Montenegriner auf der Seeseite ihrer hohen Gebirge besitzen. Ueberall sonst haben sie sich mit ihrer Gränze ganz aus dem Kamme des Gebirges gehalten. Früher war auch das Dorf oder der Stamm der Mirazi vcnctianisch. (>r hat sich aber freiwillig an die Montenegriner angcschlosscn. Seitdcm ist dieß montenegrinische Gränzdorf zuweilen als Congreßort bei Verhandlungen zwischen dem Wladika und den venctianischen, oder französischen, oder östreichischen Behörden gewählt worden. K>,'hl, Äcisc i» T'almaücn, I, 26 4(^ Schwierigkeiten bei Anlegung des östreichischen Weges. So beschreibt z. V. der Oberst Vialla einen solchen Frie-denscongreß in Miraz zwischen dem französischen Gouverneur von Cattcuo und dem Wladika. — Der östreichische Weg suhrt in der Entfernung eines Büchsenschusses darunter vorüber und zum Theil noch über das Gebiet dieses Stammes weg. Die Erpropriation einiger Grundstücke, die bei der Anlegung dieses Weges nöthig war, soll erstaunlich viel Schwierigkeiten gehabt und sehr viele Unterhandlungen herbeigeführt haben. Diese Leute kleben wie Pech an ihrem ihnen zugehörigen Boden, und wenn auf diesem Boden auch nichts als Felsenköpfe wachsen, so entschließen sie sich doch äußerst schwer, irgend ein Recht daran aufzugeben. Ich weiß es nicht genau, aber mich baucht, ich erinnere mich, daß man mir sagte, daß auch ein paar blutige Scharmützel bei Gelegenheit dieses Weges vorgefallen seien. Es sollte mich wundern, wenn ich mich darin täuschte. Bei allen Gelegenheiten, wo bei uns ein Proceß entsteht, giebt es hier zu Lande Flinten- und Pistolenknall. Als die Gränzen zwischen Montenegro und Oestreich vor einigen Jahren geodätisch regulirt werden sollten, waren die Meinungsverschiedenheiten so groß, daß erst eine förmliche große Schlacht geliefert wurde, bcvor man sich einigte. Wir hallen den ganzen Tag über außer unserem Morgenkaffee noch nichts genossen und nicht die geringste Spur von irgend welchem Proviant bei uns. Als wir daher in der Nähe von Miraz eiucr Heerde Ziegcn ansichtig wurden, wässerte uns der Mund nach dem Inhalte ihrer strotzenden Euttr. Wir hielten an und fragten den zottigen Montenegriner, dcr sie hütete, ob er uns wohl einige dieser Euter teeren wolle. Er Die Cigarrenbüchsc als Trinkgefäß. 493 war gleich dazu bereit, sagte aber, er habe kein Gefäß, die Flüssigkeit zu fassen; er wolle iu's Dorf hinunterlaufen, um einen Topf zu holen. Dieß schien uns zu umständlich und zeitranbend, da wir uns nicht zu sehr von unseren vorausgeeilten Gefährten zu eutfernen wünschten. Wir waren daher schon bereit, auf den Labetruuk zu verzichten, als wir nnsere Blicke nach irgend etwas in der Natur, was einem Scherben ähnlich sein möchte, umherschweifen ließen und endlich auf die Glocken verfielen, welche die Ziegen zwischen ihren Brusthaaren baumeln hatten. Wir bedeuteten dem Hirten, daß wir aus diesen Glocken trinken möchten, und er machte sich sofort daran, einige Ziegen einzufaugen nud ilmen ihr Geläute abzu-biuden. Bei näherer Besichtigung hatten die Glocken aber doch selbst für unseren Durst etwas zu viel vom Bocksgeruch und etwas zu wenig uon einem saubcrgeputzten Milchbecher an sich. Doch war nun einmal unsere Erfindungsgabe erwacht, nnd wir kamen bald darauf, einem von Ans seine lederne Cigarrenbüchse abzunehmen, Oberthcil und Untertheil auseinander zu ziebcn uud iu jedem ein gauz reiuliches und brauchbare? Triutgefäß zu erblicken. Der Ziegenhirte und seine Leute liesen nun sehr geschäftig hin und her, fingen ein halb Dutzend Ziegen ein, drückten ihnen die Guter aus uud kamen mit den kleinen gefüllten Lcdercimeru schuell wie zwei Feuerspritzen-Constabler herbei, um den Brand unseres Durstes zu löschen. Ich habe mehre gute Weiue und einige andere Getränke an der illyrischen Küste getrunken, aber so viel ist gewiß, daß mir nichts so unvergeßlich schöu gemundet hat als diese Ziegenmilch, iu der unser Appetit uns mehr Labung, Würze uud Blume entdecken ließ als im alten Tar- 26* HO.j Patronen als Zahlungsmittel. taro, MaraSquino und Malvasier zusammengenom-men. — Als wir gesättigt waren, belohnte Einer von uns die Hirten recht reichlich. Diese verschluckten das Geld wie vie Naben, baten aber hinterdrein nach munte? negrinischcr Weise noch um einige Patronen. In Rußland wissen die geineinen Leute einen Schnaps besser zu würdigen als ein Stück Geld, in einigen Gegenden Deutschlands kann man sich mit cinem Päckchen Taback mehr Freunde erwerben. Hier in Montenegro ist, wie gesagt, Jedem zu empfehlen, daß er seinen Geldbeutel lieber mit Schießpulver und Blei als mit Gold und Silber a»"-Me. Ich glaube gewiß, er kann — wenigstens zu Zei-ten — nut Patronen Alles bezahlen. Nicht wer Geld schenkt, sondern wer Patronen giebt, ist in den Augen der montenegrinischen Bettler ein wahrhafter Wohlthäter. In einem montenegrinischen Liede wird schon der, welcher ihnen einmal Patronen verkaufte, ein mildthätiger Mann genannt. „Trotz des strengen Verbotes des venc-tianischen Dogen brachte in einer Nacht ein mildthätiger Fremder uns Patronen zum Kaufe. Entzücken ergreift bei diesem Anblick die Söhne Tschernegoras; sie tanzen vor Frende und singen Siegcshynmen." ^ Von Brottheuerung und Hungersnoth ist in den montenegrinischen Chroniken immer bei Weitem nicht so viel die Rede als von Pulvernoth nnd Bleitheurung. Natürlich, denn bei ihnen ist Pulver und Blei das Universalmittel zur Erhaltung und Erreichung aller Dinge des Lebens, des Ruhms, des Besitzes, des Ansehens u. s. w., wie dieß iu anderen Ländern das Gold ist. Wir kamen selbst bis vor die Thore von Miraz, gewannen diesem Felsennestc von hier aus eine äußerst Lage von Miraz. H(j5 pittoreske und romantisch-wilde Ansicht ab, die ich jedem Maler zur Beachtung empfehlen möchte. Der Ort liegt auf einem Absähe, etwa in der Mitte der hohen mon> tenegrinischcn Gebirgswand. Hinter ihm steigt diese Bergwand zum Himmel auf, vor ibm gehen die sanften und bebauten Abhänge zum Meere hinab. Links von dem Orte, wenn man ihm von der Seite von Cattaro her das Angesicht znwendet, steht eine Gruppe senkrechter Felsenmassen, und ganz dicht neben den Häusern des Ortes ist ein colossaler Felsblock niedergestürzt, so wie daneben ein sehr großer, sehr alter lind bewundernswürdiger, laubreicher Oelbaum aufgewachsen ist. Zwischen allem dem Schutt und den Trümmern blickt ein kleines Kirchlein und ein fremdartig gestalteter Thurm hervor, und daneben liegen Steinhaufen und Höhlen, die wir au dem aus ihnen emporsteigenden Rauche als die Wohngebäude des Ortes erkannten. Einige nackte Knaben stürzten bettelnd daraus hervor. Von Miraz sind noch ziemlich drei Stunden bis nach Fort Triniti» hinab. Wir legten anch diese Wegesstrecke unter mancherlei schönen Natnrgenüssen zurück. Znerst ging die Sonne im Mccre uuter. Dies; war der herrlichste 5:,Iw mm-lglc, welchen ich je die Sonne ins Meer hinab macheu sah. Es kamen dabei solche schöne und äußerst feine Nnancen von Roseuroth, Violett und LiUa, sowohl in der Luft, als auch auf der Oberfläche des Meeres, znm Vorschein, daß unscrc entrückten Augen des schmeichlerischen Anblicks nicht satt werden konnten. Ich dachte nun, daß dabei auch vielleicht ein Stückchen von den, gegenüberliegenden Italien auftauchen könnte, aber ich täuschte mich; so weit wir sahen, blieb 406 Illyrische Aussichtspunkte anf Italien. alle Oberfläche flüssig. Italien hat gerade Montenegro gegenüber ein weithin flaches Ufer, die Ebene von Älpulien. Da, wo, wie bei Ancona, die italienischen Berge näher ins Meer hineintrcten, da erblickt man die schöne Halbinsel, oder wenigstens Zipfel von ihr häufiger von den illyrischen Höhen herab. Man hat anf einer Reise durch Dalmatien Gelegenheit grnng, von solchen Höhen, von denen aus man Italien sehen könne, zu hören. Uebrigens erzählten uns einige Montenegriner, daß dieß auch von ihren Bergen ans möglich sei. (5s mögen vielleicht besondere atmosphärische Verhältnisse und Umstände dazu gehören. Nach der Sonne kam des Mondes silberne Sichel und ein schöner blauer Stcrnenhimmel. Wir ritten etwas eifriger zu und entdeckten endlich unter einem matten Schimmer die willkommenen Mauern des kleinen Forts Trinitü, von dem dann ein bequemer Weg uns zu den Oelbäumen und Weingärten von Scag-liari, zu den Thoren von Cattaro und zu einem uns gastfreundlich bereiteten Abendmahle führte. 1U. Bemerkungen über die bei der Blutrache herrschenden Gewohnheiten. Wunderbarer Weise behauptet der sonst im Ganzen gut unterrichtete Cyprian Robert in seinem Werk über Montenegro, das; es dem jetzigen Wladiia Peter II. gelungen sei, die Nobeit seiner Landsleute so zu mildern, und ihnen eine solche Liebe für das bürgerliche Leben beizubringen, da»; er die Gewohnheit der „Knvina" oder Schwierigkeit der Ausrottung der Blutrache. 407 Blutrache bei ihnen „abschaffen" konnte. Dieß ist in der That weder dem Wladika bei den Montenegrinern, noch den Venetianern, Franzosen oder Oestreichern während ihrer langen und geregelten Herrschaft in Dalmatien gelungen. Die Blutrache, die ans dem uralten Principe: „Auge nm Auge", Zahn mn Zahn", und anf dem allen Menschen w natürlichen Gefühle: „so wie dn mir, so ich dir", beruht, ist vielmehr bei allen diesen serbischen Naturvölkern eine so tief wurzelnde, eine ihr ganzes Wesen so innerlich dnrchdringende Gewohnheit, daß erst ganz andere Umwälzungen bei ihnen vorgehen müssen, und daß wohl noch Jahrhunderte darüber hingehen können, ehe man dieselbe bei ihnen „abgeschafft" nennen kann. Dergleichen läßt sich überhaupt gar nicht abschaffen, sondern höchstens, aber sehr allmälig abgewöhnen und nach vielen wiederholten Versuchen ausrotten. Die Blutrache bei den Montenegrinern, Morlachen und Bocchcsen abschaffen, dieß hieße im Grunde nicht mehr und nicht weniger, als alle ihre alteingcwurzeltcn Nechtsge-wohnheiten umformen, ibre ganze Gerichtsverfassung (denn die Principien bei der Blutrache umschließen ihren ganzen ssriminalcoder), reformiren, -^ aber so etwas refor-mirt sich nicht so schnell. Ja co hieße noch mehv, es hieße den Gedanken und Gefühlen dieser Leute einen anderen Gang geben, ihr Blut anf andere Weise Pulsiren lassen, das ganze Wesen dieser Völker umformen und umgießen, — denn wenn man es recht untersucht, so wird man finden, daß eigentlich die Hälfte der Sitten und Gewohnheiten, der Denkweise, der Geschichte, der Schicksale und des tagtäglichen ThunS 408 Die Blutrache ein natürliches Verhältniß. und Lasscns der besagten Stämme in der Blutrache steckt oder doch mit ihr mehr oder weniger verwebt ist. Die Sitten und Gewohnheiten, die bei den Montenegrinern, Albaniern und Morlachcn in Bezug auf Blutrache herrschen, stnd schon oft dargestellt worden. Eine sehr deutliche, zugleich kurze und doch genaue Schilderung derselben sindct der Leser unter Anderem in dem trefflichen und zuverlässigen Berichte über Montenegro, welcher in der Sammlung von Reisen und Lä'nderbc-schreibungcn von Dr. Widcnmann und Hauff vorkommt. Es ist hier nicht unsere Absicht, schon häusig Gesagtes noch einmal ,;n wiederholen. Aber da der Reise« beschreiber insbesondere die Pflicht hat, darauf zu achten, in wie fern und in welchem Grade alte Gewohnheiten eines Volkes noch jetzt, zur Zeit seiner Reise bestehen, oder in wie weit sie in Abnahme gekommen sind, um davon Kunde zn geben, so will ich die wenigen Bemerkungen, welche ich ül>cr den beregtcn Punkt im Lande zu schöpfen Gelegenheit hatte, hier zusammenstellen. Der Leser mag darnach abnehmen, wie es nnt der Blutrache noch heutiges TageS in diesen Gegenden beschaffen ist. Bei allen Völkern, wo noch kein ordentlicher Staat besteht, wo keine regelmäßigen Gerichte ctablirt sind und wo die Familie oder der Stamm die Beschntzung und Rächunq seiner Mitglieder übernimmt, ist die Blutrache ein sehr natürliches Verhältniß, ich meine die Privat-Blutracl'c. Denn im Grunde genommen ist selbst die von unfclcn Gerichten anbefohlene Todesstrafe doch auch nichts weiter als eine Blutrache, d. h. eine vom Staat übernommene Die Blutrache und das Duell. 4l)9 Blutrache, eine öffentliche Vergeltung, weshalb man denn auch bei uns in neuerer Zeit die Todesstrafe als eine barbarische Sitte ganz abzuschaffen gestrebt hat. Wir finden die Blutrache fast bei allen noch auf einer niederen Stufe der politischen Entwickelung stehenden Völkerstammcn. Sie, d. h. alle die bei ihr geltenden Gewohnheiten und Ceremonien, die bei ihr vorkommenden Rechte und Pflichten, begreift eigentlich den Kern der ganzen Crimmal-Iustiz dieser Völker. Da bei der Blutrache nicht blosic Willkür eristirt, sondern dabei gewisse durch Gewohnheit sehr fest bestimmte Vorschriften zu erfüllen siud, da der beleidigte Theil zur Uebung der Blutrache verpflichtet ist, da das Maß derselben je nach der Größe der Beleidigung bestimm! ist, da eine Möglichkeit zur Abbüßung der Blutrache auf andere Weise als durch Blutvergießen gegeben und bei einer statthabenden Aussöhnung der Blutfeinde die Beobachtung gewisser normaler Ccremoniecn, die sehr demüthigend für den Beleidiger und sehr schmeichlerisch und genugthuend für den Beleidigten sind, festgesetzt und vorgeschrieben ist, da, sage ich, mit einem Worte die Blutrache nichts Willkürliches, sondern etwas Organisirtes und gewissen Regeln unterworfenes ist, so muß man sie in vieler Be-ziehuug schon als einen Fortschritt zur Cultur von einem noch roheren Zustande und als wohlthätig wirkend bezeichnen. Man kann sie mit unseren Duellen vergleichen, die, so lange wir uns nicht Ehrengerichten unterwerfen wollen, vielen Beleidigungen vorbeugen und dahin wirken, daß die Menschen sich schicklich und mit Aufmerksamkeit begegnen und die zugleich als gewissen 4ll) Die Blutrache «in Ucbel und cinc Wohlthat. Regeln unterworfene Kämpfe verhüten, daß die Menschen ihre Ehrcndifferenzen nicht aus eine noch brutalere Weise unter einander ausmachen. Die Fola.cn dcr Blutrache sind bei den Illyriern für beide Theile so schlimm, daß sie sich wohl vorsehen, sic nöthig zu machen, weßhalb sie auch die Gewohnheit haben, bei Streitigkeiten, die blutig zu werden drohen, sich mit der Phrase: „Nicht ins Blut, Brüder, bei Gott und dem heiligen Johannes!" zur Besonnenheit zu ermähnen. Es ist sehr die Frage, ob sie vor unseren Gerichten und vor den von diesen angedrohten Strafen so viel Furcht haben würden als vor der Blutrache, von welcher der Verbrecher oft noch, wie ich gleich zeigen werde, an ganz entlegenen Punkten der Erde niit mehr Sicherheit getroffen wird als von dem rächenden Arme unserer Justiz. Die Blutrache, obgleich ein Nebel, ist doch in Bezug auf. ein noch größeres Uebel, wie gesagt, eine Wohlthat. — Und selbst, wenn ein Wladifa oder sonst ein illyrischer Gesehgeber die Gewalt hatte, sie ohne Weiteres mit einem Verbote abzuschaffen und ordentliche Gerichte an ihre Stelle zu sehen, so ist es doch noch die Frage, ob er damit den Zustand seines Volkes sofort verbessern, oder ob er nicht dadurch noch vorlaufig allen Arten von Verbrechen und Beleidigungen Thür und Thor öffnen würde. Wie schwer es aber ist, die Blutrache zu beseitigen, das zeigt hinlänglich der Umstand, daß sie noch heutiges Tages nicht nur bei den Montenegrinern, sondern auch bei den Vocchesen und überhaupt bei allen Bewohnern des östreichischen Albaniens in Schwange ist, obgleich diese letzteren doch schon seit einer Ncihe von Jahr- Die Blutrache und die Kriminalgerichte. Hj j Hunderten Unterthanen ganz wohlorganisirter Staaten und civilisirter Völker gewesen sind und erst den Gesetzen der Venetianer, dann denen der Oestreicher, darauf denen der Franzosen und jetzt wieder denen der Ocstreichcr unterworfen waren und sind, — und obgleich sie keineswegs, wie die montenegrinischen Hirten, ein in wilden Gebirgen verstecktes Volk von Höhlenbewohnern waren, vielmehr als Handelsleute und Schiffsrhcder in alle Welt hinaus kamen und Gelegenheit genug hatten, im Umgang mit anderen Nationen mildere Gewobnhetten und Sitten anzunehmen. Das Schlimme dabei ist eigentlich nicht die Blutrache selbst, sondern vielmehr der Umstand, daß die Leute mit so großer Zähigkeit an der Blutrache hängen, daß, auch wenn sie statt ihrer etwas Besseres gefunden haben, es ihnen so schwer wird, von ihr abznlassen, um zu diesem Besseren überzugehen. — Es bestehen, wie gesagt, ill Cattaro uud den anderen Ortschaften des östreichischen Albaniens seit Jahrhunderten Gerichte, welche den Schuldigen verfolgen und bestrafen, und doch haben sich diese Gerichte noch so wenig Ansehen bei den Bewohnern verschafft, daß dieselben ilire blutigen Privatracheübungen noch immer für durchaus nöthig halten. Daß die Gerichte cinen Verbrecher zur Rechenschaft ziehen und nach ihrer Weise bestrafen, schützt ihn noch keineswegs vor der Blntrache derer, die er beleidigt hat. In den Augen dicstr sind die Criminalgerichte etwas ganz Apartcs, was sie gar nichts angeht. Der Staat nimmt bei ihnen seine Rechte für sich. Sie selber aber wollen außerdem auch noch ihre Privatgenugthuung für sich haben. Ja sie wollen sie nicht nur haben, sondern sie 412 Die Blutrache und die Kriminalgerichte. müssen sie auch gewissermaßen suchen. Die Ansichten ihrer Mitbürger, von denen sie verachtet und ansgestoßen werden, wenn sie sich mit einer bloßen Bestrafung von Seiten der Behörden begnügen, zwingen sie dazu. — Es ist dieß ganz dasselbe, wie bei unseren Chrenan-gelegenheiten, wo auch die Ehre des Beleidigten in den Äugen seiner Genossen nur sehr unvollkommen hergestellt sein würde, wenn er ohne Duell sich mit einer bloßen Bestrafung des Beleidigers von Seiten des Gerichts begnügen wollte. Aber allerdings muß mcin zur Entschuldigung dieser so unverbesserlich an der Blutrache hangenden ^eute sagen, daß die von uns bei ihnen etablirten Gerichte, wie es scheint, noch nicht so energisch und durchgreifend auftreten, daß von ihnen in allen Fällen eine prompte Genugthuung und Züchtigung der Rechtsverletzer zu erwarten wäre. Die hiesigen Richter sind zuweilen etwas lahm, weil sie selbst unter der Furchl vor der Blutrache stehen. Sie wissen nämlich, wenn sie einen Menschen zum Tode verdammen, daß gegen sie selbst als Blutvcrgicßer das Banner der Blutrache erhoben werden kann. Man erzählte mir von einigen Criminalgerichten dieser Gegend, daß sie seit langen Jahren keinen Menschen zum Tode zu verdammen gewagt hätten, obgleich in ihrem Gerichtssprengel Veranlassung genug dazu gewesen wäre. Einige Gerichte jener Gegend schienen mir dieser ihrer Nachsicht wegen förmlich berühmt in Illyrien. Natürlich, sagen daher die ^eute: wenn die Richter so schwach sind, so muß unsere Blutrache wohl stark und wachsam sein. Umgekehrt aber dient auch wieder die Blutrache der Unwirksamkeit der Gerichte zur Entschuldigung. Ein Die Blutrache mid die Kriminalgerichte. 413 Uebel nährt und fördert das andere. Weil nämlich die Blutrache noch so hoch im Lande angeschriebeil sichl, so fehlt es bci den ordentlichen Richtern oft an Klägern, Angebern und Zeugen, die alle eine Abneigung vor diesen ihren nicht nationalen Richtern haben, während es jener allverbrciteten Blutrache, der Fchm, die bei ihnen hergebracht ist, keineSweges an solchen fehlt. Dic Richter können ihren vorsichligen und umständlichen Proceßvorschriften zufolge nur verurtheilen, wo ein Perbrechen ganz unumstößlich bewiesen ist. Die Blutrache aber verdammt und greift auch schon da zu, wo die Leute nicht mehr an dem Verbrechen und an dem Thäter zweifeln, nicht nur da, wo sie einen formellen Beweis haben, sondern auch schon da, wo sie, wie unsere Geschworenen, von der Schuld moralisch überzeugt sind. Die Blutrache hat daher viel leichteres Spiel als die Criminaljustiz, der die Hände vielfach gebunden sind, und deren Unthätigkeit man daher anch nicht immer bloß jener Feigheit und Furcht vor dem Ausbruch der Blutrache über ihren eigenen Häuptern zuschreiben kann. Zur Erläuterung einiger meiner Behauptungen, und damit der Leser erkenne, wie tief eingewurzelt die Sitte der Blutrache noch heutiges Tages bei diesen Völkern ist, will ich einige der neuesten derartigen Vorfälle mittheilen, von denen ich in diesen Gegenden vernahm. — In der Regel ist natürlich der Beleidigte selbst, in so fern die Kränkung der Art war, daß er dabei am Leben blieb, zur Einfordcrung der Rache berechtigt. Wurde dieser aber bei der Beleidigung selbst getödtet, oder starb er noch vor der Snhnnng des Verbrechens, so ist sein nächster Blutsverwandte derjenige, der sowohl zur Racheüb- ^I^ Berechtigung und Verpflichtung zur Blutrache. ung berechtigt als auch vcrp flick let ist, also sein ältester Sohn oder, wenn kein solcher da ist, sei» ältester Bruder u. s. w. Ist der Sohn bei dem Tode seines Vaters noch nicht mcitltihaft nnd waffenfähig, so kommt ihm in der Regel keiner seiner Onkel oder sonstigen erwachsenen Verwandten in der Racheül'ung zuvor, weil die Rache gleichsam als ein ihm zugefallenes heiliges Recht, als ein Erbschaftsrecht betrachtet wird, in dessen Ausübung ihm Niemand eingreifen darf. Er wird daher von seiner Mutter und seinen Anverwandten zur Nächung seines Vaters erzogen, und ihm wird die Erinnerung an den schmerzlichen Tod desselben und an den Mörder stets ausgefrischt. Ist der Knabe beim Tode seines VaterS schon nicht mehr mümz, so hält ihm die Mutter das blutige Gewand seines Vaters vor und läßt ihu darauf unter leidenschaftlicher Ermahnung nnd im Beisein anderer Verwandte, jci zuweilen auch des Popen einen Eid ablegen, daß er im Alter seiner Mündigkeit des Untergangs seines Vaters gedenken wolle. Ich habe einmal eine solche Scene von einem schr geschickten nnd geistreichen Maler dargestellt gesehen und will dieses kürzlich verfertigte Bild hier mit ein paar Worten schildern, weil es von einem nicht mit Darstellung alter Mythen, sondern mit dem Leben und der Gegenwart beschäftigten Künstler herrührt. — Man sieht darauf eine Gruppe von Menschen in der Vorhalle einer morlachischcn Bauerwohnung. Den Mittelpunkt bildet die junge Mutter mit ihrem Knaben. Sie hat ein blutiges Gewand in den Händen, das sie diesem, zu ihm herabgebückt, vorhält. Mit dem Ausdruck heftiger Leidenschaft deutet sie links auf die Blutflecken, rechts in die Der Nacheeio. 415 Ferne, die in ihrer eigenthümlichen morlachischen Wildheit vor der Hütte ausgebreitet ist. Der Knabe, ein hübscher blonder Jüngling, scheint die Mütter vollkommen zu begreifen nnd ihr zu ihrer Beruhigung Zeichen seiner Rachelust zu geben. Zur Seite rechts steht ernsthaft und traurig iu sich versunken, ein junger Man». Es ist vermuthlich ein naher Anverwandter, vielleicht ein jüngerer Bruder des Getödtetcn, der den Knaben in's Auge gefaßt hat. Er hat vielleicht selbst Lust, die That zu rächcn, und tritt wohl nur unwillig dieß Recht dem Buben ab. Auch sinnt er über die Schmach und das Unglück der Familie nnd denkt bei sich: „versäumt's der Knabe, so bin ich meines Bruders Rächer!" Zur Linken steht ein Pope in priesterlichem Gewand, der Mutter und dem Buben abgewandt. Er mag vielleicht nicht geradezu zu dem fürchterlichen Eide, den die Mutter ihrem Sohne abnimmt, seinen Segen geben. Aber er ist doch in der Nahe und scheint jetzt in die Hütte treten zu wollen, um die weinenden Schwestern zu trösten, wild aber doch später auch den Knaben an der Hand nehmen und sei-ucm Vorsätze eine Art von Amen ansdrücken. Ist der Sohn des Ermordeten noch in der Wiege, so legt die Mutter, wie man mir erzählt hat, den Sang-ling anf das blutige Hemd oder auf ein in sein Blut getauchtes Tuch und spricht selber statt seiner und in feinem Namen den Nacheeid, den sie ihm später, wenn das Kind heranwächst, deutet und einprägt, Ein solcher Racheeid der Mutter sür ihren Sängling soll, wie man mir in Iara erzählte, noch ganz kürzlich in einem morlachischen Dorfe vorgekommen sein. Das blutige Tuch oder Gewand wird dann bis zu erfüllter Rache 416 Der rachcdürstcnde Knabe. in der Hütte wie ein furchtbares Memento aufgehängt und bei seinem Anblick häufig geweint, und den Verwandten und Besuchern die Geschichte der Familientrauer mit allen Umständen oft erzählt. In einem Orte an der Bocca kam kürzlich bei Gelegenheit eines Processes folgender Fall vor Gericht vor, der die Nichter zu ihrer Verwunderung einen Vlick auf die noch überall um sie hcr wuchernde Saat der Blutrache thun ließ. Man wollte im Bezug auf einen gewissen Vorfall daS Zeugniß eines kleinen recht hübschen und munteren Knaben vernehmen, und als dieser erschien, that der Nichter die gewöhnlichen Fragen an ihn, die prompt beantwortet wurden. „Wie heißt Du?" — Sawwa Markowitsch! - „Wie alt bist Du?" — „Sieben Jahre." — „Wer ist Dein Vater? " — „Marko Gregorewitsch. Cr lebt nicht mehr." — „Wann ist Dein Vater gestorben?" — „Er ist nicht gestorben." — „Wie so?" — „Ja, cr ist gemordet. Wir wissen es Alle, von dem Iurewitsch aus Earoschi*). Und wenn ich groß sein werde, werde ich ihn dafür erschießen." — „Aber, Kleiner, wie so denn? Nie kommst Du auf einen so gräulichen Gedanken, wer hat Dir das in den Kopf gesetzt?" — „Ja, ich werde den Epiro Iurewilsch erschießen; ich muß das thun. Mein Onkel, der Pope Peter Gregorewitsch, hat es mir gesagt. Ich werde ihn mit der Flinte erschießen, die in meines Onkels Zimmer hängt, und wenn ich groß bin, wird dieser sie mir dazu geben, daß ich meinen Vater räche und seinen Mörder bestrafe! Dieß ist die Wahr- ') Ich brauche nicht zu sagen, baß ich diese Namen nur willkürlich erfunden und der Bequemlichkeit wegen hinzugesetzt habe. Der betrogene Bräutigam und seine Rache. 4^7 heit!" — Es ist schade, daß einem Ethnographen nicht häufiger die Gerichtsacten dieser Gegend zur Einsicht vorgelegt werden. Der Proceß, der eben jenen Gerichten an der Bocca vorlag und in welchem dieser kleine rachedürstige Knabe verhört wurde, bezog sich auch auf einen Fall von Privatrache, der mir sehr lehrreich war oder vielmehr uns auf eine sehr lehrreiche und geistreiche Weise mitgetheilt wurde. Ein nicht sehr reicher junger Mann war schon seit vier Jahren Bräutigam eines hübschen Mädchens, ohne daß er Aussicht hatte, durch Etablirung eines Geschäfts oder Erlangung einer Stelle die Heirath und seine Niederlassung möglich zu machen. — Während der Zeit nähert sich ein reicher junger Mann seiner Braut, gewinnt ihre Neigung, macht sie Jenem ungetreu und hcirathet sie ihm plötzlich vor den Augen weg. — Der Getäuschte beschließt anfangs bei sich, obwohl tief gekränkt, seinen Rachegelüsten Zaum und Zügel anzulegen, aber blcibt lange unschlüssig darüber, was er thun soll, wozu die Erwägung nicht wenig beigetragen haben mag, daß sein glücklicher Gegner einer viel größeren Familie und einem weit mächtigeren Stamme angehörte. Allein die Erbitterung über die Verführung seiner ihm offenkundig angelobten Braut und die Scham über seine Beschimpfung wurmt und frißt in seinem Inneren. Dazu kommt, daß er bald bemerkt, wie seine Bekannten über ihn zu spötteln beginnen; des Sonntags bei der Kirche entfernen sie sich von ihm, wollen nicht mehr mit ihm zusammen stehen, und er sieht sich oft verlassen und allein. Sogar seine nächsten Freunde werfen ihn« am Ende geradezu Feigheit vor und bedeuten Kohl, Mc,s«> in Dalmaticn. I. 27 ^19 Der betrogene Bräutigam und seine Rache. ihn, daß ihm wohl ganz recht geschehen sci. Seine Verwandten und Brüder beklagen sich über die hierbei erfahrene Beschimpfung ihrer ganzen Fmuilie und geben ihm schuld, daß er diesen Fleck auf sie geladen habe und daß er ihn wohl schwerlich abzuwaschen geeignet sei. — Es geht noch einige Zeit darüber hin, aber dann eines guten oder vielmehr bösen Tages ertönt Jammergeschrei und Wehklage ans dem Hause der jungen Gattin. Sie hat ihren reichen jungen Gemahl mit Blut nnd Wunden bedeckt und völlig todt im Garten neben dem Hause gefunden. — Alle Anzeichen und Spuren deuten auf den von ihm Hintergangenen Nebenbuhler, und er wird von den Gerichten als der Mörder des Verblichenen eingezogen. — Natürlich leugnete er vor Gericht Alles, denn ein solches Leugnen vor Gericht halten selbst die Tapfersten dieser Leute nicht für schmählich. Es war bisher bei unserer Anwesenheit noch nicht gelungen, ihm irgeud etwas zu beweisen. Man konnte auch Niemanden erreichen, der ein Zeugniß gegen ihn hätte ablegen wollen. Man sagte mir, selbst seine Feinde, die Mitglieder der Familie des Gemordeten, würden sich zu keinem Zeuguiß gegen ihn verstehen. Es ist zwar möglich, daß er es nicht hat unterlassen können, sich auf mehr oder weniger directc Weise gegcn sie seiner That zu rühmen; aber doch wird ihn keiner von ihnen vor Gericht verrathen. Wenn sie dieß thäten, so würde er allerdings gehenkt werden, und man könnte denken, sie müßten diesen Erfolg zur Kühluug ihrer Rachelnst herbeizuführen wünschen; aber es liegt ihnen gar nichts daran, daß er von Henkern erwürgt wird, wenn sie nicht selbst diese Henker sein können. Im Gegentheil, Schlauheit der Montenegriner l'ci Ausübung der Blutrache. ^19 sie würden vielleicht noch eher alleS Mögliche thun, daß er wieder frei werde, damit sie dann selber um so größere Aussicht hätten, Rache an ihm ;n üben. Außerdem aber halten sie es auch für feig und ehrlos, auf diese Weise durch Angeberei oder Zeugenschaft an einem Feinde Rache zu nehmen. Diese selben Leute wären aber vielleicht im Stande, den Delinquenten, gegen den sie nicht das geringste Zeugniß ablegen wollen, bei Gelegenheit, wenn die Behörde ihn nicht gut bewachen sollte, im Gefängniß selbst zu ermorden. — Unter solchen Leuten die Rolle deS Polizeimanns oder Richters ;u spielen, muß, wie man sieht, eine sehr schwierige Sache sein. Da diese Bocchesen und Montenegriner nicht nur sehr rachdürstig, sondern auch sehr schlau und vorsichtig sind, so dauert es oft lauge, bis ein Beleidigter gerade die recht passende Gelegenheit findet, seine Rache auszuüben. Immer seinem Feinde nachzuschleichen, hat er dock keine Zeit; er muß auch seine täglichen Geschäfte betreiben. Sein Fcind, dem die Blutrache beständig wie das Schwert des Damokles über dem Haupte schwebt, hütet sich natürlich wie ein Fuchs vor dem Zusammentreffen mit jenein. Ereignet sich dieß aber doch zuweilen, so ist unter hundert Fällen die Gelegenheit zur Rache ungünstig; denn entweder geschieht eS culf dem Markte oder im Wirthshause oder sonst bei einer Volksznsammcnluuft, wo der Landfriede und die allgemeine Aufhebung aller Privatfehden -für den Moment beliebt ist, oder sein Feind ist von Freunden begleitet, oder er, der Rächer, hat seine Freuude bei sich. Auch dieß Letztere wäre zuweilen kein günstiger Umstand; denn übte er nun seinc Rache, so könnten die Freunde als Zeugen oder gar gls Theilnehmer aufge- 27* 420 Laiigdauetiidr Blütr.ichl'Me. rufen und ill Verlegenheit gebracht werden. Er muß sein Opfer ganz allein treffen, überlisten und im Verborgenen niederschießen. — Sie schleichen daher oft Jahre, ja Iahrzehndc lang ihrem Feinde nach, bis sie endlich ihren lang gehegten Plan voll führen können. Aber, wie gesagt, die ^änge der Zeit thut der Sache keinen Abbruch, die Illyrier haben in Bezug auf ihre Racheangelegenheiten ein Gedächtniß, daS aller Zeit trotzt, und treffen den Mörder sicher, wenn auch oft erst nach langen, langen Jahren. Stirbt dieser darüber weg, so vererbe seine Pflicht zur Buße auf sein ihm nächstes Haupt, sowie, wenn der Rächer stirbt, sein Necht auf Rache an seine Erben fallt. ES ist auf diese Weife möglich, daß erst die Söhne oder Enkel die Streitigkeiten ihrer Väter oder Großväter ausfechten. Man hat Fälle von Blutrache, bei deucu siebzigjährige Greise über die den ersten Anlaß gebende That verhört wnrden und bei denen diese aussagten, daß sie in ihrer Kindheit die Sache so und so hätten erzählen hören. Wie die Zeit, so stellt auch die örtliche Entfernung den Beleidiger keineswegs vor der Rache sicher. An der Boeca war kürzlich Folgendes vorgefallen: Ein in Kon-ftantinopel angesiedelter Vocchcse erhielt eines Tages von seiner Heimath die Nachricht, daß einer seiner nächsten Verwandten von einem Mitgliede einer anderen Familie erschossen wordeil sei. Er nimmt sich dieß liä nowm, fährt übrigens in Konstantinopel fort, seine Kaufmannsgeschäfte zu betreiben, seine Getreidesäcke und seine dafür eingenommenen Dollars und Zechinen zu notircn. Als sein Geschäft ihm eine Reise zur Bocca erlaubt und nöthig macht, nimmt er diese Gelegenheit wahr, dort einige Angelegenheiten zu reguliren, Schulden zu bezahlen, um LangdaUcrnde Blutrachefälle. HH1 dann auch im Stillen dem Mörder seines Bruders eiue Kugel durch die Brust zu jagen. Und er kehrt darauf nach Koustantinopel zurück, wo er seiu bürgerliches Gewerbe weiter treibt. Unterdessen wachst aber ihm an der Bocca eiu Feind auf. Die Verwandten des vou ihm Gemordeten haben ziemlich sichere Kunde davon erhalten, wer ihrer Familie den schlimmen Streich gespielt. Sie delegiren Einen der Ihrigen nach Byzanz, der seinem Familiellfeinde so lange nachschleicht, bis er eines Abends Gelegenheit findet, chn in den Straßen dieser Stadt zum Orcus zu senden. Es ist sehr wohl möglich, daß der Getädtete in Konstantinopel schon wieder einen Erben, sowie Geld- und Blutforderungen hat, und daß dieses meuchelmörderische Familienduell noch einc Zcit lang von Byzanz zur Bocca und von Bocca nach Byzanz weiter fortgesetzt werden wird. Eine andere Blutracheangelegenheit, die schon seit langer Zeit dauerte und von der man uns erzählte, war folgende: Ein Montenegriner, der als Knecht bei einem pastrovichianischen Vichbescher dicnte und seine Hecrde hütete, hörte eines Nachts Lärm im Stalle. Da er einen Menschen, der eingebrochen war, ein Schaf wegschleppen sah, so schoß er anf ihn und tödtete denselben. Es war uml>^ noch oft wieder bei ähnlichen Gelegenheiten, und während ich erst geneigt war, zn glauben, es wimmele hier von zahllosen ehrlichen, tngcndsamen Männern, kam ich am Gnde dahinter, baß „buomlommi" nichts weiter bebeutet, als ,,unsere Freunde". Der Ausdruck ist blos relativ zu verstehen. Gin guter Mensch ist der, der gerade uns nicht beißt; einen Anderen mag er auffressen, für uns bleibt er immer „buon-» uainu". — Der Gegensatz von „duamwmo^ ist „«iMivo ^«nte'> und so werden meistens alle die Leute bezeichnet, die eine andere Religion haben, oder mit denen man in Blutrache-Angelegenheiten 430 Der WaffenMllstand, Hauptes vor der verschlossenen Hauslhüre stehen, und Alle rnfen drei Mal nacheinander: „Gott helfe dieser ehrenwerthen Familie!" nnd dann: „Wir sind von Demjenigen entsendet, der Dein Schuldner ist, nnd der Dich bittet, daß Du ihm Viera (Sicherheit aufs Wort) gewahrest, auf welche Zeit es Dir gnt dünkt". — Sie umgehen dabei die Nennung des Namens des Mörders, um in dem Beleidigten nicht gleich bittere Gefühle aufzuregen. — Dieser laßt sic oft sehr lange stehen und wird wohl mitnnter in dem Augenblicke, wo die Versöhnung, zu der er sich vorher schon bereit zeigte, wirklich beginnen soll, wieder anderen Sinnes. Gewöhnlich aber öffnet er doch endlich die Hausthüre und tritt, von den Seinen vorgeschoben, heraus, der Deputation entgegen. „Was wollt Ihr, meine Brüder?" fragt er diese, obgleich diese Frage eigentlich überflüssig ist. Die Deputation wiederholt ihr Anliegen. Jener besinnt sich und erwidert endlich: „Wohlan, es sei! Wir geben unserem Schuldner und den Seinigen die Vicra auf vier Wochen" (odev auf sonst eine gewisse Ieit). — Hierauf ziehen sich Alle znrück, und zwei von den Depntirten überbringen dem Mörder die güustige Antwort. Erst nachdem ein Waffenstillstand zwischen den beiden Familien so zu Stande gekommen ist, kann derMörder daran denken, die Hauptdeputation seiner eigenen Verwandten zu entsenden, welche um einen definitiven Frieden bitten verwickelt ist. — Freilich ist es bei uns jetzt im Grunde auch nicht anders, da wir „Gute" oder „Gutgesinnte" alle diejenigen zu nennen pflegen, die von unserer Partei sind. Nur tritt, wie gesagt, dieser eigenthümliche Unterschieb von Guten und Bösen in jenem Lande noch etwas schroffer hervor. Die Deputation des Beleidigers. 481 und mit dem beledigten Theile den Tag der Versöhnungs-feierlichkeiten festsetzen soll. Er braucht einige Zeit dazu, um unter den Seinigen die zu dem Zwecke Geeignetsten auszuwählen und sie zu der Uebernahme des Auftrags willig zu machen. Er überredet gewöhnlich so Viele, als nur möglich, damit die Deputation recht glanzend, zahlreich und effectvoll werde. Der Hauptsache nach besteht sie aus Männern, doch werden ihr anch immer einige Weiber beigegebcn mit ihren Säuglingen und noch ungetaufteu Kindern ans dem Arme. Diese letzteren gehen vermuthlich mit, um durch den Anblick der Kleinen den Sinn des Beleidigten zu rühren; dann aber anch, um ihm sogleich durch eine Einladung zum Gevatterstehen zu schmeicheln. — Eine solche Einladung wird nämlich hier zu Lande, wie auch wohl anderswo, für sehr ehrenvoll gehalten. Auch diese Dcpntation wird wieder von den Geistlichen und den Acltcstcn des Ortes angesührt, die überall die Vermittler und Fürsprecher machen. Vor der Wohnung der beleidigten Familie bleibt wieder die ganze zahlreiche Deputation entblößten Hauptes stehen und rnft drei Mal nach einander: „He! Hallsher! Wir beschwören Dich bei Gott und dem heiligen Johannes*), dasi Dll Demjenigen, der Dir so großeS Uebel angethan, Frieden schenkest". Auf diese Beschworung tritt dann *) Johannes ist in Montenegro und auch überall bei den Stämme» an der Vocca der größte Heilige. Sie schworen immer bei O»tt und Johannes, wie andere Völker bei Jesus und Viaria. — Vielleicht ist daher auch das festeste und dominirmdstc Fort an der Bocca, der mächtige Festungsfelsen bei Cattaw, den, Johannes gewidmet und heißt daher Fort S. Giovanni. 432 Der Tag drr Ausgleichung. der nächste Anverwandte des Gemordeten mit der Mühe in der Hand aus dem Hanse und spricht mit einer Verbeugung gegen die Deputation und mit sehr ernster Miene: „Meine Bruder, der Friede, um den Ihr bittet, sei Euch gewährt." Alsdann führt er den Geistlichen mit einigen Aeltestcn und die Weiber mit ihren Säuglingen ins Haus, verspricht auf des Geistlichen Bitte bei den Kindern Pathenstelle zu vertreten, und beschenkt jedes derselben mit einem Tüchelchen. Mittlerweile werden die anderen Mitglieder der Deputation vor dem Hause mit einem Gläschen Branntwein tractirt, und dann treten der Aelteste und der Geistliche zusammen und setzen den Tag für die definitive Bestätigung des Friedens und für das Versöhnungsmahl fest, worauf Alle nach Hanse zurückkehren, und wiederum zwei voll der Deputation dem Mörder die Antwort bringen. An dem zur Begegnung der beiden Feinde und zur völligen Aussöhnung festgesetzten Tage versammeln sich die Verwandten des Gemordeten und begeben sich mit einem möglichst zahlreichen Gefolge vor die Ortskirche. Dort wählen sie zwölf Männer unter sich aus, und diese treten in die Mitte der Versammlung, um die Ankunft des Mörders abzuwarten und ihn zu empsangen. Kurz darauf erscheint dieser, im Gefolge seiner Verwandten und Freunde, welche ihm gewöhnlich die Versöhnungskosten tragen helfen, und unter welchen er gleichfalls zwölf nähere Verwandte ausgewählt hat. Mit diesen bleibt er in fünfzig Schritt Entfernung von der Gruppe der Gegner halten, und nun pocht ihm das Herz, denn jetzt muß er sich, wenn er den Frieden redlich will, ohne Widerrede einer Demüthigung unterwerfen, die für solche Menschen ganz eclatant ist und Demüthigungen des Beleidigers. 433 die ihm wohl ungemcin schwer von Statten gehen muß. Und manchmal mag in diesem Augenblicke noch wieder etwas Zwang und Ueberrednng von Seiten seiner Freunde nöthig werden. Der Mörder muß sich nämlich nun auf den Knieen in den Staub werfen und sich von seinen Begleitern das Gewehr oder die Pistole, mit der er den Mord verübte, um den Hals hängen lassen. In dieser erniedrigenden Position, auf den Händen und Füßen kriechend, muß er sich seinem Feinde nähern, der ihn in der Mitte der Seinigen erwartet. Seine zwölf auserwählten Anverwandten gehen ihm dabei zur Seite. Diese sind eben so, wie alle seine übrigen Begleiter, ganz unbewaffnet und unbedeckten Hauptes und haben, so wie er selbst, Gram, Reue und Unterwürfigkeit in ihren Ge-sichtszügcn ausgedrückt. Sie dienen zugleich dazu, ihren im Staube sich windenden und büßenden Freund auf der vorgeschriebenen Bahn zu halten, wenn vielleicht sein gebeugter Stolz Miene machen sollte, widerspänstig zu werden. Wenn der Mörder seinem Feinde gegenüber liegt, wagt er es noch nicht, zu ihm aufzublicken, küßt ihm vielmehr abermals und abermals die Füße und Hände. Dieser steht ernst da, Gram und tiefe Trauer schweben auf seinem Angesicht. Und wenn er nun den Mann, den er so lange haßte, der ihm seinen Vater oder seinen Bruder tödtete, auf dessen Vernichtung also seine Gedanken so lange conccittrirt waren, und dabei auch das entsetzliche Mordinstnllnmt, das ihm so großes Weh verursachte, dicht vor sich sieht, wenn er die verrnchte und hundert Mal von ihm verfluchte Hand an seinem Körper spürt, da mag auch ihn noch manche Leidenschaft durchzucken, da Kohl, Rcisc in D,ilma>ic». l. 28 434 Versöhnung. mag abwechselnd Zorn und Rache noch zuweilen seine buschigen Augenbrauen zusammenziehen. Er steht lange wie eine Bildsäule da. Abrr die Scinigen reden ihm jetzt in dem entscheidenden Moment so dringlick und besänftigend zu, alle Feinde stehen ihm so bittend und demüthig gegenüber, sein Hauptfcind liegt ihm zerknirscht zu Füßen und wiederholt seine Küsse. Die Manen des Todten fühlen sich bei diesem Anblick befriedigt. Der Triumphirende empfindet die letzte Wallung von Rache in seinem Herz zerschmolzen, er beugt sich endlich zu seinem Feinde herab, nimmt ihm die böse Waffe, welche so feindlich zwischen beide Familien trat, ab nnd schleudert sie weit von sich den Seinigcn zu, die sie zertrümmern. Gerührt nnd zuweilen unter heftigem Schluchzen hebt er seinen Gegner vom Boden, umarmt ihn, und Beide halten sich als Freunde nmschlungen. Es soll gar nicht selten sein (und dieß läßt sich anch sehr gut begreifen), daß anf diese Weise zwischen zwei Todfeinden die innigsten Freundschaftsverhältnisse sich entspinnen, wie das auch bei den Versöhnnngcn nach unseren Duellen wohl vorgekommen ist. — So wie die Begleiter der Beidell dieß erblicken, thun sie jubelnd ein Gleiches, umarmen sich cbensalls, sich gegenseitig Gevatter und Bruder rufend. Alsdann spricht der Geistliche daui den Segen und ein Gebet, und der Act des Vergebens nnd der Versöhnung ist vollzogen. Nun folgt noch die Ueberrcichnng des Blutpreises und die Versöhnungsinahlzeit. Zu dieser ladet der Mörder alle Mitglieder der Gegenpartei eiu. Von seiner eigenen Partei setzt sich aber Niemand znm Essen nieder, sondern seine Verwandten machen dabei die Taseldiener, indent sie Vcvsohmmgomahlzcil «:id Ncbl!rr>,'tch!Ulg d^s Vlutpreiscs. HI5 nock immcr mit entblößtem Haupte und niit unterwürsigcn, wenn gleich etwas frendigeren Mienen, Spcise und Wein hernmtragen. Der Mörder widmet seinem neuen Freunde die meiste Aufsicht. Nährend des Essens werden snnf Toaste ausgebracht, und nach dem fünften überbringt der Mörder selbst den nächsten Anverwandten des Gemordeten den Blutpreis von vierhundert Gulden für den ihnen zugefügten Schaden auf einem Teller, und nebst-bei für jeden Gast von der entgegengesetzten Partei einen Zwanziger. (5s wäre nu:i allerdings nicht sehr zart und ehrenvoll, wenn bei diesen! Btntpreisc als Hanptidec zum Grunde läge, daß dadurch der Zorn, der Schmerz und die Rache bezahlt lind abgekauft würden. Dich ist aber eigentlich nicht der Füll, vielmehr denken sie dabei, wic gesagt, weit mehr an ein Gutmachen des wirklichen in Gelde abschätzbaren Schadens, welcher der Familie daraus erwuchs, an den Verlust eines arbeitenden und erwerbenden Mitgliedes, an die Noth und Nalmiugslosig-keit der Frau und der Kinder, die hilfsbedürftig geworden sind, und an die Störung ihres ganzen Wohlstandes. Es werden daher auch häusig weder der Vlutprcis noch der auf jeden Gast kommende Zwanziger angenommen. Sehr oft verzichtet der verletzte Theil ganz großmüthig darauf, insbesondere dann, wenn durch den Mord das pecuniäre Interesse der Familie des Gemordeten wenig angefochten worden ist, wie z. V. wenn etwa nur ein invalider Greis getödtct wnrde, der ohnedieß der Familie nichts mehr erwerben konnte. Dem Anbieten des Geldes folgen dann noch zwei Toaste anf lange Dauer des zwischen den Familien hergestellten Friedens, worauf sich die Partei des 28* 4ZA Auöschlagcn d^s Vlutpreiscs. Gemordeten mit dem Gruße entfernt: „Lebe wohl, Hausherr.' Gott vergelte Dir's!" Jetzt erst setzt sich der Mörder mit seinen eigenen Verwandten und Freunden zur Tafel, und diese verlassen ihn alsdann nach der Bewirthung mit dem Wunsche, daß ihn Gott ein ander Mal vor ähnlichem Unheile bewahren möge. Es giebt übrigens auch Gegenden uud Stämme, die durchweg von einem so stolzen Ehrgefühl beseelt stud, daß sie bei einem vorkommenden Morde und bei einer Versöhnung nie den Vlutpreis annehmen. So soll bei den unternehmenden und ritterlichen Pastrovichianern, dem äußersten Serbenstamm im östreichischen Albanien gegen Süden, noch nie eine Familie bei vorgekommener Ermordung sich haben entschädigen lassen. Es handelt sich unter ihnen bei einer Versöhnung immer mehr um die demüthigende Ceremonie als um Geldbuße. Da die Verwandten des Mörders diesen immer bei einer solchen Versöhnung mit mehr oder weniger reichen Beiträgen unterstützen, und da sie nachher, wenn dem Mörder die Geldbuße erlassen wurde, uichts wieder zurücknehmen, so kaun es sogar vorkommen, daß der Mörder am Schluß der Rechnung bei einer Versöhnuug noch gewinnt, uud bloß die Familie des Gemordeten einige Kosten hat. Wie dieß möglich ist, wird aus einer Rechnung hervorgehen, die man mir über eine vor Kurzem im Pastrovi-chio stattgehabte Versöhnungsmahlzeit mittheilte. In dieser Landschaft wurde vor mehren Jahren ein Mord verübt, und bei der deshalb nach vielen Verhaud-luugeu von beiden Familien eingeleiteten und endlich glücklich durchgeführten Versöhnung hatte der Mörder folgendes Debet: Kosten des Persihnungsmahls. 437 <») Für die Vewirthung der Deputation, welche ihm die Sicherheit erbeten 1 Fl. l») für das Versöhnungsmahl 80 - o) für die ihm bei der Versöhnung abgenommene Waffe 8 - l)«t 3a. 539 Fl. Dagegen erhielt er und konnte sich zu Gute schreiben: «) die Beisteuer seiner Freunde und Verwandten zur Deckung der Versöhnungskosten 150 Fl. d) daS von den Gästen der anderen Partei nicht angenommene Regal von 20 Kr. pro Kopf 50 Fl. 438 Geld- und Streitsucht der Vocchestü und Montenegriner. Es versteht sich übrigens von selbst, daß cs hier, an der Bocca, wie in Montenegro immer einige Leute giebt, die cben so geld- als rachedurstig, dabei aber nichts weniger als von einem feinen Gbrgefühle beseelt sind, und die immer darauf ausgehen, mit Hilfe der Gesetze und Gewohnheiten über die Geldabschätzung, sich auf irgend einc Wcise die Taschen zu füllen, wenn sie es sonst durch Räubereien nicht können. Niemand an der Bocca hat gern Feinde in Montenegro oder in Kriwoscha, oder in der Shupfta oder im Pastrovicchio, und Jeder zeigt sich daher leicht nachgiebig gcgcn solche verzweifelte Leute, wenn sie irgend eine Forderung an ihn stellen. Diese wissen das wohl, und wenn sie irgendwo eine» reichen Mann kennen, den sie gerade nicht ausplündern können, so suchen sie eine Gelegenheit zum Ianken mit ihm vom Zaune zu brechen und ihm irgend eine Geschichte anzuhängen, für die er sich dann mit ihnen abfinden muß. — Bei solchen fusceptibcln und leicht erregbaren Menschen, die einen armen Italicner anf der Stelle niederschießen, der ihnen nur zum Scherz einmal an den Bart faßt*), die wie die Italiener in Shakespeare's Romeo und Julie im Stande sind, sogleich in Feuer und Flamme zu gerathen, wenn man sich räuspert und mit den Fingern ein Schnippchen schlägt und wenn sie dabei Verdacht schöpfen, daß man sich ihretwegen geräuspcrt oder dasi man das Schnippchen auf sie geschlagen hat, sind solche Collisionen eine wahre Kleinigkeit, und ein ehrlicher Cattarensischer oder Dodrotaner Vürger kann da ') Sieht einen solchen Vorfall iu des Obersten Vialla Reisebeschreibung Geld- und Streitsucht der Bocchesm mid Montenegriner. 439 sehr leicht in die schlimmsten Handel gerathen, die ihm schlaflose Nächte genug machen. Man erzählt sich von solchen Geschichten an der Bocca die wunderlichsten lind oft komischesten Dinge, die, wenn n«an sie alle wieder vorbringen könnte, für den Leser ein recht lebendiges '>' Marco ^»M!ici!owitsch. wiederum Voten an den Popen init derselben Bitte: ste hätten ihre Streitigkeit noch immer nicht beendigt; er wäre der einzige Mann, der sie schlichten könne, und er möge daher doch zn ibnen herüberkommen; sie wollten ihm Me Trene und freies Geleit zuschwöreu. Auch dieß-, mal wies Pop Marco sie nach einer Berathung mit den Seinigen ab. Die Türken aber kaüien znm dritten Male, unv zwar mit einer ordentlichen lmd zahlreichen Gesandtschaft, wie man sie sonst mir an einen großen Herrn sendet, und die dem Popen besonders schmeicheln mußte, und wiederholten die Einladung auf eine noch eindringlichere Weise als zuvor,. „Sie könnten", sagten sie, „ohne den klugen Popen nun einmal unter einander nicht fertig werden, und sie würden nicht eher wieder gehen, als bis er ihnen das Versprechen gegeben, zu kommen. Er solle doch der alten ehemaligen Streitigkeiten zwischen Kriwoschianern und Türken vergessen; dieß seien jetzt, in dieser Zeit des schönen Friedens, »abgemachte Dinge. Nicht die Kriwo-schianer mit den Türken, sondern die Türlcn unter einander seien jetzt in Streit gerathen und flehten ihren Nachbar au, das ehrenvolle Amt des Schiedsrichters zu übernehmen. Ob der gepriesene Held Marco, der doch so oft der Sieger bei Tscheten gewesen, sich deun jetzt so sehr fürchte. Wenn er es wünsche, so könne er ja mit einigen seiner tapferen Begleiter kommen; sie sollten alle als Wohlthäter bei ihnen hoch aufgenommen werden." Da auf einmal besann sich Pop Marco anders, erhob sich und gab den Türken die Znsage, er wolle, wenn ihm vom Veg von Nikschitz Treue geschworen würde, zu ihnen kommen. Pop Marc« Comnenowitsch, 4ZZ An dem bestimmten Tage warf er sich in Costnm, bestieg ftin beßtes Pferd iiild ritt in Begleitung von fünf oder scchs seiner fnwofchianer Freunde in das türkische Gebiet ein. Kein kluger Frennd hielt ihn an der Gränze zurück. Sein Pferd scheute nnd stutzte nicht. Keine alte Wahrsagerin des Gebirges prophezeite ihm seinen bevorstehenden Untergang. Vielleicht redete» ihm seine Kriwoschianer, die sich bei der Nachgiebigkeit der Türken recht gnt stehen mochten, noch selbst zu. Nachher aber sagten Alle, es sei unbegreiflich, wie der sonst so kluge und vorsichtige Pope Marco in diese Schlinge bade geben können. Es ist wahr, cS ist sonderbar genng, daß sich noch immer wieder serbische Lente finden, die sich von den Türken dupiren lassen, obwohl sie viele tagtäglich wie-dcrholte Sprüchwörter habn,, die vor der türkischen Treue warnen, nnd obgleich es zahllose Vorfälle in der Geschichte aller dieser Thäler und Gebirgsstämmc giebt, die beweisen, daß die Türken sich nicht verbunden achten, drn slavischen (5hristcii selbst die feierlichst angelobten Versprechen zn halten. In der menschlichen Vergeßlichkeit und der Eitelkeit ihrer Feinde finden die Türken troy Eprüchwortcin und Geschichte immer wieder Gelegenheit, sie von Frischem zu verderben. Pop Marco, so klug er war, hatte doch aus der Geschichte der Vergangenheit so wenig Vortheil gezogen, wie andere ^eute, nnd obwohl es ihm etwas wunderlich vorkam, dasi er die Wege in der Türkei so öde und verlassen sauo, daß auck selbst bei seiner Annäherung zu Nikschitz Niemalw ihm entgegenkam, ritt er - wnax pi'apy.«!«!! vil! — doch muthig und bald tollkühn weiter ^54 Pop Marco's Untergang. und galoppirte mit seinen Genossen auf den Hof des höchst unheimlichen, stnmmen und todten Schlosses des Begs von Nikschih, das ihm zum Rendezvous bezeichnet war, hinanf. Kanin war er den venätherischen Türken, die in diesem Schlosse versteckt lagen, in schusigerechte Nähe gekommen, so krachte eine reichliche Flintensalvc aus den Fenstern heraus. Und als der Pnlverdampf dieser ihm bereiteten Höllenmaschine sich verloren hatte, sah man den schönen, großen und hochberühmten Pop Marco, den Anführer und Haupthelden der Kriwoschianer, von seinem Pferde gestürzt im Staube liegen und mit dem Tode ringen, und neben ihm einige seiner treuen Begleiter eben so. Die Türken triumphirten, stürzten heraus und schnitten ihnen die Köpft ab. Ein paar andere der Begleiter entkamen, erreichten trotz der Verfolgungen der Türken glücklich die Gränze ihres Landes und brachten die Trauerkunde von deS Popen schmählichem Uniergang zurück. Das ganze Kriwoschia, die gesammten armen, aber tapferen Hirten und Hungerleider dieses Felsengebiets gcricthen in Wuth, Trauer und convulsivische Verzückung von Nachegefühlen, Alsbald versammelte sich der Rath der Aeltestcn und Familienhäupter, um sich über dieses furchtbare Ereigniß und diesen eklatanten Fall türkischer Verräthcrei zu besprechen. Lange tonnte man vor Bewegung zu keiucm Entschlüsse kommen; Einige meinten, der Tod des Pop Marco könne durch keine Art von Rache und Buße genugsam grsnbnt werden. Endlich wurde festgesetzt, der Pop sei mindestens so viel werth. Wie vierundzwanzig der vornchmften Türken von MM), und das Volk der Kriwoschia könne sich nicht eher be Nach? der Kriw^'schiancr für P>,'p Marco's Tod. 455 nchigt und befriedigt fühlen, als bis die Köpfe von vier-undzwanzig solcher Türken erlangt und in ihrem Thale eingeliefert seien. Sie thaten darauf ein Gelübde, daß es bei dieser Summe sein Bewenden haben solle, daß sie aber auch Alle diese Summe voll zu machen streben und nicht eher mit den Türken Friede machen wollten. Nnd nun begannen alsbald die Operationen und Ausfälle grgen die Türken, eine Reihe von Ucberlistuugen und Heldenthaten, die sich noch lange fortsftinncn wird, da es den Kriwoschianern seitdem — es sind seit jenem Vorfalle zwei Jahre verflossen — erst gelungen ist, acht von den ilmen nöthigen Türkenköpfen zu erlangen. Man glaubt, daß sie sich keineswegs eher zufrieden stellen werden, als bis die von ihrem Rathe festgesetzte Zahl von vicrnndzwanzig erfüllt ist. Der zuletzt unter jenen acht Köpfen erbeutete war einer, dessen (Anlieferung den Kriwoschianern ganz besondere Genugthuung verschaffte, (^s war dieß nämlich der Kopf des jnngen erwachsenen Sohnes eben jenes türkischen Begs, der den ganzen Verrath znm Untergänge des Pop Marco angesponnen hatie, und aus dessen Hause derselbe erschossen worden war. Die Art und Weise, wie die Kriwoschianer des Kopfes dieses Jünglings habhaft wurden, soll ein Meisterstück von Gewandtheit, List und Kühnheit gewesen sein, und ich will sie hier so trcn als möglich so wiedererzählen, wie man uns diese Geschichte mitgetheilt hat. Der Leser wird dadurch abermals einen kleinen Beitrag zu der Kunde von dem Verfahren dieser Nationen bei ihren Tschcten und Racheübungen erlangen. Zwei kriwoschianische Viehbuben — soll ich Hel-dcnjünglinge sagen? — die sich hänfig an der tnrkischen 456 Kühne knwoschianische Nachcthat, Gränze herumtrieben, hatten ausgekundschaftet, dasi der junge Sohn des Begs sich anf einem benachbarten Gute seines VaterS aufhalte, um die Erntearbeiten seiner Leute zu überwachen, daß er sich daneben aber mit der Wachteljagd divcrtire. Die Nachteljagd ist im Herbste an der Vocca, in Montenegro, in Dalmatian und überhaupt längs der ganzen Nord-Ostküstc des adriatischen Meeres ein sehr allgemeines Vergnügen aller müssigen oder wohlhabenden Iagdliebhaber, und die Passion für diese fashionable Beschäftigung, so glaubten die beiden Kriwoschia-ner mit Recht, möchte wohl den Begssohn zuweilen verleiten, sich etwas weiter, als klng wäre, ans der Umgebung seiner bewaffneten Arbeiter zu verlieren. Sie verschworen sich daher, ihrem stets rachcdürstendcn Vaterlanve den werth-vollen Kopf dieses Jünglings zn verschaffen. Es ist bei allen serbischen Stämmen nicht selten, daß zwei Freunde sich zn solchen patriotischen Dienstleistungen verschwören. Sie krochen aus den wildesten und verstecktesten Klüften ihres Berglandes hervor in das türkische Gebiet hinab und näherten sich gegen Abend auf Schleichwegen, indem sie sich immer in den Felsengräben nnd in den Furchen hielten, welche die wilden Regcngewässer in dem Boden ausgehöhlt haben, dem besagten Orte. Etwas Proviant hatten sie in einem Sacke mitgenommen, und ansierdem einen möglichst großen Vorrath von Pulver und Blei, ihre geladenen Gewehre und Pistolen und ihre langen Messer, und so übernachteten sie in einem Felsen graben in der Nähe des Besihthums ihres Feindes, wo sie wnßteü, daß der Wachtelfang ein lohnender sei. Am Morgen früh kam der jnnge Herr mit seinen Arbeitern auf das Feld, und nachdem er diese angestellt hatte, griff er zur Kühne kriwl'schianisch.,' Rachcthat. 457 Flinte mid ging auf die Wachteljagd, ohne jedoch seine Lentc zn weit zur Seite zn lessen. Die beiden Kriwoschianer hatten ihn von ihrem Versteck ans schon ins Ange gefaßt. Der junge Begs-sohn that niehrc Schüsse, zielte nud traf die Wachteln gut, ohne zn ahnen, daß auch seine Brust schon längst von zwei erbitterten Jägern zur Zielscheibe genommen war. Er that noch einen Schuß und sah freudig seine unschuldige Beute sinken, als anch er selber plötzlich, wohl durch Herz und Kopf getroffen, mit einem Seufzer zusammensank und auf der Stelle lautlos seinen Geist aufgab. Die Kriwoschianer waren natürlich mit seinem bloßen Tode nicht zufrieden, sie mußten auch seinen Kopf haben, um ihn als »polm npim^ ihven Landsleuten zu bringen. Dieß war der gefährlichste Theil ihres Unternehmens. Der Leichnam lag auf freiem offenen Felde; die türkischen Arbeiter, natürlich wie alle Leute hier bewaffnet, waren in überwiegender Anzahl in der Nahe. Wäre einer von ihnen aufmerksam geworden, so wären die beiden Wagehälse verloren gewesen. Sie warteten einen Augenblick den (5'rfolg ihrer Schüsse ab. Aber die Türken blieben ungestört bei ihrer Ernte-arbeit, in die sie ganz vertieft waren. Da sie nichts Böses ahnten und auch daran gewöhnt waren, daß ihr cms Wachteln passionirter junger Herr mehre Schüsse hintereinander that, so siel es ibnen nicht ein, daß einige der Schüsse auch wohl etwas Anderes zn bedeuten haben könnten als Wachteljagd. Die beiden Kriwoschiancr krochen daher vorsichtig und leise wie zwei Tigerkahen auf dem Bauche zn dem Leichnam heran, durch die Feldgräbcn und Gebüsche und 458 KülM kriwl'schianischr Nack'rthat, über den Acker weg. Liegend packten sic den noch warmen Körper, und auf der Erde kauernd, schnitten sie ihm den Kopf vom Rumpfe, faßten denselben bei den Haaren und schleiften ihn fortkriechend hinter sich her. In den Feldgräben und Gebüschen, in den Nildbachfnrchen und Felsenkanälen krochen sie mühsam zurück und wieder aufwärts zn den Höhen ihres benachbarten Hcimathslandes. So wenig wie den Kopf wollten sie sich auch den Triumph und den Anblick oes Entsetzens ihrer Feinde versagen. Als sie daher eilic Höhe erreicht hatten, von der es bis znr Gränze nicht nichr fern war, und wo sie sich für ziemlich sicher hielten, traten sie frei auf diese Höhe hervor, steckten den Kopf des armen Opfers auf einen ihrer Alpenstöcke und schwenkten ihn lwch in der Lnft, indem sie dabei ein lautes Iubelgeschrei erhoben und ihre Pistolen den Türken über die Köpfe weg abfeuerten. Jetzt wurden diese endlich aufmerksam, blickten um sich, fanden alsbald den entstellen Rumpf ihres Herru und ahnten Alles, was geschehen war. Sie setzten sich alsbald zur Verfolgung in Bereitschaft. Allein cs war zu spät. Die beiden Kriwoschianer schlüpfte!! schnell über die Gränze, wie der Fuchs in seine Höhle. Den Türken blieb nichts als Reue und Wehklagen, und in der Kri-woschia wurde der Kopf des jungen Vegsohns mit Trinmphgcschrei und Hohngelächter herumgetragen und zn den übrigen Köpfen für die Befriedigung der rachedürstenden Mahnen des Pop Marco Comnenowitsch gelegt. Gs ist Alles darauf zu verwetten, daß diese tragische Geschichte noch sehr lange fortspielen wird, und sehr wahrscheinlich werden noch nach hundert Jahren Reise-beschreiber ans die Geschichte vom Verrätherischen Tode Folgen uon Pop Marco's Tod. 459 dcs Pop Marco zurückzukommen Gelegenheit finden. Denn wie ein Unheil das andere gebiert, so werden sich natürlich aus den jetzigen Racheübungen der Kriwoschia-ner wieder Rachegelüste und Anforderungen der Türken entspinnen. Das Feuer der Blutrache glimmt unauslöschlich unter der Asche fort. Reiche können über den Häuptern dieser Leute uutergeheu, und sie können ihre Oberhcrren vielleicht wechseln und bald für die Venena-ucr, bald für die Franzosen, Russen oder Ocstreichcr in den Krieg ziehen müssen, aber ihre Blntrache werden sie darüber nicht vergessen und ihrer Privatfeinde, selbst wenn diese einmal mit ihnen unter demselben Seepter vereint sein sollten, bis ins dritte und vierte Glied gedenken. Man führt Beispiele davon an, daß diese serbischen Illyricr noch heutiges Tages von den mit ihnen verfeindeten Nachbarn Köpfe fordern für Beleidigungen, die ihnen vor drei- oder vierhnndert Jahren angethan wurden*). Im Angesicht von Kriwoschia und Risano führten unsere Marinesoldaten ein Manöver alls. ES war ein Scheinangriff auf den Ort. Os wurden die Kanonen und Flinten auf die Risanoten gerichtet, die Säbel gezückt. Aber diese, die sonst sehr freche Leute sind, kann',, dieß-mal noch mit dem Schreck davon. Denn es wurden nicht einmal blinde Schüsse auf sie abgefeuert. Es blieb )prian Robert, a, a. O. Thl. l. S. 93 über die von den Montenegrinern zum Andenken an den schonen Djuro geforderten Kopfe. <4ßO Niviera von Tcod<>. von Teodu ist sehr schön angebaut und erzeugt vortreffliche Weine, die beßten an der Bocca, die «ntcr dem Namen ^lgl'xlimiil« cli I<>c,6i> berühmt sind. Ich hatte später in Zara Gelegenheit, eine Probe dieser Wcine zu kosten. An der Bucht von Tevdo besitzt anch der Wladika von Montenegro ein kleines Stück Land auf östreichischem Boden, das ihm durch Testament vermacht wurde. — Auch liegt ein Kloster an dieser Bncht, das ehemals griechischen Mönchen gehörte. Unter vcnetianischer Herrschaft wurden diese griechischen Mönche mit Gewalt vertrieben und an ihre Stelle katholische hineingesetzt. Dieß hat aber das Volk nie vergessen. Denn als in neueren Jahren einmal der Blitz in das Kloster fuhr, einen Thnrm und die Kirche desselben zerstörte, mebre Mönche erschlug, da sahen die Umwohner darin die Strafe des Himmels für das in der Vorzeit an ihnen begangene Unrecht. — Die Kirche wurde bisher noch nicht wieder aufgebaut. Und da die Umwohner seitdem mehre Jahre hindurch von Mißwachs, Wasscrstuth uud Wetterschaden zu leiden hatten, so gaben sie davon die Schuld dem Umstände, daß kein Gotteshans mehr an ihrer Küste stehe, und sie haben daher jetzt die Regierung gebeten, es möchte der zerstörte Altar an ihrer Niviera wieder aufgerichtet werden. Es wäre ihnen einerlei, sagten sie, ob man einen griechischen oder römischen Altar vorzöge, wenn es nur ein Heiligthu m wäre, und wenn man da nur wieder beten und opfern könne, nm vom Himmel Befreiung von den in einer Kette sich folgenden Plagen zn erbitten. Man erzählte mir dieß als einen Zng und Beweis der eigenthümlichen Frömmigkeit dieses Volks an der Bocca. CasLel di mare unb Castd di terra. 461 12. Vastelnuodo. Endlich war die Stlmde unseres Abschiedes von dem uns so interessant mW werth gewordenen Cattaro erschienen und mit ihr eine kleine hübsche Barke, die uns an dem Quai der Stadt aufnahm und noch einmal über die mehrfach durchfurchten Gewässer der Bocea hinüber-führte. Unser nächstes Hauptziel war Ragusa. Und dahin geht von Eattaro aus der directeste Weg zuerst übers Wasser bis Eastelnnovo und dann von da aus durch die Thäler von Snttorina und Canale zu den Buchten, in deren Mitte Ragnsa liegt. Bis Castelnnovo hat man von Cattaro ans beinahe fünf Stunden zu rudern, und wir langten erst bei anbrechender Nacht vor jener Stadt an, die eine sehr malerische Position an der nördlichsten Bai des Canals einnimmt. — Ein altes, mit allerlei wilden Blumen nnd langwuchernden Pstanzentroddcln behängtes Fort ((^»8w1 äi imil-o) tritt anf einem Felsen schroff ms Wasser hinanS. Ein zweites Fort ^ll8w! »ii lci-,'.,) liegt höher in der Mitte der Stadt, und eine noch höhere, das Ganze beherrschende Felsenstnfe nimmt das sogenannte „Fort Spaguuolo" ciu, ln einiger Entfernung von der Stadt selbst. Zwischen diesen drei Forts ziehen sich die Häuser uud Straßen von Castelnuovo am Vergabhange bis zum Canale hinab. Wir waren glücklich genug, eine gefällige Person, die in der Locanda des Ortes das einzige bewohnbare Zimmer innehatte, bereit zu finden, es uns für die Nacht zu überlassen, so wie wir anch einen gütigen Herrn fan- 462 Position von Oastolnuovo. den, der am anderen Tage für uns sorgte, indem er uns Zngang zn allen Merkwürdigkeiten der Stadt verschaffte. Castelnnovo soll erst im vierzehnten Jahrhunderte von einem serbischen Könige, Namens Tiöartko, gegründet worden sein. Doch ist die Posttion dieser Localitat als des dominirenden Pnnktcs an der Ansmündnng der Hauptverbindungsthäler zwischen der Bocca nnd Ragusa, so bedentend, dast die Eristcnz früherer Vefcstignilgen und Ansiedelnngen wohl als ziemlich gewiß anzunehmen ist. Dieß deutet auch der Name des Ortes schon an, der wohl schwerlich Neustadt genannt worden sein würde, wenn nicht eine alte Stadt dagewesen wäre. — Der Platz blieb länger als irgend ein anderer Voeca-Pnnkt in den Händen dcr Völker und Staaten des Innern, zuerst der Serbier, dann der Türken, nnd kam erst am Ende des siebzehnten Jahrhunderts in die Gewalt der Venctianer, die ihn 1687 mit Hilfe der Malteser eroberten nnd mm für immer behielten. Aber anch schon früher hatten Ungarn, Serbier, Türken und Venelianer hänfig nm (5astclnuovo gestritten. Eine der berühmtesten Belagerungen ist die vom Jahre <5^j8, durch welche die Venetianer mit dem Beistände einer spanischen Hilfs-armee die Stadt einnahmen. Zu dieser Zeit sollen eben die Spanier das nach ihnen benannte Fort Spagnuolo geballt haben, das aber die Türken nicht hinderte, im folgenden Jahre die Stadt wieder einzunehmen und dabei die Ve-satznngvoü M)l) Spaniern über dieKlinge springenzn lassen. ltnser erster Morgenspaziergang galt jenen» interessanten Fort, von dessen Platformen und Mauerzinnen mau eine herrliche Aussicht auf die ganze Bocea nnd Umgegend geniestt. Wir bemerkten eine arabische Inschrift über Arabische Ihorinschrift. ^ßI einend Thore der Festung, und später hörte ich von einem Freunde, daß diese Inschrift zu einem Zwiespalt der Ansichten über die wirklichen Erbauer des F^rts Anlaß gegeben habe. Ter gemeinen nnter dem Volke und in allen Büchern verbreiteten Ansicht nach waren dieß, wie gesagt, die Spanier. Der Inschrift zufolge aber halten Einige die Türken dafür, so wie denn auch die Bauart der Festung mehr Türkisches als Spanisches haben soll. Die besagte Inschrift, deren Ueberjetznng ich der Güte jenes Freundes verdanke, lantet nämlich so: „Erbaut hat diese Festung auf Vesehl des Sultans, Des Sultans Eoliman, Sohnes des Eelim Chan, Der große Vniir, dessen Vlacht erhaben und dessen Person edel ist, Ver Bruder deS Großwesiers bei diesem Monarchen, Nämlich Sinan Veg (verlängert werde seine Lebensdauer! Und mögen sich mehren seiue Glncksgüterl) Nnter den erhabenen Auspieien und mit drrHilfe deci Nllbarmherzigen. Und der Lobpreisende') in der Begeisterung Als mein Anblick "") sich ihm zeigte, Sprach: das ^hrouographikou dieser Festnng ist wahrlich: Vortrefflichstes der Gebäude." Die Bnchstaben der drei letzten Worte geben, als Ziffern betrachtet, die Jahreszahl der Erbauung, das Jahr der Hebschra !15^, das unserem Jahre 15^7 nach Ehristi Geburt gleich ist. — Da nun, wie gesagt, die Spanier einige Jahre früher von den Türken ans dem Besitze gesetzt wurden, so ließe sich vielleicht die Behauptung der Inschrift mit der allgemein Verbreiteteil Meinung dahin vereinigen, das; die Spanier die Festung znerst bauten, daß sie aber bei der Eroberung durch die Türken halb ') «l'Mc«l: „Dichter". ") nämlich „des Schlosses", das hier gewissermaßen selbst redet. 464 Mildes Klima. zerstört und dann einige Jahre später von diesen nach ihrer Weise wieder aufgebaut wurde, und daß dieselben sich dabei das ganze Verdienst zuschrieben, während dic Christen nachher wieder den Spaniern, den ersten Erbauern, die Ehre gaben. Anch vor einem der Thore der Stadt steht noch eine leserliche arabische Inschrift, von der mir der oben bezeichnete Freund folgende Ucbersehuug mittheilte: „Erbaut wnrdc dieses befestigte Schloß auf Befehl des Sultans Mechmet Chan durch Mustapha Aga, den Diencr der Eultanischen Kuppel. Und es ward ihm als Datum: 1078" (gleich dem christlichen Jahre l667). Castelnuovo soll das mildeste und angenehmste Klima m der ganzen östreichischen Monarchie haben. Es soll nicht bloß weniger kalt als manche Gebirgspässe Dal-matiens, die der Bora ausgesetzt sind, sondern auch weniger heiß als andere Punkte des Landes sein, die zwischen glühenden Felsen eingeklemmt sind. Es ist hier daher auch eine sehr reiche und schöne Vegetation, und man sagte mir, daß sonst an keinem Punkte Dalmatiens wie hier sowohl die nördliche Flora unserer Länder als auch die des südlichsten Enropas so reichlich repräsentirt Ware. In den Gärten reifen das ganze Jahr hindurch diü Orangen und Eitroneu. Hie und da steht eine schöne orientalische Dattelpalme, Cypresscn sah ich nie so groß wie hier, dazu wilde Lorbeeren, reich mit Früchtew be-hangene Granatbüsche in allen Felsen der Umgegend. Und Trauben wurden uns präsentirt, deren Beeren in Größe mit unseren Pflaumen wetteiferten. Mit diesen großen Trauben, mit den Orangen und Palmen kommen hier aber auch die Kastanien, die Eichen, die Pappeln Malteserritttt'-Gräl'er. 465 und Weiden und andere bei Ulls citcheimische Bäume zusammen, die sonst im übrigen Dalmaticn nicht so gut gedeihen, während sie hier bei Castelnnovo so schön wie in ihrer eigenen Heimath fortkommen. Wir wanderten nnf einem schattigen Fußwege unter den herrlichsten Bäumen über die malerischen Höhen bei Casteluuovo hin zu dem griechischen Kloster Savina, das, anderthalb Miglie von der Stadt entfernt, auf der Mitte eines Abhanges nach den Vneolw 6i s^Uaro hin liegt. — Unterwegs boten sich die schönsten Alisblicke und die wundervollsten Gebüsch- und Banmpartieen dar, wie bei Montreur am Genfer-See. — Auch besuchten wir unterwegs eine kleine Kapelle, mit einem Kirchhofe und Gräbern rings umher. Es sollen dieß die Gräber der Malteserritter sein, welche bei der Einnahme Castel-nuovos dnrch die Venetian« sielen. Eine Menge kräftig wuchernder Aloebüsche stand am Abhänge der Felsenterrasse dieses Kirchhofs. — Auch von den Gräbern jener viertausend unter den Händen der Osmanen gefallenen Spanier sollen hier in der Gegend noch viele gezeigt werden. — Die Spanier ließen aber nicht bloß ihre Leichname, sondern auch Manches von ihren Sitten, und zum Theil vielleicht ihre Race an der Bocca. Ich er-wälmte schon, daß das schwarze Costüm der Bocchesen von den Spaniern herrühren soll. Auch erinnert das ganze ernste Wesen der Bocchesen vielfach an die Spanier. Dann hat mir ein Naguseischer Freund gesagt, daß in der Nähe von Castelnuovo auf Ragnseischem Gebiete ein kleiner Ort sei, dessen Einwohner sich alle für spanische Hidalgos hielten und ganz eigenthümliche Sitten bewahrt hätten. Ob von jenen viertausend Spaniern Kohl, Meise in Dalmaticn. I. ^>" 466 Kloster Savina. im Jahre l539 ciuige entkainen und sich in der Gegend festsetzten, oder ob die noch heutiges Tages sichtbaren Neste spanischen Elements überhaupt mit jeneil Ereignissen zusammenhängen, habe ick nicht erfahren. Das Kloster Savina fanden wir im schönsten Sonnenschein in einer reibenden Lage. Die wenigen „schwarzen" Mönche, die dort wohnen, kamen hervor nnd öffneten nns die Kirche, die im Jahre 1030 gestiftet worden sein soll, seitdem aber schon mehre Male renovirt und umgebaut worden ist, znm letzten Male im Jahre !839. In der Kirche selbst fandcn wir noch ein altcS Deerrt von einem Vene-tianischcn Dogen ans der Familie Mocenigo aufgehängt, durch welches den Mönchen erlaubt wurde, ihr Gottesbaus anf eigene Kosten zu nnoviren. -^ Diese griechischen Klöster an der Bocea, so wie überhaupt die wenigen griechischen Klöster, die es im ganzen übrigen Dalmatien giebt, sind die vornehmsten Pfleger und Bewahrer der alten slavischen Erinnerungen und Traditionen der Gegend. .Sie stehen mil den griechischen Klöstern des Innern der Türkei in Verbindung. Sie pflegen das Andenken an die Stephan Nemanja, an die Nresch und die anderen berühmten serbischen Kaiser und Konige. Unsere Klosterkirche war von einer Menge interessanter Grabsteine umgeben, welche die Gräber vieler ans-gezeichneten serbischen Familien und Knase bedeckten. Alle Bewegungen und Ereignisse in Montenegro und den inneren slavischen Ländern haben ein sehr natürliches Echo in diesen Klöstern gefunden. So stand z. V. auch der falsche Peter III. (Stephau der Kleine) von Montenegro aus mit dem Kloster Savina in Verbindung. Die Mönche, die zu meiner ^crwundcrnng bloß illyrijch und Straußencil'r in dor Klosirrfirche. 467 nicht italienisch sprachen, zeigten uns einige merkwürdige Kuustsachen uno Heiligthümer, die von den Klöstern des Berges Athos hierher gekommen waren, nnter anderen ein dort gemaltes Bild. Der Berg Athos sendet also diese Gegenstände anf der einen Seite nach Westen bis an's adriatische Meer, anf der anderen nach Norden bis zu den Klöstern an der Donan im Bannat und in der Vatschka oder der serbischen Woiwodina. Sehr auffallend waren mir einige Straußcncicr, die an den Säulen der Kirche eben so aufgehängt ware», wie man dieß sonst wohl in mohammedanischen Moscheen steht. Ich fand jpäter noch in einer anderen griechischen Kirche solche Sttanßencier. In den Moscheen soll sich bekanntlich die Sitte, Straußcneier aufzuhängen, auf eine Stelle im Koran gründen, wo der fromme Mohammedaner aufgefordert wird, so achtsam ans sein Gebet ;n sein, wie der Stranß auf seine im heißen Sande brütenden Eier. — Wie aber diese Straußeileier in eine christliche Kircbe gekommen sind, weiß ich niä>t. (Hin Freund von Bänmen „mß „och die herrliche Cypresse bettete», dic in der Nabe dic'es Klosters stebt, nnd dercn altes lnovnges Gezweig nnd lolossaler Bau uns mit Bewunderung erfüllte. Mau sagte mir in (5astelnnovo, daß der Ort jcht an gutem, süßem Nasser oft Mangel leide, daß aber ehemals die Türken hier eine sthr gute (Werne und ein vortreffliches Aqnäouct gehabt hätten, welches unter den Vcnetianem, die den Cisternrndirector nicht mehr besoldet hätten, in Verfall gerathen sei. Ich erinnerte mich dabei , auch in den Städten Vessarabiens und anderer Donaustriche, welche die Türken einst in Händen hatten, 30" 468 Gemsen in den albanrsischen Gebirgen, von dcm Verfalle ähnlicher .guter türkischer Wasserver-sorgnngsanstaltcn gehört zn haben. Die Brunnen und Cistcrnen, die den Türken ihrer religiösen Abwaschungen wegen so sehr am Herzen lagen, scheinen die einzige städtische Einrichtung zu sein, ans die sie sich gnt und oft besser als ihre Nachfolger verstanden nnd durch die sich ihre Herrschast als wohlthätig für die ihnen nnter-gebcnen Etadtbnrgcr bewies. Von den Dingen, die man mir sonst noch in Castel-nuovl> mittheilte, interessirte mich auch die Nachricht, daß in den benachbarten Gebirgen noch Gemsen vorkommen. Zuweilen, jedoch ftlten, so sagte man mir, brächte ein Montenegriner oder Kriwoschianer eine Gemse von seinen Bergen herab. — Dasselbe habe ich auch von guter Autorität in Cattaro versichern hören. Vermuthe lich giebt es daher auch Gemsen in den hohen Bergen des übrigen Albaniens, und als ich in Wien war und den Hörnerschmnck des in der Ambrasischen Sammlung aufbewahrten Helmes des Scanderbeg, den Einige für die Nachahmung eineS Gemsenkopfs halten, sah, gedachte ich dieser Erzählung von den Gemsen an der Bocca nnd glaubte gern, was mir ein Gelehrter als Vermuthung mittheilte, daß auch die alten Könige von Epirns schon ein Gemsgehörn znm Abzeichen, ich weiß nicht, ob in ihrem Wappen oder auf ihrem Helme, getragen hätten. Doch lasse ich dieß dahingestellt sein. Es ist möglich, daß diese Sache nicht begründet ist. Die Hörner auf dem Helme des Ecandcrbeg in Wien gleichen eigentlich sogar mehr denen des Iiegenbockes. Druck vou O. H. N, Nocnn'lci in Di'tsdni.