Eröjfnrmgs - und Schlußrede bei Gelegenheit der feierlichen Prämien-Verkeilung am MvtLcher GWWLLßWW- gehalten am L August 18SO vom prov. Director der Anstalt Bortvort. ^HlUit der vorliegenden Rede versuchte ich die Einsicht in die neue Organisirung der Gymnasien den minder Eingeweihten in schlichten Worten zu erleichtern. Sie trägt daher ganz das Gepräge einer Ge- legenheilsredc, und verwahrt sich gegen die Zumuthung, als läge in der Veröffentlichung derselben ir¬ gend ein Anspruch von meiner Seite aus Originalität oder doctrinärcs Gebaren. Bei dein vielseitig an mich ergangenen Wunsche, die Worte, wie ich sie gesprochen, in Druck legen zu lassen, konnte ausschließlich der Beweggrund für mich bestimmend sein, daß der von mir beabsichtigte Zweck auch in weiteren Kreisen erreicht werde. Hingegen konnte ich nach dem dießfalls gefaßten Entschlüsse nur mit innigem Vergnügen die von einem verehrten Freunde mir dargebotene Gelegenheit ergreifen, die Schrift als einen Verlagsartikel in Werth zu setzen, und den Ertrag dem krainischen Jnvalidenfonde zuzuwenden. Laibach den 7. August 1850. Ktcemnnn. k Krs^reM R mo t?r v ve *r v -k .»V »n>. v . ,. ,, . <4 .. .4 , . , , . .. ..- . ' .. '. -'v . . ^.' 4 . ... 7 / . >.. . ^ , -5°Ek5 ^Hch will der früheren Sitte untreu werden und statt der herkömmlichen Declamationsproben von Seite der studierenden Jünglinge heute mir selbst einige Worte erlauben. Vor Allem empfangen Sie, hochverehrte Gäste, unseren wärmsten Dank für die ausnehmende Ehre, welche Sie unserem heutigen Fest- mit Ihrer Gegenwart erweisen, und gestatten Sie mir gütigst, daß ich Ihnen einige Mittheilungen über die neue Organisirung der Gymnasialstudien mache. Jeder Neubau ist schwierig; insbesondere aber ist es dis Periode des Ueberganges vom Alten, das noch theilweise besteht, zum Neuen. In einer solchen Periode befinden wir uns gegenwärtig, sie hat mit dem heurigen Schuljahre begonnen. Worin besteht nun das Neue? welche Zwecke will man damit erreichen? mit welchen Mitteln? auf welchen Wegen? Em Gymnasium ist dieAnstalt des erziehenden Unterrichtes für diejenigen Kna¬ ben und Jünglinge, welche sich d em G e l e h r ten sta n de widmen. Der gelehrte Stand ist aber der¬ jenige, welcher eine fortwährend bildende Macht im Ganzen des Volkes ausübt, welcher für das Ziel einer humanen, d. h. dem Geiste und dem Herzen nach vollkommenen Bildung im Staate zu wirken hat; ec faßt also nicht etwa die Gelehrten und Lehrer vom Fach allein in sich, sondern auch die Richter, die Priester, die Aerzte, die ordnenden und berathenden Behörden, die Rechtsanwälte und wahrlich auch die berufstüch¬ tigen Redactionen öffentlicher Blätter. Alle diese unterrichten das Volk, im fortwährenden mündlichen oder schriftlichen Verkehre mir demselben üben sie einen belehrenden Einfluß. Für solche Stände har nun das Gymnasium vorzubilden; es darf daher an demselben kein Lehrfach fehlen, welches geeignet ist, die allgemeine Bildung zu gründen oder zu ergänzen. Was ist nun die allge¬ meine Bildung und deren Aufgabe? „Vor Allem ein Mensch im edlen Sinne des Wortes zu werden, bevor man Priester, Richter, Arzt, Lehrer wird. Und die gemeinte Vollendung ist wieder nur da, wo ein gesunder, geübter Verstand, wo eine beharrliche Willenskraft bei edler Richtung des Strebens, wo ein frommes Gemüth, das alle Lebcnsverhältnifse mit Gott in Beziehung bringt, wo die Anlagen des Geistes in einer harmonischen Ausbildung sich zu Einem schönen Ganzen vereinigen. Diese Aufgabe ist dem acht¬ jährigen Gymnasialstudium zugewiesen, die Mittel und Wege sind vorgezeichnet; ich will sie kurz berühren. Die Gelehrten scheiden das Gesammrgebiet der Erziehung und des Unterrichtes in Didaktik, Me¬ thodik und Pädeutik. Was verspricht nun unsere neue Studicnverfaffung bezüglich der Didaktik, d. h. der Unterrichcsgegenstä'nde? Es sind außer den bisherigen Lehrmaterien in das neue Gymnasium noch ausgenommen: die deutsche und flovenische Sprache, andere lebende Sprachen, Naturgeschichte, Physik, Kalligraphie, Zeichnen, Gesang und Gymnastik. Ich bemerkte vorher, die Vollendung des Menschen bestehe in einer harmonischen Ausbil¬ dung aller seiner Kräfte, der moralischen, geistigen und physischen. Sollen nun alle in einem höheren Grade und Ebenmaße entwickelt werden, so gehören die bezeichneten Gegenstände dazu, um den Stoff zu liefern. Es ist wohl nicht nöthig, dieß an den Lehrfächern der alten Gymnasien nachzuweisen. Denn daß die Religionslehre den Grundpfeiler der sittlichen Bestrebungen, der Charakterstärke, des inneren Glückes in dem jugendlichen Gemüthe zu legen hat; daß die Meisterwerke der alten Griechen und Römer das Ret¬ tungsboot echt wissenschaftlicher und ästhetischer Bildung gegen die Stürme der Barbarei bleiben werden; daß ferner Geschichte, Geographie und Mathematik nicht entzogen weiden dürfen, wenn der Bildung zuge- strebt werden soll, Hal noch Niemand geläugnet, der zwischen wissenschaftlilcher Bildung und unwissen¬ schaftlicher Routine unterscheidet. Aber es ist auch eine Wahrheit, daß die Kennrniß der deutschen, als der Sprache des österreichischen Reichsverbandes und unseres Unterrichtes, und die Kennrniß der slovenischen, als * —4 — der Sprache unseres Landes, sich nicht bloß auf richtiges Lesen und Sprechen, auf den Gebrauch derselben ohne Fehler gegen Grammatik und Orthographie, sondern auch auf stylistiiche Correctheic und Gewandtheit, auf historische und ästhetische Kenntnis; des Bedeutendsten aus der Literatur zu erstrecken hat, zumal als in einer Sprache conversiren können, noch nicht gründliche Kenntniß, am wenigsten Beberrschung derselben ist. Es ist zweitens wahr, daß die Kenntniß auch anderer lebenden Sprachen, wie bei unS der italieni.- schen, ein practisches Bedürfniß ist, und daß, nach Görhe, derjenige, welcher fremde Sprachen nicht kennt von seiner eigenen nichts weiß. Es ist ein- dritte Wahrheit, daß in dem studierenden Knaben die Sinne im Anschauen der Thiere, Pflanzen und Mineralien, und der Verstand in der Erkenntniß der Gesetze, nach welchen die Naturerscheinungen sich erklären lassen, geübt werden sollen. Viertens ist es wahr, daß die allgemeine Bildung erst vollständig wird durch Erlangung gewisser Fertigkeiten, die theils den Lebensgenuß erhöhen, theils die Berufsrüchtigkeit fördern; es ist endlich wahr, daß wohl nicht auf den Geist allein zu sehen ist, sondern daß auch der Körper für seine Gesundheit, Kraft und ersprießliche Gewandtheit dringende Forderungen stellt. Nun denn, da ist's wohl ein Glück, daß durch Ergänzung des Gymnasial-UnterrichteS mit lebenden Sprachen, mit Naturgeschichte und Physik, mit Zeichnen, Gesang, Kalligraphie und Gymnastik der stu¬ dierenden Jugend die Buhn ausgemeffen ist, worauf Einseitigkeit und Halbheit der Entwickelung ferne gehalten wird. Ein schönes Zi-l! doch wer erschrickt nicht dabei vor der Zahl und Mannigfaltigkeit der Lehrgegen- stände? wen beschleicht nicht ein Gefühl des Bedauerns über die studierenden Knaben ob der Qual milden häuslichen Arbeiten? Erlauben Sie mir, Hochverehrte, daß ich Sie zur Methodik führe, oder zu dem Verfahren, welches nunmehr bei der bildenden Wirksamkeit in der Schule zu beobachten ist, und dann — dann, glaube ich, werden alle jene von ferne drohenden Schreckbilder der Ueberbürdung und Marter der Jugend verschwinden. Im Religionsunterrichte ist Umfang und Methode zwar noch nicht vorgezeichnet; allein wir sind es bei der Weisheit der Kirchenfürsten und bei dem ausgesprochenen Geiste der neuen Stndienverfaffung gewiß, daß die Mittheilung der göttlichen Lehren unserer Religion zunächst an die rechte Stelle der jugendlichen Natur, an das Gemüih geleitet werde. Faßt darin das heilige Wort Wurzel, so ist der moralische Compaß auf der LebenSfahrt sterS zur Seite, und spätere Verstandesübung kann ihn nur stärker und untrüglicher machen. Mit Ausnahme der Religionslehre ist sonst die Methode durchgängig geregelt. Sie, Hochverehrte, werden es mir gütigst nachsehen, daß ich nicht in Einzelnheiten, deren Kenntniß nur dem Fachmanns zu- steht, eingehe, sondern mir der Versicherung, daß die Lehrart, die Lehrart eine entschieden andere ist und zu seyn har, einige allgemeine Bemerkungen darüber aussvreche. So wie es nämlich Gesetz ist, daß fünfundzwanzig Schulstunden und darüber in der Woche gehal¬ ten werden, eben so ist's ein unverbrüchliches Gesetz, daß namentlich im Unter-Gymnasium, wo der frucht¬ bringenden Selbstthätigkeit der Knaben nicht viel zugemurhet werden kann und darf, die meisten Arbeiten in den Schulstunden abgethan werden. Der Schüler der untern Klaffen bringe nur Fähigkeiten, Aufmerk¬ samkeit und guten Willen mir. Der Lehrer bieter den Stoff, arbeitet ihn mit den Schülern durch, prüft dabei die Auffassung der Einzelnen, berichtigt das von ihnen Wiedcrgegebem-, weckt Einen durch den Anderen, es ist ein gemeinsames Erregen und Erregtwerden, frisch und froh gehr daS Werk vorwärts und lobt den Meister; da ist alles gymnastisch, da ist ein echtes Gymnasium, eine geistige Usbungs - und Kräf¬ tigungsanstalt der Jugend. Ist es aber so, dann wird mir jeder Einsichtsvolle die Behauptung ein- räumen, daß die Zöglinge eines solchen Gymnasiums, trotz der vermehrten Stundenzahl, weniger An¬ strengung, und mehr Lust und Liebe haben werden; daß der mechanischen Dressur und der bedauerli¬ chen geistlosen Selbstquälerei der Jugend der Vernichtungskrieg erklärt, daß der mehr oder minder uner¬ quicklichen, oft verkehrten Mithilfe der „Hausinformatoren" in der Regel der Boden entzogen wird. Hieraus folgt aber auch, daß ein zu zahlreicher Besuch des Gymnasiums keineswegs zu den Vorzügen des¬ selben gehört. Einerseits wird da der pädagogische Vorgang, der fortwährende allseitige Uebungsverkehr des Lehrers mit den Schülern erschwert oder zum Theile sogar unmöglich gemacht; und da hiedurch der Ge¬ neigtheit zur Sorglosigkeit ln der Schule Vorschub geleistet wird, nimmt andererseits die Zahl der schwachen und ungeübten Schüler, dieser hemmenden Last im VorwärtSgehen, zu. Da leidet der Lehrer, es leider die Schule, den Schwachen wird wesentlich nicht geholfen, den Fähigeren geschadet. Werden aber nur wenige junge Leute, aber die rechten ausgenommen, — eS sind ja zum Gelehrrenstande auch nur wenige nöchiq und jedenfalls nicht alle fähig, —- so werden auch alle jene leidigen Treibmittel und jede polizeiliche Zucht in den Schulen entbehrlich seyn. Auch hierüber nun ist ein Gesetz gegeben. ES darf nämlich kein Schüler in eine höhere Elaste »ersetzt werden, der auch nur in Einem Lehrgegenstande solche Unreife bewiesen hat, daß sein weiteres Fortkommen in den Gymnasialstufe» bezweifelt werden muß. Den» jede Schwäche steigert sich durch daS Aufsteigen immer zu einen, ungleich höher« Grade, am Ende sinkt sie zur Ohnmacht, alle bis¬ herigen Studienjahre sind verloren, keine Rettung mehr möglich. Allein die neue Studienverfaffung will ge¬ rade die Jugend vor künftigem Untergänge bewahren, und gerettet wird der Schüler, der durch das Wie¬ derholen der Elaste, in welcher seine Kraft nicht vollständig auSreichte, diejenige Sicherheit, Gründlichkeit und Geübtheit sich eigen macht, die ihn dann mit Leichtigkeit in der weiteren Bahn fortbringt. Wo geübte Kraft ist, da ist auch keine Anstrengung, dann kommt Lust und Liebe hinzu, und wo diese ist, fehlt auch nie der erwünschte Fortgang. Das Wort „Repetiren" kann unglüek- oder schandebrmgend nur in den Ohren desjenigen klingen, der daS Wesen der Studien nicht in wahrer Bildung, nicht in echtem Charaktergepräge nicht in Geübtheit der Kräfte, sondern darin sucht, daß der Knabe die Schulen durchlaufe, sich mühsam durchwinde, so viel und so viel Elasten mit dem todcen Schatze papierener Documente „absolvire," um am Ende nach Verlust vieler Jahre und großer Opfer zu gar mchkS brauchbar zu sein. Oder steht eiwas anderes zu gewärtigen, da nach vollendetem Gymnasialcyklus ein Studierender erst dann Aussicht auf einen höheren Beruf, dem er doch offenbar zustrebt, gewinnen kann, wenn er eine große, strenge Prüfung, münd¬ lich und schriftlich, über sein ganzes bleibend erworbenes Wissen, über die Reife seiner geistigen Kräfte ab¬ gelegt und hinreichende Bürgschaft seines verläßlichen Charakters geliefert haben wird? Besteht er diese Maturitätsprüfung auch im Falle der gestatteten Wiederholung nicht, so ist ihm jede höhere Siu- dienbahn abgesperrt. Bestehen aber wird sie keiner, der oberflächlich, nur für das Zeugniß, und mit der un- verläßlichen Stütze des Gedächtnisses, nicht aber dauernd, mir seiner Gefammtkraft und für die Sicherung seines geistigen EigcnthumS zu arbeiten gewöhnt war. Darum ist's bester, neun auch zehn Jahre am Gym¬ nasium zuzubringen uud das Ziel zu erreichen, als nach acht Zähren die ersehnte Zukunft ganz zu verlieren. Nur Kurzsichtige pflegen auf den nächstliegenden Moment zu steuern; Weise halten das ferne, daS letzte Ziel unverrückr vor Augen und verweilen gerne länger unterwegs, wenn sie dadurch an Kraft zum sicheren Wei¬ terkommen gewinnen. — Endlich gibt es noch ein drittes Fundament, auf dem die neue Studienverfassung gebaut ist: es ist das erziehende Princip oder die Pädeurik. Ich will mich darüber kurz und schmucklos, wie es mein ernstes Thema erheischt, aussprechen. ES sollen nämlich alle jugendlichen Anlagen, der Wille, der Verstand, die Phantasie, das Gedächcniß, das Gemüih, der Geschmack, und nicht minder auch der Körper geübt und ge¬ stärkt werden, jedoch keines auf Unkosten deS andern. — Halten wir eine kleine Umschau. Wem kann es wahre Bildung scheinen, wenn sich so viel Dünkel breit macht, wenn selbst genügsame Halbheit in Kennt¬ nissen sich von dem Streben «ach Vollendung lossagt, wenn Kopf und Herz so selten beisammen sind, wenn mehr gesprochen als gedacht, mehr nach Worten gejagt, als dem Geiste «achgeforscht wird? Hierein Jüngling, der Vieles gelernt Hal, aber über Vieles absprichc, — viel Kopf und kein Gemürh! dort ein Anderer, folgsam, gefühlvoll, aber unwissend; — hier ein Dritter mit geübtem Verstände, aber unge¬ übtem Gedächtnis;; ein Vierter weiß auf geeignete Schlagwörter oder, wenn man will, auf gestellte Fragen viel deponirtes Gut aus dem Gedächtnisse hervorzuholen ; es ist fremdes Gut, nicht sein Eigenthum, er hat kein eigenes Urtheil, er versteht es nicht, mit dem Erworbenen eine eigene Wirthschaft anzufangen; ein Fünfter ist nie verlegen um Behauptungen, mit Wärme verficht er jede plausible Ansicht, selbst Gegensätzen weis; er zu gleicher Zeit einen gewissen Halt zu geben, da ist Phantasie und weiter nichts, und im All¬ gemeinen überall Einseitigkeit, Lückenhaftigkeit. Unsere neue Studienverfassung will aber Allseitigkeit, und der hierin richtige Unterricht hat das Wesentliche, daß der Schüler sich nicht als leidender Recipient verhalte, sondern daß die Unterrichts- gegenstände planmäßig die Rollen übernehmen, wechselseitig auf alle geistigen Anlagen zu wirken, sie zu wecke», zu üben, zu stärken und endlich in ein solches Verhältnis; zu bringen, daß der junge Mensch Wis¬ sen und Können in sich vereinige, d. h. später der eigene Fortbildner seiner selbst werde. Darum arbeiten nicht Ein, sondern mehrere Lehrer in einer Classe. Einer führt die Oberaufsicht und redigirt das Claffen- buch, eine Art Tagebuch der Schule, das Alles aufnimmt, was die Lehrer über daS sittliche Betragen, die Aufmerksamkeit, den Fleiß, das Talent, die Ordnungsliebe, die Bildsamkeit, die Leistungen u. s. w. an einem jeden Schüler wahrgenommen haben, und entscheiden nicht Einer, sondern Alle in periodischen gemein¬ samen Beratungen über die wahrscheinliche nächste und ferne Zukunft desselben Die Hauptfrage dabei ist: Hat der Schüler von Monat zu Monat — oder nach Umständen auch nach kurzer» Zwischenräumen — an sittlicher Bildung, an Charakter, an Humanität gewonnen, und hat er den Unterricht mit vollem Be¬ wußtsein in seinen Geist ausgenommen? Denn nicht, wie viel, sondern wie gelernt wird, ist letzt der Maßstab zur Beurtheilung eines Gymnasiasten. Stellen wir uns einen vierzehnjährigen Knaben vor, der das Unter-Gymnasium absolvirc har. Ist er nach unserem Sinne gut gebildet, so wird er wahrscheinlich keinen reichen Kenntnißkram ausladen kön¬ nen, am wenigsten einem Wunderkinde auS einem pädagogischen Treibhause ähneln, aber was er weiß, damit wird er vollkommen umzugehen wissen; er wird schon die Gesinnung haben, immer nur das zu wol¬ len, was er für wahr und recht erkannr hat; m seinen Äußerungen wird er bescheiden, in seinen Behaup¬ tungen bedachtsam sein; er wird über Alles, was in seinen FaffungSkreis gehört, ein richtiges Urrheil fällen, Manches für sich selbst lernen, sein Wissen mit neuen, eigenen Gedanken bereichern, einen guten Geschmack verrathen, Sittlichkeit und Sittsamkeit nie absichtlich verletzen. DaS ist Erziehung und ein Gymnasial-Un- teiricht, der zu solchen Früchten den Samen legt und pflegt, ist ein erziehender. Doch mit beklommenem Herzen muß ich hier cimn Umstand noch ans Licht ziehen. In das Leben der Jugend theilen sich die Schule und die Familie. Treten der Vater, die Mutter, die Anverwandten, die Einfluß nehmenden Umgebungen des Schülers nicht zusammenwirkend, unterstützend hinzu, so bleibt die bestorganisirke Schule bei halber Ernte stehen. Denn wahrlich, die stärksten und nachhaltigsten Eindrücke sind jene des Jugendalters; sie leben frisch noch in dem Gedächtnisse deS Greises, der die Begebnisse von gestern nicht mehr zu bewahren vermag. O möchten Alle, Alle, die mit Kindern und um sie herum sind, ihre Re¬ den abwägen, sich selbst mehr als die Kinder beobachten; möchten sie bedenken, daß Gedanken, welche die Kinder gewinnen, oft zu Grundsätzen werden, daß oft mit einem Worte dem jungen Gemüthe eine Rich¬ tung gegeben wird, die über sein künftiges Lebensglück entscheidet. Und vor Allem appellire ich an eine Macht, eine unzerstörbare, welche den Kindern ewige Authoriiäten vernehmbar macht, welche nur Freude an fremdem Glücke, nur Glück in fremdem Leben findet, deren ganze Stärke Liebe ist: es ist das Herz einer edlen M u c t e r. Der sorgsame Vater, mit seiner geschäftsdüsteren Stirne und seinem gebieteri¬ schen Blicke gibt gute Lehren, der Lehrer mit seinen Vorschriften in der Hand predigt gute Sitten, beide — für das Gedächtniß; aber die edle Mutter prägt Alles dieses in die Tiefe des Herzens. Eine Muiter, welche das christliche Leben im Herzen trägt, eine Mutter, welche fern von Schwäche, Zärtlichkeit mit dem entschiedenen Willen vereinigt, der erwachenden schlimmen Neigung des Söhnchens auch mit Strafe zu be¬ gegnen, bewahrt dadurch später den Jüngling vor hundert Correciionen, den Mann vor tausend bitteren Erfahrungen, sie ist die ursprüngliche Bildnerin deS Menschen, die Zukunft eines Kindes ist in der Regel ihr Werk. Die Geschichte rechtfertigt auch diese Worte; edle große Männer, Wohlthäter der Menschheit —7 8s4— haben minder das Andenken des Vaters, aber immer mehr das der Mutter mit dankbaren Erinnerungen gefeiert; so wie fluchbeladene Namen den verhängnißvollen mütterlichen Einfluß nirgends verkennen lassen. Sagte doch einst ein heidnischer Philosoph: „Was für Weiber, was für Mütter haben die Christen?' —- Und der bewunderte Kriegsheld, Napoleon war vielleicht selten so überrascht wie der Fran Campari gegenüber. „Was thnt Frankreich Noch," fragte er sie, „um eine gute Erziehung einzuführen?" — „Es fehlen die Mütter", war die Antwort. *) Verzeihen Sie, Hochverehrte, mir diesen Ercurs; er ist meinem Thema keineswegs so fremd als es scheint. Soll es nut dem erziehenden Unterrichte in der Schule ein Gedeihen haben, so muß auch zu Hanse dafür gesorgt werden, sonst Hal die Schule ihre Macht verloren, und es bleibt dann zu untersuchen, wel¬ cher Ruf der wahre sey: „es sind Schüler dieser oder jener Anstalt, die sich schlecht aufführen" oder: „es sind Kinder dieser oder jener Aeltern." — Doch zum Schlüsse. Ich will ans all' dem Gesagten nur noch die Folgerung ableiten, daß wir von unserem erhabenen Ziele noch ferne sind. Doch nicht plötzlich, sondern allmählig gelingt em gut Ding, das Weile haben will. Und dennoch kann ich behaupten, daß wir in diesem Jahre einen großen, ich möchte sa¬ gen, den mächtigsten Schritt gethan haben, den Schritt des Ueberganges und der Anbahnung des Neuen in allen seinen Richtungen, der Vorsorge für alle Bedürfnisse des neuen Gymnasiums, der Durchführung jeglicher Gestaltung, worin der neue Stoff sich zu füllen, der neue Geist Leben zu bringen hat. Innigster, wärmster Dank sei hiefür unserem hohen Unterrichts-Ministerium, welches ich spreche eS >mt stolzem Bewußtsein aus, — alle unsere Bemühungen mit beifälliger Sorgfalt bewacht und geleitet, alle unsere Be¬ dürfnisse befriedigt, alle unsere Vorschläge zur Förderung der Gyuinasial-Bildnug genehmigt hat. — Dank sey es der rastlosen Thätigkeit meiner Herren Amcsgenossen; Dank sey es endlich den vielfach und zu jeder Zeit erprobten Talenten der Jugend Krams! Handelt Sechs und Zwanzig vorzügliche Schüler weii'r unser Gymnasium Heuer vor. Sic, theure Zöglinge, Hundert Fünf an der Zahl, ob Ihrer ausgezeichneten Leistun¬ gen in den meisten Lehrgegenständeu, ob aller Lobenswürdigkeic in den übrigen Eigenschaften, Sie verdienen es, daß Ihr Name öffentlich und ehrenvoll genannt werde. Und Sie, vortreffliche Zöglinge, Ein und zwan¬ zig an der Zahl, hervorragend durch mnsteihafte Sittlichkeit, vorzügliches Talent, unausgesetzt eifriges Stre¬ ben und ausgezeichnete Leistungen in den sämmtlicheu Unterrichtsgegenständen, empfangen Sie in der uns so ehrenden Versammlung, aus der Hand unseres allverehrten Herrn Statthalters, welcher unsere Anstalt mit sorgsamer Theilnahme beglückt, ein, wie ich hoffe, Ihnen liebes Andenken, verliehen durch die Munifi- cenz unseres a l l c i g n ä d i g si e n Kaisers und Herrn. — Ein W>nk, der mächtig anrrgt zum Nachdenken üder dis Mädchs n - Erziehungsanstalten. Schlußwort. ^um Abschiede ein Wort noch an Euch Alle, Zöglinge dieser Anstalt. Ein Schuljahr ist abgelaufen. Ihr kenur nun die neue Disciplin, die neuen Forderungen, die Ihr zu erfüllen, die neuen Wege, die ihr zu gehen habet. Prüfet dabei nicht die Zeugnisse, die nur einen durch Urtheile charakteristrende» Ausweis Eurer Vorzüge und Mängel, mehr für Eure Angehörigen als für Euch und Eure Zukunft enthalten, sondern erforscht Euch gewissenhaft, was Ihr in diesem Jahre an Moralität, an Kenntnissen, an Uebung der Geistes¬ kräfte gewonnen habet. Dies allein hat euch den Muth zu geben, im nächstem Schuljahre mit erneuerter Kraft und frischem Geiste die Studienbahn fortzusetzen. Möge Euch der Grundsatz fest eingeprägt bleiben, daß nicht für die Schule, nicht für die Aelcern, nicht um des Zeugnisses willen, sondern für Euch selbst, für Euer Leben, für Eure Zukunft Ihr zu lernen habt. Und Ihr Vorzügliche, und Ihr Preisträger, Euch rufe ich zu: Glückauf den Weg, den Ihr so rühm¬ lich betreten und so erfolgreich verfolgt habt. Nicht erlahme Eure Kraft, nicht sinke Euer Muth, auf daß Ihr der herrlichen Tage, wie der heutige ist, noch mehrere erlebet. Denket ja nicht, das Andenken, welches Ihr so eben erhieltet, sey ein Lohn für Euere Verwendung. Wissenschaft und Tugend sind über jeden Lohn er¬ haben. Ich rufe Euch ins Gedächtnis zurück die alten Griechen, als sie die vollen Blüthen ihres ewig mu- stergiltigen Geistes in den olympischen Spielen ganz Griechenland zur bewundernden Schau wetteifernd dar- brachtrn: ein einfacher Kranz, geflochten aus Zweigen des wilden Oelbaumes, war der Preis der Sieger. Aber der Kranz hob ihr Selbstbcwußtsein; Ehre und Ruhm war überall in ihrem Geleite, das edle Gefühl eigener Vortrefflichkeic mar ihr unverwelkbarer Kranz. So möge eS auch bei Euch gehalten werden. Und kehrt Ihr jetzt heim in die offenen Arme Eurer sorgenden Lieben, strahlt Euch die zufrieden lächelnde Miene des ernstgewöhnten Vaters entgegen, perlen Thronen über die Wangen der wonnetrunkenen Mutter, o so vergesset nie dieses Augenblickes, daß er Euch ein Sporn für immer bleibe! Es ist ein Gefühl, das die Seligkeiten des Himmels ahnen läßt, denn Ihr habt den schönsten Dank, den reichsten Ersatz Eueren Aeltern für ihre Opfer gebracht. Und Sie, lheure Jünglinge, die Sie nun die Gymnasial-Laufbahn mir der akademischen vertauschen, Ihnen sage ich herzliches Lebewohl. Bisher unter dem Principe der unverletzbaren Aurhorilät erzogen, tre¬ ten Sie jetzt in das Gebiet der akademischen Freiheit und Selbstständigkeit. Ein gefährliches Gebiet für den, welcher der festen Stützen eigener Charakterstärke und Bildung bar ist, doch heilbringend dem, der die akademische Bürgerwürde zu fassen weiß. Doch, Sie Alle haben es in diesem Schuljahre bewiesen, daß Sie nicht so sehr die Aulhorität der Lehrer, als vielmehr Ihr eigenes Pflichtgefühl, Ihre Achtung vor dem Ge¬ setze geleitet hat. Nun denn, so entbinde ich mich jeder überflüßigen Lehr-Mittheilung; aber eine Bitte neh¬ men Sie von mir zum Abschiede an: Wenn Sie einst den ernsten Kampf deS praclischen Lebens rühmlich kämpfen, und Ihnen hiefür Achtung Ihrer Mitbürger in reichlichem Maße zufließr, dann schenken Sie auch dem Laibacher-Gymnasium eine Erinnerung, das Ihrem ersehnten Glücke vorgearbeiter hat. Jetzt aber, da wir unserer heiligen Sitte getreu jedes wichtige Werk mit Gott beginnen und beschließen, folgen Sie mir zum inbrünstigen Dankgebete in den Tempel des himmlische» Vaters, des Gebers alles Guten. Gedruckt bei Ignaz v. Kleinmayr in Laibach.