ZU DER GESCHICHTE DER PRAETENTURA ITALIAE ET ALPIUM IM LAUFE DER MARKOMANNENKRIEGE JENÖ FITZ Istvân K iräly M uzeum, Székesfehérvâr E ine der w ichtigsten m ilitärischen R eorganisationen w ährend d er M arkom annenkriege w ar w ohl die E rrichtung d er praetentura Italiae et A lp iu m im ersten, defensiven A bschnitt des K rieges. Seit der Zusam m en­ fassung d er Geschichte der M arkom annenkriege von W. Z w ikker1 vor etw a 25 Ja h re n , haben zahlreiche n eu e E rm ittlungen unsere bisherige K enntnisse über die V erteidigung Italiens und der A lpenpässe w esentlich m odifiziert. N icht n u r die D atierung d er E rrichtung des Schutz- und V erteidigungs­ system s konnte berichtigt w erden, es konnten auch die Z usam m enhänge zw ischen der p raeten tu ra und jenen organisatorischen M assnahm en g eklärt w erden, die zum Schutz der angrenzenden G ebiete gleichzeitig oder zu einem späteren Z eitpunkt getroffen w orden w aren. D iesm al sollen zw ei überaus kritische Fragen besprochen w erden, und zw ar d e r S onderauftrag des L. V itrasius Flam ininus, der — d er A nsicht W. Z w ikkers und einiger Forscher gem äss — gleichzeitig m it d er p raeten tu ra m it d er V erteidigung von Italia T ranspadana, D alm atien u n d M oesia superior b e a u ftra g t w orden w a r zw eitens m it d er R eorganisation von N oricum und R aetien zu P rovinzen m it je ein er Legion. DIE ERRICHTUNG DER PRAETENTURA ITALIAE ET ALPIUM Im allgem einen ist die Forschung einhellig der Ansicht, dass die praetentura Italiae et A lp iu m nach dem grossen A ngriff auf A quileia eingerichtet w orden ist. Es u n terlieg t keinem Zw eifel, dass die v o rd rin g ­ lichste A ufgabe des sich in d e r Defensive befindlichen Im perium s nach der w aghalsigen Ü berrum pelung d er B arbaren der A usbau eines entsprechen­ den V erteidigungssystem s w ar, um ähnlichen E infällen Vorbeugen zu können. A ndererseits kann m it grosser W ahrscheinlichkeit angenom m en w erden, dass nach der Befestigung aller nach Italien führenden Strassen d er E infall d er M arkom annen und Q uaden auf halbem W ege ins Stocken geraten w äre. O bw ohl die Forscher ü b er die A ufeinanderfolge von E infall und P ra e - te n tu r einig sind, konnte darü b er, w ann die A lpenpässe befestigt w orden sind, nicht einm al ein an n äh ern d einheitlicher Z eitp u n k t erm ittelt w erden. Die beiden extrem sten A uffassungen der neuesten L iteratu r v e rtre te n A. 1 W. Zwikker, Studien zur M arkussäule I. A m sterdam , 1941. D egrassi m it seiner D atierung auf das J a h r 1682 und E. Swoboda, der die O rganisierung der V erteidigung in die Ja h re 171/72 setzt.3 In den vergangenen J a h re n w ar es uns gelungen zwei strittig e F ragen der p raeten tu ra gew isserm assen zu klären: näm lich den Z eitpunkt des A n­ griffs d er B arbaren und w elcher A rt die V erteidigungsanlagen gew esen w aren.4 D er vielum strittene Z eitp u n k t des G erm anensturm es, als die M arko­ m annen und Q uaden bis A quileia und O pitergium vordrangen, kann auf G rund aller A ngaben auf die M onate M ai—Ju li des Jahres 169 festgelegt w erden. U ngeachtet der Erfolge des kaiserlichen Feldzugs im Ja h re 168, des Rückzugs der die Provinz verheerenden B arbaren und der F riedensbe­ strebungen,5 bereitete M arcus A urelius — nach A quileia zurückgekehrt — die F ortsetzung des K am pfes vor. Die in A quileia ausgebrochene Pest und der Tod des Lucius V erus v erh in d erten ihn, sein V orhaben durchzuführen. In d er ersten H älfte von 169 konnte er der E pidem ie wegen nicht einm al an die F ro n t zurückkehren, konnte Rom der B estattungszerem onien des M itkaisers und der Ü bernahm e seines Erbes w egen nicht verlassen. Die M arkom annen und Q uaden w ussten diese für sie denkbar günstigste ein­ m alige Lage zu nutzen.6 7 8 G egen die B arbaren w u rd en A bteilungen der illy ­ rischen Armee, u n te r d er F üh ru n g des Ti. C laudius Pom peianus, der P annonia inferior im R ange eines konsularischen S tatth alters verw altete, herangeführt. Pom peianus gelang es, den Rückzug der eingedrungenen G erm anen zu erzw ingen u n d Italien zu befreien. M arcus A urelius ern an n te ihn dann, nach seiner H eirat im Som m er-H erbst 169 m it Lucilla A ugusta, zum O berfeldherrn des folgenden Feldzugs. D ie V erteidigungsm assnahm en, die zum Schutze Italiens getroffen w u r­ den, sind in der H istoria A ugusta in Zusam m enhang m it der Schilderung des Feldzugs des Jah res 168 folgenderw eise erw äh n t: denique transcensis A lpibus longius processerunt com posueruntque omnia, quae ad m un im en Italiae atque Illyrici p ertin eb a n t? A. Degrassi m eint, dass Em ona bereits vor 170 von P annonia superior g etren n t und Italien angeschlossen w urde,3 w ahrscheinlich zur Zeit d er E rrich tu n g der p raeten tu ra, die die V erteidigung Italiens reorganisierte. Von d er N ordostgrenze Italiens sind uns drei In ­ schriften bekannt, die sich au f m ilitärische Ereignisse beziehen. Die aus H oischbügel im südlichen N oricum stam m ende In sch rift9 w ird durch die beiden von ihr erw ähnten K onsuln auf 168 d atiert; w eil aber n u r e i n A ugustus erw äh n t w ird, ist es denkbar, dass d er Stein kurz nach dem Tod des L. V erus errich tet w urde. Die E rgänzung der Inschrift datiert den 2 A. Degrassi, Il confine nord-orientale dell’Italia romana. Diss. Bernenses 1/6 1954, S. 116. 3 E. Swoboda, C arnuntum .4 Graz-Köln, 1964, S. 251 f. 4 H istoria XV, 1966, S. 336 f. 5 SHA vita M arci, 14, 3. 6 J. Dobiaš, Dëjiny Ceskoslovenského ûzemi pred vystoupenim Slovanu. P ra ­ ha, 1964, S. 235. 7 SHA vita Marci, 14, 6. 8 A. Degrassi, o. c. S. 123; B. Saria datierte die Einverleibung Emonas in der jüngeren L iteratur auf eine sp ätere Zeit. H istoria I, 1950, S. 453. 9 R. Egger. F rühchristliche K irchenbauten im südlichen Noricum. Wien, 1916, S. 98. in A tran s gefundenen, stark beschädigten S tein1 0 1 1 gleichfalls auf das J a h r 168. Obwohl diese Inschriften n ich t als vollw ertige B ew eise gelten können, sprechen sie dafür, dass die B efestigung der nördlichen G renzgebiete Italiens w ahrscheinlich an der W ende von 168 auf 169 begonnen h a t und bestätigen die sich d arau f beziehende A ussage der H istoria A ugusta. A uf d er aus T hibilis in N um idia C irtensis stam m enden Insch rift des Q. A ntistius A dventus Postum ius A quilinus ist die P ra e te n tu r folgenderm assen erw ähnt: leg. Aug. at prae[t]enturam Italiae et A lp iu m expeditione G er­ m anica.1 1 Q. A ntistius A dventus übernahm um 163 nach der L eitung der legio V I Ferrata die F ü h ru n g d er in den P a rth e rk rie g abkom m andierten legio II adiutrix. (In ih re r H eim atprovinz w a r die in A quincum stationierte Legion dem S ta tth a lte r von Pannonia inferior u n terstellt: fü r die D auer eines Feldzugs aber übernahm ein Legionslegat das Komm ando.) Es ist ohne w eiteres denkbar, dass dieses M andat bis zum E nde des Krieges, d. h. bis zur H eim kehr der Legion in ih re ursprüngliche G arnision, d. h. bis 166 gültig w ar. W enn P. Iulius G em inius M arcianus nach der S tatth altersch aft in A rabien um 167 m it dem C onsulat b e tra u t w u rd e,1 2 so konnte Q. A n ti­ stius A dventus die V erw altung A rabiens schw erlich vor 166 übernom m en haben. Die nächsten E tappen seiner K arriere lassen w eder eine besonders rasche B eförderung noch etw aige S onderaufträge erkennen, daher scheint es unw ahrscheinlich, dass seine S tatth altersch aft in A rabien eine w esentlich k ü rzere Z eit als 2—3 Ja h re —- w ie üblich — g ed au ert hätte, d. h. zum indest bis 167/68. Demzufolge kann er sein Consulat schw erlich vor 168 angetreten haben. In der Folge w ar er dann — m öglicherw eise seit B eginn des Jah res 169 — curator operum publicorum : Die V erteidigung d er A lpenpässe erh ielt er — als Sonderkom m ando —- in der zw eiten H älfte des Jah res 169. Die B efestigung A quileias,1 3 den Bau d er S tad tm au er von A guntum ,1 4 das frühestens 171 gebaute L ager d er legio II Italica von Ločica (Lotschitz),1 5 fe rn e r die B efestigung Salonas h a tte die Forschung m it der E rrichtung der p ra e te n tu ra Italiae in V erbindung gebracht.1 6 A b er einzig und allein die U m m auerung von Salona k an n sicher d a tie rt w erden: Die XXIV. tribunicia potestas des M arcus A urelius d a tie rt die drei In sch riften auf 170. D er bereits erw ähnte H inw eis der H istoria A ugusta auf die V erstär­ kung des italienischen G renzschutzes um 168/69, die epigraphischen Belege vom E nde des Jah res 168 von den G renzstationen und B ergübergängen, die B efestigung Salonas im J a h re 170 und das E rscheinen der legiones II und 111 Italicae, schliesslich auch der, w ahrscheinlich auf eine spätere Zeit, da­ tie rb a re B au des L otschitzer L agers sprechen dafür, dass die Sicherung der nach Italien führenden S trassen nich t auf einm al bew ältig t w erden konnte, sondern m ehrere Ja h re lang andauerte. G leichzeitig b edeutet dies aber auch, dass d er E infall d er M arkom annen und Q uaden nich t unbedingt vor die 1 0 J. Sašel, Živa A ntika IV, 1954. S. 200; Ann. Ép. 1958: 247; A. Šašel, J. Sašel, Situla V, 1963, S. 130, No. 382. 1 1 Ann. Ep. 1893: 88 = D. 8977. 1 2 H.-G. Pflaum , B J C.LXIII, 1963, S. 226. 1 3 G. Brusin, Gli scavi di Aquileia, 1934, S. 64. 1 4 E. Swoboda, JÖAI XXIX, 1935, S. 49 ff. 1 5 E. Swoboda, C arnuntum 4. G raz-Köln 1964, S. 251 f. 1 6 CIL III, 1980 = D. 2287; CIL III, 1979 = D. 2616; CIL III, 6374 = £655 = D. früheste B auperiode d atiert w erden muss. W ährend ihres kurzen A ufent­ haltes in Pannonien im W inter 168/69 konnten die beiden K aiser die V ertei­ digung keinesfalls in dem M asse ausbauen, dass die W ehranlagen bereits zu B eginn des folgenden Ja h re s das V ordringen d er G erm anen h ätten au f­ halten können. W enn Q. A ntistius A dventus sein A m t als Legat im R ang eines gew esenen K onsuls bei der praetentura Italiae et A lp iu m vor d er M itte des Jah res 169 noch angetreten hatte, so bedeutete dies, dass nach den bereits frü h er in kleinerem Ausm ass angelaufenen V erteidigungsarbeiten die eingentliche O rganisation des G renzschutzes erst dam als begann. DER SONDERAUFTRAG DES L. VITRASIUS FLAMININUS In den vergangenen Jah rzeh n ten w aren ü b er die D atierung des Son­ d erau ftrag s von L. V itrasius Flam ininus zwei verschiedene A nsichten au f­ gekom m en. Die erste g rü n d ete sich auf das M ilitärdiplom CIL XVI 69, dem nach Flam ininus am 17. Ju li 122 consul su ffectu s w ar.1 7 W. Z w ikker ab er d a tie rt den S onderauftrag des L. V itrasius Flam ininus au f die Z eit der M arkom annenkriege, d. h. auf das J a h r 172, au f das er auch die R eorga­ nisation d er praetentura Italiae et A lp iu m d atiert h atte.1 8 E r v e rtritt die Ansicht, dass Flam ininus den S onderauftrag, der dem des Q. A ntistius A d­ ventus ähnlich w ar, m it diesem um die gleiche Zeit erhielt, d er O berita­ lien, D alm atien und Moesia superior u n te r sein Kom m ando stellte, zum Schutz Italiens und der h in te r dem K am pfgelände gelegenen Gebiete. R. Syme b e stritt m it R echt die R ichtigkeit dieser B ehauptung, dass näm lich die V erteidigung eines d e ra rt grossen Gebietes, das von den W estalpen bis w eit in die B alkanhalbinsel reichte, in den H änden eines einzigen M annes gelegen w äre.1 9 W ahrscheinlich w äre ein d erartiges Kom m ando im schw ie­ rigsten A bschnitt d er M arkom annenkriege vollkom m en unw irksam und erfolglos gewesen. Seit 169 lag in Moesia superior n u r eine Legion (legio V II Claudia), dem entsprechend w u rd e die Provinz von prätorischen S ta tth a lte rn v erw altet.2 0 In D alm atien stan d seit etw a einem Ja h rh u n d e rt keine Legion.2 1 Die d u rch die K riegsgeschehnisse dort notw endig gew ordene B auw erke w urden von E inheiten errich tet, die von andersw o abgezogen w urden. Die fü r die V erteidigung Italiens bestim m ten Legionen II und III Italica u n te r­ standen in diesem Z eitabschnitt offenbar d er praetentura Italiae et A lpium . Q. A ntistius A dventus, d er L egat der p raeten tu ra, stand im Rang eines consularis, befehligte som it zw ei Legionen. Die von W. Z w ikker voraus­ gesetzte h intere V ertedingungslinie h ätte schon w egen ih rer unverhältnis- 1 7 P. Lam brechts, La com position du sénat rom ain de l’accession au trône d ’H adrien à la m ort de Commode 117—192. A ntw erpen-P aris-s’Gravenhage, 1936, No. 139.; A. Stein, Die Legaten von Moesien, Diss. Pannonicae, 1/11, 1940, S. 41.; R. Syme, Gnomon XXXI, 1959, S. 513 f. ; A. R. Birley, A cta Ant. Philippopolitana 1962, S. 111.; R. Syme, Revue des Études Anciennes LXVII, 1965, S. 343. 1 8 W. Zwikker, o. c., S. 163, 229.; J. Jagenteufel, Die S tatthalter der röm ischen Provinz D alm atien von A ugustus bis Diokletian. Wien, 1958, S. 63, No. 20.; B. E. Thomasson, Die S tatth alter d er röm ischen Provinzen N ordafrikas von A ugustus bis Diocletianus. Lund, 1960, II, S. 86 f.; G. Radke, RE, IX A 1961, S. 416 ff. 1 0 R. Syme, Gnomon XXXI, 1959, S. 513 f. 2 0 Epigrafica XXVIII, 1966, S. 78 f. 2 1 Cf. Anm. 16. m assigen, dah er unübersichtlichen Länge nicht dem Zweck entsprechen können, ausserdem feh lte es auch an den nötigen m ilitärischen K räften, um das ü b erau s grosse G ebiet m it Erfolg verteidigen zu können. N ach diesen von R. Sym e2 2 und A. R. B irley2 3 dargetanen G egenargum enten besteht kein G rund m ehr, um den S onderauftrag des L. V itrasius Flam ininus auf die Zeit d er M arkom annenkriege zu datieren.2 4 Solange neues B ew eism aterial die Rolle und die A ufträge des F lam i­ ninus n ich t einhellig k lärt, h ä lt R. Sym e die P ersonengleichheit des Flam i­ ninus m it dem suffectus des Ja h re s 122 fü r w ahrscheinlich.2 5 Diese D a­ tieru n g lässt uns ab er über die beiden S onderaufträge des Flam ininus im unklaren : leg. [p]r. pr. Italiae Transpadanae und (leg.) exercitus provincias D alm atie. Im Z eitraum zw ischen 122 und 137/382 6 w ird keine d er beiden Sondervollm achten erw ähnt. W ährend dieses anderth alb Jah rzeh n tes ist uns aber auch kein Geschehnis bekannt, das eine derartig e Sonderbevollm ächti­ gung e rfo rd ert hätte. B ei d er Feststellung der A m tszeit des L. V itrasius Flam ininus muss die A uslegung der beiden Sondervollm achten, nicht ab er das K onsulat von 122 — das sich n u r m öglicherw eise auf ihn beziehen könnte — ausschlaggebend sein. A us diesem G runde m üssen w ir der n u r einm al vorkom m enden B e­ zeichnung: leg. Aug. p. p. region. Transpadanae in d er Inschrift des C. Iulis P roculus2 7 grosse W ichtigkeit beim essen. P roculus v erw altete O ber­ italien vor seinem K onsulat im J a h re 109, spätestens in den Ja h re n 106— 108, m öglicherw eise sogar schon seit 105, d. h., bereits seit dem zw eiten dazischen K rieg. Ita lia T ranspadana w urde also im ersten Jah rzeh n t des 2. J a h r ­ h u n d erts — w ahrscheinlich als m ilitärisches A ufm arschgebiet — von einem L egaten verw altet. D a uns aber eine ähnliche O rganisation in einem an ­ deren Z eitraum nicht b ek an n t ist, liegt es nahe, die analoge Sonder­ vollm acht des Flam ininus au f dieselbe Z eit zu datieren .2 8 Dies w ürde m it den Folgerungen übereinstim m en, die sich aus d er aufeinanderfolgenden V erw altung von D alm atien u n d M oesien ableiten lassen. Die S ta tth a lte r der beiden m oesischen und der beiden germ anischen P rovinzen verw alteten im Zuge ih re r w eiteren L aufbahn — dem hadrianischen B eförderungssystem gem äss — B ritannien, H ispanien oder Syrien.2 9 K einer d er Senatoren, die diesem bezeichnend m ilitärischen K arriere-T ypus gem äss befördert w urden, h a tte n das m ilitärisch bedeutungslose D alm atien verw altet. Sogar im 3. Ja h rh u n d e rt, als das festgelegte B eförderungssystem nicht m ehr streng ein­ geh alten w urde, fin d et sich kein Beispielsfall h ierfü r. D em gegenüber aber h a tte n L. F unisulanus V ettonianus,3 0 Q. Pom ponius R ufus3 1 und C. Cilnius 2 2 R. Syme, Gnomon XXXI, 1959, S. 513 f. 2 3 A. R. Birley, o. c. 2 4 So: G. Radke, o. c. S. 416 ff. 2 5 R. Syme, Revue des Études Anciennes LXVII, 1965, S. 343. 2 6 Ibid. 2 7 CIL X, 6658 = D. 1040. 20 M. Stech, S ena,ores rom ani qui fuerint inde a Vespasiano usque ad T raiani exitum . Klio Beiheft X 1912, No. 1539. 2 0 Die Laufbahn der S tatth alter in der röm ischen Provinz Moesia inferior. W eimar, 1966, S. 55 ff. 3 0 CIL III, 4013; Ann. Ep. 1946: 205. 3 1 CIL VIII, 13; Ann. Ep. 1948: 3. P roculus3 2 an der W ende des 1—2. Jah rh u n d erts d er folgerichtigen O rdnung gem äss nach ihrem K onsulat D alm atien und eine der beiden m oesischen Provinzen v erw altet und w u rd en dann Prokonsulen in A frika. Die G leichar­ tig k eit d er B eförderung lässt zweifellos erkennen, dass auch L. Y itrasius F lam ininus dieser G ruppe d er drei genannten Senatoren zugeordnet w erden kann. Die E rnennung zum (leg.) exercitus provinciae Dalmatiae — entw eder in Z usam m enhang m it d er S tatth altersch aft von M oesia superior oder als selbständiges A m t — w äre n u r in der Z eit des ersten oder zw eiten dazischen K rieges begründet gewesen, als näm lich D alm atien als A ufm arschgebiet d er röm ischen T ruppen vorübergehend m ilitärisch w ichtig w ar. Die A rt d er transpadanischen S tatth altersch aft, der dalm atinisch-m oesische K arriere- Typus, d er der m oesischen B eförderungsordnung voranging, d er d alm atini­ sche Sonderauftrag, der m it den dazischen K riegen in Zusam m enhang gebracht w erden kann, lassen d arau f folgern, dass L. V itrasius Flam ininus D alm atien, M oesia superior und Italia T ranspadana in den ersten Ja h re n des 2. J a h r ­ h u n d erts verw altet hatte. DIE REORGANISIERUNG RÄTIENS Die R eorganisation d er Provinz R ätien von einer prokuratorischen P rovinz ohne Legion zu ein er prätorischen P rovinz m it einer Legion d atierte W. Z w ikker auf die Zeit um 171/72.3 3 Als G rundlage dazu diente ihm die L au fb ah n des Sex. Baius Pudens, der um 167 M auretania Caesariensis v e r­ w altete,3 4 d arau f M auretania T ingitana, nicht vor 170 R ätien und um 172 N oricum .3 5 W eil aber d er gew esene Konsul [C aerellius Priscus] um 172 als L egat die V erw altung d e r Provinz übernahm , erfolgte die R angerhöhung der P rovinz bei seinem A m tsan tritt, d. h. nach dem Sieg im Jah re 171,3 6 als d er defensive A bschnitt des K rieges bereits abgeschlossen w ar u n d das Im perium seine Provinzen d er neuen Lage und den E rfordernissen d er K riegsführung gem äss reorganisierte. Obwohl diese D atierung der R eorga­ nisation der Provinz auf G rund der U m stände m öglich, ja sogar w ahrschein­ lich sein könnte, w ird sie w eder durch Daten, noch durch die A nalyse der historischen Ereignisse b estätigt. A. Dom aszewski und seine G efolgsm änner3 7 3 8 h a tte n die L aufbahn des Sex. Baius Pudens irrtü m lich gedeutet: er h a tte näm lich die aufgezählten Provinzen in der um gekehrten Reihenfolge v e r­ w altet: in den Ja h re n 161— 163 Noricum , um 165 R ätien, 167— 169 M aure­ ta n ia Caesariensis.3 3 Trotz d er B erichtigung der Chronologie des L ebenslaufes von Sex. Baius Pudens ist die Frage — wie lange R ätien von P ro k u rato ren aus dem R itterstan d v erw altet w urde — noch offen. 3 2 CIL XI, 1833; Ann. Ep. 1926: 123. 3 3 W. Zwikker, o. c. S. 184 f. 3 4 CIL VIII, 20834 = D. 6885; CIL VIII, 20835. 3 5 W. Zwikker, o. c. S. 183 f. 3 6 M ark A urel bekam die VI. im peratorische A kklam ation in diesem Jah re. 3 7 A. v. Domaszewski, Die Rangordnung des röm ischen Heeres. BH CVII 1908. S. 227.; E. Ritterling, E. Groag. E. Stein, Fasti des röm ischen Deutschland u n te r dem Prinzipat. Wien, 1932, S. 105.; A. Stein, Der röm ische R itterstand. M ünchen, 1927, S. 372.; W. Zwikker, o. c., S. 184.; K. K raft, G erm ania XXX, 1952, S. 347. 3 8 H.-G. • Pflaum , Les carrières procuratoriennes équestres sous le H au t- Em pire romain. Paris, 1960-61, S. 422 ff. No. 173. D ie K o rrek tu r, die w ir bei d er L aufbahn von [Caerellius Priscusl vornehm en müssen, ist geringfügig: er h atte näm lich zwischen seiner S tatth altersch aft in Moesia su p erio r (prätorische P rovinz m it einer Legion) und in G erm ania superior (konsularische Provinz m it zw ei Legionen) auch R ätien v erw altet.3 9 M oesia su p erio r h atte er vor 170 nich t übernehm en können: verm utlich w ar er M. C laudius Frontos N achfolger, der als S ta tt­ h alter d er vereinigten Provinzen D azien und M oesia superior in jenem J a h r im K am pf gegen die B arb aren den H eldentod starb .4 0 A ndererseits P. H elvius P ertinax, der um die M itte von 173 die S tatth altersch aft in Moesia superior an trat, w ar annehm bar Priscus u n m ittelb arer N achfolger. [C aerellius Priscus] h atte w ahrscheinlich etw as sp äter als W. Z w ikker voraussetzt4 1 4 2 • — frühestens ab er in d er zw eiten H älfte von 173 — die V erw al­ tung R ätiens übernom m en — gesetzt den Fall, dass er sich w ährend seines K onsulats nicht in Rom aufhielt. Doch kann auch die M öglichkeit nicht von der H and gew iesen w erden, dass er erst zu B eginn 174 sein A m t in R ätien an trat. Diese M odifizierung d er L aufbahn des [C aerellius Priscus] bed eu tet aber keinesfalls gleichzeitig auch die D atierung d er reorganisierten P ro ­ vinz R ätien zu einer präto risch en Provinz m it einer Legion auf die zw eite H älfte von 173, oder gegebenenfalls auf das beginnende 174 Jah r. Diese M öglichkeit m üssen w ir w egen dem Sonderauftrag des [Caerelius Priscus] entschieden ablehnen: der die S tatth altersch aft R ätiens antretende S enator befehligte näm lich als gew esener Konsul zwei Legionen. Dies ist die U r­ sache, w esw egen w ir [C aerellius Priscus] nicht in die R eihe der prätorischen S ta tth a lte r einordnen können. Seine B erufung auf diesen Posten m üssen w ir fü r ein — durch die kriegerischen V erhältnisse bedingtes — Sonderkom ­ m ando halten. D as rätische M andat des [C aerellius Priscus] scheint etw as ebenso A us- sergew öhnliches und Einm aliges gew esen zu sein, w ie die B erufung des Q. A ntistius A dventus an die Spitze der praetentura Italiae et Alpium.*2 Ja, noch m ehr: w ir sind sogar d er M einung, dass w ir — vielleicht nicht zu U nrecht — zw ischen den beiden B evollm ächtigungen nicht n u r eine gewisse Ä hnlichkeit, sondern sogar einen organischen Zusam m enhang fü r m öglich halten. D er A nlass dieser V erknüpfung ist das E rscheinen der beiden L e­ gionen in R ätien u n te r der F ü h ru n g des [Caerellius Priscus] zu einer Zeit, als sich d er S chw erpunkt d er offensiven K riegsführung bereits auf den pannonischen L im esabschnitt, auf die F ro n t der M arkom annen—Q uaden— S arm aten verlegt hatte. D er offensichtliche W iderspruch könnte n u r m it d er Ü berprüfung des späteren Schicksals der praetentura Italiae et A lp iu m und d er B erichtigung etw aiger F ehler gelöst w erden. D arin h at A. D egrassi zw eifelsohne Recht, dass m it d er Ä nderung der strategischen Lage die A uf­ rech terh altu n g der praetentura Italiae et A lp iu m in ih re r ursprünglichen F orm nicht m ehr notw endig w ar.4 3 D er A uffassung aber, dass das zum S chutz Italiens und der A lpenpässe aufgestellte K om m ando nach 171, d. h. 3 9 CIL X III, 6806. 4 0 A. R. Birley, o. c. S. 112. 4 1 W. Zwikker, o. c. S. 184 f. 4 2 Ann. Ép. 1893: 88 = D. 8977. 4 3 A. Degrassi, o. c. S 122 f. nach B eendigung des D efensivkrieges zu bestehen aufgehört hätte, können w ir n ich t zustim m en. L eiter dieses W ehrkom m andos w ar Q. A ntistius A d­ ventus als consularis, d. h., dass ihm m indestens zw ei Legionen u n terstellt w aren. Diese Legionen — w ahrscheinlich die legio II und III Italica4 1 * * 4 4 — sind die beiden Legionen, die in den 170er Jah ren in Ločica (Lotschitz),4 5 bzw. in E ining-U nterfeld4 6 4 7 4 8 4 9 nachw eisbar sind und nach d er endgültigen R eorgani­ sierung d er Streitm acht Noricum s, bzw. R ätiens zugeteilt w urden. Aus der B erufung des im Rang eines gew esenen K onsuls stehenden [C aerellius Priscus] ist m it Recht zu schliessen, dass die Legionen w ährend seiner A m tszeit noch u n ter einem gem einsam en höheren K om m ando standen. Som it können w ir [Caerellius Priscus] fü r den N achfolger des Q. A ntistius A dven­ tus h alten, m it einer, d er v erän d erten m ilitärischen Lage gemäss m odi­ fizierten B evollm ächtigung. N ach 171 bedurfte es keiner, fü r den Schutz Italiens reserv ierter Legionen m ehr: die V erteidigungslinie w ar auf die N ordseite der A lpen verlegt w orden. Es ist denkbar, dass die U m gruppierung noch u n te r dem K om m ando von Q. A ntistius A dventus unternom m en w urde, noch — w ie w ir es bereits d arg etan h atten — [C aerellius Priscus] vor M itte des Ja h re s 173 die F ü h ru n g d er norisch-rätischen T ruppen nicht übernom ­ m en haben konnte. M öglicherw eise w ar aber zw ischen den beiden F eld ­ h erren noch ein u n b ek an n ter d ritte r — etw a zw ischen 171— 173 — tä tig gewesen. Die R eorganisierung Noricum s und R ätiens zu prätorischen P ro ­ vinzen konnte erst nachdem die B evollm ächtigung des [Caerellius Priscus] abgelaufen w ar, stattg efu n d en haben: m it grösster W ahrscheinlichkeit k ö n n ­ te die Z eit um 175 in F rage kom m en, als der M arkom annenkrieg m it einem F riedensvertrag beendet w urde. POVZETEK K zgodovini pretenture Italiae et A lpium za m arkom anskih vojn Praetentura Italiae et A lp iu m je bila osnovana po odhodu M arka A vrelija in L ucija Vera na vojno v drugi polovici leta 168 te r v času njunega bivanja v Panoniji. Organizacijo in izgradnjo dobro zasnovane obram be so sprožili M ar- kom ani in Kvadi, ki so vdrli v Italijo, oblegali A kvilejo in uničili Opitergium. Takoj ko so bili okoli sredine le ta 169 barbari zavrnjeni, je bila obram ba Italije zaupana Q. A ntistiju A dventu, ki sta m u bili podrejeni dve legiji. Do leta 171 je obsegalo njegovo poveljstvo obram bo severne Italije in alpskih prehodov. H k ra­ ti je prejel poznejši vladar P. H elvius Pertinax nalogo, očistiti Retijo z arm ado, 4 1 Legio II Italica: E. R itterling, RE X II 1925, S. 1301, 1468 f.; Legio III Italica: A. Domaszewski, N eue Heidelb. Jb. V. 1895, S. 115, Anm. 2.; E. R itte r­ ling, o. c. 1533; CIL V, 5032, 5036. 4 5 F. Lorger JÖAI X IX XX, 1919, Bb. S. 125.; E. Swoboda, Carnuntum .4 G raz- Köln, 1964, S. 251. 4 8 H .-J. Kellner, BVB1 XXX, 1965, S. 163. 4 7 SHA vita Pert., 2, 477 ; Acta A ntiqua A cadem iae Scientiarum H ungaricae IX, 1961, S. 165 ff.; H istoria XV, 1966, S. 344. 4 8 H.-G. Pflaum, Libyca III, 1955, S. 123 ff. 4 9 CIL VI, 31856 = D. 1327. 6 0 CIL XIV, 289* = VI, 31871. ki so jo sestavljale: legio I adiutrix (op. 47) in druge panonske edinice (48), re- tijske (49), verjetno tudi noriške garnizije ter ena veksilacija iz Italije (50). Po zaključku defenzivne vojne, to je od leta 171 dalje, se je kom petenca pretenture polagom a razširila tudi na področja severno od Alp. Ko je okoli sredine leta 173 prevzel obram bo tega frontnega odseka kot izredno nalogo [Caerellius Priscus], je bil že konsularni nam estnik v Retiji. Ko pa se je leta 175 doba njegove izredne naloge iztekla, vzdrževanje te službe ni bilo več potrebno. Obe legiji nekdanje pretenture sta ostali še dalje n a m estu in bili od tega časa dalje podrejeni vsako­ kratnem u nam estniku poslej pretorskih provinc Retije in Norika.