UDK 821.112.2(436).09-311.2 Geiger A. 
ARNO GEIGERS ES GEHT UNS GUT AUS DER SICHT DES 
ZEITGENOSSISCHEN FAMILIEN- UND GENERATIONSROMANS 
Maria Bryk 
Abstract 
This essay presents Arno Geiger's family novel Es geht uns gut (2007) as an example of a 
literary genre, which becomes more and more popular. 
A family/generation novel has had its peak popularity in the first half of the 20lh century. The 
purpose of this essay is though to characterise the genre in its recent form and to prove the genre is 
filill aliv~, . 
One of the possible explanations to the present interest in a family novel is its versatility and 
the potential for raising and combining of multiple, various up-to-date subjects. 
Family and generation conflicts are the main motive of this genre, often, as in Geiger's novel, 
against a background of historical problems. For German family novels this historical setting is par-
ticularly Nazism. A family/generation novel does not though aim to present the "historical truth" in 
an objective way but rather presents the past in a way it has been internalised by family remembrance. 
This way any negative episodes are often dislodged or neutralized. Another motive widely taken up 
by Geiger, is social and moral transformation offemale characters struggling to change their situation 
in society. The essay discusses also the traditional genre' motive - the rise and fall of a family. 
Geiger's book is an interesting example of a modern family/generation novel. It refers to the 
classical genre and takes up typical motives but at the same time it is distinguished by its different, 
fresh approach. 
Es klingt fast wie ein Paradoxon, dass ein Familien- und Generationsroman 
modern sein kann. 1 Zur Zeit scheint aber das jahrelang unterschatzte, als konventio-
nell und iiberholt geltende literarische Genre sehr beliebt zu sein. Immer wieder neue 
traditionelle und inzwischen auch modern anmutende Familiensagen und Generatio-
nen iibergreifende Geschichten erscheinen auf dem literarischen Markt, erfreuen sich 
wachsender Popularitiit und, was bemerkenswert ist, finden Rezeption nicht nur in den 
breiten Lesermassen, sondern auch bei Literaturkritikern und Juroren literarischer Wet-
tbewerbe. Selbst wenn sich viele in der Meinung iiber den Wert des Genres uneinig sind, 
konnen keine Zweifel mehr daran bestehen, dass der Familien- und Generationsroman 
I Die Bezeichnung ,,modern" wire! im vorliegenden Text in ihrer alltiiglichen Bedeutung gebraucht und 
nicht auf die literarische Moderne bezogen. 
137 
gerade eine Hochkonjunktur erlebt.2 Immerhin wurde 2005 mit dem ersten Deutschen 
Buchpreis ein Familien- und Generationsroman gekront. 
Arno Geigers Erfolgswerk, von dem hi er die Rede ist, mit dem fast prophetischen 
Titel Es geht uns gut setzte sich gegen solche Werke wie Daniel Kehlmanns Die Ver-
messung der Welt (2005) oder Friederike Mayrockers Und ich schuttelte einen Lieb ling 
(2005) <lurch. Die Entscheidung der Jury begriindete Bodo Kirchhoffmit den Worten: 
,,Arno Geiger gelingt es, Verganglichkeit undAugenblick, Geschichtliches und Privates, 
Erinnem und Vergessen in eine iiberzeugende Balance zu bringen. "3 Der Autor, der 
,,ebenso genau wie leicht vom Gewicht des Lebens spricht"4 meint selbst Folgendes: 
,,Ich denke, <lass der Erfolg mit der Form des Familienromans zu tun hat."5 
Der Anfang der gegenwartigen Popularitat von Farnilien- und Generationsromanen 
wird in der Zeit der Wende und der Wiedervereinigung gesehen. 6 Das Genre driicke 
namlich die Sehnsucht nach dem Ursprung aus, gesucht wird also die eigene Herkunft. 
Seine Popularitat hangt auch gewiss mit dem ,,anhaltenden Gedachtnisboom"7 zusam-
men. Wie bereits von Kirchhoff und Geiger beobachtet, eignet sich das ,,aktuelle" Genre 
gut dazu, die qualenden Fragen zu beantworten - aus einemAbstand auf das vergangene, 
katastrophenreiche 20. Jahrhundert zuriick zu blicken, sich rnit der Vergangenheit ausei-
nanderzusetzen und die immer noch bestehenden Ungewissheiten zu klaren versuchen. 
,,Die Enkel wollen es wissen" - heiBt es bei Volker Hage8, und es ist die Enkelgeneration 
(Autoren wie Geiger, geboren um 1968), die sich zu Wort meldet und statt einer ,,groBen 
Vergangenheitsbewaltigung"9 private Geschichten bietet. Darin erschOpfen sichaber 
die Leistung und die Moglichkeiten der Familien- und Generationsromane keineswegs. 
Das Genre tragt dazu bei, ,,die heutigen kulturellen Verhaltnisse zwischen Jung undAlt, 
Eltern und Kindem, Lebenden und Toten, Verganglichkeit und Zukunft zu erforschen"10• 
Letzten Endes greift es ein Thema auf, das jedem Leser nahe steht - die identitats-
stiftende Familie. Die vertrauten Fragen, wer wir sind, woher wir kommen und was 
wir angesichts des Vorgefundenen - des Vorbestimmten also, bedeuten und iiberhaupt 
2 Die These von der Popularitiit des Genres sollen einige der am meisten in der Offentlichkeit rezipierten 
Familien- und Generationsromane bestiitigen: neben Arno Geigers Es geht uns gut Eva Menasses Vienna, Gila 
Lustigers So sind wir, Charles Lewinskys Melnitz, Irene Disches GrojJmama pack! aus, Stephan Wackwitz' 
Ein unsichtbares Land, Tanja Diickers' Himmelskorper und Der liingste Tag des Jahres, John von Diiffels 
Vom Wasser und Houwelandt, Thomas von Steinaeckers Wallner beginnt zu fliegen, Viola Roggenkamps 
Familienleben und viele weitere. 
3 Bodo Kirchhoff zitiert nach Brigitte Schwens-Harrant: Taubenkot am Dachboden. In: Die Furche, 
Wien, 17.11.2005, Nr. 46, S. 1. 
4 Bodo Kirchhoff zitiert nach Paul Jandl: In diesen Tiilern ist das Gute daheim. Wer hiitte das gedacht: 
6sterreich erziihlt. In: Neue Zilricher Zeitung, International, Zurich, 13.12.2005. S. 25. 
5 Amo Geiger im Gespriich mit Klaus Buttinger: Geht's uns gut? In: Oberosterreichische Nachrichten, 
Beilage Wochenende, Linz, 13.05.2006. S.7. 
6 V gl. Friederike Eigler: Gediichtnis und Geschichte in Generationenromanen seit der Wende. Philolo-
gische Studien und Quellen 192. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2005. S. 9. 
7 Ebd. 
8 Volker Hage: Die Enke/ wollen es wissen. In: Der Spiegel 12/2003 vom 17.03.2003, S. 170. 
9 Susanne Beyer: Gesucht: die eigene Herkunft. In: Der Spiegel 2912004 vom 12.07.2004, S. 118. 
10 Ulrike Vedder im Programm der Konferenz Am Nullpunkt der Familie: Generationen und 
Genealogien in der Gegenwartsliteratur, vom 15./16.2.2008 im Zentrum fiir Literatur- und Kultur-
forschung Berlin. http://www:zfl.gwz-berlin.de/veranstaltungen/veranstaltungen// _/259/?cHash=cddd7 l 6 
ae5. (10.05.2008). 
138 
leisten konnen, bilden die zentralen Themen, um die Familien- und Generationsromane 
kreisen. 11 Dieselben Fragen lassen sich allerdings auch poetologisch auf das Genre selbst 
richten - was ist also der zeitgenossische Familien- und Generationsroman? 
DEFINITIONSVERSUCHE 
Familien- und Generationsromane stellen kein einheitliches literarisches Genre 
dar, vielmehr handelt es sich hier um einen Sammelbegriff fur literarische Prosawerke 
mit manchmal auBerst unterschiedlicher Thematik. Das gemeinsame Merkmal bleibt 
immer die Familie als der eigentliche Akteur oder eine Generationen iibergreifende 
Familiengeschichte, die sich auch nicht notwendigerweise im Vordergrund befinden 
muss. Die Familie bildet haufig nur das Hauptgeriist des Romans und liefert einen 
Ausgangspunkt fur die Behandlung und Erorterung weiterer Themen. Das Sachwor-
terbuch der Literatur formuliert dementsprechend die Definition des Familienromans 
folgendermaBen: 
ein stoffiich im Problemkreis des biirgerlichen oder adligen Familienlebens, den Kon-
flikten und Bindungen des Zusammenlebens, im weiteren Sinne auch noch der Gene-
rationen und der Ehe angesiedelter Roman, doch nur selten rein in dieser thematischen 
BegrellZUng, m~ist spielen beim anspruchsvollen Fa_mi!ienromanen umgreifendere und 
allgemein soziale Fragen hinein.12 
Dariiber hinaus sei ein Familienroman ein haufiges Genre der Unterhaltungsli-
teratur und · konne auch weitere Romanformen annehmen - des Bauemromans, der 
Heimatdichtung, des sozialen bzw. Standeromans, des Eheromans oder des auf die 
Geschlechterfolge ausgreifenden Generationsromans. 13 Dies scheint aber nur eine teil-
weise giiltige Definition zu sein, die nicht unbedingt einem modemen Familien- und 
Generationsroman der Gegenwart gerecht wird. Die breite Themenpalette der Fami-
lienromane wurde um einiges reicher und kannjeweils, in unterschiedlichem AusmaB, 
unterschiedliche Ausfuhrung erfahren. 
Neben den grundlegenden ,,familienzentrierten" Themen, zu denen Familienzer-
wiirfnisse zwischen Generationen, in ihrer ,,klassischen" Form zwischen Vatem und 
Sohnen, Konflikte zwischen Geschlechtem und das zentrale Thema des Genres - der 
Zerfall bzw. Untergang der Familie - zahlen, 14 gehOren zu den bedeutendsten Themen 
11 Zur Entstehung von Es geht uns gut zitiert Reinhold Reiterer folgende AuBerung von Amo Geiger: 
,,[Philipp Erlach erbt eine Villa. Ein MittdreiBiger, der sich treiben liisst, eine bekannteAmo-Geiger-Figur.] 
'Ja, das stimmt. Neu war fiir mich die Frage: Woher kommt der eigentlich? Wie kann ich ihm eine bio-
grafische Tiefe und historische Plausibilitiit geben. Mir war klar, ich kann diesen Menschen nur erkliiren, 
wenn ich seine Eltem mit einbeziehe und dann lag fiir mich auf der Hand, ich brauche auch die GroBeltem. 
Diese Generation ist dermaBen wichtig, ohne die komme ich nicht aus. So bin ich in den Familienroman 
hineingeraten." S. Reinhold Reiterer: Kriifliges Ausholzen im Familiendickicht. In: Kleine Zeitung, Graz, 
17.09.2005. S. 104. 
12 Gero von Wilpert: Sachworterbuch der Literatur. Stuttgart: A. Kroner, 1989. S. 259. 
13 Ebd. 
14 Vgl. Yi-ling Ru: The Family Novel. Toward a Generic Definition. New York, San Francisco, Bern: 
Peter Lang, 1992. 
139 
auch geschichtliche und gesellschaftskritische Aspekte. 15 
Eine derartige Definition des Familien- und Generationsromans fiihrt auch Heide 
Lutosch an: 
Die giingige Charakterisienmg des Familienromans bestimmt die Romanfamilie als 
,,Spiegel" der Gesellschaft, als ,,Wiederholung" des iibergeordneten Gemeinwesens 
im Kleinen, als ,,Mikrokosmos" im strukturgleichen Ganzen. Die Verkniipfung von 
,,Einzelschicksalen und Weltenlauf" sei somit die besondere ,,Leistung" des Famili-
enromans. 16 
Zur Begriindung der Popularitat des Genres meint Lutosch: 
Egal, ob dieses Vorurteil iiber den Familienroman auf die so bezeichneten Romane 
zutriffi oder nicht: Wenn eine konkrete, in wiedererkennbare und alltiigliche Probleme 
verwickelte, sich in Kindem und Kindeskindem fortsetzende Romanfamilie als Spiegel 
der Gesellschaft aufgefasst wird, dann fungiert sie dadurch auch immer als Verspre-
chen, <lass das ,,groBe Ganze" iiberschaubar, verstiindlich und von Dauer ist; - ein 
Versprechen, das zu der anhaltenden und sich von Zeit zu Zeit boomartig verstiirkenden 
Beliebtheit des Familienromans sicher nicht unwesentlich beitriigt.17 
Die enge Verkniipfung der familiaren mit der geschichtlichen Thematik erfolgt 
nach Lutosch aus der Sehnsucht des Menschen nach Unendlichkeit des Lebens. Die 
Geriefatiorienfolgen, die hacheinander treten, skhem die Korttinuitat der Familie und 
somit ihre Unsterblichkeit: 
Diese verschiedenen Vorstellungen von Unendlichkeit, die im Bild der Familie 
enthalten sind, sind insofem Gliicksvorstellungen, als sie sowohl die Angst vor dem 
individuellen Verschwinden, dem Tod, als auch die Angst vor dem Verschwinden von 
,,allem", dem Weltende, kurzzeitig zu bannen vermi:igen. Familie bedeutet so: Es geht 
alles weiter, es kommt alles wieder, alles ist festgefiigt und von Dauer.18 
Mit diesem Versprechen, das Ganze, die romantypische Totalitat des menschlichen 
Lebens in umfassenderem Rahmen des Zeitgeschehens zu schildem, prasentiert das 
Genre ( auch dank seiner iiberwiegend realistischen Darstellungsweise) eine besondere 
Form des Romans, die Charakterziige und Funktionen des (gewohnlich biirgerlichen) 
Epos annimmt. Allerdings darf hier nicht behauptet werden, dass Familien- und Gene-
15 Mit dem ,,thematischen" Inhalt der Familien- und Generationsromane scheint ihre Klassifikation 
bzw. ZugehOrigkeit zur Hochkultur oder zur Trivialliteratur zusammenzuhiingen. Wiihrend sich der triviale 
Familienroman auf die (meist erfolgreiche) Suche der Protagonistin (!) nach dem Liebesgliick konzentriert, 
entscheiden die ,,Hintergrundthemen" wie Literarisierung der Geschichte, breite Darstellung der sozialen 
Verhiiltnisse, Eri:irterung kultureller Problematik der jeweiligen Zeit iiber die Qualitllt und den Anspruch 
des Familien- und Generationsromans. Da verschiedenartige Entwicklungen und Veriinderungen anhand 
der Schilderung mehrerer Generationen anschaulich gemacht werden konnen (mit Hilfe der Darstellung 
von Kontrast- und Korrespondenzrelationen zwischen den Generationen) ware vielleicht an dieser Stelle 
die Unterscheidung zutreffend, das sich im Falle von Trivialliteratur fast ausschlieBlich um Familienromane 
handelt, wiihrend Familien- und Generationsromane hiiufiger den Anspruch der Hochkultur erheben. 
16 Heide Lutosch: Ende der Familie - Ende der Geschichte. Zurn Familienroman bei Thomas Mann, 
Gabriel Garcia Marquez und Michel Houellebecq. Bielefeld: Aisthesis Verlag, 2007. S. 9. 
17 Ebd., S. 9f. 
18 Ebd., S. 194f. 
140 
rationsromane, besonders die der Gegenwart, die Welt mimetisch nachahmen wollen. 
Vielmehr stellen sie Versuche dar, mit Hilfe der einzelnen Familiengeschichte uber 
historische, soziale, kulturelle u. a. Themen zu reflektieren, von denen die jeweiligen 
literarischen Weltentwilrfe abhangen. Friederike Eigler schreibt <lamber folgendermaBen: 
,,Das Genre [ ... ] steht aufgrund dieser zeitgeschichtlichen Verankerung in besonderem 
MaBe im Spannungsfeld zwischen Fiktionalitat und Referenzialitat"19 und bemerkt auch: 
,,Literarische Texte sind weder an ein chronologisches Nacheinander gebunden noch an 
die Einheit von Zeit, Ort und Handlung und konnen damit der Fragmentierung von Raum 
und der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, die die Geschichte des 20. Jahrhunderts 
in besonderem MaBe auszeichnet, mit genuin literarischen Mitteln erfassen. "20 
Geigers Es geht uns gut mit seinen Themen, aber vor allem dank der besonderen 
Erzahltechnik, scheint diese These zu bestatigen, was im Folgenden dargestellt werden 
soll. 
ES GEHT UNS GUT - EIN ANTI-FAMILIENROMAN? 
Arno Geigers Familien- und Generationsroman hat einen eher untypischenAnfang, 
der mehr von einem Anti-Familienroman zeugt: Hier erbt ein erfolgloser Schriftsteller, 
ein 36jahriger Wiener, Philipp Erlach, die Villa seiner verstorbenen GroBmutter im 
Hietzinger Beztrk und damit auch-eine ~~verstaliote" FamilieiigescliiClite, von der er 
nichts wissen will. ,,Er hat nie <lamber nachgedacht, was es heiBt, daB die Toten uns 
uberdauem"21 - lautet der erste Satz des Romans und zugleich das Motto der zahlrei-
chenAnniiherungsversuche an die eigene, bereits fast verstorbene Familie, die der Erbe 
mit ,,familiarer Unambitioniertheit"22 untemehmen wird, wahrend er das verkommene 
Haus saniert. 
Obwohl das Licht nicht das allerbeste war, erfaBte er mit dem ersten Blick die ganze 
Spannweite des Horrors. Dutzende Tauben, die sich hier eingenistet und alles kniichel-
und knietief mit Dreck ilberzogen hatten, Schicht auf Schicht wie Zins und Zinseszins, 
Kot, Knochen, Maden, Miiuse, Parasiten, Krankheitserreger (Tbc? Salmonellen?). 
Er zog den Kopf sofort wieder zurilck, die Tur krachend hinterher, sich mehrmals 
vergewissemd, daB die Verriegelung fest eingeklinkt war.23 
Der Anblick des Dachbodens im geerbten Familienhaus lost in Philipp Panik vor 
der bevorstehenden ,,Wuhlarbeit im Haus der Ahnen"24 aus. Das Dachgeschoss und 
zugleich ein Gedachtnisspeicher muss zuerst aufgeraumt und damit die eigene Fami-
liengeschichte miihsam entstaubt werden oder, besser gesagt, mit Hilfe der gelagerten 
Erinnerungsstilcke erst rekonstruiert werden. Von der Vergangenheit uberwaltigt lemt 
19 Friederike Eigler: Gediichtnis und Geschichte in Generationenromanen seit der Wende. Philologische 
Studien und Quellen 192. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2005. S.10. 
20 Ebd. S. 35f. 
21 Arno Geiger: Es geht uns gut. Miinchen: Deutscher Taschenbuch Verlag 2007. S. 7. 
22 Ebd., S. 11. 
23 Ebd., S. 7. 
24 Vgl. Volker Hage: Wuhlarbeit im Haus der Ahnen. In: Der Spiegel 3512005 vom 29.08.2005. S. 154-
156. 
141 
Philipp in langsamen Schritten die Familienvilla kennen und damit auch die hinter den 
zahlreichen Photographien, in Schuhkartons aufbewahrten Briefen und alten Mobelstiic-
ken verborgene Familiengeschichte. 
Das Entrtimpeln der alten Villa ist also der Ausgangspunkt ftirs Erzahlen der 
Geschichte einer Wiener Familie, der Sterks, die sehr personlich und zugleich reprasen-
tativ ftir das vergangene Jahrhundert erscheint. fu einundzwanzig, mit konkreten Daten 
iiberschriebenen Kapiteln werden immer mit einem einzelnen Tag sieben Jahrzehnte aus 
der Perspektive des jeweiligen Familienmitglieds dargestellt. Der erzahlerische Bogen 
umfasst die Zeit seit dem Jahr 1938 bis zum Jahr 2001, wobei all die ,,gegenwartigen" 
(mit 2001 datierten) Kapitel den Enkel Philipp betreffen und somit auch einen Rahmen 
ftir den Roman bilden. 
Auf dieseArt und Weise erzahlt Geiger die Familiengeschichte nicht ausschlieBlich 
aus der Perspektive des Enkels, sondern er lasst alle Figuren selbst sprechen. Bemer-
kenswert ist auch, <lass immer im Prasens erzahlt wird. So vernehmen die Leserlnnen 
die Stimmen der Familienmitglieder immer in ihrer jeweiligen Gegenwart. Und es ist 
auch der/die Leserln, dem/der die Gesamtschau der Familie zufiillt. 
FolgendermaBen begriindete Geiger selbst die gewahlte Erzahltechnik: 
Die meisten Familienromane sind rtickblickend aus der Enkelperspektive erziihlt. 
Meines Erachtens ist das ein egozentrischer, tendenzioser Blick, der allen Famili-
.enmitgli_ed.l':m_e_i_ne Familie11p_ofiltio11 ZJ1Weis_t1,111.cl_<iit:.yo.rh.t:rig~n_G_e11~r.atione.11 _zu 
Zutriigem der Enkel macht. Ich wollte eine Erziihlhaltung finden, die allen Figuren 
gleichermaf3en gerecht wird. Deshalb erziihle ich im Priisens, deshalb die Entschei-
dung filr einzelne Tage, was mir ermoglicht, sehr nahe an die Figuren heranzugehen. 
Im Ergebnis ist sowohl die Zeithierarchie aufgebrochen, die etwas Wertendes hat, 
weil weniger wichtig erscheint, was liinger her ist, als auch die Generationenhie-
rarchie. 25 
Die gewahlte Erzahlhaltung ist ,,allen Figuren gleichermaBen gerecht" auch 
deswegen, weil sie sie alle sprechen lasst - die Familiengeschichte wird <lurch dieses 
multiperspektivische Erzahlen erganzt, vervollstandigt und zugleich auch relativiert. 
Dies ist auch ein erzahltechnisches Verfahren, das die Darstellung des Privaten, 
Personlichen und zugleich Reprasentativen auf einmal ermoglicht. Jeder Protagonist 
und jede Protagonistin ist ein Mensch aus Fleisch und Blut, stellt aber auch einen 
Typus dar, an dem konkrete Themen aufgegriffen und behandelt werden, ohne <lass 
das Individuelle der jeweiligen Person darunter leidet. Auffallend ist iibrigens bier 
die Tatsache, <lass die ftir den Familien- und Generationsroman traditionellen Pro-
blematiken -wie Geschichte und Zeitgeschehen (typischerweise) an den mannlichen 
Protagonisten ,,ausgeftihrt" werden, wahrend die gesellschaftskritischen Aspekte 
eher Protagonistinnen des Romans betreffen. Aus dem Kaleidoskop der dargestell-
ten einzelnen Tage ergibt sich im Endeffekt ein panoramisches Bild der Familie, der 
Geschichte und der Epoche. 
25 Peter Lander!: Interview mit Amo Geiger. Literaturhaus Wien, 06.10.2005. Http://www.literaturhaus. 
at/buch/ autoren _portraits/portraits/ geiger/. (20. 09 .2007). 
142 
GESCHICHTE IM FAMILIENGEDACHTNIS 
Familien- und (vor allem) Generationsromanen, die mit einer realistischen Dar-
stellungsweise eine Familiengeschichte iiber mehrere Jahre und Jahrzehnte hinweg 
schildem, liegt eine implizite Moglichkeit zugmnde, historischen Stoff zu literarisieren 
und gesellschaftskritische Aussagen zu machen. Die Schilderung der ,,historischen 
Fakten" als Hintergrund oder als gleichberechtigte Plots des Romans bedeutet immer 
schon deren Interpretation. Zwischen den Zeilen kommt eine Geschichtsauffassung 
oder Deutung der jeweiligen historischen Ereignisse zum Vorschein, so wie sie in der 
Familie verinnerlicht wird. Die Geschichte als Erzeugnis des Familiengedachtnisses, 
mit seinem Drang zur Neutralisiemng und Verdrangung des Unbequemen !asst aber 
auch Aussagen iiber die Bedeutung markanter Fakten aus der Vergangenheit im kol-
lektiven Gedachtnis machen. 
Die meisten zeitgenossischen deutschsprachigen Familien- und Generations-
romane nehmen (notwendigerweise) Stellung zur deutschen Vergangenheit und zum 
Nationalsozialismus. Hier bietet das literarische Genre besondere Moglichkeiten an, 
einen Weg zwischen der privaten, verinnerlichten Geschichte und der etablierten Ge-
schichtsschreibung einzuschlagen bzw. ,,die Trennung zwischen historischem Wissen 
iiber die deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert (Lexikon) und dem privaten Raum van 
Familiengeschichten (Familienalbum) zu iiberwinden, oder zumindest zu lockem".26 
Die Figur, an der die historischen Themen des Familienromans, vor allem die 
6sterreichische Vergangenheit und der Nationalsozialismus, sichtbar bzw. ,,realisiert" 
werden, i$t Philipps GroBvater, Dr. Richard Sterk. Er verwirklicht sich auBerhalb der 
Familie und bringt es van einem Verwaltungsjuristen einer Elektriziratsgesellschaft 
zum christlichsozialen Innenminister, der im Nachkriegsosterreich mit den Russen 
verhandelt und an den Vorbereitungsarbeiten am Staatsvertrag intensiv beteiligt ist. 
Gerade dieses Moment scheint den Zusammenhang dieser konkreten Familie mit der 
ganzen Gesellschaft zu betonen. Sterk ist die Figur, die nicht nur iiber das Schicksal 
seiner eigenen Familie, sondem auch des ganzen Staates entscheidet. 
Die politische Einstellung Richard Sterks zum Nationalsozialismus ist eher 
ambivalent. Einerseits ist er kein Anhanger Hitlers, andererseits prasentiert er sich 
auch nicht als <lessen aktiver Gegner. Sein Verhalten ist eher eine ,,sanfte" Opposition. 
Vielmehr versucht er sich ,,unauffallig"27 zu halten und ,,fiir ein paar Jahre geduckt" 
abzuwarten. 28 
Nur ,,zwischen den Zeilen" und aus den tagtaglichen Gesprachen des Ehepaars 
Serk erfahrt der Leser van der politischen Situation Osterreichs - van dem an AusmaB 
und Kraft anwachsendenAntisemitismus, van Verfolgungen, Militarisierung, Enteignun-
gen und Deportationen. Die ,,Geschichte" findet jedoch in der unmittelbaren Nahe, im 
wortwortlichen Sinne ,,hinter dem Zaun" statt - mit der jiidischen N achbarfamilie Lowy, 
die gezwungen ist, das eigene Haus in der Wiener Vorstadt zu verlassen und nach London 
zu emigrieren, wird das Zeitgeschehen in Geigers Familienroman thematisiert. 
26 Friederike Eigler: Gediichtnis und Geschichte in Generationenromanen seit der Wende. Philologische 
Studien und Quellen 192. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2005. S. 36. 
27 Amo Geiger: Es geht uns gut. Miinchen: Deutscher Taschenbuch Verlag 2007. S. 89. 
28 Ebd., S. 200. 
143 
Aber auch die Sterks bleiben vom Nationalsozialismus nicht unbetroffen. Der 
Krieg nimmt der Familie den ·einzigen Sohn, Otto, einen 14 Jahre alten Hitlerjungen, 
<lessen Kriegsbegeisterung und friiher Tod fiir immer ein Familientabu bilden. 
Nun bleibt als das einzige Kind Ingrid, die trotzige, rebellige und eigenwil-
lige Tochter, die dem Yater neuen Kummer beschert - in Person ihres Freundes und 
zukiinftigen Ehemannes Peter Erlachs. In dem mit dem 8. April 1945 datierten Kapitel 
wird er als kleiner Junge geschildert, der in den letzten Kriegstagen ergeben an den 
Triimmem Wiens kampft. Mit Peter werden Erinnerungen an Otto geweckt und mit 
<lessen starker Ablehnung die unangenehme Yergangenheit aus dem Familienleben zu 
verdrangen versucht. Der an einem ,,neuen" Osterreich arbeitende Minister Sterk kann 
einen ehemaligen Hitlerjungen undjetzigen Taugenichts an der Seite seiner Tochter 
nicht akzeptieren. An dieser Stelle werden in Geigers Roman emeut Geschichte und 
Politik mit der familiaren Thematik deutlich verbunden - das zum groBen Teil politisch 
hervorgerufene Zerwlirfnis wird zu einem Generationskonflikt: 
lch verhandle nicht jahrelang mit den Sowjets, damit meine Tochter den Verstand 
verliert. Siebzehn Jahre lang haben jetzt andere uber uns bestimmt. Ein halbes Leben 
lang habe ich eine katastrophale StOrung um die andere uber mich ergehen !assen. 
Und jetzt, wo sich die Verhiiltnisse ein wenig kliiren und man endlich wieder Herr 
im eigenen Haus wird, lasse ich mir den Unfrieden nicht von der eigenen Tochter 
hereintragen. 29 
Als der sture und autoritare Yater und Minister, der um jeden Preis die Kontrolle 
sowohl iiber das offentliche als auch farniliare Leben zu behalten trachtet, aufs politische 
Abstellgleis geschoben und von der Tochter verlassen wird, versinkt er mit den Jahren 
in eine schnell fortschreitende Demenz und Hilflosigkeit. 
In den Erinnerungen der Protagonisten verschwimmen die Ereignisse aus der 
friiheren und spateren Yergangenheit. Was bleibt, ist ein unscharfes Bild der Geschichte, 
das zugleich ,,das kollektive Selbstverstandnis Osterreichs"30 verzerrt darstellt: 
was anderswo eben erst passiert war, war in 6sterreich bereits lange her, und was 
anderswo schon lange her war, war in Osterreich gepflegte Gegenwart. Ist es dir 
nicht auch so ergangen, daB du manchmal nicht mehr wuBtest, hat Kaiser Franz 
Joseph jetzt vor oder nach Hitler regiert? [ ... ] und plOtzlich war Hitler liinger her 
als Franz Joseph, das hat den :fiinfziger Jahren den Weg geebnet, das hat Osterreich 
zu dem gemacht, was es ist, nur erinnert sich niemand mehr daran oder nur sehr 
schwach.31 
Das, was bleiben soll, versucht Peter mit der Erfindung des Spiels, mit dem 
markant doppelsinnigen Titel, ,,Wer kennt Osterreich?" zu ,,etablieren". Das ,,Reise-
und Orthographiespiel, das die kleine, besetzte [ ... ] Republik in seiner SchOnheit und 
Harmlosigkeit in den Mittelpunkt stellt"32 und das Peter zwar aus Geldnot entwickelt, 
29 Ebd., S. 145. 
30 Julia Freytag: ,, Wer kennt 6sterreich?" Familiengeschichten erziihlen. Arno Geiger Es geht uns gut 
(2005) und Eva Menasse Vienna (2005). Koln, Wien: Bohlau 2007. S. 116. 
31 Arno Geiger: Es geht und gut. Munchen: Deutscher Taschenbuch Verlag 2007. S. 349. 
32 Ebd., S. 161. 
144 
iiberpriift die Kenntnis der osterreichischen Geographie, lenkt aber zugleich von den 
schwierigen Fragen nach der nationalsozialistischen Vergangenheit und osterreichischen 
Mittaterschaft wahrend des Krieges ab. Eine friedliche osterreichische Identirat soll neu 
geschaffen werden. 
GESELLSCHAFTSKRITIKAUS DER SICHT DER BETROFFENEN 
Die gesellschaftskritische Problematik wird in Geigers Roman vor allem mit 
Schilderung der Frauengestalten thematisiert, die einerseits eine Beobachterposition 
annehmen, aus der sie die politischen und sozialen Verhaltnisse kritisch betrachten, 
die sich andererseits von diesen stark betroffen fiihlen und unter der patriarchalischen 
Ordnung leiden. 
Philipps GroBmutter, Alma Sterk, die wohl hervorragendste Figur des Romans 
iiberhaupt, wird bereits als eine altere Dame dargestellt- eine kluge und versrandnisvolle 
Frau von groBer innerer Warme, die seit einigen Jahren ihren bereits anAlzheimer kran-
ken Mann pflegt. Alma, ihrem Vomamen gemaB, verkorpert das Miitterliche, die Warme, 
die Fiirsorge. Ihr Leben ist auf die Familie und das Familienhaus konzentriert-die haus-
halterischen Angelegenheiten, kleine Reparaturen, Gartenpflege und Bienenzucht sind 
ihre raglichen Beschaftigungen. In Riickblenden erinnert sich jedoch Alma an die Zeit, 
als sie Richard keooengelemthatte, undals er,det reicti.eNacllkomme eiher Hietzihger 
Familie, von ihr als einer modemen und unabhangigen Frau begeistert war. Eine friihe 
Schwangerschaft bedeutete allerdings das Ende ihres Studiums und legte sie endgiiltig 
auf die Familienfiirsorge fest. Auch ihre berufliche Aktivirat, die Geschaftsfiihrung in 
einem Waschegeschaft musste sie einstellen, nachdem Richard aus politischen Griinden 
von dort sein Kapital zuriickgezogen hatte. Seitdem steht Alma immer im Hintergrund, 
obwohl eigentlich sie die Existenz der Familie sichert. 
Alma lebt an der Seite eines sturen, konservativen und autoritaren Familienober-
hauptes, dessenAffaren mit einem Kindermadchen und einer Sekretarin sie jahrelang mit 
Geduld ertragen muss. Aber all die Jahre der familiaren Unterordnung und der Einsch-
lieBung im Privaten tragen zu ihrer Verbitterung bei. Sie wird zu einer beobachtenden, 
reflektierenden und realistisch denkenden Person, ohne jegliche Illusionen: 
lch war gliicklich, ich meine insofem gliicklich, als ich damals nicht ahnte, <lass das 
Leben ein groBes Hindemislaufen sein wird, das auf Dauer miide macht. 33 
Ihre Frustrierung und zugleich Resignation finden einen Hohepunkt in der Ent-
scheidung, die Bienenkonigin zu toten und damit den Schwarm auseinander zu treiben. 
Ein Bild, das sich nicht schwer auf die Familie iibertragen Iasst.34 
33 Ebd., S. 384f. 
34 Dern Bienenstock, den Sterks ihren zur Emigration gezwungenen Nachbam abgekauft haben, kommen 
mehrere Symbolfunktionen zu. Er versinnbildlicht Familie aber auch den Staat mit <lessen Vergangenheit. 
Julia Freytag bemerkt: ,,Das Bienenhaus als Miniatur des groBen Wohnhauses der Familie Lowy fungiert 
als Symbol filr die Enteignungen und Deportationen." Vgl. Julia Freytag: ,, Wer kennt 6sterreich?" Fa-
miliengeschichten erziihlen. Arno Geiger Es geht uns gut (2005) und Eva Menasse Vienna (2005). Koln, 
Wien: Bohlau 2007. S. 114f. 
145 
Im Laufe der Zeit kehrt sich aber die Relation zwischen Alma und Richard um -
sie, jahrelang untergeordnet und betrogen, mit Garderobezuschiissen besanftigt, bleibt 
ihm auch im fortgeschrittenen Alter geistig und emotional iiberlegen. Er zwingt sich 
selbst in ein starres Korsett aus Lebensliigen, Konventionen und Rollenbildem und en-
det in volliger Demenz. Von einem strengen Patriarchen wird er zum Pflegefall, einem 
hilflosen Greis, fiir den auch Alma nur schwer Mitleid empfindet. 
Ingrid, Philipps Mutter, wiederholt das Schicksal ihrer Mutter nicht, obwohl auch 
sie nicht gliicklich wird und an der patriarchalischen Ordnung leidet, die der macht-
ausiibende Yater verkorpert. Zunachst ist er fiir sie eine wichtige Bezugsperson, doch 
bald wendet sich die Tochter, in ihrer Entscheidungs:freiheit vom Yater eingeschrankt, 
von ihm ab. Sie flieht vor seiner Autoritat zu ihrer groBen Liebe, Peter, der sich letzen 
Endes als Schwachling und Taugenichts erweist. 
Ingrids Auflehnung gegen den Yater bedeutet auch eine Auflehnung gegen die 
Fremdbestimmtheit. Sie bringt den notwendigen Mut auf, dem Willen des Vaters Wider-
stand zu leisten und selbst iiber sich zu entscheiden, dafiir muss sie aber einen hohen 
Preis zahlen - sie wird vor die Tiir gesetzt und aus der Familie ausgeschlossen. 
Dabei gelingt es ihr nicht wirklich, sich von der Macht des Vaters zu be:freien. 
Ohne sich <lessen bewusst zu werden, erfiillt sie seinenAuftrag- start Schauspielerin zu 
werden, was ihr Kindheitstraum darstellte, schlieBt sie erfolgreich das Medizinstudium 
ab, wird eine tiichtige Arztin, Mutter und Frau, die erst zu spat erkennt, ,,dass es bl6d 
ist;-immer die-perfekte Ehe:frau-abgeben ·zuwollen~''35 Neben ihrel'·Boppelbelastung 
<lurch Beruf und Familie ist sie auch einsam, ungliicklich, von Peter bekommt sie 
weder Unterstiitzung noch Aufmerksamkeit. Allmahlich verliert auch sie ihre Illusio-
nen beziiglich ihres neuen :freien Lebens. Verbittert erinnert sie sich an ihren Traum, 
Schauspielerin zu werden und an ihren kurzen Auftritt als Elfjahrige im Heimatfilm 
,,Der Hofrat Geiger". Erst nach Jahren begreift sie die Tragweite des erfolgreichen 
osterreichischen Nachkriegsfilmes: 
Wie konnte sie diese Ungeheuerlichkeit dreiundzwanzig Jahre lang ilbersehen? 
[ ... ] daB sich die sitzengelassene Frau mit dem unehelichen Kind <lurch die drei-
Biger Jahre und den Krieg schliigt, damit der Herr Hofrat nach achtzehn Jahren 
daherkommt und sich groBzilgig zum totalen Familienoberhaupt aufschwingt? 
Wenn Ingrid sich vergegenwiirtigt, daB ihr die Schnulze, als [ ... ] Miidchen [ ... ] 
der lnbegriff des hOchsten Glilcks inmitten der vertrauten Landschaft gewesen ist. 
Wenn sie bedenkt, wie sehr sie von [ ... ] seinen Happy-End-Exzessen gerilhrt war, 
und ihre Freundinnen nicht weniger, in einem kollektiven Tagtraum, den der Film 
erzeugte oder aufgriff und verstiirkte. [ ... ] Wenn sie dies alles bedenkt - und zwar 
unter dem Aspekt ihres eigenen Lebens und ihrer jetzigen Situation -, muBte ihr 
eigentlich speiilbel werden. 36 
Das Leben auBerhalb der autoriraren Macht des Vaters in der Ehe, wo sie alleine 
die ganze Verantwortung fiir die Familie tragen muss und in der Tat verlassen ist, raubt 
alle Illusionen. Die scheinbar starke, kampfende Ingrid scheitert an ihren Beziehungen 
zu den Mannem der Familie, an den Erwartungen ihr gegeniiber und an Rollen, die ihr 
35 Arno Geiger: Es geht uns gut. Miinchen: Deutscher Taschenbuch Verlag 2007. S. 248. 
36 Ebd., S. 15lf. 
146 
aufgezwungen werden. Dieses Scheitem bzw., im wortlichen Sinne, ,,Zugrundegehen" 
illustriert der fri.ihe Tod der Protagonistin. Ingrid ertrinkt an einem sommerlichen Tag 
in der Donau, festgeklemmt am Boden des Flusses <lurch ein Armband, das sie von 
Peter geschenkt bekommen hat, und aus dem sie sich unter Wasser nicht befreien kann 
oder will. 
Erst Ingrids Tochter Sissi, und damit der um 1968 geborenen Generation, gelingt 
der Weg zur Emanzipation, was <lurch die groBe geographische Entfemung und den 
ausgetibten Berufbetont wird. Sie lebt mit ihrer Tochter in New York und arbeitet dort 
als Joumalistin. Uber die Protagonistinnen des Romans schreibt Michaela Schmitz in 
ihrer Rezension folgendermaBen: 
Und die Frauen? Sie sind vor allem Betroffene. Leidtragende ihrer in jeder Hinsicht 
unbefriedigenden, entscheidungsunfahigen und ignoranten Manner. Und Opfer ihrer 
aus konservativen patriarchalischen Gesellschaftsstrukturen ererbten Rollenzwiinge. 
Sie halten die Familien zusammen, sie stiften Identitiit, sie hinterfragen die Vergangen-
heit. Und sie begreifen die osterreichische Heimat- und Familienidylle als kollektive 
gesellschaftliche Luge. 37 
Die mannlichen und weiblichen Figuren in Geigers Roman werden fast stereotyp 
und klischeehaft geschildert: die Manner tiben wie der Minister Sterk Macht aus oder 
sind wie Peter, der Erfinder eines popularen Spiels, oder Philipp, der Schriftsteller, kreativ 
und.scliopfeiisCli Das-sind <:lie Ro Hen und CliaraK.tensfiK:a~-dfo ihllenzwifr-Ziigeschrie-
hen werden, die aber in der Wirklichkeit nicht stimmen. Die Frauen werden dagegen 
auf unterschiedliche Art und Weise entweder mit Natur oder mit Ftirsorge assoziiert: 
Bienenztichterinnen, Gartnerinnen, Pflegerinnen, Heilerinnen, Arztinnen oder, wie die 
launische und unentschlossene Geliebte von Philipp, Johanna, Meteorologinnen. Doch 
dank der besonderen Erzahlhaltung - dem Erzahlen aus der Perspektive der jeweiligen 
Figur, immer im Prasens, in ihrer Gegenwart, werden diese Rollenvorstellungen und 
geschlechterspezifische Zuschreibungen in Frage gestellt - der Patriarch ist dement 
und hilflos, der Ktinstler lethargisch, die Familienmtitter keine glticklichen Priesterin-
nen des Hauses. 
FAMILIENROMAN UND DER MYTHOS ZERFALLENDER FAMILIEN 
Das bereits erwahnte, wichtigste thematische Merkmal der Familien- und Ge-
nerationsromane, das tiber ihre GenrezugehOrigkeit entscheidet und mit den weiteren 
Motiven eng verflochten ist, ist die Thematik, die um das Familienleben kreist. Unter 
den auf das umfangreiche Thema Familie konzentrierten Plots der Familien- und Ge-
nerationsromane lassen sich zwei grundlegende Gruppen von Motiven unterscheiden. 
Wahrend die eine all die Generationenkonflikte, familiare Querelen, tatsachliche Trago-
dien und alltagliche Tragikomodien betrifft, thematisiert die andere einen Mythos des 
Zerfalls bzw. des Untergangs der Familie, wofiir als Standardbeispiel Thomas Manns 
Buddenbrooks angefiihrt werden. 
37 Michaela Schmitz: Arno Geigers neuer Roman istfar den Deutschen Bucherpreis nominiert. Zu Recht! 
Wer kennt schon Osterreich? In: Rheinischer Merkur vom 06.10.2005. S. 21. 
147 
Diese Differenzierung hebt auch Walter Erhart hervor: 
Es gibt wohl zwei grol3e Kulturmuster, in denen das Ungliick der Familie sich seine 
Form gesucht hat. Das erste sind die Familientragodien im fast gattungsspezifischen 
und im fast antiken Sinn: die Verschworung, der Aufstand oder der Kampf der Kinder 
gegen die Eltem, die Leidenschaft gegen die Ordnung, die Liebe gegen das Ges~tz, 
das Liebespaar gegen die Institutionen. Dies ist der Stoff, aus dem die Weltliteratur 
gemacht ist, ja, wie dafiir geschaffen erscheint. Es ist der Konflikt im Inneren der 
Familie, an dem die Familien dann regelmiil3ig auseinander brechen, in dem ebenso 
regelmiil3ig die Sohne und Tochter vor den Viitem und Miittem sterben: Daran entste-
hen Tragodien, aber auch KomOdien, an deren Ende man sich - gerade noch - wieder 
versohnt. Das zweite Muster aber ist der Verfall: jenes eher zeitlich organisierte 
Modell, in dem eine Familie kontinuierlich von der Hohe in die Tiefe stiirzt, nicht 
<lurch einen exemplarischen Konflikt, sondem <lurch eine Folge von Ereignissen. Es 
handelt sich bier um einen eher zur Erziihlung und zum Epos neigenden Fall, einen 
eher schleichenden Prozess iiber mehrere Stationen. Natiirlich kann beides kombiniert 
werden: die grol3e TragOdie und der schnelle, oder auch langsame, sich anschliel3ende 
Verfall der Familie, das Gift, das eine Familie langsam zur Erloschung bringt. Auch 
dieses Muster besitzt historische Grol3e, hat weltliterarische Stoffe geformt, ja gehort 
in gewissem Malle zu den Formen des Erziihlens iiberhaupt: the rise and/all - von 
Familien, Konigreichen und Imperien.38 
Thomas M~nns_Roman El{ddenbrooks, der den_ Niedergang t:iner ha11se_atiscpen 
GroBbiirgerfamilie darstellt, liefert ein reprasentatives Muster dieses Motivs, das nicht 
nur einen politischen und sozialen sondem auch moralischen und physiologischen 
Verfall der Familie schildert.39 Und auch hier ist die familiare Thematik stark mit der 
zeit- und gesellschaftskritischen verflochten - das Ende der Familie driickt das Ende 
einer Epoche oder der Geschichte selbst aus.40 Innerhalb der osterreichischen Literatur 
wurde der Mythos am deutlichsten in Joseph Roths Radetzkymarsch sichtbar. Auch 
hier wird der facettenreiche soziale, moralische, mentale und sogar korperliche Verfall 
und Untergang der Familie von Trotta in Zusammenhang mit den verhangnisvollen 
politischen Veranderungen dargestellt. Die Trottas sterben aus, wahrend sich die k.u.k. 
Monarchie mit dem ersten Weltkrieg ilirem Ende zuneigt. Der Untergang einer ganzen 
Epoche wird mit dem Tod des jiingsten Protagonisten besiegelt. Bevor dies aber zustande 
kommt, spiegeln sich die historischen und sozialen Veranderungen in den abschwachen-
den Familienbanden zwischen den Generationen und in der fortschreitenden Schwache, 
Dekadenz und Lebensfremdheit der Geschlechterfolgen wider. 
Obwohl der Verfall der Familie ein zentrales Merkmal der Familien- und Genera-
tionsromane darstellt und in zahlreichen Rezensionen von Geigers Roman angesprochen 
wird,41 scheint das Motiv in Es geht uns gut eine veranderte Ausfiihrung zu erfahren. 
Trotz der engen Verkniipfung der Familiengeschichte mit der Historie, der Emblematik 
38 Walter Erhart: Thomas Manns Buddenbrooks und der Mythos zerfallender Familien. Frankfurt am 
Main: Peter Lang 2004. S. 164f. 
39 Ebd., S. 167f. 
40 V gl. Heide Lutosch: Ende der F amilie - Ende der Geschichte. Zurn F amilienroman bei Thomas Mann, 
Gabriel Garcia Marquez und Michel Houellebecq. S. 11. 
41 V gl. z. B. Susanne Breuer: Abschiedvon der Vergangenheit. In: Koiner Stadt-Anzeiger vom 15.10.2005, 
s. 40. 
148 
und den aussterbenden Generationen handelt es sich bier um eine Familie, in der die 
Familienbande in groBem MaBe aufgrund der politischen Meinungsunterschiede und 
der familiaren Kommunikationsunfahigkeit tatsachlich abschwachen bzw. wo sie nie 
wirklich stark waren. Mehr noch - diese Kommunikationslosigkeit und -unfahigkeit 
scheint die sonst im Genre <lurch Darstellung der etablierten Familienriten hervorgeho-
benen, identitatsstiftenden Verhaltens- und Kommunikationscodes zu ersetzen. 
Wahrend in der traditionellenAuspragung des Mythos der Verfall kontinuierlich 
in der mannlichen Erbfolge stattfindet, ergibt sich bei Geiger aus mehreren Perspekti-
ven das Bild einer Familie, wo nicht nur Manner, sondem auch Frauen zu handelnden 
Personen werden und wo das (die Familienkontinuitat sichemde) Bindeglied zwischen 
GroBeltem und dem Enkel Philipp seine Mutter Ingrid bildet (und nicht der Yater!). 
In Geigers Roman lebt jede Generation und jedes Familienmitglied fur sich, was noch 
zusatzlich <lurch die gewahlte Erzahltechnik verstarkt zum Vorschein kommt. Die Ein-
samkeit versteckt sich hinter alltaglichen Floskeln, wie die dem Routine-Telefongesprach 
entnommene ,,Es geht uns gut". 
Trotz der ungliicklichen Schicksale und des sie begleitenden melancholischen 
Untertons wird in Es geht uns gut weder ein Verfall noch ein typischer Zerfall der Familie 
geschildert. Die Familie stirbt zwar friihzeitig aus (Otto, Ingrid), doch am Ende bleibt der 
Enkel, der die Chance hat, das Leben in den Griff zu bekommen. Seine Geschichte ist 
noch offen. Zwar ist auch Philipp ein lebensuntiichtiges Familienmitglied, ohne Zweifel 
schwa.eh, apathisch tiild uhentschieden, auch keinMil1ister mehi, sotidefn ein erfolgfoser 
Kiinstler, aber auch er stellt eine Diagnose seiner Generation und seiner Zeit. 
Die Veranderung in der Aus:fuhrung des Mythos vom Zerfall der Familie kann 
iibrigens in Zusammenhang mit den soziologischen Veranderungen der Familie gebracht 
werden. Walter Erhart spricht von dem Motiv als von einem ,,Mythos einer ehemals in-
takten, mit der Gesellschaft verbundenen ,GroBfamilie', die - zur Kleinfamilie reduziert 
- den Verfall einer sozialen Form spiegelt."42 Geiger schildert bereits eine wesentlich 
kleinere, ,,mutterzentrierte" und emotionalisierte Familie, keine verzweigte Sippe, deren 
Identitat iiber die Person des Vaters vererbt sein wiirde. Und ihr ,,Auseinanderdriften" 
hangt eher mit den wieder neuen, zeittypischen Hindemissen zusammen - mit der 
Individualisierung, Entfremdung und der bereits erwahnten Kommunikationslosigkeit 
und -unfahigkeit. 
Der wesentliche Unterschied zwischen Geigers Roman und den traditionellen 
Familien- und Generationsromanen besteht bier auch darin, dass die Familiengeschichte 
mit Philipp kein Ende nimmt. Start der Schilderung eines Familienverfalls handelt es 
sich bier, umgekehrt, um eine ( eher unfreiwillige) Wiederaufstellung - Rekonstruktion 
der eigenen Familiengeschichte seitens des Enkels, der doch mehr als nur eine verkom-
mene Familienvilla erbt, und um eine ,,Zuriickgewinnung" der eigenen Familie, nicht 
42 Walter Erhart: Thomas Manns Buddenbrooks und der Mythos zerfallender Familien. S. 167f. Erhart 
setzt folgendermaBen fort: ,,Die Familienforscher des 19. Jahrhunderts haben diesen Mythos inszeniert, um 
der zersplitterten und individualisierten Modeme ein Idealbild vergangener Ordnung entgegenzustellen; die 
Familienhistoriker haben in dem Obergang vom ganzen Haus zur modemen, emotionalisierten und reduzierten 
Kleinfamilie in der Tat einen Motor der Modemisierung erkannt. Heute ist dieses Bild der GroBfamilie zum 
Tei! wiederum als ein Mythos entlarvt, der die inzwischen erkannte alteuropiiische Vielfalt der Familien-
formen gefiissentlich iibersieht. Diese vorrnodeme, zumeist in idealischen Farben gemalte GroBfamilie ist 
in der Tat einer der Mythen gliicklicher Familien." 
149 
nur <lurch die Sanierung des Hauses, sondem <lurch seine literarische Arbeit. Philipps 
Unentschlossenheit und Schwache konnen sich noch in Starke umwandeln. Besonders 
die letzte Szene des Romans, wo Philipp, um den vergessenen Hut zu holen, das Dach 
der Villa erobert und bereit ist, von da her in die dunkle Sommemacht ,,auszureiten", 
scheint die (zum Teil utopische, idealisierte) Moglichkeit eines Neuanfangs zu sym-
bolisieren. Das Haus ist frisch renoviert, die Familie ,,zuriickgewonnen", es zieht ein 
Gewitter auf, das Neue bahnt sich an ... 
ES GEHT UNS GUT ALS EIN ZEITGENOSSISCHER FAMILIEN-
UND GENERATIONSROMAN 
Thematisch greift Geigers Roman traditionelle Themen und Motive des Familien-
und Generationsromans auf, die aber ,,gegenwartsgemaB" ausgefiihrt werden. Die dem 
Enkel Philipp bevorstehenden Chancen und Moglichkeiten machen seine Familienge-
schichte zu einer offenen Geschichte ohne vorhersehbares Ende. Zwar geniigt diese 
Tatsache noch nicht, um den Roman schon als eindeutig postmodem zu klassifizieren, 
sie stellt aber einen wesentlichen Unterschied zu den groBen etablierten Familien- und 
Generationsromanen der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts dar. Dain diesem Genre 
das Private mit dem Offentlichen und Historischen eng verflochten ist, und die groBen 
Vorbilder wie Buddenbrooks-oder Radetzkymarsch schwerwiegende pulitische und 
soziale Veranderungen schildem, !asst sich Geigers Es geht uns gut auch als eine Art 
Diagnose der Gegenwart lesen. Beangstigt und unsicher oder einfach vorsichtig schaut 
die Enkelgeneration, der Philipp zugehOrt, in die Vergangenheit zuriick und zugleich in 
die Zukunft, bevor sie dem 21. Jahrhundert die Stirn bietet. 
Formal neu ist in Geigers Roman auch die damit zusammenhangende Fragmen-
tarisierung der Familiengeschichte <lurch das Erzahlen aus verschiedenen Perspektiven. 
Eine kontinuierliche, einheitliche Geschichte scheint nicht mehr moglich. Die einzelnen 
Kapitel, aus der Sicht der einzelnen Protagonisten geschildert, ahneln alten Familienbil-
dem, aus denen sich die Familiengeschichte wie ein Familienalbum zusammensetzt. 
Sie ahneln aber auch, wie Michaela Schmitz bemerkt,43 dem verschachtelten Ro-
man Die Handschrifi von Saragossa des polnischen Grafen Potocki, iiber den Philipp 
auf der Vortreppe der Familienvilla sinniert. Die besondere Erzahlhaltung erweist sich 
hier also als ein literarisches Zitat.44 
Gerade <lurch seine Multiperspektivitat und Gleichwertigkeit der Stimmen si-
chert Geigers Roman die vom Genre erwartete Schilderung der Totalitat des Lebens. 
43 Michaela Schmitz: Neun Tage far ein ha/bes Jahrhundert. http://www.dradio.de/dlf/sendungen/ 
buechermarkt/411611. (05.05.2008). 
44 Geigers Roman zeichnet sich ubrigens <lurch eine Vielfalt von solchen, expliziten wie impliziten, in-
tertextuellen Bezilgen. Der untilchtige Enke! Philipp erscheint auf der Vortreppe wie aus Eichendorffs Aus 
dem Leben eines Taugenichts, und auf dem Dach der Familienvilla wie der Baron von Milnchhausen [Julia 
Freytag]. Philipps GroJ3mutter Alma ist dagegen eine begeisterte Leserin von Stifter und Keller, was als 
Geigers Statement an seine literarischen Vorbilder gedeutet werden kann: ,,Ich bewundere Kellers Umgang 
mitAlltag, dass er wenig aufEffekte setzt. Der Versuch, Nebensachlichkeiten so darzustellen, <lass sie nicht 
nebensachlich sind: Da sehe ich einen Bezug zu meinem Roman." Amo Geiger in: Anne-Catherine Simon: 
In den Familienroman gestolpert. In: Die Presse vom 19.10.2005. S. 29. 
150 
Das Versprechen der Unendlichkeit des menschlichen Lebens erfilllt sich hier nicht in 
der Wiederkehr des ewig Gleichen in Gestalt der Sohne, Enkel und Urenkel, nicht in 
der diachronen Kontinuitat der Familie also - die Familiengeschichte der Sterks und 
Erlachs wird eher ,,synchron" erzahlt. J edes Kapitel konnte eine selbstandige Erzahlung 
darstellen, die ihren Eigenwert unabhangig von der Reihenfolge des Erzahlens behalt. 
Diesen Eindruck verstarkt noch zusatzlich die angewandte Erzahlperspektive - berichtet 
wird entweder aus der Sicht des auktorialen Erzahlers oder aus der Figurenperspektive 
und in inneren Monologen, was zugleich personlich und intim anmutet und <loch, dem 
traditionellen Familien- und Generationsroman gemaB, einen Oberblick iiber das Welt-
und Familiengeschehen gewahrleistet. 
Diese zweideutige Positionierung von Geigers Roman dem Genre gegeniiber wird 
auch in der Schlussszene deutlich: 
Gleich wird Philipp auf dem Giebel seines GroBeltemhauses in die Welt hinausreiten, 
in diesen Uberraschend weitlaufigen Parcours. Alie Vorbereitungen sind getroffen, 
die Karten studiert, alles abgebrochen, aufgeraumt, auseinandergezerrt, geschoben, 
geriickt, geriistet. Er wird reisen mit seinen Gefahrten, fiir die er ein Fremder ist und 
bleibt, gleich geht es dahin auf den wenig stabilen StraBen der ukrainischen Stidsee, 
gleich geht es dahin <lurch Moraste und Uber Abgriinde. Er wird von den Dieben verfolgt 
sein, die ihn schon sein Leben Jang verfolgen. Aber diesmal wird er schneller sein. 
Er wird den Lowen und Drachen auf den Kopftreten, singen und schreien (schreien 
bestimmt) und ungemein lachen Ga? sicher?), den Regen triuken (schort moglich) 
und ~ und Uber - - - Uber die Liebe nachdenken. Er winkt zum Abschied.45 
Philipps ,,ufopische" Dachfahrt ins Unbekannte !asst sich auch als eine Art Riick-
kehr lesen. Er hat vor, mit den Schwarzarbeitem, die sein Haus renovierten, Steinwald 
und Atamanov in die Ukraine zu reisen - in die mythischen Ostgebiete der ehemaligen 
k.u.k. Monarchie ~lso, und zugleich in Roths Herkunftsland. Vielleicht ware dies als 
ein Verweis zu deuten, <lass der gegenwartige Familien- und Generationsroman mit der 
literarischen Tradition nicht endgiiltig bricht, sondem sich von ihr respektvoll inspirieren 
!asst? Die Sentenz, <lass uns die Toten iiberdauem, diirfte auch den Autor Geiger selbst 
und zugleich den Autor Erlach betreffen. Denn auch Philipp ist ein Schriftsteller, der 
an einem Familienroman arbeitet. 
Dieses metafiktionale Moment des Romans ist ein Merkmal, das neue Interpreta-
tionen des Genres ermoglicht. Es betont den Konstruktionscharakter der Familien- und 
Generationsromane, der dargestellten familiaren Mikrokosmose, der geschilderten 
historischen Umwelt, der komplexen Weltenentwiirfe und menschlichen Schicksale. 
Es geht uns gut thematisiert also implizit das Genre des Familien- und Generati-
onsromans selbst. Den zahlreichen gegenwartigen Schriftstellem gleich setzt sich auch 
der Enkel Philipp mit dem Thema Familie auseinander. Zunachst unfreiwillig, desin-
teressiert, vom ,,Vorgefundenen" iiberwaltigt, findet auch er die Mittel, um die eigene 
Herkunft zu ergriinden -das Familiengeschichten-Erzahlen. Und Johannas Behauptung 
zum Trotz, <lass sich seine literarische Arbeit lediglich im Phantasieren iiber die Ahnen 
auf einem ,,Notizbuch-Stadium" erschOpft, !asst sich eines entgegensetzen - haben wir 
denn nicht gerade einen Familien- und Generationsroman gelesen? 
45 Amo Geiger: Es geht uns gut. Milnchen: Deutscher Taschenbuch Verlag 2007. S. 389f. 
151 
LITERATURVERZEICHNIS 
Primarliteratur 
Geiger, Amo: Es geht uns gut. Munchen: Deutscher Taschenbuch Verlag 2007. 
Sekundarliteratur 
Beyer, Susanne: Gesucht: die eigene Herkurift. In: Der Spiegel 2912004 vom 12.07.2004, S. 118. 
Breuer, Susanne: Abschied von der Vergangenheit. In: Koiner Stadt-Anzeiger vom 15.10.2005, S. 
40. 
Buttinger, Klaus: Geht 's uns gut? In: Oberosterreichische Nachrichten, Beilage Wochenende, Linz, 
13.05.2006. s. 7. 
Eigler, Friederike: Gediichtnis und Geschichte in Generationenromanen seit der Wende. Philologische 
Studien und Quellen 192. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2005. 
Erhart, Walter: Thomas Manns Buddenbrooks und der Mythos zerfallender Familien. In: Claudia 
Brinker-von der Heyde, Helmut Scheuer (Hrsg.): F amilienmuster - Musterfamilien. Zur Kon-
struktion von Familie in der Literatur. Frankfurt am Main: Peter Lang 2004. S. 161-184. 
Freytag, Julia:,, Wer kennt Osterreich?" Familiengeschichten erziihlen. Arno Geiger Es geht uns gut 
(2005) und Eva Menasse Vienna (2005). In: (Hrsg.) Inge Stephan, Sigrid Weigel: NachBilder 
des Holocaust. Literatur - Kultur - Geschlecht. Studien zur Literatur- und Kulturgeschichte. 
Band 23. Koln, Wien: Bohlau 2007. S. 111-124. 
Rage,-VolICer:-Die Enke! -Wollen es-wissen: In: Der Sftiegen 212003 vom. 17 .o3:2om, s. 170. 
Hage, Volker: Wiihlarbeit im Haus der Ahnen. In: Der Spiegel 3512005 vom 29.08.2005. S. 154-
156. 
Jandl, Paul: In diesen Tiilern ist das Gute daheim. Wer hiitte das gedacht: Osterreich erziihlt. In: Neue 
Ziiricher Zeitung, International, Zurich, 13.12.2005. S. 25. 
Lutosch, Heide: Ende der Familie - Ende der Geschichte. Zurn Familienroman bei Thomas Mann, 
Gabriel Garcia Marquez und Michel Houellebecq. Bielefeld: Aisthesis Verlag, 2007. 
Reiterer, Reinhold: Kriifiiges Ausholzen im Familiendickicht. In: Kleine Zeitung, Graz, 17.09.2005. 
s. 104. 
Ru, Yi-ling: The Family Novel. Toward a Generic Definition. New York, San Francisco, Bern: Peter 
Lang, 1992. 
Schmitz, Michaela: Arno Geigers neuer Roman ist fiir den Deutschen Biicherpreis nominiert. In: 
Rheinischer Merkurvom 06.10.2005. S. 21. 
Schwens-Harrant, Brigitte: Taubenkot am Dachboden. In: Die Furche, Wien, 17.11.2005, Nr. 46, S. 
1. 
Simon, Anne-Catherine: In den Familienroman gestolpert. In: Die Presse vom 19.10.2005. S. 29. 
von Wilpert, Gero: Sachworterbuch der Literatur. Stuttgart: A. Kroner, 1989. 
Lander!, Peter: Interview mit Amo Geiger. Literaturhaus Wien, 6.10.2005. http://www.literaturhaus. 
at/buch/autoren_portraits/portraits/geiger. (20.09.2007). 
Schmitz, Michaela: Neun Tage fiir ein ha/bes Jahrhundert. http://www.dradio.de/dlf/sendungen/ 
buechermarkt/411611. (05.05.2008). 
Vedder, Ulrike: Programm der KonferenzAm Nullpunkt der Familie: Generationen und Genealogien 
in der Gegenwartsliteratur, vom 15./16.2.2008 im Zentrum filr Literatur- und Kulturforschung 
Berlin. http://www.zfl.gwzberlin.de/veranstaltungen/veranstaltungen/ I _/259/?cHash=cddd7 l 6 
ae5. (10.05.2008). 
152