119677 Kaiser Franz Joseph-Bad Tiiffer in Unter-Steiermark. (Siidbahn-Station : Markt Tiiffer.) Von Dr. Heinrich Noe und Dr. med. Max Ritter von Sehon-Perlashof. Prcis 60 Heller. Im Verlage von Theodor Gun k el. Druck von Friedrich Kaiser, Wien, VI. Theodor GunkeFs Kaiser Franz Joseph-Bad Tfiffer Unter-Steiermark. (Siidbahn-Station : Markt Tiiffer.) Von Dr. Heinrieh Noe und Dr. med. Max Ritter von Seh on- Perl ashof. ImVerlage von Theodor Gunkel. Druck von Friedrich Kaiser, Wien, VI. f??- 119677 Allgememes iiber Ttiffer Aus den Steiner Alpen entspringend, fliefit die Sann, einer der bedeutenderen Nebenfliisse der Save, anfangs in siidostlicher Richtung gegen Cilli, durch- mifit die dort befindliche Ebene an ihrer Siidseite, nimmt nun einen rein sudlichen Lauf, wobei sie von einem engen Tale aufgenommen vvird, und mundet, nachdem sie stets ibre siidliche Richtung beibehalten, bei Steinbruck in die Save. In diesem letzten Teile ihres Laufes, der eine beilaufige Lange von drei Meilen hat, ist die Sann beiderseits von steilen, mafiig hohen, durchgehends bewaldeten Bergen eingeschlossen, so da(3 in der Talsohie 1 n upi Raum fur das Flufibett, die Fahrstrafie und die 'fefsenbahn eriibrigt. Wohl an wenigen Steilen unseres sudostlichen Alpengebietes vveist eine geognostische Karte so viele bunte Kleckse auf, wie in der Umgegend von Ttiffer. Die altesten Gesteine der Umgegend steilen die Bergumrandung des Nordens dar. Die erste Halfte des Weges vom Bad bis Cilli bevvegt sich der Wanderer durch die sanften Kuppen der Steinkohlenschiefer. Ttiffer selbst ist in den Dolomit eingebettet. Im Siiden aber wechseln alsbald vvieder Leithakalke und andere tertiare Schichten ab. Dazvvischen sieht man hier und l* 4 dort Andenken an die Tatigkeit alter Geysirs in Ge- stalt von Trachyttuffen. Alter vulkanischer Tatigkeit ist die Spalte ent- sprungen, durch welche die Sann, der helle Flufi, der Save entgegenrauscht. Es ist dies eine sogenannte Vervverfungskluft, und auf dem Vorhandensein eben einer solchen beruht die Mčglichkeit, dafi die auf den Boden dieser Senkung fallenden Niederschlage zu Tiefen von solcher Durchvvarmung hinabsickern konnen, vvelche notvvendig sind, um den Ausbruch von sogenannten heifien Quellen zu veranlassen. Der Erdgrund wird also von unten her durchvvarmt, und in der Umgegend des Bades macht es auch dem oberflachlichen Betrachter ein Blick auf die fehlende Schneedecke des VVinters deutlich, in welcher Weise tief gelegenen Berstungen der Erdrinde hier die wohl- tatige Warme entquillt. An verschiedenen Stellen dieser Vervverfungsspalte von Neuhaus bei Cilli an bis nach Kroatien hinunter dringen die durchhitzten Wasser in ahnlicher Weise nach oben. Heifier und machtiger nirgends, als im engen Tale von Tiiffer. Soviel, was den Aufbau des Tales anbelangt. Beriicksichtigt man die landschaftlichen Eigen- tiimlichkeiten im vveiteren Sinne, so haben wir ein griines Gelande, einen schmalen Talboden, vor uns, vvelchen zunachst Berge von secbs- bis siebenhundert Metern Hohe iiberragen. Schon der Name deutet auf die Beschranktheit der Talsohle, denn Debro, woher der Name des deutschen Tiiffer abgeleitet ist, bedeutet ein enges Tal. Die Verschiebung der Erdkruste, vvelche die nacbste Veranlassung zur Moglichkeit der 5 Bildung heiBer Quellen gibt, bedingt es, daB solche fast samtlich in Talern von geringem Durchmesser, deren Rander sich verhaltnismafiig steil erheben, zu- tage treten. Die Berge sind allenthalben mit Laubwald be- deckt. Hier und dort kommt aus einer Falte ein heller Bach heraus, sich mit der rasch fliefienden Sann zu vereinigen. Diese Walder nun, die Bache, die Berge, die schmalen Seitentaler, aus welchen je nach den Tageszeiten verschiedene Luftstromungen sich gegen das Haupttal senken, und die siidliche Lage zu gleicher Zeit stellen eine Landschaft und ein Klima zusammen, welches man fur die Sommerszeit als geradezu ideal wird bezeichnen miissen. Man weiB, daB in den nordlichen Gebieten unserer Alpen der Sommer die Regenzeit bildet, vvahrend in den siidlichen Teilen derselben es der Herbst ist, welcher die meisten Niederschlage auf- weist. Tuffer, welches genau auf der namlichen Breite liegt, wie der obere Teil des Lago maggiore und des Comer-Sees, nimmt am Glanze des sudlichen Sommer- himmels teil. Es mag uns jene Zeit vergegenvvartigen, in vvelcher Italien noch vom Schatten breitvvipfeliger Walder bedeckt und von Quellen durchrauscht war. So, wie sich die Ufer der Sann in diesen Wald- bergen jetzt gestalten, so hat die klassische Erde aus- geschaut, als sie von den geschichtlichen Menschen noch nicht verwiistet war und als noch Halbgotter in ihren Waldern und Najaden in ihren Wassern hausten. Dies ist ein Stiick Erde, auf vvelchem sich ein Mann wie Grillparzer, dessen Sinnen in derartigen 6 Umgebungen verweilte, heimisch fiihlen mufite. Er besuchte das Tal in jedem Jahre. Die Walder, die Quellen und die Bergluft stellen zu diesem Landschaftsbilde ihren nordischen, der heitere Himmel dagegen seineri siidlichen Beitrag. Es ist hier eine Vermengung von Sommerfrische und Heiterkeit des Siidens, wie man sie vielleicht noch auf mancher der Hochflachen in Siidtirol, nirgends aber mehr mit der herrlichen Mitgift einer der Erde heifi entspringenden Heilquelle finden kann. Dieser landschaftliche Charakler Tiiffers gehort zu den merkwtirdigsten und zugleich erfreulichsten Erscheinungen unseres siidlichen Berglandes. Wahrend der Gast des Salzkammergutes, oder gar der von Gastein, wahrend der Hochsommermonate zumeist eines der wichtigsten Nachhilfsmittel seiner Kur, namlich der angenehmen Witterung, entbehren mufi, gehort das Tal von Tiiffer bereits in das Grenz- gebiet der wahrend des Sommers regenarmen Mittei- meerzone. Dazu gesellen sich die kiihlen Liifte dieses Grundes, vvelchen auf der einen Seite das Bergland von Cilli, auf der anderen Seite die Steiner Alpen iiberragen. Von Cilli bis zur Save ist eine Fiille landschaft- licher Schonheit. Mit Recht preist der niichterne Badeker diese Strecke als den Glanzpunkt der ganzen Eisenbahnfahrt von Wien nach Triest — eine Fahrt, mit der sich doch so wenige Reisen auf anderen Schienenvvegen vergleichen lassen. Die vorherrschenden Winde dieses Gebietes wahrend des Sommers sind die Sudwestwinde, welche 7 die mafiig durchfeuchtete Luft der Adria, die sich in diesen Waldbergen abfrischt, daherbringen. In Tuffer selbst wird wenig Luftbewegung verspiirt. Von den Vegetationsbildern verdeutlicht uns kein Schaustuck diese Wirkung der milden Luft mehr, als der Anblick des 838 m hohen Dostberges im Nordosten, welcher bis zu seinem Gipfel hinauf mit Edelkastanien bedeckt ist. Uberhaupt gibt es um Tuffer herum keine kahlen Berge. Allenthalben ist Waldschatten, Unterholz, Moos Und Quellengeriesel. Diese klimatologischen und ortlichen Verhaltnisse konnen von einem Badegast, insbesondere demjenigen einer heifien Quelle, nicht ernstlich genug in Betrach- tung gezogen werden. Eine vvohlige Luft empfangt denjenigen, der aus einem heifien Bade herauskommt, angenehmer — ich mochte den Ausdruck gebrauchen, riicksichtsvoller — als der rauhe Hauch der Berg- winde oder der frostelnde Regentag nordischer Gegenden. Es begreift sich leicht, dafi bei der Durchftihrung einer Kur dem Klima eine hervorragende Bedeutung zukommt. Je konstanter und milder dasselbe, desto vveniger ist der Organismus, der vvahrend der Ein- vvirkung der Thermalbader fiir Temperaturschwan- kungen leichter empfanglich ist, schadlichen Einfltissen ausgesetzt und ist sodann die strikte Durchftihrung der Kur ohne Unterbrechung derselben bei gewohn- licher Lebensvveise ohne besondere Kautelen ermog- licht. Die hauptsachliche Ursache des Temperatur- wechsels liegt in den Winden. In Tuffer herrscht in- folge des engen, vielfach gevvundenen Tales bestandige 8 Windstille; selten, dafi im Hochsommer vor Eintritt eines Gewitters eine halbe Stunde lang ein starkerer Luftzug das Tal durchsaust. Gewohnlich ist kaum ein leiser Hauch zu verspiiren. Deshalb ist auch von einem plotzlichen Sinken der Temperatur hier nie die Rede, allmahlich, kaum merkbar, vollzieht sich der Ausgleich, und sowie nie eine plotzliche Kalte ein¬ tritt, ebensovvenig erreicht die Warme im Sommer einen bedeutenden Grad, da durch die vielen um- liegenden VValdungen und den nahen Sannflufi stets eine angenehme Abkiihlung erzeugt wird. Friihjahr und Herbst zeichnen sich nicht allein durch die kon¬ stant schone Witterung aus, sondern ist zu diesen Jahreszeiten infolge der herrschenden Windstille, so- wie der milden Luft der Aufenthalt im Freien bis zum spaten Abend ohne Nachteil zu gestatten. Selbst die normalen Tagesschvvankungen vollziehen sich so langsam, dafi der Ubergang nur unmerklich statt- findet und, obwohl selbst in den heifiesten Sommer- tagen Morgen und Abend angenehm kuhi sind, doch die Mittagshitze leicht ertraglich ist, was wohl darin liegen mag, dafi die wasserdunstreiche Luft auch eine grofiere Warme kaum verspiiren lafit. Die Tiifferer Quellen treten mit einer Warme von 38’5° C. zutage. Ob diese Quellen schon den Romern bekannt gevvesen und inwieweit die im benachbaiten Romer- bade befindlichen Votivsteine auch fiir das Kaiser Franz Joseph-Bad gelten, lafit sich nicht sicher be- stimmen, doch wurden auch hier zahlreiche Funde von romischen Miinzen, Votiv- und Grabsteinen gemacht. 9 Das am meisten bekannt gewordene der in der Nahe des Bades aufgefundenen Denkmaler ist der jetzt im Badgebaude angebrachte Votivstein, dessen auch Mommsen in seinem Corpus Inscriptionum ge- denkt: J. O. M. Vxellimo Serendivs Verinvs Dec. Cel. Ti. Pomp. Vrsola Eivs Cym Vršo F. V. S. L. M. Soviel kann als feststehend angenommen werden, dafi schon vor Jahrhunderten ihre Quellen bekannt Waren und beniitzt wurden. Die leichten Bader- Baraken, die man gebaut hatte, diirften durch die Hochvvasser der Sann und des hier fast unter rechtem Winkel einmiindenden Gebirgsbaches, der Retschitz, verschuttet und dann in Vergessenheit geraten sein. Eine bemerkenswerte Nachricht iiber die heifien Wasser, die an den Sann-Ufern oberhalb Tiiffer zu- tage treten, bringt der Stabsarzt Dr. Riedl in dem Blatte »Der Aufmerksame« vom 28. Juli 1818. Es heifit in jener Mitteilung: »Schon vor vielen Jahren fiihrte mich der Zufall in das herrliche Tal nahe dem Markte Tiiffer, am rechten Ufer der Sann an eine Sumpfstelle, wo ich deutlich lauwarmes Wasser in der Nachbarschaft des kalten Flusses vvahrnehmen mufite; allein meine Be- rufsgeschafte hielten mich ab, dieser Wahrnehmung nachzuspiiren, keineswegs sie aufzugeben. Die Gelegen- heit war mir giinstiger in der Gegenwart, denn ich vvurde durch Nachforschen auch dahin gefuhrt, dafi am linken Ufer der Sann gleichfalls ein warmes Wasser vorhanden sei, welches seit vielen Jahren zum Reinigen der Wasche beniitzt wird, im Winter stark dampft und durch seine Vermischung eine 10 Strecke das Frieren des Flu8wassers hindere. Zu- reichende Griinde, die Spuren aufzusuchen, ihnen zu folgen und einige Versuche zu unternehmen.« Es wurden darauf in der Nahe der Retschitz- Einmiindung im Schotter mehrere Becken hergestellt und die Warme des Wassers, vvelches man damals mit jenen einfachen Vorrichtungen nicht ganzlich gegen den Zuflufi aus dem Bach und der Sann zu sichern vermochte, zu 28° R. gefunden. Riedl fahrt weiter fort: »Gliicklicher kann die Natur nicht bald wieder einen Wink zu einem Heilbade bieten, als sie in diesem freundlichen, lieblichen Tale wirklich deutet, und die herrlichen Umgebungen von Hiigeln, Bergen, Feldern, Weinpflanzungen, die Lage der Quelle, die Lage des so nachbarlichen Marktes Tuffer mit der Ruine eines alten, zerfallenen Bergschlosses, der stolze Humberg und das stille Wasser des Sannflusses, alles ware geschaffen, ein krankes Gemiit, das Tausende an jede Heilquelle bringen, freundlich zu erfassen, vvohltatig manche sanfte Stimmung zu erregen, manchen sich selbst wieder zu geben, manchen zur hoheren Beschauung, ja zum hochsten Naturgenusse zuruckzuflihren.« Infolge dieser Initiative vvurden von Tiifferer Biirgern Nachgrabungen gemacht und im Flufischotter grofie Vertiefungen ausgehoben, dieselben mit Holz ausgekleidet und diese so improvisierten Bassins zum Baden beniitzt. Freilich verschiitteten neue Hoch- wasser bald vvieder die so gesammelten Quellen, doch wurde das mit so wenig Kosten und Muhe herge- 11 richtete Bad stets wieder ausgebessert und weiterer ^erwendung zugefuhrt. Erzherzog Johann, unter dessen Agide 1816 die Strafie nach Steinbruck, 1824 die steinerne Bezirks- strafienbriicke in Steinbruck gebaut vvurde, interessierte sich, wie fiir ailes, was der Steiermark zum Gedeiben gereichen konnte, bei seinem vviederholten Aufenthalte in Tiiffer auch um die warmen Quellen, besichtigte dieselben und besprach die Idee, hier ein Bad zu griinden. Da die Quellen jedoch knapp am Flufiufer aus dem Schotter hervorsprudelten, solche auch im Piufibette und am linken Ufer der Sann sich iiberall Zeigten, so furchtete man, bei der Fassung der Quellen auf uniibersteigbare Hindernisse zu stofien und die Vervvirklichung der Idee des Erzherzogs blieb ein der Zukunft vorbehaltener frommer Wunsch. Der in den letzten Vierziger Jahren vollendete Bau der Sudbahn solite mittelbar zum Anlasse der Griindung des Bades werden. Man hatte namlich beim Baue der Steinpfeiler der Eisenbahnbriicke, trotz des Abratens erfahrener Manner, aus dem Steinbruche °berhalb des Bahnhofes das Material genommen, das s ich, namentlich im Wasser, als so vollkommen un- brauchbar erwies, da6 die Pfeiler schon nach wenigen Jahren formlich zerbrockelten und man schon 1852 an einen Neubau derselben schreiten mufite. Die Leitung desselben iibernahm Ingenieur Leopold Rodi, e ine genial angelegte Natur, und erwarb sich dabei e in namhaftes Vermogen. Ihm gebiihrt das Verdienst, nach Vollendung der Eisenbahnbriicke das Bad ins Leben gerufen zu haben. Die Bevolkerung des Marktes 12 und der Umgebung hatte die Thermen schon langst als heilkraftig erkannt und, wenn auch in der primi- tivsten Form, beniitzt. Ingenieur Rddl besichtigte und priifte zu wiederholten Malen die Quellen und bald stand bei ihm der Entschlufi fest, sein bedeutendes Vermogen zur Griindung eines Bades aufzuwenden, Der Magistrat Tuffer, dem die ganze Au am rechten Sannufer gehorte, trat bereitwilligst Grund und Boden unter den billigsten Bedingungen an Rodi ab, der die Arbeiten sogleich aufnahm. Die grofite Schwierigkeit, fiir die damaligen technischen Mittel vvenigstens, bot die Auffindung und Fassung der Hauptquellen. Nachdem an verschiedenen Stellen kostspielige Boh- rungen und Ausgrabungen gemacht vvorden waren, fand man den wahren Ursprung der Hauptquellen knapp am Flufiufer, etwa fiinf Meter unter dem NiveaU der Sann in den Kalkfelsen, die den Untergrund des Tales bilden. Rasch wurde ein grofieres holzernes Badehaus in der Nahe errichtet und schon kamen die ersten Kurgaste, vvahrend R5dl mit der Fundierung und dem Bau des gegenvvartigen grofien Bassins begann, des grofiten aller steirischen Badebecken, das durch seine schdne und solide Anlage wohl das schonste Denkmal ist, das sich Rodi gesetzt. Am 1. Mai 1854 fand unter auCerordentlichem Zudrange der Bevolkerung die Erdffnung des »Kaiser Franz Joseph-Bades« statt, an die sich ein glanzendes Volksfest anschlofi. Indessen hatte Rodi mehrere Besitzungen in der Umgebung des Bades kauflich an sich gebracht und wollte das bisher so giinstig begonnene im grofien Stile seiner Vollendung zu- 13 fiihren. Leider gestatteten es dem unternehmenden Manne die Mittel nicht, den Plan in seinem Sinne durchzufiihren. Das Bad gelangte voriibergehend in den Besitz J. Schullers, sodann erstand es 1857 samt Nebenbesitzungen Dr. Lorenz v. Stein, der bekannte Wiener Professor der Nationalokonomie, der als zvveiter Griinder des Bades gelten kann. (Schlossar.) Als der Erbauer des Bades, Dr. L. v. Stein, Professor der Staatswissenschaften an der Universitat Wien, diesen Besitz ubernahm, war die eigentliche Fassung der Quelle durch den Ingenieur Rodi bereits fertig. Man hatte freilich statt rationeller Einrichtung nur drei Rohren aus Brettern durch das Gestein hin- durch bis auf den anstossenden Dolomitfelsen hinab- geschoben, diese dann mit einem festen Steinkranz Umgeben und so die warme Quelle isoliert. Man hatte dabei die Hoffnung gehabt, die Quelle durch eine solche Fassung soweit zum Steigen zu bringen, dafi sie von selbst in das Bassin laufen vviirde. Aber man hatte sich getauscht. Statt jener Hoffnung ergab sich eine andere, sehr merkwiirdige Erscheinung. Das Niveau der Quelle stieg in jenen Rohren genau bis zu einem bestimmten Punkte und dieser Punkt lag eineinhalb Meter iiber dem Niveau der Sann. Sobald die Sann sinkt, sinkt auch die Quelle; so wie sie steigt, steigt die letztere, immer ihre eineinhalb Meter iiber dem Wasserspiegel des Flusses festhaltend. Wenn daher bei Uberschwemmungen die Sann drei Und vier Meter steigt, geht die Quelle ihr voraus, Und wenn die Fluten der Sann im Winter oftstunden- lang diese Rohren oder Quellenk6pfe bedecken, so 14 bricht das vvarme Wasser die kalten Wassermassen der Sann nicht blofi durch und sprudelt wie eine warme Springquelle liber derselben hinaus, sondern der Druck derselben ist so grofi, dafi sie nicht nur keinen Tropfen kalten Wassers in sich aufnimmt, sondern sogar schvvere Steinplatten, mit denen man jene RShren zugedeckt hatte, um sie vor den Uber- schwemmungen zu schtitzen, wie leichte Stopsel auf die Seite vvarf und ihren eigenen Weg suchte und fand. Sinkt dann die Sann wieder, so geht auch die Quelle ruhig zuriick, und niemand sieht es ihr an, dafi sie je die hohen Rander ihrer Einfassung zu iibersteigen imstande gewesen. Diese merkwurdige Erscheinung vviederholt sich jedes Jahr, und es ist nur moglich, sie dadurch zu erklaren, dafi durch das Steigen der Sann andere Auslaufe zugedeckt werden. Allein ganz gevvifi ist dies keinesfalls. Wieder einmal stehen wir hier vor einem jener Ratsel der Natur, die unsere Wissenschaft bisher nicht zu losen ver- mochte. Ein grofies Gebiet der Naturwissenschaft ist uns ohnehin bis jetzt fast verschlossen — das ist das Leben des VVassers unter der Erde. Wer kann verniinftigerweise bezweifeln, dafi alle Quellen von Krapina, Neuhaus, Romerbad, Ttiffer, Tobelbad ein und dasselbe, nur in der Temperatur verschiedene Wasser sind — wenn aber, dafi und wie sie zusammenhangen ? Gut, es mag sein, dafi wir in allen jenen Quellen das Ergebnis eines ungeheuren Destillierprozesses tief unten, mindestens 6—8000 Fufi unter der Oberflache, vor uns haben — wenn aber, was treibt dieses Wasser in die Hohe und ganz regel- 15 mafiig in die Hohe? Und wie grofi mufi jener Kessel oder jene Unmasse von Kesselgangen im Innern der Erde sein, wenn Tiiffer, Romerbad, Krapina, Neuhaus taglich mindestens 60.000 Hektoliter Wasser an der Oberflache besitzen? Tiiffer driickt mit seinen Ma- schinen mindestens 16.000 Hektoliter taglich in seine Bader; aber ob die Maschine stili steht oder jene gewaltige Wassermasse abfiihrt — nicht um einen Zentimeter steigt oder fallt darum das Niveau seiner Quelle. Wer wird uns das erklaren? Die gltickliche Ubereinstimmung dieser Tempe¬ ratur der Quelle im Bade Tiiffer mit der menschlichen VVarme macht daher auch keine Art der kiinstlichen Abkiihlung des Wassers notig, wenn nicht besondere arztliche Griinde sie fordern. Natiirlich ist dafiir, dafi die Leidenden, namentlich Frauen, das Wasser bis zum Kiihlungspunkte von 24 °R. haben konnen, um- sichtig und vollstandig gesorgt. Gerade wegen dieser Temperatur aber ist das Bad im hochsten Grade an- genehm und wohltuend auch wahrend der Sommer- hitze; es erfrischt, weil seine VVarme nicht grofier ist, als die des Menschen, und stellt ohne Anstren- gung des Organismus die Harmonie zwischen ihm und der Lufttemperatur her. Manche Eigenschaften hat Tiiffer mit anderen indifferenten Thermen gemein. Doch sind viele der- selben kalter, wie Neuhaus, Tobelbad, Romerbad, oder bedeutend heifier, wie Gastein oder Krapina. Das Tiifferer Bad ist fast das einzige, das der menschliche Organismus unmittelbar ge- brauchen kan n, wie die Natur selbst es aus dem 16 Innern der Erde darbietet. Aber die VVirkungen aller dieser Bader sind eigentiimlich und darum nicht unbedeutender, weil sie ihrer Natur nach nicht in plotzlichen Erfolgen, sondern langsam, dafiir aber um so nachhaltiger erscheinen. Da namlich die absolut indifferenten Quellen nichts als das reine Wasser ent- halten, so ist ihre auflosende Wirkung auf die Haut auch durch keine jener mineralischen Zusatze unter- brochen, welche wir in den Schwefel- oder Eisen- quellen finden. Die arztliche Auffassung sieht daher durch diese indifferenten Wasser sofort einen Prozefi entstehen, in welchem dieselben die Poren der Haut eroffnen, sie reinigen, jedes Atom fremder Substanzen daraus entfernen, in dieselben hineindringen und unter der Haut denselben Heilungsprozefi erzeugen, den wir in viel roherer Form durch warme, feuchte Um- schlage zu erzeugen streben. Solange es solche warme Bader gibt, haben die Menschen sie aufgesucht und dankbar beniitzt. Diese heilen nicht nur ganz bestimmte Leiden, sondern bieten namentlich gegen altere Zustande etwas un- gemein Kraftigendes und Betebendes. Liegt es an dem Bade selbst, oder liegt es an der unzvveifelhaft vorhandenen Elektrizitat dieser Wasser, welche nach der gevvifi begriindeten Ansicht des Elektrologen durch die ungeheuere Reibung entsteht, welche die warme Quelle an den Felswanden erfahrt, wenn sie Tausende von Metern durchlaufen mufi, um an die Oberflache zu gelangen? Wir wissen es nicht, und eigentlich bleibt es ja doch die Hauptsache, dafi diese Quellen wirklich helfen, und sie haben geholfen und 17 werden helfen; mag die Ursache noch so fraglich sein, die Wirkung ist es nicht. Im Jahre 1882 kam das Etablissement in die Hande Tbeodor Gunkels, unter dessen umsichtiger Leitung die Anstalt mannigfache Zubauten und Ver- besserungen erhielt, so dafi der Badeort mit Fug und Recht unter den ersten Badern der osterreichischen Monarchie ervvahnt zu werden verdient. Schon vor der Einfahrt in die Station bemerken wir, von Cilli kommend, linkerseits, vor der Anstalt ein hohes, aus Stein erbautes massives Eingangstor mit der Inschrift: ,,Kaiser Franz Joseph-Bad“. In der Station angelangt, kommen wir nach wenigen Schritten in einen schon gepflegten Park, in tvelchem eine anfanglich von Lindenbaumen, dann von Kastanien gebildete, beiderseits von hiibschen Anlagen umgebene, schattige Allee in kaum funt Minuten zum Hauptgebaude der Anstalt, dem eigent- lichen Kurhause, fiihrt, vvelches nach vorne die Aussicht auf die Parkanlagen und die Eisenbahn, nach ruck- vvarts auf die Sann und den Humberg hat. Beilaufig sechzig Schritte lang und zwei Stock- werke hoch enthalt das Kurhaus in seinem Erd- geschosse aufier dem grofien Kurbassin und den Separatbadern noch vierzehn Wohnzimmer, Direktions- Kontor, Ordinationszimmer und Apotheke. Im ersten und zweiten Stockwerke ausschliefilich teils grofiere, teils kleinere Wohnraume, im ganzen sechsundachtzig Zimmer. Anstofiend an dieses Gebaude und mit ihm durch einen gedeckten Korridor in Kommunikation befindet sich der grofie Speisesaal, der, umgeben von 2 18 einer hubschen Terrasse, geraumig genug ist, um iiber hundertsechzig Personen zu gleicher Zeit zum Speisen aufnehmen zu kfinnen. Vor der Terrasse ist ein grofier schattiger, mit Tischen und Stiihlen besetzter Speisegarten fiir drei- hundert bis dreihundertftinfzig Personen, an dessen Westseite im Sommer die Kurkapelle spielt. An- schliefiend an den grofien Saal befindet sich noch ein kleinerer Speisesaal sowie das Lesezimmer, in dem die gelesensten Journaie zur Beniitzung aufiiegen. An diese Lokalitaten wurde im Jahre 1874 der groBe Kursalon angebaut, der zur Abhaltung von Ballen dient. Im ersten Stocke liber den Speisesalen und dem Kursalon befinden sich geraumige, elegante Wohnzimmer. An der Riickseite des Kurgebaudes befinden sich noch mehrere Speisezimmer und eine Veranda, die auf einen weiten, mit grofien, schatten- spendenden Baumen bepflanzten Platz fiihren. Gehen wir nun langs des Kurhauses nordvvarts, so nimmt uns bald ein kleiner Fichtenhain auf, nach dessen Durchschreitung wir den Retschitzbach auf einer kleinen Brucke ubersetzen. Jenseits des Baches setzt sich der Kurpark noch einige hundert Schritte weit fort und sind in dieser Partie nicht blofi dichte, reichlichen Schatten gewahrende Kastanien-, sondern auch zahlreiche Fichtenanpfianzungen sowie eine Gruppe schoner Trompetenbaume erwahnenswert. An der Ostseite fliefit die Sann vorbei, und befindet sich hier das geraumige, kalte Flufibad, das, gleich dem in Cilli befindlichen, infolge des starken Wellen- schlages sehr besucht wird und an roborierender 19 Wirkung einem Seebade ahnlich ist; ist ja auch Cilli durch die „Sann-Bader“ weit bekannt gevvorden. Von der Fahrstrafie durch ein Vorgartchen ge- schieden, befindet sich die einstockige »Sann-Villa«, zur Aufnahme von Kurgasten eingerichtet. Vis-a-vis dieser Villa fiihrt eine Landstrafie in das Retschitztal; auf derselben weiterschreitend gelangen wir in den jenseits der Eisenbahn gelegenen Teil des Kurortes. Zu beiden Seiten, von der Strahe durch dichte Hecken getrennt, dehnt sich ein herrlicher Garten aus, dessen wohlgehaltene Pfade bis auf den linkerseits sich er- hebenden, dicht bewaldeten Berg fiihren. In diesen Anlagen befinden sich noch vveitere drei Villen; links an den Feisen angebaut der „Mtihlhof“ mit vierund- zvvanzig Zimmern, rechts neben einem von hohen Kastanienbaumen beschatteten Platze die »Villa Rodel« mit zwolf Zimmern und von diesen durch eine seiten schone Linde getrennt die »Villa Stein« mit achtund- zwanzig Zimmern und der Maria Himmelfahrtskapelle. Das Kurhaus und der Park sind elektrisch be¬ le u c h t e t, so dah fur jedvveden Komfort vorge- sorgt ist. Die Badelokalitaten bestehen aus einem grofien, iiber neunhundert Hektoliter fassenden Bassin, welches achtzehn Meter lang, funt Meter breit und zirka eineinhalb Meter tief, das grofite unter allen Badern Steiermarks ist. Der ganze Raum, der durch sechs hohe Bogenfenster sein Licht erhalt, ist mit weifiem Marmor ausgekleidet und weite Zinkrohren lassen an der Dečke die sich entvvickelnden Wasserdampfe entvveichen. Ringsherum sind Sitzbanke aus Marmor 2* 20 angebracht und am FuBe derselben eine Stufe fiir solche Personen, denen eine geringere Tiefe ervviinscht ist; der Boden ist mit schonem Mosaik belegt. Die Temperatur des Wassers ist hier die der Therme, 385° C., und durch bestandigen Zu- und AbfluB des Wassers konstant erhalten. Das Bassin kann nach seiner, jeden Abend stattfindenden Entleerung und Reinigung in kaum vier Stunden frisch geftillt werden. An den Schmalseiten liegen die Toilettezimmer, links fiir Herren, rechts fiir Damen, von denen je eine durch einen Mauervorsprung gedeckte Treppe in das Bassin hinabfuhrt. Aufier diesem Vollbade sind noch acht andere grofiere und kleinere Separatbader vor- handen; alle sind mit Mosaikboden und Marmor- wanden sowie Sitzbanken aus Marmor versehen und ist in allen fiir bestandiges Zu- und Abfliefien des Wassers gesorgt, so dafi auch in diesen Einzelbadern eine Schwankung der Wassertemperatur nicht vor- kommen kann. AuGerdem ist durch ein grofies Re- servoir, in welches das Thermalwasser eingelassen wird und worin es allmahlich auskiihlt, die Moglichkeit gegeben, in diesen Badern jede beliebige Temperatur ohne Zusatz eines anderen Wassers erzielen zu konnen. Noch weiter westlich gelangen wir zu den ge- raumigen Stallungen, in denen eine Anzahl prachtiger Pferde untergebracht ist. Eine Wagenremise mit eleganten Equipagen verbindet den Pferde- mit dem Kuhstall, in welchem sechs bis zehn Kuhe die beste Milch liefern und so auch fiir Milchkuren Gelegenheit geben. AnschiieCend sind noch Hiihnerhof und Schweinestall zu ervvahnen. Noch weiter hinaus be- 21 findet sich ein stattlicher Gemiisegarten, der die Re- stauration schon im beginnenden Friihjahre mit frischen Gemiisearten versorgt. Nordwarts hinter der »Villa Stein* sehen wir die Glashauser, in denen freilich erst zur spaten Herbstzeit die zahlreichen exotischen Gewachse untergebracht werden; herrliche Gartenan- lagen dehnen sich vor denselben aus, eine reiche Rosenanpflanzung macht diesen Teil des Parkes be- sonders anziehend und ist die von Kletterrosen iiber- zogene Front des Glashauses zur Zeit des Rosen- flores sehenswert. An das Kurhaus riickwarts angebaut ist das Maschinenhaus ; ein grofies Wasserrad, getrieben vom Redschitzbache, treibt die Pumpen, die das Thermal- wasser in das hoher gelegene Reservoir drucken; zwei Dynamomaschinen verschaffen die elektrische Beleuchtung des ganzen Kurgebaudes und vverden gevvohnlich auch durch die VVasserkraft betrieben; tur besondere Falle ist noch eine Lokomobile in Re- serve vorhanden. Etwa dreifiig Schritte hinter dem Kurhause ent- springen die Thermalquellen; an drei nur wenig von einander entfernten Stellen tritt das warme Wasser aus dem Alpenkalke hervor und vvurden auf die Felsenspalten drei aus englischem Zementmortel ge- arbeitete, mit Eichenbohien ausgekleidete Tiirme auf- gesetzt, die sich etwa eineinhalb Meter uber das Uferniveau erheben. Zirka fitnf Meter unter dem Uferniveau wird das Wasser durch grofie, in die Turme angebrachte Offnungen in einem mit Stein- ■quadern ausgekleideten Reservoir gesammelt. Von 22 dem Reservoir fiihrt eine Leitungsrohre von zvveiund- dreiflig Zentimetern Durchmesser das Wasser in die verschiedenen Bassins. Auf einem dieser Tiirmchen ist eine kleine Pumpe angebracht, so dafi sich das zum Trinken beniitzte Thermalwasser jeder Kurgast direkt aus der Quelle schopfen kann. Langs des ganzen rechten Sannufers namlich kann man hier in einer Ausdehnung von zvveihundert Schritten das Auftreten warmen Wassers bemerken, besonders auffallig an kalteren Herbst- und Fruhjahrs- morgen durch den ansteigenden Dampf; vis-a-vis am Fufie des Humberges sind auch noch knapp am Wasser zwei Quellen, deren Temperatur zwischen 20 und 21° R. schwankt. Das Thermalvvasser ist vollkommen klar, geruch- und geschmacklos und setzt iiberhaupt kein Sediment ab; reichliche Gasblasen steigen empor, die aus freier Kohlensaure, Stickstoff und atmospharischer Luft be- stehen. Die Temperatur ist konstant 38'5° C. = 30’5° R. ( also genau gleich der mittleren Temperatur des menschlichen Korpers. Dabei ist die Quelle voll- standig unabhangig von allen Witterungseinflussen. Die Tiifferer Therme erscheint also nach dem Gesagten nicht nur als die m a c h t i g s t e, sondern auch als die warmste aller steirischen Akratothermen. Der Export des kohlensauren Thermalvvassers, hauptsachlich nach siidlichen Gegenden, ist ein be- deutender, wegen der Bakterienfreiheit und absoluten Reinheit. Auch wurde das Wasser von Herrn Gunkel zu Bierbrauzvvecken verwendet und wird ein vor- 23 ziigliches Getrank daraus gebraut, welches sich sowohl als Konsum- als auch als Sanitarbier rasch ein- fiibren wird. Hinsichtlich der chemischen Zusammensetzung ist das Franz Joseph-Bad der Teplitzer Quelle am ahnlichsten, doch sind bei allen diesen Thermen die festen Bestandteile in so minimalen Mengen vor- banden, dafi sie keinesfalls imstande sind, einen spezi- fischen Einflufi auf den Organismus auszuiiben. Be- ziiglich der Temperatur ist schon eine bedeutende Verschiedenheit zu konstatieren, indem hier eine Differenz von 21 0 R. bis 38 °R. vorkommt. Im allge- meinen gilt nur jene Quelle fiir die kraftiger wirkende, die eine hohere Temperatur hat; doch ist dieser Satz nur dann richtig, wenn es sich um Temperaturen unter 37'5° C. handelt, weil solche Quellen erst kiinst- lich erhitzt vverden miissen und dadurch einen Teil ihrer Bestandteile verlieren. Uberhaupt diirften Bader von liber 39 0 C. nur in Ausnahmsfallen indiziert erscheinen und ohne nachteilige Folgen vertragen vverden konnen. Das Kaiser Franz Joseph-Bad besitzt nun, wie schon ervvahnt, genau die Temperatur des menschlichen Blutes, kann also in der Mehrheit der Falle in der urspriinglichen Warme in Vervvendung gelangen und nur in einzelnen Ausnahmsfallen diirfte auch hier die Abktihlung des Tbermalvvassers ange- zeigt erscheinen. AuGer der Temperatur des Thermalvvassers hat bei Durchfiihrung der Kur auch das Klima eine grofie Bedeutung. Da, wie schon ervvahnt, tiber die Atiologie der 24 Wirkung heifier, ungemischter Quellen nichts hin- langlich feststeht, so miissen wir uns an die Wirkung als solche halten. Durch das warme Bad wird die Hauttatigkeit gesteigert, der Blutlauf in den Hauptkapillaren erhoht, die Gefafie erweitert; die Spannung der Blutsaule sovvohl, als die Herzkraft werden herabgesetzt, der Puls wird beschleunigt; es findet ein rascheres Zu- stromen des Blutes von den inneren Organen zur Korperoberflache statt und wird das Gefafisystem der Haut zur gesteigerten Energie angeregt. Je hoher die Temperatur des Bades, desto rascher und energischer treten diese Veranderungen im Kreislaufe ein; iiber- steigt die Wasserwarme die gewohnliche Blutwarme (38‘5°C.), so konnen diese Vorgange so rasch erfolgen, dafi unter Umsianden sogar das plotzliche Zustromen des Blutes zu den Hautgefafien mit Gefahr verbunden sein kann — unter allen Umstanden wird ein solches Bad reizend wirken. Niedere Temperaturgrade (unter 30° C.) reizen ebenfalls durch die entgegen- gesetzte Wirkung, namlich Verengung der Hautgefafie und Zutreiben des Blutes zu den inneren Organen, zwischen 30 und 38'5 0 C. wirken die Thermalbader beruhigend, hochstens milde erregend auf das Gefafi- und Nervensystem. Getrunken iibt das warme Thermalvvasser eine beruhigende Wirkung auf die katarrhalisch ge- reizten Schleimhaute des Rachens, der Darm- und Magenwandungen aus; iibermafiige Ausscheidungen werden beschrankt, die Verdauung gehoben. Das kalte Wasser hingegen regt die peristaltische Bewegung 25 an, vermehrt die Sekretionen. Die Verdaulichkeit des Wassers ist infolge seines bedeutenden Gasgehaltes eine sehr leichte. Die Wirkungsweise unserer Therme ist demnach: 1. Die Anregung der spezifischen Tatigkeit der Haut und Schleimhaute. 2. Bescbleunigung des Stoffvvechsels und dadurch Befdrderung der Resorption. 3. Beruhigung des Nervensystems. 4. Allgemeine Kraftigung des Gesamtorganismus. Als spezielle Indicationen ergeben sich demnach: I. Allgemeine Schvvache, sowohl infolge von Anamie, als die durch schvvere Krankheit ent- standene Erschopfung der Krafte finden rasche Heilung. In beiden Krankheitsformen wird bei Gebrauch der Bader durch den gesteigerten Stoffvvechsel die Bildung neuer Blutzellen angeregt, die Ernahrung der Gevvebe gefordert; die Funktionen der Organe werden nor- miert, das Nervensystem gekraftigt. Nicht zu lange dauernde, laue Bader von 32 bis 35° C. sind in diesen Fallen am angezeigtesten, um jede Abschvvachung zu vermeiden und eine ununter- brochene Durchfiihrung der Kur zu ermoglichen. Nach und nach kann zu warmeren Badern iiber- gegangen vverden, namentlich bei anamischen Kranken, die eine hohere Temperatur leicht ertragen. II. Gele n k s- und Muskelaffektionen, so- wohl chronischer als akuter Natur, wie gichtische Zustande, Rheumatismen, Kontrakturen etc. Hier handelt es sich hauptsachlich um die Resorption der 26 gesetzten Exsudate und wird dieselbe durch vvarme Bader in Verbindung mit Massage in kurzer Zeit er- reicht. Die Dauer des Bades soli anfangs nur eine kurze sein, um den Organismus nicht zu sehr zu schwachen und erst wenn sich derselbe etwas ge- kraftigt und an die taglichen Bader gewohnt hat, kann man allmahlich zu den langer dauernden Badern iibergehen, doch ist auch dann ein Aufenthalt von liber dreiviertel Stunden in warmem Wasser nicht nur unnotig, sondern wird sich nicht einmal vorteil- haft ervveisen, da durch die gesteigerte Hauttatigkeit und die dadurch bedingte vermehrte Schweifisekretion ein zu grofier Safteverbrauch hervorgerufen werden diirfte. Nur bei starken, gut genahrten Individuen kann allenfalls eine »starke Kur«, bestehend in heifien, lange dauernden Badern wohl erfolgreich sein, doch bei schwachen, anamischen Individuen, deren Ernah- rung an und fiir sich keine gute ist, ware es gerade- zu schadlich in solcher Weise zu verfahren und mufi man in diesen Fallen sowohl mit der Temperatur des Bades, als mit der Dauer desselben nur ganz allmah¬ lich steigen. Fast immer tritt im Anfange der Kur eine Verschlimmerung der Symptome ein, wie Span- nung und Schmerz in den affizierten Teilen; doch mit dem Eintritte betrachtlicher Ausscheidungen durch Haut und Nieren (starker Bodensatz im Urin) schwin- den durchschnittlich nach 10 — 14 Tagen diese Be- schwerden. Die Erfahrung hat gezeigt, da(3 der inner- liche Gebrauch des Thermalivassers hiebei hochst vorteilhaft mitwirke. Die oft nach Gelenks-Rheumatismus zuriick- 27 bleibende Herzaffektion bildet keine Gegenanzeige gegen den Gebrauch der Therme, da dieselbe in einer solchen Temperatur gebraucht werden kann, daC jede Gefahr vermieden erscheint. Durch die Erfahrung ist konstatiert, daB solche Kranke die Bader nicht nur sehr gut vertragen, wenn sie dieselben vorsichtig ge- brauchen, sondern dafi sie auch keinerlei Beschvverden von denselben versptiren. Nur ware noch erwahnenswert, daB speziell nach Gelenks-Rheumatismus nach Beginn der Badekur eine heftige Reaktion sehr haufig einzutreten pflegt, die uns umsomehr zur Vorsicht bei der Temperatur des angevvendeten Bades mahnt, als selbst Fiebererschei- nungen nicht selten dabei auftreten. Bei rationeller Gebrauchsweise gehen diese oft alarmierenden Symp- tome rasch wieder voruber, und sind es gerade diese Falle, die am raschesten zur vollstandigen Heilung gelangen. III. Neuralgien kommen hier ofters zur Be- obachtung. In einem Falle von Gesicbtsschmerz sah ich nach dem zehnten Bade, nach vortibergehender Verschlimmerung, vollstandige Heilung eintreten, \velche wahrend der 14 Tage, die der Kranke noch hier vervveilte, anhielt; leider erhielt ich keine vveiteren Nachrichten. Ischia vvurde in zahlreichen Fallen mit gtinstigem Erfolge behandelt; oft kamen hartnackige Formen, die allen friiheren Behandlungen getrotzt hatten, hier zur Heilung. In diesen Krankheitszustan- ■den ist die Temperatur, sowie die Dauer des Bades dem betreffenden Individuum anzupassen, wird hohe Temperatur leicht vertragen, so kann sogleich mit 28 Badern von 38'5° C. begonnen werden, doch diirfte auch hier in den meisten Fallen ein langsameres Akkomodieren des Korpers an die Warme ange- zeigter sein. Bei allen Neuralgien soli die Dauer der Kur zu- mindest vier VVochen betragen, und ist bei gleich- zeitiger Anvvendung der Elektrizitat eine Heilung oder wenigstens bedeutende Besserung in allen Fallen ein- getreten. Hier mag erwahnt werden, was im allgemeinen fiir alle chronische, schon langer bestehende Leiden gilt, da8 wohl zuvveilen im ersten Jahre der Kur nur eine geringe Linderung eintritt, die jedoch die Wieder- holung des Bades dringend erheischt, und dann erst die volle Wirkung ausiibt. IV. Lahmungen: Hieher gehoren vorziiglich Hemiplegien, die ihren Grund meist in Apoplexie des Gehirnes haben; solche Kranke miissen die Badekur mit Vorsicht gebrauchen, sie dtirfen nicht vvarmere Bader, als solche mit 32° C. anwenden und auch nur kurze Zeit, etvva eine Viertelstunde, darin ver- weilen. Wahrend des Bades soli in solchen Fallen eine etvvaige Kongestion durch kalte Kompressen auf dem Kopfe womoglich hintangehalten werden. Da es sich hier hauptsachlich darum handelt, die Lebens- fahigkeit der gelahmten Muskelpartien zu erhalten, bis der apoplektische Herd vollstandig vernarbt ist, so gelingt es haufig, ausgezeichnete ResUltate zu er- zielen, besonders bei gleichzeitiger Anwendung des Induktionsstromes. 29 Andere Lahmungen, z. B. solche, die in der durch irgend eine Ursache aufgehobenen Leistungs- fahigkeit oder verminderten Erregbarkeit eines peri- pheren, motorischen Nerven veranlafit sind, konnen ebenfalls durch Anwendung der Thermalbader zur Heilung gelangen oder vvenisstens gebessert werden. Durch den Reiz, den namlich die warmen Bader aui die Haut ausiiben, wird entweder die Ursache des Leidens behoben, oder durch den gesteigerten Stoff- wechsel die durch Texturveranderungen bedingte verminderte Erregbarkeit vvieder gehoben und zur Norm zuruckgefiihrt. Bei Tabes dorsualis ist im allgemeinen die Hydrotherapie vorzuziehen, doch gibt es auch hier Formen, in denen die vvarme Kur Vorzug verdient; gs gilt dies hauptsachlich bei jenen Individuen, die infolge ihrer schwachlichen Konstitution eine ein- greifende kalte Kur nicht durchfiihren konnen, und kann man dann mit temperierten Badern von 30° —32° C. in Verbindung mit dem konstanten Strom eine be- merkenswerte Besserung des Zustandes erzielen. Myelitis ist ebenso zu behandein, nur darf nur ein schvvacber konstanter Strom gebraucht werden. Ein hiezu gehoriger Fali ist seiner vollstandigen Heilung wegen erwahnenswert. Patient erkrankte im November 1888 angeblich an rheumatischen Schmerzen, wozu sich anfangs Marž eine Lungenentztindung ge- sellte. Im April 1889 trat eine vollstandige Lahmung der beiden unteren Extremitaten ein, zugleich mit Gurtelgefiihl in der Hohe des Nabels; gleichzeitig war totale Gefuhllosigkeit, dem Beweise der Lahmung, 30 vorhanden. Vom Juli bis Ende August gebrauchte Patient die hiesigen Thermalbader jeden zweiten Tag eines mit 33° C.; zugleich Anvvendung des konstanten Stromes an den Tagen, wo kein Bad genommen wurde. Ganz allmahlich trat das Geftihl wieder auf und konnte Patient nach drei Wocben mit Unter- stiitzung einer zweiten Person und Zuhilfename einer Krricke wenige Schritte machen. In diesem Zustande verliefi der Kranke das Bad; nach und nach besserte sich sein Zustand immer mehr, und anfangs des Jahres 1890 konnte er beim Gehen auf jede Unter- stiitzung verzichten. Eine zweite Badekur vom 30. April bis 22. Mai behob noch das zuriickgebliebene Giirtel- gefiihl ebenfalls vollkommen, so dafi der Patient wie ehedem den ganzen Tag ohne jede Anstrengung be- liebige Spaziergange unternehmen kann, demgemaB eine vollstandige Heilung seines so schvveren Leidens erzielt hat. Impotenz, falls sie auf blofier Spinalirritation beruht, ist durch beruhigende, mafiig warme Bader oft zu heilen. Bei Lahmungen infolge von Anaemie, nach starken Blutverlusten, wie im Wochenbette, oder solchen, die nach schvveren Krankheiten, wie Diph- teritis oder Typhus, zuriickbleiben, wird die Behandlung der von Rekonvaleszenten gleich sein. Es kommt hauptsachlich darauf an, den Organismus zu kraftigen und durch den beschleunigten Stoffaustausch die ge- lahmten Korperteiie zu neuer Lebenstaligkeit an- zuregen. Sollten etwa Exsudate eine mehr mechanische 31 Behinderung der Bevveglichkeit verursachen, so tritt die resorptionbefordernde Wirkung des Bades in Kraft. V. Unterleibserkrankungen: Magen- und Darmkatarrhe, sowohl. chronische als akute, vverden durch die hiesige Therme oft geheilt; der Gesamtorganismus wird gekraftigt und die Schleim- haute durch innerlichen Gebrauch beruhigt, die Ver- dauung geregelt. Sovvohl als Nachkur nach Karlsbad oder Marienbad, als auch als eigentliche Kur, durch Trinken und Baden, wurden schon vorzugliche Er- folge erzielt. Bei Nierenleiden zeigt sich die Wirkung der Quelle besonders schnell; in einem Falle von Diabetes schwand nach Gebrauch von zwei Badern zu 38'5° C. der Zuckergehalt des Urins vollig und kehrte auch vvahrend der ubrigen Zeit des Aufenthaltes des Patienten nicht wieder. Blasenkatarrhe werden in frischen Fallen stets zur Heilung gelangen; auch solche Cystitiden, in denen schon ein paretischer Zustand der Blasenmus- kulatur eingetreten ist, vverden gebessert, indem durch den Reiz des Thermalwassers die Muskeln zu ver- starkter Tatigkeit angeregt vverden. Unterstiitzt vverden diese Kuren durch innerlichen Gebrauch des vvarmen Thermalvvassers. VI. Frauenkrankheiten: Alle Formen von Menstruations-Anomalien, besonders Dysmennoor- hoe, bilden stets ein grofies Kontingent unserer Bade- gaste, und mit Recht, da die Therme ervveichend und beruhigend auf die Organe vvirkt, was besonders bei Stenose des Gebarmuttermundes von Erfolg ist. Auch 32 nach Discission des orificium uteri ist die hiesige Kur anzuempfehlen, da durch sie eine zu rasche Zu- sammenziehung der Narbe verhiitet wird. Bei Endometritis sovvie Para- und Perimetriden und der durch dieselben gesetzten Exsudaten zeigt sich die resorptionsbefordernde Wirkung in ihrer vollen Kraft. Alle hieher gehorigen Falle, worunter auch schon veraltete waren, wurden nach mehrmals wiederholtem Kurgebrauche zur vollstandigen Heilung gebracht. Katarrh der Gebarmutter sovvohl, als der Vaginal- schleimhaut verschvvinden bald nach Anwendung der Thermalbader in Verbindung mit der Uterusdouche. VIL Hautkrankheiten: Diese sind ent- weder der Ausdruck innerer Leiden oder im Zusammen- hange mit dem Nervensystem, oder rein lokaler Natur, im ersten Falle kann die Therme nur soweit wirken, als durch Gebrauch derselben der Gesamtorganismus gekraftigt wird und dadurch der Korper eine grofiere Widerstandsfahigkeit erlangt. In den beiden letzten Fallen wird die direkte Einvvirkung des Thermal- wassers von Erfolg sein, und wenn auch bei manchen Krankheiten eine Vorkur notig sein dtirfte, so wird doch eine nachfolgende Behandlung mit warmen Badern zur Befestigung der Gesundheit und Verhtitung von Rezidiven am Platze sein. VIII. Aufiere Krankheiten: Die erfolg- reichen Wirkungen der Akratothermen bei eiternden, schlecht granulierenden Wunden, atonischen FuB- geschwiiren etc. haben sich vielfach bewahrt, und hat sich unser Bad auch bei varicosen Geschvviiren 33 und Anschwellungen der GefaBe einen giinstigen Ruf erworben. Kontra-Indikationen, d. h. Zustande, welche den Gebrauch des Kaiser Franz Joseph-Bades verbieten, sind: 1. fieberhafte Krankheiten, 2. bedeutende organische Herzfehler, 3. groBe Neigung zu Blutungen, 4. krebsige Dyskrasie. Die Saison im Kaiser Franz Joseph-Bade dauert vom April bis Oktober. Friihjahr sowohl als Herbst erlauben des milden Klimas vvegen den Aufenthalt im Freien fast den ganzen Tag; die štete Windstille verhindert jede zu rasche Abklihlung und macht be- sondere VorsichtsmaBregeln iiberflussig. Auch die heiBen Sommermonate sind nicht unertraglich, da die Nachte stets angenehme Kiihle bringen und die Morgen- und Abendstunden erquickend machen. Uber die Badekur lassen sich natiirlich keine allgemein giiltigen Regeln aufstellen ; nur muB dabei beriicksichtigt werden, dafi, wenn die Therme auch chemisch indifferent erscheint, sie doch in thera- peutischer Beziebung nicht indifferent ist, unbedingt kann man die VVirkung der Bader nicht nur der natiirlichen Warme und der Elektrizitat des Wassers zuschreiben, sondern es muB noch ein bisher unbe- kanntes Etwas in selbem vorkommen, daher stelle sich der Leidende dem Arzte vor, welcher zu unter- suchen hat, ob das Obel durch die Badekur behoben werden kann und ob der betreffende Organismus iiberhaupt die Thermalbader vertragt. In vielen Fallen 34 mufi die grofite Vorsicht angewendet werden und ist es nicht genug zu tadeln, vvenn Personen die Bader ohne Zuziehung des Arztes gebrauchen und vielleicht, um die Badezeit abzukiirzen, durch mehrmaliges Baden den grofieren Teil des Tages im Bassin zubringen. Die reichliche Schvveifisekretion sowie die excitierende Wirkung des warmen Wassers erzeugen gar bald eine Mattigkeit und Schvvache, welche ein Aussetzen der Kur dringend indizieren, und brauchen oft Leute mehr Zeit zur Vollendung ihrer Kur, als vvenn sie dieselbe vorsichtig unter Aufsicht des Arztes durchgefiihrt hatten. Eine kurze Ruhezeit nach dem Bade diirfte unter allen Umstanden angezeigt sein und in Fallen, wo es sich um Aufsaugung von Exsudaten handelt, ist auch ein »Nachschvvitzen« von vvohltatiger Wirkung. Die Ausdehnung der Badedauer iiber eine Stunde hinaus ist unter allen Umstanden mindestens iiber- fltissig und meistens geniigt es, taglich nur ein Bad zu nehmen. Gevvohnlich tritt nach Beginn der Kur eine Verschlimmerung des Leidens ein, oft kehren die Schmerzen mit Vehemenz vvieder, doch bald macht sich ein Nachlafi geltend und schon nach 10 bis 14 Tagen stellt sich eine entschiedene Besserung ein. Die Dauer der ganzen Kur diirfte zvvischen drei und acht Wochen betragen; nach dieser Zeit soli mit dem Baden ausgesetzt und eventuell erst vvieder nach einer mehrvvochentlichen Pause begonnen vverden. Hat sich aber auch dann noch keine vollstandige Heilung eingestellt, so kommt dieselbe doch noch oft nach mehreren Wochen zustande, indem nach dem Aufhoren der schvvachenden Einvvirkung der Bader der Korper wieder in die normalen Verhaltnisse zuriick- versetzt wird und der durch das Bad gegebene Anstofi fur die gevviinschten Heilvorgange noch lange Zeit nach Beendigung der Kur fortwirkt. Der »Bade-Ausschlag«, der oft nach den ersten Badern entsteht, beruht einfach auf Reizung der Haut durch das Thermalvvasser und hat weder fur den Verlauf der Kur noch fur die Beurteilung der Heil¬ vorgange eine Bedeutung; er bedingt keinesvvegs ein Aussetzen des Badens und ist durch Vermeidung des starken Schvvitzens nach dem Bade leicht zu verhiiten. Hartnackige chronische Leiden, deren Heilung durch eine einmalige Kur nicht gelungen ist, konnen durch eine Wiederholung derselben behoben werden. Besonders wichtig ist die jahrliche Wiederholung der Kur bei Beschwerden, die das Alter zu begleiten Pflegen, denn nicht die Jahre sind es, die alt machen, sondern die zunehmende Gebrechlichkeit und daher wird die wahrhaft verjungende Kraft der Therme von niemandem lauter gepriesen, als dem bejahrtesten Teile der Gaste. Die Lebensweise im Bade wird nach Bedtirfnis UndGeschmack modifiziert; die Morgenstunden werden gewohnlich durch das Bad in Anspruch genommen. Die meisten Gaste wollen so zeitlich als moglich baden, und ist es im allgemeinen auch am zweck- oiafiigsten, niichtern das Bad zu nehmen, doch sind ^Uch von dieser Regel Ausnahmen zu machen. Viele Leidende, besonders sehr geschvvachte, nervos reizbare Bersonen diirfen nicht niichtern baden, und ist dann 36 etwa eineinhalb Stunden nach dem Friihstiicke am angezeigtesten, in das Bad zu gehen. In mancben Fallen ist sogar die Abendstunde dem Friihbade vor- zuziehen, doch bade man nicht fruher als drei Stunden nach der Mahlzeit. Nach Beendigung des Bades lege der Kranke sich eine Stunde zur Ruhe, am besten in das Bett, um dem Korper Zeit zu lassen, sich ali- mahlich der kiihleren Atmosphare zu akkommodieren. Im tibrigen sind, falls nicht besondere innere Leiden, wie Magen- und Darmkatarrhe, Nierenleiden etc. vor- liegen, keine besonderen Mafiregeln einzuhalten. Die Diat sei eine leichte; schvvere Weine sind zu ver- meiden oder nur in geringen Quantitaten zu geniefien; mafiige, nicht iibertriebene Bewegung wird die Kur zvveckmafiig fordern. In dieser Beziehung ist nun das Kaiser Franz Joseph-Bad am giinstigsten von allen steirischen Badern situiert, indem es in der Ebene, zvvischen maGig hohen, bewaldeten Bergen liegend, dem Fufi- ganger sowohl als dem Fahrenden eine Reihe der prachtigsten Ausfluge gestattet. Das Bad ist von einem grofien, schonen Parke umgeben, schattige Baume gevvahren an warmen Sommertagen erquickende Kuhlung; gut gehaltene Fufiwege fiihren in Serpen- tinen den Wald hinan, so dafi die umliegenden Hiigel, von deren Spitze sich uberall reizende Aus- blicke in das Tal eroffnen, ohne jede Anstrengung erreicht vverden konnen. Von Norden nach Suden zieht die Bezirksstrafie neben dem Parke vorbei. Nach Cilli sowohl als nach Romerbad kann man per Waaen in einer schvvacben Stunde gelangen. Jedenfalls 37 verdient die Fahrt mit dem Wagen den Vorzug vor die mit der Eisenbahn, da der Weg an landschaft- lichen Reizen aller Art uberreich ist. Umgebungen von Tuffer, Ausfltige. Am linken Ufer der Sann liegt der Markt Tiiffer, Und langs des Ufers ftihren schon gehaltene, ebene Fufivvege in das umliegende Gebirge. Die Besteigungen der kleineren Berge, fast durchvvegs von Kirchlein gekront, sind alle lohnend und seien hier nur die an der Kriimmung des Sannflusses am linken Ufer ge- legene Kirche von Maria-Graz, sowie die am rechten Ufer liegenden St. Christof und St. Michael ervvahnt. Von letzterer Kirche aus fiihrt ein fast ebener Weg auf dem Kamm des Gebirges stundenlang fort, und kommt man entweder bei St. Gertraud durch eine r omantische Schlucht zur BezirksstraCe zuriick, oder man kann, sich rechts haltend, zum Kohlenbergwerke Huda Jama und in das Retschitztal gelangen. Jenseits der Eisenbahn befindet man sich alsbald im Gebiete der Retschitz. Hier stand friiher eine Muhle, deren Dasein bis in das vorige Jahrhundert z Uriickreicht. Diese Miihle ward niedergerissen und mas ihr der »Miihlhof« gemacht, der, an die Felsen gelehnt, ein freundliches Bild mit seinen Anlagen bietet. 38 Vor ihm beginnen die Anlagen in den Berg- abhangen, welche das linke Ufer der Retschitz bilden. Langs des »Philosophenvveges«, in dem sich aller- dings mehr Schatten und Waldfrische als Philosophie vorfindet, gelangt man vorerst zu einer Schneide- muhle. Ich wei£S nicht, welche Weltweisen dort ge- gangen sind und wie sie geheifien haben. Gewifi aber erfreut sich der beschauliche Wanderer, dort einsam binzuschlendern, wo bis gegen Mittag hin die Tau- tropfen auf den Vergifimeinnicht und auf den breiten Tellern der Lattichblatter liegen, wahrend in den breiten Mulden des Verkehres die Sonne brennt. Man iiberschreitet den Bach, der klar im Erdenschatten dahinfliefit, und gelangt nach etwa einer Stunde, im griinen, ebenen Wiesentale aufwarts schreitend, zu dem guten Wirtshause des Kohlenwerkes Huda Jama. Dort ist ein Stollen durch die Berge nach dem Hauptvverke Presno gefiihrt, ein Bau, dessen Besich- tigung man sich nicht gerne entgehen lafit. Das Braunkohlen-Flotz besteht aus den Schiefern der Steinkohlenformation und Gliedern der Trias- gruppe, unter denen sich die herrschende Dolomit- stufe allein geltend macht. Ausgedehnte Meeres- ablagerungen aus der jiingeren Mittelmiocanzeit, namentlich Nulliporenkalkstein in beinahe horizontalen Banken und Mergelschichten von etvvas hoherem Alter, umlagern das Dolomitgebirge allenthalben, dringen auch vvohl in einzelne jener Langstaler ein, ohne der Braunkohlenformation in allen ihren sehr betrachtlichen Schichtendislokationen zu folgen. Die Kohle hat einen ihrem geologischen Alter entsprechen- 39 den Brennvvert, ist aber briichig und nur teilweise in gročieren Stiicken zu erzeugen. Eine packende Eigen- schaft hat sie nicht, gibt auch nur von manchen Flotzpartien eine hinreichend lange Flamme. Doch ist sie ein vvertvoller, zu mancherlei technischer An- vvendung trefflich geeigneter Brennstoff. So versorgten die Gruben von Presno bei einer jahrlichen Erzeugung von mehr als 50.000 Tonnen die eigens dafiir kon- struierten Ziegelčfen (Trifailer-Gewerkschaft) bei Wien. Weiter im Westen schliefien sicli die Berge. Nordlich, hoch oben, steht das vveitschauende Heiligtum von St. Hermagoras, dem Apostel des Kiistenlandes. Einzelbauern vvohnen am Gelande, schone Huben, mit wildem Steingelande vermengt, bis weit hinten das Hochland anfangt. Es gibt vvenig Taler, welche so sehr den Charakter der siidsteirischen Landschaften bieten, als das Retschitztal, das allenthalben von wohlhabenden Bauern bevvohnt ist, und vvenig Aus- fliige, die angenehmer vvaren. Bleibt man gleich im Anfange dieses »Philosophenweges«, so bietet sicb sofort der »Waldgang« dar, ein Bergsteig, mitten im Bergvvalde angelegt. Der Weg fiihrt zuerst hinauf zur kalten Quelle, welche das Bad mit frischem Trink- ^ vvasser versorgt, vermoge einer allerdings nicht un- bedeutenden Rohrenleitung (184 Klafter lang und Unter der Strafie und Bahn hindurcbgehend). Von da aus fiihren die Wege zur »Aussicht« und in die »Dolomiten«, kleine Hohlen im Gestein; an ihnen vorbei hinauf in das frtihere Schvveizerhaus, und oben auf dem Gipfel erhebt sich dann die »Michaeler-Kirche« in den schonsten Verhaltnissen mit zwei hohen Tiirmen 40 gebaut, vvelche die ganze Gegend beherrschen, schon anzuschauen, vvenn der Mond in den beiden Tal eri) sein Dammerlicht verbreitet und die schlanken Linien der Turmspitzen sich gegen den gestirnten Himmel abzeichnen. Wer irgend Lust hat, einige tausend Fu6 zu steigen, der wird sich aber durch einen weiten Blick in das Sanntal und die Hinterberge der Retschitz belohnt finden. Es gibt einen Ubergang aus dem Retschitztal liber St. Hermagoras nach Liboje bei Cilli. Knittl sagt in dem hiibschen Buche, welches er iiber die letztgenannte Stadt geschrieben hat, Folgendes: »Von Liboje aus kann man iiber eine Einsatt- lung der siidiichen Bergkette, in vvelcher zwischet) dem Mallitsch und der Pernize das Hermagoraskirch- lein von machtigen Linden beschattet liegt, in den Retschitzgraben und nach Tiiffer gelangen. Man kann auch von hier aus den 1092 m hohen Gosnik im Siidwesten besteigen, oder die interessante aber schwer zugangliche Hohle des felsigen Kotetschnig aufsuchen.« Im westlichen Hintergrunde des Retschitztales erhebt sich die Merzlica Planina bis zu einer Hdhe von 1119 m. In dem ervvahnten Buche heifit es dariiber: »Die Merzlica macht ganz den Eindruck einer schbnen, sanften griinen Alm, vvahrend der Felsblock des Kamnik in seiner Bildung den schroffen Charakter der Dolomiten tragt. Herrliche Bergwiesen mit tausen- den und abertausenden von Arnikasternen im Juni, mit kleinen, tiefblauen Friihlings-Gentianen im April, oder den noch schoneren blasigen Enzianen im Friih- 41 sommer, dunkelrote Steinnelken, feuerfarbige Lilien Und der schwefelgelbe Pippau machen diese weiten Dlachen zum farbenprachtigsten Teppich. Ganze Strecken sind bedeckt mit Maiglockchen, welche von dem Schonheitssinne der benachbarten Bauern recht Wohl gewiirdigt werden, denn schon zu vviederholten- malen traf ich zwanzig und mehr junge Leute dort mit dem Sammeln dieser lieblichen Friihlingskinder beschaftigt. Fiir unsere Gegenden aber die grofite Seltenheit ist der vveifie Asphodil, der einige Flachen fast allein beherrscht. Ein hoher, dicker Stengel, der tiber einen Kranz grundstandiger schmaler, blafigriiner Blatter emporschiefit, tragt einen Kolben mit prach- iigen, zartweifien Bliitensternen mit sechs langlichen Blumenblattern, jedes versehen mit einem dunklen Langsstreifen als Blattachse. In der Zahl von einigen Tausend vvuchern sie hier, jede Pflanze, genahrt durch ein ganzes Biindel langlicher, batatenahnlicher Wurzel- knollen, geeignet, in der Sommerdiirre auf dem trockenen und steilen Gelande die aufgespeicherte Nahrung dem Bltitenstengel mitzuteilen. Die Asphodeluswiesen sind leicht zu finden. Man steigt vom letzten Bauernhause am Wege nach Westen zur Alm empor — die Merzlica hat hier ge- r adezu Almencharakter — geht am Grate aufvvarts bis zu einer weiten, reich mit Arniča geschmiickten Mulde und vvendet sich dann dem Westabhange zu. Dieser vvird auf dem schmalen, aber ziemlich ebenen •Katzensteige« t-raversiert. Der Katzensteig fiihrt ge- } r aden Weges zur gesuchten Pflanze hin. Auf dem Grate oben vvachst am Rande des 42 Waldes die rosa alpina (nicht das Rhododendron) mit grofien, einfachen, sattroten Blumen. Wohl fallen ihre Blatter bald ab, aber es bleiben keine Stacheln zuriick, denn sie besitzt keine.« ' Die Aussicht von der Merzlica ist nicht groO- artig, aber immerhin sehr schon. Im siidlichen Halb- kreis reicht sie bis zum Nanos, dem Krainer Schnee- berg an der istrianischen Grenze und dem Uskoken- gebirge. Auf vveite Strecken erblickt man das Berg- land an der Save mit seinen Plateaubildungen, in welche die Talschluchten gleichsam eingehackt er- scheinen. Am htibschesten prasentiert sich der Kum- berg bei Hrastnig mit seiner Kirche auf dem 1219» hoben Gipfel. Der Dolomitkegel des Hum (635 m), 404 m iiber dem Bade erhaben, bietet Gelegenheit zu einem der anziehendsten Gange in der unmittelbaren Nahe des Bades. Die slavische Bezeichnung dieser Hohe, vvelche soviel als Hiigel bedeutet, kommt in den sudostlichen Alpenlandern sehr haufig vor. Am bequemsten tut man, vvenn man sich vom Bade liber die Sann setzen lafit und am jenseitigen Ufer zu dem breiten, weithin erkennbaren Wege hin- aufsteigt, vvelcher zugleich als Strafie nach Svetina gilt. Der Weg ist in blauer Farbe bezeichnet. Die volle Schonheit dieser Landschaft erscheint am vvirkungsvollsten im Spatfriihling oder Fruh- sommer, etwa im ersten Drittel des Monates Juni, vvelcher leider fur einen Badeaufenthalt noch immer viel zu wenig in Betracht gezogen wird. Es ist er- staunlich, wie vielfaltig sich der Pflanzenwuchs um 43 diesen Pfad herum dem Wanderer darstellt, bevor er den Schatten des Buchemvaldes erreicht. Mais, Weiden, Riiben, Mohn, Kornblumen, Heckenrosen, Kirschen, die sich roten, Knospen der Flachsbliite, Farren- krauter, das glanzende Laubwerk der Nufibaume und Edelkastanien, hie und da eine rieselnde Quelle, in der Tiefe der Strom und ferne glanzende Schnee- felder der Hochalpen, das alles stellt ein unvergefi- liches Gesamtbild zusammen. Bald nachdem man den hochschaftigen Wald betreten hat, erblickt man eine steinerne, vermutlich im funfzehnten Jahrhundert errichtete gothische Licht- saule, auf welcher dermalen in slovenischen Versen die Wallfahrt von Luschari verherrlicht wird. Wahr- scheinlich wurde sie hier in der Nahe des Marktes Tiiffer erbaut zur Zeit, als die damals neuerbaute Kirche in Svetina als Wallfahrtskirche weit und breit beriihmt und viel besucht war. Diese Lichtsaule ist noch gut erhalten. Man schlagt von ihr aus den Weg zur Rechten ein und gelangt, sachte im Buchenschatten bergan steigend, nach einer Viertelstunde zu einer kleinen Hohlflache, iiber vvelcher zur Rechten der »vvilde Pfarrhof* sich auftut, eine Hohle im grauen Gestein, vvelche von Pflanzenfreunden wegen der Orchideen, Rhododendren und anderer in diesem Gebiete seltener Pflanzen baufig aufgesucht wird. Der ganze Weg nimmt sich aus, wie wenn man einen Schulgarten durchschritte, in welchem die auf- falligsten Pflanzen, vvelche man in dieser botanischen Region findet, eingesetzt antrifft. Da sieht man den 44 zungenblatterigen Meisedorn mit seinen roten Beeren auf der Riickseite der Blatter, die roten Bluten des Tiirkenbundes, im Schatten des Waldes den Wald- meister, die vveifien Blumen der Felsenbirne und auf kahlem Gestein die Aurikel. Der Ruf des Kuckucks vermengt sich mit den heraufrauschenden Stimmen der Sannvvellen. Weiterhin geht der Weg zum Gipfel ab. Wenn man denselben zur Rechten lafit, so gelangt man auf die waldige Nordabdachung des Berges, durch vvelche sich ein Weg in siidostlicher Richtung herumwindet, so dafi man die Zuhilfename desselben den Hum umgeht — ein Spaziergang, vvelchen man vom Bade ab und wieder dahin zurtick in etwa einer Stunde durchfuhren kann und von dem sich vvohl behaupten lafit, dafi er auf dieser geringen Strecke eine geradezu unglaubliche Mannigfaltigke.it von Landschaftsbildern vorfiihrt. Auf dem Riickwege kann man die Besteigung des Schlofiberges damit verbinden. Der Schlofiberg ist ein vulkanisches Gebilde. Er besteht aus Trachyt. Es flihrt ein schoner Baum- gang zu den Triimmern der alten Veste, deren Tiirme und Bergfriede von den Sponheimern zur Zeit der Hohenstaufen angelegt wurden. Hainbuchen, Nufi- baurr.e, Akazien, Reben, Fichten, Thujen, Eichen, Zvvetschkenbaume, Jobannisbeerstraucher stehen da und dort neben dem Wege in Umfriedungen oder beschatten die Rastbanke. Bei der »Michaels-Ruhe« geniefit der Gast einen uberaus anmutigen Anblick der Berge, der Talsohle, 45 des Schienenvveges, der sich durch die waldige Enge zieht, des Marktfleckens des Bades und des lauten Flusses. Zu den mancherlei merkwurdigen Schaustucken, welche der Hum in wechselnder Beleuchtung bietet, gehdrt auch insbesonders das wundersame Herbstbild, vvenn sein Gipfel iiber eine Nebelbank emporragt, welche sich gegen seine Flanken lagert. Der ange- strahlte Gipfel erscheint alsdann auf einer Wolke schwimmend und vier- oder fiinfmal hoher, als ohne solche luftige Unterlage. Ein Gang auf den Berg um diese Zeit, welche leider nicht ausgiebig genug zum Besuche von Tiiffer beniitzt wird, bietet sehr merkwiirdige Einzelheiten. Man mufi denselben in fruher Morgenstunde, und zwar zu einer Zeit unternehmen, in vvelcher Flufi und Tal, wie es baufig vorkommt, noch vom Friih- nebel bedeckt sind. Wahrend man den Buchenwald ansteigt, hat man den ganzen Eindruck des Herbstes. Die Baume scheinen sich zu bewegen, je nachdem der Nebel vor ihnen sich lichtet oder verdichtet. Manchmal zeigen sich die Umrisse des Tales in Triibung, um rasch wieder zu verschwinden. Wie ein zarter grauer Schleier liegt es unter den Wolbungen der Buchen auf umgeackerten Feldern, auf dem von der Feuchtigkeit der Nacht triefenden Buchvveizen in Rodungen. Plotzlich erreichen wir den oberen Rand der Wolkenbank. Es ist mit einem Schlag glanzender Sommer um uns herum geworden. Wir sehen wieder 46 driiben auf hoher Bergkuppe St. Hermagoras mit seinen machtigen Linden, im Siiden die breite Kuppe der Kozje und vielfarbige Linien, welche das Becken von Cilli andeuten — in der Nahe aber die in den lichten Sonnenschein empordampfenden Waldboden, die Tautropfen an den roten Bliiten des Buchweizens sind zu Rubinen geworden, die Spinnweben an den Asten der Fdhren glanzen, amethystfarben schauen die feuchten Cyclamen aus dem Moos. Den alleran- genehmsten Eindruck aber macht um solche Stunde die Wendung des Weges beim Rundgang um den Hum, wenn man auf die Ost- und Stidostseite ge- langt. Dort, wo schon viel langer die Sonne auflag, erscheint ein anderes Land, eine Flut von Licht und Warme empfangt uns auf dem Gang durch den durch- nebelten Bergvvald hin. So bieten die Wege um den Hum herum fort- vvahrend Anregung und neue Schaustucke. Knittl hat recht, wenn er sagt, dafi es sehr schwer ist, die viel- seitig abgestufte Verschiedenheit dieser bunten Land- schaft tretfend zu schildern. »Es ist ein gar eigenes Gefiihl, welches den Bergsteiger auf dieser H oh e ergreift. Da ist ringsum Leben, Bevvegung, Kultur: da unten ist das Bad mit seiner feinen Gesellschaft, da der lebendige Markt, dort kommt ein Zug — und doch, so nahe man ali diesem Leben ist, so fiihlt man sich doch demselben entriickt, man fiihlt das frische Weben der freien Natur, man spiirt in stillem Sinnen Gottes Odem in das Herz einziehen und dasselbe weiten, bis es alles um- fassen mochte das Schone und Grobe der vveiten Welt.« 47 Von der oben ervvahnten kleinen Hochflache nordlich links unter dem Hum fiihrt zur Linken im Angesichte des Dostberges ein Weg nach dem hoch- gelegenen Wallfahrtsorte Maria Svetina (683 m). Man gelangt durch Hohlvvege, in deren Schiefer- gestein Quellen rieseln, manchmal durch Eichen- schatten, manchmal durch hohe Buchenstande, dann wieder an Rebenpflanzungen hin liber Griinde, auf denen klafterhohe Farrenkrauter gedeihen, zunachst zu einigen kleinen Ansiedlungen, deren Insassen hier ein enges Dasein fiihren, das in einem merkvviirdigen Gegensatze steht zu den weit ausgedehnten Gesichts- kreisen. Wahrend man da oben fortgeht, hat man zur Linken den Ausblick auf die Schneefelder der Sulz- bacher Alpen. Wieder ist es die Abvvechslung von Wald, Obstbaumen und Edelkastanien, welche auch hier eine Besonderheit der Landschaft darstellt. Der Dost ist leicht von hier zu besteigen. Seine Aussicht gehort wie die aller Kuppen des Cillier Berglandes zu den mannigfaltigsten, und die geringe Hohe steht zu ihr in gar keinem Verhaltnisse. »Im Westen schimmern an der Grenze des Gesichtsfeldes die vveifien Kalkmauern, steilen Grate und spitzen Gipfel der Sannthaler Alpen, alle an Schonheit und Herrlichkeit iiberragend die herrliche Oistrica — so scheint es dem Auge. Rechts von ihr steht die ge- vvaltige Raducha und weiter tort die massige Petzen im Karntnerlande, einer der Gipfelpunkte der Kara- vvanken. Wieder ostlich an der steirisch-karntnerischen Grenze erhebt sich der Ursulaberg und hinter dem- selben erscheint die Kuppe der Koralpe, und in weiter 48 Ferne der hochste Gipfel der Seethaler Alpen bet Judenburg und Obdacb, der Zirbitzkogel, an dessen Abhang aus einem kleinen See die Lavant entspringt. An den Ursulaberg schliefit sich der lange Granitzug des Bachergebirges, dem die schluchtenreichen Berge der Gora vorgelagert sind. Gegen Nordosten erschaut man ein vveites Tal und an seinem Rande das Stadtcben Pettau, freilich nur an Tagen mit reinster Atmosphare. Uns naher erscheint der Wotsch zvviscben Rohitsch- Sauerbrunn und Poltschach und der spitze Donatiberg nordostlich von Rohitsch. Im Stiden erblickt man ein vielgegliedertes Bergland, iiberragt im Siidvvesten vom Kumberg in Krain. Aus dem fernen Innerkrain aber schauen der Nanos und der Schneeberg heruber, die Spitzen des Birnbaumer VValdes und, der Piuka Planina.« (Knittl.) In der Gegend des Kumberges sieht man auch den Hohenzug von Trojana, dem alten Mons Adrans, der einst nahe den Grenzen von Noricum und Pannonien lag. Daneben bezeichnet heute die heilige Alp ober Trifail die Grenze zvvischen Krain und Steiermark. Unter den hochgelegenen Ansiedlungen, die man in siidlicher Richtung wahrnimmt, fallt besonders das ober dem Bahomo-Tale gelegene St. Peter auf. Von dem im Tale des Kraschnitzbaches gelegenen Gairach erblickt man nur den Turm. Ober die im hoch- schaftigen Buchenvvalde gelegene Ansiedlung Dobladin erreicht man das kleine Svetina. Ein machtiger Turm weist schon von vveitem auf die grobe, graue Kirche hin. Im Volksmunde hat sich folgende, auf den Bau dieser Kirche bezugliche Sage erhalten: 49 In dem Bachlein Kozica, welches unter Svetina aus dem Berge hervorfliefit und sich in Merzlidol in die Reka ergiefit, seien ehemals jeden Tag fruh morgens schvvarz getupfte Fischlein aus dem Innern des Berges in ein dort befindliches Bassin hervorge- schvvommen, wo sie sich einige Zeit aufhielten, dann aber vvieder in das Innere des Berges verschvvanden. Von diesen Fischlein hžitten nun die Maurer, als sie die Kirche in Svetina bauten, taglicb so viele gefangen, als sie ihrer zur Nahrung bedurften. Als aber die Maurer auch einmal an einem Marienfesttage arbeiteten und so das Fest entheiligten, seien vom selben Tage ab die Fische nicht mehr hervorgekommen und fiir immer aus dem Bachlein verschvvunden. Auch von Svetina aus sieht man den Donatiberg und blickt uberhaupt weit hinaus in der Richtung gegen das kroatische Hiigelland hin — eine wellige, im Sonnenduft verblauende Landschaft. Sehr interessant ist der Abstieg durch den Graben (der Dost bleibt links) nach Cilli hinunter. Man geht zu diesem Zwecke bei der letzten Kapelle vor Svetina ab. Die Landschaft hat Ahnlichkeit mit den Plateaus der Vogesen, nur ist hier der Hintergrund des Hoch- gebirges, der beschneite Kamm der Sulzbacher Aipen, viel naher, als dort der Hintergrund der Schvveizer Berge. Solchen Weg zu schildern, mufite manches von dem vviederholt vverden, was oben von Einzel- ziigen angefiihrt vvorden ist: da ist vvieder der Wald und der abgestockte Grund, die Rosen in der Wildnis, die Schirmdacher der Kastanien, der Wald, der 3 50 Brunnen in der Felsenspalte, manches Heiligenbildnis mit einem Nelkengartchen davor, der Nufibaum- und der Bohnengarten, das Farnendickicht. So geht es auf diesem rot und weifi bezeichneten Wege bis zum Durchlaft unter der Eisenbahn und dann zur Sann- briicke, jenseits deren der »Grenadierwirt« aufierhalb Cilli dem Wanderer Erfrischung und Obdach bietet. Ein anziehender Weg, der jedoch stellenweise etwas miihsam zu begehen ist, fiihrt auch auf dem linken Ufer der Sann nach Cilli. Man erreicht von den Umgebungen dieser Stadt zuerst die Louisenrast mit Quelle, dann die Militar-Schvvimmschule und den Sannsteig. Die StraBe nach Romerbad bietet sehr hubsche Landschaftsbilder. Die ganze Wald- und Fruchtbaum- Oppigkeit dieses Tales wird hier dem Wanderer vor die Augen geriickt. Manchmal hat er den einsamen Flufi vor sich, wie er an den allenthalben beschatteten Hangen vorilberrauscht, dann wieder bescheidene Hauslein mit Rebenspalieren und Liliengartchen, eine bescheidene Strafienscbanke von hoher Linde be- schattet, bachdurchrauschte Baumanger, immer und immer aber vvieder das allgegenvvartige Griin dieser milden Gegend. Als weitere Ausfliige waren noch zu ervvahnen: Ruine Gonobitz, das obere Sanntal, Eisenhammer und Walzwerk Store, die Bader Neuhaus und Rohitsch, sovvie Markt Lichtenwald und der von Steinbriick zu unternehmende Aufstieg auf den Kumberg. Es diirfte wohl kaum einen Kurort in Steiermark 51 geben, vvelcher fiir den Touristen so viele und lohnende Ausfliige bietet, wie Tiiffer. Es seien hier ervvahnt: Cilli, eine hiibsche, reinliche, deutsche Stadt, welche einen schonen Stadtpark und den mit der groBten in Steiermark existierenden Burgruine ge- kronten Schlofiberg hat. In neuester Zeit wurde hier ein Lokal-Museum gegrtindet, welches durch die Tatigkeit des k. k. Berg- rates Riedl ganz interessante Antiken und Kunstwerke aufweist, sowohl aus Romerzeiten, als aus den letzten Jahrhunderten. Unermudlich im Sammeln, verstand es Herr Riedl, die Bewohner Cillis fiir die Idee eines Museums zu interessieren und viele im Privatbesitze befindliche Gegenstande als Geschenke diesem Institute einzuverleiben. Der Besuch dieses Museums ist sehr anzuempfehlen und hochst interessant. Cilli besitzt ein sehr hiibscbes, neugebautes Theater und mdhrere mit allem Komfort eingerichtete Hotels, in deren Restaurationen sich der Fremde durch das gemiitliche Entgegenkommen der Bevvohner der Stadt bald heimisch fuhlen wird. Unweit dieser freundlichen Stadt liegt das Berg- und Hiittenvverk Store. Ein interessanter Ausflug ist der iiber St. Leon- hard nach Gairach. Der Stifter dieser Karthause ist der Gurker Bischof Heinrich I. (1168—1174). Sie heifit slovenisch Jurjbv" kloštar, lateinisch Giurium, woher der Name Gairach abzuleiten ist. Eine kleine Strecke vveiter gegen Montpreis findet 52 man einen Wasserfall, vvelcher immerhin verdient, besucht zu werden, da er von wenigen iibertroffen wird. Diese Partie kann man auch zu Wagen liber Romerbad durch das Graschnitza-Tal machen, in welchem man mehr als 40 Briicken passieren mufi, weil die Fahrstrafie bald links, bald rechts neben dem Grascbnitzbache sich hinzieht. Uber Tremersfeld an der Strafie nach Cilli, beim Jungfernsprung — einem in die Sann hineinragenden bewaldeten Felsen — links ab nach Liboje. Hier be- flndet sich die Steingut- und Majolika-Fabrik des Herrn R. L. Schiitz, aus der die schonsten im Kaiser- staate erzeugten Majoliken hervorgehen. Diese Fabrik zu besuchen, soli kein Kurgast unterlassen. Zu VVagen iiber Cilli und Pletrovvitsch wird diese Partie sehr haufig unternommen, und unzahlige bunte Gefafie, Kriige, Schalen u. dergl. werden durch die Kurgaste in alle Weltgegenden gebracht. Uber Cilli, Sachsenfeld, St. Peter zu einer Tropfsteinhohle, die leider noch zu vvenig bekannt, darum auch selten besucht ist. Diese Hohle besteht aus vielen einzelnen, reich an den verschiedensten Steingebilden, zusammenhangenden Grotten, welche mitunter iiberraschende Formationen bilden. Durch die ganze Hohle, deren Ende und Seiten- gange noch nicht aufgesucht wurden, fliefit ein Bergwasser, welches hie und da hiibsche Falle iiber die dessen Lauf hemmenden Felsblocke darbietet. Hier werden gar merkwiirdige Versteinerungen gefunden, unter denen die Skelette von Fischen und anderen Tieren haufig vorkommen. 53 Man braucht 1 */ 2 bis 2 Stunden, um das bis nun Erschlossene zu sehen, Weitere Ausfliige sind : Uber Cilli, Sachsenfeld zum Vorvveger, vorziig- liche Gastwirtschaft am Eingange des romantischen Pireschitz-Tales. Uber Cilli nach Bad Neuhaus. Uber Cilli, Hochenegg nach Weitenstein. Uber Cilli, St. Marein, Heil. Kreuz nach Rohitsch- Sauerbrunn. Letzteres eine Partie von 2 Tagen. Nach Siiden hin finden sich gleichfalls interes- sante Ausfliige per Wagen oder Eisenbahn, und zwar: Von Tiiffer nach Steinbriick, zu Wagen l'/ 2 Stunden. Vorziigliche Bahnhof-Restauration. Ganz nahe bei Steinbriick, welches den Namen wohl von der massiven, der Sage nach noch aus Romerzeiten herstammenden steinernen Briicke ableitet, liegt an der Save der freundliche Ort Ratschach und das SchloG Weixelstein mit schonem Parke. Jenseits der Save das SchloG Laak mit ebenfalls grobem Parke und einer uralten Pfarrkirche. Sehr interessant ist das eine Stunde abwarts hochgelegene SchloG Lichtenvvald mit schonem Garten und groGem, merkvviirdigen Weinkeller. Dieser, im byzantinischen Stile, teilweise noch mit Wandgemalden versehene Keller war ehemals eine Kirche. Hier sei noch ervvahnt »Das Echo« auf dem Wege nach Steinbriick, vvelches einen Ruf vielfach zuriickgibt. Gerade gegeniiber der Einmiindung des Graschnitza-Baches in die Sann bildet der nahezu 3000' hohe Befg Kopitnik einen Vorsprung, um vvelchen 54 sich die Strafie zieht. Hier ist die Stelle, wo jeder hiniibergerufene Laut vielfach und deutlich vviederklingt. Ein hochst interessanter Ausflug ist jener zu den Gewerkschaften von Hrastnigg, Trifail und Sagor, wo man hoch iiber der Talsohle eine durch Draht- seile hergestellte Lufteisenbahn sehen kann, auf welcher die mit Kohle beladenen Wagen von einem Berge zum andern befordert vverden. Zu allen vorgenannten Ausfltigen stehen- im Kaiser Franz Joseph-Bade Tuffer zu billigen Preisen elegante Equipagen und fiir groGere Gesellschaften Omnibusse zur Verfugung. In der Umgebung von Tuffer findet der Tourist iiberall gute Fufiwege, vvelche ihn von einem Berge zum andern ohne Beschwerden gelangen lassen. Die Sektion des Osterreichischen Touristenklubs wird dazu beitragen, die vielen Aussichtspunkte durch Anbringung von Wegtafeln und Ruheplatzchen noch leichter zuganglicE-ZtT'macheri. Ar p ■ r ? 11 ' Ir/