Muzikološki zbornik Musicological Annual XXVI, Ljubljana 1990 UDK 929 Dusfk F.J.B. Jitka Snizkovâ FRANTIŠEK JOSEF BENEDIKT DUŠIK Praga Der Beitrag der tschechichen Musiker in der europäischen Entwicklung der vor-mozartschen bis nachbeethovenschen Epoche ist wohl bekannt. Diese — in Böhmen geborenen — Musiker stammen vorwiegend von den damals weit in die Geschichte gehenden Generationen der Musikfamilien; manche von den Musikern sind im 18. Jahrhundert aus verschiedenen Gründen aus der Heimat — Böhmen — weggegangen um in den reichen Grafen- oder Kirchenkapellen tätig zu sein. Die von ihnen, welche in Böhmen geblieben sind, haben ein armes Leben gelitten und kämpften um Existenz als Kantoren (Dorflehrer) oder régentes chori; dabei haben sie aber weitere Generationen der Musiker in Böhmen erzogen. Unter diesen hervorragenden Musikfamilien in Böhmen finden wir die Familie D u s i k, zu welcher auch der in Ljubljana wirkende Komponist und Kapellmeister Fran-tišek Josef Benedikt gehörte. Die Genealogie1 dieser Familie ist bis in die Zeit des 15/16. Jahrhunderts nachweisbar: Familie Dusîk — die Dusîks im 15./16. Jahrhundert in der Stadtverwaltung in Hradec Krâlové Jan Dusîk + Anna geb. Novotnâ aus Lhota (Hochzeit 1694), tätig als Bauern bei i Vâclav Dusîk Jan Dusîk + Alžbeta Šreinerova (Hochzeit 1737), tätig in Mlâzovice Jan Josef Dusîk (1738-1818), Organist und Lehrer in Časlav + Veronika Števe-. tovâ (1735-1807) Jan Ladislaus (1760-1812), Marie (1763), František Josef (1765-1818?), Antonie Veronika (1767-?), Katerina Veronika Anna Rosalia (1769--1833), Františka (1770-?), Vaclav Antonîn (1772-?), Františka Katerina (1774-?) 1 Im Museum in Časlav — Saal des Jan Ladislaus Dusîk; G. Černušek — VI. Helfert, Pazdir-kuv hudebnî slovnik, Brno 1937, S. 214; J. Zverina, Probuzenî naroda hudbou, Dušikova rodina, Museum in Časlav, sign. DÜ-8; Fr. Škrdle, Jan Josef Dusîk, Câslavsky kantor a var-hanîk, Časlav 1934. 29 Časlav im Jahre 1812 František Josef (Benedikt) wurde in Časlav (22. III. 1765)2 geboren. Sein Taufvater war František Bojan, Mitglied der Stadtregierung,3 nachdem er bestimmt den Namen František bekam. Die erste Musikerziehung gab ihm sein Vater Jan Josef — re-gens chori und Lehrer in Časlav - und seine Mutter Veronika, die eine gute Harfenistin und Kirchensängerin war. Sein Vater war auch als Komponist tätig; zwei seine Kirchenlieder sind bis heute in der Kirchenpraxis geblieben. Die Familien Dusîk wohnte in eigenem Haus in der Nähe der Stadtkirche in Časlav, Stadtring Nr. 103; das Haus gehörte Frau Veronika, sie hat es geerbt und dort befand sich auch die Klasse des Kantors Jan Josef. Das Haus steht bis heute als Nr. 1 71 am Stadtring.4 Die ganze Atmosphäre der Musikfamilie Dusîk kennen wir aus der Schilderung von Charles Burney,5 der an seiner Reise Časlav im Jahre 1 772 besuchte. Er schrieb: „...in Časlav sah ich alles in täglichem Licht: Der Organist und Kantor Jan Josef Dusîk und der Violinist der Pfarrkirche Martin Kruh, die dabei auch Schullehrer waren, haben alle meine Fragen beantwortet. Ich bin in die Schule gegangen, überall war es voll von 2 Franz Josef Benedikt Dussek, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart (Willi Kahl), Kassel-Basel 1954, S. 1010; Ceskoslovensky hudebnî slovnîk, Praha 1963, S. 270-273^ 3 Skladatelskâ rodina Dušiku, in: Katoličke noviny, 12. II. 1950, Časlav museum siqn DU-8. 4 S. Hipman, Dusikovska kapitola, in: Pametni tisk, Časlav 1960. 5 Charles Burney, The Present State of Music in Germany, the Netherlands and United Provinces, London 1773. 30 co D 03 to I U) C to Q. 0 0) 3 D C to Kindern (6-11-jährig), sie schrieben, lasen und spielten Violine, Oboe, Kontrabass und andere Instrumente. Der Organist hatte in kleinem Zimmer seines Hauses vier Klavichorde, bei welchen kleine Buben übten. Sein Sohn, der neun Jahre alt war, spielte Klavichord sehr gut...". Unsere Frage lautet: Um welchen Sohn Dusfks handelte es sich bei dieser Begegnung? Jan Ladislaus war im Jahre 1772 schon zwölfjährig und studierte schon in Jih-lava. Unser František Josef war erst siebenjährig, er spielte aber schon Klavichord. Meiner Meinung nach handelte es sich mehr um František Josef, dem Burney in Caslav begegnet ist. František Josef spielte nämlich als Kind Orgel, Klavichord, Geige und Violoncello. Er spielte oft mit dem Vater in der Kirche. Als Knabe war er Mitglied der Stiftung des Klosters in Žaar nad Sâzavou, in Prag studierte er Musik beim Komponisten Augustin Senkyf und bald, noch während der Studienjahren, war er in dem Benediktiner-Kloster zu Emaus in Prag als Organist tätig. Sein Lehrer — Augustin Senkyf6 — war Vertreter der einfachen harmonischen Musikkonzeption im Stil des Frühklassizismus. František Josef Dusîk war um dreissig Jahre jünger und gehörte also in seinem ganzen musikalischen Denken der auftretenden Generation der Mozart--nachfolge. Der Grund seiner Abreise von Prag ist nicht bekannt. Vielleicht hat er die Not der bescheidenen Musikexistenz als Organist schon in Caslav beim Vater Jan Josef gesehen und gekannt, aber neben den ökonomischen Gründen waren es bestimmt auch künstlerische Umstände: sein Bruder Jan Ladislaus Dusîk, um fünf Jahre älter (1760--1812) wurde bald berühmt und war tätig als hervorragender Pianist in Paris und in London, ein Künstler des abendteuerlichen Lebens und in seinen Kompositionen ein Vorgänger des romantischen Musikstils. František Josef, unterstützt von der Gräfin Lützow, reiste nach Italien, wirkte in Piémont, Mortara, Venedig und Mailand, und wirkte ab 1790 in Ljubljana als Kapellmeister und Komponist. Im Jahre 1794 war er bei der Gründung der Philharmonischen Gesellschaft in Ljubljana.7 Im Jahre 1798 ist er wieder in Venedig nachweisbar, und im Jahre 1808 begegnen wir ihm als Komponisten und Kapellmeister im Soldatenheer des Feldzugmeisters Davidovič. In Ljubljana hat er Frau Anna, geboren Fokke, aus Krain geheiratet. Ihr Bruder Michael Fokke war in Stična in Krain als Beamter beim Kontrollamt angestellt. Im Jahre 1811 ist František Josef Benedikt in Ljubljana nicht mehr zu finden und führte wahrscheinlich ein abend-teuerliches Leben. Dafür sprechen zwei Dokumente aus Časlav. In den Protokollbüchern des Magistrats in Časlav finden wir beim Datum 20. 9. 1811 unter Nr. 58 die folgende Eintragung: „Anna Dusseg, geboren Foke, wohnhaft in Ljubljana, Na Starom trgu 132, bittet um eine Nachricht über ihren Gemahl Franz Dusseg". Das Rathausbureau in Caslav schrieb damals an den Kantor Jan Josef Dusfk, er sollte notwendige Nachrichten an seine Schwiegertochter zusenden. In dem zweiten Dokument im Protokoll der Stadt Caslav schrieb den 19. VI. 1815 Anna Dusîk aus Ljubljana und fragte, ob ihr Schwiegervater Jan Josef Dusîk, Organist, in Caslav noch am Leben sei. Die Antwort sollte aber nicht nach Ljubljana, sondern an die Adresse ihres Bruders Michael Fokke nach Stična geschickt werden.8 Der Ceskoslovensky hudebnî slovnik, Praha 1965, S. 686-687; F. Marušan, Augustin Vaclav Senkyf (Schenkirz), Ms. Dragotin Cvetko, Stoletja slovenske glasbe, Ljubljana 1964, S. 138. Protokoll der Stadt Časlav, Nr. 58, 26. 9. 1811, S. 248; ib., 19. VI. 1815; Fr. Škrdle, Jan Josef Dusik, caslavsky kantor a varhanîk, Caslav 1934, S. 39, 42. 32 Magistrat von Časlav hat dem Herrn Fokke geantwortet, dass Organist J.J. Dusfk in Časlav lebt. Wo war zu dieser Zeit František Josef Benedikt? Warum wusste er nichts von seinem Vater? Warum hat seine Frau Anna den Brief geschrieben? Wusste sie nicht seine Adresse der Anstellung beim Feldzugmeister Davidovič? Zu dieser Zeit (1815) war sein Bruder Jan Ladislaus schon tod. Wir wissen, dass beide Brüder sich in Italien begegnet und besucht hatten. František Josef Benedikt ist aber nie mehr nach Böhmen zurück zum Besuch gekommen und hat nie mehr den Vater gesehen. Die letzten Jahre des Ljubljaner Organisten und Kapellmeisters František Josef Dusfk werden durch diese Briefe seiner Frau unklar. Sein Todesdatum ist nicht bekannt, aber im Jahre 1816 sollte er noch am Leben sein. Wahrscheinlich ist er in Stična gestorben. Das Werk von František Josef Benedikt Dusfk (in Italien Cormundi geschrieben) ist heute nur wenig bekannt. Während seines Lebens wechselte er die Tätigkeit des Violinisten mit dem Taktierstab des Kapellmeisters und der Feder des Komponisten. Die Hauptachse seiner kompositorischen Tätigkeit war bestimmt die Opern-Komposition. Wir wissen aus der Leipziger „Allgemeinen Musikalischen Zeitung" aus dem Jahre 1817 von mehreren Operntiteln auf italienische Texte: La caffeteria di spirito La ferita mortale La feudataria Infortunato successo L'impostore L'incatesimo senza magia Matrimonio e divorzio in sol giorno ossia Angiolina Voglia di dote e non di moglie Roma salvata (opera seria) Ombra ossia il revedimento (farsa seria) Oratorium: Gerusalemme distrutta Im Museum der Tschechischen Musik in Prag hatte ich zur Disposition Stimmen der folgenden Kammermusik: Trio G-dur für drei Flöten (Allegro-Menuetto-Rondo) Trio d-moll (Adagio-Romance-Rondo), beide hrsg. bei Peters in Leipzig Serenata für zwei Violinen, 2 Hoboe (Klarinette), 2 Waldhörner, Bratsche, Violoncello e Basso, hrsg. bei Combert & Co. in Augsburg. In dieser Kammermusik ist František Josef Dusfk ein wahrer Mozarts Anhänger und Nachfolger. Die Musik ist gut zugänglich, spielbar und wird in der Musikpädagogik sowie bei den Wettbewerben noch heute gebraucht. Er gehört zum Komponistenkreis der nachmozartschen Periode am Ende des 18. Jahrhunderts.9 Seine schöpferische Motivation hat ihre Quelle in der Musikpraxis im Theater und in den Orchesterkapellen. František Josef Dusfk, wie alle andere Komponisten dieser Zeit, strebte nicht nach hohen dramaturgischen Zielen, sondern er schrieb seine Musik für das damalige gesellschaftliche Leben, Musizieren und Zuhören. In diesem Artikel will ich noch an Namenvertauschungen und Verwirrungen mit verschiedenen anderen Komponisten aufmerksam machen. Aus dieser Zeit ist die Musik nur in einzelnen Stimmen aufbewahrt. Handschriftliche Kompositionen und Na- 9 J. Snižkova, František Josef Benedikt Dusîk (Cormundi) — obdivovatel Mozartov, in: Ber-tramka, Véstnik Mozartovy obče, Praha 1988, S. 4. 33 men der Komponisten waren damals ungenau geschrieben und auch die Namenorthographie bei denselben Autoren war nicht einheitlich. Sehr oft fehlt auch der Taufname des Komponisten und bei ganzen Musikfamilien mit demselben Namen kommt es manchmal zu den rätselhaftesten Problemen. Die Schreibweise des Namens Dusik war sehr verschieden: Dussek, Dusseg, Dussig, Duschek, Dusek. 1. Der Zusammenhang mit demselben Namen, d.h. mit seinem Bruder Jan Ladis-laus Dusfk, kommt sehr oft vor. Als Komponist hat J.L. Dusîk mehrere Klavierwerke herausgegeben. Aber im Vergleich zu Kompositionen des František Josef offenbaren seine Werke schon mehrere Züge des Frühromantismus.10 2. Dann kommt derselbe Name Dussek noch bei Katharina Veronika Anna Rosalia (1769 in Časlav - 1833 in London), der Schwester von František Josef, vor. Zwei ihre Klaviersonaten im spätklassischen Stil sind bekannt.11 3. Die Stärkeste Konfusion kommt mit dem in verschiedenen Weisen geschriebenen Namen František Xaver Dušek (Dussek, Duschek), vor. Dieser Franz X. Dušek (1731-1799) war der berühmte Prager Mozarts Gastgeber und Gemahl der Sängerin Josef ine Dušek (Duškova). Er hat Kammerensembles, Trio-Sonaten und viele Klavierkompositionen in dem rein klassischen Stil geschrieben. Er wirkte in Prag als Musikpädagoge; diese Tätigkeit hat seine vierhändige Klaviersonaten und einige Kinderlieder inspiriert. Er hat keine Vokalmusik, keine Arien oder Lieder geschrieben, obzwar seine Frau eine hervorragende Sängerin war.12 4. Dann finden wir noch Stimmen von einem ziemlich unbekannten František Dušek (Duschek, Dussek), welcher Kirchenkomponist in Ostböhmen war und aus Do-brouč stammte. 5. Vom bis heute wenig bekannten Benjamin Dušek (Dussek) sind zwei Konzerte für Violine nur in einzelnen Stimmen — ohne Partitur — im Museum der Tschechischen Musik in Prag bekannt. Da befinden sich noch mehrere Kompositionen mit der rätselhaften Autorschaft unter den Namen Dussek, Duschek, Dussig. Die zeitperiode des Ljubljanaer Aufenthaltes unseres Komponisten František Josef Benedikt Dusik (Cormundi) scheint für sein Leben und Tätigkeit sehr wichtig gewesen zu sein. Sein Lebenslauf sowie sein Werk warten noch auf die musikwissenschaftliche Quellenforschung, Spartierungen, Beschreibung und Bewertung. 10 Ceskoslovensky hudebnî slovnîk, Praha 1963, S. 271, 272, 273. 11 S. V. Klima, Katerina Veronika Anna Dušikova', in: Zprâvy Bertramky, Praha 1961, Nr. 29; L. Vojtîskovâ, Skladby žen ze starych hudebnîch a hereckych rodin, in; Časopis Narodnîho muzea, Praha 1954, S. 66; id.; Skladatelky ceského puvodu v ciziné, in: Zprâvy Bertramky, Praha 1967, Nr. 50, S. 6-7. 12 V. J. Sykora, František Xaver Dušek, Praha 1958, S. 69-71; J. Snižkova, Mozarts Prager Gastgeber, in: Acta Mozartiana, Augsburg 1987, Heft II, S. 36-39. 34 POVZETEK Skladatelj František Josef Benedikt Dušik, rojen leta 1765 v Časi avu, izhaja iz dobro znane češke glasbene rodbine, katere genealogija je dokumentirana vse do 15. stoletja. Prvi glasbeni pouk je dobil pri svojem očetu, kije služboval kot regens chori in učitelj v omenjenem mestu. Nato je študiral pri skladatelju Avguštinu Šenkvru v Pragi, kjer je bil tudi organist v benedektinskem samostanu. Vzroki njegovega odhoda iz Prage niso znani, bržkone pa so bili ekonomskega in umetniškega značaja. Ob podpori grofice Lützow je odpotoval v Italijo, kjer se je zadrževal v Piemontu, Mortari, Benetkah in Milanu. Od leta 1790 je deloval kot kapelnik in komponist v Ljubljani. Ob ustanovitvi Fi/harmonične družbe leta 1794 je tudi nastopil kot pianist. Za leto 1798 je zopet izpričano njegovo bivanje v Benetkah, leta 1808 pa je bil kapelnik v armadi vojnega poveljnika Davidoviča. Vemo tudi, da seje v Ljubljani poročil z Ano Fokke, po rodu iz Kranjske, katere bratje bil uradnik pri nadzornem uradu v Stični. Toda že leta 1811 F. J. B. Dušik ni več v Ljubljani; kam je šel ni znano. Kaže pa, da je vsaj leta 1816 še živel ter verjetno je umrl v Stični. Skladateljski opus F. J. B. Dušika je doslej še skoraj neraziskan in ga bo treba podrobneje preučiti. Sodeč po razpoložljivih podatkih pa seje osredotočal v opero, saj poznamo naslove večjega števila tovrstnih njegovih del. Zdi se, da ni težil za višjimi dramaturškimi cilji, ampak je pisal predvsem sprejemljivo družabno glasbo. 35