Laibacher M s«. Donnerstag den 28. Dezember FAF«. Wie komnrt's, daß es auch unter den Be¬ kenner» der katholischen Religion Wühler gibt? ^E^enn man einerseits bedenkt, daß der göttliche Stifter unserer heiligen Religion nicht nur selbst ein abgesagter Feind aller Wühlereien und Empörungen gegen die gesetzmäßige Obrigkeit war, sondern vielmehr Gehorsam gegen dieselbe durch Wort und That empfahl, bei so vielen Gelegenheiten den Frieden predigte und die Freunde desselben selig pries, anderseits aber einen Blick auf die Menschheit wirft und das Treiben selbst jener, die sich Bekenner seiner Lehre, seine Jünger — Katholiken nennen, beobachtet: so dringt sich von selbst die Frage auf: Wie kommr's, daß es auch unter den Bekennern der katholischen Religion unru¬ hige Köpfe und Wühler, ja sogar, erklärte Revolutionärs gibt? Ist ja doch die katholische Religion vermöge ihren Principien das beste Fundament des Staates, seine Ver¬ fassungsform mag wie immer beschaffen sein, wenn nur nicht — Despotismus. Freilich könnte man diese Frage kurz beantworten und sagen: weil der Christ als moralisches Wesen frei ist und als solcher seine Freiheit mißbrauchen — zwischen Wasser und Feuer wählen — das Eure oder das Böse — die Tugend oder das Laster lieben kann; ferner sieht jeder Ver¬ nünftige ein, daß, sowenig es der katholischen Reli¬ gion zur Last gelegt werden kann, wenn man unrer den Bekennern derselben Diebe und andere Sünder antriffr, eben so wenig die Wühlereien der Einzelnen ihrem Glau- bcnssystem imputirt werden können, denn nicht jeder Beken¬ ner ist auch schon ein Jünger Christi, — sein Nachfolger, wozu freilich etwas mehr erforderlich ist, als der bloße Name, wie cs der Heiland selbst lehrt, wo er sagt: „Wer mein Jünger sein will, der verläugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." Und dieß ists, womit sich die Wühler durchaus nicht befreunden wollen. Die Selbstverläugnung, das Hinopfern seiner eigenen Wün¬ sche und Privatinteressen an den Altar des Gemeinwesens, diese erhabene Bürgertugend wirst Du, geliebter Leser! vergebens bei den Aufwieglern suchen, noch weniger aber die getreue Nachfolge der schönen Tugenden Jesu Christi finden; denn nimmermehr kann ein katholischer Christ als solcher die Parthei der Wühler und Revolutionärs ergreifen, er habe denn früher, mag er auch ein Verkündiger des heil. Evangeliums sein, an seinen Grundsätzen Schiffbruch gelitten, was wieder in den Augen des denkenden Lesers eben so wenig zur Schmach seiner Mitbrüder gereichen kann, als der tiefe Fall des Judas seinen übrigen Mit¬ aposteln. Doch die obige Frage ist besonders in unseren beweg¬ ten Tagen zu wichtig, als daß man so schnell an ihr vor¬ übergehen sollte. Ich will deshalb zur Warnung der Gut¬ gesinnten einige Motive angeben, von welchen geleitet die Wühler der Gegenwart den Unbefangenen zu täuschen und zu ihren niedrigen Zwecken auszubeuten suchen. Dahin gehören zuförderst: Eitelkeit, Ehrgcitz und Herrschsucht. Bekanntlich ist das menschliche Herz an sich betrachtet der erbärmlichsten Eitelkeit und zugleich der zügellosesten Bosheit fähig, wofern es nicht durch einen soliden und characterfesten Geist geleitet wird. So lesen wir in der Geschichte, daß Herostratus, ein Bürger von Ephesus den prächtigen Tempel der Diana, an welchem Tausende von Händen Jahre lang mühsam ge¬ arbeitet, angezündec und zerstört habe aus dem einzigen Grunde — um seinen Namen auf die Nachwelt zu bringen. — Doch dieser war nicht der letzte boshafte Narr. Seit ihm gab es so zu sagen in jedem Jahrhunderte Tollköpfe, welche durch die erbärmlichsten und oft der Menschheit sehr nachcheilige Thaten sich einen wenn auch nicht berühmten, so doch bekannten Namen in der Geschichte zu erwerben bemühten. Und selbst in unserm sogenannten aufgeklärten Jahr¬ hunderte, wer sieht nicht bei einem unbefangenen Blicke, wie viele Menschen von ähnlichen Grundsätzen und Ent¬ schlüssen beseelt sind? Wer bemerkt nicht Männer auf der Weltbühne, deren ganzes Treiben dahin zielt, — um, koste cs auch den Verrath an ihrer besseren Ueberzeugung, für populär, aufgeklärt, als Männer des Fortschrittes und originell in ihren Ansichten und Vorschlägen zu gelten, zu glänzen — sich wie man zu sagen pflegt: berühmt und unsterblich zu machen. Denn wie wäre es sonst erklärbar, daß sonst achtbare Männer, denen Tausende ihr Vertrauen schenken, sich durch ihre oft aller Wahrheit und Rechtsbe- griffes baren Principien und Interpellationen im Angesichte der ganzen gebildeten Welt, bei den Reichsversammlungen auf eine so erbärmliche Weise blamiren! Wer stößt nicht auf Menschen, die sich als Demagogen, Führer und Freunde des Volkes selbst dckretiren, dabei jedoch oft mit schwerem 202 Gelde zuerst Leute, welche nichts zu verlieren haben, wahr¬ scheinlich aber gewinnen können, an sich locken, förmliche Clubs bilden, um ihre Pläne ausgebreiteter und desto kräf¬ tiger wirkend zu machen, deren Keckheit so weit geht, daß sie dann sogar Leute von echt christlicher Gesinnung, die jedoch in ihrer Unwissenheit und Leichtgläubigkeit ohne Mi߬ trauen und ohne Prüfung die falschen Eindrücke, welche sie ihnen einimpfen, aufnehmen, in ihr Schlepptau ziehen, ihnen goldene Berge versprechen und sie auf diese Weise sehr oft in den Abgrund eines wirklichen Unheils, um das vorgespiegelte, eingebildete zu vermeiden, gewissenlos hinein¬ stürzen. Und welcher unparceische Beobachter sieht nicht ein, daß jene Ultra-Demokraten gewöhnlich alles im Auge haben, nur nicht das wahre Wohl ihrer Mitbürger? — Zhr Herz wird von Ehrgeitz, Herrschsucht und tausend andern Leiden¬ schaften wie das tobende Meer vom Scurme gepeitscht, — bleiben diese unbefriedigt — so spicken sie ihren Säckel mit dem Schweiße der Verführten und gehen im schlimmsten Falle durch. Italien, dessen revolutionäre seit langer Zeit, nicht durch den heiligen Vater, sondern geheime Gesellschaften (varbonari, das junge Italien re.) und Verschwörung im Auslande verbreitete Elemente ein treuloser König benützte, hat sich in jüngster Zeit diese traurige Ueberzeugung mit vielem Eelde und Strömen von vergossenem Blute bitter erkauft, nicht zu gedenken der traurigen Erfahrungen, welche die Wiener in jüngster Zeit machten. Diese angeführten Motive wirken jedoch mit mehr Nach¬ theil für das allgemeine Wohl, wenn sich dazu schmutziger Eigennutz, Wollust und Hoffart gesellen, von welchen Lei¬ denschaften andere sogannte Volksbeglücker zerrieben werden. Denn fürwahr! hat einmal die Habsucht das Herz des Menschen umstrickt, so ist er zu allen, auch den schwärze¬ sten Thaten fähig, kein Mittel ist ihm zu schlecht, keine Sache zu heilig, an welcher er einen Verrath zu spielen nicht geneigt wäre, wenn nur seine Leidenschaft befriedigt wird. Einen traurigen Beleg hiezu liefert der verblendete Judas, Einer aus den Zwölfen, der nicht bloß um 30 Silberlinge, sondern um jeden, auch den elendesten Spott¬ preis das Allerheiligste, seinen Herrn und Meister, dessen beseeligcnden Umgang und unzähliger andern Gnaden er sich durch drei volle Jahre erfreute, hintanzugeben, wenn nur sein Eigenutz befriedigt werde, denn er sagte ja: Was wollt ihr mir geben, und ich will Ihn euch überliefern? Solche Judasse finden wir auf dem Felde der Literatur und der Mündlichkeit leider seit jener Zeit, besonders in unseren Tagen noch viele. Es gibt Zeit- und Flugblätter, die sich, wenn gleich unberufen, als das Organ der öffent¬ lichen Meinung, als Ausdruck politischer Richtungen geltend zu machen suchen, die man aber mit Recht leibhaftige Ach- selcräger jeder Zeit nennen könnte; die das politische Glau- bensbekenntniß, welches sie gestern feierlich vor der Welt beschworen, schon heute aufzugeben sich willig zeigen, wenns der eigene Vortheil räthlich macht. Um Niemanden nahe zu treten, will ich ein Beispiel aus früherer Zeit anführen. Als Napoleon auf der Insel Elba saß, schrieb ein Journalist) »Der General Bonaparte genießt nun die Früchte seines ungemeffenen Ehrgeizes; wir athmen frei auf und die Fesseln liegen gebrochen zu Boden, in welche ec die unfreiwilligen Diener seiner Herrschaft geschlagen hatte". Bald nachdem Napoleon von Elba zurückgekehrt war, und wieder Besitz von seinem kaiserlichen Palaste genommen hatte, schreiben dieselben Federn in die Welt hinaus: »wie der Held des Zahrhundertes mit seinen Getreuen in Paris unter dem Jubel der Nation eingezogen sei, wie Seine Majestät der Kaiser dieß und jenes anzuordnen geruht, dieß und jenes erhabene Wort gesprochen habe" rc. Und kaum als Napoleon abgedankc und seine Reise nach St. Helena angetreten hatte, da nannren ihn dieselben Federn einen gestürzten Tyrannen, „sie jubelten, daß das blutdür- »stige Ungeheuer der Welt unschädlich geworden". Gibt eS nicht auch heutigen Tages solche characrerlose Scribler, welche in demselben Grade um die Gunst des Volkes buhlen, als sie früher vor der Aristokratie erbärmlich krochen, die sie jetzt, so wie alles Heilige mir Koth bewerfen, weil dieß modern ist und den Sudelblättern mehr Abgang verschafft, unbekümmert um die Heiligkeit des Rechts, der Wahrheit und der Ehre Gottes und des Nächsten? Characterlose Federn, die ihr der Macht, vor der ihr zittert, euch bereitwillig leiht, die ihn nur zu schmeicheln wißt zwischen Schmeicheln und Schmähen, ihr werdet nicht aussterben, so lange es noch Macht und Furcht, Hoffnung und Egoismus gibt, ihr werdet nicht den Muth haben der Wahrheit und dem Rechte zu dienen, wenn sie nicht zufällig mit Macht und Schimmer bekleidet sind, ihr werdet das Lob der Tyrannei verkünden, wenn es die Umstände erhei¬ schen, und werdet das Höchsts und Edelste verläugncn, um es bei anderer Gelegenheit wieder bis zum Himmel zu erhe¬ ben, ach, ihr übt so oder so ein.dankloses Werk, und ihr werdet nicht der Verachtung entgehen, die zuletzt das sicherste Loos der Characterlosigkeit ist! Nicht viel tröstlicher sieht es auf bem Felde der Münd¬ lichkeit aus, besonders Lei jenen Wühlern, wo sich zur Habsucht noch andere Motive gesellten, nämlich: Wollust und Hoffart. Und darf uns dieß überraschen? Nein! Denn Zederman weiß ja, wohin Hoffart und Wollust, diese beiden Gefährtinen den Menschen führen, wie sie den Ver¬ stand blenden und das Herz des Menschen verhärten und allem Edlern verschließen. Bedaurungswürdiges Zeugniß hiefür liefert uns Martin Luther, der früher ein frommer Mönch und gläubiger Katholik war, nachdem aber die Hoffart und ihre Begleiterin die sündhafte Liebe das Herz eingenommen, von diesem Augenblick war ihm weder die Ehre des heil. Vaters noch anderer Priester, weder der katholischen Kirche noch ihrer untrüglichen Lehre heilig, er behielt, was ihm beliebte, verwarf und trat mit Füssen auch die erhabensten Wahrheiten, sobald sie ihm hinderlich waren auf dem Wege der Lüsternheit, den er betrat. Desgleichen sehen wir an Heinrich VIII. König von England. Unter dem Jubel seiner Unterthanen bestieg er 203 den Thron, lebte glücklich durch 17 Jahre mit seiner Ge¬ mahlin, er freute sich in der Mitte einer zahlreichen Fami¬ lie, die ihm der Herr gab, er war ein musterhafter Fürst, ein gläubiger Katholik, ja ein feuriger Verfechter und Be¬ schützer seiner Kirche. Er schrieb selbst einen Brief an Lucher und warf ihm das gottlose Benehmen und die schäd¬ lichen Schritte vor, ohne seinen häuslichen eigenen Feind zu bewachen, der sein Herz mit ehebrecherischer Liebe zur Anna Boleyn erfüllte, seinen Verstand verblendete, ihn zum Abfalle vom heil. Glauben seiner Väter, ja zum wüthenden Verfolger der katholischen Kirche und ihrer Diener, selbst zu der scheußlichsten Quälerei an denselben, selbst zu ihrem Morde verleitete, nachdem er früher die Schätze der Kirche geraubt. — Und so gibt es nichts Neues unter der Sonne. Man betrachte heute das tolle Treiben der sogenannten Radicalen, die so gerne den heiligen katholischen Glauben mit der Wurzel aus fremden Herzen rauben möchten, nachdem sie ihn aus dem ihrigen längst verbannt, und man wird nur zu bald einsehen, wie edel die Motive sind, von welchen sie hiebei geleitet ich möchte sagen geschleppt werden — denn der Sünder ist nicht frei, sondern.ein Sclave der Sünde. Man wird zu bald gewahr, wie wohl sie es mit der Menschheit meinen — wenn man sieht, daß sie gerade an den Grundsteinender menschlichen Gesellschaft: Religion und Sittlichkeit rütteln, und den Eckstein, welchen sie zum Baue einer glücklichen Staatsverfassung am meisten brauchen — leichtsinnig, wenn nicht gar mir Verachtung von sich schleu¬ dern. — O arme Volksbeglücker! ihr wollt ein Volk ohne Gott, ohne wahre Religion glücklich machen, während bisher alle Weisen entgegengesetzter Ueberzeugung waren. Fürwahr ihr bauet hohl — ihr bauet auf Sand — ihr bauet ein Haus, unter dessen Trümmern beim ersten Sturm ihr selbst werdet begraben werden! — Was soll man erst von den sogenannten Rongeanern sagen, welche mir einem modernen Heidenrhume die Mensch¬ heit beglücken wollen? welche, da es nicht geht auf dem Wege der Wahrheit zu einer erwünschten Selbstständigkeit zu gelangen, aus Gründen, die ihre Werke der ganzen Welt verkünden, den Weg der Luge und des Truges be¬ treten, um kürzsichtige und schwache Seelen zu täuschen, und ihnen das Theuerste —- ihren heil. Glauben zu rauben, bei deren erstem Auftreten in Wien sehr gut ein hiesiger Doctor der Medizin Herr llvl Oot im politischen Blatt der Laib. Zeitung unter Andern bemerkte: „Sie sind Männer, welche getrieben von der Brunst weltlicher Ambi¬ tion, koste es, was es will, berühmt werden wollen. Des¬ halb und nicht getrieben von einem inneren Gott stellen sie sich auf die Tribune, svielen die Propheten und träumen sich vielleicht schon als Apostel in dem Kalender des Neu- katholicismus. Oder sind sie besseren Gehaltes? Ihr erbärmliches De¬ büt spricht schlagend dagegen. Nicht wie ein Paulus zu Achen standen sie gottbegeistert vor dem Volke, j andern wie Jammergestalten, die der erste Blick aufdie zu vollbringende That ohnmächtig werden läßt." Ich enthalte mich alles weiteren Commentars zu dieser eben so wahren als trefflichen Characterisirung jener ruhm¬ sichtigen mit Gott und sich selbst zerfallenen Tageshelden; denn Ausgezeichnetes ist im Verlaufe ihres weiteren Auftre¬ tens über ihre Doktrinen in diesem Blatte (Laibacher Kirchenzei¬ tung von tüchtigeren Federn geschrieben worden, um jenen Heuchlern ihre Larve niederzureißen, sondern rufe allen Jenen, denen ihr heil. Glaube, das ererbte kostbare Gut ihrer Väter lieb und theuer ist, mit den Worten der heil. Schrift zu: „Wachet und betet!" Schließet euch innig an die mackellose Braut Jesu Christi, welche die Säule und Grundfeste der Wahrheit ist, und hülhet euch vor den falschen Propheten, die in Schafsfellen zu euch kommen, inwendig aber reißende Wölfe sind. Ihr werdet sie an ihren Früchten erkennen. — Franz Stuchlik. Toleranz rmS Intoleranz Glaube und Unglaube. Fortsetzung. 2. Wer die von Eduard Hanslick in dem Artikel der Wiener Zeitung „Ueber Reli gion s v erschi e d en he i c" aufgestellten und von uns in Nr. 24 dieses Blattes mit- getheilten Sätze liest, wird leicht entnehmen können daß der Verfasser den religiösen J n d i ffe r e n r i s m u s im weitesten Sinne und Umfange lehre und anem¬ pfehle, und zwar nicht nur einen Jndifferentismus, welcher allen christlichen Confessionen gleichen Rang, gleiche Güte und Würde zusagt, sondern, wie wir später zei¬ gen werden, einen Jndifferentismus, der jeder monothe¬ istischen Religion, sobald ihr höchster Zweck die Sitt¬ lichkeit ist, gleiche Würde, gleichen Rang und gleiche Güte zuerkennt, ja einen Jndifferentismus, der auch die jüdische Religion für nicht geringer und schlechter hält, als die christliche Religion. Eine unbestrittene, weil durch und durch gewisse Thar¬ sache ist es, daß, wo das oberste Princip, der höchste Zweck, ein irrig gesetztes ist, auch alles daraus Abgeleitete irrig und falsch sei, weil beruhend auf Jrrthum. Der Verfasser stellt auf als höchsten, urewigen Zweck die Sittlichkeit; Mittel zur Erreichung dieses höchsten Zweckes ist ihm die Religion, jedoch der wahre Kern der Religion, also das absolut Nothwendige zur Errei¬ chung dieses höchsten Zweckes ist ihm nur die Moral. Der Glaube der positiven Dogmen ist ihm nur relativ noth- wendig, insofern die Menge in der Menschheit noch nicht auf¬ geklärt— geistig und sittlich reif ist. Wenn aber die Menge des Volkes, der man bis jetzt den Kern der Sittenlehre nur in einer Hülle geheimnisvollen Glanzes geben mußte, aufgeklärt, geistig und sittlich reif wird, werden immer mehr positive Dogmen als unwesentlich wegfallen, je fester und verbreiteter die Aufklärung wird. Wir geben gern zu, daß die Religion nicht Selbst¬ zweck sei. Von Religion kann man nur beim Menschen reden; der Mensch als Geschöpf ist aber kein Selbstzweck 204 wxil, wie er nicht durch sich, so auch nicht für sich ist, sondern eben nur für den, durch den er ist. Wenn nun der ganze Mensch als Geist- und Naturwesen nicht für sich — nicht Selbstzweck ist, wie viel weniger können die einzelnen Thätigkeiten seines Geistes, seiner Frei¬ heit, seines Willens, also die Religion Selbstzweck sein. Doch eben so müssen wir der Behauptung des Ver¬ fassers entgegentreten, daß die Sittlichkeit der höchste, urewige Zweck sei, so sehr wir auch überzeugt sind, daß dieselbe zur Lebensaufgabe des Menschen gehöre. Dieß wollen wir im Folgenden näher erörtern. Das eigentliche Leben deS Menschen als eines persön¬ lichen, weil mit Geist begabten Wesens, fängt an mit sei¬ nem Selbstbewußtsein, mit dem Momente, wo sich der Mensch erfaßt als ein Sein und zugleich als Real¬ grund der Erscheinungen seines Seins, der Receptivität und Spontaneität, d. i. wo er zum Wissen um sich, — zum Zchgedanken kommt. Mit dem Wissen um sich als Sein und als Realgrund der Erscheinungen seines Seins, ist enge und untrennbar verbunden das Bewußtsein der B esch ränkth e it, der Be¬ dingtheit des Menschen. Denn er ist sich bewußt, daß er keineswegs zum Selbstbewußtsein — zum Zchgedanken, gekommen wäre, wenn er nicht durch ein bereits freies, seiner sich bewußtes Wesen aus der Unbestimmtheit (Indif¬ ferenz) geweckt (differenzirt) worden wäre. Nun diese Erkenntniß der Abhängigkeit, führt den Menschen zur weitern Erkenntniß, daß so wie er nicht durch sich zum Bewußtsein seiner — zum Zchgedanken ge¬ kommen — ein selbstbewußter Geist geworden ist, er auch das Sein selbst nicht durch sich selbst haben könne — nicht durch sich selbst gesetzt sei. Weiß sich nun der Mensch nicht als ein Sein durch sich, so muß er nothwendig als Bedingung seines Seins ein Sein schlechthin, ein un¬ bedingtes Wesen setzen, welches im Gegensätze zu ihm ein Sein durch sich genannt werden kann. —Die That- sache aber, daß die unfreie Natur im Menschen, die Leib¬ lichkeit, vom freien Geiste beherrscht und abhängig gemacht wird, erweckt im Menschen den Gedanken, daß der Geist selbst, der nicht absolut frei ist, sondern nur relative Freiheit besitzt, nur abhängig sein kann von einem absolu¬ ten Geiste, der als höchste Causalität Alles, folglich auch den Menschen, frei geschaffen habe. Und eben diesen abso¬ luten Geist, weil durch und für sich, nennen wir Gott. Der Mensch also wird nothgedrungen, Gott zu den¬ ken, sobald er sich selbst denkt — zum Zchgedanken - zum Selbstbewußtsein kommt. Wie nun der Mensch sein Dasein und Sein durch Gott und nicht durch sich hat, ebenso kann er auch nicht sich, oder sein Leben, wenn auch sittliches also nicht die Sittlichkeit (nur beim Menschen kann man von Sittlichkeit reden) als höchsten Zweck betrach¬ ten, sondern eben nur Gott, durch den er sein Dasein und Sein hat. Der höchste Zweck ist also Gott — und der Mensch hat diesen höchsten Zweck erreicht, wenn er mit Gott Eines (nicht dem Wesen, wie die Pantheisten und Semipantheisten es wollen, sondern der Gesinnung und dem Willen nach) geworden — wenn die innerste Einigung seines Willens mit dem göttlichen eingetreten ist. Als Lohn dieser Einigung des Menschen mit Gott hier auf Erden war ihm die wahre Vereinigung, weil höchste Einigung — im Jenseits beschieden. Um diese Einigung zu bewerk¬ stelligen, ist von Seite des Menschen erste Bedingung: die freie Anerkenntnis; seiner Abhängigkeit von Gott, ist des Menschen höchste Pflicht: in unendlicher Huldigung jene ursprüngliche Gebundenheit an Gott zur ei¬ genen freiwilligen zu machen, in ihr sich zu erhalten und sie in seinem ganzen Leben durch die Gefühle der Demuth, der Andacht der Verehrung, der Anberhung der Bewunderung Gottes, der Dankbarkeit gegen ihn, des Vertrauens und der Liebe zu ihm, zur Verherrlichung Got- res zu offenbaren. Und diese freie Anerkenntnis der Abhän¬ gigkeit des Menschen von Gott, ist des Menschen urspüng- liche — subjecrive Religion. Denn Religion ist dem Wortlaute nach, eine Bindung zwischen der freien Creatur und Gott. Diese Bindung ist ursprünglich von Gott ausgegangen; d. h. Gott hat auf objeccive Weise die Religion hervorgerufen dadurch, daß er die Menschen als das, was sie sind, aus freier Liebe geschaffen, ihnen die Anlagen zur Erkenntnis und zur Liebe Seiner gegeben und sie in einen großen Zusammenhang mit der Welt und wor Allem mit sich selbst gesetzt hat. Doch der Mensch, frei geschaffen, konnte als freier sich mit Gott, seinem Schöpfer und Herrn, entzweien, er konnte ihm mit seinem ganzen Erkennen, Fühlen und Handeln huldigen, oder er konnte nur sich selbst und nicht Gott zum Inhalte seines Denkens, Fühlens und Handelns machen, und so die ewige Ordnung verkehren, welche Verkehrung, in stolzer Willkür, die an die Stelle der Freiheit trat, eben das Böse, die Sünde ist. Der Mensch mußte aber ursprünglich gut gewesen sein, denn Gott, der ihn schuf, kann deS Bösen Urheber nicht sein — ebenso wenig konnten die beiden Bestandrheile des Meeschen, weil von Gott geschaffen, ursprünglich böse gewesen sein. Der von Gott geschaffene Mensch mußte im Zustande der Unschuld gewesen sein, und nur durch Mißbrauch seiner Freiheit hat der Mensch das Böse selbst gethan, indem er sich aus seiner Abhängigkeit von Gott herausgeriffen, nur von sich selbst abhängig sein und das Prädikat der Absolutheit an sich bringen wollte. Za das Gefühl der Schuld, das Gewissen von der Seite betrachtet, nach welcher es uns die Sünde des eigenen Le¬ bens vorhält, und dis.Geschichte der Welt, welche das Ge¬ wissen der schuldigen Menschheit im Großen darstellt, sind die kräftigsten Beweise für die anfängliche Unschuld des Menschen. Der Mensch also ist böse geworden durch seine ei¬ gene freie That, und ist dadurch aus dem Zustande der Unschuld in jenen der Schuld gefallen. Wie wir nämlich bei allen alten Völkern eine dunkle Erinnerung von dem glücklichen Urzustände des Paradieses 205 finden, so findet man bei allen ein dunkles Gefühl von der durch die Sünde getrübten ursprünglichen Ordnung der Dinge; ja überall und durchgehends herrscht der Glaube, daß der Mensch unter der Macht der erzürnten Gottheit stehe. — Die Allgemeinheit dieses Glaubens weiset aber nothwendig auf eine ^gemeinsame Urtradition hin, auf das weltgeschichtliche Dogma vom S ü n r^en fa l l e, welches (Dogma) nach den Worten Voltaires die Grundlage der Theologie aller alten Völker bildet. Nun das, was in der Religion der alten Völker als bloße dunkle Erinnerung, als bloß dunkles Gefühl sich vor¬ findet, das enthält die positive göttliche Offenbarung als wirkliche Wahrheit, indem sie geschichtlich hinführt zur That der Ursünde selbst. Der Eine wahre und lebendige Gott gab dem Stammvater des Menschengeschlechtes — Adam —um ihn durch den Gebrauch der Freiheit zur Selbst¬ vollendung zu führen, ein Gesetz, das seinen ausgespro¬ chenen persönlichen Willen enthielt. Der Mensch aber setzte diesem göttlichen Willen den eigenen entgegen, verkehrte dadurch die göttliche Ordnung, und hob von seiner Seite das Grundverhältniß auf, das zwischen ihm, dem Geschöpfe und Gott, dem Schöpfer, bestand. So hat sich durch die Sünde die Wahrheit in Un¬ wahrheit und Lüge, das Licht in Finsterniß, der Glaube in Unglauben, die hehre Einheit in Zwiespalt und Feindschaft die Harmonie in Disharmonie, die Ruhe und der Friede in Unruhe und Unfrieden, die Seligkeit des Lebens in Ver¬ derben verkehrt. Der Mensch durch die Sünde von seiner wahren Mitte, von Gott, dem Grunde und Urquell alles wahren Lebens losgeriffen und getrennt, war der Vernich¬ tung und dem Tode verfallen — mit ihm, als Stammva¬ ter war aber auch das ganze Geschlecht der Vernichtung und dem Tode anheim gefallen. Die Rettung und Wieder¬ belebung des Menschen und in ihm des ganzen Geschlechtes konnte nur von Seite Gottes, in seiner freien Gnade, nur durch eine zweite Schöpfung möglich werden, und diese zweite Schöpfung ist die Erlösung — Versöhnung. Der Mensch nämlich konnte wohl den Zusammenhang mit Gott zerreißen, die innigste Einigkeit seines Willens mit dem göttlichen aufheben — er konnte aus dem Zustande der Unschuld in jenen der Schuld kommen, konnte aber nicht mehr aus eigenen Kräften die Schuld in Unschuld umändern und das Leben in Gott neu anknüpfen. Denn das Gewissen, das am meisten den Gegensatz fühlt, hat für den Menschen nur Verdammung; in der Natur aber kann auch keine Kraft zur Wiedervereinigung liegen, weil sie selbst kein moralisches Bewußtsein hat. — Die Unruhe und der Unfriede im Innern, das Bewußtsein der Schuld und des Zwiespaltes und die Furcht vor der erzürnten Gott¬ heit, bewirkten den Ursprung der bei allen Völkern übli¬ chen zahlosen Opfer, die bei einigen sogar in Menschen¬ opfer ausarteten. Doch so zahlreich und groß die Opfer waren, die man der Gottheit zur Sühnung darbrachte, sie alle zusammen konnten den inner» Zwiespalt nicht aufheben. Diese Unruhe und der Unfriede auch nach dargebrachten Opfern, führten die Heiden noch mehr zur Erkenntnis des eigenen Unver¬ mögens, den innern Zwiespalt aufzulösen; erzeugten aber eben dadurch das tiefe Gefühl einer unendlichen Sehn¬ sucht nach etwas Bessern — Sehnsucht nach einer höher« Hülfe. Hirtenworte der in Würzburg versammelten Erzbischöfe und Bischöfe Deutschlands. Die in Würzburg versammelten Erzbischöfe und Bischöfe Deutschlands den Gläubigen ihrer Diözesen Gruß und Segen von Gott dem Vater und unserm Herrn Zesu Christo! Wenn je, wie oft große Heimsuchungen über die Völ¬ ker hereinbrachen und schwere Gefahren und Erschütterungen die Kirche Gottes bedrohten, die Träger des Hirtenamtes Jesu Christi zu einmüthigen Gebeten und Berathungen für das Heil ihrer Heerden sich versammelten; so hat es wohl nie eine Zeit gegeben, welche mächtiger zu solchen einmü- thigen Gebeten und Berathungen hindrängte, als die gegen¬ wärtige. Eine gewaltige Erschütterung hat Europa bewegt. Die Bewegung ist zu einem Strome angewachsen, der über die Länder dahingerauscht ist und die Völker ergriffen hat. In seinen Wogenschlägen wanken die Throne; viele alte Ord¬ nungen stürzen zusammen und alle Verhältnisse werden mehr oder weniger berührt. Auch an der Kirche heiligen Bau schlägt die schäumende Brandung, und wogegen die Stürme und Unwetter von achtzehn Jahrhunderten vergebens ge¬ tobt, dagegen wagt der Geist der Verneinung und des Un¬ glaubens vielleicht seinen letzten, aber auch gewaltigsten Kampf. Darum sind wir Bischöfe Deutschlands, wie viele im¬ mer nicht durch Krankheit oder unabweisbare Hemmnisse zu¬ rückgehalten wurden, in der durch so viele geschichtliche Er¬ innerungen und Denkmale einer frommen Vorzeit altehr¬ würdigen Stadt Würzburg zusammengetreten und haben uns nach dem Empfange des Leibes des Herrn aus der ho- henpriesterlichen Hand des Aeltesten unter uns und unter beharrlicher Anrufung des heiligen Geistes und den Gebe¬ ten und Segenswünschen vieler Millionen getreuer Gläubi¬ gen zu gemeinsamen Berathungen vereint. Und worauf hatten wir unsere Berathungen vor Allem zu richten? Hatten wir sie darauf zu richten, daß wir in dieser Zeit des Zwiespalts und der religiösen Zerissenheit einen Mittel- und Einheitspunkt fänden für die bedrohce Kirche? Einen Steuermann, der durch den Wogendrang des wildbewegten Meeres die Arche des Heiles lenke und leite? Geliebte in dem Herrn! Ihr kennet den FelS der Einheit, auf welchen Christus seine Kirche gebaut, daß sie diePforten der Hölle nicht überwältigen (Match. 1«. 18). Ihr kennet den Steuermann, den unser göttlicher 206 Meister sich erkoren, daß er durch die Klippen und Unwet¬ ter aller Jahrhunderte das Schiff lenke, dessen Mast, wie ein frommer Vater sagt, das Kreuz, dessen Steuer der Glaube, dessen Ruderer die Engel, dessen Hafen das Pa¬ radies, dessen Ziel die Ewigkeit ist. Darum war der erste Blick Euerer versammelten Bischöfe dahin gewendet, wo der Stuhl des heil. Petrus aufgerichtet ist, und wo, wie der heilige Irenäus sagt, wegen des Hähern Vorranges die¬ ser Kirche alle Kirchen als in ihrem Mittelpuncte Zusam¬ mentreffen müssen. Darum waren es die Gelöbnisse der Treue und des Gehorsams, die wir dem Vater der Christenheit unserm vielgeliebten Pius IX., zu Füßen legten. Darum ivar es unser erstes feierliches Losungswort: daß keine Lisi und keine Macht der Welt uns je erschüttern dürfe und solle in dieser heiligen Treue, mit welcher der Episcopa-t Deutschlands sich fest und innig um den Statthalrer Christi auf Erden schaart. Oder harten wir uns darüber zu berathen, wie viel wir von dem Erbe der göttlichen Wahrheit, von der Lehre des Gekreuzigten beibehalten und wie viel wir abthun woll¬ ten, um uns, wie der Apostel (I. Tim. 6. 20.) sagt, den unheiligen Wo r c n eu e r u ng e n und den Streitre¬ den einer falschen Wiffenschaft zu fügen und denen nachzugeben, welche die Wahrheit Gottes mit der Lüge vertauschen und mehr das Geschöpf vereh¬ ren und anbeten; als den Schöpfer? (Röm. i. 25.) Geliebte in dem Herrn! Ihr wisset, die Wahrheit ist ewig, und unveränderlich, wie Gott selber, der sie uns in seinem eingebornen Sohne gegeben hat. Wie sie die Kirche als einen himmlischen Schatz von ihrem göttlichen Stifter überkommen, so hat sie dieselbe kraft des ihr inwohnenden heiligen Geistes unter allen Anfechtungen des Lügengeistes bewahrt und vererbt von Geschlecht zu Geschlecht, und ist kein Iota verändert noch verloren bis auf diese Stunde. Darum haben Eure versammelten Bischöfe das Bekenntnis dieser göttlichen Wahrheit, wie es in dem Symbolum des letzten allgemeinen Conciliums von Trient so herrlich darge¬ legt ist, von Neuem läut und öffentlich vor dem Altäre des dreieinigen Gottes bekannt. Darum haben wir zur Erhal¬ tung Und Verbreitung dieser göttlichen Wahrheit, in wel¬ cher allein alles Heil ruht, uns in freudiger Eintracht die Hände gereicht. Darum haben wir es zu unserm andern Losungsworte gemacht: daß wir leben und sterben in dieser Wahrheit und für diese Wahrheit, und auf ihrem Wege dis Heerden leiten, die Gott uns anoertraut hat. Oder hatten wir uns darüber zu verständigen, was die Bewegungen dieser Tage uns seien? Welchen Antheil der gegenwärtige Kampf von uns fordere? Wie wir fördern was die Zeit ihre Erhebung und ihren Fortschritt nennt. Geliebte in dem Herrn! Ihr wißt, wie es vor Allem die Kirche ist, die einem wahren Fortschritte huldigt, einem Fortschritte, der aus der Knechtschaft des Wahns und der Sünde zur Freiheit der Kinder Gottes führt. Auch das Edle und Große, um das es sich bei dem Ringen und Kämpfen der Gegenwart handelt, wir verkennen es nicht und nicht das Streben nach einem Zustande bürgerlicher und nationaler Freiheit, der wahrhafterund gerechter sein soll, als er es in der nächsten Vergangenheit war. Jeder Fortschritt aber muß ein gesetzlicher sein, sonst wird er zum Rückschritte, zu einem Rückschritte, der, wie manche Zeichen der Zeit darauf Hinweisen, mit dem furchtbaren Abgrunde der Anarchie droht. Darum haben Eure versammelten Bi¬ schöfe sich insbesondere verbunden, mit dem Ansehen der Religion das Ansehen der von Gott gesetzten Gewalten zu stützen. Darum haben sie sich von Neuem gelobt, treu zu halten an ihren rechtmäßigen Fürsten und Obrigkeiten, deren gesetzliche Macht die stärkste Bürgschaft und das festeste Bollwerk einer ächten, von Tyrannei und Anarchie gleich¬ weit entfernten Freiheit ist. Darum haben sie das Mahn- wort des Apostels (I. Pet. II. 13, 14, 15, 1K.) zu ihrem dritten Losungswort erkoren: Seid unterthan jeder menschlichen Obrigkeit um Gottes willen, sei es dem Könige, welcher der höchste ist; oder den Statthaltern als solchen, welche geordnet sind zur Bestrafung derUebelthäter und zur Beloh¬ nung der Rechtschaffenen. Denn so ist es der Wille .Gottes, daß ihr durch Rechtthun die Un¬ wissenheit thörichterMenschen zum Schweigen bringt, als solche, die frei sind, aber nicht als solche welche zum Deckmantel der Bosheit die Freiheit mißbrauchen. Mit diesen Entschließungen und Gelöbnissen, Geliebteste! haben wir sodann den Gang unserer Erwägungen auf das innere Leben der Kirche selber gerichtet und unter einander berathen, wie wir dieses Leben, wo es erkaltet ist,-erwär¬ men; wo es ermattet ist, erkräftigen; wo es —- und ach, wie oft in unsern Tagen!-in das weite Meer eitlen und sinnlichen Wesens sich verloren hat, wieder erheben, und sich auf das Eine, was Noth thut, die Blicke und Herzen der Menschen hinwenden können. Wir haben dabei eingedenk der Worte unseres göttlichen Meisters (Luc. 14, 34): Um das Salz ist es eine gute Sache, wenn aber das Salz seine Kraft verliert, womit soll man salzen? in aller Demuth auch auf uns selbst und unsere Mitarbeiter im Weinberge des Herrn unsere Blicke gerichtet, und wie wir durch Förderung frommer Uebungen, durch Hebung wahrer Wissenschaft, durch Herstellung der Kirchenzucht, durch Erneuerung der von den heiligen Con- cilien vorgeschriebenen Provinzial- und Diöcesansynoden ei¬ nen ächt clerikalischen Geist nähren, verbreiten und befesti¬ gen können, mit einander betrachtet und festgesetzt; damit wir Euch allenthalben als Diener Christi und Vorbilder auf dem rechten Heilswege voranzuleuchten im Stande seien, für die Mühen und Anstrengungen unseres heiligen Am¬ tes unS stärken und den Kämpfen und Opfern der Zu¬ kunft gerüstet entgegen gehen. Von diesem inncrn Leben haben sich ferner unsere be¬ trachtenden Blicke auf die äußeren Gefahren gewendet, welche,, der Kirche von denen drohen, die, wie der heilige Petrus (II. Petr. I, 1. 2. 3.) schreibt, als falsche Propheten 207 unter dem Volke aufstehen, Irrlehren einfüh- ren, den Herrn, der sie erkauft hat, verläugnen UNd schnelles Verderben herbeiführen; denen wie der Apostel weiter noch sagt, Viele zu ihrem Verder¬ ben nachfolgen und dadurch den Weg der Wahr¬ heit verlästern. Denn ihr wisset, wit welcher Klugheit sich die Gegner des Gekreuzigten in einer-Zsit erheben, die die den menschlichen Zrrthum mehr begünstiget, als die gött¬ liche Wahrheit. Darum ist es unerläßliche Pflicht der Wäch¬ ter auf den Zinnen Jerusalems, daß sie, wie es in der Schrift (II. Esdr. 4, 47) heißt, indem sie mit der einen Hand die Mauern der heiligen Stadt wiederherstellen, mit der andern den Feind abwehren und im Andrange so vieler zerstörenden Gewalten Sorge treffen, daß die Irrenden ge¬ warnt, die Gläubigen gestärkt, immer aber und überall die Würde und die Rechte der Kirche gesichert werden. Endlich, Geliebteste! — und wie hätten wir es über¬ sehen können und dürfen? — haben wir auch die Stellung in Betracht ziehen müssen, welche bei der Veränderung al¬ ler bürgerlichen Verhältnisse der Kirche zu dem sich neu ge¬ staltenden Staate einnehmen wird; und wir sind nicht einen Augenblick im Zweifel gewesen, daß die Kirche eine Tren¬ nung des natürlichen Bandes zwischen ihr und dem Staate nicht wünschen könne und dürfe; ja daß eine solche Tren¬ nung, auch wenn sie von der andern Seite erstrebt würde, nie dauernd und völlig werden könne. Die Kirche, die sorg¬ liche Mutter aller ihrer Kinder, der getreuen wie der unge¬ treuen, schließt Niemanden von ihren Segnungen aus, der sich nicht selber innerlich oder äußerlich von ihr lossagt. Sie wird am wenigsten dem Vaterlands entziehen, was es an christlichen Bestandtheilen noch zu seiner Erhaltung und — wills Gott — zu seiner Wiedergeburt in Einheit Macht und Größe besitzt, und immer bereit sein, den gan¬ zen Segen ihrer Heilskrafc da zu entfalten, wo sie in ihrer Wirksamkeit sich behindert und gestört sieht. Sie wird aber auch von den Rechten und Freiheiten, welche die Grund¬ lage der neuen staatlichen Ordnung bilden sollen, den ihr gebührenden Theil in Anspruch nehmen und nie dulden, daß ihr derselbe engherzig oder partheiisch bestritten werde. Sie wird wieder eintreten in jene Selbstständigkeit, welche ihr angehört, und die ihr, wahrlich nicht zur Förderung des Gesammtwohles, so lange verkümmert wurde. Sie wird vor Allem ihr heiliges Anrecht auf Erziehung und Unterricht wahren und niemals zugeben, daß ihr, der Begründerin der Volksschule, das Kind vom Muterherzcn genommen werde. Das, Geliebteste! und was daran in nächster Folge sich reiht, hat, wie längst, den Kreis unserer Sorgen, so nun den Kreis unserer gemeinsamen Berathungen und Be¬ stimmungen erfülle; und hättet Ihr sehen können, in welch schönem Geiste brüderlicher Liebe, reinen Eifers und from¬ mer Zuversicht diese Verhandlungen gepflogen wurden, und wie jene katholische Einheit, die das Erbe unserer h. Kir¬ che ist, auch die Seele dieser Versammlung Eurer Bischöfe und Hirten war, Ihr würdet mit unS in freudiger Dank¬ barkeit die Knie beugen und Den preisen, Der mit den Seinen ist alle Tage bis an's Ende (Matth. 18, 20). Darum aber dürfen wir auch hoffen, daß Gott seinen Segen auf die Bitten und Mahnungen legen werde, die wir am Schlüsse unseres Hirtenwortes aus Herzen voll väterlicher Liebe für Euch Alle und voll treuer Sorgfalt für Euer zeitliches und ewiges Wohl an Euch richten. Geliebteste! Dis Zeit ist ernst und bedeutungsvoll und Niemand weiß, was die nahe Zukunft uns bringen werde, ob die ruhige Gestaltung der gährendcn Elements zu Ord¬ nung und Frieden? ob neue und größere Stürme und Ge¬ witter? ob vielleicht gar eine Periode, die uns zurückver¬ setzt in die Verhältnisse der ersten christlichen Kirche, da die jugendliche Braut des Weltheilandes, von allen Seiten be¬ drängt und geängstet, nur auf sich selbst und die ihr in- - wohnende göttliche Kraft angewiesen, die Tage ihrer härte¬ sten Verfolgungen, aber auch ihrer herrlichsten Triumphe durchlebte. Das aber wissen wir, auch die gegenwärtigen Kämpfe werden der Kirche zum Segen sein, und je heißer die Feuerprobe der Leiden ist, durch welche der Herr sie führt, um so näher und sicherer ist der Sieg. Denn Christi Leben ist das Leben seiner Kirche, sein Kreuz ist ihr An- theil auf Erden, sein Sieg das Unterpfand ihres ewigen Sieges. Darum mahnen und bitten wir Euch: Harret aus im Glauben; denn der Weg des Glaubens ist der Weg deS Lebens, auf dem wir die Welt überwinden. Weil in deinem tiefsten Kerne, du liebes katholisches Volk! der Glaube deiner Väter so fest wurzelt und so unaustilgbar, hat der Geist des Unglaubens sein Werk der Enrchriftli- chung unsers theuern Vaterlandes nicht zu vollenden vermocht. Aber er ist mächtig geworden dieser Geist und hat seine schwarzen Flügel weit ausgebreiret. Er ist eingedrungen in Eure Versammlungen und waltet in zahllosen Vereinen. Er redet aus tausend Schriften und wird gepredigt auf den Märkten und Heerstrassen. Er erfüllt die Luft, welche Ihr athmct, und will des Glaubens heilige Flamme in Euch er¬ sticken. Darum habet Acht, daß Niemand Euch Eures Le¬ bens Kleinod raube! Weil aber die Kirche der Herd des Glaubens ist und seine Pflegerin, so halret fest an ihr, die Euch Christus als Säule und Grundfeste der Wahrheit (I. Tmi. 3, 15) gesetzt hat, und fest an Dem, der ihr sichtbares Haupt, das Band der Glaubenseinheic, erhalten und be¬ wahrt hat bis auf diesen Tag. Erkennt, wie auch die Welt Euch darum tadle und schmähe, in diesem innigen Verbände mit allen katholischen Gläubigen der Erde Euer höchstes Glück, und lasset Euch am wenigsten durch die Erfindungen derer beirren, welche Eure Anhänglichkeit an die Kirche und ihr gemeinsames Oberhaupt als undeutsch anklagen und in ihrem Wahne den Leib Christi zerreißen wollen, in dem die Menschen aller Zonen und Zeiten zur brüderlichen Eintracht berufen sind. Damit aber, die Arges von Euch denken und 208 Euch als Uebelthäter (I. Petr. 2. 12.) verleum¬ den, Eure gucön Werke sehen und Gott prei¬ sen am Tage der Heimsuchung (Luc. 6. 27.), so zeiget Euch stark in der Liebe, d