krllck uns kuüolt Osutkcksz kslsbuck kür Slterrslckllckr 8üktz»r!ckslM A. p,c»lLkrs vn-^ s° sonr>'. , - - Deutsches Lcfllinch für österreichische Mrgerschulen. Herausgegeben von Franz Frisch, Direktor der Landes-Lehrerinnenbildungsanstalt und k. k. Bezirksschulinspektor in Marburg. Franz Dndolf, Bürgerschuldirektor in Reichenberg. In einem Bande. Mit 45 Abbildungen. 2. Auflage. Unveränderter Abdruck der mit Erlaß des hohen k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht vom 25. August 1904, Z. 29.892, zum Uutcrrichtsgebrauche an Bürgerschulen zulässig erklärten 1. Auflage. Preis gebunden 2 X 5>) I>. Wien, 1905. Verlag von A. Pichlers Witwe 9. Boten des Herbstes. Von M. Greif. 17 20. Abendlied. Von Otto Julius Bierbaum. 17 21. Gegengruß. Von L. A. Frankl 18 22. Der regelmäßige Müßiggänger. Von Chr. F. Gellert .... . 18 23. Die Kunst, jeden Tag glücklich zu sein. Von B. Auerbach . . 19 24. Schäfers Sonntagslied. Von Lud¬ wig Uhland. 20 25. Hoffnung. Von Fr. Schiller . . 2t 26. Sprüche. Von G. A. Bürger, F. M. Bodenstedt u. s. w. 21 Seite 27. Die sieben Wahrzeichen eines guten Dorfes. Nach B. Auerbach . . 22 28. Vou der Ordnung. Von I. G. Seume. 23 29. Achtzehn Wirtschaftsregeln. Von D. U. Rolfs ,. 25 30. Guter Ton und feine Sitte. Von Franz Rudolf. 26 31. Höflichkeit ziert jeden Stand. Von I. Dorn. 27 32. Der beste Empfehlungsbrief. Von A. Kleinschmidt. 27 33. Mein Vaterland. Von I. G. Seidl. 28 34. Kaiser Franz Josef I. Nach L. Smolle. 28 35 Eintracht. Von Chr. F. Gellert 30 36. Aus Gellerts Leben. Von W. O. von Horn .. 31 37. Als ich um Hasenöl geschickt wurde. Von Peter Rosegger . . 33 38. Der Wolf und der Kranich. Äso¬ pische Fabel. 41 39. Die Elster und ihre Kinder. Von W. Grimm. 41 40. Der Specht und die Taube. Von W. Grimm. 42 41. Der Knabe und die Schlange. , Von G. E. Lessing. 42 42. Der Wolf auf deni Totenbette. Von G. E. Lessing. 43 43. Der Geizige. Von G. E. Lessing . 43 44. Der Besitzer des Bogens. Von G. E. Lessing. 43 45. Die beiden Äxte. Von A. Meißner 44 46. Herkules am Scheidewege. Von F. Beck. 44 47. Ein Vater an seinen Sohn. Von Peter Rosegger. 45 48. Themistokles als Jüngling. Von F. Baßler. 49 49. Zum Ziele. Von Julius Sturm 50 IV Zeile 50. Das Niesenspielzeug. Von A. von Chamisso. 50 51. Rätsel. Von Fr. Schiller ... 52 52. Rübezahl. Von A. L. Grimm und H- Kletke . 52 53. Aus dem schlesischen Gebirge. Von F. Freiligrath. 55 54. Der Fiedelbogen des Neck. Von Rudolf Baumbach. 57 55. Das wohlfeile Mittagessen. Von I. P. Hebel . 02 56. Des Knaben Berglied. Von Lud¬ wig Uhland. 63 57. Mutterherz. Von Albert Traeger 63 58. Wiege und Sarg. Von Würkcrt 64 59. Selige Ruh'. Von F. Grillparzer 65 60. Der geheilte Patient. Von I. P. Hebel. 65 61. Die Boten des Todes. Von Jak. und Wilh. Grimm .... 67 62. Achtet eurer Gesundheit! Von D. U. Rolfs. 68 63. Pfleget die Zähne! Von Franz Schütz. 70 64. Die Krone des Alters. Von I. G. Herder. 70 65. Tod und Schlaf. Von F. A. Krummacher. 71 66. Aus Wolfgang Goethes Jugend¬ jahren. Von I. W. Goethe . . 72 67. Erlkönig. Von I. W Goethe. 73 68. Aus Schillers Jugendjahren. Nach G. Schwab. 74 69. Der Graf von Habsburg. Vou Friedr. Schiller. 76 70. Der Segen guter Hauswirtschaft. Von Adolf Mang. 79 71. Der Rheinstrom Von G. B. Mendelssohn. 80 72. Die Kinder der Armut. Von Friedr. Rückert. 81 73. Der Winter. Von Ehr. Hirschfeld 82 74. Sprüche. Von Fr. Bodenstedt . 84 75. Das brave Mütterchen. Von Müllenhoff.84 76. Waldlilie im Schnee. Von Peter Rosegger. 85 77. Freud' und Leid. Von Hoffmann von Fallersleben. 88 78. Das Waldhaus. Von Peter Ro¬ segger . . 88 79. Weihnachten. Von Jos. Freiherrn von Eichendorfs. 96 80. Die sixtinische Madonna von Rafael Santi. Von I. Siegl . 96 81. Die Neujahrsnacht eines Un¬ glücklichen. Von I. P. Richter 98 82. Der Reiter und der Bodensee. Von G. Schwab ..100 Seite 83. Klein Roland. Von Ludwig Uhland.- . . 102 84. Rolands Horn. Von Ferdinand Avenarius ......... 106 85. Altes Gold. Von I. P. Hebel 107 86. Sprichwörter.108 87. Gegen den Dämon Alkohol. . 108 88. Das Eisen. Von A. W. Grube 109 89. Geschichte eines Wassertropfens. Von A. W. Grube.110 90. Rätsel. Von Friedr. Schiller . . 114 91. Aus Mozarts Jugendleben. Aus Obentrauts „Jugendbibliothek" . 115 92. Das Lied vom braven Mann. Von G. A. Bürger.117 93. Vom Sparen. Von Franz Rudolf. 120 94. Friedrich Rotbart. Von Emanuel Geibel . 121 95. Johanna Sebus. Von Joh. W. Goethe. 122 96. Meine Uhr. Von I. G. Seidl 123 97. Aufmunterung zur Freude. Von L. Hölty.123 98. Frisch gesungen. Von A. von Chamisso.124 99. Der Mensch und die Vögel. Von A. E. Brehm ........ 125 100. Eine Bitte. Von Peter . . . 125 101. Ihr lieben Vöglein, singt nur fort! Von Oskar von Redwitz 126 102. Frühlingseinzug. Von Wilhelm Müller .126 103. Im Frühlinge. Von I. Sturm 127 ! 104. Der Lenz. Von Nikolaus Lenau 128 ! 105. Morgenwanderung. Von Em. Geibel . . ..129 >06. Wanderschaft. Von Em. Geibel 129 107. Der Frühling. Von Friedrich von Bodenstedt.130 108. Der Wald im Frühling. Nach Theodor Colshorn.131 109. In der Heimat. Von Julius Sturm.132 110. Denkfprüche. Von G. E. Lessing 132 111. Was der Schwalbe auf der Reise geschehen ist. Von Peter Rosegger 132 112. Der Fuchs und das Reh. Von I. Masius.139 113. Tierleben in den südamerikanischen Steppen. Von A. von Humboldt 140 114. Schützet die Tiere! Von D. U. Rolfs.141 115. Das taube Mütterlein. Von Friedr. Halm . '.142 116. Unser Herz Von Peter Rosegger 142 117. Drahtklänge. Von Ferd. v. Saar 142 118 Die Rache. Von L. Uhland . . 143 119. Aus Richard Wagners Jugend¬ jahren. Von Franz Schütz. . . 143 v Seite 120. Voll einer Stadt und einem Riesen. Von Campe.145 121. Verwand lungen. Von Ed. Bauern - seid.146 122. Menschenliebe und Wohltätigkeit. Nach Emil Fromme!.146 123. Der kleine Friedensbote. Von Ad. Stöber.147 124. Freundschaft. Von Friedr. von Bodenstedt.- . . 149 125. Drei Freunde. Von Joh. G. Herder.150 126. Freundschaft. Von CH. F: Gellert 150 127. Die Treue. Nach Emil Fromme! 151 128. Die Bürgschaft. Von Friedr. Schiller .152 129. Gleich und gleich gesellt sich gern. Von Fr. Grillparzer.155 130. Die Kraniche des Jbykus. Von Friedr. Schiller.156 131. Die Obstbäume. Nach Masius . 161 132. Zwei Heimgekehrte. Von Ana¬ stasius Grün.. . . 162 133 Der Böhmerwald. Nach F. Kraut- niann und E. Hartmann . . . 162 134. Die Gäste der Buche. Von Ru¬ dolf Baumbach.163 135. Norwegens Natur. Von Theodor Mügge.163 136. Der Wald im Sommer. Nach Theodor Colshorn.166 137. Das Gewitter. Von G. Schwab 167 138. Rätsel. Von Friedr. Schiller. . 168 139. Die Bedeutung der Ströme. Nach Masius.168 140. Die sterbende Eiche. Von Rudolf Baumbach.170 Seite 141. Einer oder der andere. Von I P. Hebel.171 142 Das Erkennen. Von I. N. Vogl 172 143. Das Glöcklein des Glücks. Von I. G. Seidl.173 144. Kaiser Maxens Zweikampf. Von Karoline Pichler.175 145. Das Glück non Edenhall. Von L. Uhland.176 146. Andreas Hofers Tod. Von Peter Rosegger.178 147. Der Räuber. Von Robert E. Prutz 182 148 Das Loch im Ärmel. Von Zschokke 183 149. Ermutigung. Von Friedr. Halm 185 150. Ein Warenlager. Von G. Freytag 186 151. Wenn die Rosen blühn. Von Heinrich Seidel.187 152. Beim Wassermüller. Von Heinrich Seidel.188 153. DergestirnteHimmel. Nach F. Beck 189 154. Gebet. Von Emanuel Geibel. . 190 155. Not entwickelt Kraft. Nach F. Beck 190 156. Über ein Stündlein. Von Paul Hepse.192 157. Parzivals früheste Jugend. Von K. Dorenwell.193 158. Abschiedsworte eines Vaters an seinen Sohn. Von Julius Sturm 194 159. Die Mutter an ihre Tochter. Von Friedr Halm.195 160. Der Schwanritter. Von Jakob und Wilhelm Grimm.195 161. Nach altdeutscher Weise. Von E. non Feuchtersleben.197 162. Deutsches Gebet. Von Peter Rosegger.198 163. Das Kaiserlied. Von I. G. Seidl 198 Zweiter Teil. (Für die dritte Klasse.) 1. Das Nibelungenlied. Nach Vilmar 200 2. Die treue Gudrun. Nach K. H.Keck 210 Walter von der Vogel weide. 3. Lebensbild. Von F. Rudolf . . 215 4. Erziehung. 217 5. Leopolds Rückkehr vom Kreuzzuge 218 6. Reichtum und Armut .... 218 Meistergesang. 7. Die Meistersinger. VonAug. Hagen 218 8. Das Schlaraffenland. Nach Hans Sachs . . ..226 Volkslied. 9. Der Schweizer Soldat. (Ein Volkslied) .227 Friedrich von Logau. 10. Sinngedichte.228 Christian Fürchtegott Gellert. 11. Lebensbild. Von D. U. Rolfs . . 229 12. Die beiden Wächter.231 13. Damokles.231 Friedrich Gottlieb Klop stock. 14. Morgenlied.232 Gott hold Ephraim Lessing. 15. Zeus und das Pferd.233 16. Der Rangstreit der Tiere . . . 233 VI 17. Der Fuchs und der Tiger. . . 18. Aussprüche Lessiugs. 19. Minna von Barnhelm . . . . 20. Lessing über sich selbst .... 21. Sinngedichte. Johann Gottfried Herder. 22. Lebensbild. Nach Schäfer und Dr. Niemeyer. 23. Tag und Nacht. 24. Das Kind der Barncherzigkeit . 25. Der Tribut. Johann Wolfgang Goethe. 26. Lebensbild. 27. Aus „Reineke Fuchs" . . . . 28. Der getreue Eckart. 29. Hermann und Dorothea . . . 30. Der Sänger. 31. Das heilige Abendmahl von Leonardo da Vinci. 32. Der Fischer. 33. Mailied. 34. Der Zauberlehrling . 35. Wanderers Nachtlied. 36. Ein Gleiches. 37. Frühlings Auferstehung.... 38. Goldene Worte. 39 Goethe, ein Freund körperlicher Übungen. Von Rudolf Herrmann Friedrich Schiller. 40. Lebensbild. Von Hugo Weber . . 41. Der Ring des Polykrates . . . 42. Der Taucher. 43. Der Kampf mit dem Drachen . 44. Die Worte des Glaubens . . . 45. Wallenstein. 46. Reiterlied. (Aus „Wallensteins Lager"). 47. Das Mädchen aus der Fremde. 48. Deutsche Treue. 49. Das Lied von der Glocke . . . 50. Wilhelm von Humboldt über „Das Lied von der Glocke" . . 51. Wilhelm Tell . 52. Aus „Wilhelm Tell" . 53. Zwei Briefe. W. von Humboldt an Friedr. von Schiller.... 54. Goldene Worte. Johann Gottfried Seume. 55. Von der Güte. 56. Der Wilde . . -. Theodor Körner. 57. Lebensbild. Von D. U. Rolfs 58. Letzter Trost. 59. Gebet während der Schlacht . . Seite 60. Monolog des Zriny .309 61. Auf dem Schlachtfelde von Aspern ...310 Max von Schenkendorf. 62. Muttersprache . .310 Ernst Moritz Arndt. 63. Das Vaterland .311 64. Wer ist ein Mann? .311 65. Die Leipziger Schlacht . . . . 3i2 Friedrich Rückert. 66. Geharnischte Sonette .313 Ludwig Nh land. 67. Frühlingsglaube .314 68. Frühlingsfeier .315 69. Lob des Frühlings .315 70. Des Sängers Fluch .315 71. Roland Schildträger .317 72. Nhlands Lieder und erzählende Gedichte. Von Heinrich von Treitschke .319 Justinus Kerner. 73. Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe 321 74. Der reichste Fürst .321 Heinrich Heine. 75. Eine Brockenreise .322 76. Liedesgruß .323 77. An meine Mutter .324 August Platen. 78. Das Grab im Busento .... 324 Adalbert von Chamisso. 79. Die Kreuzschau .325 Emanuel Geibel. 80. Hoffnung. 326 Franz Grillparzer. 81. Lebensbild. Von D. U. Rolfs . . 327 82. Aus „König Ottokars Glück und Ende".329 83. Ein altes Lied.337 Nikolaus Lenau. 84. Der Postillon.337 85. Die Heideschenke.338 86. An mein Vaterland.340 Anastasius Grün. 87. Lebensbild. Von D. U. Rolfs . . 341 88. Aus dem Romanzenkranz „Der letzte Ritter".343 Seite 234 235 236 239 240 241 242 242 243 243 245 246 248 253 253 255 256 256 258 258 259 259 260 262 264 265 270 274 275 277 278 278 279 285 286 295 297 299 300 301 304 306 307 VII Seite 89. Der letzte Dichter.345 SO. Am Strande.346 91. Sprüche.347 Friedrich Halm. 92. Ratschläge.347 Joh. N. Vogl. 9 3. Gruß an mein Vaterland . . . 348 Joh. Gabriel Seidl. 94. Ins Freie.348 95. Männerwaffen .349 96. Der tote Soldat .349 Adalbert Stifter. 97. Der Plöckensteincr See .... 350 Robert Hamerling. 98. Lebensbild. Von Hugo Möbius 352 99. Der Springer.354 100. Die Sterne.355 Viktor Scheffel. 101. Ausfahrt.355 Elise Polko. 102. Unter Palmen .355 Felix Dahn. 103. Gotentreue.359 Seile Adolf Pichler. 104. Der Sturm .360 Karl Gerok. 105. Der Ring des Polykratcs . . . 360 PeterRosegger. 106. Ein Vater an seinen Sohn . . 360 Paul Heyse. 107. Heimweh.362 Gustav Falke. 108. Gebet.363 Eduard Mörike. 109. Er ist's.363 Detlev von Liliencron. 110. Legende.363 Otto Ernst. 111. Nis Randers .364 Marie von Ebner-Eschenbach, Th. Storm, Carmen Sylva, Daniel Sanders, Frida Schanz. 112. Goldene Worte.365 Erster Teil. (Für die erste und zweite Klasse.) 1. Das matte Gott! „Das walte Gott!" Mehr braucht es nicht. Wer dies Gebet von Herzen spricht, Darf an sein Werk mit Freuden gehn Und treuer Hilfe sich versehn. Und wär' die Last auch noch so schwer Und drohten Feinde ringsumher, Gs macht den Trotz der Welt zu Spott Der fromme Spruch: „Das walte Gott!" Julius Sturm. 2. Von der Ausbildung der Rede und Sprache. Um im Umgänge mit unseren Mitmenschen zu einem guten Gebrauche unserer Sprache zu gelangen, muß man folgende Regeln beachten: Man falle niemandem in die Rede. Ein Mensch, der den andern in der Rede unterbricht, ist seines Verstandes nicht mächtig; niemand wird ihm viel zutrauen. Man hüte sich vor gewohnten Eigenheiten und Lieblingsaus¬ drücken, durch die man entweder lächerlich oder eintönig wird, weil man sie gewöhnlich zur Unzeit wiederholt. Fast niemand kann ihnen ganz entgehen; besonders findet man sie bei Leuten, die viel reden müssen und oft ohne Vorbereitung sprechen. Bestelle dir Wächter, die dir solche sagen müssen, oder sei dir selbst Wächter! Man hüte sich, im Umgänge und in seinen Gesprächen aufdringlich zu sein. Personen dieser Art sind die unerträg¬ lichsten Geschöpfe; sie brechen die muntere, liebliche Unterhaltung ab, halten sie auf, lenken sie seitwärts und suchen immer und überall ihre Meinung zur Geltung zu bringen. Sie kommen nicht zur Wahrheit und wollen andere nicht dazu gelangen lassen. Jeder junge Mensch prüfe sich des Abends, ob er im Verlaufe des Tages eine Ungezogenheit begangen, eine ungebührliche Rede geäußert, ein Gespräch verdorben, ob er eine Antwort Frisch und Rudolf, Lesebuch für Bürgerschulen. 1 2 gegeben oder sonst ein Betragen gezeigt habe, womit andere nnd er selbst nicht zufrieden sein können. Nicht dazu ist uns die Rede gegeben, daß wir unfreundlich seien. Bei allem kommt es darauf an, daß unsere Rede ganz sei und ein Ganzes bestimmt sage. Denn das, was man sagen will, rein, ganz, bestimmt und doch artig und höflich zu sagen und in der Rede auch ein Ende zu finden, ist der schöne Ausdruck der Gesellschaft und des Um¬ ganges. Er ist wie ein schöner Edelstein, ein Kind der Natur, aber durch Kunst gefaßt, voll Sinnes, voll Anmut, voll inneren Wertes, klein und kostbar. Nach Joh. G. Herder. 3. Die deutsche Sprache. Die deutsche Sprache ist vorzugsweise die Sprache des Gedankens und des Gefühls. Sie vermag wie keine andere die Geheimnisse des Geistes wie des Herzens auszuklingen, sie hat Worte für das Tiefste und für das Zarteste. Deutsch geschrieben sind die tiefsinnigsten Werke der Forschung, die Offenbarungen des Geistes, deutsch die tiefsinnigsten Lieder, die Offen¬ barungen des Herzens. Unübersetzbar find Werke wie die eines Hegel, unübersetzbar das Nibelungenlied nnd die Minnesänger. Um nur eine Seite — die des Gefühlsausdruckes — heroorzuheben, welche Sprache ist reicher an Ausdrücken für Liebe und Schönheit? Worte wie Minne, Innigkeit, Gemüt, Liebreiz, Holdseligkeit, — lieblich, traut, traulich, minniglich, herzig, sinnig, wonnig, welche Sprache hat sie in solcher Fülle wie die deutsche? Wem gebührt aber der Dank für diese Vorzüge der deutschen Sprache? Nicht der Sprache an sich, sondern dem Volke, das sie spricht und nach seinem Bedarfe bildet. In der Sprache zeigt sich der Geist des Volkes und der Zeit. Der regierende Zeitgeist münzt den Sprachschatz wie ein König das Gold und drückt sein Bild als Gepräge darauf. Robert Hamerling. 4. Wie die Sprache altes Leben fortführt. Die Sprache führt häufig ein Stück altes Leben noch fort, das im Leben selbst vergangen ist. So laden wir heutzutage das Gewehr. Ge¬ laden wird eine Last; eine solche ist ja aber die Kugel im Gewehre nicht. Es lebt jedoch darin ein Stück aus dem ältesten Geschützwesen; unsere Hand¬ feuergewehre, Flinte und Pistole, sind nämlich nicht der Anfang einer Entwicklung. Die ältesten Feuerwaffen waren Geschütze von gewaltiger Größe, die man dann immer mehr ins Kleinere und Bequemere zog. Die ältesten Geschütze oder Büchsen aber traten an die Stelle der vorherigen Wurfgeschütze, die man aus dem Altertume überkommen hatte, wo sie zur 3 Belagerung gebraucht wurden. Bei denen aber war „laden" der rechte Ausdruck; denn sie schleuderten aufgelegte Lasten, große Steine und Balken; daher also das heutige Laden des Gewehres. Längst Vergangenes hält auch die Redensart Lunte riechen fest. „Er hat Lunte gerochen," sagte man z. B. von einem, der in einem Kreise, in dem er sich bewegt hat, auf einmal wegbleibt, weil er gemerkt hat, daß man ihm da nicht wohl will oder selbst Feindseliges im Schilde führt. Das ist die Lunte, die vor der Anwendung des Feuersteines, der seinerseits vom Zündhütchen abgelöst wurde, zum Anzünden des Pulvers auf der Pfanne diente, bei den Geschützen wie bei den Gewehren. Der glimmend gehaltene Hanfstrick mußte weithin riechbar sein mit größter Deutlichkeit; wer also dem Kampfe auszuweichen Grund hatte, mußte an dem Gerüche der Lunte den anrückenden Feind auch im Walde weit genug merken. Aus ziemlicher Nähe zeigt deu Vorgang, daß eine fest gewordene Redensart im Leben ihren Anhalt verliert, aber unbekümmert darum fortlebt, die Redensart „eben vor Torschluß". Sie ist unentbehrlich, um ein Geschehen oder Tun zu bezeichnen, das gerade noch genau vor der gegebenen Möglichkeit glücklich zu stände kommt, hat aber ihren sachlichen Ernst nur noch in Festungen hinter sich; denn das Stadttor ist gemeint, das es ja nun nicht mehr gibt. Wir Alten wissen noch, wie das Ding beschaffen war und was für eine Bedeutung es auch im Frieden hatte mit seinem Öffnen früh und Schließen abends. Da kam es vor, daß einer Gesellschaft, die sich verspätet hatte, das Tor „vor der Nase" verschlossen wurde, obschon ein sogenannter Torgroschen das strenge Gesetz milderte und ein Pförtchen in oder neben dem wuchtigen Tore öffnete zum Durchschlüpfen. Eine Stadt mit völlig offenen Gassen ohne jede Möglichkeit eines Verschlusses, während jeder Garten abends verschlossen wird, das ist etwas, was noch vor hundert Jahren keinem Menschen denkbar war. Noch bei Schiller verstehen sich Stadttor und Torschluß von selber in der „Glocke" und die Stelle braucht nun schon eine Art gelehrter Erklärung, welche die jüngeren Lehrer auch schon nicht mehr aus eigener Anschauung nehmen können. Da der Abend eintritt: „Um des Lichts gesell'ge Flamme Sammeln sich die Hausbewohner Und das Stadttor schließt sich knarrend." In dieser Stelle ist bei dem Licht nicht etwa eine Lampe auf dem Tische zu denken, die es damals noch durchaus nicht gab, auch nicht an Fürstenhöfen; es ist nur ein Licht im Leuchter gemeint. Auch das haben wir Alten noch miterlebt. Rudolf Hildebrand. 4 5. Wert der Zeit. Geschäftsleute Pflegen zu sagen, daß Zeit Geld sei. Eine Stunde, die täglich unnütz verbracht wird, würde, wenn man sie zu Bildungszwecken benützte, in. wenigen Jahren einem unwissenden Menschen reiche Kenntnisse bringen. Schon der Einfluß einer Viertelstunde, die man täglich für seine Bildung verwendet, macht sich am Ende eines Jahres fühlbar. Eine wirt¬ schaftliche Benützung der Zeit ist die richtige Art, sich Muße zu verschaffen; sie setzt uns in den Stand, eine Sache vorwärts zu bringen, so daß wir nicht von der Sache getrieben werden. Anderseits bringt uns eine falsche Berechnung der Zeit in eine beständige Verwirrung, wir geraten in Ver¬ legenheiten, denen gewöhnlich das Unglück auf dem Fuße folgt. Nelson sagte einmal: „Ich verdanke alle meine Erfolge im Leben dem Um¬ stande, daß ich immer eine Viertelstunde vor der festgesetzten Zeit bereit war." Es gibt Leute, die den Wert des Geldes erst schätzen, wenn sie damit zu Ende sind, und viele machen es ebenso mit der Zeit. Gar manche Menschen lassen die Stunden unbenützt vorüberfliegen und erst, wenn das Leben schon bald vergangen ist, erinnern sie sich, daß sie die Zeit hätten weiser benützen sollen. Aber Lässigkeit und Müßiggang sind dann wohl schon zur festen Gewohnheit geworden und man ist außer stände, die Bande zu zerreißen, mit denen man sich gefesselt hat. Verlorener Wohlstand kann durch Fleiß, verlorene Gesundheit durch Mäßigkeit und Pflege, Kenntnisse können durch Studium, aber verlorene Zeit kann durch nichts errungen werden, sie ist für immer verloren. Durch die richtige Würdigung der Zell lernt man strenge Pünktlichkeit. Durch nichts wird das Vertrauen rascher erweckt als durch diese Tugend. Ein Mann, der seine Zeit pünktlich einhält und niemanden warten läßt, zeigt, daß er Achtung für des anderen Zeit wie für seine eigene hat. Als sich Washingtons Geheimschreiber einst bei seinem Herrn wegen des Zuspät¬ kommens mit der Ungenauigkeit seiner Uhr entschuldigte, sagte ihm jener ganz ruhig: „Dann müssen Sie sich eine andere Uhr kaufen, oder ich werde mir einen anderen Sekretär anschaffen." Wer die Zeit nachlässig verwendet, stört die Gemütsruhe anderer. Der Unpünktliche kommt beständig zu spät, er ist nur treu in seiner Unregelmäßigkeit. Er wird schließlich von der Welt beiseite gedrängt und vermehrt die Zahl jener seltsamen Gestalten, die, in steter Unzufriedenheit mit sich selbst lebend, das Schicksal anklagen und lästern. Nach Smiles. 6. Die Kaiserfurche. Es war im August des Jahres 1769, als Kaiser Josef im offenen Wagen durch das Land Mähren auf der Straße von Brünn nach Wischau 5 fuhr. Seine Wange war gerötet und sein blaues Auge erglänzte hell beim Aufschauen nach dem Himmel wie beim Ausschauen nach den fernen blauen Bergen und wieder ruhte sein Blick freudig auf den Feldern am Wege. Ein großer Teil der Ernte war eingebracht und schon begann man da und dort den Boden aufs neue umzupflügen. Lange saß der Kaiser still in sich versunken, sah nichts und hörte nichts von der Welt um ihn her. Plötzlich befahl er, daß man anhalte. Die schnaubenden Rosse standen still und hinter dem Wagen des Kaisers hielten die Gespanne seines ganzen Gefolges. Der Kaiser stieg aus. Ein alter Bauer pflügte mit zwei Pferden ein Ackerfeld am Wege. Er hielt eine Weile in der Arbeit inne und starrte verwundert drein, als er so viele Wagen mit geputzten Herren hier auf der Straße halten sah. Der Kaiser rief ihm zu, er möge seine Furche nur zu Ende ziehen bis an den Weg. Auf einen Ruck am Leitseile schritten die Ackerpferde vorwärts und bald stand der Bauer mit Pferden nnd Geschirr beim Kaiser. Noch kannte er ihn nicht und der Kaiser winkte seiner Begleitung, daß man ihn nicht verrate. „Wollt Ihr mir erlauben," fragte der Kaiser, „daß ich Euch den Pflug abnehme und eine Furche ziehe?" „Warum nicht," sagte der Bauer, „aber ich glaub' nicht, daß Er's kann; das sieht sich leicht an, will aber doch gelernt sein." „Es gilt den Versuch," sagte der Kaiser und alle Umstehenden sahen staunend, wie der Kaiser die Pfluggabel iu die Hand nahm und den Bauer ersuchte, seine Tiere anzutreiben. Dies geschah und die Schollen hoben sich eine Strecke. Plötzlich aber hielt der Bauer inne und sagte: „Halt, Er begreift das noch nicht recht. Er drückt den Pflug zu tief ein und bringt schlechten Lettenboden herauf; das verträgt der Acker nicht, der hat nur eine leichte Krume. Freilich, das hat Er nicht wissen können." Der Kaiser schaute vieldeutig lächelnd zu seiner Umgebung, er gab ihr damit zu verstehen, was noch anderes auf ihn und sein Reich Anwend¬ bares damit gesagt sein könnte. Und nun ging's wieder vorwärts; aber bald kam der Pflug aus dem Geleise. Der Kaiser wollte ihn halten, wollte einlenken und eindrücken, aber die Pferde waren im Gange und der Pflug strich, kaum eine Ritze machend, über die Stoppeln und schleppte den mit aller Kraft mühselig aufstemmenden Kaiser nach, bis wiederum innegehalten wurde. „Warum schreit Ihr so auf Eure Pferde hinein?" fragte der Kaiser. „Das muß sein," lautete die Antwort, „das Vieh schläft ein, wenn man's nicht immer merken läßt, daß jemand hinter ihm ist, der's weckt." Diesmal lächelte der Kaiser in sich hinein und auch viele aus seiner Umgebung taten es. 6 Der Kaiser übergab dem Bauer den Pflug und dieser zeigte ihm nun, Ivie man nur die gleichmäßige Richtung halten müsse und daß die Pferde von selbst die Hauptsache tun und wie diese Arbeit, zumal heute, wo es in der Nacht geregnet hatte, fast die leichteste von allen Feldarbeiten sei. Bei der Wendung übernahm der Kaiser nochmals den Pflug und jetzt nickte der Bauer oft und sagte: „Er ist gelehrig," denn der Kaiser zog ebenmäßig die Furche von dem einen Ende des Ackers bis zum anderen Aber nicht sowohl von der äußeren Anstrengung als von der zusammen- Kaiscr Josef II. und der Bauer Von E. Pirchan. (Verlag V. A. Heck, Wien.) genommenen Aufmerksamkeit, die eine innere Anstrengung ist, rann dem Kaiser der Schweiß von der Stirn; er trocknete sich ihn ab und sagte: „Das ist der freudigste Schweiß." „Ja," lachte der Bauer, „wenn man's zum Spaß tut, kann's sein, aber wenn man's das ganze Jahr tun muß und noch dazu fünf Tage Robot für den Herrn, da geht's anders. Aber jetzt ist's doch schön, jetzt hat auch einmal ein hoher Herr für mich gearbeitet. Darf ich nun fragen, wer Er ist?" „Später will ich's Euch sagen," antwortete der Kaiser und er ließ sich nun genau die Verhältnisse der Hörigkeit auseinandersetzen. „Und weiß Er, guter Herr," fragte der Bauer zuletzt, „welches der größte Schaden ist, den der Fröner leidet?" „Daß er nie zur Selbständigkeit kommt, nie zu seiner freien Menschen¬ würde." 7 „Da hat Er übers Ziel hinausgeschossen," erwiderte der Bauer selbst¬ zufrieden und Pfiffig lächelnd; dann aber verfinsterten sich seine Mienen wieder, indem er fortfuhr: „Der größte Schaden ist nicht nur, daß man nicht zur rechten Zeit an die rechte Arbeit und an die eigene kommt, sondern noch mehr, daß man gar nicht mehr dazu kommen kann, daß man durchs Fronen das Arbeiten verlernt. Man gewöhnt in der Frone sich und sein Vieh und Geschirr an Scheinarbeit, an verdeckten Müßiggang, und wenn's dann ans eigene, rechte Geschäft geht, kann man nicht niehr, das Vieh will nicht und selber hat man auch verlernt, sich anzustrengen." Unwillkürlich sagte hierauf der Kaiser, daß er nicht Massen werde, bis er die Bauern frei gemacht habe. Der Ackersmann merkte schon, daß er es mit einem vornehmen Manne zu tun habe, und mit Pfiffig schlauer Weise treuherzig polternd legte er nun alle Mißstände der Gutsherrnuntertänigkeit auseinander und sagte zuletzt: „Er scheint mir ein großer Herr; wenn Er Seinen guten Kaiser Josef einmal sieht, bericht' Er ihm doch alles!" „Meint Ihr, daß der Kaiser helfen kann?" „Nein, nicht ganz, aber doch ein gut Stück; er soll sich nicht irre und nicht abwendig machen lassen, wenn man ihm einreden will, daß das nicht geht." „Glaubt Ihr, daß man ihm abredet?" „Er ist ein Mensch nach dem Herzen Gottes, aber doch nur ein Mensch und er hat verdorbenes Zugvieh und schlechtes Geschirr. Er ist zu gut, er meint, jeder sei so wie er, aber das ist nicht. Er hält alle Menschen für seinesgleichen, aber sie sind nicht seinesgleichen. Sie verderben ihm seine Guttaten, sobald er den Rücken wendet. Er kann ja nicht überall sein; aber eines möcht' ich ihm noch sagen lassen: er sollte sich doch mehr schonen, daß wir recht lang, lang an ihm haben, und er soll nur scharf darauf losgehen." „Ihr liebt also den Kaiser, trotzdem er noch wenig für Euch getan?" „Jedes Kind weiß, wie gutherzig er ist, und wenn ich einmal seine Hand küssen dürfte, ich hätte genug gelebt!" Dem Kaiser standen Tränen in den Augen, er faßte die schwielige Hand des Bauers und sagte: „Ich bin Josef, Euer Kaiser." „O barmherziger Gott!" ries der Bauer und fiel in die Knie und alle Anwesenden entblößten unwillkürlich das Haupt, ergriffen von der reinsten Offenbarung der Liebe zwischen Volk und Fürst. „Steht auf," sagte der Kaiser, „man darf vor niemand knien als vor Gott und Ihr selbst habt ja gesagt, ich bin nur ein Mensch, wenn auch 8 ein leidlich guter Mensch. Ja, lieber Mann, wie ich hier Eure Hand halte, so möchte ich die Hand Eures ganzen, vor allen ehrenhaften Standes halten und Euch sagen: Bewahrt mir Eure Liebe wie ich die meine Euch und helft mir Euch glücklich machen und mich durch Euch; und diese Furche, die ich hier gezogen, soll ein Sinnbild sein meiner Wohlachtung für Euern Stand und meines Dichtens und Trachtens für Euch. Gedenket mein, wenn ich auch nicht mehr bin!" „Nein," ries der Bauer, „unser Herrgott wird ein Wunder tun; so einem wie Ihr ... wie unser ... wie der Kaiser ist, so einem muß er das Leben zehnfach verlängern zum Heile der Welt." „Lebt wohl!" rief der Kaiser, dem Bauer nochmals die Hand schüttelnd; er konnte vor Rührung kein weiteres Wort hervorbringen; er schritt nach dem Wagen, stieg ein und — fort rasselte der ganze Zug. Bertold Auerbach. 7. Von der Arbeit. Die Arbeit läßt uns nicht nur erwerben, was wir zum Leben brauchen, sie erhöht auch unsere Gesundheit und die Kraft des Körpers; sie gewöhnt uns an eine geordnete Tätigkeit; sie gibt dem Geiste Heiter¬ keit und Frohsinn; sie erweckt in uns das Gefühl der Selbständigkeit; sie übt uns in der Standhaftigkeit, Selbstbeherrschung und Überwindung von Schwierigkeiten und Gefahren; sie bricht die Gewalt der Leidenschaften; sie bewahrt uns vor allen Verirrungen und Lastern, die im Gefolge des Müßiggangs die Seele bestricken; sie macht uns fähig zu einer gesegneten Wirksamkeit nach innen und außen; sie erwirbt uns das Vertrauen, die Achtung und Liebe unserer Mitmenschen. Ob die Arbeit geleistet wird nur mit den Händen in schwerem Tage¬ werk, ob mit dem Geiste und mit der Feder, ob mit den Händen und mit dem Kopfe zugleich, darauf kommt es nicht an. Aber das ist von Wich¬ tigkeit, daß jeder den Platz ausfülle, auf den er nach dem Maße seiner körperlichen oder geistigen Fähigkeiten gestellt ist. Der fleißige Taglöhner mit seiner rein mechanischen Arbeit empfindet in gleicher Weise den Segen und die Ehre der Arbeit wie der sinnende Gelehrte am Schreibtische. Und den faulenzenden Millionär im Palaste drückt ebenso das Gefühl der Nichtigkeit seines Daseins wie den zerlumpten Bettler am Wege. Not lehrt beten; Arbeit lehrt, Wie man gegen Not sich wehrt. Nach Spieker. 9 S. Ehre der Llröeit! Wer den wucht'gen Kammer schwingt Wer im Felde mäht die Ähren, Wer ins Mark der Erde dringt, Weib und Ainder zu ernähren, Wer stroman den Nachen zieht, Wer bei Wall' und Werg und Flachse Hinterm Webestuhl sich müht, Daß sein blonder Junge wachse: Jedem Ehre, jedem Preis! Ehre jeder Hand voll Schwielen! Ehre jedem Tropfen Schweiß, Der in Hütten fällt und Wühlen! Ehre jeder nassen Stirn Hinterm Pfluge! — Doch auch dessen, Der mit Schädel und mit Hirn Hungernd pflügt, sei nicht vergessen! Ferdinand Freiligrath. 9. Abendlied. Augen, meine lieben Fensterlein, Gebt mir schon so lange holden Schein, Lasset freundlich Bild um Bild herein: Einmal werdet ihr verdunkelt sein! Fallen einst die müden Lider zu, Löscht ihr aus, dann hat die Seele Ruh'; Tastend streift sie ab die Wanderschuh', Legt sich auch in ihre finstre Truh'. Noch zwei Fünklein sieht sie glimmend stehn Wie zwei Sternlein, innerlich zu sehn, Bis sie schwanken und dann auch vergehn Wie von eines Falters Flügelwehn. Doch noch wandl' ich auf dem Abendfeld, Nur dem sinkenden Gestirn gesellt; Trinkt, o Augen, was die Wimper hält, Von dem goldnen Überfluß der Welt! Gottfried Keller. 10 10. Noldeiimiit. /Vm 15. Lovsrnksr 1899 luki? dsr dsntsolis Oamp>lsr „Ratria^ dursk dis 8lra6s von Oalais. Laok Nittsriiaolit sntstand im nntsrsn Zokillsraums sin Lrand. Nit allsr ^.nstrsn^nnA arksitsts clis Naun- sslialt, nin ikn 2N lössksn. Oosk alls Nnks rvar vsrAsbliok, das Rsusr Arill immsr mslir urn sisli. Losli sodlnmmsrtsn dis Rsissndsn nknnnAslos in ikrsll Lajutsn. Da srtonts §6A6n 6 ldlir lrük dsr 8skrsslL6nsrul: ,,Rsusr!" Ois Rsissudsu stür^tsu auls Vsrdsslr, jamiusrud, našli Hills rulsnd, vsr^rveillun^svoll dis Nänds ringend. Nittsn in disssru Osrvirr stand dsr Lapititn Rröklisli unsr- soliüttsrlioli aul seinem Rlat^s, väkrsnd dis Nannsskalt piünlltlioli ssins stürmen Rslskls vollliikrts. 8isken RsttunAskoots rvurdsn in dis Rlutsn kinakAslasssn, aksr nismand durlts in dieselben stsi^sn. Da kslakl der Lapitän: „Linder und Rrausn ^usrst!" Leiner rra^ts, dsin Rslslils sntASASn 2n liandsln. 2um Olüslr srsokisnsn inlolbe dsr Lot^sislisn 2vvsi Arolls Risoksrkoots ans Narmoutli, rveloks sinsn Reil dsr Rsissndsn aulnalimsn. ^.usli dsr rnssisoks Dampksr „Esrss" srsskisn bald in dsr Läks. Oisssr sskiolrts solort alls ssins Roots 2u Hills. Lärntlislis Rsissndsn vnrdsn Aersttst und init 153 Rsr- sonsn lnlir dis „Lsrss^ nask Oovsr liinüksr. Ilntsr den Osrsttstsn bslandsn sioli 24 llransn nnd 26 Lindsr. Hzsr Xasiitän Rrölilisk vsrlisÜ mit stvvn 160 Nann das krsn- nsnds 8akill niolit. NsldsnmütiA vrollts sr Kis 2urn lst^tsn ^NK'sn- klivlrs ssins Rlliolit srlnllsn, aul ssinsm Aslalirvollsn Rosten ans-, karrsn. 8olion ivar dis Lot anls liöolists Asstis^sn; da silts sin Ramplsr 2N Hills. Ois bgsaints Nsnnsolmlt ^vnrds Asrsttst. La- ^itLn Rrölilieli vsrlisk als dsr Ist^ts das krsnnsnds 8skilk. N. kstatseliiiixß?. 11. Rätsel. Ein Vogel ist es und an Schnelle Buhlt es mit eines Adlers Flug; Ein Fisch ist's und zerteilt die Welle, Die noch kein größres Untier trug; Ein Elefant ist's, welcher Türme Auf feinem schweren Rücken trägt; Der Spinnen kriechendem Gewürme Gleicht es, wenn es die Füße regt; Und hat es fest sich eingebissen Mit feinem spitz'gen Eisenzahn, So steht's gleichwie auf festen Füßen Und trotzt dem wütenden Orkan. Friedrich Schiller. 12. Helden der Pflicht. „Und sollte einst im dunklen Schacht Mein letztes Stündlein schlagen, n Wir stehen ja in Gottes Macht, Er hilft uns alles ertragen. Ade, ihr Lieben, weinet nicht! Den Tod nicht scheu'n, ist Bergmannspflicht. Wir fahren zum Himmel hinauf, Glück auf, Glück auf, Glück auf!" So singt ein altes Bergmannslied und der 14. Januar 1902, an welchem in dem Jnpiterschachte bei Brüx 43 Bergleute ihr Leben lassen mußten, hat wieder einmal in erschütternder Weise an dasselbe erinnert. In vielfacher Gestalt umlauert der Tod den Bergmann: ein Stütz¬ balken wird morsch, die Decke stürzt ein und kann ihn zerschmettern oder lebendig begraben; „schlagende Wetter" können die dumpfe Luft des Schachtes in ein brausendes Flammenmeer verwandeln; Wasserfluten können urplötzlich hereinbrechen, in wenigen Minuten Stollen und Gänge füllen und den Unglücklichen ein nasses Grab bereiten. Und doch muß der Bergmann, mag die Gefahr noch so sehr drohen, hinab in die Tiefe. Bei dem einen warten Vater und Mutter, bei dem andern Weib und Kind auf den Lohn und jeder ausgefallene Arbeitstag fehlt im Haushalte. Die Sorge um die Seinen und die stetig drohenden Gefahren stumpfen ihn mehr und mehr ab gegen die Schrecken seines Berufes. Aber dieselbe Gefahr erweckt auch seinen Mut, seine Todesverachtung. Um andere zu retten, gibt mancher ein Leben dahin und die Tiefen der Erde haben schon zahllose Heldentaten gesehen. Auch bei dem furchtbaren Ereignisse in dem Jupiterschachte haben wieder zwei Männer heldenhaften Mut bewiesen: der Betriebsingenieur Hermann Binder und der Obersteiger Franz Seemann. In der Nähe des Jupiterschachtes hatte sich über jener Stelle, an der Kohlen abgebaut worden waren, die Erde gesenkt; eine Vertiefung, eine so¬ genannte „Pinge", war entstanden. Diese füllte sich allmählich mit Wasser. Als sich nun das Erdreich lockerte und die Biela, die hier vorbeifließt, aus ihren Ufern trat, da stieg das Wasser in der Pinge immer höher, der Erd¬ trichter konnte die Last nicht mehr halten und Plötzlich stürzten mit unge¬ heurer Kraft die Wasser in die Tiefe. Brausend drang der Wasserschwall in die Stollen, in denen die Bergleute arbeiteten; kein Schutzwall konnte ihn zurückhalten. Sofort erscholl das Zeichen der Gefahr und in wilder Hast stürzen alle dem Schachte zu. Nachtschwarze Finsternis umgibt sie, denn der gewaltige Luftdruck, der den Wassermassen vorausgeht, hat die Lampen verlöscht. So stürmen sie vorwärts, die Arme ausgebreitet, um nicht an die Stollenwand anzurennen. Jede Sekunde Verzögerung kann den Tod bedeuten. Endlich sind sie beim Schachte angelangt und springen ans die Förderschale; wo sonst vier Männer ihren Platz finden, da stehen, 12 nein — da hängen, da klammern sich zehn, zwölf Menschen fest. Sie geben das Zeichen und rasch gehUs in die Höhe. Gott sei es gedankt! Sie sind gerettet. Doch nicht alle denken so an ihr eigenes Heil. Obersteiger Franz Seemann war zufällig in der Nähe jener Stelle, wo die Wasser herein¬ brachen. Er bemerkt die Gefahr; er kennt besser als viele andere den Weg der Rettung; aber er weicht nicht von seinem Posten. Wie der brave Kapitän das sinkende Schiff nicht verläßt, so will dieser Wackere erst seine Mannschaft in Sicherheit bringen, ehe er an seine Rettung denkt. So schnell er kann, verständigt er die Bergleute in den anderen Stollen von der Gefahr und mahnt zur höchsten Eile. Seine Aufopferung rettet die anderen, doch ihm selbst bringt sie den Untergang, ihm und einem zweiten. Denn als die Wasser hereinbrachen, da erscholl nicht bloß im Schachte und in den Stollen, sondern auch in der Betriebskanzlei das elektrische Notzeichen. Hier arbeitete der leitende Ingenieur Hermann Binder. Ohne auch nur einen Augenblick zu überlegen, eilt er zum Schachte; der Gefahr, welcher alle in wilder Hast entfliehen, tritt er todverachtend entgegen. Er läßt sich hinab in den Schacht und dringt in den Stollen vor. Hoch hält er seine Lampe empor. „Rasch, schaut, daß ihr hinauskommt, ich muß weiter hinein, daß ich alle herausbringe!" So ruft er den Bergleuten zu, die ihm aus dem dunklen Stollen entgegenstürzen. Nicht der schönste Stern am Himmel hat diese je mit seinem Glanze so erfreut wie das armselige Lämpchen in der Hand dieses Braven; denn es zeigt ihnen den Weg, verheißt ihnen Rettung aus Todesnot. Von Minute zu Minute, von Sekunde zu Sekunde steigt die Gefahr. So oft die Förderschale unten ankommt, schwingen sich zehn, zwölf Bergleute, denen die Lampe des Ingenieurs und sein drängender Ruf den Weg ge¬ wiesen, in Todesangst auf dieselbe und hinauf geht's, aus grausiger Tiefe zum Lichte des Tages. Nur Hermann Binder harrt todesmutig aus. Dreimal steigt die Schale hinab, dreimal steigt sie empor. Da, als sie das viertemal hinabgeht, keilen sich Holzstücke, die das Wasser gebracht, zwischen ihr und dem Gesteine ein. Unbeweglich sitzt sie fest. Wer noch unten ist, der ist verloren. Hermann Binder, der so viele andere gerettet hat, und der Obersteiger Franz Seemann sterben den Heldentod. Unaufhaltsam dringt das Wasser vor, bald sind Stollen und Schacht von ihm erfüllt; an Rettung ist nicht zu denken. 43 Menschenleben hat der Wassereinbruch gefordert! Aber in die Klage um die Toten mischt sich wie ein Trost der erhebende Gedanke: Auch unsere Zeit hat noch Männer, hat Helden, die mutig ihr Leben einsetzen, wenn es gilt, das ihres Nächsten zu retten, die bis zum Tode getreu ihre Pflicht erfüllen. Und zwei der- 13 — selben sind: Ingenieur Hermann Binder und Obersteiger Franz Seemann. Ihnen — Ehre und Ruhm! Josef Siegt. 13. Das goldene Buch. Ins goldne Buch der Menschheit kommt, Wer heldenhaft gestritten; Im goldnen Buch des Himmels steht, Wer heldenhaft gelitten. Otto v. Leixner. 14. Franz Schubert. Es ist ein gar unscheinbares, einstöckiges Haus der ehemaligen Wiener Vorstadt Himmelpfortgrnnd, in welchem am 31. Januar 1797 Franz Schubert als Sohn eines Lehrers geboren wurde. Hier wuchs er im Kreise seiner Eltern und Geschwister in einfachen Verhältnissen auf. In Schuberts Familie waren Bater und Brüder wackere Musiker, es wurde da viel gesungen und gegeigt und der kleine Franz war so recht von Haus aus musikalisch. Seine hübsche Sopranstimme erklang bald in der kaiserlichen Hofkapelle und ver¬ schaffte ihm einen Zöglingsplatz im Konvikt. Von seinem elften bis zum vollendeten sechzehnten Jahre blieb Schubert im Konvikt, wo er, immer viel reicher an Ideen als an Noten¬ papier, schon eifrig komponierte. Dann sehen wir ihn wieder im väterlichen Hause als Schulgehilfeu. Nach drei Jahren verließ er die Schulstube und warf sich beherzt der Kunst in die Arme, die längst sein ganzes Herz erfüllte. Hier beginnt der zweite und letzte Abschnitt seines kurzen Lebens; der Inhalt desselben ist ein ununterbrochener Franz Schubert. Strom musikalischen Schaffens. Michael Vogel, einer der besten dramatischen Sänger jener Zeit, zugleich ein Mann von seltener Bildung, führte Schuberts Lieder zuerst in die Pri¬ vatkreise, dann in die Öffentlichkeit ein. Mehrere Freunde des jungen Komponisten bestritten die Druckkosten seines ersten Liedes, des „Erlkönigs", 14 dessen günstige Ausnahme nunmehr die Verleger ermutigte, es mit der Herausgabe weiterer Hefte zu wagen. In praktischen Dingen zeitlebens ein Kind, hat Schubert es nicht ver¬ standen, aus seinen Werken den angemessenen Vorteil zu ziehen; doch sah er sich bald in den Stand gesetzt, unabhängig, wenngleich sehr eingeschränkt, zu leben. Lektionen zu geben, war ihm verhaßt, ein öffentliches Musikamt hat er nie bekleidet. Mit Ausnahme kleiner Ferienausflüge und eines Sommeraufenthaltes. auf einem Eßterhazyschen Gute in Ungarn lebte er stets in Wien, ein stilles, unscheinbares Dasein in der glänzenden Kaiserstadt. In seinem Lebenselemente fühlte sich Schubert, wenn er mit Vogel das schöne Oberösterreich und Salzburg durchzog, „frei wie ein Gott und aller Not entlassen." Mit offenen Armen wurden da die zwei Sänger überall, besonders in den geistlichen Stiften, ausgenommen. Schubert sollte die ihn: so teuren „göttlichen Seen und Berge" nicht lange schauen. Er verfiel in eine Nervenkrankheit, die in raschem Verlaufe seinem Leben ein Ende machte. Er starb am 19. November 1828 im zweiunddreißigsten Lebensjahre. Schuberts Leben bewegte sich in unscheinbarer Alltäglichkeit. Ein glückliches Temperament und ein reiches, treues Gemüt ließen ihn aber viel inneres Glück erleben, das ihn über die Kleinlichkeit der äußeren Verhält¬ nisse hinaushob. Fortwährend und überall in Tönen lebend und denkend, hat er das Lied zu einer vor ihm ungeahnten Höhe und Bedeutung er¬ hoben, es zu einer geradezu neuen Schöpfung gemacht. Eine originelle Schöpfung Schuberts sind die Liederkreise, welche jedes für sich selbständige Lied zugleich als den Teil eines größeren Ganzen behandeln. Wen hätten Franz Schuberts Lieder nicht erfreut, erhoben, entzückt! Nach Ed. HanSlick. 15. Glück der Alles endet, eh' wir's ahnen, Freude minder nicht als Leid; Darum lasse dich gemahnen: Trage nie im Herzen Neid! Genügsamkeit. Laß an keinem dich's verdrießen. Ist er mehr als du beglückt; Wenig heiter zu genießen, Jst's, was sich für Weise schickt. Martin Greif. 16. Des Landmanns Glück. Glücklich der Fuß, welcher über weite Flächen des eigenen Grundes schreitet; glücklich das Haupt, welches die Kraft der grünenden Natur einem verständigen Willen zu unterwerfen weiß! Alles, was den Menschen stark, gesund und gut macht, das ist dem Landwirt zu teil geworden. Sein Leben ist ein unaufhörlicher Kampf, ein endloser Sieg. Ihm stählt die 15 reine Gottesluft die Muskeln des Leibes, ihm zwingt die uralte Ordnung der Natur auch die Gedanken zu geordnetem Lauft Er ist der Priester, welcher Beständigkeit, Zucht und Sitte, die ersten Tugenden eines Volkes, zu hüten hat. Wenn andere Arten nützlicher Tätigkeit veralten, die seine ist so ewig wie das Leben der Erde; wenn andere Arbeit den Menschen in enge Mauern einschließt, in die Tiefen der Erde oder zwischen die Holzplanken des Schiffes, sein Blick hat nur zwei Grenzen, oben den blauen Himmel und unten den festen Grund. Ihm wird die höchste Freude des Schaffens; denn was sein Befehl von der Natur fordert, Pflanze und Tier, das wächst unter seiner Hand zu eigenem, frohem Leben auf. Auch dem Städter sind die grüne Saat und die goldene Halmfrucht des Feldes, das Rind auf der Weide und das galoppierende Füllen, Waldesgrün und Wiesenduft eine Er¬ quickung des Herzens; aber kräftiger, stolzer, edler ist das Behagen des Mannes, der mit dem Bewußtsein über eine Flur schreitet, dies ist alles mein, meine Kraft erschuf es und mir gereicht es zum Segen. Denn nicht in mühelosem Genüsse betrachtet er die Bilder, welche ihm die Natur ent¬ gegenhält. An jeden Blick knüpft sich sein Wunsch, an jeden Eindruck ein Vorsatz, jedes Ding hat für ihn einen Zweck; denn alles, das fruchtbare Feld, das Tier und der Mensch sollen Neues schaffen nach seinem Willen, dem Willen des Gebieters. Die tägliche Arbeit ist sein Genuß und in diesem Genüsse wächst seine Kraft. — So lebt der Mann, welcher selbst der arbeitsame Wirt seines Gutes ist. G. Freytag. 17. Die Milchfrau. Auf leichten Füßen lief ein artig Bauernweib, Geliebt von ihrem Mann, gesund an Seel' und Leib, Frühmorgens nach der Stadt und trug auf ihrem Kopfe Vier Stübchen süße Milch in einem großen Topfe. Sie lief und wollte gern „Kauft Milch!" am ersten schrei'n, „Denn," dachte sie bei sich, „die erste Milch ist teuer; Will's Gott, so nehm' ich heut' sechs bare Groschen ein. Dafür kauf' ich mir dann ein halbes Hundert Eier, Mein Hühnchen brütet sie mir all' auf einmal aus; Gras, eine Menge, steht um unser kleines Haus; Die kleinen Küchelchen, die meine Stimme hören, Die werden herrlich da sich letzen und sich nähren; Und ganz gewiß, der Fuchs, der müßte listig sein, Ließ' er mir nicht so viel, daß ich ein kleines Schwein Dafür ertauschen könnte! Seht nur an! Wenn ich mich etwa schon darauf im Geiste freue, 16 So denk' ich nur dabei an meinen lieben Mann. Zu mästen kostet's mich ja nur ein wenig Kleie! Hab' ich das Schweinchen fett, dann kauf' ich eine Kuh In meinen kleinen Stall,, ein Kälbchen wohl dazu; Das Kälbchen will ich dann auf meine Weide bringen Und munter hüpft's und springt's, wie da die Lämmer springen! Hei," sagt sie und springt auf — und von dem Kopfe fällt Der Topf; das bare Geld Und Kalb und Kuh und Reichtum und Vergnügen Sieht nun das arme Weib vor sich in Scherben liegen. Erschrocken bleibt sie stehn und sieht die Scherben an. „Die schöne, weiße Milch," sagt sie, „auf schwarzer Erde!" Weint, geht nach Haus, erzählt's dem lieben Mann, Der ihr entgegenkommt, mit ängstlicher Gebärde. „Kind," sagt der Mann, „schon gut! Bau' mir ein andermal Nicht Schlösser in die Luft! Man bauet seine Qual. Geschwinder drehet sich um sich kein Wagenrad, Als sie verschwinden in dem Wind. Wir haben all das Glück, das unser Junker hat, Wenn wir zufrieden sind." Gleim. 18. Der Kaiserbrunnen am Schneeberge. Wo sich am Fuße des Schneeberges das wunderschöne Höllental hin¬ zieht, entdeckte Kaiser Karl VI. im Jahre 1732 auf einer Jagd eine mächtige Quelle, deren kristallhelles Wasser in reichem Schwalle über die Felsblöcke rings im Bogen niederrann. Überrascht und entzückt stand der erlauchte Weidmann vor dem schönen Schauspiele. Das Wasser mundete ihm vor¬ trefflich und sein Leibarzt erklärte es für das beste, das im weiten Umkreise von Wien zu finden sei. Darum beschloß Kaiser Karl, sich das Wasser dieser Quelle an den Hof zum täglichen Genüsse bringen zu lassen. Das auf Saumrossen in Fässern in die Hofburg gebrachte Wasser perlte auf der Kaisertafel. Die diesen Dienst besorgenden Knechte hießen Wasserreiter. Sie ritten gewöhnlich dritthalb Tage. Jetzt kann man den Weg auf der Südbahn in vier Stunden zurücklegen. Die Quelle heißt seit jener Zeit der Kaiserbrunnen. Erst unter Kaiser Josef II. wurde statt des „Kaiserbrunnens" das Wasser der Schönbrunner Quelle für die Hoftasel verwendet. Heute perlt wieder in Wien das treffliche Wasser des Kaiserbrunnens, aber nicht nur auf der Hoftafel, sondern auch im Kruge des Armen. Denn 17 1. Kaiserbrunn (-s-- Quelle) am Schneeberge. 2. Der Kaiserbrunnen. Kaiser Franz Josef I. hat der Stadt Wien den Kaiserbrunnen geschenkt und dieser speist nun einen beträchtlichen Teil der großartigen Wiener Hoch- quellenlkitung. Nach Friedrich Umlauft. 19. Koten lies Herbstes. 'WolllsnKüsss, llrülls idiaobt, Lrsitor Üllüsstz Wäläs Naobt — Xiabls I^oläsl-, Xsboläu.l't, idsasso Wüläen. Lobveers llinll — 20. Abendlied. kinAsum Ha^6. Lturrnsston — korbstsstsAS, Uabt ibr soüon? blart. Orsis. Die Nacht ist niedergangen, Die schwarzen Schleier hangen Nun über Bnsch und Haus. Leis' rauscht es in den Buchen, Die letzten Winde suchen Die vollsten Wipfel sich zum Neste aus. Noch einmal leis' ein Wehen, Dann bleibt der Atem stehen Dec müden, müden Welt. Nur noch ein zages Leben Fühl' durch die Nacht ich schweben, Auf die der Friede seine Hände hält. Otto Julius Bierbaum. Frisch und Rudolf, Lesebuch für Bürgerschulen. 2 18 Und wenn der Frühling drauf ge¬ kommen, Da blüht's von den Gräbern aus, Es senden die lieben Toten Uns Gegengrüße herauf. L. A. Frankl. 22. Der regelmäßige Müßiggänger. Erast, mehr einsiedlerisch als gesellschaftlich, lebt für sich und teilt sein Vermögen so ein, daß er ehrlich und ruhig leben kann. Er ist ohne Familie, hat keine Haussorgen, ist Herr seiner Zeit und sorgt, daß er niemandem zur Last falle. Er lebt seit zehn Jahren einen Tag so regel¬ mäßig wie den anderen, ist gesund und mit seinem Schicksale zufrieden. Um acht Uhr erwacht er; der Tee, die Zeitung und das Fenster beschäftigen ihn bis zehn Uhr. Um diese Zeit besorgt er seine Geschäfte, d. h. er trügt die gestrigen Ausgaben in sein Tagebuch ein, besieht seinen gestrigen Anzug, ob etwas mangelhaft daran geworden, wählt den heutigen, schreibt einen Brief, wenn ihm der Anstand einen abfordert, blättert in einem neuen Buche, das ihm aus dem Laden zugeschickt worden ist, zeichnet eine halbe Stunde zu seinem Vergnügen oder tritt an seinen Flügel. Ehe es zwölf Uhr schlägt, ist er angekleidet. Er speist gut, aber mäßig und weiß seit dreißig Jahren nicht, was ein Rausch ist. Seine Zeit von zwei Uhr nach Tische bis abends um zehn Uhr ist ebenfalls eingeteilt. Eine Stunde schenkt er dem Billard, eine dem Besuche, den er gibt oder annimmt, eine halbe Stunde dem Schlafe, eine Stunde dem Lesen einer anmutigen Schrift, eine dem Spaziergange, wenn es das Wetter erlaubt, eine der Abendmahlzeit und um zehn Uhr überläßt er sich regelmäßig dem Schlafe. Von dieser Ordnung weicht er nie ab, außer des Sonntags, da er die Kirche besucht. Dieser Mann hat den Ruhm der Eingezogenheit und einer ordentlichen Lebensart. Sein Bedienter rühmt, daß sein Herr alle Morgen bete und alle Abende singe. Und in der Tat, Erast ist mäßig und haushälterisch, kein Freund lärmender Vergnügen. Er spricht von niemandem Böses, läßt jeden in seinen Würden, bezahlt richtig, was er zu geben schuldig ist, und lebt still für sich. Gleichwohl, wer ist Erast, wenn man ihn in seinem ganzen Betragen untersucht? Ist er mehr als ein regelmäßiger Müßiggänger? Was ist die Hauptabsicht seines Planes? Bequemlichkeit und streng geregelte Trägheit. Er lebt mäßig, um gesund zu sein, wirtschaftlich, um nicht zu darben, und ordentlich, um die beschwerlichen Folgen der Unordnung zu vermeiden. Er lebt für sich und nicht für andere. Ist er deswegen in die 21. Gegengruß. Wir legen im Herbst zu Allerseelen Blumen auf der Teuern Grab, Daß sie ihnen von uns erzählen Und Grüße bringen hinab. 19 große Gesellschaft der Menschen gesetzt worden? Er befördert sein Vergnügen; aber ist es das, was von der Vernunft gebilligt wird? Er geht mit seinem Vermögen sorgfältig um, weil es die Pflicht eines Vernünftigen ist; aber ist nur der Gebrauch des Vermögens, nicht auch der nützliche Gebrauch der Zeit eine Pflicht, eine beständige Pflicht? Er wendet die Zeit bloß zur Pflege und Erhaltung seines Körpers an; und also lebt er, um künftig so lange gelebt zu haben, als er nur gekonnt. Er hat eine Seele bloß für seine Sinne und einen Verstand, bloß um die Gegenstände zu entdecken, die seiner Bequemlichkeit schmeicheln. Er glaubt, er tue nichts Böses, weil er sich vor Lastern hütet, die sich selbst bestrafen; allein sein ganzer Plan des Lebens ist böse, weil ihn die Vernunft und die göttliche Bestimmung ver¬ werfen. Er beweist selbst durch seine Einrichtung, daß die Seele des'Menschen ein geschäftiges Wesen ist, weil er ihr in jeder Stunde eine Art von Unter¬ haltung gibt. Warum kann er nicht einsehen, daß es besser ist, ein nützlicher und arbeitsamer Mann zu sein als ein geschäftiger Müßiggänger? Könnte er so oft schlafen, wie er wollte, so würde er wahrscheinlich den größten Teil seines Lebens verschlafen. Er habe noch so wenig Gaben von der Natur empfangen, so hat er doch mit allen Menschen die Pflicht gemein, seine geringen Talente zum Besten der Welt aufrichtig anzuwenden. Hierin besteht seine Tugend und Ruhe. Er soll zufrieden leben als ein Mitbürger, nicht als ein träumerischer Einsiedler. Er darf seine Bequemlichkeit suchen, aber er lebe nicht für sich allein, sonst würde ihn der Schöpfer in eine Höhle eingeschlossen und mit den nötigen Lebensmitteln umringt haben. Chr. F. Gellert. 23. Die Kunst, jeden Tag glücklich zu sein. „Ja, wer die kennte!" denkst du. Freilich, ich verstehe sie auch nicht ganz, aber etwas davon habe ich doch in Erfahrung gebracht; versuch's einmal, ob's hilft! Also: Nimm dir jeden Morgen vor, heute jemanden zu erfreuen und, soviel du kannst, glücklich zu machen! Geh dann an deine Arbeit und tu vor allem deine Pflicht! Du wirst froh und heiter dabei sein; denn ein rechtschaffener Gedanke macht froh. Suche sodann^deinen Vorsatz auszuführen, wo sich dir Gelegenheit dazu bietet! Du wirst nicht lange darauf zu warten haben. Es braucht nichts Großes zu sein, was du dem andern schenkst oder bereitest; tu es nur mit freundlichem Blick und Gedanken und es wird gut sein. Doppelt glücklich aber wirst du sein, wenn dein Nebenmensch den gleichen Vorsatz gefaßt hat wie du und er sendet dir nun unverhofft etwas Freundliches in dein Haus oder in dein Herz. 20 Das ist die schönste geheime Verbindung der Menschen, wenn jeder daran denkt, die kurze Lebenszeit, die er hier neben dem andern zubringt, diesem, soviel er vermag, mit allem Guten und Schönen auszufüllen. Und höher steigt diese Liebe, wenn man daran denkt, etwas zu tun, was dem Allgemeinen, der Gemeinde, dem Staate, der Nation, derMenschheit zugute kommt. Dieser Gedanke gibt jedem Menschen, so klein und beschränkt auch sein Leben sei, eine innere Würde und Hoheit, eine Glückseligkeit^ die über alle kleinen Plagen, über alle Trennungen hinaushebt und den Menschen mit sich und mit der Welt einig macht — durch die Liebe. B. Auerbach. 24. LvkLkers üoniituMlieck. Das ist der Tag des Herrn. Von M. Molitor. (A. Pichlers Witwe L Sohn, Wien.) Das ist äor DsA äos Herrn! lob bin allsin auk veitor lllur; dioell oins UorKsn^ioolls nur. l^un Ltillo nab unä forn. ^nbotonä llnio ioll liier. 0 süllss Orau'n, Asllsimos ^Vobn, ^.Is lrnistsn violo unAosolln Unä bstoton mit mir! Oor Ilimmel. nall unä tarn, Lr ist so lrlar unä bsisrliob, 8o Aunr, als sollt' er öllnsn sioli. Das ist äor Da^ äos Herrn! I.uävvi^ tldlauä. 21 25. Hoffnung. Es reden und träumen die Menschen viel Von bessern künftigen Tagen; Nach einem glücklichen, goldenen Ziel Sieht man sie rennen und jagen. Die Welt wird alt und wird wieder jung, Doch der Mensch hofft immer Verbesserung. Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein, Sie umflattert den fröhlichen Knaben, Den Jüngling locket ihr Zauberschein, Sie wird mit dem Greis nicht begraben; Denn beschließt er im Grabe den müden Lauf, Noch am Grabe pflanzt er — die Hoffnung aus. Es ist kein leerer, schmeichelnder Wahn, Erzeugt im Gehirne des Toren, JmWerzen kündet es laut sich an: Zu was Bessrem sind wir-geboren; Und was die innere Stimme spricht, Das täuscht die hoffende Seele nicht. Friedrich Schiller. 26. Sprüche. wenn dich die Lästerzunge sticht, So laß dir dies zum Troste sagen: Die schlechtsten Früchte sind es nicht, woran die Wespen nagen. Gottfried August Bürger. willst du klug durchs Leben wandern, prüfe andre, doch auch dich! Jeder täuscht gar gern den andern, Doch am liebsten jeder sich. Friedrich tNartin Badenstedt. Sei du wie ein Auell: Frisch und hell. . Auellentief und rein Soll auch deine Seele sein. L. A. Frankl. 22 Deutsche Scholle, deutsche Erd' — Eignes Heim und eignen Herd — Ob dir Glück, ob Leid beschert: Halt in Treu' sie lieb und wert! Anton August Nass. Die Stätte, die ein guter Mensch betrat, Ist eingeweiht; nach hundert Jahren klingt Sein Wort und seine Tat dem Enkel wieder. I. lv. Goethe. Nicht an die Güter hänge dein Herz, Die das Leben vergänglich zieren! Wer besitzt, der lerne verlieren, Wer im Glück ist, der lerne den Schmerz. Friedrich Schiller. Nicht der ist auf der Welt verwaist, Dessen Vater und Mutter gestorben, Sondern der für Herz und Geist Reine Lieb' und kein Wissen erworben. Friedrich Rückert. 27. Die sieben Wahrzeichen eines guten Dorfes. A. Wenn ich durch ein Dorf gehe, habe ich meine Merkzeichen, 'die mir sagen, wie es bei den Menschen hier bestellt ist. Sehe ich auf den Fenstersimsen wohlgepflegte Blumen in Töpfen, ein Plätzchen vor dem Hause oder an der Seite, wo Blumen gezogen werden, da freut sich mein Herz, denn ich weiß, hier sind Menschen, die sich das Leben noch schmücken, und wo Blumen sind, sind auch Lieder. Hier wird gewiß auch noch fröhlich gesungen. Mein zweites Augenmerk ist auf die Brunnen gerichtet. Man achtet viel zu wenig darauf, wie im Trinkwasser die eigentliche Quelle der Gesundheit ist. Du kannst es oft in einem Dorfe oder Städtchen hören; da draußen am Berge, beim Walde, da ist die beste Quelle weit und breit und sie versickert ungenützt. Es ist ein großes Zeichen, welch kernhaft gesunde Naturen die alten Römer waren, daß sie überall Bauten zu Wasserleitungen aufführten, die sich mit unfern kühnsten Eisenbahnbauten messen können; auch die Amerikaner sparen für Herleitung eines ge¬ sunden Wassers nicht Mühe und Kosten. Je nach seiner Kraft sollte jedes Dorf darauf bedacht sein, sich das beste Wasser zuzuleiten. Sehe ich nun 23 in einem Dorse, daß die Brunnen in Ordnung sind, frisch, bequem, hell und reinlich, dann ist auch das Hauswesen im Dorfe nicht schlecht bestellt. B. Mit den Brunnen gebe ich dir recht. Krankheit und Gesund¬ heit kommen zumeist aus dem Trinkwasser. Ich sehe mich aber nach ganz anderen Dingen im Dorfe um, die mit Blumen und Liedern gar nichts zu tun haben. Blumen und Lieder sind Schmuck und Spiel des Lebens. Das Leben ist vor allem Arbeit und Kampf, dann erst kommt die Lust¬ barkeit. Ich sehe zuerst, ob mein Liebling Benjamin Franklin hier die Häuser beschirmt. Der Blitzableiter ist eines der wichtigsten Erfordernisse. Ich sehe nach Schild und Schwert, ob man gewaffnet ist gegen alle Gefahren, und Schild und Schwert gegen Feuersgefahr sind Blitzableiter und Versicherungstafeln. Wo diese fehlen, da ist es übel bestellt. Wenn nur jeder bedächte, daß die Feuerversicherung eine Pflicht gegen sich selbst und gegen den Nächsten ist! Und wird derjenige, der eine Feuer¬ versicherung eingeht, nicht auch sein Leben versichern? Unsere Blitzableiter und Versicherungstäfelchen sind Wehr und Waffen des Hauses. Erst dann kann man an Blumen und Lieder denken. Doch ich bin auch damit noch nicht fertig. Die beiden besten Wahrzeichen der Ordnung und der Bil¬ dung sind Straßen und Schulen. Ich sehe, wie die Straßen bestellt sind, ob man sie reinlich hält und den entsprechenden Nutzen für den Feldbau daraus zieht und ob das Schulhaus gesund, fest und hell ist. Sehe ich diese in einem Dorfe, dann segne ich im Herzen die, die jetzt und in der Zukunft darin wohnen. A und B. So stellen wir unsere Wahrzeichen nun zusammen in ge¬ rechte Ordnung: Brunnen, Straßen, Schulen, Blitzableiter, Feuerversicherung, Blumen und Lieder. Nach Bert. Auerbach. 28. Von der Ordnung. „Ordnung ist das halbe Leben," heißt es; und wenn man das Glück des Ordentlichen und die traurige Lage manches Unordentlichen ansieht, so kann man wohl sagen: „Ordnung ist das ganze Leben." Das höchste Muster aller Ordnung und der höchsten Übereinstimmung ist Gott in seiner Weltregierung. Millionen Sterne gehen ihre gemessene Laufbahn; die Sonne geht auf und unter; der Mond wächst und nimmt ab; die Jahres¬ zeiten kommen und gehen; alles folgt den weisesten, festesten Regeln. Alles ist und bleibt und gedeihet, wie es soll; alles ist zum Glück der Geschöpfe eingerichtet. Wenn ein Reich in allen seinen Teilen glücklich ist, wenn alle Stände vom Throne bis zur geringsten Strohhütte ihre Pflicht tun 24 und einander mit Eifer wechselseitig unterstützen, so sagen wir: „Es ist Ordnung im Lande." Und wenn wir sagen: „Es ist keine Ordnung im Lande," so ist das der schärfste Tadel, den wir über die Verwaltung der öffentlichen Geschäfte ergehen lassen- Ebenso ist es in der Stadt und in der Gemeinde und ebenso ist es in der einzelnen Haushaltung und mit jedem einzelnen Menschen. „Er ist ein ordentlicher Mann, sie ist eine ordentliche Frau," ist ein allgemeines, vielbedeutendes Lob, wenn es von einem Menschen gesagt wird. Mit Ordnung wird jedes Geschäft leichter, jede Arbeit angenehmer gemacht, jede Beschwerlichkeit eher überstiegen, jede Unannehmlichkeit vermieden oder bald beigelegt. Selbst Gefahr und Un¬ glück werden durch ununterbrochene Ordnung am besten vorhergesehen und abgewandt. „Es ist nichts mit ihm anzufangen, er ist ein unordentlicher Mensch," sagt man von einem Menschen, den man zuweilen wohl noch härter einen Taugenichts nennt. Hat irgend jemand Ordnung nötig, so ist es der Landmann, da sein ganzes Leben in einer Verkettung von Dingen besteht, die oft einzeln von keiner Wichtigkeit zu sein scheinen, die aber im ganzen die Seele der Land¬ wirtschaft und des ländlichen Wohlstandes ausmachen. Wenn man durch einen Ort reiset, fällt man nicht gleich von dem äußeren Anschein ein ziemlich richtiges Urteil: Hier wohnen gute oder hier wohnen schlechte Wirte? Wo die Dächer löcherig, die Tore verfallen sind, wo das Vieh über alle Zäune und Mauern springt, wo in den Gärten die Bäume dünn und verbrochen stehen, wo der Schmutz in allen Höfen bis an die Knie geht, wo das Vieh aussieht wie die teure Zeit in Ägypten: da kann man sicher schließen, daß es um die Haushaltungen und um die Gemeinde schlecht bestellt ist. Wo aber rund um das Dors die Baumpflanzungen blühen, wo die Gärten voll edler Obstbäume stehen, die Wege und Fu߬ steige gangbar und reinlich sind, wo sich die Tiere mit den Menschen wohl befinden: da darf man sicher auf gute Ordnung im Orte rechnen. Es ist ein Vergnügen, wenn man, an einem Hofe vorbeigehend, sieht, wie alles vom Hause bis zum Hühnerstalle so gut und nett und reinlich und bequem ist. „Hier wohnt ein sehr ordentlicher Wirt," sagt der Fremde und betrachtet die Pflanzung und den Bau einigemal mit Zufriedenheit, ehe er weiter geht. Traurig und niederschlagend ist es hingegen, ganze wichtige Wirtschaften in dem kümmerlichsten Verfall zu sehen, wo man schon am durchlöcherten, zerbrochenen Torwege die wahre Beschaffenheit des Inwendigen befürchtet und ziemlich richtig vermutet. Freilich ist es nicht allemal der Fall, daß der Besitzer eines solchen Hauses durch seine Nachlässigkeit und Unordnung schuld an dem traurigen Anblicke ist. Häus¬ liche oder öffentliche Unglücksfälle können Ursache seines Unvermögens sein 25 und ihn hindern, so viel wieder herznstellen und auszubessern, als nötig ist und er wohl wünschet. Aber dies ist doch der seltenere Fall. Die Ordnung und ihr Vorteil zeigen sich überall, im kleinsten wie im größten. Schon Kleidung und Betragen zeichnen den ordentlichen Menschen aus; jeder hat sogleich ein volles Zutrauen zu ihm, sowie man gegen einen Unordentlichen, den seine Unordnung auch zumeist schon im äußeren Aufzuge sichtbar macht, sogleich Mißtrauen hat und mit Recht. Denn wer will einem Menschen fremde Sachen sicher anvertrauen, der seine eigenen nicht in acht nimmt? Der Ordentliche hat alle seine Sachen an der rechten Stelle und alle in der Beschaffenheit, wie sie sein sollen. Reinlichkeit und Nettigkeit herrschen überall, wo es nur möglich ist. Zu jedem Gebrauch kann er jedes Werkzeug sogleich finden, jedes ist im Stande, so daß auf keine Weise ein Aufenthalt entsteht. Nichts geht in der Welt über die Ordnung, und wie weit man in der Welt mit Sinn für Ordnung kommen kann, zeigen hier und da Bei¬ spiele, welche aufmunternd sein sollten. Eine ziemlich arme Gemeinde be¬ setzte auf Anraten und Vorstellung einiger vernünftigen Mitglieder etliche leere, fast unbrauchbare Plätze an den Bergen mit Obstbäumen; in zehn Jahren verkaufte sie schon das Obst jährlich für eine beträchtliche Summe und konnte sich in kurzer Zeit aus dem daraus gelösten Gelde nach Be¬ sorgung einiger anderen geringeren Notwendigkeiten eine Spritze kaufen und ein Haus dazu bauen lassen und die übrigen Feuergerätschaften in besseren Zu¬ stand setzen. Durch die Pflanzung wurden also sonst ungebrauchte Stellen benützt, die Gegend schöner und anmutiger gemacht und einem wesentlichen Bedürfnisse abgeholfen. So kann man sich durch Aufmerksamkeit und Ord¬ nung manchen Vorteil schaffen. I. G. Seume. 29. ^VirtseliaktZreMln. 1. Orännn§ srkZIt äie ^Velt. 2. Versekiebs niokt unk morgen, vras llu ksute kannst kssorZ-en! 3. ^Vsr siok niokt naok äer Oeoks strsokt, dem klsiksn die Lülls unbedeckt. 4. Zuerst sorxs kür das Notwendige! 5. Lanks nis sokleokts V^ars! 6. ^uok die Ausgaben kür edle Oenüsss sind nötig. 7. Lrsoköpks niemals äein ganzes Lin- Kommen ! 8. Hüte dick vor kleinen ^nsgaksn! 9. Lanks niokts Unnötiges! IO. Lorgs niekt! 11. Lesser okne Abendessen ?u Letts gekon als mit Lokuldsn auksteksn. 12. 8si mZlZig! 13. Nit vielem KZ.lt man Kans, mit wenigem kommt man aus. 14. sollte ank den Lat erkakrener Leuts! 15. Lrwirk, was du kannst, und bowakrs was ein er'.vorden kast! 16. Hasse clsn Nülliggang! 1«. 8pars in 26 äor ^sit, so Imst cka in 6er idlot! 18. /^nkrioäonboit ist cksr bssts Usiolltuin. O. II. Kolli 30. Guter Ton und feine Sitte. Es genügt nicht, daß sich die Jugend den Forderungen einer strengen Zucht unterwirft; sie soll auch wissen, was der gute Ton und die feine Sitte verlangen. Danach muß sie ihr Verhalten regeln. Führe alle deine Lebensäußerungen so unauffällig wie möglich aus! Niese und huste nicht laut und nie, ohne die Hand vorzuhalten! Wenn ein anderer niest, so überhöre es! „Zur Gesundheit" oder „Zum Wohlsein" zu sagen, ist veraltet. Seufze und gähne nicht so, daß es andere bemerken! Pfeife, summe oder trillere nicht in der Gesellschaft! Spucke nicht unvor¬ sichtig aus! Reinige dir die Nägel nie in Gegenwart anderer, kaue nie daran! Zeige nie mit dem Finger auf eine Person, von der du wissen möchtest, wer sie ist! Dulde in deinen Kleidern keine Flecken, dulde keine schadhaften Handschuhe, keine ausgerissenen Knopflöcher! Sprich nicht mit vollem Munde! Nimm die Gabel in die linke, das Messer in die rechte Hand! Die Speisen mit dem Messer zum Munde zu führen, ist unschicklich und gefährlich. Deine Wohnung sei dein Spiegelbild! Richte sie so ein, daß dir der Aufenthalt darin zum Vergnügen werde! Als Schlafzimmer wähle den hellsten und gesündesten Raum deiner Wohnung! Verschone auch den vertrautesten Freund mit deinem Geheimnis! Ver¬ meide regelmäßig wiederkehrende Worte und Redewendungen! Wie es der Vornehme vermeidet, sich seines Vermögens zu rühmen, so prahlt der wahrhaft Gebildete nicht mit seiner Weisheit. Sprich in Gesellschaft nicht immer nur von deinen Angelegenheiten! Falle niemandem ins Wort. Meide die Fremdwörter! Dann entgehst du auch der Gefahr, das eine oder das andere falsch zu gebrauchen. Besser zweimal zu viel als einmal zu wenig grüßen. Wenn du einen Gruß erwartest, so sieh auch nach demjenigen hin, der dich grüßen soll. Treffen Personen bei dir zusammen, die sich noch nicht kennen, so hast du die Pflicht, sie einander vorzustellen, auch wenn du nicht darum ersucht wirst. Den Namen der jüngeren oder gesellschaftlich tiefer stehenden Person nennst du stets zuerst. Du stellst also eine junge Dame der älteren, einen Herrn der Dame, ein Fräulein der verheirateten Frau vor, nicht umgekehrt. Empfange deinen Gast so, daß er gern kommt, ungern geht. Sich nicht auf die Uhr, während du Besuch hast! 27 Iß niemals auf der Straße! Unterhalte dich nicht laut von persön¬ lichen Angelegenheiten! Horche nicht auf die Gespräche anderer! Gehe ins Konzert, um zu hören, nicht um zu sehen oder gesehen zu werden. Oft wird der Künstler mehr durch tiefes Schweigen als durch lauten Beifall geehrt. Einfachheit, Bescheidenheit, Sanftmut, Natürlichkeit, Gefälligkeit, Fleiß und Güte sind die sieben Farben, aus denen sich das Farbenspektrum eines reinen Mädchenherzens zusammensetzt. Vieles wäre in der Hauswirtschaft besser, könnten manchmal die Herr¬ schaft und die Dienerschaft wenigstens für einen Tag die Rollen tauschen. Die Anhänglichkeit der Dienstboten kannst du nicht durch Geld erkaufen, , nur durch Güte. Alte Freunde und alte Wege trügen nicht. Schon die Kinder sollen gewöhnt werden, Freundschaft zu halten. Alles kann der Mensch entbehren, nur den Menschen nicht. Franz Rudolf. 31. Höflichkeit ziert jeden Aland. Lin sehr vornehmer und reicher Mann, der eine ganze Provinz regierte, stand einst mit einen: andern gleichfalls reichen und angesehenen Manne auf der Straße und sie sprachen miteinander. Da ging ein Negersklave an den beiden Herren vorüber. Er grüßte sehr höflich und der Statthalter dankte freundlich. „wie," sagte der Reiche, „Eure Exzellenz lassen sich so weit herab, einem Sklaven für seinen Gruß zu danken?" „weshalb denn nicht?" antwortete ihm der Statthalter; „ich wollte nicht, daß ein armer Sklave, der nicht einmal eine gute Erziehung genossen hat, höflicher sei als ich." I. Dorn. 32. Der beste Empfehlungsbrief. Auf die Zeitungsanzeige eines Kaufmannes, durch welche er einen Jungen zur Aufnahme in sein Kontor suchte, meldeten sich fünfzig Knaben. Der Kaufmann wählte sehr rasch einen unter ihnen und verabschiedete die andern. „Ich möchte wohl wissen," sagte ein Freund, „warum du gerade diesen Knaben, der doch keinen einzigen Empfehlungsbrief hatte, bevorzugtest." „Du irrst," lautete die Antwort; „dieser Knabe hat viele Empfehlungen. Er putzte seine Füße ab, ehe er ins Zimmer trat, und machte die Tür zu; er ist daher sorgfältig. Er gab ohne Besinnen seinen Stuhl jenem alten lahmen Manne; dadurch zeigte er seine Herzensgüte und Aufmerksamkeit. Er nahm seine Mütze ab, als er hereinkam, und antwortete auf meine Frage schnell und sicher; er ist also höflich und hat Manieren. Er hob das Buch 29 benützt er, um die ihm erstatteten Vorschläge zu erledigen und die not¬ wendigen Verfügungen zu treffen. Dabei - ist des Monarchen Lebensweise von schlichter, bürgerlicher Einfachheit. Umgeben von dem glanzvollen Prunke des Hoflebens, ist der Kaiser in seinen Bedürfnissen und Ansprüchen von spartanischer Zurück¬ haltung. Bewunderungswürdig ist die Ausdauer, mit welcher er sich selbst den größten Beschwerden unterzieht. Er ist ein Gegner jeder Verweich- Kaiser Franz Josef I. lichung und entbehrt ohne Unmut der einfachsten Bequemlichkeit. Abgehärtet und von fester, nie erschütterter Gesundheit, erträgt er mit Leichtigkeit alle Entbehrungen und Unbilden beschwerlicher Märsche oder anstrengender militärischer Übungen. Als der Kaiser im Jahre 1873 eine Reise durch Dalmatien unternahm und aus den gefahrvollsten Bergpfaden über Fels¬ geröll und an schaurigen Abgründen vorbeiritt, ohne irgend eine Ermüdung oder Besorgnis zu verraten, mußte man über die Kühnheit und Ausdauer des Herrschers staunen. 30 Unser Kaiser wird sicher nie genötigt sein, bedauernd auszurufen, daß er einen Tag verloren habe, da er nicht eine Minute verliert. Vor einer solchen Tatkraft muß man sich tief beugen. Diese Eigenschaften sind wahrhaft bewunderungswürdig. Daher sei allen der Spruch ans Herz gelegt: „Nach des Kaisers Beispiel!" Aber noch viele andere Charakterzüge des Kaisers verdienen unsere Bewunderung. Unser Herrscher ist erfüllt von unendlicher Güte, von un¬ erschöpflichem Wohlwollen. Kein Bedrängter wird je des Kaisers Audienz¬ saal verlassen haben, ohne daß ihm Worte des Trostes und der Ermutigung oder wirkliche Hilfe gespendet worden. Wie häufig spendet der Kaiser für wohltätige Zwecke reiche Gaben! Überallhin eilt er, wo Not und Jammer herrschen, wo furchtbare Naturereignisse der Bürger Fleiß vernichtet und deren Habe zerstört haben. Als Szegedin, die schöne und große ungarische Stadt, im Jahre 1879 durch eine entsetzliche Überschwemmung der Theiß fast ganz zerstört worden war, eilte der Kaiser an die Stätte des Unglücks. Tränen entquollen seinen Augen, als er die furchtbare Verwüstung sah. Doch das fürstliche Wort, das er damals gesprochen, Szegedin werde wieder und schöner als zuvor aufgebaut werden, wurde durch die werktätige Hilfe des Herrschers rascher, als man glauben konnte, zur Wahrheit. Treu behält der Monarch die Dienste in Erinnerung, die ihm ge¬ leistet worden, fürstlich weiß er zu belohnen und flicht den Gelehrten, den Künstlern und den Helden den Kranz unvergänglicher Ehre. Mehr als 50 Jahre sind schon verflossen seit jenem Tage, an welchem der jugendliche Fürst zum erstenmal die Stufen des Thrones hinanstieg und sagte: „Lebe wohl, meine Jugend!" Und in der Tat! Nicht den Freuden sorgloser Jugend, sondern ernster, angestrengter Arbeit war fortan des Herrschers Leben geweiht. Nach L Smol le. 35. Eintracht. Ein Vater schied von seinen Söhnen; Doch eh' er schied, sucht' er durch ein Symbol Zur Eintracht ihre Herzen zu gewöhnen. „Ich scheide," sprach er, „Söhne, lebet wohl! Jedoch zuvor zerbrecht mir diese Pfeile, Gebunden, wie sie sind!" In größter Eile Will jeder den Befehl vollziehn, Jedoch umsonst ist ihr Bemühn. Der Vater löst hierauf das Band, Gibt jedem einen Pfeil besonders in die Hand. „Zerbrecht mir den!" spricht er mit trüben Blicken — 31 Und schnell war jeder Pfeil in Stücken. „Merkt, Söhne," ries er, „am zerbrochenen Geschoß: Die Eintracht nur macht stark und groß. Die Zwietracht stürzet alles nieder. Lebt wohl und liebt euch stets als Brüder!" Ehr. F. Gellert. 36. Aus Gellerts Leben. „Hu, wie kalt! Müssen einheizen, Herr Professor!" So sprach zu dem Dichter Gellert sein Arzt, ein kleiner, dicker Mann. „Wollen Sie sich denn ganz verderben? Sie müssen wärmer sitzen." Gellert lächelte weh¬ mütig. „Mein Holz hat die Schwindsucht," sagte er, „und mein Geld dazu. Doch, Herr Doktor, seien Sie zufrieden; ich will sorgen, sorgen." Der Doktor bückte sich über Gellerts Schreibtisch und sagte fragend: „Ah, ein neues Lied?" Gellert nickte mit verlegenem Gesichte. Der Doktor hielt es gegen das mit Eisblumen gezierte Fenster, und als er das Lied gelesen, sprach er: „Vortrefflich, ein echt christlich Lied! Lieber Herr Professor, das muß ich für meine Frau abschreiben. Morgen erhalten Sie's wieder." Dann fühlte der Doktor Gellerts Puls und sagte: „Immer noch langsam, das Sitzen ist ein Elend für Sie. Sollten einen Gaul haben, sollten reiten. Müssen ein Pferd kaufen!" — „Schon wieder kaufen! Haben Sie nicht noch mehr solche wohlfeile Rezepte, Herr Doktor? Kommen mir jetzt sehr gelegen," erwiderte Gellert mit traurigem Lächeln. Der Doktor entfernte sich wieder. Gellert verfiel ins Nachsinnen; gestern hatte er noch dreißig Taler, heute nicht mehr; sein Holz langte höchstens noch acht Tage; Einnahmen waren nicht zu erwarten. Wohin waren denn die dreißig Taler gekommen? In einer abgelegenen kleinen Gasse der Stadt Leipzig war ein Häus¬ lein, das gehörte dem reichen Geizhals Neidhardt. Es war ein elendes Gebäude, brachte aber doch noch seine Zinsen. Schon seit Jahren wohnte ein armer, gottesfürchtiger Schuhmacher mit seiner Frau uud vielen Kindern darin. Die Sorge ums tägliche Brot war hier zur Herberge und es ging ihnen recht kümmerlich. Im Sommer hatten sie sich noch so ziemlich durchgeschlagen; aber jetzt war es Winter, Kriegszeit, große Kälte und der Verdienst kümmerlich; zudem nahte die Zeit der Hausmiete, die zu dreißig Talern angelaufen war, und schon hatte der geizige Neidhardt mit Hinaus¬ werfen gedroht. Da ging die Frau noch einmal zu dem Hartherzigen; aber er kannte kein Erbarmen. Kniefällig, unter tausend Tränen bat sie um Geduld; sie hätten ja immer ehrlich bezahlt. Alles war umsonst. Es nahte der schreckliche Tag. Der Kummer hatte den Ernährer aufs Kranken- 32 bett geworfen. Kalte Lust drang durch die zerlöcherten Fenster und sechs unmündige Kinder standen um den kalten Ofen frierend, hungernd, weinend. Der Mutter wollte das Herz brechen. Der Vater aber sprach: „Gott hat gesagt: Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten und du sollst mich preisen. Kommt, wir wollen beten!" Der Vater betete inbrünstig, und als er Amen gesagt, leuchtete ein Strahl frohen Vertrauens ins matte Herz. Die Mutter aber ging nebst zwei Kindern hinaus auf den Zimmer¬ platz, Späne aufzulesen. Es war ein Heller Wintertag, ein kalter Ostwind blies mit schneidender Schärfe durch die dünnen Röcklein der Armen, daß sie zitterten vor Frost und Hunger. Zu eben dieser Zeit war Gellert seiner Gesundheit wegen ausgegangen und folgte im warmen Pelzrocke der Mutter und den Kindern nach. Die Kinder waren vorausgesprungen, die Mutter kam langsamen Schrittes nach und unter Hellen Tränen setzte sie sich auf einen Stein nieder. Gellert kannte Kummer und Not. Bei kärglichem Einkommen und dreizehn lebenden Kindern waren beide oft in seinem Vaterhause zu Gast gewesen. Darum ging er leise zu der Armen und fragte sie so herzinniglich nach ihrer Not, daß seine Worte ihr tief in die Seele drangen und sie all ihren Kummer und Jammer dem unbekannten Herrn mitteilen konnte: wie Neidhardt sie heute oder morgen zur Herberge hinauswerfen werde, wenn sie die dreißig Taler nicht zahlen könnten, und wie das ihres Mannes Tod sein werde und wie sie und ihre Kinder vor Hunger sterben müßten. „Frau," rief Gellert, „der Herr lebt noch, und wenn Ihr glaubt, werdet Ihr seine Herrlichkeit sehen!" Er befahl der Frau, ihm zu folgen, schloß zu Hause sein Pult auf, nahm dreißig Taler heraus und gab sie der Frau. Als die Frau vor Freude niederfallen und seine Knie um¬ klammem wollte, wehrte er ab und sagte: „Danket Gott, der Euer Gebet erhört hat; geht nun aber nicht früher als um elf Uhr zu Neidhardt, ihm das Geld zu bringen!" Gellert ging vor elf Uhr zu dem alten Neidhardt, der eben vor einem Tische mit Geld saß und es ungern hatte, daß er gestört wurde, ober einem so allgemein geachteten Manne gegenüber artiger sein mußte, als es ihm ums Herz war. Gellert sagte: „Herr Neidhardt, von Ihnen kann man gewiß viel Gutes lernen. Sie werden die Kunst verstehen, mit Ihrem Gottessegen wahrhaft wohlzutun." Der Geizhals war in Verlegenheit; denn gut deutsch sagte ihm sein Gewissen das Gegenteil und er wünschte den Professor über alle Berge. Gellert aber fuhr fort, von den seligen Freuden des Wohltuns so eindringlich zu reden, daß es dem Wucherer ganz warm ums Herz wurde. 33 Da schlug es elf und mit dem Schlage trat die arme Frau herein ut einem strahlenden Gesichte und rief: „Da bring' ich Ihnen die dreißig r aler und jetzt geben Sie mir auch das Brieflein wieder, das Ihnen mein todkranker Mann geschrieben, daß Sie uns nicht sollten aus dem Hause werfen." Dem Neidhardt war's, als stände er auf Kohlen, und er sagte: „Ach, es hätte nicht so geeilt; es war ja nicht so ernst gemeint. Ihr seht ja, daß ich jetzt Besuch habe; geht jetzt!" Unterdessen ergriff er init seinen knochigen Fingern die Rolle und schob sie in die Tasche. Gellert aber sagte halblaut: „Es sind dreißig Taler und es klebt kein Fluch daran." lind Neidhardt fühlte bei diesen Worten ein sonderbares Frösteln. Die Frau aber fuhr fort: „Ja, ja, jetzt sagen Sie, es sei Ihnen nicht Ernst gewesen. Gestern aber sagten Sie: Geld muß her, oder ich werf' euch mit eurem Plunder auf die Straße. Wir haben nicht geflucht; wohl aber gat mein Mann für Sie gebetet, daß Gott Ihnen das steinerne Herz weg¬ nehmen möchte, und heute morgens hat Gott unser Elend angesehen; als ich auf einem Straßensteine weinte, hat mich dieser gute Herr da gefunden und mir die dreißig Taler geschenkt." Gellert winkte, daß sie schweigen sollte; die Frau aber sagte: „Winken Sie nur; ich muß es sagen, sonst drückt's mir das Herz ab." Neidhardt wurde rot bis über die Ohren. Aber aus einmal nimmt er sich zusammen, gibt der Frau die dreißig Taler, streicht am Pult einen Posten durch und spricht: „Fran, Eure Schuld ist bezahlt, kaufet Brot und Pfleget Euern Kranken!" Und zu Gellert sprach er: „Vortrefflicher Herr, Sie können nicht nur schön schreiben, sondern auch schön handeln. Wir wollen zusammen zu der armen Familie gehen." Gesagt, getan. Und ins elende Stüblein schien ein Sonnenblick gött¬ licher und menschlicher Hilfe. Des Schuhmachers Gebet war erhört worden, denn Neidhardt tat der Haushaltung von dem Tage an viel Gutes. W. O. v. Horn. 37. Als ich um Hasenöl geschickt wurde. Im Jahre so und so viel hatten wir zu Pfingsten noch einen Kübel Schweinsfett vorrätig. Der Vater hatte ihn nicht verkauft, weil er meinte, die Mutter werde ihn zu Hause aufbraucheu, und die Mutter hatte ihn nicht aufgebraucht, weil sie glaubte, der Vater werde ihn ja verkaufen wollen. Und während dieses wirtschaftlichen Zwiespaltes war das Fett ranzig ge¬ worden. Jetzt hätte es die Mutter gern verkocht, allein so oft ein Sterz mit diesem Fett auf den Tisch kam, schnupperten die Knechte mit der Nase und sagten, Schusterschmer essen sie nicht. Es war aber kein Schusterschmer, es war ein echtes, reines Schweinsfett und das wußten sie auch und des¬ halb war es höllisch bösartig, daß sie solche Reden führten. Die Mutter Irisch und Rudolf, Lesebuch für Bürgerschulen. 34 war sonst ein sehr frohes und glückliches Weib; wenn aber ein Dienstbote über die Kost klagte, da wurde sie ganz verzagt und lud die anspruchs¬ vollen Knechte wohl auch ein, sich nur selber einmal zum Herde zu stellen und mit den vorhandenen Mitteln eine Prälatenmahlzeit zu kochen. Unter Prälatenmahlzeit verstanden wir nämlich nichts Schlechtes. Nun hatten wir zu dieser Zeit eine alte Einlegerin im Hause, die für alles einen guten Rat wußte. Sie war zwar auf beiden Augen blind, sah aber doch gleich, was da zu machen war. „Ein schlechtes Schweinschmalz hast, Bäuerin!" rief sie kecklich aus: „ranziges Schmalz kaufen sie nur noch in der Apotheke, sonst nirgends, dort aber gewiß!" Ja, die Apotheke, das ist wahr. Die hat im vorigen Jahre auch Gamswurzeln genommen und Arnikablumen und gedörrte Hetschepetsch, die nimmt alles, was schmeckt (riecht), die nimmt auch das Schweinschmalz. Und ich, der zwölfjährige Hausbub', bin hervorgesucht worden, um am Pfingstmontage zeitlich in der Früh das Kübelchen beim Henkel an den Stock zu hängen und so über der Achsel hinabzutragen nach Kindberg in die Apotheke. Und bei dieser Gelegenheit sollte ich auch etwas anderes besorgen. Da hatten wir zur selbigen Zeit einen alten Weber in der Einwohne, der nahm, wenn keine Arbeit war, oft den Kopf in beide Hände, brummte schier unheimlich vor sich hin und sagte dann zu dem, der just da war: „Mensch, ich werde ganz blöde. Just, als hätte ich ein Hummelnest im Kopfe, so tut's brummen, weiß der Ganggerl, was das ist. Immer einmal ganz dumm komm' ich mir vor, das ist mir jetzt schon zu dumm!" Da antwortete ihm nun auf einmal die alte Einlegerin: „Wenn du dumm bist, Hartl, so mußt du dir mit Hasenöl die Schläfen einschmieren." „Alte Dudl, woher soll denn ich ein Hasenöl nehmen?" fuhr der Weber auf. „In der Apotheke kriegt man's," lautete ihr Bescheid und so sollte ich nun für den Weber-Hartl um zwei Groschen Hasenöl einkaufen in der Apotheke zu Kindberg. Hasenöl? Geben denn diese Tiere auch Öl so wie der Leinsamen und der Rübs? Natürlich wird's so sein, denn wenn's kein Hasenöl gäbe, so könnte mau ja keins kaufen. Als ich nach langem Marsche gegen Mittag mit meinem Küblein in die lateinische Küche zu Kindberg kam, hieß es dort, Schweinssett brauche mau jetzt nicht und wäre es auch ganz frisch. „Es ist aber nit frisch!" versicherte ich, „es schmeckt schon!" Dann sollte ich nur in die Apotheke nach Bruck hinabgehen, meinte der Herr lachend; ich aber dachte: Wenn du mir kein Schweinsfett abkaufst, so kaufe ich dir kein Hasenöl ab — und machte mich auf den Weg. Daß 35 es aber so lange Straßen geben kann auf der Welt, wie dieser Weg war : Bruck! An beiden Seiten des Tales Berge nnd Gräben, das Wasser ünal rechts und dann links und dann wieder rechts; ein Dorf ums andere; les hatte einen Kirchturm, jenes keinen; in manchem Wirtshause gab es usik, in manchem Helles Geschrei; mancher Wanderer lallte taumelnd des eges dahin, mancher ruhte friedsam im Straßengraben — und immer fort. Allzumal muß auch erzählt werden, daß die Sonne sehr heiß schien d mein Schweinsfett hinter dem Rücken Fluchtversuche machte, wie später den Spuren auf meinem Rocke zu bemerken war. Bruck ist eine Stadt. Ich hatte noch nie eine Stadt gesehen. Ein lgereister Handwerksbursche hatte bei uns einmal erzählt, Wien, Paris 'd Bruck seien die größten Städte der Welt und in Bruck stehe das achte eltwunder, ein eiserner Brunnen. Auf dem Wege zu solchen Merkwürdigkeiten wird man nicht müde, re Sonne ging schon hinter den Berg hinüber, als ich mit meinem Küblein .;og in die große Stadt Bruck. Mein erstes war, nach dem eisernen unnen zu fragen, denn auf dieses Wunder war ich vor allem gespannt. .-clche Enttäuschung, als ans einem rostigen Gitterwerke ein Brunnen her- > srann, ganz wie jeder andere Brunnen auch — von Wasser und nicht von Eisen! Die Apotheke brauchte ich auch nicht lange zu suchen; stand doch der billige Josef mit dem Knäblein an die Tür gemalt und der steht, das wußte ich schon, immer bei den Apotheken. Da drinnen war ein altes, weiß- wvfiges Männlein mit einer Brille, die es dazu benützte, um ober- oder unterhalb derselben recht schalkhaft auf mich herzublicken, als ich mein Schweinsfett ausbot, das Pfund nm sieben Groschen. Er fragte, ob Safran in der Butten sei, worauf ich eine Weile tat, als besänne ich mich. „Na na," näselte das Herrlein, „wenn du deine Schmier nicht gern gibst, so geh nur gleich wieder!" Da ließ ich sie ihm ab. Er wog das Küblein mit einer unendlichen Gleichgültigkeit; das gab gerade drei Pfund, das Holz wie das Fett zahlte er für ein Pfund zu fünf Groschen. Der Kübel wurde in eine dunkle Nebenkammer getragen; leichten Herzens bin ich von ihm geschieden. Und nun um zwei Groschen Hasenvl! — Sollte in einer Viertelstunde wiederkommen. Ich war hungrig und durstig geworden, ging hinaus und suchte ein Wirtshaus. Es standen ihrer ein paar stattliche da umher, mit großen Fensterscheiben, durch die schneeweiß gedeckte Tische zu sehen waren. Ich traute ihnen nicht recht. Wenn andere gute Wirtshäuser suchen, so ist das ihre Sache, ich für meinen Teil suchte ein schlechtes, war mir wohl bewußt, was draufgehen durfte. Glücklich fand ich das gesuchte; die Stube war 3» 36 dunkel und voller Fliegen, die au deu braunen, klebrigen Holztischen herum- krochen; das halbe Seidel Wein war lau und kahmig, aber naß — und das genügte mir. Die Semmel von vorgestern war schon deshalb zweckmäßig, weil sie mehr ausgab als etwa eine von heute. Diese Genüsse verschlangen zu meinem nicht geringen Schrecken ein halbes Pfund Schweinsfett und ich — als der bloß nach Kindberg Geschickte — durfte über das Kapital nicht verfügen. Ich kehrte in die Apotheke zurück; dort gab es Leute. Ich hatte zu warten und setzte mich hinterwärts auf eine Winkelbank, von der aus schon zu sehen war, wie dieses ehrwürdige Geschäft betrieben wurde, um mit allerhand Mitteln die Leute gesund zu machen. Da kam jemand und ver¬ langte Fuchsschmalz. Das alte Männlein langte einen schwefelgelben Tiegel vom Gesimse, stach mit einem zierlichen Schaufelchen ein Batzlein heraus auf ein Papier und legte es auf die kleine Wage: „So, Vetter, da sind vier Quentlein Fuchsschmalz, kosten zwei Groschen." Hernach verlangte eine Frau Pillen. Eine andere bekam ein winziges Fläschchen. Ein Knabe begehrte Dachsfett als Mittel gegen den Kropf. Der Apotheker langte emsig nach dem schwefelgelben Tiegel auf dem Gesimse und gab, ähnlich wie früher, das Verlangte. Das fiel mir auf, er mußte sich vergriffen haben, in diesem Tiegel war doch das Fuchsschmalz. Hierauf wurden Pulver an¬ gefertigt und kleine Schächtelchen und Fläschchen allerlei. Ein altes Weib kam hereingehumpelt, beklagte sich über die Gicht und fragte, ob sie nicht eine Gichtsalbe haben könne. „Gewiß, liebe Frau!" sagte das Männlein, langte wieder nach den: schwefelgelben Tiegel und gab die Gichtsalbe heraus. Jetzt Hub dieser schwefelgelbe Tiegel auf dem Gesimse an, mir umheimlich zu werden. Weil die Zeit verging und ich immer noch nicht bemerkt wurde, so trat ich endlich aus dem Winkel hervor und bat um mein Hasenöl. „Ei ja, richtig, Kleiner. Du bist auch da. Du bekommst Hasmöl!" sprach freundlich das Männlein, nahm den Schwefelgelben vom Gesimse und stach mir gestocktes Hasenöl heraus. Noch hatte ich das kostbare Mittel, welches in ein ganz kleines Tiegelchen getan war, kaum geborgen in meinem verläßlichsten Rocksack und es redlich bezahlt, als wieder ein Frauchen zur Tür hereinkam und fragte, ob frisches Schweinsfett zu haben sei als Medizin? „Vollkommen frisch!" rief der Apotheker, „heute erst bekommen!" und stach aus dem schwefelgelben Tiegel Schweinsfett. Hierauf bin ich fortgegangen und habe gleich bei mir selber die Er¬ fahrung gemacht, wie heilsam so ein bißchen Hasenöl gegen die Dummheit ist. Fuchsschmalz, Dachsfett, Gichtpflaster, Hasenöl und Schweinsfett, alles 37 in einem Tiegel! Jetzt erst ist mir klar geworden, welch einen Schatz von köstlichen Arzneien ich in meinem Kübel aus dem Gebirge herabgeschleppt hatte. Als ich von der Bruckerstadt fortging, fielen die Schatten der Berge ;chon weit in das Tal hinein. Meine Füße hatten sich in schwerem Schuh- erk heißgegangen; auch das Atemziehen machte sich wichtig und es war, als ob mir jemand ein hartes Brett fest an die Brust gebunden Hütte. Nach Apel war es bloß noch acht Stunden. Weil es etwas langsam voran ging, so holte mich ein Fuhrwerk ein. Zwei klobige Pferde zogen einen roßen Bauernwagen, auf dessen Vordersitz ein Bursche, etwa in meinem Alter, kutschierte. Der Wagen selbst war fast leer. Er war mit Lärchen- taufeln nach Brnck zum Faßbinder gefahren, auf dem Rückwege hatte er einen Sack Feldbohnen und einen Stock Salz aufgeladen; daneben war noch reichlich Platz für einen einfältigen Buben, der am Leiblein ein paar müde Beine hatte, in der Tasche hingegen die Salbe für Dummköpfe, die -Scheit werden wollen. Ich war bereits so gescheit, um den Burschen auf oem Wagen anzurufen, ob er mich wolle aufsitzen lassen. „Wohin willst du denn?" fragte er fast vornehin von seiner Höhe herab. „Heimzu!" „So setz' dich auf, ich fahre auch heimzu." Bald war der Bohnensack mein Kopfkissen und der Salzstvck mein Schlafkamerad; der Fuhrmann schnalzte mit der Peitsche und es ging narrend voran. Viel weiß ich nicht von dieser Fahrt „heimzu". Einmal, als ganz zufällig die Augen aufgingen, sah ich kohlschwarze Baumzackeu in oen nächtigen Himmel aufragen, welche ganz unheimlich ächzten, knarrten und holperten, und dann wieder nichts. Als ich erwachte, na, da war etwas! Da lag ich auf dem Wagen unter einem alten Holzschupfen; um mich war ein Heller Tag und eine fremde Welt. Eine schreckbar fremde Welt! Der rauschende Bach mit der Mühle daneben, das gemauerte Haus mit einer breiten, braun angestrichenen Tür, der Anger mit den Pferden und solcherlei war mir seltsam genug, noch unheimlicher war etwas anderes. Dort hinter den Waldbergen stand breit und hoch etwas Weißes, Leuchtendes auf, fast ähnlich den mittägigen Svmmerwolken, wie sie sich am Sehkreise emporbauen, wenn's Nachmittags Gewitter gibt. Aber das stand so starr und ruppig und rußig da im Sonnenschein und von unten hinauf sah es aus, als ob blauende Wälder sich hinanzögen, von steilen, grauen Streifen überall unterbrochen. Und hoher oben war alles wie purer Stein, der zerklüftet und zersprungen ist. Und so war es voran oben und so war es rechts oben und so war es links oben und überall die ungeheure Höhe, daß mir schwindlig ward, als ich den Kopf so weit nach rückwärts bog, um hinauf zu schauen. Mein Lebtag 38 hatte ich derlei nicht gesehen. Zum Glücke kam nun mein junger Fuhrmann, der fragte mit lautem Lachen, ob ich gut ausgeschlafen habe. Vom Wagen gesprungen war ich schon; so rief ich nun voll Entsetzen: „Menscb, wohin hast du mich geführt?" „Heimzu!" lachte er, „da bin ich daheim." „Wie heißt's denn da?" „Da heißt's Tragöß," sagte er. „Und das da.droben? Was ist denn das?" „Die Berge meinst?" „Nit die Berge, was hinter den Bergen so steht, das meine ich." „Jeßtl!" lachte der Bursche und klatschte mit beiden Händen auf seine Knie, „das sind halt wieder Berge, da ist die Meßnerin, dort ist die Pribitzen und hier ist der Hochturm und du sollst jetzt ins Haus gehen Suppen essen." So habe ich an jenem Morgen das erstemal die hohen Felsenberge in der Nähe gesehen .und jene Gegend, aus der mir fünfundzwanzig Jahre später der Geist zu meinem „Gottsucher" aufgestiegen ist. Auf dem Tische der Hausstube, in die der Junge mich geführt, stand schon die dampfende Suppenschüssel mit weißem Brote. Ich wollte aber den Löffel nicht in die Hand nehmen; ißt du, so gehörst du ihnen, mußt da bleiben und weißt gar nit, wer sie sind. Von der Küche kam ein älteres Weib herein, das schlug die Hände über dem Kopfe zusammen, als es hörte, wie weit ich verführt worden war, und daß ich anstatt nach Krieglach im Mürztale nach Tragöß am Fuße des Hochschwabgebietes gekommen sei. „Jetzt mußt erst recht essen, Bübel, daß du nachher heimgehen magst." „Frau Mutter, wie weit hab' ich denn heim?" „Jetzt wart' einmal," antwortete sie und Hub an, an ihren Fingern die Ortschaften und die Stunden abzuzählen; „ihrer zwölf Stunden wirst wohl brauchen bis ins Krieglach hinaus. Bist aber schon ein rechtes Tschapperl! So fest schlafen! Mein Seppel hat's freilich nit wissen können, wohin du willst, und hat sich gedacht, 's wird eh recht sein ins Tragöß herein. Aber das ist jetzt schon ein Helles Kreuz. Mach' dir nur nichts draus, mein Wagen hat dich hergeführt und dein Schutzengel wird dich hinführen." Während sie mich so tröstete, war draußen in der Küche fortwährend ein klägliches Wimmern und nun kam der Seppel herein und berichtete, das Mentschl habe halt wieder gar so viel Zahnweh. „Was aber das Zahnweh für ein Elend ist!" rief das Weib; „jetzt leidet das Kind schon die ganze Nacht wie eine arme Seel' im Fegefeuer. Alles haben wir schon angewendet: heiße Tücher aufgelegt, kaltes Wasser 39 in den Mund getan, mit Rosenbuschbalsam ausgewaschen, Kalmusgeist hin¬ eingetropft, mit Salz eingerieben, einen Mariazeller Rosenkranz umgehängt, zwei Zehen mit einem Seidenfaden zusammengebunden, die Füße ins Ofen¬ loch gesteckt und sonst allerhand Sympathiemittel angewandt. Einen Kletzen hat's geholfen! Das arme Wesen schreit, als ob man's wollt' köpfen, und jetzt weiß ich nichts mehr. - Katherl, Katherl, du gutes, armes Kindel du! Wart' einmal, jetzt will ich dir Hühnermist aufs Gnack legen, das zieht's aus, das hilft, Katherl, wirst es schon sehen, das hilft!" Damit eilte sie wieder hinaus in die Küche. Das ganze Hausgesinde war zusammengeeilt um die Leidende, die nun neuerdings anhub, herzbrecherisch zu schreien: „Mein Zahn, mein Zahn! klhndl, mein Zahn tut mir so viel Weh!" „Laß nur Zeit," tröstete die Angerufene, „das Mittel greift halt an, atzt wird's bald besser sein, schau, bist ja mein liebes Katherl, du!" Auch ich war in die Küche hinausgegangen. Auf dem Herde, mit den Füßen im Osenloch, kauerte ein Dirndl, das ein so rundes, liebes Ge- nchtlein hatte, seine gefalteten Hände wie um Hilfe flehend an die rechte geschwollene Wange preßte und mich schrecklich erbarmte. Jedes im Hause mite schließlich noch ein Mittel gewußt, keins und gar keins hatte geholfen. Ein Mensch war zugegen, der behauptete, Dummheit wür's, die Zähne nicht ordentlich zu pflegen, und deswegen alleweil das Zahnweh! — Gott, wenn's wn der Dummheit kommt, da muß ja mein Hasenöl helfen! — Ans meinem tiefen Sacke zog ich das kostbare Tiegelchen hervor und aus meinem ge¬ scheiten Kopfe den guten Rat, mit diesem gestockten Hasenöl die geschwollene Wange einzuschmieren. — „Schaden wird's wohl doch nit; wenn's ein Hasenöl aus der Apotheke ist, kann's unmöglich schaden!" sprach die Gro߬ mutter und fettete das Dirndl ein. Nicht fünf Minuten, so rief die Kleine aus: „Ahndl, jetzt ist's gut!" und flink sprang sie vom Herde herab. Freilich ging nun meine Not an, denn alles Hasenöl wollten sie haben, ich sollt' nur sagen, was es kostet! Von ihren dringenden Bitten kamen sie erst ab, als das geheilte Dirndl erklärte, der Zahn sei so gut geworden, daß er gar nimmer weh tun werde, also konnte ich mein Öl wieder in den Sack stecken und sehen, wie man von Tragöß nach Krieglach- Alpel kommt. Unterwegs bedachte ich das Hasenöl. Wenn es beim dummen Weber- Hartl auch so heftig wirkt wie bei dem Zahnweh-Dirndl, dann geht er nut den drei Weisen aus dem Morgenlande als der vierte. Nach einer fünfstündigen Wanderung war ich beiläufig wieder dort, wo der müde Junge einen Tag früher in den Bauernwagen gestiegen. einem Gehöfte sprach ich vor und fragte, wieviel es an der Uhr und wie 40 weit es noch nach Krieglach sei, ob ich wohl den richtigen Weg habe. Die gründlichsten Auskünfte haben sie gegeben, jedoch, ob ich etwa einen Löffel Suppe möchte, das fragte niemand. Unter einem Kirschbaume lag ein Mensch und wimmerte vor Kopfweh; alsogleich wollte ich mein Mittel anbieten, jedoch ein Weibsbild behauptete scharf und stramm, das Kopfweh sei in der vorigen Nacht in einem Wirtshause eingekauft worden, und vor dem Abende gebe es gar kein Mittel; am Abende aber werde dieser Kopf schon von selber gut, hingegen dürften nachher dem, der ihn trägt, die Backen weh tun! Eine Handbewegung des Weibes hat das undeutliche Wort sehr klar gestellt. Unterwegs nach Krieglach lud mich ein Flossenführer (Roheisenführer) ein, auf seinen Eisenschollen Platz zu nehmen; ich besorgte, auch der möchte mich „heimzu" führen in die Stanz oder in die Veitsch oder sonstwohin, wollte daher ablehnen. Der Fuhrmann kannte mich aber und sagte, daß er über Alpel nach dem Rettenegger Hammer fahre — ja das war freilich eine Schickung Gottes. Gelegen bin ich mein Lebtag schon weicher als damals auf den Eisenflossen, geschlafen habe ich aber selten besser. Richtig hätte ich mich jetzt auch an Alpel vorbei bis weit hinüber ins Rettenegg geschlafen, wenn ich von meinem Führer nicht abgesetzt worden wäre beim Heidenbauern-Törl, nahe bei meinem Daheim. Um Mitternacht kam ich zu Hause an. Sie waren ein wenig in Spannung und schliefen noch nicht. „Wir haben schon gemeint, der Kind¬ berger Apotheker hat zum Schweinschmalz dich selber als Draufgab' ge¬ nommen," sagte der Nater; das war Spaß. Dem alten Weber-Hartl jedoch war etwas ganz anderes eingefallen. Er erinnerte sich, einmal gehört zu haben, daß die Apotheker jährlich ein Menschenkind abtäten, um daraus eine ganz besondere Medizin für ganz besondere Krankheiten zu gewinnen. Es war wohl die höchste Zeit für den alten Hartl, daß ich mit dem Hasenöl heimkam. Erst steckte er seine Nase ins Tiegelchen. „Scharf schmeckt's, das wird schon angreifen," murmelte er; „es brummt eh schon wieder so viel im Kopfe." Mein Vater roch auch und schaute mich grauenhaft streng an. Ich hatte nie begriffen, weshalb die Apotheker auf jeden Tiegel, den sie verkaufen, einen Zettel mit ihrem Namen und Wohnort kleben. Jetzt ward es mir klar; ohne diesen Zettel aus dem Tiegelchen hätte man es mir daheim niemals geglaubt, daß ich mein Hasenöl nicht aus dem Schweinfettkübel genommen, sondern aus der Apotheke zum heiligen Josef in Bruck. „Hat er's genommen, woher immer," rief der alte Weber hochgemut aus, „wenn's nur hilft!" und begann sich gleich die Stirn einzureiben mit dem Hasenöl. 42 40. Der Specht und die Taube. Der Specht und die Taube flogen eben von einem Besuche zurück, den sie bei dem Pfau gemacht hatten. „Nun, wie hat dir heute der Pfau gefallen?" fragte der Specht. „War er dir nicht auch recht widrig? Und wie stolz ist er! Ich möchte nur wissen, worauf er sich so viel einbildet. Doch wohl nicht gar auf seine Füße? Hast du nicht bemerkt, wie unförmlich diese sind? Auch auf seine Stimme kann er sich- nichts zu gute tun. Etwas Häßlicheres und Unerträg¬ licheres ist mir noch gar nicht vorgekvmmen. Habe ich nicht recht?" Die Taube aber antwortete ganz unbefangen: „Ich gestehe, ich habe auf dies alles nicht achtgegeben: denn ich mußte immer seinen Kopf, die Schönheit seiner Federn und seinen majestätischen Schweif bewundern." So sieht der edle Mensch an seinem Nächsten immer nur das Gute und vergißt darüber gern kleine menschliche Gebrechen. W. Grimm. 41. Der Knabe und die Schlange. Ein Knabe spielte mit einer zahmen Schlange. „Mein liebes Tierchen," sagte der Knabe, „ich würde mich mit dir so gemein nicht machen, wenn dir das Gift nicht genommen wäre. Ihr Schlangen seid die boshaftesten, undankbarsten Geschöpfe. Ich habe es Wohl gelesen, wie es einem armen Landmanne ging, der eine, vielleicht von deinen Ureltern, die er halb er¬ froren unter einer Hecke fand, mitleidig aufhob und sie in seinen erwär¬ menden Busen steckte. Kaum fühlte sich die Böse wieder, als sie ihren Wohltäter biß, und der gute, freundliche Mann mußte sterben." „Ich erstaune," sagte die Schlange: „wie parteiisch eure Geschicht¬ schreiber sein müssen! Die unsrigen erzählen die Geschichte ganz anders. Dein freundlicher Mann glaubte, die Schlange sei wirklich erfroren, und weil es eine von den bunten Schlangen war, so steckte er sie zu sich, um ihr zu Hause die schöne Haut abzustreisen. War das recht?" „Ach, schweig nur!" erwiderte der Knabe. „Welcher Undankbare hätte sich nicht zu entschuldigen gewußt!" „Recht, mein Sohn," fiel der Vater, der dieser Unterredung zugehört hatte, dem Knaben ins Wort. „Aber gleichwohl, wenn du einmal von einem außerordentlichen Undank hören solltest, so untersuche ja alle Um¬ stände genau, bevor du einen Menschen mit einem so abscheulichen Schand¬ flecke brandmarken lässest. Wahre Wohltäter haben selten Undankbare ver¬ pflichtet; ja, ich will zur Ehre der Menschheit hoffen — niemals. Aber die Wohltäter mit kleinen, eigennützigen Absichten, die sind es wert, mein Sohn, daß sie Undank statt Erkenntlichkeit ernten." 43 42. ver olk iluk «lem loleirbette. Dsr ^Volt' la^ in člen letzten 2üAsu uucl soliiollts einen ^rü- -näsn Llioll n us sein vmAanvenss Lsl.km ruiüoL. „Ivb bin ü-silioll in Iiindor," sa^to sr; .,al>sr dooll, llnlls ied. I< einer von äsn AröLtsn. eli lmbö Loses Aetsn: aber aueü visi Outss. Liumal, erinnere iel« nioli, Lam inir ein blöLkndss Lamm, vslvllss stell von dsr Herds ei irrt llatts, so nalle, (in6 iell ss Aar leieilt llätts viirAen Lennen; urä iell tat ünn uiollts. 2n sllsir disssr 2sit llörts iell die 8xötts- 'eien und 8ei>niüLnneen eines 8e!iabes init der lle «v un d er u u ^s« v nrcilösten dsiellAüIti^llsit an, ollsellon iell Irsius sellütrenden llunde rrn tu regten Iiatts." „Lud das alles llann iell dir bexsuAen/' Lei illm Lreund Luells, 4er illn -nun Lods bereiten llalk, ins 'Mort; ^äenn iell erinnere mioll oell Ag,r ^volll aller Lmstäads dallsi. Ls v^ar 2n eben 6er Xeit, als !n an dein Leine so sämmsrliell vrnr^tsst, «las clir cler ^utllsr^iAs lvraniell llsrnaell ans dem 8elllunds 20A.^ 0 x 43. Der Geizige. „Ich Unglücklicher!" klagte ein Geizhals seinem Nachbar. „Man hat mir den Schatz, den ich in meinem Garten vergraben hatte, diese Nacht entwendet und einen verdammten Stein an dessen Stelle gelegt." „Du würdest", antwortete ihm der Nachbar, „deinen Schatz doch nicht genutzt haben. Bilde dir also ein, der Stein sei dein Schatz, und du tust nichts ärmer." „Wäre ich mich schon nichts ärmer," erwiderte der Geizhals; „ist ein anderer nicht um so viel reicher? Ein anderer um so viel reicher! Ich möchte rasend werden." G. E. Lessin». 44. Der Besitzer des Bogens. Ein Mann hatte einen trefflichen Bogen von Ebenholz, mit dem er sehr weit und sehr sicher schoß und den er ungemein wert hielt. Einst aber, als er ihn aufmerksam betrachtete, sprach er: „Ein wenig zu plump bist du doch. Alle deine Zierde ist die Glätte. Schade! Doch dem ist abzu¬ helfen!" fiel ihm ein. „Ich will hingehen nnd den besten Künstler Bilder in den Bogen schnitzen lassen." Er ging hin und der Künstler schnitzte eine ganze Jagd auf den Bogen. Und was hätte sich besser auf einen Bogen geschickt als eine Jagd? 44 Der Mann war voller Freuden. „Du verdienst diese Zieraten, mein lieber Bogen!" — Indem will er ihn versuchen, er spannt und der Bogen — zerbricht. G. E. Lessing. 45. Die beiden Äxte. Ein Zimmermann ließ seine Axt in einen tiefen Strom fallen und bat den Flußgott inbrünstig, er möchte ihm, da er arm sei, wieder dazu verhelfen. Der Flußgott war so gnädig, stieg auf und brachte eine — goldene Axt zum Vorschein. — „Das ist die meine nicht!" sprach der Zimmermann ganz gelassen. — Der Geist tauchte von neuem unter und laugte eine silberne hervor. — „Auch diese gehört mir nicht!" sprach der Arme und zum drittenmal langte der Flußgott eine Axt von Eisen mit einem hölzernen Stiel heraus. — „Das ist die rechte! Das ist sie!" rief der Arbeitsmann fröhlich. — „Gut! Ich sehe, du bist ebenso wahrhaft und ehrlich wie arm," sprach der mitleidige Geist. „Zur Belohnung nimm alle drei mit!" Die Geschichte war bald in der ganzen Gegend bekannt geworden. Ein Schalk, der sie erfahren, nahm sich vor zu versuchen, ob auch gegen ihn der Flußgott so mildtätig sein werde. Er ließ seine Axt mit Willen in den Strom fallen, flehte zum Flnßgott und hatte das Vergnügen, ihn aussteigen zu sehen. Er klagte ihm seinen Verlust und der Geist brachte, wie ehemals, eine goldene hervor. — „Ist sie das, mein Sohn?" — „Ja, ja, das ist sie!" antwortete der Lügner und griff schon danach. „Halt, Nichtswürdiger!" donnerte nun die Stimme des erzürnten Geistes. „Glaubst du, denjenigen zu hintergehen, der bis ins Innere deines Herzens blicken kann? Zur Strafe deines Lugs und Betrugs verliere auch dasjenige, was bisher dein war!" Und ohne Axt mußte er nach Hause wandern. Alfred Meißner. 46. Herkules um Kelleiäe^v e^e. Dsr Töni^ssolln lcksrkulss war äsr bsrüllintsstö Dslct in Orisollsn- lauck. 8vbon iu ckor krüllsstsn Tinckllsit Mi^ts sr eins auksroräont- liolls Kratt. Hs sr kaum aobt lVIonats alt war, kamen ^wsi 8okIanAsn an clis (les ssblummsrnäsn Tinäss, uni es ?u töten. 8vkon ün^sn sie an, ssinsn Hals rm umstrisksn; cla srwaskts ss mit sinsm 8ellrsi unck risbtsts ssinsn tvopl aut. Das unAswobnts lllalsbanü war ikm unbsgusm. Da Aal> cksr Tnaks clis srsts Urobs ssinsr Trakt; sr srAritk mit z'säsr Danck eins 8oklanAS ain Osnisk null srstioüts ckis bsiäsn mit sinsm sin^i^sn Druok. 45 Der fuuAS NsrXuiss wurcks von vorLügimimn Oslirsrn nutsr- iobtst. Xiumal vsrginA sr sivi» ASZsu einen äsrssibsn ssbr soiiwsr: ni' küraü' wurcks ee vom I!e!'e suiksrut mili aul ckas l .a n«! ^e>eiiivlcl. . o er ckis icksrcksu wsiäsu mukts. ^.uk cksm Oanäs wuolls cksr Xuabs n einein llräktiAvu Nauus bsrau. ^.is er einst, in Oeäsulcen versnnlren. in einer einsnmen OsAvnck unli erstreikte, Irarn er an einen Lsbsicksws^. Xr wullts nioiit, wslvlls iiektunn gr smseickaMu sollte. i)a orseliienen iliin plötz.Iieli Livvi rnuennostnlteii. Oie eins war ssiir sebvu nnä vsrsxrnsli cksm fuu^su ilauns äss llövllsts 6lüolr, wsun er ilir kolZe. „^Vsr bist cku?" rnZte OsrXnlss. „Neins ikrsuucks nennen misll ckas VsrAntiAsn. ni eine keincle ckas Xsster,^ Antwortete sie iävüsluck. Ois auckvrs war nislit so sollön; airsr iln- ^.utlitL Isuslltsts in bimmiissllsm OiauLs anck rnit idrsn Xlarsn ^.nZsn sair sie cksu Nnnn ernst rmck ckooll krsuuck- ieli an. Das war ckis XuASnck. ,, ^Voliin kiilirst äu mioll?^ spravil Ilerknlss xn ilir. „Isli külire ckisii in Arbeit uncl Oskalirsn; aller isb vsriisills clir Xlire rmck sviAvu Rninn, wenn cln inir kolbst." ! lerleules stisü ckas Oastsr LurüsU uncl reielite seins klanci cksr Xn^sncl. iiisss külirts ilin rauiis Ukaäs rmck prnkts seins Xrakt; Aber sis inAvilto ilin Anvil Lum srsten iisicksu ssines VoUrss. t'. Lselc. 47. Ein Batcr an seinen Sohn. Während du, mein liebes Kind, dich da draußen hernintuminelst nnd ich dich fort und fort weisen und warnen soll: Klettere dort nicht hinan! Spring nicht in den Bach! Iß von jenen Beeren nicht! Wirf die Steine nicht ins Fenster! Necke den Hund nicht! — sitze ich hier im Gartenhäuschen und sinne nnd schreibe. Du ahnst es nicht, mein Knabe, an wen ich schreibe und was ich schreibe. Neben mir steht ein Unsichtbarer, der mahnt mich: Bestelle dein Haus! — Mein kleines Haus, das ist bestellt, vielleicht gedeiht's, vielleicht zerfällt's, für deine Zukunft und dein Glück hat das nicht viel zu bedeuten. Diese Zukunft aber ist es, die mich mit Sorgen erfüllt, die mir das Scheiden so schwer macht. Du hast ein fröhlich Blut, du hast ein weiches, empfängliches Gemüt. Es werden die gefährlichen Jahre kommen, die blinden Neigungen, die schlimmen Wünsche, die falschen Freunde und vor allem - wie ich dich kenne — die unendliche Vertrauensseligkeit zu allem, was dir schmeichelt. Ich werde nicht mehr bei dir sein, jedoch will ich dir eine Schrift hinterlassen, in welcher ich nach meiner besten Erfahrung und Einsicht noch auf eine Wegstrecke dein Weiser und Ratgeber sein will, wenn auch die Hand, die sie geschrieben, schon im Grabe modert. 46 Du wirst, mein Kind, auf deiner Lebensreise kaum einen Menschen finden, der es mit dir so gut meint, gewiß aber keinen, der es mit dir besser meint als ich, dein Vater, der in dir fortleben möchte auf dieser schönen Welt, der in dir ihre reinen Freuden genießen, der in dir und deinen Kindern aber auch die große Arbeit und Aufgabe der Menschheit weiterführen und lösen helfen möchte. — In deinem Knabenalter wirst du's noch nicht ver¬ stehen, wie ich das meine; das jedoch mußt du dir schon in dieser Zeit vor¬ nehmen und einprägen: Ich will ein braver Mann werden. Die Knaben¬ zeit ist aber so gefährlich, daß der Junge, welcher keine Eltern, sondern gleichgültige Erzieher oder einen saum¬ seligen Vormund hat, fast sicher in die Irre, ins Verderben geht. Die Kna¬ benzeit ist wie ein kleiner, freier Anger im finstern Walde. Von diesem Anger gehen zahllose Wege hin nach allen Seiten. Mancher derselben sieht sich vom Anger aus glatt, breit und eben „ an: spater jedoch wird er stell, steinig, Petex Roseqger. (Photogr. L. Bude, Graz ) - ' "zerrißen und verlauft sich m der Wildnis. Ein zweiter Weg gibt sich vom Anger aus wie ein enger, rauher, halbverwachsener Fußsteig; später weitet er sich, leitet allmählich hinan zu Höhen, führt aus dem Walde fruchtbaren Gegenden zu. Ein dritter Weg ist ganz verwildert und verwachsen und muß erst mit Mühe ausgehauen und gebahnt werden, und zwar nach einer Richtung hin, die zu einem Ziele führen kann. Die Wahl eines Weges ist die Berufswahl. Der Knabe, wenn er sich frei weiß, wird von all diesen Wegen — keinen wählen, sondern sich auf dem grünen Anger herumtummeln, solange es geht. Zur Wahl genötigt, wird er sich wahrscheinlich dem breiten, glatten Wege zuwenden, auf den die Mehrzahl geht und untergeht. Mein Sohn, wenn du auf dem Wendepunkte stehen wirst, so hast du dich zu fragen: Wo bin ich und wohin will ich? Was will ich werden? Was kann ich werden? Suche ein gutes Ziel, aber schaue zuerst dich an! Willst du auf einem hohen Berge sein, so prüfe deine Füße, ob sie dich wohl hinanftragen können. Die Vorliebe für einen Stand allein darf nicht entscheidend sein; erst wenn du deine Fähigkeiten kennst, wirst du wählen. Vor allem, weiche nicht der 47 Arbeit aus, scheue dich vor körperlicher Arbeit nicht; diese Scheu hat schon lausende und Tausende ins Elend gejagt. Alles, was hoch hinaus will, ist leichtes Ding. Das Feuer bleibt nützend und wärmend auf dem Herde, der Rauch steigt über die Dächer auf. Mich gelüstet es nicht, mein Kind, einen Minister zum Sohne zu haben, den das Ansehen, das Einkommen und der hohe Ruhegehalt bewogen haben, ein Volk regieren zu wollen. Aber mich gelüstet's z. B., einen braven Landwirt oder einen tüchtigen Gewerbs¬ mann oder einen gewissenhaften Lehrer zum Sohne zu haben, der seine Stelle ausfüllt, in derselben sich genügt und somit seinen redlichen Teil zur Weiterschiebung der Welt beiträgt und ein anspruchsloses, zufriedenes Leben führt. Wie du, mein Sohn, seelisch bisher herangewachsen bist, so liegt die Gefahr nahe, daß du dich dem Künstlertume zuwendest. Das wäre nun wohl das größte Gut, womit dich der Himmel begnaden könnte. In keineni Stande liegt so sehr der Brennpunkt des Lebens; in keinem Stande brennt sich die liebesinnige, vom Drange nach Schönheit und Glück gesättigte Menschenseele so rein und mächtig aus wie im Künstlertume. Kein Beruf sonst ist im stände, das Herz mit einer solchen göttlichen Genugtuung zu lohnen wie das Künstlertum. Und doch! Wenn du hinschaust über die Künstlerwelt, so wirst du wohl manche Gestalten stolz emporragen sehen; aber du wirst nicht erblicken die Hunderte von Verkommenen, Verlorenen, sogenannten Verkannten, die sich vergebens an der Hand des echten Künstlers auszurichten suchen, weil sie innerlich haltlos sind, und die ihres Geschickes fluchen. Auf Hunderte von solchen bedauernswerten Menschen, die im Wahne leben, Talente, Genies zu sein, in diesem Wahne anstatt dein Ruhme der Lächerlichkeit anheimfallen, auf Hunderte von solchen kommt ein einziger Künstler. Vielleicht, mein Sohn, hast du einmal das Unglück, ein leid¬ liches Gedicht zu schaffen. Alsogleich sind Leute da, die nach Gelegenheit suchen, sich aus irgend welcher Ursache bei dir cinzuschmeicheln. Diese loben dein Werk über die Maßen und sagen sogleich, daß ein großer Dichter in dir stecke; und wirst dn nicht von allen gebührend anerkannt, so sei nur der gelbe Neid daran schuld. Du wirst, mein einfältiger Junge, solche Schwätzer für deine besten Freunde auf der Welt halten, wirst deine Studien vernachlässigen und poetisieren und vom Ruhme träumen. Je eher und empfindlicher dir dann die erste Enttäuschung kommt, desto besser ist es für dich. Du wirst dich wieder zurecht finden, deinen Pflichten neuerdings nach¬ kommen, deine Torheit belächeln und deine wohlrednerischen Freunde ver¬ achten. Was mit der Feder, dasselbe kann dir auch mit dem Stifte, mit dem Pinsel geschehen. Die Schauspielkunst ist für körperlich gut Geartete nicht minder verlockend und überaus gefährlich. Im gewöhnlichen Falle 48 em Mißerfolg, ein armseliges Vagabundenleben, ein lautloses Untergehen. Im guten Falle ein brauchbarer Schauspieler, ein friedloses Leben voll Hoffnung, Ränke, Kämpfe, Enttäuschung. Im besten Falle ein ausgezeich¬ neter Künstler, ein Leben voll Lärm und Aufregung, gequält von Ehrgeiz und innerem Unbefriedigtsein, und ist es aus : „Dem Mimen (Schauspieler) flicht die Nachwelt keine Kränze." In der Musik ist die Gefahr verhältnis¬ mäßig am geringsten, weil sie größere Studien fordert, also für die Jugend nicht so verlockend wirkt wie die leicht zu handhabende Feder, der flunkernde Pinsel und die Maske des Schauspielers. Und selbst wenn du, mein Sohn, eine innere Stimme hörst, die dir zürnst, daß du eine Künstlernatur seiest, so glaube ihr nicht sofort! In der Jugend hört man verschiedene innere Stimmen, die nichts taugen. Wende dich den Künsten zu, ehre sie, pflege sie, da hast du recht; besser kannst du deine freie Zeit nicht anwenden, als dich mit schönen, geistklärenden und herzveredelnden Künsten abzugeben, das macht dich zufrieden und heiter für dich und liebenswürdig für andere. Anstatt der Spielkarten das Buch, anstatt der Zigarre den Griffel, anstatt des Wirtshauses das Theater, den Konzertsaal, das gefällt mir, mein Knabe, das gefüllt mir immer — wohlgemerkt, für deine freie Zeit. Jedoch, die Berufsstndien über alles! Und wenn dir alle Welt sagt: Du kannst ein großer Künstler werden, so werde ich dazusetzen : Das freut mich, mein Sohn. Aber für alle Fälle: Studiere für einen praktischen Zweck oder Berns! Selbst bei Königen und Kaisern ist es der Brauch gewesen, daß sie vor ihrer Thronbesteigung ein Handwerk lernten; und das soll keiner vergessen: Wer sich nicht mit seinen zwei Händen das Brot aus dem Boden gräbt, für den müssen es zwei andere Hände tun. Ist ein wirklicher Künstler in dir, so läßt er sich nicht um¬ bringen und später, wenn du auf festem Fuße und Boden stehst, kannst du ihm zu seinem Rechte verhelfen. Wenn du die Lebensgeschichte der großen Männer betrachtest, so wirst du finden, daß die allermeisten von ihnen für ihren Genius durch Brotstudien einen guten Grund gelegt haben Und strebe, mein Kind, eine Sache niemals ihrer Ehren wegen an! So wie eine Frömmigkeit nichts taugt, die dich nicht gleich beseligt, so wenig frommt ein Künstlerstreben, das nur dem Glanze nachjagt. Wenn dn deine Kunst so sehr lieb hast, daß du bereit bist, dich für sie kreu¬ zigen zu lassen — denn bisweilen werden Künstler wirklich gekreuzigt! — dann bleib bei ihr, dann bist du ihr Erkorener! Peter Rosegger. 49 48. UremistoDIes als .sünZIinr;. Ikemistokles war von Aerin^er Herkunft, über sckon als sissn müssen genügend gekaut werden. ^Vakrencl dss Lssens soll man niokt viel trinken, es würde dadurok die Verdauung kseinträoktigt. ttsi der Bereitung der 8peis6n ist aut die größte Leinliokksit 2U aoktsn. Xur ganx reines, klares, kükles Drinkwasser okne Darks und okns Oeruok ist dsr Oesundkeit ^u- trügliok. Dis trisoke, rsins Dutt ist dsm Llensoken so notwendig wie 8peiss und Vrank. Nan muk daksr daraut aoktsn, dak dis Dutt in den Vkikn- und Loklaträumsn rookt ott ernsuert werde. 8onnige IVoknullgen sind vor^uLsken. Dio i^rksit sokenkt dsm Ltsnsoksn klükonde Oesundkeit und langes Dsksn. Laok dsr ^.rkeit kedürtsn wir dsr Lrkolung. „Das näkrsndsts Osriokt beim Dsst dos Dskons ist,^ wie Oootks sagt, „dsr 8oklat/ dsr jene Kräfte des Körpers wiederkerstellt, welolie durok die De wog un g oder dis Krksit verloren gsgangsn sind. Dttr dsn 8ok!at ist dis Laokt ksstimmt. Kindsr sollen 10—12, Krwaoksono 6— 8 8tundsn soklatsn. 70 Km' in sinom Assuväsll Xöi's>6>- ivnlmt ein Krssuuäsr Osist und nur sin ^ssunäsr Llousoli kann vuiirllatk Alüaüliaii ssiri. v. II. liollk. 63. Pfleget die Zähne! Die Wichtigkeit guter Zähne wird von vielen Menschen leider erst dann erkannt, wenn sich die Erkrankung derselben in der unangenehmsten Weise bemerkbar macht. Die Zähne sind nicht nur beim Sprechen, sondern auch bei der Ernährung von der größten Wichtigkeit. Gut gekaut, ist halb verdaut. Die Zähne leiden am meisten durch die Zahnfäule, welche durch die zwischen den Zähnen und in den Vertiefungen der Backenzähne zurück¬ bleibenden Speisereste entsteht Anfangs zeigt sich an dem Zahne ein graues Fleckchen, das gewöhnlich nicht beachtet wird, da die auf diese Weise beginnende Erkrankung des Zahnes noch keine Schmerzen verursacht; diese stellen sich erst dann ein, wenn das Übel weiter vorgeschritten ist. Es gibt viele Menschen, die sich auch jetzt noch nicht entschließen können, den kranken Zahn durch einen Zahnarzt plombieren zu lassen. Will man die Zähne lange gesund erhalten, so ist eine peinliche Sauberkeit unerläßlich. Diese Pflege muß schon in der frühesten Jugend beginnen. Nichts niitzt den Zähnen mehr als fleißiges Bürsten; dies gilt für jedes Lebensalter. Die Zähne müssen am Morgen, ferner nach jeder Mahlzeit, besonders nach dem Mittag- und Abendessen, also auch vor dem Schlafengehen auf das sorgfältigste gereinigt werden. Wenn ein Zahnpulver verwendet wird, so muß es sein zerrieben sein. Sauer schmeckende Behelfe sind zu vermeiden, denn jede Säure schadet den Zähnen. Wie der Genuß sehr heißer und sehr kalter Speisen und Getränke schon dem Magen äußerst nachteilig ist, so schadet er auch den Zähnen in hohem Grade; denn durch den Temperaturwechsel wird das feste Email des Zahnes rissig, die Zahnfäule beginnt. Vermeide es ferner, mit spitzigen Gegenständen, mit Nadeln, Messern und Gabeln in den Zähnen zu stochern! du könntest das Email der Zähne beschädigen und die geringste Verletzung führt allmählich zur Verderbnis des Zahnes. Schöne, gesunde Zähne sind nicht nur eine Zierde des Menschen, sie sind auch eine Vorbedingung seines Wohlbefindens. Schütz. 64. Die Krone des Alters. Wen der Schöpfer ehrt, warum sollten den nicht auch die Menschen ehren? Auf des Verständigen und Tugendhaften Haupte ist graues Haar eine schöne Krone. 71 Drei Greise feierten ihr Jubelfest und erzählten ihren Kindern, wie sie alt geworden. Der eine, ein Lehrer und Priester, sprach: „Nie kümmerte mich, wenn ich zu lehren ausging, die Länge des Weges; nie schritt ich anmaßend über die Häupter der Jugend hinweg und hob die Hände nie zum Segen, ohne daß ich wirklich segnete und Gott lobte; darum bin ich so alt geworden." Der andere, ein Kaufmann, sagte: „Nie habe ich mich zum Schaden meines Nächsten bereichert; nie ist sein Fluch mit mir zu Bett gegangen und von meinem Vermögen gab ich gern den Armen; darum hat mir Gott die Jahre geschenkt." Der dritte, ein Richter des Volkes, sprach: „Nie nahm ich Geschenke; nie bestand ich starr auf meinein Sinne; im Schwersten suchte ich mich jederzeit zuerst zu überwinden; darum hat mich Gott mit meinein Alter gesegnet." Da traten ihre Söhne und Enkel zu ihnen heran, küßten ihre Hände und bekränzten ihre Häupter mit Blumen und die Väter segneten sie und sprachen: „Wie eure Jugend, so auch euer Alter! Eure Kinder seien euch, was ihr seid, auf unserem greisen Haare eine blühende Rosenkrone!" Das Alter ist eine schöne Krone; man findet sie nur auf dem Wege der Mäßigkeit, der Gerechtigkeit und Weisheit. Johann Gottfried Herder. 65. Po«1 und 8olil:tt. Lrüdsrliob nmsoittnn^on durobrvandsltsn dsr bmg-ol dss 8oldnm- msrs nnd dsr DodsssnAsl dis Drds. küs rvar ^.bsnd. 8is la^srtsn siob aut sinom Idn^ol, niobt lern von dsn ^Vobnnnxsn 6er LIsnsobsn. Lino rvsbmntiAs 8ti!io vndtsts ringsum bsr; auob das H.bsndAlöoblsin im ksraon Dörkloin vsrstummts. 8tiII uuä soknvsiAsnd, vno ss ibrs ^Vsiss ist, satZsn dis bsidon vobltLti^sn Dsnisn äse bksnsobbsit in trauliobsr Dmarmuno; nnd sobon nabsts dis ibaobt. Da srbob siob dsr Ln^sl dss 8oblummors von ssinsm bsmoostsn Da§sr und 8t rento mit Isissr klanci dis nnsiobtbarsn 8ob1nmmsrbörnlein. Dio tt.bsnd- vinds trnAsn sis s.u dsn stillon VKobnnnKsn «los mirdsn Dandinanns. ikknn umüllA dsr 8obkat' die klorvobnsr dsr ländliobsn Ikütts, vorn Drsiss, dsr am 8tabs §sbt, bis sm äsrn 8änxlinA in dsr VVis§s. Dor Lranlrs verhak seiner 8obmor2sn, der Drausrnds soinos Ivnmmsrs, dio ttrnrut ibrsr 8or^sn. ttilor ^.NKSN soblosssn siob. — -kot^t, naob vollsnästsm Dssobätts, sst/tts siob dor vobltäti°;s LnAsI dos 8oblnininsr8 rviodsr su soinoin ornstsron Lrudsr. „^Vsnn dis NorAgnröto srrvaobt," risk sr mit trobliobor Dnsobuld, „dann prsissn miob dis Llonsobsn 72 als illrsn Drsund und ^Vollltätsr! 0 ss ist süll, unAsssllsn und llsirnlisii. volllrutnn! ^Vis Alüokllioli sind vir nnsiektllarsit Lotsn dss Anton Dsistss! V8s scdion ist unser stiller Lsrat!" 80 sprasll der trsundiisbs lÜUAsl des Lsblumrnsr.s. — Ilm soll der Dodsssn^sl mit stiller ^Vsll- inut an und eins ll'räns, vis dis llusterblislien sie vsinsn, trat in sein Arokss, dnnlclss ^uZs. ,,/Veli," spraeli sr, „dall isll niollt vis du dss tröllliollsn Dankes misll Irenen kann! lVIielr nennt die lülrde iliren Dsind nnd Drsudsostörsr!" „0 mein kruder," ervidsrts der lKnAkl des 8vlilutk!s, „vird niellt ausll keim Drvasllsn der Oute in dir ssinen Drsnnd nnd VVoldtütor erkennen nnd (lankkar dieli seinen? Lind vir nielrt krndsr und Loten eines Vaters?" 8o s^raoli sr. Da Alanxts das Vuge des DodessnAsls nnd ^ärtlielier nmtinAsn sieli dis Lrnderlielisn leinen. I-Neein L.äoir n r u IN IN u e een 66. Aus Wolfgang Goethes Jugendjahrcn. Gewöhnlich hielten wir uns in allen unfern Freistunden zur Gro߬ mutter, in deren geräumigen Wohnzimmern wir hinlänglich Platz zu Mi¬ seren Spielen fanden. Sie wußte uns mit allerlei Kleinigkeiten zu be¬ schäftigen und mit allerlei guten Bissen zu erquicken. An einem Weih¬ nachtsabende jedoch setzte sie allen ihren Wohltaten die Krone auf, indem sie uns ein Puppenspiel schenkte und so in dem alten Hause eine neue Welt erschuf. Dieses unerwartete Schauspiel zog die jungen Gemüter mit Gewalt an sich; besonders auf mich machte es einen sehr tiefen Eindruck, der in eine große, langdauernde Wirkung nachklang. Die kleine Bühne mit ihren stummen Personen, die man uns anfangs nur gezeigt hatte, nachher aber zu eigener Übung und dramatischer Bele¬ bung übergab, mußte uns Kindern um so wertvoller sein, als es das letzte Vermächtnis unserer guten Großmutter war, die bald darauf durch zuneh¬ mende Krankheit unfern Augen erst entzogen und dann für immer durch den Tod entrissen wurde. Es ist ein frommer Wunsch aller Väter, das, was ihnen selbst ab¬ gegangen, an den Söhnen erfüllt zu sehen, so ungefähr, als wenn man zum zweitenmal lebte und die Erfahrungen des ersten Lebenslaufes nun erst recht nützen wollte. Im Gefühle feiner Kenntnisse und in Gewißheit einer treuen Ausdauer nahm sich der Vater vor, seine Kinder selbst zu unterrichten und nur einzelne Stunden durch eigentliche Lehrer zu besetzen. Meinem Vater war sein eigener Lebenswandel bis dahin ziemlich nach Wunsch gegangen; ich sollte denselben Weg gehen, aber bequemer und weiter. Er schätzte meine angebornen Gaben; er hatte alles nur durch 74 „Mein Vater, mein Vater, und hörest du uicht, Was Erlenkönig mir leise verspricht?" — „Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind; In dürren Blättern säuselt der Wind." „Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn? Meine Töchter sollen dich warten schön; Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn Und wiegen und tanzen und singen dich ein." „Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort Erlkönigs Töchter am düstern Ort?" — „Mein Sohn, mein Sohn, ich seh' es genau: Es scheinen die alten Weiden so grau." „Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt; Und bist du uicht willig, so brauch' ich Gewalt." — „Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an! Erlkönig hat mir ein Leids getan!" Dem Vater grauset's, er reitet geschwind, Er hält in den Armen das ächzende Kind, Erreicht den Hof mit Mühe und Not; In seinen Armen das Kind war tot. c- M I. W. Goethe. Schillers Jugendjahren. Schon un vierten und fünften Jahre war Schiller auf alles auf¬ merksam, was der Vater im Familienkreise vorlas, und war dabei uner¬ schöpflich im Fragen, bis er den Inhalt erfaßt. Am liebsten hörte er zu, wenn der Vater Stellen aus der Bibel vorlas. Es war ein rührender Anblick, den Ausdruck der Andacht ans dem lieblichen Kindesgesichte zu sehen. Die frommen, blauen Augen, die er gegen den Himmel richtete, das lichtgelbe Haar, das die Helle Stirn umwallte, und die kleinen mit Inbrunst gefalteten Hände gaben ihm das Aussehen eines Engels. Schillers erster Lehrer war der Prediger Moser in Lorch, der einen solchen Eindruck auf ihn machte, daß der Knabe um diese Zeit eine große Lust für den Beruf seines Lehrers zeigte. Oft stieg der kleine Friedrich auf einen Stuhl und fing an zu Predigen. Mutter uud Schwester mußten ihm eine schwarze Schürze umbinden und ein Käppchen aussetzen. Dabei sah er sehr ernsthaft aus. Wer zugegen war, mußte ihm zuhören, und wenn jemand lachte, wurde er unwillig, lief fort und ließ sich so bald nicht wieder sehen. 75 Fleißig besuchte der Knabe die Umgebung von Lorch und diese machte auf sein jugendliches Gemüt einen so tiefen Eindruck, daß er zeitlebens mit großer Anhänglichkeit von seinem Jugendaufenthalte sprach. Wie ein Saum umgab den Flecken ein üppiges Wiesental und würzige Tannen¬ wälder bedeckten die Hügel, die das Tal einschlossen. Von einem derselben schaute trüb und ernst ein Klostergebäude herab, vor welchem eine uralte Linde ihre riesigen Äste ausbreitete. In diesem Kloster ruhten Angehörige aus dem mächtigen Stamme der Hohenstaufen. In einiger Entfernung erschaute das Auge den Hohenstaufen selbst, auf welchem einst das Stamm¬ schloß dieses berühmten Geschlechtes stand. Arm in Arm mit seiner älteren Schwester Christophine, die mit grenzenloser Liebe an ihrem Bruder hing, durchwandelte der Knabe die Umgebungen seines Wohnortes. Berg und Tal, Wald und Wiese, alles ergötzte ihn; und wie lauschte er erst, wenn die Bewohner Sagen und Märchen erzählten, die sich bei den Schwaben in reicher Fülle vom Vater auf den Sohn forterben! Seine Wißbegier fand auch im elterlichen Hause reiche Nahrung. Der Vater schilderte die Ereignisse seines Kriegslebens, beschrieb die Länder, die er gesehen, und erzählte aus den Zeiten der Hohenstaufen, an welche fast jeder Platz der Umgebung erinnerte. Man erzählte sich auch zwei Vor¬ fälle, die von des Knaben Wißbegierde zeugen, aber ihm beidemal fast das Leben gekostet hätten. Bei einem Besuche in Hohenheim, südlich von Stutt¬ gart, wurde eines Tages der kleine Friedrich sehr lange gesucht. Er war in dem Hause, in welchem der Vater abgestiegen war und das zu dem fürstlichen Schlosse gehörte, aus einem Fenster gestiegen und hatte eine Entdeckungsreise über die Dächer unternommen. Eben war er im Begriffe, den Löwenkopf, in welchen eine der Dachrinnen auslief, näher zu be¬ sichtigen, als der erschrockene Vater ihn entdeckte und ihm laut zurief. Der Knabe soll nun so lange regungslos auf dem Dache sitzen geblieben sein, bis ihm der Vater versprach, ihn dieser kühnen Untersuchung wegen nicht züchtigen zu wollen. Ein andermal fehlte der Kleine zur Zeit des Abendessens, als eben ein Gewitter am Himmel stand und die Blitze schon die Luft durchkreuzten. Im ganzen Hause wurde er vergebens gesucht und mit jedem Donnerschlage vermehrte sich die Angst der Eltern. Endlich fand man ihn nicht weit vom väterlichen Hause im Wipfel der höchsten Linde, die er unter dem Krachen des ganz nahen Donners jetzt erst verlassen konnte. „Um Gottes willen, wo bist du gewesen?" rief ihni der geängstigte Bater entgegen. „Ich mußte doch sehen, woher das viele Feuer vom Himmel kam," antwortete der mutige Knabe. / - Nach G. Schwab. — 76 — 69. Der Graf von Haöskurz. Zu Aachen in seiner Uaiserpracht, Zm altertüinlichen Saale Saß Uönig Rudolfs heilige Macht Beim festlichen Urönungsmahle. Die Speisen trug der Pfalzgraf des Rheins, Gs schenkte der Böhme des perlenden Weins And alle die Wähler, die sieben, Wie der Sterne Thor um die Sonne sich stellt, Umstanden geschäftig den Herrscher der Welt, Die Würde des Amtes zu üben. And rings erfüllte den hohen Balkon Das Volk in freud'gem Gedränge, Laut naschte sich in der Posaunen Ton Das jauchzende Rufen der Menge; Denn geendigt nach langem, verderblichem Streit War die kaiserlose, die schreckliche Zeit And ein Richter war wieder auf Grden. Nicht blind mehr waltet der eiserne Speer, Nicht fürchtet der Schwache, der Friedliche mehr, Des Mächtigen Beute zu werden. And der Uaiser ergreift den goldnen Pokal And spricht nut zufriedenen Blicken: „Wohl glänzet das Fest, wohl pranget das Mahl, Mein königlich Herz zu entzücken; Doch den Sänger vermiss' ich, den Bringer der Lust, Der mit süßem Ulang mir bewege die Brust Und mit göttlich erhabenen Lehren. So hab' ich's gehalten von Jugend an, Und was ich als Ritter gepflegt und getan, Nicht will ich's als Uaiser entbehren." And sieh, in der Fürsten umgebenden Ureis Trat der Sänger im langen Talare; Ihm glänzte die Locke silberweiß, Gebleicht von der Fülle der Zahre. „Süßer Wohllaut schläft in der Saiten Gold, Der Sänger singt von der Minne Sold 77 Er preiset das Höchste, das Beste, Was das Herz sich wünscht, was der Sinn begehrt- Doch sage, was ist des Kaisers wert An seinem herrlichsten Feste?" „Nicht gebieten werd' ich den: Bänger," spricht Der Herrscher nut lächelndem Wunde, „Er steht in des größeren Herren Pflicht, Er gehorcht der gebietenden Stunde. Wie in den Lüften der Sturmwind saust, Wan weiß nicht, von wannen er kommt und braust, Wie der Tuell aus verborgenen Tiefen: So des Sängers Lied aus dem Innern schallt Nnd wecket der dunkeln Gefühle Gewalt, Die im Herzen wunderbar schliefen." Und der Sänger rasch in die Saiten fällt Und beginnt, sie mächtig zu schlagen: „Aufs Weidwerk hinaus ritt ein edler Held, Den flüchtigen Gemsbock zu jagen. Ihm folgte der Anapp' mit dem Iägergeschoß, Und als er auf seinem stattlichen Roß In eine Au kommt geritten, Ein Glöcklein hört er erklingen fern; Ein Priester war's mit dem Leib des Herrn, Voran kam der Wesner geschritten. Und der Graf zur Erde sich neiget hin, Das Haupt mit Demut entblößet, Zu verehren mit gläubigem Ehristensinn, . was alle Wenschen erlöset. Ein Bächlein aber rauschte durchs Feld, Von des Gießbachs reißenden Fluten geschwellt. Das hemmte der Wanderer Tritte; Und beiseit' legt jener das Sakrament, von den Füßen zieht er die Schuhe behend, Damit er das Bächlein durchschritte. „was schaffst du?" redet der Graf ihn an, Der ihn verwundert betrachtet. — „Herr, ich walle zu einem sterbenden Wann, Der nach der Himmelskost schmachtet; 78 Und da ich mich nahe des Baches Steg, Da hat ihn der strömende Gießbach hinweg Zm Strudel der Wellen gerissen. Drum daß dem Lechzenden werde sein Heil, So will ich das Wässerlein jetzt in Lil' Durchwaten mit nackenden Füßen." Da setzt ihn der Graf auf sein ritterlich Pferd Und reicht ihm die prächtigen Zäume, Daß er labe den Aranken, der sein begehrt, Und die heilige Pflicht nicht versäume. Und er selber auf seines Anappen Tier Vergnüget noch weiter des Zagens Begier; Der andre die Reise vollführet. Und am nächsten Ukorgen mit dankendem Blick Da bringt er dem Grafen sein Roß zurück, Bescheiden am Zügel geführet. „Nicht wolle das Gott," ries mit Demutsinn Der Graf, „daß zum Streiten und Zagen Das Roß ich beschritte fürderhin, Das meinen Schöpfer getragen! Und magst du's nicht haben zu eignem Gewinst, So bleib' es gewidmet dem göttlichen Dienst! Denn ich hab' es dem ja gegeben, Von dein ich Ehre und irdisckes Gut Zu Lehen trage und Leib und Blut Und Seele und Atem und Leben." „So mög' auch Gott, der allmächtige Hort Der das Flehen der Schwachen erhöret, Zu Lhren Luch bringen hier und dort, So wie Zhr jetzt ihn geehret! Zhr seid ein mächtiger Graf, bekannt Durch ritterlich Walten im Schweizerland; Luch blühen sechs liebliche Töchter. So mögen sie," rief er begeistert aus, „Sechs Uronen Luch bringen in Luer Haus Und glänzen die spät'sten Geschlechter!" Und nnt sinnendem Haupt saß der Uaiser da, Als dächt' er vergangener Zeiten 79 Jetzt, da er dem Länger ins Auge sah, Da ergreift ihn der Worte Bedeuten. Die Züge des Priesters erkennt er schnell Und verbirgt der Tränen stürzenden (Iuell In des INantels purpurnen Falten. Und alles blickte den Kaiser an Und erkannte den Grasen, der das getan, Und verehrte das göttliche Walten. Friedrich Schiller. 70. Der Segen guter Hauswirtschaft. Jede Haushaltung hat den Zweck, das Leben so behaglich einzurichten, daß sich die ganze Familie zufrieden und glücklich fühle und an einen, solchen häuslichen Leben ihre Freude habe. Doppelt schwer ist diese Aufgabe zu erfüllen, wenn der Verdienst des Mannes gering ist. Während der Frau des wohlhabenden Mannes ausreichende Mittel und fremde Hilfe zur Ver¬ fügung stehen, ist die Frau des unbemittelten Mannes ganz auf sich selbst angewiesen, sie möchte also noch tüchtiger sein als jene des Bessergestellten. Glücklich ist jedoch selbst die ärmste Familie zu schätzen, wenn ihr eine ausgezeichnete Hausfrau vorsteht. Der Mann kann daun mit frohem Mute am Morgen an die Arbeit gehen. Er weiß, daß seine sparsame Gattin mit den, sauer erworbenen Lohne gewissenhaft wirtschaftet und in seiner Abwesen¬ heit das Hauswesen und die Kinder gut besorgt. Er weiß, daß er mittags und abends eine, wenn auch einfache, so doch kräftige, wohlzube¬ reitete Mahlzeit zur rechten Zeit und aus sauberen Gefäßen, in trauter Gemeinschaft mit Weib und Kind, genießen kann. Er weiß, daß er in seiner freien Zeit ein reinliches, behagliches Heim vorfindet, in dem er sich gemüt¬ lich erholen kann. Das Bewußtsein, in allen Lagen des Lebens eine treue, wirkliche Gehilfin an seiner Seite zu haben, erleichtert ihm die schwerste Arbeit. Er gibt sich dann doppelte und dreifache Mühe, um sich dieses schöne Familienleben auch für die Zukunft zu sichern und seine Kinder zu braven und tüchtigen Menschen heranznbilden. Rastloser Fleiß, größte An¬ spruchslosigkeit, wahre, tiefe Gottesfurcht und ein schöner häuslicher Friede walten in einer solchen Familie. Ein festes Band gegenseitiger Liebe um¬ schlingt alle. Hier, wenn auch in armer Hütte, wohnt das wahre Glück! Und dieses von jedem Menschen im tiefsten Innern heiß ersehnte häusliche Glück gründet sich in erster Linie auf das stille, unermüdliche Sorgen und Walten der tüchtigen Hausfrau! Daß solche glückliche Zustände möglich find, beweisen zahlreiche Familien in Stadt und Land, in welchen bei geringem Einkommen geordnete Vermögensverhältnisse, ein liebevolles Verhältnis 80 zwischen Eltern und Kindern, der Geist der Ordnung, Pflichttreue, Rein¬ lichkeit und guten Sitte gefunden wird, welcher der betreffenden Hausfrau das größte Lob spendet. Adolf M a ng. 71. Der Rheinstrom. Der Deutsche mag Wohl auf seinen Rheinstrom stolz sein. Nicht auf seine Größe! Viele andere Ströme, selbst europäische, übertreffen ihn an Länge, Breite, Wasserfülle, an kolossaler Ausdehnung ihres Gebietes; nicht einem aber ist ein so edles Ebenmaß beschieden, eine so vollständige Ent¬ wicklung; nicht einer sieht an seinen Ufern auf gleiche Weise Kunst und Natur, geschichtliche Erinnerung und lebendige Gegenwart vereint. In dem Der Rheinstrom. erhabensten und herrlichsten mittleren Gebiete des mächtigen Alpengürtels hängen an himmelhohen Felsgipfeln inehr als dreihundert Gletscher, welche dem Rheine ihre tobenden Gewässer zusenden. Wo sie aus dem Gebirge hervortreten, da beruhigen und läutern sich diese ungestümen Alpensöhne in etwa fünfzehn großen und schönen Seen — unergründlichen smaragdnen Becken — hier von unerklimmbaren Felsen eingeengt, dort von Rebenhügeln und grünen Matten umkränzt; einer fast wie das Meer unabsehbar! Kristall¬ helle Fluten entströmen diesen Seen in raschem, ruhigem Laufe. Bald in einem Bette vermischt, wogen sie mächtig und friedlich dahin durch lachende 81 Fluren, an stattlichen Schlössern, hohen Domen, kunstreichen, belebten Städten vorbei, denen sie reiche Lasten zuführen. Hohe Waldgebirge winken aus blauer Ferne und spiegeln sich dann in dem herrlichen Strome, bis er die weite, schrankenlose Ebene betritt und nun dem Schoße des Meeres zueilt, ihm mächtige Wasserspenden zu bringen und sich dafür in seinem Gebiete ein neues Land zu erbauen. An den Wiegen des Rheins erklingen die Gesänge armer, aber freier und froher Hirten; an seinen Mündungen zimmert ein ebenso freies, dabei reiches, kunstsinniges, gewerbfleißiges, unternehmendes Volk seine schwimmen¬ den Häuser, welche nach den fernsten Ländern und Meeren eilen. Wo ist der Strom, der eine Schweiz an seinen Quellen, ein Holland an seinen Mündungen hat, den seine Bahn durch fruchtbare, freie, gebildete Land¬ schaften führt? Haben andere weit größere Wasserfülle und Breite, so hat der Rhein klare, immer volle, sich fast gleichbleibende Fluten, so ist seine Breite gerade die rechte, hinreichend für Floß und Schiff, für allen Verkehr der Völker und doch nicht so groß, daß sie die beiden Ufer voneinander schiede, daß nicht der erkennende Blick, der laute Ruf ungehindert hinüber¬ reichte. Mächtig und ehrfurchtgebietend erscheint er als ein bewegter Wasser¬ spiegel, in den heitersten Rahmen gefaßt, nicht als eine wässerige Öde mit nebligen Ufern. < Der Rheinstrom ist recht eigentlich der Strom des mittleren Europas. An seinen alpinischen Quellen begegnen sich Burgund, Italien, das südliche Deutschland. Seine ozeanische Niederung schiebt sich zwischen den Norden Frankreichs und die Ebenen des alten Sachsenlandes ein und führt zu den britischen Inseln hinüber. Ans der schönen Stromebene des mittleren Rheins, einem bergummauerten Zentralgebiete, führen natürliche Wasserstraßen durch lange, enge Felsentore zu reichen, herrlichen Landschaften, tief in das innerste Deutschland und Frankreich hinein. Die Mosel auf der linken, der Main aus der rechten Seite verbinden Franken und Lothringen. Der Rheinstrom selber aber und seine Ufer find die große Handels- und Reisestraße zwischen Süden und Norden, zwischen Holland und der Schweiz, England und Italien, die eine immer größere Bedeutung erhält, je inniger und lebendiger die Berührungen aller Art zwischen den verschiedenen Gliedern des europäischen Staatensystems werden. G. B. Mendelssohn. 72. Die Kinder der Armut. Es wohnt' ein armer Mann in einer niedern Hütte, Der dachte schweigend Nachts auf seiner harten Schütte: „Ich sehe Müh' und Fleiß mit Reichtum nie belohnt, Weil unsichtbar bei mir im Haus die Armut wohnt. Frisch und Rudolf, Lesebuch für Bürgerschulen. 82 Ich wollte, daß einmal sie zu Gesicht mir käme, So bat' ich sie, daß sie wo anders Wohnung nähme." Da füllte sich der Raum mit einem mäß'gen Schimmer Und in bescheidnem Schmuck ein Weib trat in das Zimmer. Ein rüstig Mädchen ging ihr an der einen Hand, Indes ein holdes Kind sich schmiegt' an ihr Gewand. Sie sprach zum Staunenden: „Ich bin, die du verfluchest, Die Armut, die du aus dem Haus zu bannen suchest. Das rüst'ge Mädchen hier ist Arbeit, mein Geleit; Und dieses liebe Kino ist die Zufriedenheit. Das Mädchen schafft, was ich bedarf, es ist nicht viel; Und dieses liebe Kind ist meines Alters Spiel. Leb' wohl! Wir wollen nun bei dir nicht länger säumen; Weit werde dir dein Haus, das enge, wenn wir's räumen!" Da ruft der Mann: „Halt an, geh nicht, mein lieber Gast! Ich dachte nicht, daß du solch ein Gefolge hast. Der Armut will ich gern den Platz im Hause schenken, Um der Zufriedenheit bei Arbeit zu gedenken." Friedr. Rückert. 73. Oer Winter. 8is sind vsrsobwnndsn, dis rsmondsn Ba^e, null bintsrlasssn uns anllsr dsin süllsn ^Vndenben, sis Asnosssn rm babsn, niobts als Bildsr dsr Vsr^änAliobboir. Wio bat sieb die gnnz.e Oostalt dsr kontur vsrändsrt und wie traurig bliebt dis Konus ans trübon Wölben über (llärtsn bin, wo boino Llnrns insbr blübt, übsr Osldor, wo boine 8pnr der Brnts insbr ist, und übsr BüAsl, wo dsr dürrs Rest des Orasss vsrbliobsn ist! In der bubt ist das Honxsrt der Vö^ol vsr- stninint und lbre 8tillo wird etwa nur von dein (lebräobxe dsr Biräbsn oder von doni Ossobrsi dsr ^UKVö^sl nntsrbrosbsn, dis würinsrsn (IsAsndsn sntKs^snllis^sn. Ois Wälder erbeben überall ibro kalben Häupter und stnrinisobs Nordwinds sntblsidsn sie wieder von den Oseben, dis ibn en dsr Orüblin^ Aal-, trsibsn dis abKsrissonsn Blätter wsit von don üVsten weA, dsrsn 8obinnsb sis warsn. Ois BsrAv u mb er stsbsn öds, von bei neu Herden inebr bssnebt und von b einem Osblöbo insbr belebt; and ibrsn sonnigen ^bbäNASN transrt dsr bs- raubts Wsinstoob und bein laueb^sn dsr Winker lallt sieb rnsbr börsn. Ois Boots dsr Oärton listen verstört; dis Bäurns baben ibrs 83 brüebto abgelisiert uud dio VVeioblinge unter deu Lesebleebtorn dor Lluiuou vorsebliobon siob visdsr iu gevürrnte Loväolisbüusor. Wio traurig liegt dio ivoito Laudsobait vor inir, voriu jodo belle Larbo vorbliebou uud der blauptsobiuueb dos Soldos, das 6rüu, iu oiu ruattos 6olb üborgsgaugou ist uud übsrall die 8xurou der Vsrgäug- liobbsit ersobeinen! Liu diober Xebol ist dsr Lsiäbrts dos Llorgons uud laugsarn steigt dor d?ag durob die Lrüb stunden vis aui 8tuion Lur Ideiterboit srnpor, vsnn dun noeb eine lleitorbolt vsrgönut ist. ^llmäbliob beeisen siob dio liier; jode blaobt erweitert das Lobist dos Lrostos; dor Ltroiu wird langsaiusr uud das ltauseben dumpisr; dio sobviiuinoudon Lisbluinpon stobon auoinaudsr, verbinden siob uud übordeobeu das Wasser von oinoiu 8trando Lu doin andern vis rnit oinoiu bristallenon LanLsr, uutor wolobom dor Link unbsiuorbt dabinsobleiobt oder unwillig iu leisen Linken murmelt. Lud vas kür soböuo Lobauspiole gibt dor Lrost doni ^Vugo! Lor 800 gleiobt oinoiu glatten, blLulioben 8piogel, nut volobsrn das Norgeuliobt blitLt, obns ilin 2u durobvärmeu. Lius sanits Lreobuug dor 8tral>lsn uud oiu orgötLSudos 8jdol dor Larbon orsobeint unk dsr bolleii Lläobe. Bald uralt dis 8onus aui doiu Liso idr öild als oius glänLSndo 8obsibs; bald lakt sio den gauLSu bristallsnsu 8ss iu oinoiu rotsu Lousr brsnnsn, dalö das ^.ugo baunr dio Llouduug ertragen Lanu, Vn jener 8sits sod^väriut die duzend dos Lories aut dein Liss uiuiior: ein Ilauko sob^vsbt auf tönenden 8oidittscdiulisu iiu AOsobioLten Lloioli- Asviodts so sobnsll vis dor LInA eines Lisiles uindsr, rnaoiit liier eins durtiAS 'WsudunA und iiioot dort visdor in einer langen 8trsolro iort, daü die LlioLs ilim lraurn instir in dor Lsrns idl^sn Lönuen; ein anderer ja^t irn rausolisnden 8oldittou lisruur und Lröldiolilcsit und 8olnzrn liorrsslisii unter den lcloinsu Lorstrsuten 8oliaren. Last jsdsr NorAsu Mi^t uns neue ^Verlrs dos Lrostos von niauni^ialtiAou Lsstalton uud Larbsu, die er in dor stillou Laolit vsrkortiAts. Las Laolr ist rnit silbernen Lis^aplsu umlian^ou; dor Wasserball solroint nur LU rausoliou uud Lropiou starrou au d'ro^ion, iudsiu sio idrt- iliolZsn vollen; uud vom Lelsou liorabdio6o.uclo ksKonströins lrabou ilireu Laub vorAossou und bildon au den Wauclou. au vvelelren sio sieb orAOSssu, lauKS, voiös 8äulsn, dis dorn ^.UAS out§o§sllsoliirniuoru. vaun töut dio Lrdo uutor dorn 8o!iritto dos Lsisondon uud jodsr 8olrall briolit boller durob die Lalto Luit. Vergebens sonlrou sieb dio 8trablen des Aittags aui dis vsrstoiusrts Lrdo bsrab, Laura iüblt sie dio sobvaobs lgsrubruug des ervLriusudsu Liobtes, uud venu auob des Islss blarto aui einige 8tundsn orveiobt vird und dsssou Lis 6* 84 zu sediasizeu ssüsiut, so »ieäerkolt clool» bald 6er k'rost sein kaltes Llassu und z^vinAt das, n-as dis milds 8ouns aufgelöst Katts, >visdsr untsr ssius raube llsrrsekakt. LKr. Ilir sekte 16. 74. Sprüche. Der Welt mehr geben, als sie uns gibt, Die Welt mehr lieben, als sie uns liebt, Nie um den Beifall der Menge werben, Macht ruhig leben und selig sterben. Klagt nicht, daß euch so schnell die Jugend flieht, Mit jedem Jahr der Freuden wen'ger werden: Wer weise lebt, merkt wenig Unterschied, Erst mit den Jahren wird man klug auf Erden. Wenig große Lieder bleiben, Mag ihr Ruhm auch stolzer sein, Doch die kleinen Sprüche schreiben Sich ins Herz des Volkes ein: Schlagen Wurzel, treiben Blüte, Tragen Frucht und wirken fort: Wunder wirkt oft im Gemüte Ein geweihtes Dichterwort. Friedrich von Bodenstedt 75. Das brave Mütterchen. Es war im Winter und das Eis stand. Da beschlossen die Husumer, ein großes Fest zu feiern. Sie schlugen Zelte aus und alt und jung, die ganze Stadt versammelte sich draußen. Die einen liefen Schlittschuh, die andern fuhren in Schlitten und in den Zelten erscholl Musik und Tänzer und Tänzerinnen schwenkten sich herum und die Alten saßen an den Tischen und tranken eins. So verging der Tag und der Helle Mond stieg am Himmel auf; aber der Jubel schien nun erst recht anzufangen. Nur ein altes Mütterchen war von allen Leuten allein in der Stadt geblieben. Sie war krank und gebrechlich und konnte ihre Füße nicht mehr gebrauchen; aber da ihr Häuschen aus dem Deiche stand, konnte sie von ihrem Bette aus aufs Eis hinaussehen und die Freude betrachten. Wie es nun gegen den Abend kam, da gewahrte sie, indem sie so auf die See hinaussah, im Westen ein Weißes Wölkchen, das eben an der Kimmung aufstieg. Gleich befiel sie eine unendliche Angst; sie war in früheren Tagen mit ihrem Manne zur See gewesen und verstand sich wohl auf Wind und Wetter. Sie rechnete nach: „In einer kleinen Stunde wird die Flut da sein, dann bricht ein Sturm los und alle sind verloren." Da rief und jammerte sie, so laut sie konnte; aber niemand war in ihrem Hause und die Nachbarn waren alle auf dem Eise; niemand hörte sie. Immer größer ward unterdes die Wolke und allmählich immer schwärzer. Noch einige 85 Minuten und die Flut mußte da sein, der Sturm losbrechen. Da rafft sie all ihr bißchen Kraft zusammen und kriecht auf Händen und Füßen aus den: Bette zum Ofen. Glücklich findet sie noch einen Brand, schleudert ihn in das Stroh ihres Bettes und eilt, so schnell sie kann, hinaus, sich in Sicherheit zu bringen. Das Häuschen stand nun augenblicklich in Hellen Flammen, und als der Feuerschein vom Eise aus gesehen ward, stürzte alles in wilder Hast dem Strande zu. Schon sprang der Wind auf und fegte den Staub auf dem Eise vor ihnen her; der Himmel ward dunkel, das Eis fing an zu knarren und zu schwanken, der Wind wuchs zum Sturme an; und als eben die letzten den Fuß aufs feste Land setzten, brach die Decke und die Flut wogte an den Strand. So rettete die arme Frau die ganze Stadt und gab ihr Hab und Gut darau zu deren Heil und Rettung. M ll l l e n h o f f. 76. Waldlilie im Schnee. Uns ist ein Stein vom Herzen. Das Unwetter hat sich gelegt. Ein ganz leichter Wind ist gekommen, hat die Bäume sachte von ihren Lasten erlöst. Es hat sich in dieser Zeit aber doch etwas zugetragen drüben in den Karwässern. Der Bertold, dessen Familie von Jahr zu Jahr wächst und von Jahr zu Jahr weniger zu essen hat, ist ein Wilderer geworden. Ist also ein Wilderer geworden, der Bertold. Das Holzen wirft viel zu wenig ab für eine Stube voll von Kindern. Ich schicke ihm an Lebensmitteln, was ich vermag; aber das genügt nicht. Für das kranke Weib eine kräftige Suppe, für die Kinder ein Stück Fleisch will er haben und schießt die Rehe nieder, die ihm des Weges kommen. Dazu tut die Leidenschaft das Ihre und so ist der Bertold, der einst als Hirt ein so guter, lustiger Bursch gewesen, durch Armut, Trotz und die Liebe zu den Genügen recht sauber zum Verbrecher herangewachsen. Einmal schon bin ich vor dem Förster bittend gelegen, daß er es dem armen Familienvater um Gottes willen ein wenig, nur ein klein wenig Nachsehen möge, er werde sich gewiß bessern und ich wolle mich für ihn zum Pfände stellen. Bis zu diesen Tagen hat er sich nicht gebessert; aber das Geschehnis dieser wilden Wintertage hat ihn zum lauten Weinen gebracht, denn seine Wnldlilie liebt er über alles. Ein trüber Winterabend ist es gewesen. Die Fensterchen sind mit Moos vermauert; draußen fallen frische Flocken auf alten Schnee. Ber¬ told wartet bei den Kindern und bei der kranken Aga nur noch, bis das älteste Mädchen, die Lili, mit der Milch heimkehrt, die sie bei einem nach¬ barlichen Klausner im Hinterkar erbetteln muß. Denn die Ziegen im 86 Hause sind geschlachtet und verzehrt; und kommt die Lili nur erst zurück, so will der Bertold mit dem Stutzen in den Wald hinauf. Bei solchem Wetter sind die Rehe nicht weit zu suchen. Aber es wird dunkel und die Lili kehrt nicht zurück. Der Schnee¬ fall wird dichter und schwerer, die Nacht bricht herein und Lili kommt nicht. Die Kinder schreien schon nach der Milch, den Vater verlangt's schon nach dem Wilde; die Mutter richtet sich auf in ihrem Bette. „Lili," ruft sie, „Kind, wo trottest du denn herum im stockfinstern Walde? Geh heim!" Wie kann die schwache Stimme der Kranken durch den wüsten Schnee¬ sturm das Ohr der Irrenden erreichen? Je finsterer und stürmischer die Nacht wird, desto tiefer sinkt in Ber¬ told der Hang zum Wildern und desto höher steigt die Angst um seine Waldlilie. Es ist ein schwaches, zwölfjähriges Mädchen; es kennt zwar die Waldsteige und Abgründe, aber die Steige verdeckt der Schnee, den Abgrund die Finsternis. Endlich verläßt der Mann das Haus, um sein Kind zu suchen. Stundenlang irrt und ruft er in der sturmbewegten Wildnis; der Wind bläst ihm Augen und Mund voll Schnee; seine ganze Kraft muß er an¬ strengen, um wieder zurück zur Hütte zu gelangen. Und nun vergehen zwei Tage; der Schneefall hält an, die Hütte des Bertold wird fast verschneit. Sie trösten sich überlaut, die Lili wird wohl bei dem Klausner sein. Diese Hoffnung wird zu nichts am dritten Tage, als der Bertold nach einem stundenlangen Ringen in verschneitem Gelände die Klause erreicht. Lili sei vor drei Tagen wohl bei dem Klausner gewesen und habe sich dann beizeiten mit dem Milchtopf auf den Heimweg begeben. „So liegt meine Waldlilie im Schnee begraben," sagt der Bertold. Dann geht er zu den anderen Holzern und bittet, wie diesen Mann noch kein Mensch hat bitten sehen, daß man komme und ihm das tote Kind suchen Helse. Am Abende desselben Tages haben sie die Waldlilie gefunden. Abseits in einer Waldschlucht, im finsteren, wildverflochtenen Dickichte junger Fichten, durch das keine Schneeflocke dringen kann und über dem die Schneelasten sich wölben und stauen, daß die jungen Stämme darunter ächzen, in diesem Dickicht, auf den dürren Fichtennadeln des Bodens, mitten in einer Rehfamilie von vier Köpfen ist die liebliche, blasse Waldlilie gesessen. Es ist ein sehr wunderbares Ereignis. Das Kind hat sich auf dem Rückwege in die Waldschlucht verirrt, und da es die Schneemassen nicht 87 Waldlilie im Schnee. Von H. Vogel. (Aus „Österreichs Deutscher Jugend".^ inehr überwinden konnte, suchte es Rast im trockenen Dickicht. Und da ist es nicht lange allein geblieben. Als es müde die Augen schließen wollte, kam ein Rudel Rehe, alte und junge. Und sie schnuppern an dem Mädchen und blicken es mit ihren milden Augen verständig und mitleidig an; sie bleiben und lassen sich nieder und benagen die Bäumchen und belecken ein¬ ander und sind ganz zahm; das Dickicht ist ihr Winterdaheim. Am andern Tage hat der Schnee alles eingehüllt. Waldlilie sitzt in der Finsternis, die nur durch einen Dämmerschein gemildert ist, und labt sich an der Milch, die sie den Ihren hat bringen wollen, und sie schmiegt sich an die guten Tiere, auf daß sie im Froste nicht erstarre. 88 So vergehen die bösen Stunden des Verlorenseins. Und als sich die Waldlilie schon hingelegt zum Sterben und in ihrer Einfalt die Tiere gebeten hat, daß sie getreulich bei ihr bleiben möchten in der letzten Sterbe¬ stunde, da fangen die Rehe jählings ganz seltsam an zu schnuppern und heben ihre Köpfe und spitzen die Ohren und in wilden Sätzen durchbrechen sie das Dickicht und mit gellendem Pfeifen stieben sie davon. Jetzt arbeiten sich mehrere Männer durch Schnee und Gesträuche herein und sehen mit lautem Jubel das Mädchen und der alte Rüpel ist auch dabei und ruft: „Hab' ich's nicht gesagt, kommt mit herein zu sehen, vielleicht ist sie bei den Rehen!" So hat es sich zugetragen; und als der Bertold gehört, die Tiere des Waldes haben sein Kind gerettet, daß es nicht erfroren, da ruft er laut: „Nimmermehr, mein Lebtag nimmermehr!" Und feinen Kugelstutzen, mit dem er seit manchem Jahre Tiere des Waldes getötet, hat er an einem Stein zerschmettert. Ich habe es selber gesehen, denn ich und der Pfarrer sind in den Karwässern gewesen, um die Waldlilie suchen zu helfen. Peter Rosegger. 77° Freud' und Leid. Stolz die Blumen heut' ihr Haupt erheben, Doch es kommt ein Reif wohl über Nacht Und zerknickt ist alles frohe Leben Und dahin der Blumen schöne Pracht. Und die Lust, die wir am Sommer hatten, Ist verwandelt dann in lauter Leid Und mit Schnee bedeckt hat Feld und Matten, Berg und Tal die kalte Winterszeit. Doch wie Leid und Freude stets hienieden Und wie Nacht und Tag stets wechseln mag, Jedem Winter ist ein Lenz beschieden, Immer kommt ein Auferstehungstag. Hoffmann von Fallersleben. 78. Das Waldhaus. 1. „Der liebe Gott geht durch den Wald!" — so singt ein altes Lied, aber die Erfahrung zeigt, daß er iin Walde nicht jedem begegnet. Die Rehe und Hirsche vielleicht sehen ihn, fürchten ihn aber nicht — er geht ohne 89 Büchse umher. Der Pecher-Lenz, im Walde geboren und den Wald seit vierzig Jahren durchstreichend, ist, wie er meint, dem lieben himmlischen Waldgänger noch nicht ein einziges Mal begegnet, wohl aber manchem, den er am liebsten verwünscht hätte. Und doch, auch der Lenz hat's erfahren: „Der liebe Gott geht durch den Wald!" Des Pechers Haus steht tief im Walde; alles um dasselbe strebt in wilden Büschen und hohen Stämmen himmelwärts und auf den Wipfeln klingt die Lust — nur das Haus kriecht auf dem Sande und feine Kam¬ mern sind düster. Eines Tages ist dem Lenz ein großer Brief ins Haus gekommen. Der Lenz kann nicht lesen, aber sein Weib hat die unselige Kunst gelernt; er knittert mit Mühe das feine Zeug auseinander; das Blatt bleibt kleben an seinen harzigen Fingern. „Alte, geh, schau', was darauf steht." Darauf stand solches: „An Lorenz Hackbreter im Kesselwald. Demselben diene zur Kenntnis, daß von nun ab forstwirtschaftlicher Rücksichten wegen das Pcchschaben nicht mehr gestattet ist. Dawiderhandelnde verfallen der Strenge des Gesetzes. Der Oberförster, im Auftrage des Herrn von Gallheim, Gutsbesitzers.'' So hatte das junge Weib gelesen. „Nun?" sagte der Lenz, „und sonst nichts mehr? Der Paar Worte wegen das sündhaft viele Papier?" Er steckte die Hände in die Hosentaschen, ging in den Wald und brummte: „Nicht mehr gestattet! Forstwirtschaftlicher Rücksichten wegen oder wie das Zeug heißt! Nun ja, die Sache muß einen Namen haben! Allzeit hab' ich achtgegeben auf den Stamm; dieser schöne Wald, wie er hcnte dasteht, unter der Pechschabe ist er aufgewachsen. Und jetzt auf einmal ist's ein Ver¬ derben. Was fang' ich jetzt an!" Gelernt hat er nichts. Wurzeln- und Krüutergraben ist noch das einzige; aber wenn er des Abends heimkehrt von seinen gefährlichen Gängen und Klettereien an den Felswänden, ist er trotzig und launisch: unwirsch weist er sein Kind, das herzige Magdale, von sich, wenn es wie sonst zu ihm herankommt und in süßer Kindlichkeit fragt, was das Reh mache draußen im Walde. Magdale war sieben Jahre alt, war fleißig und brav, und als Weih¬ nacht herankam, hoffte sie auf eine gütige Gabe vom Christkinde; Vater und Mutter aber lächelten bitter. Der Lenz hatte an dem Tage draußen beim Klausenwirt wohl eine Semmel und etliche Äpfel erstanden, um damit die Ehre des heiligen Christ zu retten. Aber auch ein Tannenbäumchen sollte dazukommen und Lichtlein daran. So war's früher stets gewesen und so wurde es von dem geliebten Kindesherzen erwartet. 90 Der Lenz ist an demselben Tage wieder nicht daheim. Er streift im Walde herum. Der Boden ist steinhart gefroren, das Moos knistert unter den Fußen, die Äste hängen, von Eisnadeln des Nebelfrostes belastet, tief herab. Der Lenz wandelt zwischen den ungezählten Bäumen des Waldes. Vor manchem jungen Tannenwipfelchen bleibt er stehen. „Es wäre schon das rechte," murmelt er, „aber — darf ich denn? — Ich dürfte freilich nicht, aber heute schickt mich das Christkind, das diesen Wald ja so reich und hoch hat wachsen lassen. Mein seliger Vater hat viel tausend Bäum¬ lein gepflanzt und gehütet, so kann's doch nicht gefehlt sein, wenn ich mir ein einzig Stämmchen davon Heimtrage für meine Magdale!" Mit Haft fährt er nach seinem Taschenmesser, ein kräftiger Schnitt — und eine zarte Tannenkrone ist geknickt. In diesem Augenblicke gellt ein derber Fluch. Zwei Männer, mit Jagdgewehren bewaffnet, stehen vor dem Lenz: Gallheim und sein Förster. , „Haben wir dich endlich, du Waldfrevler!" rief der Förster. „Schon seit langem werden von boshafter Hand in unfern Wäldern Bäume geknickt Dieser Lump da tut's!" „Ho, ho," brummte der Lenz, „es ist nicht notwendig, daß ihr mich so anknurrt! Ich bin kein Lump, ihr Herren!" „Was denn?" sagte Gallheim. „In böser Absicht hab' ich mein Lebtag kein Zweiglein vom Ast ge¬ brochen." „So? Und dieser Wipfel, der weder einen Spatenstiel noch ein Stück Brennholz gibt?" „Zu Gnaden, Herr — fürs Kind daheim, ein Christbäumchen." „Die Ausrede ist nicht übel," lachte Gallheim, „aber einen ertappten Dieb und Waldsrevler läßt man nicht laufen. Förster, nehmt mir den Lungerer fest; die sichere Kammer wird ihm während der Festtage wohl bekommen." Der Lenz zerstampfte den Moosboden. In seinem Herzen kochte Trotz und Wut. Einerseits sah er's, er war ein Dieb; anderseits fühlte er's, es geschah ihm unrecht. Kein bitteres Wort verlor er mehr. Finster grub er seinen Blick in den Boden und ließ sich fesseln und davonführen. Und das Tannenbäumchen blieb liegen auf dem frosterstarrten Boden und statt der lieblichen Christlichter glitzerten Eiskörner an den Zweigen. 2. Im Arrest hatten seit langem schon die Spinnen ihre Webstühle auf¬ gerichtet. An diesem Weihnachtsabende nun wurden sie durch den Pecher- Lenz ein wenig gestört. Der Lenz raufte sich seinen Bart vor Schmerz 91 und Wut. Er dachte an sein schutzloses Heim, in welchem ihn heute die Seinen vergeblich erwarten werden; das Weib in Furcht und Augst, in Verzweiflung; das Kind schluchzend, bis es einschläft — das ist ihre Weih¬ nacht ! Und er, der Lenz, der sich bemüht sein Leben lang, daß er ein ehr¬ licher Mann bleibe, sitzt jetzt im Gefängnisse, wo vor ihm der Räuber saß, wo nach ihm der Strolch sitzen wird. Das ist seine Weihnacht! — Zornig ob des Waldfrevlers und befriedigt zugleich, denselben erwischt zu haben, kehrte Gallheim in sein Herrenhaus zurück. Dort aber war Wirrnis und Jammer. Theobald, der zehnjährige Sohu des Herrn, war Ivie gewöhnlich aus seinem Schimmel ausgeritten. Das Haus stammte aus dem sechzehnten Jahrhunderte und besaß eine Waffenkammer, in welcher sich mancherlei Rüstzeug befand. Nun war es heute dem Knaben einge¬ fallen, derlei vom Reitknechte glätten und putzen zu lassen, daß es glänzte, und an sich zu hängen. Sv war er mit Blechwams und Helm und Schwert ausgezogen. Ein junger Ritter, dachte er an die Turniere, in welchen er streiten wollte, und das feurige Roß trabte hinaus in den finstern Wald.. Die übliche Reitstunde ging vorüber — Theobald kehrte nicht zurück Als der Hauswart im Hofe die Laternen anzündete, rannte der Schimmel schnaubend und mit hochfliegender Mähne zum Tore herein. Aber auf dem Rosse saß kein Reiter. Jetzt ging das Entsetzen an. Die Mutter fiel in Ohnmacht, der Vater schoß planlos umher und war blaß wie die Blauer seines Hauses. Die Dienerschaft stob verwirrt auseinander; das Gesinde jammerte über den „lieben, guten, jungen, gnädigen Herrn". Die Knechte sprengten auf Pferden zum Tore hinaus; der Wächter läutete in seiner Kopflosigkeit die Sturmglocke. Die Frau des Hauses war die erste, welche wieder zur Besinnung kam. Sie eilte in den Schnee und in die Nacht hinaus; laut und hell rief sie ihr Kind, bis ihr die Stimme versagte. Durch Heide und Wald irrte sie, und wo ein Kreuzbild stand, da sank sie auf die Knie und rang die Hände. Herr Gallheim hastete wie ein gehetztes Wild über Berg und Tal;" das Reh und den Edelhirsch, nach denen er sonst so gierig sein Feuer¬ rohr gerichtet, hätte er flehend anrufen mögen: „Habt ihr mein Kind nicht gesehen?" Die Tiere flohen erschreckt. In der Finsternis stolperte Gall¬ heim über ein gebrochenes Bäumchen. Der Tannenwipfel war's, um dessen willen der Pecher-Lenz im Gefängnisse saß. „Auch dieser Mann hat Weib und Kind!" so rief es in semeni Herzen. Er eilte weiter und stieß in sein Horn. Die ganze Bewohnerschaft des Herrenhauses irrte im Walde umher, so daß der Pecher-Lenz zu dieser Stunde fast der einzige Bewohner im großen Gebäude war. „Das ist eine arge Weihnacht!" sagten die Su- 92 chenden zueinander; wir werden morgen einen traurigen Christtag haben!" Und sie stießen ins Horn und lauschten; sie feuerten Schüsse ab und horchten auf ein Gegenzeichen. Wohl, sie vernahmen Signale, aber als sie denselben nachgingen, waren es die andern Sucher. Keiner hatte eine Spur, keiner wußte Rat. Endlich begann ein wildes Gestöber; der Sturm rüttelte in den Stämmen und erstickte den Schall der Hörner. Die Schnee¬ flocken tanzten wie rote Sternchen um die Pechlunten; da sagte einer: „Der Herrgott legt schön das Bahrtuch darüber." 3. „Das ist eine arge Weihnacht!" so seufzte auch das Weib des Lenz im Waldhause. Sie ging von einem Fenster zum andern, eilte bei jedem Geräusch an die Tür — aber er kam nicht. „Der Vater wird noch zum Christkinde zu spät kommen," meinte die kleine Magdale. „Weiß Gott," antwortete die Mutter halb für sich, „zu spät für das Christkind wird er nicht kommen. Aber so lange ist er noch nie ausgeblieben. Mir ist heute den ganzen Tag so bange. Geh ins Bett, Magdale!" Jetzt klopfte es ans Fenster. „Gottlob, gottlob!" Aber er war's nicht. Ein verspäteter Holzhauer ging vorbei, der rief durch die Scheibe herein: „He, Muhme, was hat er denn angestellt?" „Wer?" „Er!" „Ich weiß nicht, was Ihr meint," versetzte das Weib angstvoll. Sie stürzte zum Fenster hin: „Wißt Ihr was? Wo ist er denn?" „Mir sind sie begegnet," berichtete der Holzer; „er hat den Hut tief im Gesichte gehabt, aber ich habe ihn doch erkannt. Die Hände sind ihm gebunden gewesen." Das Weib schrie auf. — Der Holzhauer ging weiter. Und so ist anstatt des Christkindes im Waldhause der Jammer ein¬ gekehrt, vielleicht als Vorbote nur. Wo dem Christkinde Herzen entgegen¬ schlagen, da finden böse Gäste kein Daheim. „Geh schlafen jetzt!" sagte die Mutter zum Mädchen. Magdale blickte verwundert auf. War denn nicht Christabend? Das Weib hielt ihr Weinen zurück, das einzige, was sie ihrem Kinde tun konnte. Immer und immer wieder blies sie in die Glut des Herdes und es wollte nicht brennen; so oft der Span verlosch, war es dem Mädchen, als hörte es irgendwo ein Schluchzen. Dann fragte es wieder nach dem Vater. „Sei still!" gab das Weib endlich unwirsch zur Antwort; bald setzte sie weicher hinzu: „Der Vater sucht das Christkind und hat sich im Walde verirrt." „Er wird es schon finden," meinte das Magdale, „das Christkind hat ja eine leuch¬ tende Brust und Äuglein wie Karfunkelsteine." „Freilich," versetzte die Mutter; weiter sagte sie kein Wort. — 93 — tiefer und tiefer ging es in die Nacht hinein. Draußen rauschte der Wind und die Fensterwinkel waren vollgestopft von frischem Schnee. In- Weiten Lande ist Glanz und Freude in dieser heiligen Nacht .... Das Weib des Pechers zündete eine rote Kerze an. Mehrmals hatte diese Kerze schon geleuchtet — es war ein trüber Glanz. Als der Vater des Lenz gestorben war, da hatte sie gebrannt; als in einer wilden Ge¬ witternacht die Lawine vom Schollberge niederfuhr und das große Wasser gegen dieses Haus tobte, hatte sie gebrannt. Die rote Kerze sollte brennen, wenn einstmals nach diesem mühevollen Leben der Lenz und sein Weib das Auge schließen werden im Waldhause. Es war die Sterbekerze. Und jetzt, da des Hauses ältester Bewohner, der ehrliche Ruf, gestorben war, jetzt brannte sie wieder. Das Weib kniete vor dem Lichte nieder und betete zum Jesukinde. Sie betete nicht in wilder Leidenschaft wie die vornehme Frau, sie betete mit Ergebung: „Ich lege, du heiliges Kind, mein Anliegen in deine Hände. Böses kann er nicht getan haben; cs ist ja meine tägliche Bitte, daß ihn sein Schutzengel nicht verlasse. Aber mit gebundenen Händen! Hat er viel¬ leicht doch gewildert, um dir zur Ehre, du heiliger Christ, einen Festbraten Heimzubringen? Armut und Sorge, o Gott, wie gern ertrag' ich's, nur nicht Schande und Schmach!" „Jetzt sind sie draußen," flüsterte das Magdale plötzlich. Und wahr¬ haftig, es war nicht das Klopsen des Windes — das war ein Pochen an der Tür. Sogleich erfaßte das Weib die Kerze und eilte zu öffnen. Ein fremder Knabe stand vor ihr, ein seltsamer Knabe; er hatte eine leuchtende Brust. Die Kleider waren voll Schnee, die langen Locken voll Eis, die großen Augen voll Wasser; vor Frost zitterte er und bat um Obdach. „Ist denn kein Mensch bei dir?" rief das Weib; „bist du allein? So komm, so komm nur!" Und sie fächelte den Schnee von seinen Kleidern, aber die Brust blieb leuchtend; sie trocknete seine Angen, da glänzten sie wie Karfunkel. „Du liebes Christkind," lispelte das Mädchen, „da setz' dich zum Ofen und wärme dich!" Und immer wieder fragte das Weib, woher er komme, wer er sei. Sie faltete dabei die Hände. „Ich bin Theobald Gallheim," antwortete endlich der Knabe. „Ich bin ausgeritten; da sind Wildhühner aufgeflogen, das Pferd ist scheu ge¬ worden und hat mich abgeworfen. Ich bin herumgelaufen, bis es finster geworden ist. Dann sind der Wind und der Schnee gekommen und ich habe gar nichts mehr gehört und gesehen und bin gefallen. Bin doch wieder weitergegangen und dann habe ich das Licht gesehen. Laßt mich liegen in Eurem Hause und tut mir nichts Böses! Mein Vater wird schon kommen!" 94 Das Fieber schüttelte ihn, als er das sprach. Das Weib hatte Mübc, ihm die Schuhe von den Füßen zu bringen; sie waren schier angefroren. Der Knabe ächzte vor Schmerz; die Pecherin legte ihm feuchtes Grubeu- kraut auf Hände und Füße, dann brachte sie eine warme Suppe und führte den Löffel selbst zu seinem Munde. Das Magdale schlich spähend um den Knaben herum, schaute seine zarten Locken und seine frischen Wangen an und seine harnischglänzende Brust und seine Augen. „Du armes Christ kind, ist es doch wahr,'daß du so viel Kälte leiden mußt!" Das Weib trug von allen drei Betten, die in der Stube standen, die Kissen zusammen und baute damit auf der Ofenbank dem kleinen Gaste ein Lager; Theobald legte sich hin nnd schloß bald die Augen. Dem geängstigten Weibe war leichter ums Herz geworden. Ihr war dieser Knabe, der in der Christnacht hilflos zu ihr gekommen, eine gute Vorbedeutung. Das Magdale, das gar nicht schlafen wollte, zerstreute sic mit etlichen jener alten Weihnachtslieder, die so reich an Gemüt und Humor sind, und das eine vom „Häuserl im Dörfer!" mußte sie wiederholen: „Ach, wie friert das göttlich Kind, Wie geht nicht aus und ein der Wind — Es liegt auf Heu und Stroh. Ei, wenn ich nur das Häuserl hält', Das dort nut' im Dörferl steht, Wie wär' ich doch so froh! Ich nähm' die Mutter mit dem Kind, Tät's führen in mein Häuserl g'schwiud!" Dabei unterbrach sich die Sängerin und horchte auf den Atem des Schlummernden; und das Magdale saß daneben und faltete die kleinen Hände. 4. Gellender Waldhornschall schlug an die Wände der Hütte. Dem Weibe blieb der Ton in der Kehle stecken. Draußen knisterten schwere Tritte, die Tür ging auf, über und über beschneite Männer traten herein, irnter ihnen eine stattliche Frau. Die Pecherin tat einen flehenden Blick auf die Eintretenden, legte den Finger auf deu Mund und wies auf deu schlafenden Knaben. Kaum aber erblickte diesen die eintretende Frau, als sie mit einem Freudenschrei auf den Schläfer zustürzte. Der Knabe fuhr empor und blickte um sich. Und als er in dieser düsteren Hütte sich und seine Mutter sah, da zuckten seine roten Lippen. Sogleich wurde auf dem Schollberge ein großes Feuer angezündet: hoch empor und weithin durchdrang der Schein die Nebel und das Schnee¬ gestöber. Gallheim, der reiche Mann, hatte wohl in seinem Leben einen 95 io glückseligen Christbaum nicht gesehen, als diese Feuersäule war, die ihm verkündete, daß sein Kind lebe. Er ist gefunden! So kamen sie nun alle hier zusammen und noch nie hatte das kleine Haus im Walde so viele und so fröhliche Gäste gesehen wie in dieser Nacht. Dem reichen Manne barst schier das Herz. Da sah er seinen Sohn so liebevoll gehalten von der Familie dessen, den er heute — — Er dachte es nicht aus. Den schnellsten Reiter sandte er nach dem Herrenhause, um die eiserne Tür zu öffnen. Sie waren alle noch beisammen, als der Lenz auf einem vornehmen Wagen, der mit zwei Rappen bespannt war, angefahren kam. Zur Stunde ging schon der Morgen auf. „So geht es nicht allzu selten auf dieser Welt," sagte Gallheim in tiefem Ernst zum Pecher. „Die Macht in der Hand eines leidenschaftlichen Menschen ist wie das Messer in der Hand eines Kindes. Lenz, ich habe dir unrecht getan. Hier sehe ich dein Weib, dein Kind, denen du das Christbüumchen hast aufstellen wollen. Verzeiht mir alle drei! Ich will es gutzumachen trachten." Er sprach dem Pecher die Meierstelle im großen Felberhofe zu. Der Lenz war wortkarg. Er schüttelte den struppigen Kopf. Der Felberhof sei ihm zu groß. „Zu groß!" lachten die Leute; „das sollte ein Mann, wie Ihr einer seid, niemals sagen. Manch anderer wäre froh, könnte er seme Familie ohne Sorgen ernähren und vorwärts bringen." „Mag nicht fort von da," sagte der Lenz tonlos, „möchte mir lieber das Pechhacken wieder erlaubt sein." „Das Pechhacken, Lenz, das tut Euch schlecht und den Bäumen nicht gut," versetzte Gallheim. „Aber die Försterstelle wird frei und zu den Christbäumen für Eure Nachkommenschaft sind von heute an dreißig Joch Waldgrund Euer eigen! Dann, Hackbreter, wollen wir wieder gut sein." „Ich bin nicht bös," sagte der Lenz, „ich wollte den Herrn nur ge¬ beten haben, er möge es hier vor meinem Weibe und meinen, Kinde laut sagen, daß ich nicht schuldigerweise eingespcrrt worden bin." Gallheim faßte mit beiden Händen des anderen Rechte und rief: „Lenz, Ihr seid ein braver Mann!" Und so ist Gott durch den Wald gegangen und so ist das Christkind doch noch in die Hütte der Pechersleute gekommen. Peter Rosegger. 7 t-, MruLt nnri LSaFen steän venkassen, KM e^eae/rtet ^seles I/aus; L'rnne-rc/ ^e/r' rc/r ckr'e Sassen, ^k/es s,'M so /esEeü aas. 96 dsn ^K-rsZe-'-r /raöo-r ^arrs-r ^ltt-rZes ^xÄLöi^ Asso^orÄoLZ, IÄMSMÄ /lÄr^s-- sZe/m eorcZ so/r«ru^dsr8Zr7/ öe^/Äo/eZ. Z/ocZ reH rt'KK^^ö ar<8 den MrrLe-'m Zr's ^i-r«rr>'sroZre ^erZ/ ^o»»e/ F>er'/rerr ro-r Lre/rs-ra!or//. 80. vio 8ix1ini8LdL Madonna von Rafael 8anti. Wer Oresäen bs8uebt und sieb an de886n reieben 8amm- lunAen und 8eltenen Llunbtsebät^en erfreuen will, der versäumt 68 niebt, sieb die berübmts 6emäldeAalsris an^useben. 8aal reibt 8ieli an 8aal, Lild an bbld; erlebens 8ebät26, wslcbe die lvunst der erbten iVleibter in den letzten ^ndrlrunderten A68eIrLKen Kat! ^Vollen Mir nder dL8 lro8tdnr8te Heinod der Oalerie be¬ wundern, 80 inü88en wir un8srs 8cbritte einein bsZOnderen 6e- maebe riuleniren, da8 nur für die868 Bild bebtiinnrt i8t. Wir treten ein. Os.8 Osräuseb der 8ebritte, dus Llewirr der 8tinnnen verbnllt binter un8, unwillbüriiek 8priebt^'eder iin k'Iübterton. Wir 8teben vor der 8ixtini8eben iVladonnL, einer der berrlieb8ten 8eböpfunAen Rafael 8a.nti8, de8 Aefeiert8ten iVlnIerb nller weiten und Völker. Vier ^ukrbunderte 8ind bereitb verllo88sn, 8eitdem er in ltnlien eine Reibe der Ko8tbg.r8ten lVlei8terwerke 8cbuf, Aber unübertroifen btrnblt noeb beute 8ein lunine unter den lVleibtsrn der Run8t. ldr8prün^lieb vierte da8 8ild den ldoebultnr ds8 Llo8ter8 8sn 8ixto (dk8 bl. 8ixtub) ^u RiLeen^n in l^orditulien und 8ekon dainulb wurde 68 »ein wabrbuft ein^i^eb Werk« genannt. k>lun bind 68 aber 8cbon nn die riweibundert ^nbrs ber, dnL 68 um den damul8 unerbörten ?rei8 von 20.000 Ouknten, nneb beuti^em Oelde über 200.000 Rronen, für dis Orsbdner OemüldeALlerie erworben wurde. 97 Vis 8ixtiniscks Naäo-E v°ll 8^ti. (VsrI. Srucknl-ln°, Klüsen.) Oie Ootte8mutter 8ebaut von einem T^Itar nur nn8 bsrab. Der Vorbnnc;, der oben Iink8 nnd reebt8 noeb nu8Ae8pannt i8t, bnt 8ieb ^eossnet. Himmelsliebt 8trnblt nn8 entAS^en, Narin mit äem ^S8nbinäe 8Lbvvebt kernieäer, nm 8ieb nnk 6ie kurbitte äer beiden Neili^en den Lstenden 2U 2siAen. Frisch und Rudols, Lesebuch für Bürgerschulen. 98 Letrackten wir Zunächst 6iese bei6en etwas naher, welche 6ie VerbinckunA Zwischen uns un6 6er unnahbaren Hoheit 6er Oottesmuttsr Herstellen. Links kniet 6ie ehrwürcki^e Oreisen- ^estalt 6ss bl. 8ixtus, 6er ebrturehtsvob 2ur Mutter un6 ihrem Lincke emporselraut un6 ^u^leich 6ie andachtsvolle Men^s deren Onade empüehlt. Lin prächtiger Mantel umhüllt ibn, dis drei- faebe Lrone des Lapstes ruht 2U seinen Lüüen. Ikin ASAenüber kniet in anmutiger 8cbönheit die bl. Lar- bara, kenntlich an dem lurme reebts neben ibr, in dem sie ibr Vater ibres Lllaubens we^en sebinaebten beL. 8ie bat dis Hände ant 6er Lrust Aetaltet; demütig senkt sie vor 6er binnnliseben LrsebeinnnA 6as blaupt nn6 bliebt sinnen6 berab ans 6ie 8ebar 6er Oläubi^en. Iin OeAensat^e xu ibr blieben 6ie 2wei Ln^els- kinder ain unteren Lande 6es Lildes knabenhaft ungezwungen empor. 'V? er kennt niebt 6iese bei6en Lngelsköpte, 6ie in tast ebenso wahllosen biiachbildunAen -wie 6ie sixtinisebe Madonna selbst in 6er Aanxen Welt verbreitet sin6 un6 lausende, Millionen 6ureb ibre ^.nmut, ibre lxindliehkeit sntxüekt baben! 8ie sin6 ibren Geschwistern, welche vir im oberen leile 6ss Lildes tern im ldimmelsraume in 6en Wolken sebsn, vorausAeüoAen, stützen sieb jst^t aut 6ie LrüstunA, welche 6ie Lrdenwslt von 6er himm- liscben LrscbeinunA trennt, und erwarten bisr 6ie Gottesmutter, ^us liebten Höhen scbwebt 6iese, vorwärtsscbreiten6, soeben bernie6er. Während 6ie bei6en Heiligen noeb ein wenig in 6en Wolken eingedrückt ersebeinen, gleitet sie leiebt 6arüber bin. Wenn wir sie, 6ie 6en stesuknaben aut 6em ^.rme träAt, be- traebten, atmen wir Aleiebsam mit ibr 6en binnnliseben Lrie6en. Verklärt blickt sie aut uns berab, wäbren6 6as^esukin6, 6as sieb bebaAbeb aut ibrem ^.rme ^urücklebnt, mit seinen Ai-oLen ^.UAsn 6ie Welt 2u umtassen scbeint. Mutter un6 Xin6 sebauen uns voll entASAen, als wollten ibre Lücke in 6ie innersten tbieten unseres Ller^sns 6rinAen. Versunken in ^n6aebt, können wir uns nur scbwer von 6em berrbeben Anblicke trennen. Wer 6iese8 Meisterwerk bewun6ern6 Zesebaut, wir6 6er weihevollen ^.uAenblieke nie vergessen. ^osst 8isAl. 81. Die Neujahrsnacht eines Unglücklichen. Ein alter Mensch stand in der Nenjahrsmitternacht am Fenster und schaute mit dem Blicke der Verzweiflung auf zum unbeweglichen, ewig blü- 99 henven Himmel und herab auf die stille, reine, weiße Erde, auf der jetzt niemand so freuden- und schlaflos war wie er. Denn sein Grab stand nahe bei ihm; es war bloß vom Schnee des Alters, nicht vom Grün der Jugend verdeckt und er brachte nichts mit aus dem ganzen reichen Leben, nichts mit als Irrtümer, Sünden und Krankheit, einen verheerten Körper, eine verödete Seele, die Brust voll Gift und ein Alter voll Reue. Seine schönen Jugendtage wandten sich heute als Gespenster um und zogen ihn wieder vor den Hellen Morgen hin, wo ihn sein Vater zuerst aus den Scheideweg des Lebens gestellt, der rechts auf der Sonnenbahn der Tugend in ein weites, ruhiges Land, voll des Lichtes und reicher Ernten, führt und welcher links in die Maulwurfsgänge des Lasters hinabzieht, in eine schwarze Hohle voll heruntertropfenden Giftes, voll zielender Schlangen und finsterer, schwüler Dämpfe. Ach, die Schlangen hingen um seine Brust und die Gifttropfen brannten auf seiner Zunge und er wußte nun, wo er war. Sinnlos und mit unaussprechlichem Grame rief er zum Himmel hinauf: „Gib mir die Jugend wieder! O Vater, stelle mich aus den Scheideweg wieder, damit ich anders wähle!" Aber sein Vater und seine Jugend waren längst dahin. Er sah Irr¬ lichter auf Sümpfen tanzen und auf dem Gottesacker erlöschen und er sagte: „Es sind meine törichten Tage." — Er sah einen Stern aus dem Himmel fliehen und im Falle schimmern und auf der Erde zerrinnen. „Das bin ich," sagte sein blutendes Herz und die Schlangenzähne der Reue gruben darin in den Wunden weiter. Die lodernde Phantasie zeigte ihm schleichende Nachtwandler auf den Dächern und die Windmühle hob ihre Arme drohend zum Zerschlagen auf und eine im leeren Totenhause zurückgebliebene Larve nahm allmählich seine Züge an. Mitten in den Krampf floß plötzlich die Musik für das Neujahr vom Turme hernieder wie ferner Kirchengesang. Er wurde sanfter bewegt — er schaute um den Horizont herum und über die weite Erde und er dachte an feine Jugendfreunde, die nun, glücklicher und besser als er, Lehrer der Erde, Väter glücklicher Kinder und gesegnete Menschen waren, und er sagte: „O, ich könnte auch wie ihr diese erste Nacht mit trockenen Augen ver- schlmmnern, wenn ich gewollt Hütte. Ach, ich könnte glücklich fein, ihr tenern Eltern, wenn ich eure Neujahrswünsche und Lehren erfüllt Hütte!" Im fieberhaften Erinnern an seine Jünglingszeit kam es ihm vor, als richte sich die Larve mit seinen Zügen im Totenhause auf; endlich wurde sie durch den Aberglauben, der in der Neujahrsnacht Geister und 7* 100 Zukunft erblickt, zu einem lebendigen Jünglinge und seine vorige blühende Gestalt wurde ihm bitter vorgegaukelt. Er könnt' es nicht mehr sehen — er verhüllte das Auge — tausend heiße Tränen strömten versiegend in den Schnee — er seufzte nur noch leise, trostlos und sinnlos: „Komm nur wieder, Jugend, komm wieder!"... Und sie kam wieder: denn er hatte in der Neujahrsnacht nur so fürchterlich geträumt; er war noch ein Jüngling. Nur seine Verirrungen waren kein Traum gewesen: aber er dankte Gott, daß er, noch jung, in den schmutzigen Gängen des Lasters umkehren und sich auf die Sonnenbahn zurückbegeben konnte, die ins reine Land der Ernten leitet. Kehre mit ihm, junger Leser, um, wenn du auf seinem Irrwege stehst! Dieser schreckende Traum wird künftig dein Richter werden; aber wenn du einst jammervoll rufen würdest: „Komm wieder, schöne Jugend!" — so würde sie nicht wiederkehren. Johann Paul Friedrich Richter. 82. Der Reiter und der Bodensee. Der Reiter reitet durchs Helle Tal, Auf dem Schneeseld schimmert der Sonne Strahl. Er trabet im Schweiß durch den kalten Schnee, Er will noch heut' an den Bodensee; Noch heut' mit dem Pferd in den sichern Kahn, Will drüben landen vor Nacht noch an. Auf schlimmem Weg, über Dorn und Stein, Er braust auf rüstigem Roß feldein. Aus den Bergen heraus ins ebene Land, Da sieht er den Schnee sich dehnen wie Sand. Weit hinter ihm schwinden Dorf und Stadt, Der Weg wird eben, die Bahn wird glatt. In weiter Fläche kein Bühl, kein Haus, Die Bäume gingen, die Felsen aus. So flieget er hin eine Meil' und zwei, Er hört in den Lüften der Schneegans Schrei Es flattert das Wasserhuhn empor, Nicht anderen Laut vernimmt sein Ohr; Keinen Wandersmann sein Auge schaut, Der ihm den rechten Pfad vertraut. 101 Fort geht's wie auf Samt auf dem weichen Schnee. Wann rauscht das Wasser? Wann glänzt der See? Da bricht der Abend, der frühe, herein: Von Lichtern blinket ein ferner Schein. Es hebt aus dem Nebel sich Baum an Baum Und Hügel schließen den weiten Raum. Er spürt auf dem Boden Stein und Dorn, Dem Rosse gibt er den scharfen Sporn. Und Hunde bellen empor am Pferd Und es winkt im Dorf ihm der warme Herd. „Willkommen am Fenster, Mägdelein! An den See, an den See, wie weit mag's sein?" Die Maid, sie staunet den Reiter an: „Der See liegt hinter dir und der Kahn. Und deckt' ihn die Rinde von Eis nicht zu, Ich spräch', aus dem Nachen stiegest du." Der Fremde schaudert, er atmet schwer: „Dort hinten, die Eb'ne, die ritt ich her!" Da recket die Magd die Arm' in die Höh': „Herr Gott, so rittest du über den See; An den Schlund, an die Tiefe bodenlos, Hat gepocht des rasenden Huses Stoß! Und unter dir zürnten die Wasser nicht? Nicht krachte hinunter die Rinde dicht? Und du wardst uicht die Speise der stummen Brut, Der hungrigen Hecht' in der kalten Flut?" Sie rufet das Dorf herbei zu der Mär', Es stellen die Knaben sich um ihn her; Die Mütter, die Greise, sie sammeln sich: „Glückseliger Mann, ja, segne du dich! Herein zum Ofen, zum dampfenden Tisch, Brich mit uns das Brot und iß vom Fisch!" Der Reiter erstarret auf seinem Pferd, Er hat nur das erste Wort gehört. 102 Es stocket sein Herz, es sträubt sich sein Haar, Dicht hinter ihm grinst noch die grause Gefahr. Es siehet sein Blick nur den gräßlichen Schlund, Sein Geist versinkt in den schwarzen Grund. Im Ohr ihm donnert's wie krachend Eis, Wie die Well' umrieselt ihn kalter Schweiß. Da seufzt er, da sinkt er vom Roß herab, Da ward ihm am Ufer ein trocken Grab. G. Schwab. 83. Llein lkolrmd. Oran Rerta saü in der Oelssnkl uk't. 8ie kla^t' ibr bittres Oos; Rlsin Roland spielt' in kreier Oukt, Oes HuAs var niebt Arob. „0 UöniA Rari. mein Lruder bsbr, 0, dab ieb klob von dir! lltn Oisbe lieb tob Rraobt unči Obr' ; Run Zürnst ein sobrseklieb mir. 0 Nilon, mein Oeinabl so süb! Oie Mut versoblanA rnir dieb. Oie ieb um Oisbe alles lieb, Run läbt die Oisbe mied. Hein Roland, dn inein teures Rind. Run Mir' und Oisbe mir, Hein Roland, komm bsrein ^esobivind! Nein Drost koinint all von dir. Hein Roland, Asb ^ur 8tadt binab, 2n bitten uin 8psis' und Dranb; lind wer dir Albt eins kleine 6ab', Dein ivünsobs Oottes Oanb!" Oer Röni^ Rar! 2ur Datei sak Iin Aoldnsn Rittersaal; Oie Oiensr listen olin' llnte.rlak Nit Zebüssel und Rokal. 103 Von Dlötsn, 8aitsnspisl, DssanK Ward ^'sdss Iler-! srkrsnt; Dosd rsisdts niedt dsr dslls LlanZ- Du llertas Dinsamdsit. Lud drandsn in dss Lokss Lrsis, Da sadsn der Rettlsr viel, Dis isdten sied an Drand und 8nsis' Nsdr als am 8aitsnspisl. Der LöniK ssdant in idr kkedränK' ^Vodl dured dis sikne Dür; Da drüsdt sied dnred dis dielits Nsnx' Din keiner Lnad' dsrkür. Dss Lnadsn Llsid ist wunderbar Visrkarb LusammsnKsstnodt, Dosd wsilt sr niedt dsi der Rsttlsrsvdar. Lsrank 2Um 8aal sr blisdt. lderein 2nm 8aal dlsin Roland tritt. ^.is wär's ssin siKsn Raus. Dr dsdt sins 8odüsssl von Rissdss lVlitt' Lud trÄAt sis stumm dinaus. Der Reni»' dendt „^Vas inud ied ssdn? Das ist ein sondrsr Lrauod." Dosd vsil sr's rndi" ladt Kssodsdn. 80 lasssn's dis andsrn anod. Rs stund nur an sins dlsins H'sil', Lisin Roland dsdrt in dsn 8aal, Lr tritt ^um Löni^ din mit Rii' Idnd kadt seinen Doldpodal. ..Heida, dalt au, du deeder VViedt!^ Dsr LöniA rukt es laut. Lisin Roiand irtdt dsn Rsodsr niodt, 2nm LöniZ- auk sr ssdant. Dor Löni^ erst Kar duster sad, Dosd iaedsn mndt' sr daid: „Du trittst in dis Koidns Lails da VVdo in dsn Krünsn ^Vald. 104 Du nimm8t äio 8obü88oi von Xöni^s ^i8ob, ^Vio inan ^pioi briobt vom Lanm; Du boiat vis an8 äom Lronnon sri8ob Aoino8 roton ^Vsiii68 8obanm." „Dis LLnrin sobö^st ans äsm Lronnon sri8ob, Dio briobt äio ^psoi vom Lanm; Aoinor Anttsr ^ismot ^Viläbrot nnä Diaob, Ibr roton 1Voino8 8obaum." „Dt äsino Anttor 80 oäis Dam', ^Vio än bortibmat, mein Liinä, 80 bat 8IS vobi ein 8obio6 1u8t8am Dnä 8tattliob Aof^oainä'? 8s^' an, vor i8t äonn ibr 1rnob8ob? 8a^' an, vor i8t ibr 8obonb?" „Aoino roobts Hanci i8t iiir 1rno^8o6, Noino imiro, äio i8t iiir 8oii6iiir." ,,8aA' an, vor 8inci ciio ^äolitor trsn?" „Asins ^UA6n blau g.Il8tnn2 12 8 c^ (s-r r^ 2 r2 cv v 2sv 8 8 k- O w O S 8 72 cv rr v cv -72 ?2 8 <72 c/c; 72 dtz suuu. 129 105. Morgenwanderung. Wer recht in Freuden wandern will, Der geh' der Sonn' entgegen; Da ist der Wald so kirchenstill, Kein Lüftchen mag sich regen; Noch sind nicht die Lerchen wach, Nur im hohen Gras der Bach Singt leise den Morgensegen. Die ganze Welt ist wie ein Buch, Darin uns ausgeschrieben In bunten Zeilen manch ein Spruch, Wie Gott uns treu geblieben; Wald und Blumen nah und fern Und der Helle Morgenstern Sind Zeugen von seinem Lieben. Und plötzlich läßt die Nachtigall Im Busch ihr Lied erklingen, In Berg und Tal erwacht der Schall Und will sich aufwärts'schwingen; Und der Morgenröte Schein Stimmt in lichter Glut mit ein: Laßt uns den: Herrn lobsingen! Em. Geibel. 106. Wanderschaft. Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus, Da bleibe, wer Lust hat, mit Sorgen zu Hans. Wie die Wolken wandern am himmlischen Zelt, So steht auch mir der Sinn in die weite, weite Welt. Frisch aus drum, frisch auf im Hellen Sonnenstrahl, Wohl über die Berge, wohl durch das tiefe Tal! Die Quellen erklingen, die Bäume rauschen all; Mein Herz ist wie 'ne Lerche und stimmet ein mit Schall. O Wandern, o Wandern, du freie Burschenlust! Da wehet Gottes Odem so frisch in die Brust; Da singet und jauchzet das Herz zum Himmelszelt: Wie bist du doch so schön, o du weite, weite Welt! Em. Geibel. Frisch und Rudolf, Lesebuch für Bürgerschulen. 9 130 krisärick vor» öoäen8tsät. 107. Der IrükIinZ. Wenn 6er brnbiin^ nnf 6ie Ler^e 8tei^t 16n6 im 8onnen8trnbl 6er 8ebnse 2er6ieL>t, Wenn 6n8 er8te Orün sm Lnum 8ieb ^ei^t I6n6 im Orn8 6n8 er8te Llümlein 8pris6t, Wenn vorbei im 'bal biun mit einem iVInI ^.Ils I^e^en^eit nn6 Winterc^uni, 8ebnIIt 68 von 6en Hökn 8i8 2nm 6?nls weit: O, wie wun6er8cbon 18t 6ie k'rüblin^^sit! Wenn nm Oiet8Lber beik äie 8onns leekt, Wenn äis (Quelle von äen Lernen 8prin^t, ^.11e8 rinA8 mit MNAsrn Ornn 8ieb 6eebt Dnä 6n8 1.u8tAetön 6er Wnläer klingt, Imits linä unä Inn Wür^t 6ie Arüns ^n I6n6 6er Himmel Incbt 80 rein un6 Kinn, 8eknIIt 68 von 6en Nöbn 6i8 ^nm Inie weit: O, wie wnn6er8ebön 18t 6ie I^rüIrlinM^sit! briscirick von kaciensteäl: 131 108. Der Wald im Frühlinge. „Christ ist erstanden!" So rufen die Osterglocken und freudig stimmt die ganze Natur in den Jubel ein. Denn auch sie selbst, die Gotteswelt, ist erstanden, erstanden aus den Ketten und Banden des Winters. Fröhlich grünen die jungen Saaten, munter keimen die Gräser und Kräuter, hoch über Feldern und Triften schmettert die Lerche ihr Osterlied. Düster steht noch der Wald und schweigt; aber tritt nur hinein in den feierlichen Dom, auch hier fehlt es nicht an Zeugen der Auferstehung. n ksikt 68 ununterbrooken llisA6n: iek glaube, du würdest, wenn's übsrkaupt niekt K'anT und ^ar unmübkok würe, mekrere LaZe brau- oken, nm 6ns blittellündiseks Neer Tu übersstTsn und im keikon Afrika Ku6 TU fassen." „Ond ikr?^ fragte 6er 8patT, indem er mit einer rasoken Le- N'SAUNA äns Würmlein selber aufpiekto. „Uns Neer? 'Wir übertlisKen es in wenigen 8tundsn. Und selbst da sollen 6 is Kräfte manekmal nic:bt ausreioken unci nur müssen Oott danken, wenn vir 8okilie linden, auf dsrsn Nastsn vir uns sstTsn können TN kurzer Last." „Unci wenn's Liratsnsekilfs sind?" „Oie Lnsleuts tun uns nioiits Tul6iä6, nioiit einmal äis Liraten, 6is LeerünLsr. 8ie vissen, äai) vir Loirwaibsn 61üeir bedeuten. Unä vüre nnoii cias nickt der Lail, sis, die selbst in steter Oeiakr sind, soben unsere Xot und versokonen uns, bis vir erlrisobt veiterllisASN können." Oer 8pat2 var etwas kleinlaut geworden, bliebt ebne Oovb- aobtunA Auekts er aul das 8ebvalbeninänn6b6n und daebte vobl bei sieb: Deins Lommsrkrisobs ist erst niobt KSNT sc> billig TU buben, wie man es sieb vorstellt. „Wber sobön mu6 es sein im 8üdsn," saZte der 8patT. „8obön ist es freiliob. Os ist M das Laradies," antwortete die 8ebvslbe. „blieb wundert nur, clslZ ibr niebt dort bleibt, venu es oueb daselbst so Aut ^elällt und wenn die Leise bisber so bescbwerlieb ist." 8o der 8patT. „Wir sm^landen Löimwsb," saAte dis 8ebwglbs. -,Wo seid ibr denn dabeim?" lrLAts der 8patT. „Oin Kalbes dabr kier, ein Kalbes dakr dort. 8o seid ibr dort so Aut daksim vis kier. Oder besser dort, veil dort ^'a das Laradiss ist! Darauf spraek dis 8okwalbe: „Wir sind dakeim, vo wir geko¬ ren sind, und das ist kier im Lordsn. Wir sind daksim, no v b un¬ ser Laus bauen und unsere Linder Tur Welt bringen, und das ist kier in diesen Landen. Dort im fernen 8üden, in den Oasen der 138 „blnd bist du niobt nisdergesobosssn und bast dem Dngebsusr dis Vugsn ausgepiobtl" „Dis Raobs überlasse iob einem Ltärbsren!" sagte die Lobwalbs. „Du bannst ss niobt glauben, 8xat?, wie traurig iob dann wsitsrgs- ilogsn bin. Dis sobönen 8ommsrfrsuden in der Heimat, das ^ungs Lamilisnglüob — alles ist dabin. bloob einmal bin iob in diese 6s- gend gsbommen, bis vir so selig unsere bloimat nannten nnvsidsn nun in frobsm Osnusss dss lebsns. Das boeb aufssllisksnds dras birAt dsn sebön ^odsebton dninar. Im sislisrsn Vsrstseb auf- lausrnd und dis Weits dss sin^i^sn 8prun»ss vorsiebtiA mssssnd, srbasobt sr dis vorübsr^islisndsn lisrs, batrsnartiA rvie dsr asiatisobs li§sr. Lisvvsilsn siolit man (so sr^äblen dis kinAsbornsn) »n dsn blfsrn dsr 8üm^fs dsn bsksuebtstsn litten siel» lanAsam nnd sobollsn- vsiss srbsbsn. Uit bsftiKSM Ootoss n-is lisi m ^.usbruebs blsinsr 8elilammvullrans rvird dis aufAs^niblts krds boob in d is kult As- svblsudsrt. Wor dss ^nl-iislcs bundiA ist, tliobt dis krsoboinunA; dsnn sins risssninrlts WasssrseblanAS odsr sin Zspan^srtss krokodil stsi^sn aus dsr Druk bsrvor, duroli dsn srstsn ksAsnAuk aus dom Lobsin- tods ervsebt. 8olnvoIIen nun allinüliliob dis klüsss, so 2vin§t dis katur dis- sslbsn lisrs, n-slsiis in dsr srstsn -labrosbalste auf dsm ^vasssr- Issrsn, staninASn Loči on vor Durst vsrsobmaebtetsn, »Is ^inplulnon /n loben. Lin loil dsr 8tspps srsebsint nun rvis sin unsrmsKIiobss Linnsnvasssr. Dis Uuttsrvksrds ^isbsn sieb mit dsn Diillsn aut dis böbsrsn Länlcs riurüslr, vslsbs insolkörmiA übsr dsn Zoospis^sl borvor- rnAsn. Uit (sdsm 4'a^s vsrsnAt sieb dsr troolcsno kaum, ^.us UanAkI an ^Vsids ssbvimmsn dis nusammsn^sdrüNAtsn lisrs stundsn- lanA umbsr und näbrsn siob kärAÜllb von dsr biübondsn (Irasrisps, dis sieb über dsm braunAskarbtsn, Aärondsn U asssr sriiobt. Violo küllsn srtrinksn: viels vsrdsn von dsn Krokodilen srbasebt, mit dsm 2aolri§sn 8ob>vaN2S ^srsslimsttsrt nnd verssblunAsn. kiolit selten bs- msrlrt man KIsrds und Rinder, >vslobo, dem kaelisn dieser blut^ieri^eo, riosonbakon kidsslissn entseldüpft, die 8pur des spit^iAsn 2slinss am 8obsnlLöl tragen. Llsxsiiäsr von Ilumbolöt. 114. 8ekütxet äie liere! 8obmstterlinAe und Käfer fanden und töten? Uein! Ztueb sie sollen sieb des lebens freuen! Die kisebe mit der H.n§el fanden? Wie grausam! Uenscben, seid nucb Ae^en die liers menscblicb! Vlncbt eueb nicbt breit mit eurer Uensebliebbeit, 8olnnA ikr mit dem lier niebt menseblieb seid! Oleicb wsi6t du, vvie's einer meint mit dsr Welt : 8ieb nur, v'is er seine liere bält! O. v. Kol ft. — 148 — D?»' /rat e,'«we^sm ' se/öer e»r Ortte-' As---r. M- ira^ i/r-r e/'sioe^M rm cimrUe-r Oar/r c^e-r Terö PS^SM^et rm ire/e-r Mer/r, Oak auAOsFk ci/s Oüsknu^ >1c/sL Os,/-e» Oc>/? «rs^ Asss^wu-rAs-r Onsi a/s s,- s/^enAe-r rs>Ä Äöe,' eiis O/'Äs^', O» strdek cias Oo/? r<-rÄ öämmt sic^ Ltt--Äc/r, O-rci a/s e,' <^rs AÄkai-rem ä^ore-r r/»» A-crö, Da sc/,/sAc/e,^s r/r-r rsM r» . ^4,'M, »rr'k ,'n!A Richard Wagner. 119. Aus Richard Wagners Jugendjahren. In derselben Stadt, in welcher der bahnbrechende deutsche Denker- Leib nitz geboren wurde, in der einer der größten Tonmeister aller Zeiten, Johann Sebastian Bach, seine großartigen Tonwerke schuf, die erst in unserer Zeit in ihrer ganzen Er¬ habenheit und Schönheit begriffen werden, in der altehrwürdigen Stadt Leipzig stand auch die Wiege Richard Wagners. Das Jahr 1813, welches. Deutschland aus der tiefen Schmach erlöste, in welche es Napoleons Übermut und Tyrannei ' gestürzt hatten, ist sein Geburtsjahr. Kaum war der Donner der völker¬ befreienden Schlacht verhallt, so entriß der Tod der Familie Wagner, die damals in bescheidenen, fast ärm¬ lichen Verhältnissen in Leipzig lebte, den Ernährer. Für die Mutter be¬ gann nun eine schwere Zeit ernstester Sorge. Der Verlassenen nahm sich aber ein Freund des Verstorbenen au; es war dies der Schauspieler und Maler Ludwig Geyer, dem die Witwe Wagner in zweiter Ehe die Hand reichte. 144 Die Familie übersiedelte bald darauf nach Dresden, wo Geyer als Hofschauspieler angestellt wurde. Rasch erwarb sich der kleine Richard die Liebe und Zuneigung seines Stiefvaters. Wenn die älteren Geschwister daheim Klavierunterricht erhielten, ließ der kleine Richard seine Spielsachen eiligst stehen und liegen und trat, aufmerksam zuhörend, an das Instrument. War der Unterricht beendet, so versuchte er, das Gehörte, so gut es eben ging, nachzuspielen. In dieser Zeit warf eine gefährliche Krankheit den Stiefvater aus das Krankenlager, von dem er sich nicht wieder erhob. Einen Tag vor seinem Tode erlebte er an seinem Lieblinge Richard noch eine recht große Freude. Er hörte nämlich, wie sich der Knabe im Neben¬ zimmer auf dem Klaviere übte, indem er den Choral: „Üb' immer Treu' und Redlichkeit" und das Liedchen aus dem „Freischütz".: „Wir winden dir den Jungfernkranz" ganz leidlich nach dem Gehöre spielte. Da dämmerte in dem Todkranken eine beglückende Ahnung auf und er fragte seine Frau: „Sollte er vielleicht Talent zur Musik haben?" Kurze Zeit darauf starb er. Am andern Morgen führte die tiefbetrübte Mutter die Kinder an die Bahre, auf der der tote Vater lag, und sagte zu dem kleinen Richard: „Aus dir hat er etwas machen wollen!" Dieser Worte vergaß Richard Wagner in seinem ganzen Leben nicht: er hörte sie in seinem tiefsten Elende und sie richteten ihn wieder auf; er vernahm sie in den Ruhmestagen seines Lebens und sie spornten ihn zu neuen Geistestaten an. Im neunten Lebensjahre besuchte er die Kreuzschule in Dresden, wo er in der griechischen und lateinischen Sprache die besten Fortschritte auswies; besonders interessierte er sich für die Götterlehre und die Geschichte. Als er elf Jahre alt war, starb einer seiner Mitschüler. Den Schülern der Klasse wurde von ihrem Lehrer die Aufgabe gestellt, den Entschlafenen in einem Gedichte zu feiern; das beste derselben sollte gedruckt werden. Wagner, der sich schon früher im Versemachen geübt hatte, trug den Sieg über alle seine Mitschüler davon; sein Gedicht wurde, nachdem aller Schwulst aus demselben entfernt war, gedruckt. Durch diesen ersten öffentlichen Erfolg fühlte er sich sehr gehoben und derselbe war für ihn ein mächtiger Ansporn zu weiterem, eifrigem Schaffen. Richard Wagner ward Dichter und Tonkünstler. Er schuf Werke von unvergänglicher Bedeutung. Seine Musikdramen „Tannhäuser", „Lohengrin", „Der Ring des Nibelungen" (bestehend aus „Rheingold", der „Walküre", „Siegfried" und der „Götterdämmerung"), „Die Meistersinger von Nürn¬ berg", „Tristan und Isolde" und „Parzival", die von Zeit zu Zeit von einer auserlesenen Künstlerschar vornehmlich in dem eigens zu diesem Zwecke erbauten Theater zu Bayreuth aufgeführt werden, genießen einen Weltruf. 145 Richard Wagner war ein Mann der Tat, der für die Entwicklung der deutschen Kunst die ganze Kraft seines glänzenden Geistes eingesetzt hat. Franz Schütz. 120. Bon einer Stadt und einem Riesen. Es liegt eine Stadt mitten im Walde; die Stadt hat viele hundert Straßen. Drinnen lebt ein Völkchen, das weit und breit berühmt ist wegen seines Fleißes. Vom Morgen bis zum Abende sind dort alle rührig bei der Arbeit; sie klettern auf die Bäume und holen Holz herab, schleppen Gras heim, pflegen ihre Kinder und bauen neue Wohnungen. Dabei leben sie still und friedlich beieinander. Wenn einer in der Straße geht und seine Last nicht allein fortschleppen kann, so springt gleich ein anderer herbei und hilft, ohne daß er sich erst bitten läßt, und der Richter und die Polizei¬ diener haben dort wenig zu tun. Da geschah aber einmal an einem schönen Nachmittage ein großes Unglück. Denn als eben die Alten ihre weiß eingewickelten Kinder vor die Stadt getragen und in den warmen Sonnenschein gelegt hatten, da kam plötzlich ein Riese durch den Wald daher. Die Schildwachen gaben schnell ein Zeichen. Wie, das weiß ich selbst nicht; denn Trommeln und Trompeten sind in dieser Stadt nicht gebräuchlich. Als der Riese sich näherte, rannte alles aus der Stadt hinaus und wollte nur schnell die Kindlein hereinschleppen; doch ehe das Gewimmel noch hinein war, trat der Riese schon mit einem Fuße mitten auf die Stadt, daß gleich mehr als hundert Straßen zusammenstürzten. Da nun schon alles durcheinander rannte und flüchtete, bückte sich der Riese und warf mit seinen Fingern langsam und wie zum Zeitvertreib eine Straße nach der andern ein; er hatte seine Freude an dem ängstlichen Gewimmel und staunte, wie die armen Leute nur immer zuerst nach ihren Kindern griffen und sie über die Trümmer hinweg beiseite schleppten in die unversehrten Straßen. Das kleine Völkchen aber verlor den Mut doch nicht. Viele Hunderte machten sich auf und marschierten tapfer zu den Hosen und Ärmeln des Riesen hinein und stachen mit ihren Waffen so tüchtig auf ihn los, daß es ihn am ganzen Leibe wie Feuer brannte und daß er zurücktrat von der Stadt. — Aber der Herr des Waldes sprach zu dem Riesen: „Du ungeschickter, fauler Mensch, was hat dir mein gutes, fleißiges Völkchen getan? Du mit deinen großen Händen kannst doch keine einzige Straße anfbauen so kunstvoll wie mein kleines Völkchen da!" Willst du wissen, mein Kind, wer der Riese Ivar? — Das war ein Mensch, so groß wie du. Aber was für eine Stadt ich meine, und wer das kleine, fleißige Völkchen ist und wer der Herr des Waldes, das sollst Frisch und Rudolf, Lesebuch für Bürgerschulen. 10 146 du erraten und dann gehe hinaus in den Wald und besuche die Stadt und das Völkchen und lerne von ihm! Campe. 121. Berwandlungen. Raupe. Immer hier am Boden kleben Ist ein gar erbärmlich Los; Wie der Falter fröhlich flattert — Und ich Ärmste krieche bloß! Ja ich muß sie mir erwerben, Solche Flügel leicht und klar, Spinnen solch ein Kleid und flattern Mit der andern frohen Schar. Puppe. Ach, ich durst' es nicht erringen! Arm, verlassen hang' ich hier. O, wo seid ihr, bunte Schwingen, Wonnevolles Luftrevier? Kröch' ich noch auf kahler Erde Als ein Würmlein klar und licht! Was ich war, darf ich nicht werden; Was ich strebte, werd' ich nicht! Schmetterling. Wie lockt es, wie duftet es Wo seid ihr Leiden So blütenschwer! Der Prüfungszeit? Sonnige Bläue Ich taumle, ich schwelge Ringsumher! In Seligkeit! Ed. Bauernfsld. 122. IlensnIienUebe null IVoliltiiliAleeit. Läsi sei äsr Llevsek, KMrsicd naä gut. Das ist Aöwill ein vnüros IVort unä ckas anäoro ist obonso vallr: Lin Nonsoll ist nur so viol vsrt, als sr anäsron iin Lsbon Asvoson ist. Lin Nonsoll oüns Liollo, oiins LarinüsrmAÜoit, ollno Intorosss kur nnäoro, ein Nonseü, äor nur sieb soldor Lonnt, ist üsin vnüror Nvnsoü unck vorlsnAnot siAontlioll äsn Nonsollon im Nonsollon. IVir sinä von Xntnr nioüt isn Linsioälorn ^olloron. äis in clor ^Vnlctosoin- 147 sambsit nur sieb sslbsr Isbsn; evir sind ^lsisb von Osburt an in eins IVsIt Asstellt, in volsbsr einsr dss audsra bsdarsi sinsr aut' dsn andern anASivisssn ist. ^.nl Diebs und Hills ist sr ^svvisssn' das soll er sieb fürs spätere Dsbsn saAsn. Denn vas man ist, das danbt man andern. Ls gibt niobts Odsros als einen Nsnsoben, dsr da meint, sr balle. andern niebts, aber sieb selbst alles zu danbon. Das aibt ds.uu dis liarten Nsusebsn in der IVelt, dis das seblimms IVort im Nuuds ckübren: „cksdsr ist sieb selbst dsr Mebsts." Die Diebe allein maebt unser Dslien reisb, und wer niobt ^idt, dsr verarmt invvsndlA. ^rm gespart bat sieb sobon manober, arm As^sben noeli beiner. „Nann mit znKsbnSpbtsn ll'asolion. Dir tut nismand was zulisd! Land wird nur durolr Hand Aewassben —- IVsnn du nsbmen willst, so ^ib!^ 6ostk«. IVsr Dsld erwerben will, mnll tleidi^ ssin; willst du (leid sparen, wirst du lrluA sein müssen. Ilm ss aber Aut anznwendsn, ist Disbe erlorderlieb. Dclls Uensebsnlisbs und das Ktrebsn, andern IVobltatsn zu spenden, müssen sieb olms anderes Dsprä^s bstätiASn. Die Lsebts soll niebt ivisssn, was dis Dinbs tut. Dis warms Diebs, mit dsr man ^ibt, verleibt dsr 6abs ibrsn IVert. 8is ist dsr belle LilbsrlrlanA. Die balte lösrsebnnnA maobt sie zum dumplsn. sebwsrsn Lisi. ^saod Lmil trommel. 123. Der kleine Friedensbote. Ein Gerber und ein Bäcker waren Nachbarn und die gelbe und die weiße Schürze vertrugen sich aufs beste. Wenn dem Gerber ein Kind geboren wurde, hob es der Bäcker aus der Taufe, und wenn der Bäcker in seinem Obstgarten an der Stelle eines ausgedienten Invaliden eines Rekruten be¬ durfte, ging der Gerber in seine Baumschule und hob den schönsten Mann aus, den er darin hatte, eine Pflaume oder einen Apfel oder eine Birne oder eine Kirsche, je nachdem er aus diesen oder jenen Posten, auf einen fetten oder mageren Platz gestellt werden sollte. Zu Ostern, zu Martini und am heiligen Abende kam die Bäckerin, welche keine Kinder hatte, regel¬ mäßig, einen großen Korb unter dem Arme, zu den Nachbarsleuten herüber und teilte unter die Paten aus, was ihr der Hase oder der gute Märtel oder gar das Christkind unter die schneeweiße Serviette gelegt hatten. Je mehr sich die Kinder über die reichen Spenden freuten, desto näher zu¬ einander rückten die Herzen der beiden Weiber und man brauchte keine 10» 148 Zigeunerin zu sein, um aus dem Satze in ihren Kaffeeschalen zu prophezeien, daß sie immer gut bleiben werden. Wie der Gerber, so hatte auch der Bäcker einen Hund, jener als Jagdliebhaber einen großen braunen Feldmann und dieser einen kleinen schneeweißen Mordax. Beide meinten, die besten und schönsten Tiere dieses Geschlechtes zu haben. Und da geschah es denn eines Tages, daß Mordax ein Kalbsknöchlein gegen den Feldmann behauptete. Denn er hatte wahr¬ scheinlich vergessen, daß es nicht gut sei, einem großen Herrn etwas abzuschlagen. Vom Knurren kam es zum Beißen, und ehe sich der Bäcker von seiner grünen Bank vor dem Hause erheben konnte, lag sein Hündlein mit gebrochenem Genick vor ihm und der Feldmann lief mit dem eroberten Knochen und mit eingezogenem Schweife davon. Sehr ergrimmt und entrüstet warf der Herr des Ermordeten dem Raubmörder einen ge¬ waltigen Stein nach. Aber was half's? Der Stein flog nicht dem Hunde an den Kopf, sondern dessen Besitzer durch das Fenster mitten auf den Tisch, an dem dieser gerade die Zeitung las. Ohne zu fragen, woher der Stein gekommen sei, riß der Gerber den zertrümmerten Fensterflügel auf und fing an zu schimpfen. Der Nachbar in der weißen Schürze und mit den aufgestülpten Hemdärmeln blieb nichts schuldig, Kinder und Leute liefen zusammen und — hätte ich ihn nur sehen können — der Satan stand gewiß in einer Ecke der Gasse und blies mit vollen Backen in das Feuer. Der Bäcker verließ den Kampfplatz zuerst, aber nur, um seinen Nachbar bei Gericht zu belangen. Die Sonne ging über den Zorn der beiden Männer unter und an dem Tage darauf wurden sie vor das Gericht ge¬ laden. Der Gerber wurde verurteilt, den totgebissenen Mordax mit einem Reichstaler zu büßen, da doch, wie er sich als Jagdliebhaber ausdrückte, der kleine Schäker nicht einen Groschen wert gewesen sei; der Bäcker mußte für den zertrümmerten Fensterflügel nicht viel weniger bezahlen und sich mit seinem Widerpart in die aufgelaufenen Gerichtskosten teilen. Von nun an war zwischen den beiden Familien eine große Kluft. Hinüber und herüber über die Gasse flog kein freundliches Wort mehr. Ging die Gerberin links zur Kirche, so nahm die Nachbarin ihren Weg rechts; saß der Bäcker im Gasthause außen in der Stube beim Bier, so nahm der Gerber seinen Platz im nächsten Zimmer. Für den ganz schuld¬ losen Teil, für die Kinder des Gerbers, gaben weder der Osterhase noch der gute Märtel noch das heilige Kind durch die Frau Patin mehr etwas ab. So ging es fast drei Jahre. Einmal, am Ende des dritten, setzten sich der Gerber und seine Hausfrau nachmittags an den Tisch, um ihren Kaffee zu trinken. Aber als die Gerberin die Tischlade herauszog, war kein Wecken zum Einbrocken darin. Ihr kleiner Wilhelm, der neben ihr 149 auf den Zehen stand und auch hineinschaute, rief sogleich: „Mutter, einen Groschen, ich hole das Brot!" Dann wandte er sich in seiner kindlichen Eilfertigkeit, an den Vater und sagte: „Heut' aber laufe ich nicht lange herum, und wenn es beim Torbäcker kein Brot gibt, geh' ich wieder einmal zu dem Herrn Paten hinüber." Der Gerber, der vielleicht die anklopfende Gnadenhand des Herrn spürte, sagte nicht ja und nicht nein und ließ den Knaben ziehen. Im ersten Brotladen hatten aber die Wecken schon alle ihre Käufer gefunden und Wilhelm kam wieder zum Tore herein, laut singend, wie es manchmal lebhafte Kinder mit ihren Gedanken zu machen pflegen, daß es die ganze Gasse hören konnte: „Heut' geh' ich zum Herrn Paten, heut' geh' ich zum Herrn Paten!" Ungehalten über den argen Schreihals, wollte sein Vater ihm wehren. Aber ehe er noch das verquollene Fenster öffnen konnte, war der kleine Sänger schon zum Tempel hinein und — kehrte nach einigen Augenblicken als Friedensbote wieder zurück. Statt des Ölzweiges hatte er einen geschenkten Eierring in der Hand und rief, über die Schwelle hereinstolpernd: „Der Herr Pate läßt Vater und Mutter recht schön grüßen und ich soll bald wiederkommen." Noch an dem nämlichen Abende wechselten die Nachbarsleute einige freundliche Worte über die Gasse, am folgenden saßen die weiße und die gelbe Schürze wieder auf der grünen Bank beisammen, am dritten zeigten die Weiber einander die Leinwand, zu der sie in den bösen drei Jahren oft mit Tränen über den unseligen Streit den Faden genetzt hatten. Und es war hohe Zeit, daß der Herr den Friedensboten erweckt hatte. Denn einige Wochen darauf verfiel der Bäcker unerwartet in eine schwere Krankheit, von der er nicht mehr genas. Nach Ad. Stöber. 124. Freundschaft. Wenn jemand schlecht von deinem Freunde spricht — Und scheint er noch so ehrlich — glaub' ihm nicht! Spricht alle Welt von deinem Freunde schlecht, Mißtrau' der Welt und gib dem Freunde recht! Nur wer so standhaft seine Freunde liebt, Ist wert, daß ihm der Himmel Freunde gibt. Ein Freundesherz ist ein so seltner Schatz, Die ganze Welt beut nicht dafür Ersatz; Ein Kleinod ist's voll heil'ger Wunderkraft, Das nur bei festem Glauben Wunder schafft; Doch jedes Zweifels Hauch trübt seinen Glanz, Einmal gebrochen, wird's nie wieder ganz. Drum wird ein solches Kleinod dir beschert. ISO O trübe seinen Glanz nicht, halt es wert; Zerbrich es nicht! Betrachte alle Welt Als einen Ring nur, der dies Kleinod hält, Dem dieses Kleinod selbst erst Wert verleiht; Denn wo es fehlt, da ist die Welt entweiht, Da würdest du dem ärmsten Bettler gleich. Bleibt.dir ein Freundesherz, so bist du reich; Und wer den höchsten Königsthron gewann Und keinen Freund hat, ist ein armer Mann. Friedrich von Bodenstedt. 125. Drei Lreunäe. Lin Nann batto äroi Lronnäo. 2rvsi äorsolbon liobto or ssbr, äor äritto var ibin ^IsiobAüIti^, ob^loiob äissor es am rsäliobston init ibm mointo. Linst rvarä er vor äas Ooriobt Aokoräort, wo or unsobnläi^, abor bart vorblaZt Mar. ,,^Vor nntsr onob," spraob or. ..will init inir ^obon nnä kür miob 26NK0N? Denn iob bin bart vor- bla»t rvoräen nnä äor LöniA 8ürnt moinorch Lor orsts soinor Lronnäo sntsobuläiAts sieb so^Ioiob, äall or M6K6N anäoror Losobäkto niobt mit ibin g^obsn bönno. Lor ^vsito bo^Ioitoto ibn bis /nr 'kür äos Uiobtbansos; äa rvanäto or siob nnä ZinA 2urüolc ans Lnrobt vor äom stron^sn Uiobtsr. Lor äritto, ank äon or ain Moni^ston gebaut batto, Zin^ binoin nnä roäoto kür ibn so krsnäig,, äal) äsr Uiobtor ibn bkAnaäiAts. Lrsi Lronnäo bat äor Nonsob in äiosor^Volt; vis botraAön sio siob in äor 8tnnäo äos Loäos, rvonn ibn 6ott vor sein 6oriobt koräort? Las 6olä, soin bostor Lrounä. vorlällt ibn 2usrst nnä Aobt niobt init ibin. 8oino Vorrranäton nnä Lronnäo boZIoiton ibn bis 2nr lür äsr Lrabss nnä bobron vioäor in ibro Läusor ^nrüoL. Lor äritto, äesson or irn Lsbon okt am msiston verfall, sinä seins rvobl- tati^on WorLs. 8is allein begleiten ibn bis rmm Lbrono äos Riobtors, sio Asbon voran, sprooben kür ibn nnä linäon UarinbormALoit nnä 6naäo. üoiiavu Kottkrieci kloräer. 126. Freundschaft. Lin Freund, der mir den Spiegel zeiget, Den kleinsten Flecken nicht verschweiget, UUch freundlich warnt, mich herzlich schilt, Wenn ich nicht meine Pflicht erfüllt: Der ist mein Freund, So wenig er's auch scheint. 151 Doch wenn inich einer schmeichelnd preiset, Dlich immer lobt, mir nichts verweiset, Zu Fehlern gar die Hände beut Und mir vergibt, eh' ich bereut: Der ist mein Feind, So freundlich er auch scheint. ^Gellert. 127. Die Treue. In den deutschen Landen gab's einst einen Edelstein, der hieß die deutsche Treue. Mochten andere Völker manche Vorzüge besitzen, eins konnte von unserem deutschen Volke gerühmt werden, daß es ein treues Volk sei. Die deutsche Treue war sprichwörtlich geworden. Können wir von jemandem sagen, daß er tren sei, so haben wir ihm das höchste Lob zugesprochen, das einem Menschen zn teil werden kann. Jede Tugend des Menschen ist ein Lichtstrahl; aber die Treue ist der Brenn¬ punkt, in welchem sich alle diese Lichtstrahlen sammeln. Einem treuen Menschen traut und vertraut man; man baut auf sein Wort und seine Zusage wie auf einen festen Grund. Ein Mann, ein Wort! Von einem treuen Menschen sagt man: „Auf den kann man Häuser bauen." Häuser baut man aber nicht auf Sand. Treu sein muß der Mensch zuerst sich selbst. Von dem, was er für- heilig, recht und gut erkannt hat, darf er sich durch keinerlei Rücksicht ab¬ bringen lassen. Mancher wird leider sich selbst, seiner ganzen Vergangenheit untreu, wenn ihm ein äußerer Vorteil winkt. Sei treu deinen Eltern, übe Treue gegen Haus und Herd! Im Hause ist die Pslegestätte der Kindestreue. Diese schließt die Dankbarkeit, den wil¬ ligen Gehorsam und das treue Gedenken an Vaterhaus und Elternliebe, an Heimat und Vaterland in sich. Liebendes Gedenken an unsere Vorfahren gehört zur Treue ; ihren Tugenden müssen wir nachcifern, ihr Andenken auch nach dem Tode ehren. Bewahre die Treue deinem Freunde! Wahre Freundschaft offenbart sich besonders in der Not. Von fremden Menschen getäuscht zu werden, ist bitter; hat dich aber dein Freund getäuscht, so bleibt dir ein Schmerz fürs Leben. Die Treue muß sich auch im öffentlichen Leben, vor allem im Berufe erproben. Wo Treue ist, da ist weder Lässigkeit noch Schlendrian. Der Geist der Treue erinnert an alles. Darum bleibt die Treue die Zierde eines jeden Menschen, in welchem Berufe er auch sein mag. 152 Treue Pflichterfüllung findet ihren schönsten Lohn im guten Gewissen, sie folgt deni gegebenen Worte und dein innern Drange. Auch wo sie nie¬ mand sieht und keiner sie lohnt, ist sie immer an der Arbeit und allezeit dieselbe. Nach Emil Frommet. 128. Vie Lür^ebntt. 2u vion^8, dem Tyrannen, 8ebbcb blöros, den volek im Oervands; Ibn 8cbluAen die llä8ebsr in Lande. »^Vu8 rvollte8t du mit dem volebe, 8prieb!« LntASAnet ibm iin8ter der ^Vütericb. »vis 8tadt vom Tyrannen befreien.« »Vu8 8oll8t du am Lrsu^e bereuen!« »leb bin,« 8priebt sener, »2u 8terben bereit Lind bitte niebt um mein Leben; voeb rvilLt du Lnade mir Asbsn, leb tlsbs dieb um drei Ta^e 2eit, 6i8 ieb die 8ebrvs8ter dem Latten gefreit; leb la88e den Lreund dir al8 Lür^en, Ibn maA8t du, entrinn' ieb, erwürben.« va läebelt der LiöniA mit ar^sr Vi8t lind 8priebt nacb burnem Ledenken: »vrei LaZs rvill ieb dir 8ebenken; voeb vi88e, wenn 8ie ver8triebsn, die Lri8t, Lb' du Zurück mir ASAeben bi8t, 80 muk er 8tatt deiner erblaßen, voeb dir i8t dis 8trale erla88en.« lind er kommt?um Lreunds: »vsr XöniA gebeut, OaL ieb am Lreu^ mit dem Leben Leriable da8 frevelnde 8treben; voeb will er mir Können drei Ta^s 2eit, Li8 ieb die 8ebrvs8tsr dem Latten Aelreit; 8o bleib du dem LörnA 2um Lfande, 6i8 ieb komme, ?u lö8en die Lands!« Lind 8ebweiAend umarmt ibn der treue Lreund Lind liefert 8ieb au8 dem Tyrannen; ver andere liebet von dannen. Lind ebe da8 dritte lVlorAknrot 8ebeint, 153 er sebnell mit dein Oattsn äie 8ebw68ter vereint, Lilt keim mit sorAsnäsr 8esls, Damit er Zis Krist niebt verbeble. Da ^islZt unenäbeber Ke^en bsrab, Von Zen Lernen stürmen äie (Quellen Onä Zis 8äebe, äie 8tröms scbwsllen. Onä er kommt ans Oker mit wanäsrnäem 8tab, Da reiüet äie Drüeke äer 8truäel binab Dnä äonnernä sprengen äie V^OAen Des Oewölbss krackenäen Lo^en. Dnä tro8tlo8 irrt er an läkers Kanä; ^Vie weit er aueb späbet unä blickst länä äie 8timms, äie rulsnäe, 8Lkiek6t, Da stö6et kein l^aebsn vom 8icbern 8tranä, Der ibn sst^e an äa8 Aewünsebte Danä, Kein 8cbiifer lenket äie Kabre Dnä äer wiläe 8trom wirä 2um ^sere. Da 8inkt er an8 Dler nnä weint unä klebt, Die läänäe 2um 2eus erboben: »O bemme äe8 8troine8 loben! Ks eilen äie 8tunäen, im lVlittaA stöbt Dis 8onne, unä wenn sie nieäsr^sbt Dnä ieb kann äie 8taät niebt errsicken, 80 muL äer Kreunä mir srbleieben.« Doeb wacbsenä erneut sieb äes 8tromss XVut länä ^Velle auf ^Velle verrinnet länä 8tunäs an 8tunäe entrinnet. Da treibt ibn äie ^.nAst, äa fa6t er sieb lVlut länä wirkt sieb binein in äie brausenäe Klut Dnä teilt mit Aewalti^sn ^.rmen Den 8trom — unä ein Oott bat Erbarmen. Dnä gewinnt äas Oker unä eilet kort länä äanket äem rettenäen Ootte; Da stürmet äie raubenäs Kotts llervor aus äes VValäes näcbtlisbem Ort, Den Kbaä ibm spsrrsnä, unä ssbnaubet --lorä Onä bsmmet äes ^Vanäersrs Kile iVIit ärobsnä ASsebwunAener Keule. 154 »'Was volit idr?« rnlt sr vor 8Lbrsebsn blsieb, »leb kake niebt8 nl8 mein Oeben, On8 mnL> ieb dem liioniAS Asben!« lind sntrsiüt die Lenls dem bineb8tsn Alsieb. »lim dk8 Orennde8 villen erbnrmet sneb!« Unči drei mit ASvaltiAen 8trsicben Orient sr, d.ie andern entveieben. lind die 8onns ver8endet Alnbendsn Orand linči von der nnsndlieben lVlübe Ormnttet, 8inken die Lnis. »O, ba8t cin micb ZnndiA nn8 Rnubsr8bnnd, ^N8 cism 8trom mieb gerettet an8 beili^e Onnd linči 80II liier vsubmaebtend verderben linči cisr Orsnnd mir, cisr liebende, sterden!« linči boreb', da 8prndelt 68 8ilberbell, Onn2 nabe, vie rie8elnds8 Oan8cbsn linči 8ti1Is bnlt sr, Ln lnn8eben. lind 8ieli, nn8 cism Oel8sn AS8ebvät2i§, 8slmsII 8prinAt mnrmelnci 5srvor sin IsdenciiAsr (^usli linči lrenäiA düskt er 8ieli niecier linči erkri8eliet die brennenden Oiieder. lind die 8onne bliebt dnreb der 2veiAS Llriin lind mnlt nnl den ^län^snden iVlEen Oer Onurne AiAnnti8cbe 8ebntten; lind 2vei ^Vnnderer 8iebt er dis 8trnLs Asbn, 'Will eilenden Onuls8 vornbsrtiiebn, On bört er die Worts 8ie 8LAsn: »^et?t vird er nn8 Ilren^ A68eblgbsn.« lind dis ^nA8t bstiüAslt den eilenden On6, Ibn M^en der 8orAS (Dualen; On 8ebimmern in ^.bendrot8 8trnblsn Von lerne die binnen von 8^rnbu8 Ond entAe^sn bommt ikm Obilo8trntU8, Oe8 lilnu8S8 rsdlieber llüter, Oer erkennet ent86tri den Osbieter. »Zurück, dn retts8t den Orennd niebt mekr, 80 rette dn8 eigene Oeben! Osn ilod erleidet er eben. 155 Von 8tunde ?u 8tunds er Vlit botbender 8esls 6er Wiederkebr, Ikm konnte den mutigen Olaubsn Oer Oobn des Lvrannen nickt rauben.« »Ond ist es 2u spät und bann ieb ibm niebt Lin Letter willkommen ersebeinen, 80 soll mieb -. 129. Gkeich und gkeich gesekki sich gern. Gleich und gleich gesellt sich gern, wer du bist, zeigt dein Begleiter, Aus dein Anecht kennt man den Herrn Aus der Fahne ihre Streiter. 156 Was du billigst, ob nur fern, Ist nach Tagen oder Wochen Dein, als ob du's selbst gesprochen. Franz Grillparzer. 130. Die Kraniche des Jbykus. Zum'Kampf der Wagen und Gesänge, Der auf Korinthus' Landesenge Der Griechen Stämme froh vereint, Zog Jbykus, der Götterfreund. Ihm schenkte des Gesanges Gabe, Der Lieder süßen Mund Apoll; So wandert' er am leichten Stabe Aus Rhegium, des Gottes voll. Schon winkt auf hohem Bergesrücken Akrokorinth des Wandrers Blicken Und in Poseidons Fichtenhain Tritt er mit frommem Schauder ein. Nichts regt sich um ihn her, nur Schwärme Von Kranichen begleiten ihn, Die fernhin nach des Südens Wärme In graulichtem Geschwader ziehn. „Seid mir gegrüßt, befreund'te Scharen, Die mir zur See Begleiter waren! Zum guten Zeichen nehm' ich euch, Mein Los, es ist dem euren gleich. Von fern her kommen wir gezogen Und flehen um ein wirtlich Dach. Sei uns der Gastliche gewogen, Der von dem Fremdling wehrt die Schmach!" Und munter fördert, er die Schritte Und sieht sich in des Waldes Mitte; Da sperren auf gedrangem Steg Zwei Mörder plötzlich seinen Weg. Zum Kampfe muß er sich bereiten, Doch bald ermattet sinkt die Hand, Sie hat der Leier zarte Saiten, Doch nie des Bogens Kraft gespannt. Ib7 Er ruft die Menschen an, die Götter, Sein Flehen dringt zu keinem Retter; Wie weit er auch die Stimme schickt, Nichts Lebendes wird hier erblickt. „So muß ich hier verlassen sterben, Auf fremdem Boden, unbeweint, Durch böser Buben Hand verderben, Wo auch kein Rächer mir erscheint!" Und schwer getroffen sinkt er nieder, Da rauscht der Kraniche Gefieder; Er hört, schon kann er nicht mehr sehn, Die nahen Stimmen furchtbar krähn. „Von euch, ihr Kraniche dort oben, Wenn keine andre Stimme spricht, Sei meines Mordes Klag' erhoben!" Er ruft es und sein Auge bricht. Der nackte Leichnam wird gefunden Und bald, obgleich entstellt von Wunden, Erkennt der Gastfreund in Korinth Die Züge, die im teuer sind. „Und muß ich so dich wiederfinden Und hoffte, mit der Fichte Kranz Des Sängers Schläfe zu umwinden, Bestrahlt von seines Ruhmes Glanz!" Und jammernd hören's alle Gäste, Versammelt bei Poseidons Feste, Ganz Griechenland ergreift der Schmerz, Verloren hat ihn jedes Herz. Und stürmend drängt sich zum Prytanen Das Volk, es fordert seine Wut, Zu rächen des Erschlagnen Manen, Zu sühnen mit des Mörders Blut. Doch wo die Spur, die aus der Menge, Der Völker flutendem Gedränge, Gelocket von der Spiele Pracht, Den schwarzen Täter kenntlich macht? Sind's Räuber, die ihn feig' erschlagen? Tat's neidisch ein verborgner Feind? 158 Nur Helios vermag's zu sagen, Der alles Irdische bescheint. Er geht vielleicht mit frechem Schritte Jetzt eben durch der Griechen Mitte, Und während ihn die Rache sucht, Genießt er seines Frevels Frucht. Auf ihres eignen Tempels Schwelle Trotzt er vielleicht den Göttern, mengt Sich dreist in jene Menschenwelle, Die dort sich zum Theater drängt. Denn Bank an Bank gedränget sitzen — Es brechen fast der Bühne Stützen — Herbeigeströmt von fern und nah, Der Griechen Völker wartend da, Dumpfbrausend wie des Meeres Wogen; Von Menschen wimmelnd, wächst der Bau In weiter stets geschweiftem Bogen Hinauf bis in des Himmels Blau. Wer zählt die Völker, nennt die Namen, Die gastlich hier zusammenkamen? Von Theseus' Stadt, von Aulis' Strand, Von Phokis, vom Spartanerland, Von Asiens entlegner Küste, Von allen Inseln kamen sie Und horchen von dem Schaugerüste Des Chores grauser Melodie, Der, streng und ernst, nach alter Sitte, Mit langsam abgemess'nem Schritte Hervortritt aus dem Hintergrund, Umwandelnd des Theaters Rund. So schreiten keine ird'schen Weiber, Die zeugete kein sterblich Haus! Es steigt das Riesenmaß der Leiber Hoch über menschliches hinaus. Ein schwarzer Mantel schlägt die Lenden, Sie schwingen in entfleischten Händen Der Fackel düsterrote Glut, 159 In ihren Wangen fließt kein Blut; Und wo die Haare lieblich flattern, Um Menschenstirnen freundlich Wehn, Da sieht man Schlangen hier und Nattern Die gistgeschwollnen Bäuche blähn. Und schauerlich, gedreht im Kreise, Beginnen sie des Hymnus Weise, Der durch das Herz zerreißend dringt, Die Bande um den Frevler schlingt. Besinnungraubend, herzbetörend Schallt der Erinnyen Gesang, Er schallt, des Hörers Mark verzehrend, Und duldet nicht der Leier Klang: „Wohl dem, der frei von Schuld und Fehle Bewahrt die kindlich reine Seele! Ihm dürfen wir nicht rächend nahn, Er wandelt frei des Lebens Bahn. Doch wehe, wehe, wer verstohlen Des Mordes schwere Tat vollbracht! Wir heften uns an seine Sohlen, Das furchtbare Geschlecht der Nacht. Und glaubt er, fliehend zu entspringen, Geflügelt sind wir da, die Schlingen Ihm werfend um den flücht'gen Fuß, Daß er zu Boden fallen muß. So jagen wir ihn ohn' Ermatten — Versöhnen kann uns keine Reu' — Ihn fort und fort bis zu den Schatten Und geben ihn auch dort nicht frei." So singend, tanzen sie den Reigen Und Stille, wie des Todes Schweigen, Liegt überm ganzen Hause schwer, Als ob die Gottheit nahe wär'. Und feierlich, nach alter Sitte Umwandelnd des Theaters Rund, Mit langsam abgemess'nem Schritte Verschwinden sie im Hintergrund. 160 Und zwischen Trug und Wahrheit schwebet Noch zweifelnd jede Brust und bebet Und huldiget der furchtbarn Macht, Die richtend im Verborgnen wacht, Die unerforschlich, unergründet Des Schicksals dunkeln Knäuel flicht, Dem tiefen Herzen sich verkündet, Doch fliehet vor dem Sonnenlicht. Da hört man auf den höchsten Stufen Auf einmal eine Stimme rufen: „Sieh da, sieh da, Timotheus, Die Kraniche des Jbykus!" — Und finster Plötzlich wird der Himmel Und über dem Theater hin Sieht man in schwärzlichtem Gewimmel Ein Kranichheer vorüberziehn. „Des Jbykus!" — Der teure Name Rührt jede Brust mit neuem Grame; Und wie im Meere Well' auf Well', So läuft's von Mund zu Munde schnell: „Des Jbykus? Den wir beweinen? Den eine Mörderhand erschlug? Was ist's mit dem? Was kann er meinen? Was ist's mit diesem Kranichzug?" — Und lauter immer wird die Frage Und ahnend fliegt's mit Blitzesschlage Durch alle Herzen: „Gebet acht, Das ist der Eumeniden Macht! Der fromme Dichter wird gerochen, Der Mörder bietet selbst sich dar. Ergreift ihn, der das Wort gesprochen, Und ihn, an den's gerichtet war!" Doch dem war kaum das Wort entfahren, Möcht' er's im Herzen gern bewahren; Umsonst! Der schreckenbleiche Mund Macht schnell die Schuldbewußten kund. Man reißt und schleppt sie vor den Richter, Die Szene wird znm Tribunal Und es gestehn die Bösewichter, Getroffen von der Rache Strahl. Friedrich Schiller. 161 131. Die Obstbäume. Schon der Name sagt, daß die Bedeutung der Obstbäume nicht in ihnen selbst, sondern vielmehr in der Frucht liegt. Ihr opfern sie in der Tat Schönheit und Größe, wie ja das Nützliche nur selten auch das Schöne ist. Viel trägt zu dem nüchternen Eindrücke derselben unstreitig schon der Umstand bei, daß wir sie nicht in der Freiheit der Natur erblicken. Der Poesie von Wald und Feld entrissen, stehen sie als Diener und Nährer des Menschen in der Umzäunung seiner Gärten, von seiner Kunst „gezogen" und „geschult". Aber auch abgesehen davon ist die Gestaltung wirklich das Unscheinbarste an den Obstbäumen. Ohne kräftigen Stamm, ohne augen¬ fällige Höhe, ohne malerisch ineinandergreifende Verzweigung gleichen sie morschen Holzgestellen und ihr trübes, graugrünes Laub ist nicht geeignet, sie zu beleben. Den einzigen Reiz gewährt den Obstbäumen ihre Blüte. Was wäre der Mai ohne sie? Welche Überraschung, wenn dann zuerst der Pfirsich über Nacht aufsteht, an allen Zweigen schimmernd wie ein purpurnes Wunder des Frühlings! Wie leuchtet der duftige Schnee des Kirschbaumes! Kein grüner Punkt ist zu entdecken in der blühenden Fülle. Wie rosig dämmert's um den bienendurchsummten Apfelbaum! Wie schön, wenn im Windeswehen Tausende von Blättchen herabwirbeln und taumeln, niedliche Trinkschalen, aus denen taudurstige Käfer nippen! — Der Zauber der Frühlingsver¬ jüngung tritt uns gerade hier besonders ergreifend entgegen und mit den Blüten am Baume erwachen die im Gemüte. Aber bei alldem ist dieser Schmuck doch zu hinfällig und zu winzig, als daß er in Betracht kommen könnte. Dasselbe gilt von den Früchten. Der dralle Ball des Apfels, die gelbe Honigglocke am Birnbaume, die saftschwellende, flaumumhüllte Apri¬ kose, sie alle hängen doch nur wie ein Nürnberger Weihnachtstand an den Bäumen. Sie lachen und winken mit ihren roten Wangen dem Knaben, der sie erklettert, dem Wanderer, der sie herablangt, dem Fahrenden, dem sie sich bequem in den Schoß legen. Es ist der Genuß, der an ihnen reizt. Oder wer, wenn er an lauen Tagen im Baumschatten lagert und nun plötzlich die reife Frucht aus der Stille über ihm herabschlägt, dächte nicht eben ans Suchen und Essen? Auch der Farbenreiz, mit dem die Obstbäume uns ergötzen, ist nicht viel mehr als ein sinnlicher. Tritt eine andere, tiefere Stimmung hinzu, so kann es nur die bewundernde und dankbare sein, in welche der Reichtum der Naturgaben den fühlenden Menschen überall ver¬ setzt. Uhlands Lied auf den Apfelbaum spricht diese Stimmung in herzlicher, gemütvoller Weise aus, ohne daß der Dichter sich etwa verleiten ließe, den Baum um der Schönheit willen zu preisen. Er ist ihm der wundernülde, Frisch und Rudolf, Lesebuch für Bürgerschulen. 1 l 162 gesegnete Wirt, der den Hungrigen und Durstigen labt — nichts weiter und so wollen die Obstbäume insgesamt angesehen sein. Ihre Ausgabe ist, zu „tragen". Nach Masius. 132. Zn ei LeimSekelnDe. Lvsi Mauckrsr 20ASU lliuaus ^uin Dor, Lur llsrLiollsn ^.Ipsnvvslt sinpor; Osr eins §iu^, vsil's Nocts gust, Lsu aucksru trisb llar Druu^ in äsr Lrust. Luck als ckabsiru uuu visäsr ctis 2wsi, Da rilsLt äis ALN2s Lipps iisrbsi; Da virlrslt's voo LrLASQ ollns 2alll: „Mas dadt rbr Asssllii? Lr^üblt siunial!^ Lsr sias äaraut' ruit Oallnou sprisllt: „Mas ^vir Ksssüo? Visi llarss uiollt. ^oll, LNurus, Misson, Lasti nnä Lain Lnä dtausn Liininst nnä Lonnsnssllsin!" Der anärs iLollstnct ctassstbs spriollt, Looll Isustltsnllsn LlioLs, init vsrtrlärtsin Llssiobt: „Li, Laumo, Miosen, Laoti nnä Lain Lnd btausn Lirnmst unä Lonnsnsollsin!'' ^.QLLtasius OrÜL. 133. Der Böhmerwald. Wenige Gebirge Europas sind so reich an fesselnden und eigenartigen Reizen wie der Böhmerwald. Hier finden sich köstliche Perlen landschaft¬ licher Schönheit: idyllische Täler, romantische Fernsichten, kühn stürzende Gebirgswässer, gras- und kräuterreiche Weiden, düstere Nadel- und heiter stimmende Laubwälder und besonders stille Seen von unvergleichlichem, herrlichem Charakter. Von kühn emporstrebenden Bergesgipfeln schweift der Blick weit hinein nach Bayern, Böhmen, Ober- und Niederösterreich, im Süden bis an die Alpen, im Westen über die waldbedeckten Höhen des bayrischen Waldes, im Norden bis zu den Verzweigungen des Fichtelgebirges und selbst die höchsten Gipfel des Riesengebirges vermag ein scharfes Auge aufzufinden. Viele schäumende Gewässer, vor allen die Moldau und der Regen, fließen durch Täler von wilder und anmutiger Schönheit. Aber noch reizvoller als die Bäche und die Flüsse sind die Seen, die Augen der Bergriesen. Hier gibt es noch Urwald im vollsten Sinne des Wortes. Mit ehr¬ furchtsvollem Schauer treten wir ein. Wie die Säulen eines mächtigen 163 Domes stehen die Baumriesen da. Dazwischen erblicken wir dichtes Gestrüpp von modernden Zweigen, Ästen und Stämmen, von Himbeeren, Heidelbeeren und Weidenröschen. Hier steht ein Riesenstamm, dem der brausende Sturm die Krone abgerissen hat und von dessen Ästen das Bartmoos wie meter¬ langes, graues Haar herabhängt. Nicht weit davon liegt eine Fichte, deren ausgerissener Wurzelstock einer Mauerruine gleicht. Daneben rnht eine rie¬ sige, vermodernde Tanne, auf deren Rücken Hunderte von jungen Bäumen emporwachsen. Und zwischen all dem Gewirr von Baumleichen, von üppig wucherndem Strauchwerk, Farnkraut uud Moos liegen Granitblöcke wie gebleichte Riesenschädel. Die Bewohner des Böhmerwaides sind kraftvoll, fest und rauh wie ihre Heimat und haben in Sprache, Tracht und Sitte noch viel Urwüchsiges und Besonderes. Ihrer Beschäftigung nach sind sie Holzschläger, Köhler und Glashüttenarbeiter. In der Schneezeit sausen die schwer beladenen Schlitten die Berglehnen herab und bringen das Holz an die Ufer der Bäche und Flüsse, auf denen es im Frühlinge und Sommer in ganzen Stämmen oder zu Brettern geschnitten nach der Elbe und der Donau geflößt wird. Nach F. Kraut mann und E. Hartmann. MetAäste viel- rm 7/aas //at ck's atts Ms/ IM LÄter E^»t ctre il/ans, ^a^t KM Ma-rFöi-taeHö. Kto/^ arr/ ssi»e» -'vte/r Koa/s s/rrci Aeszia/'te» KaMe», Kitst sr» /k»wtL rm erste» Ktoe/r.' ist sei» Mime». illüsiter oöe-r /rat c/er Kpea^t Kerne kUer/rstatt tiefen, 7/aeLt arra! siMmert /rrrrrstAleree^t, Da/ etre K/iä»e /ieAsrr. U.rr/ ctem M//s/ im 6eäst 7/er/t ei» winLiA /c/einsr Msi/cante /rv^ i»r Mst. — Mete sa/r/t nio^t eine--. Ttrrr/ot/ 7ia«mt>rro/t. 135. Norwegens Natur. Hoch im Norden Europas geht eine Sage, daß Gott, als er die Erde geschaffen und fertig war mit dem Werke, plötzlich in seinem Nach¬ sinnen gestört wurde durch den Fall eines riesigen Körpers, der in die Fluten des Weltmeeres stürzte. Der Schöpfer blickte auf und gewahrte den Teufel, welcher ein ungeheures Felsenstück herbeigebracht und in die Tiefe geschleudert hatte, daß die Achse der neueu Schöpfung zitternd unter der Last schwankte und zu brechen drohte und noch davon schwankt bis auf diese Stunde, ja bis in alle Ewigkeit. Vor gänzlichem Verderben bewahrte 164 der Herr sein Werk durch seine Macht und Stärke. Er hielt^es mit seiner gewaltigen Hand; mit der anderen drohte er dem bösen'Feinde, daß dieser heulend entfloh. Aber überall ragte der furchtbare Felsblock aus den Wassern. Hoch und finster stieg er aus der Flut bis in die Wolken; schwarz und verbrannt sah er aus; zackig, wild und zerrissen sanken seine nackten Wände in unergründliche Tiefen und füllten das Meer mit zahl¬ losen Klippen und Spitzen auf viele Meilen. Gott der Herr warf einen Blick der Trauer und des Erbarmens auf diese Wüste; dann nahm er, Hjörring-Fjord in Norwegen. Vor, Normann (A. Pichlers Witwe L Sohn.) was noch übrig geblieben an fruchtbarer Erde, und streute es aus über die schwarzen Felsen. Aber ach, das wenige reichte dazu nicht hin. Kaum ward in den Spalten und Gründen der Boden bedeckt und nur an einigen Stellen ließen die Gottesfinger so viel zurück, daß Fruchtbäume wachsen und Saaten reifen konnten. Je weiter nach Norden, um so geringer ward die Gabe, bis endlich nichts mehr übrig war; da mußte des Teufels Werk bleiben, wie es gewesen, belastet von dem Fluche ewiger Unfruchtbarkeit. Aber Gott streckte seine allmächtige Hand aus und segnete den verlassenen Boden. „Soll keine Blume hier blühen, kein Vogel singen, kein Halm gedeihen," sprach seine schaffende Stimme, „so soll der böse Geist doch 166 Geweihen, und wenn er den Wolf und den Bären jagt, donnert der Knall seiner Büchse aus den düsteren Meeresbuchten wider. Und immer wilder und einsamer wird es mit jedem neuen Morgen. Auf viele Meilen kein Haus, kein Feuerplatz, kein Segel, das uns entgegeneilt, kein Boot mit Angeln und Netzen! Seehunde wälzen sich spielend vor dem Schiffe her; der Walfisch spritzt seine hohen Fontänen in die Lüfte, Möwenschwärme stürzen schreiend auf ziehende Heringsscharen; Taucher und Alken springen von den Klippen; über die schäumenden Wogen flattert der Eidervogel und hoch oben in den reinen, scharfen Lüften umkreist ein Adlerpaar sein Felsen¬ nest. — Endlich, um tausend Felsenecken biegend, mitten in den Irrgärten der Meeresbecken, erblickst du das Haus eines Kaufmannes am Abhange eines von Birken umbuschten Vorgebirges. Da liegen seine Packhäuser, seine Schiffe, seine Boote; da steigt der Rauch von zehn zerstreuten Fischer¬ hütten über die niedrigen, narbigen Felsen und zwischen ihnen blitzt das matte Grün eines Wiesenstrichs, durch den ein brausender Bach eilt. — Wenige Minuten und alles ist verschwunden! Von neuem ^at die Einöde dich ausgenommen, von neuem umschlingen dich dieselben Sunde, dieselben tiefschweigenden Wasserspiegel und von den hohen Fjellen *) rasen Wind¬ stöße nieder 'und fallen dich an mit der Wut wilder Tiere. Theodor Mügge. 136. Der Wald im Sommer. Die Julisonne strahlt vom unbewölkten Himmel hernieder. Der Boden brennt unter den Füßen, die Lüfte glühen, Staub deckt Wege und Felder, versengt sind Wiesen und Weiden. Was lebt, eilt dem Walde zu, wo Frische und Lebenslust atmen. Begrüßt von den letzten Tönen der Nachtigall, hat der ernste Sommer auch hier den heiteren Frühling abge¬ löst. Sein warmer Strahl hat den Blumenflor zur buntesten Pracht entfaltet. Er hat die würzige Erdbeere, die süße Himbeere gerötet und ge¬ reift, die Heidelbeere geschwärzt und schmackhaft gemacht. Er hat das grüne Laub gedunkelt und verdichtet, daß es kühlen Schatten spende. Die jungen Vögel sind ausgeschlüpft und die Eltern versorgen sie von der reichen Sommertafel. Deshalb ist der laute Gesang der Alten verstummt; doch ihr fröhliches Gezwitscher bekundet ihre Freude an den Kindern. Lustig spielt auch das Wild mit seinen Jungen. In das heitere Gewoge der Spaziergänger erschallt von der Waldwiese her ernster Sichelklang und aus dem nahen Walde ruft die Wachtel ihr Fürchte-Gott. Jetzt fährt plötzlich durch den ruhigen Wald ein dumpfes Krachen; rasche Schatten schweben über die Gipfel dahin. Langsam wandelt eine ') Fjellen sind öde Bergflächen. 167 schwarze Wetterwolke herauf und deckt den Wald mit Nacht. Nun rauschen und wirbeln die Winde, es beugt sich der Wald, entwurzelt stürzt die gewaltige Eiche, knarrend bricht die Riesentanne. In ihrem Falle reißen sie die kleineren Nachbarstämme zu Boden, die Vögel flattern ängstlich um ihre Nester, das furchtsame Wild und der vom Wettersturm überraschte Wanderer suchen schützende Stellen auf. Gelbe Blitze zucken hernieder und die zerschmetterte Buche dampft. Der Donner rollt und der Erdboden zittert. Aber nun rauscht vom Himmel erquickender Regen, der die Erde erfrischt, die Luft reinigt und mit Düften würzt. Hoch strecken die Bäume ihre Wipfel empor, ein Freudengeräusch ertönt durch den Wald, und wäh¬ rend vom östlichen Himmel der Regenbogen durch die lichten Stellen glänzt, hüllt von Westen her die untergehende Sonne den Wald in ein Gewand von Gold und Edelgestein. Nach Theodor Cols Horn. 137. Das Gewitter. Urahne, Großmutter, Mutter und Aind In dumpfer Stube beisammen sind; Gs spielet das Aind, die Mutter sich schmückt, Großmutter spinnet, Urahne gebückt Sitzt hinter dem Gfen in: Pfühl. — wie wehen die Lüfte so schwül! Das Aind spricht: „Morgen ist's Feiertag; wie will ich spielen im grünen Hag, wie will ich springen durch Tal und höhn, Wie will ich pflücken viel ^Blumen schön! Dem Anger, den: bin ich hold!" — hört ihr's, wie der Donner grollt? Die Mutter spricht: „Morgen ist's Feiertag; Da halten wir alle fröhlich Gelag', Ich selber, ich rüste mein Feierkleid; Das Leben, das hat auch Lust nach Leid, Dann scheinet die Sonne wie Gold!" — hört ihr's, wie der Donner grollt? Großmutter spricht: „Morgen ist's Feiertag; Großmutter hat keinen Feiertag, Sie kochet das Mahl, sie spinnet das Aleid, Das Leben ist Sorg' undLviel Arbeit; Wohl dem, der tat, was er sollt'!" — hört ihr's, wie der Donner grollt? 168 Urahne spricht: „Morgen ist's Feiertag, Am liebsten morgen ich sterben mag: Ich kann nicht singen und scherzen mehr, Ich kann nicht sorgen und schaffen schwer; Was tu' ich noch auf der Welt?" Seht ihr, wie der Blitz dort fällt? Sie hören's nicht, sie sehen's nicht, Es flammet die Stube wie lauter Licht; Urahne, Großmutter, Mutter und Aind Boni Strahl miteinander getroffen sind, Vier Leben endet ein Schlag — Und morgen ist's Feiertag. G. Schwab. 138. Rätsel. Ich wohne in einem steinernen Haus, Da lieg' ich verborgen und schlafe; Doch ich trete hervor, ich eile heraus, Gefordert mit eiserner Waffe. Erst bin ich unscheinbar und schwach und klein, Mich kann dein Atem bezwingen, Ein Regentropfen schon saugt mich ein; Doch mir wachsen im Siege die Schwingen. Wenn die mächtige Schwester sich zu mir gesellt, Erwachs' ich zum furchtbarn Gebieter der Welt. Friedrich Schiller. 139. Vie veäeutunK 6er 8tröme. vis lklüsss sinä niobt blok kür llis groks Orllnung llss Xatur- bausbaltss, sonäsrn glsisbsrvvsiss ausb kür äas Vsbsn llsr Volber rm Uswsgsrn null Irägsrn gsworäsn. lu ibrsm Loboüe suobts zuerst llsr vissbsr, au ibrsn Vksrn llsr llügsr ssins Lsuts; bisr knüll ller Hirt llis üppigen 1'riktsn; uuä wnnllsrnll kolgtsn äis bsimatlossu 8tämms llsm 2ugs llsr Vkasssr, bis llann llsr ^slrsrbausr srssbisn uuä balä im Uunäs mit einer uocrb sobüobtsrnsn 8ebiki'abrt llas IVsrlr llsr Hultur begann. Immsr unll überall waren Blasse llis eigentlioben Vsbsuskääsn; unll wo nur ein Vesebleobt siob /um Kelbstbervuktseiu erbob, lla geäenbt es mit llanlebursm 8tolzs uuob llsr VIüsss, au llsnsn seins ersten 'lVobnstätten unll seine ersten Heiligtümer stanäsn. IVis llsr Uömsr äsn 'Biber, llsr Bnglünäer llis Bbsmse, llsr Bran/oss äis 169 I^oirs und «Äaroniw, so preisen vir den „Vatsr^ Lbsin und dis vouau, dis naeb altsm Spruebs seins 6smal,lin ssin soll, so ds6 man visl- Isiabt sagen Iranu, sin Volk okus sinsn solobsn idsalisisrtsn Strom ssi siu Volk okus Ossebiobts uud okus viebtung. Insbesondere aber babeu dis Ströme aueb das fsrnlisgends lu- usrs dsr Lontinsnte srseblossen uud aueb dort dis Herrsobaft uussres dssebleobtss über dis Latur, d. b. menseblisbs Lildung, ausgsbrsitst. Nau sriuusrs sieb dafür au Amerika odsr iiu Osgsnsat^s darm au Afrika. Dsiu lst^tsren fsblen niebt blo6 dis 6olfs und Luebtsn, dis 2ur Lin- uud ^usfabrt laden uud dsu ^nsisdlsr vis dsn ^usvan- dsrsr loeksn; ss fsblsn iluu aueb dis grotlartigersn, visi- uud vsit- ver^vsigten Masssrnst^e. Lvar rsiebt dsr Xil mit sinsm Laufs von miudsstsus 4b00 bis 6000 iu das Lsrri dss IVslttsils ^urüek uud vürds, vsun allein dis Stromlängs sutsokisds, 2U dsn srstsu Ksvässsru dsr Lrds gs^äblt vsrdsu müssen; aber auf rvsi, drei Luilüsss bs- sebränkt, 2ulstrt in sins 1800 lange Osbirgsengs eingeklemmt, glsiebt sr sinem rissigen 8tamms obns ^sts: gsvissermaksn sin Svmbol dss glisderlossn Lontiusutss selbst, dem er angsbört. Und läüt sieb nun aueb niebt dassslbs vom Xigsr uud vom Sambesi ssgeu, so vürdsu doeb alls drei ^usammsngsnommsn niebt ausrsiobsud ssiu, um sinsu ^ma^onenstrom 2U sebatfsu, dssssn Llukgsbist stva dsn vierten keil des Lläobeuinbaltss von Ulrika auslullt. Laber ist dsnn dis Lssebiebts an jenen Lüsten seit .labrtaussndsu sobveigsnd vorübsr- gsgangsu uud dis sobvarrs Lsvölksrung derselben stsbt uoeb immer auf einer tiefen Stufs dsr Nensebliebksit. Kis sdlers, ?um 1'sil in sagsubaftem Liebte glänzende öildung aber, velebe sinst aueb dort gedieb, beitete sieb bskanutliob au sinsu sobmalsn Ltreiisn dss Nittel - msergestadss und au das Kal dss Lils. Llm nun aueb dss Osgenbild riu Zeigen — vis bevorzugt srsvbsiut in dieser Linsiebt Vmerika und vis sebnsll ist dort ^'sds ktiammug suropüisobsn Osistss smporgsblübt! Allerdings gilt dies riuuLebst msl>r von dsm reiobgeglisdsrtsn Lordsu als von dem Süden, dsr in der Liniaobbsit, um uiobt 2U sagen Kiniormigksit, seiner Lüstsn fast au Afrika mabnt. ^bsr viedsr ist gerade er das Nuttsrlaud dsr Lieseuströms, uud venu sieb diese msbr als bisber dsr Sebiffabrt öllusu, daun vird aueb dsr güdsu in ^'sns inuigs Osmsiosobaft mit Luropa uud europäisobsr Zivilisation treten, velebe den Lordsu längst 2u einer „neusn ^Vslt^' gsmaebt bat. Sebon vird der ^.ma- Musustrom auf sins Streeks von msbr als 4o00 kn bis ru dsn ^b- stür^su dsr ^ndsu bslabrsn; auf dem karana und dem karagua^ geben 170 die Dampfer bis On^aba tief ins Inners Brasiliens; dsr Orinoeo trägt ssssebiffs bis ^.ngostura (450 von seinsr Älündung) und kür blsiners sobibs ist sr msbr denn 1500 /'M weit zu allen dabrss- zeitsn fabrbar. Inzwisobsn mag inan sieb auvb bier vergsgenwärtigsn, dab über allsr Dunst und Ungunst der Xaturvorliältnisss dsr Oenius dsr Nsnsob- beit in owigor 1"roiboit stöbt und strebt. Oie ströme bedingen niobt, sie vermitteln nur die Bildung. lind so bönnen sie denn aueb nnr da mit ^snsr sntsobeidsndsn Bedeutung eingrsifsn, wo ein sinniges nnd rsgsames Volle an ibren Obern dis bleibende Wobnstktte bindet. In .-Vmoriba bat sieb darum weder am lll ississippi noeb am Amazonas, weder am Orinoeo noob am strompaar des Daplata ein rsioberes Osbsn entwiebelt, weil den rotfarbigen stämmsn^ensr gsistzündends Irieb, der den Nenssbsn in und ans sieb selbst dis böbsrsn 2ie1s snebsn labt, im allgemeinen versagt zu sein sobeint. lagsrvölbern dienen blüsss nnr als bisobwasssr nnd ein Laeb mag ibnsn dann die nämlieben. ^a bequemere Dienste leisten als dis groben bnt- wässsrungsadern der bsstlands. Inn erb alb der regenarmen 2onsn oder d?r 2onsn mit abgsseblossensn liegen weiten werden seberbau- treibsnds Ossellsebaften lest an die Ober der ströme gezogen, deren anstsigsuds blut sie dnrob sobopfrädsr nnd Handle vorsorgliob über ibrs durstenden blursn leiten. 8o srwnebs am Ml, in stratlsr, staat- liebsr Organisation zum Bewubtssin seiner llrabt gelangt, das Bgra- midsn nnd VVassorspsiober bauende Volle. 8o ernäbrts dsr bupbrat, in unzäbbgen Oraben über die fruvbtbars mssopotamisebs bbene verbreitet, die Ältesten Bsobavbter des gestirnten Himmels. Oie Bildung einer Nation muk sebon so weit vorgesobritten sein wie dis ebine- sisebs, wenn dis blüsss noben dsr Bewässerung dos /lebsrlandos auvb die böbsrs Bedeutung von Vorbsbrswegen empfangen sollen, brst auf dieser stufe bören en dl i ob die blüsss auf, die stamme zu trennen, wie etwa einst dsr Bbsin Oermanen und Oallisr, dis bidsr Oeutsebs und Dänen und dis Weser branbon und saebssn trennte. e1.us un- itbersebrsitbarsn blaturgrsnzen wsrdsn sis zu völbor- und ländsr- vsrbindendon strabsn. Llastn». 14O. Die steröende Siche. Sturmwind kam herangejagt Mild über fjügel und bjeide. „Neigt euch!" rief die Erle verzagt, „Beugt euch!" rief die Meide. Sturmwind rast durchs Baumgeäst, Zweige knarren und knacken; Nur die Eiche steht trotzig fest, Beugt nicht Ljaupt und Nacken. — 171 Singend sein wildes Siegeslied, weiter durch Wald und wiese Zog der Sturm. — Zn Moos und Nied Lag der gestürzte Riese. Und die Erle zur weide sprach: „Siehe, wir leben alle Und die Eiche, die starke, brach. Übermut kommt zu Lalle." Todwund sprach der gewaltige Baum: „will euch das Leben nicht neiden. Sterben muß ich; ich schaffe Raum Schmiegsamen Erlen und weiden. . wieget ini winde das grüne Haar Über der modernden Leiche. Erlen und weiden, ihr dauert, ich war, Aber ich war die Eiche." Rudolf Baumbach. Rudolf Baumbach. 141. Einer oder der andere. Es ist nichts lieblicher, als wenn bisweilen gekrönte Häupter sich unerkannt zu dem gemeinen Manne herablassen wie König Heinrich der Vierte in Frankreich, sei es auch nur zu einem gutmütigen Spaß. Zu König Heinrichs des Vierten Zeiten ritt ein Bäuerlein vom Lande her des Weges nach Paris. Nicht mehr weit von der Stadt gesellt sich zu ihm ein anderer, gar stattlicher Reiter, welcher der König war, und sein kleines Gefolge blieb absichtlich in einiger Entfernung zurück. „Woher des Landes, guter Freund?" — „Da und da her." — „Ihr habt wohl Ge¬ schäfte in Paris?" — „Das und das; auch möchte ich gern unfern guten König einmal sehen, der so väterlich sein Volk liebt." Da lächelte der König und sagte: „Dazu kann Euch heute Gelegenheit werden." — „Aber wenn ich nur auch wüßte, welcher es ist unter den vielen, wenn ich ihn sehe!" Der König sagte: „Dafür ist Rat. Ihr dürst nur achtgeben, welcher den Hut allein auf dem Kopfe behält, wenn die andern ehrerbietig ihr Haupt entblößen." — Also ritten sie miteinander in Paris ein, und zwar das Bänerlein hübsch auf der rechten Seite des Königs. Denn das kann nie fehlen: was die liebe Einfalt Ungeschicktes tun kann, sei es gute Meinung oder Zufall, das tut sie. Aber ein gerader, unverkünstelter Bauersmann, was er tut und sagt, das tut und sagt er mit ganzer Seele und sieht nicht um sich, was geschieht, wenn's ihu nichts angeht. Also gab auch der 172 unsrige dem Könige auf seine Fragen nach dem Landbau, nach seinen Kindern und ob er auch alle Sonntage ein Huhn im Topfe habe, gesprächige Antwort und merkte lange nichts. Endlich aber, als er doch sah, wie sich alle Fenster öffneten und alle Straßen mit Leuten füllten und alles rechts und links auswich und ehrerbietig das Haupt entblößt hatte, ging ihm ein Licht auf. „Herr!" sagte er und schaute seinen unbekannten Begleiter mit Bedenklichkeit und Zweifel an, „entweder seid Ihr der König, oder ich bin's. Denn wir zwei haben noch allein die Hüte auf dem Kopfe." Da lächelte der König und sagte: „Ich bin's. Wenn Ihr Euer Rößlein eingestellt und Euer Geschäft besorgt habt, so kommt zu mir in mein Schloß! Ich will Euch alsdann mit einem Mittagssüpplein aufwarten und Euch auch meinen Ludwig zeigen." Von dieser Geschichte rührt ein Sprichwort her. Wenn jemand in einer Gesellschaft aus Vergessenheit oder Unverstand den Hut allein auf dem Kopfe behält, so fragt man: „Seid Ihr der König oder der Bauer?" I. P. Hebel. 142. I)L8 Lrbemien. Oin Wancisrburseb mit clem 8tab in cier Hanci Lommt wiecisr beim ans clem lrsmäsn Danci. 8sin Haar ist bestäubt, sein Vntlitr verbrannt, Von rvein wirci cier Ourseb rvobl Zuerst ernannt? 80 tritt er ins Ltäätoben cinrebs alte Dor, ^.in 8obls^baum iebnt just cier Zöllner ciavor. Der Zöllner, cier war ibrn ein lieber Orsunci, 05t batte cier Lsober ciie beicisn vereint. Ooeb sieb! — Dreuncl 2ollmann erbsnnt ibn niebt, 2u sebr bat ciie 8unn' ibrn verbrannt cias Oesiobt. Oncl weiter avanciert naeb burnem OruL Oer Lursobs unci sebüttelt äsn 8taub vom bull. Oa svbaut aus äsnr Denstsr sein 8ebätMi iromm. ,,On blübsncie llunAlrau. viel sobonen ^Villbomm!" Ooob sieb, auob cias NäKlliein srbennt ibn niebt, Oie 8onn' bat rm sebr ibm verbrannt cias Ossiebt! Onci weiter Aebt er ciie 8tralZ' entlang, bin Dränlein bän^t ibm an cier braunen 1-VanA-'. Oa wanbt von clem Lirebstsi§ sein Nüttsreben ber. „Oott Arük' bueb!so spriebt er unci sonst niobts msbr. 173 Vooll sioli, äus Nüttsrebon sollluolEt voll Vust: „Lloiu Lolin!" — unä siulrt «,n clos Dursobsn 8rust. Wis ssbr auob äis Lonno sein ^äutlit^ vorl-rnnnt, I)us NutternuA' bat ibn äooll K-Ioioll srlrnnnt. ,i. N. Vo^I. 143. Das <8köcKkein Les <6kücks. Der Uönig lag am Tode, da rief er seinen Sohn, Er nahm ihn bei den Händen und wies ihn auf den Thron. „Mein Sohn!" so sprach er zitternd — „mein Sohn, den lass' ich dir- Doch nimm mit meiner Arone noch dies mein N)ort von mir: Du denkst dir wohl die Erde noch als ein Haus der Lust? Mein Sohn, das ist nicht also, sei dessen früh bewußt! Nach Eimern zählt das Unglück, nach Tropfen zählt das Glück; chch gab in tausend Eimern zwei Tropfen kaum zurück!" Der Aönig spricht's und scheidet. — Der Sohn begriff ihn nicht; Er sieht noch rosenfarben die Melt im Maienlicht. Zu Throne sitzt er lächelnd, beweisen will er's klar, Wie sehr getäuscht sein Vater von düstrem Geiste war. Und auf das Dach des Hauses, grad' über seinen Saal, Morin er schläft und sinnet und sitzt am frohen Mahl, Läßt er ein Glöcklein hängen von Hellen: Silberklang, Das läutet, wie er unten nur leise rührt den Strang. Den aber will er rühren — so tut er's kund im Land — So oft er sich recht glücklich in seinem Sinn empfand. Und traun, zu wissen glaubt er's — da wird kein Tag entfliehn, An dem er nicht mit Rechten das Glöcklein dürfte ziehn. Und Tag' um Tage heben ihr rosig Haupt empor, Doch Abends, wenn sie's senken, trägt's einen Trauerflor. Oft langt er nach dem Seile, das Auge klar und licht, Da zuckt ihm was durchs Znn're, das Seil berührt er nicht. Linst tritt er, voll des Glückes erhörter Freundschaft, hin. „Ausläuten," ruft er, „will ich's, wie hochbeglückt ich bin!" Da keucht ein Bot' ins Zimmer, der's minder spricht als weint: „Herr, den du Freund geheißen, verriet dich wie ein Feind!" 174 Linst fliegt er, voll des Glückes erhörter Lieb', herein. „Mein Glück, mein Glück," so ruft er, „muß ausgeläutet sein!" Da kommt sein blasser Kanzler und murmelt bang und scheu: „Herr, blüht denn auch dein König hienieden keine Treu'?" Der König inag's verwinden, er hat ja noch sein Land Und einen vollen Säckel und eine mächt'ge Hand, Gr hat noch grüne Felder, noch Wiesen voll von Duft Und drauf den Fleiß der Menschen und drüber Gottes Luft. Zu seinem Fenster tritt er, sieht nieder, sieht hinaus Und Wiege seines Glückes bedünkt ihn jedes Haus. Zum Seil hin eilt er glühend, will ziehn, will läuten — sieh! Da stürmt's herein zum Saale, da fällt's vor ihm aufs Knie. „Herr König, siehst du drüben den Rauch, den Brand, den Strahl! So rauchen unsre Hütten, so blitzt der Nachbarn Stahl." — „Ha, freche Räuber!" donnert der Fürst in wilden: Glühn Und statt des Glöckleins muß er sein rächend Gisen ziehn. Schon bleichen seine Haare, vor Dulden wird er schwach Und stets noch schweigt das Glöcklein auf seines Hauses Dach. Und wenn's auch oft wie Freude sich auf die Wang' ihn: drängt, Gr denkt kaum mehr des Glöckleins, das er hinaufgehängt. Doch als er nun zu sterben in seinen: Stuhle saß, Da hört' er vor den: Fenster Geschluchz' ohn' Unterlaß. „Was soll das?" fragt er leise den Kanzler, „sprich's nur aus!" — „Ach, Herr, der Vater scheidet — die Kinder stehn vorn: Haus!" „Herein mit meinen Kindern! — Und war man nur denn gut?" „Stünd', Herr, zu Kauf ein Leben, sie kauften deins mit Blut!" Da wogt's auch schon zum Saale gedämpften Schritts herein Und will ihn nochmals sehen, ihn: nochmals nahe sein. „Ihr liebt mich also, Kinder?" — Und tausend weinen: „Ja!" Der König hört's, erhebt sich, steht wie ein Heil'ger da, Sieht auf zu Gott, zur Decke, langt nach den: Seile stumm, Tut einen Riß — es läutet — und lächelnd sinkt er um. I. G. Seidl. 175 144. Kaiser Maxens Zweikampf. Es war der Reichstag ausgeschrieben Gen Worms, die alte freie Stadt, Und niemand war daheim geblieben, Kein Fürst, kein Richter, kein Prälat. Je einer nach dem andern zogen In stattlichen, geschmückten Rechn Sie durch des Tores hohen Bogen Wohl mit viel hundert Helmen ein. Man hoffte viel an diesem Tage; Denn Großes sollte da gescheh», Schon manche längst erhobne Klage, So mancher Zwist nicht mehr bestehn, Nicht mehr die blinde Willkür walten, Die Unschuld ohne Schützer sein Und in dem Kampfe der Gewalten Die Stärke nur des Rechts sich freu'». So hat es Kaiser Max beschlossen, Treu denkend der beschwornen Pflicht; Aus Habsburgs edlem Stamm ent¬ sprossen, Verleugnet er den Ahnherrn nicht. Er, unbesiegt in jedem Streite, Berühmt in Kampf und Ritterspiel, Legt willig doch das Schwert beiseite Und Recht und Frieden ist sein Ziel. Bald hat der Ruf umher verkündet, Was auf dem Reichstag jetzt geschah, Und mancher wird von Lust entzündet Und eilt herbei von fern und nah. Kaum faßt die Stadt die vielen Gäste, Und was der Menge Sinn erfreut, Bankett und Tanz, Turnier und Feste Beflügeln die belebte Zeit. Da kam aus Frankreichs schönen Gauen, Von seinem Könige gesandt, Ein Ritter, furchtbar anznschauen, Im Kampf zu Spiel und Ernst ge¬ wandt. Der Ruf von seines Armes Stärke Ging weitverbreitet vor ihm her, Es sei im edlen Waffenwerke Kein Ritter so geübt wie er. Hoch über seiner Herberg' Pforte Ließ er sein Wappenschild erhöh» Und durch den Herold diese Worte In der erstaunten Stadt ergehn: Er sei bereit auf Tod und Leben, Um eine Gabe, reich und schön, Auf Haft, wie sie sich Ritter geben, Den Kampf mit jedem zu bestehn. So läßt er voll von Stolz verkünden Und harrt und harrt so manchen Tag, Kein kühner Gegner will sich finden, Der diesen Strauß bestehen mag. Des Fremden übermütig Pochen Auf nie besiegter Waffen Glück, Und was der Ruf von ihm gesprochen, Schreckt jeden von dem Kampf zurück Das wurmt den Kaiser tief im Herzen, Er kann des Franzmanns Übermut, Die Schmach der Seinen nicht ver¬ schmerzen Und zürnend wallt sein Fürstenblut. „Und will es denn nicht einer wagen, Wie sie um mich versammelt stehn, So will ich selbst mich mit ihm schlagen, Er soll den Meister in mir sehn." Er gibt sein ritterlich Verlangen Nach Ritterbrauch dem Gegner kund. Bei dessen Schild wird anfgehangen Der Schild von Östreich und Bnrgund. Erstaunt erkennt ganz Worms dies Zeichen Und alles harrt erwartungsvoll Auf diesen Zweikampf sondergleichen, Der Deutschlands Ehre retten soll. Der neunte Morgen ist benennet Zum Kampf auf ritterliche Haft Und jedes Gegners Busen brennet Vor Streitlust und Gefühl der Kraft; Durch alle Straßen wogt die Menge Bei allen Toren strömt's herein Und eilt in wimmelndem Gedränge, Ein Zeuge dieses Kampfs zu sein. 177 Da spricht der Lord und schwingt's dabei: „Dies Glas von leuchtendem Kristall Gab meinem Ahn an: Quell die Fei, Drein schrieb sie: Kommt dies Glas zu Fall, Fahr wohl dann, o Glück von Edenhall! Ein Kelchglas ward zum Los mit Fug Dem freud'gen Stamm von Edenhall! Wir schlürfen gern in vollem Zug, Wir läuten gern mit lautem Schall. Stoßt an init dem Glücke von Edenhall!" Erst klingt es milde, tief und voll, Gleich dem Gesang der Nachtigall, Dann wie des Waldstroms laut Geröll; Zuletzt erdröhnt wie Donnerhall Das herrliche Glück von Edenhall. „Zum Horte nimmt ein kühn Geschlecht Sich den zerbrechlichen Kristall; Es dauert länger schon als recht. Stoßt an! Mit diesem kräft'gen Prall Versuch' ich das Glück von Edenhall." Und als das Trinkglas gellend springt, Springt das Gewölb' mit jähem Knall Und aus dem Riß die Flamme dringt; Die Gäste sind zerstoben all Mit dem brechenden Glücke von Edenhall. Einstürmt der Feind mit Brand und Mord, Der in der Nacht erstieg den Wall; Vom Schwerte fällt der junge Lord, Hält in der Hand noch den Kristall, Das zersprungene Glück von Edenhall. Am Morgen irrt der Schenk allein, Der Greis, in der zerstörten Hall'; . Er sucht des Herrn verbrannt Gebein, Er sucht im grausen Trümmerfall Die Scherben des Glücks von Edenhall. Frisch nud Rudolf, Lesebuch sür Bürgerschulen. 12 178 „Die Steinwand" — spricht er — „springt zu Stück, Die hohe Säule muß zu Fall, Glas ist der Erde Stolz und Gluck, In Splitter fällt der Erdenball Einst gleich dem Glücke von Edenhall." Ludwig Uhlanv. 146. Andreas Hofers Tod. Über den Alpen des Passeiertales in Tirol liegt eine sternhelle Winter nacht. In der Prantacherhütte Hansen Menschen — etwas Seltsames zu solcher Jahreszeit. Es ist Andreas Hofer mit seiner Familie und seinen Freunden. Der lange, heldenmütige Kampf des Andreas Hofer gegen die Fran¬ zosen ist vorbei. Zweimal haben die Tiroler den Feind aus dem lieben Heimatlande geworfen. Das drittemal sind sie unterlegen. Alles ist verloren; das Land gehört dem Feinde: Hofer hat sich flüchten müssen in die hohe Alpenwildnis und auch hier ist er nicht mehr sicher; er weiß, daß Spione und Schergen nach ihm fahnden. Auf sein Haupt jst viel Geld gesetzt. Nun sind sie — in der Absicht, morgen die Prantacherhütte zu ver¬ lassen und einen noch unzugänglicheren Zufluchtsort zu suchen — nach einem gemeinsamen Abendgebet zu Bette gegangen. Der Hofer und sein Weib schlafen im vierzehn Fuß langen Holztrog, die anderen auf dem Heu im Überbodeu der Hütte. Etwa um halb 4 Uhr morgens ist es, als Hofers Freund, der Schreiber Dörninger, wach wird und durch eine Dachluke hinausschaut in die Nacht. Der Mond leuchtet hell und neigt sich dem Gebirge zü. Der Mann schaut eine Weile sinnend in die Ruhe der Nacht hinaus und betrachtet die All¬ macht Gottes in seiner weiten Welt. Da hört er auf einmal etwas, wie wenn jemand von fern her mit beschlagenen Schuhen über den gefrorenen Schnee ginge. Er denkt zuerst an Wild, oder es wären irgendwo Schnee¬ schollen abgerollt, die das Geräusch verursacht haben. Aber die Schritte kommen näher; da sieht er schon einen untersetzten Mann heranschleichen und hinter ihm Soldaten mit blinkenden Waffen. „Teufel, was ist das?" denkt der Dörninger und will eilends die Leute wecken. Noch einen Blick hinaus, da sieht er, wie der Vordere — er erkennt ihn, es ist der Bauer Rasst aus Passeier — sein Haupt an die Hüttenwand legt, um zu horchen. Diesen Mann hatten sie schon lange im Verdachte gehabt. Er wußte um den Aufenthalt Hofers und war ein armer Teufel. So war der Dör¬ ninger schon vor einigen Tagen zu ihm gegangen und hatte ihm Geld gegeben, damit er reinen Mund halte. Der Raffl hatte das Geld genommen und Verschwiegenheit versprochen; doch als das Geld vertan war, ging er zu 179 den französischen Spionen und verkaufte sein Geheimnis. Er soll eine Weile gefeilscht haben, dann habe er gesagt, er sei ein ehrlicher Mann und es widerstrebe ihm, den heldenhaften Hofer, den lieben Landsmann, zu verraten. Hierauf verdoppelten sie den Sold. Was sie mit dem Hofer machen wollten, wenn sie ihn hätten? fragte er. Napoleon werde ihn zum General machen, war die Antwort. — „Ah, wenn sie ihn nicht erschießen, wenn sie ihn zum General erheben, wie er es wohl verdient, da tut ihm ja ein Gutes, wer ihn angibt." Er sagte hierauf, er wolle sie fuhren — und führte die Häscher herauf ins Hochgebirge zur Prantacherhütte. So horcht er nun an der Wand. Er muß drinnen den atmenden Sandwirt gehört haben; denn hastig huscht er zu einem der Häscher hin und flüstert: „Drinnen sind sie!" und flieht davon. Da ist es weitum voller Franzosen, als wären sie ans dem Schnee gewachsen. Man sagt, ihrer achthundert seien auf die Alp gezogen, um das edle Wild zu fangen. Der Dörninger greift nach seinem Kugelstutzen; da pochen die Fran¬ zosen mit ihren Gewehrkolben schon an die Tür. Im Augenblicke ist's in der Hütte lebendig; aber die Gegenwehr ist fruchtlos. Mitten in der Ver¬ wirrung bleibt der einzige Hofer ruhig. Sie binden ihm die Hände auf den Rücken, legen ihm einen Strick nm den Hals und einen zweiten um seine Lenden. Dann schlagen sie ihn ins Gesicht, raufen Haare aus seinem Barte, zum Andenken, wie sie sagen, an den Tiroler Bauernhäuptling. „In Gottes Namen!" sagt Hofer, „jetzt haben sie mich." Die Seinen hängen sich ihm an Arm und Füße. „Seid nicht kindisch!" sagt der Andreas zu ihnen, „sie sind die Stär¬ keren, da ist nichts zu machen. Lasset ans, ich komm' ja wieder heim, mein Kaiser verlaßt mich nit." Dann führen ihn die Welschen davon. Als sie unten in der Schlucht an einer alten Holzerhütte Vorbeigehen, hätte man ans dem finsteren, glas¬ losen Fenster den rothaarigen Kopf eines Mannes lauern sehen können. Andreas Hofer, Eis und Schnee in seinem Barte, schant »veder nach rechts noch nach links, ruhig und aufrecht schreitet er vorüber. Draußen in der Stadt Meran großes Verhör. Hofer sagt, daß er nach Willen und Befehl seines Kaisers gehandelt und vom Friedensschlüsse zuletzt nichts gewußt habe. Was man ihm nun antun werde, wolle er geduldig leiden als Buße für seine Sünden; aber was die Verteidigung seines Heimatlandes angehe, habe er nichts zu bereuen. Unter dem Weinen und Knirschen der Bevölkerung wird er fortgeführt. Der Weg ist weit. Ins welsche Land geht die Reise, auf die Festung Mantua. — 12» 180 Kaum drei Wochen später ist's, da weiß der Hofer, wie viel es ge¬ schlagen hat. Tag für Tag hat er gewartet auf eine Botschaft von Wien und jeden Abend sagt er zu sich: „Heut' abermals nichts. Aber morgen!" — Und eines Morgens, sieh, da treten zwei Offiziere ein und verkündeten ihm das Urteil: „Begnadigt zu Pulver und Blei!" Aufrecht stand er mit an die Brust gepreßter Faust. So hörte er das Urteil an. In der Nacht vor seinem Tode schrieb er: „Ade, du schnöde Welt. So leicht kommt mir das Sterben an, daß mir nit einmal die Augen naß werden." Dann kommt der Morgen, der Morgen jenes 10. Februars im Jahre 1810. Andreas Hofers letzter Gang. Von F. v. Defregger. (Verlag F. Hanfstaengl, München. Als die Gerichtsdiener den Mann aus seiner Zelle zum Richtplatz führen, stehen im Vorsaale und an der Treppe einige seiner Landsleute. Etliche der Kampfgenossen, die erst selbst auferstanden sind aus der Kerker¬ nacht Mantuas, etliche, die sich sonst in die Festung geschmuggelt oder gebeten haben, ihren Führer und Kameraden noch einmal zu sehen. Einer, dem die Franzosenkugel das Bein zerschmettert, ist an der Krücke gekommen. Ein anderer ist von Trient her Tag und Nacht gegangen, als er gehört, dem Hofer gehe es ans Leben. Er ist früh genug gekommen zum Abschiednehmen. 182 Reihen der französischen Grenadiere ins trübe Licht des Wintermorgcus hinaus auf den Richtplatz. Auf dem Richtplatze will man ihm die Augen verbinden. „Das brauch' ich nisi" sagt er, „'s ist nit das erstemal, daß ich dem Tod ins Auge schau'." Man bedeutet ihm, niederzuknicn. Er antwortet: -„Ich will dem, der mich erschaffen bat, meinen Geist stehend zurückgebcn." Dann tritt er einige Schritte vor und ruft: „Feuer!" Die ersten Schüsse treffen schlecht. Er bricht aufs Knie zusammen, winkt mit der Hand und ruft: „Franzosen, schießt's besser!" Erst der dreizehnte Schuß macht seinem Leben ein Ende. So ist Andreas Hofer gestorben: ciuundvierzig Jahre alt. „Eine Schaufel voll Tiroler Erden will ich auf mein Grab!" Heute ruhen die Gebeine dieses unerschrockenen Märtyrers für Treue und Vaterland als kostbare Reliquie in der Hofkirche zu Innsbruck. — Der Bauer Raffl, als er erfahren, sie haben den Hofer erschossen, soll, gleich feinem Vorgänger Judas, sich an eineni Baume haben erhängen wollen, aber nicht den Mut dazu gefunden haben. Seine Landsleute verfolgten ihn mit glühendstem Haffe als den Verderber ihres Andreas Hofer. Er floh in die Fremde und soll sein Leben lang friedlos in der Welt herumgeirrt sein. In den Vierzigerjahren noch will man den rothaarigen, schielenden Tiroler in Wien gesehen haben, natürlich in städtischer Gewandung und besseren Verhältnissen, aber im Angesichte „ein Ausbund von Falschheit". Die Leute sollen mit Fingern auf ihn gewiesen haben: „Seht, das ist der Verräter des Andreas Hofer!" Er sei gegen solche Anwürfe bereits gefeit gewesen und immer nur mit einem giftigen Seitenblicke seines Weges gegangen. In hohem Alter sei er aber zurückgekehrt nach Tirol. — Wie der Haß der Tiroler gegen diesen Unseligen noch in der Gegen¬ wart fortlcbt, das beweist die Sage, daß Raffl hinter einem Kirchhofe des Passeiertales begraben sei, daß aber auf seinem Grabe weder Blatt noch Halm wachse bis auf den heutigen Tag. Petcr Roscggcr. 147. Der Räuber. Aus dem öden Scheidewege, Hinterm hohen Kruzifixe Stand der Räuber, listig lauernd, In der Hand den blanken Säbel Und die Büchse scharf geladen. Denn den Kaufmann wollt' er fangen, Der mit Geldes reicher Fülle, Mit Gewändern, edlen Weinen Bon dem Markte heut' zurückkehrt. Schon hinunter sank die Sonne Und der Mond tritt durch die Wolken Und der Räuber steht erwartend Hinterm hohen Kruzifixe. 183 Horch', da tönt's wie Engelstimmen. Leise Seufzer, laute Bitten Kommen hell wie Abendglocken Durch die stille Luft getragen; Süß mit ungewohnten Tönen Stiehlt Gebet sich in sein Ohr Und er steht und lauscht begierig. „O du Schirmvogt der Verlass'nen! O du Hüter der Verlornen! Neig', o neig' dein himmlisch Antlitz Sonnenhelle, selig lächelnd, Nieder auf uns arme Kleine! Breit', o breit' die lieben Arme, Die du ausgespannt am Kreuze, Wie zwei Flüglein um den Vater, Daß kein Sturm den Pfad zerwühle, Daß sein gutes Roß nicht strauchle, Nicht der Räuber, stumm und lauernd, Jtt der Waldschlucht ihn entdecke! O du Schirmvogt der Verlass'nen, O du Hüter der Verlornen, Führ' uns heim den guten Vater!" — Und der Räuber hört es alles Hinterm hohen Kruzifixe. Drauf der Kleinste, sich bekreuzend. Fromm die zarten Hände faltend: „Lieber Christel" lallt er kindlich, „Ja, ich weiß, du bist allmächtig, Sitzend auf des Himmels Thronen Unter Sternen, glänzend goldnen, Unter Englein, lieblich lust'gen, Wie die Mutter mir's erzählt hat: O sei gnädig, lieber Christe! Gib den Räubern, den verwegnen, Brot, gib ihnen Brot in Fülle, Daß sie nicht zu plündern brauchen Noch zu morden unfern Vater! Müßt' ich, wo ein Räuber wäre, Wollt' ich ihm dies Kettlein geben, Dieses Kreuz und diesen Gürtel, Sprechend: Lieber, lieber Räuber, Nimm hier Kettlein, Kreuz und Gürtel, Daß du nicht zu plündern brauchest Noch zu morden unfern Vater!" Und der Räuber hört es alles Hinterm hohen Kruzifixe. Und von ferne hört er's nahen: Rosse schnauben, Räder rollen, Langsam greift er nach dem Säbel, Langsam faßt er nach der Büchse Und so steht er lange sinnend Hinterm hohen Kruzifixe. Niederknien noch die Kinder: „O du Schirmvogt der Verlass'nen! O du Hüter der Verlornen! Führ' uns heim den guten Vater!" Und der Vater kommt gefahren, Wohlbehalten, ungefährdet, Schließt die Kinder an den Busen, Selig Stammeln, süße Küsse — Und kein Räuber ward gesehen! Nur den blanken Säbel fand man, Fand die Büchse, scharf geladen, Hinterm hohen Kruzifixe; Beide waren ihm entsunken. Robert Eduard Prutz. 148. Das Loch im Ärmel. „Ich hatte einen Spielgesellen und Jugendfreund namens Albrecht," erzählte einst Herr Marbel seinem Neffen Konrad. „Wir beide waren überall und nirgends, wie nun Knaben sind, wild, unbändig. Unsere Kleider waren nie neu, sondern schnell besudelt und zerrissen, -r a gab » Schläge zu Hanse, aber es blieb beim alten. Eines Tages saßen wir in einem öffentlichen Garten auf der Bank und erzählten einander, was wir werden wollten. Ich wollte General, Albrecht Bischof werden. 184 „Aus euch beiden wird im Leben nichts!" sagte ein steinalter Mann in feinen Kleidern und weißgepuderter Perücke, der hinter unserer Bank stand und die kindlichen Entwürfe angehört hatte. Wir erschraken. Albrecht fragte: „Warum nicht?" Der Alte sagte: „Ihr seid guter Leute Kinder, ich sehe es an euren Röcken. Aber ihr seid zu Bettlern geboren; würdet ihr sonst diese Löcher in euren Ärmeln dulden?" Dabei faßte er jeden von uns am Ellbogen und bohrte mit den Fingern in die daselbst durchgerissenen Ärmel hinauf. Ich schämte mich, Albrecht auch. „Wenn's euch", sagte der alte Herr, „zu Hause niemand zunähet, warum lernt ihr's nicht selbst? Im Anfänge hättet ihr den Rock mit zwei Nadelstichen geheilt; jetzt ist's zu spät und ihr kommt wie Bettelbuben. Wollt ihr General und Bischof werden, so fangt an beim kleinsten! Erst das Loch im Ärmel geheilt, ihr Bettelbuben, dann denkt an etwas anderes!" Wir beide schämten uns von Herzensgrund, gingen schweigend davon und hatten das Herz nicht, etwas Böses über den bösen Alten zu sagen. Ich aber drehte den Ellbogen des Rockärmels so herum, daß das Loch einwärts kam, damit es niemand erblicken konnte. Ich lernte von meiner Mutter nähen, spielend: denn ich sagte nicht, warum ich's lernen wollte. Jetzt, wo sich an meinen Kleidern eine Naht öffnete, ein Fleckchen sich durchschabte, ward's sogleich gebessert. Das machte mich aufmerksam, ich mochte nun an unzerrissenen Kleidern keine Unreinlichkeit leiden. Ich ging sauberer, ward sorgfältiger, freute mich und dachte: Der alte Herrin der schneeweißen Perücke hatte so unrecht nicht. Mit zwei Nadelstichen zu rechter Zeit rettet man einen Rock, mit einer Hand voll Kalk ein Haus, mit einem Glase Wasser löscht nian eine angehende Feuersbrunst; aus roten Pfennigen werden Täler, aus kleinen Samenkörnern Bäume, wer weiß wie groß! Albrecht nahm die Sache nicht so streng. Es war sein Schade. Wir waren beide einem Krämer empfohlen; er verlangte einen im Schreiben und Rechnen geübten Lehrburschen. Der Krämer prüfte uns, dann gab er mir den Vorzug. Meine alten Kleider waren heil und sauber; Albrecht im Sonntagsrocke ließ Nachlässigkeiten sehen. Das sagte mir der Prinzipal nachher. „Ich sehe es ihm an," sagte er, „er hält das Seine zu Rate; aus dem andern gibt's keinen Kaufmann." Da dachte ich wieder an den alten Herrn und an das Loch im Ärmel. Ich merkte wohl, ich hatte in andern Dingen, in meinen Kenntnissen, in meinem Betragen, in meinen Neigungen noch manches Loch im Ärmel. Zwei Nadelstiche zu rechter Zeit bessern alles ohne Mühe, ohne Kunst. Man lasse nur das Loch nicht größer werden, sonst braucht man für das 185 Kleid dm Schneider, für die Gesundheit den Arzt, für die sittlichen Ge¬ brechen die strafende Obrigkeit. — Es gibt nichts Unbedeutendes und Gleich¬ gültiges weder im Guten noch im Bösen. Wer das nicht glaubt, kennt sich und das Leben nicht. Mein Prinzipal hatte auch ein abscheuliches Loch im Ärmel, er war rechthaberisch, zänkisch, herrisch, launenhaft; das brachte mir oft Verdruß. Ich widersprach; da gab's Zank. Holla, dachte ich, es könnte ein Loch im Ärmel geben und ich könnte gallsüchtig und unverträglich wie der Herr Prinzipal werden. Von der Stunde au ließ ich den Mann recht haben. Ich begnügte mich, recht zu tun, und bewahrte mir den Frieden. Als ich ausgelernt hatte, nahm ich eine andere Stellung an. Ge¬ wöhnt, niit wenig Bedürfnissen des Lebens froh zu sein — denn wer viel hat, ist nie ganz froh — sparte ich manches. Gewöhnt, mir kein Loch im Ärmel zu verzeihen, schonend aber über dasjenige an fremden Ärmeln weg- zniehen, war alle Welt mit mir zufrieden wie ich mit aller Welt. So hatte ich beständig Freunde, beständig Beistand, Zutrauen, Geschäfte. Gott gab Segen. Der Segen liegt im Rechttun und Rechtdenken wie im Nußkeru der fruchttragende, hohe Baum. So wuchs mein Vermögen. Wozu denn? fragte ich, du brauchst ja nicht den zwanzigsten Teil davon. Prunk damit treiben vor den Leuten? Das ist Torheit. Soll ich in meinen alten Tagen noch ein Loch im Ärmel aufweisen? Hilf andern, wie dir Gott durch andere geholfen! Dabei bleibt's. Das höchste Gut, das der Reichtum gewährt, ist zuletzt Unab¬ hängigkeit von den Launen der Leute und ein großer Wirkungskreis. — Jetzt, Konrad, gehe auf die hohe Schule, lerne etwas Rechtes: denke an den Mann mit der schneeweißen Perücke; hüte dich vor dem ersten kleinen Loch im Ärmel; mach's nicht wie mein Kamerad Albrecht! Er ward zuletzt Soldat und ließ sich in Amerika erschießen." ZsHokke. 149. brmutigung. Sei stark, mein Herz! Ertrage still Der Seele tiefes Leid; Denk, daß der Herr es also will, Der fesselt und befreit! Und traf dich seine Hand auch schwer, Zn Demut nimm es an; Er legt auf keine Schulter mehr. Als sie ertragen kann. 186 Tr weiß es, was das Beste ist, Tr weiß es, er allein; Er weiß, daß du bekümmert bist, Drum gib dich mutig drein! Was nützt dein Kammern? Fasse Blut! still' deiner Tränen Laus, Äe regen nur des Schmerzes Glut Zu Hellern Flammen auf! Und wenn du Trän' auf Träne häufst Und weinest Jahr um Jahr, Ts kommt die Zeit, wo du begreifst, Daß alles Segnung war. Friedrich lsalm, 150. Lin WuiumlliKM'. Vor dsr Dur stand ein grober kraolltlvagsn, in dsm Lauss lagen mäolltige kässsr uncl Lallen und riessugrobs, llreitsollultrige Väuner mit Ledsrsollür^sn und kurzen Ilakeu im (lürtel trugen Leiterlläume, klirrten mit Letton, rollten dis kässsr und sollnürtsn dioke Ltrioks duroll künstliolle Lnotsn rusammsn: darvisollsn eilten kandlungsdisnsr, die Leder lauter dem Ollr, kupier in der Hund, ab und rm und kullrleute in lllausn klusen nallmsn die kupiere, die Lallen und die küsser mit der gssolläktliollsn Würde in Lmpkang, gelobe dis Dütigksit aller ver- autvortliollsn Nsnsollsn ^su lls^siollnen püegt, Im Nittslpunkts dsr Levegung, »leiebsuiu als Lonne, um vvvlolle sieb die kässsr und Arbeiter und kullrlsuts llerumdrslltsn, stand ein fünfer Herr aus dsm Ossolläkts, ein Derr mit entsolllosssnsr Niens und kurzen Worten, vslollsr als 2eiollsn seiner llerrsellakt einen groben soll varjen kinssl in der Hand llislt, mit dsm er bald riesige klierogivplleu auk die kallsn malle, bald den Entladern illrs Lsvrsgungsn vorsollrisll. Im Lrdgssollosss des Hauses nur ein grobes. dämmriges 6s>vollls, duroll kenstsr mit Lissnställen notdürktig erlleilt, in vvelolleiu die Warsnprollsn und kleinsn Vorrats kür den tägliollsn Verkeim lagen. Donnen, Listen und kallsn standen liier masssnllakt dursllsinander und nur sollmals, gsvundsne kkads küllrten da^visollen dursb. Last alle Länder dsr Lrde, alle Kassen dss Nensollsngesolllsolltss llattsn gearbeitet und gesammelt, um Lüt^liolles und Wertvolles liier ?u- sammsn^utürmsn. Oer sollvriwmsnds kalast dsr Ostindisolien Lom pagnie^), dis fliegende amsrilranisolle Lrigg"'h, dis altsrtümliolle Grolls k ü^ptiseüs Lüäsrselirlkt; läsr: rätssIIiLlts /aaeiiea. ÜLiläsIs^sssüseäLtt. °) Rlläerseliitk. - 187 äsr Xisäsrlünäsr iiattsn äis Ülräs umlrrsist. stsrlrrippi^s IVuILselt- ts-NAsr') lutttsn ikrs Xussn un äsn Lisdsr^sn äss 8üä- unä Xoräpols Asnisäsn. solitvar^s OavaptseliiM, äunts siimssisolts Oselionlesn^). Isielits MAlmisolis Xtilins nut einem Lamlius als Nust: «II«; Ilntten ilu'e läü^sl Asrütirt unä mit 8turm unä IVellen AsIrLmpü, um äiss (lötvöll)s 2u iullsn. Oisss Lastmatten llutte sins Ninäuti au Aetloelitsn: jene Xiste >var von sinsm tlsiüiilcn8 — nuät sin untoi'mi§68 ä'isr — ss ist uns kolsn. äsr in äis Haut sinsr A'Lnzsn Xuli sinAslusssn ist; äunslisn listen, zu- SLmmsnAsärüolrt in rissi»'s m ltullsn. ^sprsöt mit 8tnielcsn unä sissrnsu lllünäern. lüntlmnäsrt 8toolrüsol>s unä in äer Lolre »s^snübsr enäslisn siok iilisr einem Nuulsn DIstAntsuLüIlns äis Lurtsn sinss nissigen ^Vuls. 6ustLv t?rsxta^. ükS^. Msrrrr cr»6 H7s»r-r «ire r^r7äe>r Äoss-r ö/ü^-r Nw <7es /'s/äes La>rÄ, 7önr86/n/sM«7i7es IXie«e>r^--mr /ttt/iet ä«s IXs»-r i/r ÄÄs» 8r'o^ äre --ute» Zee-'ö-r --ü-räsw s//rä äis 8omme-'Wer7 riör^rmäerr, IXe-r-r ÄrMMe/ ö/arr^eii! Zn sr'e^ /irsse-r ma^. 7änü/äi»rroc/r ««ert i 0 äa soHS-re Loss-rsert/ ') Okiii. ') Lia Sokitt, rriiii k'aii^s v»u tValüsetiM ai>ä tiobbsn bestimmt. Sobitk mit book sukstei^smiem Voräer- uv6 Hinterteil. °) wertvolle lioI-!Lrt. 188 ./a, M Kosen ste/-k c/-e lOe/i, ^.ös-- «/-»tt-rysiauA Kanse/re^ ck-r-'c/r c/os /IZ-re-r/s/c/ Ke^o» ein /--surc/s-' K/a-r^. Kaiei sniöni eie-' K>-ris--erAsn i/nei eiie Kose roi-'ei srci- -reifen ii-rci eiie Köaei roeneien seirreeiAS» / /leir, reis öaiei, eiern-r iieAsi ei» reeri, 0 ein schöne Kose-rreii i /Krn-d» Sergei. 152. Beim Wassermüller. Im Hause des Wassermüllers sah es sehr sreuudlich und verheißungs¬ voll aus. Auf dem Teiche schwamm und schnaberte eine Schar von fetten Enten und um das Haus herum gingen viele stattliche Hühner würdevoll ihrer Nahrung nach, während sich ans den Dächern gurrende Tauben sonnten und ein freundlicher Rauch aus dem Schornsteine in die stille Sommerlust emporstieg. Die rundliche Wirtin stand lächelnd in der Tür nnd verkündete, daß in der Laube am Wasser der Tisch bereits gedeckt sei. Die beiden Gäste folgten ihr durch den großen Gemüse- und Obstgarten hinter der Mühle bis in den äußersten Winkel, wo ihnen aus einer wohlgezogenen Hain¬ buchenlaube am Bache die schimmernde Leinwand verheißungsvoll entgegen¬ leuchtete, streckten ihre Beine behaglich unter den Tisch und empfanden mit dem süßen Bewußtsein redlich vollbrachter Arbeit das wohltätige warme Sieden in den Füßen, das sich bei der Ruhe nach langen Märschen so gern einstellt. Es war ein angenehmes Plätzchen, wo sie sich befanden. Das Brausen des Mühlrades kam gedämpft von fern, doch neben ihnen floß der beru¬ higte Bach nur noch mit sanftem Gurgeln dahin. Durch die Lücken der Laube sah man lauter gute Dinge, man blickte in den üppigen Garten, auf dessen Rabatten nicht Modeblumen prunkten, sondern alte, gute Würzpflanzen dufteten, die schon seit über tausend Jahren in deutschen Gärten heimisch waren, als da sind Salbei, Majoran, Lavendel in großen, blauen, duftenden Polstern und der bräunliche Goldlack, das Gelbveigelein des Volksliedes. Auch das kleinere Stiefmütterchen, das durch seine prunkenden, breitgesich¬ tigen, modernen Schwestern fast verdrängt ist, fand man dort, sowie die zierliche „Braut in Haaren", Goldknöpfe und Akelei und dergleichen hübsche Bauernblumen. An den Garten schloß sich ein wogendes Weizenfeld an, das am Rande gar anmutig mit leuchtenden Blumen geziert war; und blickte man über den Bach hinaus, so sah man durch Weidengebüsch eine 189 schöne Wiese, auf der rotbunte Kühe behaglich grasten und ihre Zufrieden¬ heit mit dem Dasein zuweilen durch ein aus tiefster Seele hervorgebrummtes „Muh" bezeugten. Allmählich begann es zu dämmern und hinter den Obstbäumen des Gartens brannte das Abendrot. Die kleinen Singvögel waren nach und nach verstummt, nur eine Mönchsgrasmücke flötete noch einsam in einem Apfelbaum und aus den Kornfeldern tönte unablässig das Schlagen der Wachteln und fern aus taufeuchten Gründen das seltsame Schnarren der Wiesenralle. In der größeren Stille hörte man deutlicher das ferne Rauschen des Mühlrades und das klingende Tönen und Gurgeln des Baches. Die Stimmen der Nacht wurden allmählich laut und aus dem feuchten Dunst der Wiese stieg rot und groß der Vollmond auf. Heinrich Seidel. 153. Oer gestirnte Klimmei. >Vorin bestellt wokl der grobe Oenub, den uns der Anblick des gestirnten Himmels gewäkrt? Woker llommt 68, dab er 8eit takrtausenden allen Völkern ein Gegenstand cier kewunderung, maneken sogar ein Gegenstand cier Anbetung ist unči cien ge- bildetsten Nenscken unerscköptlicken Stott ?um l^lackdenken gibt? Oer Qrunci liegt okne Zweitel darin, dab uns dieser Anblick eine annäkernde Vorstellung, eine leise Ebnung von der Onendlickkeit gibt, ^ede sternkelle blackt erökknet neue, nock nickt entdeckte Kernsickten; selbst die ^akl der Sterne käukt sick mit jedem neuen klicke, den das geübtere '^uge nack dem klimme! wirkt, ^a ikre ^akl grenzt an das Onendlicke, wenn man dem ^uge ciurck kern- rokre ru klilke kommt. Dieses grobe, scköne Sckauspiel wird ciurck eine stille, Legen spendende, regelmäßige Bewegung belebt, die nun sckon seit ^akrtausenden tortdauert und bis ans kncle der weiten wäkren wird. >Vas wir kier aut der krde von der blatur kennen, ist das kild der Vergänglickkeit und des Todes. Oie Gebilde, die wir aut der krde seken, vergeben oder sterben clakin. Dort oben aber reigt sick die blatur in ikrer Onveränderlickkeit und diese ist uns ein Vorbild unvergänglicker Dauer. kndlick reigt uns die Ordnung in der Sternenwelt, deren sckeinbare Störungen dock selbst nur wieder rur krkaltung der blatur dienen, auts deutlickste das XVaKen einer weisen Vor- sekung, die tür alle ikre Zwecke sorgt. Oncl wenn wir in den 190 blöken des buktraumes mit jedem Zesckarkteren klicke neue Vielten entdecken, 80 entwickelt 8ict> nack und nack in unserem Oei8te der keZrikk der blnendlickkeit, der ^Ilmackt und der Güte Oottes. Wakrlick, von allem, was un8er ^u§e sckauen kann, i8t nictit8 80 8etrr ZeeiZnet, un8ern Oei8t rm ergeben und ikn mit kotieren Oedanken und LmptindunZen ru ertüllen, wie der Ze- 8tirnte Kümmel. V^ir glauben, die 8timme de8 8cköpkers und des Vater8 der klatur ^u vernekmen, und entdecken die Spuren der köcksten Nackt und >Veiskeit. Hgck b. 8 eck. 154. Gebet. Herr, den ich tief im Herzen trage, sei du mit mir; Du Gnadenhort in Glück und Plage, sei du mit mir! ^m Brand des sommers, der dem Wanne die Wange bräunt. Wie in der Jugend Rosenhage sei du mit mir! Behüte mich am Born der Freude vor Übermut, Und wenn ich an nur selbst verzage, sei du mit nur! Gib deinen Geist zu meinem Liede, daß rein es sei, Und daß kein Wort mich einst verklage, sei du mit mir! Dein Segen ist wie Tau den Reben; nichts kann ich selbst;. Doch, daß ich kühn das Höchste wage, sei du mit mir! (I) dti inein Trost, du meine Stärke, mein Sonnenlicht, Bis ail das Ende meiner Tage sei du mit mir! Emanuel Gei bei. 155. Not entwickelt Kraft. Wahrhaft unermeßlich sind die Kräfte, welche der Schöpfer dem Menschen verliehen hat. Aber nur selten gelangt der Mensch zum vollen Bewußtsein und zur Anwendung aller in ihm schlummernden Fähigkeiten. Manchem fehlt es an der nötigen Anregung und an anderen günstigen Verhältnissen; bei seinem Talente und seinem ernsten Streben würde er in besserer Lage vielleicht Großes, Bewundernswertes geleistet haben. Die Kraft, es zu vollbringen, lag in ihm, aber sie wurde nicht geweckt, nicht ermuntert. Andere hat das beständige Glück entnervt, verweichlicht; sie ver¬ sanken in Schlaffheit und Kraftlosigkeit, weil keine äußere Nötigung sie zur Tätigkeit aufrief. Gerade das Gegenteil wird durch Unglückssälle, durch Not und Gefahr, durch Druck und Entbehrungen aller Art bewirkt; sie sind geeignet, die in uns verborgenen Kräfte ans Licht zu ziehen, sie wirksam zu machen und zur Entwicklung zu bringen. 191 Wie sehr sich schon die körperlichen Kräfte des Menschen durch die Not erhöhen, dafür liefert die tägliche Erfahrung die sprechendsten Beweise. Man denke nur an jene Männer, deren Beruf vorzugsweise körperliche Kraft erheischt! Würden sie wohl solcher Leistungen, die uns oft in Er¬ staunen setzen, fähig sein, würden sie so vielen Unbilden der Witterung und der Elemente Trotz bieten, so viele Entbehrungen ertragen können, wenn nicht die Not und der Trieb der Selbsterhaltung sie gebieterisch zwängen, sich den härtesten körperlichen Arbeiten und Beschwerden zu unterziehen? Der Krieger vollbringt im tobenden Kampfe Heldentaten, deren er in den Zeiten des Friedens nicht fähig gewesen. Der wettergebräunte Seemann kämpft mit den furchtbarsten Stürmen, dringt zu den unwirtbarsten Küsten vor und besteht Gefahren, deren Größe er vor ihrem Eintreten nicht einmal geahnt hat; er überwindet Hindernisse, die man geradezu als un¬ überwindlich halten könnte. Sie alle folgen ja einem ehernen Gesetze, dem Gesetze der Not und — so sagt das Sprichwort — „Not bricht Eisen". Wie die körperlichen Kräfte, so entwickelt die Not auch die geistigen Fähigkeiten des Menschen, und zwar rascher und sicherer als jeder sonstige Antrieb, der von außen auf sie einwirkt. Eine hilflose Lage, der gebieterische Zwang lästiger Zustände, die man zu entfernen sucht, das Bedürfnis nach Nahrung und Bekleidung, nach wichtigen Kenntnissen, die wir brauchen, um der Erde reiche Früchte und ihrem Schoße Metalle abzuringen, um Ströme und Meere zu befahren, sind ebenso viele Antriebe und Mittel, zum Nachdenken anzuregen, die Urteilskraft zu schärfen und Beobachtungen und Versuche der mannigfaltigsten Art hervorzurufen. „Not macht er¬ finderisch," sagt das Sprichwort und in der Tat hat sie dem menschlichen Geiste schon oft einen mächtigen Antrieb gegeben zu vielen wichtigen Neuerungen, zu Erfindungen und Entdeckungen. Noch höher als der Einstuß, den die Not auf die Entwicklung der körperlichen und geistigen Kräfte übt, ist jener zu schätzen, den sie auf die sittliche Ausbildung, auf die Belebung und Stärkung der moralischen Kräfte äußert. Denn was ist wohl mehr geeignet, Fassung nnd Besonnen¬ heit zu verleihen, Geistesgegenwart und rasche Entschlossenheit im entschei¬ denden Augenblicke hervorzurufen, als eine ungeahnte, plötzlich herein¬ brechende Gefahr? Wodurch werden Mut und Selbstvertrauen mehr gefördert als durch die Gewißheit, daß nur kühnes Wagen, nur die eigene Tatkraft uns Rettung bringen kann? Was fördert die Charakterstärke so sehr, was spornt so mächtig zur Ausdauer, zum Fleiße und zur Tätigkeit an wie die Überzeugung, daß nur der beharrliche Wille und eine un¬ ablässige Bemühung uns aus einer drückenden Lage befreien und unsere Verhältnisse verbessern können? Wenn ferner ein beständiges Glück Über- — 192 — mut und Stolz erzeugt, so ist es wieder die Not, die uns bescheiden macht, indem sie uns das beschränkte Maß unserer Kräfte erkennen läßt. Und wenn nun endlich die Not aufs höchste gestiegen ist, wenn weder die eigene Anstrengung noch die Hilfe anderer sie abzuwehren vermag, nehmen wir nicht in solchen Fällen unsere Zuflucht zur Geduld und ruhigen Er¬ gebung? Wir lernen ertragen, was nicht zu ändern ist, wir richten unsere Hoffnung auf Gott. „Not lehrt beten." Gar mancher Mensch hat beten gelernt in der Stunde der Not. Keiner klage darum allzusehr, wenn er sich in Not befindet! Er lasse den Mut nicht sinken, wende vielmehr alle seme Kräfte an, sich aus ihr zu befreien. Wenn aber sein Bemühen fruchtlos bleibt, so waffne er sich mit Geduld und Gottvertrauen. Nach F. Beck 156. Aber em Ktündkem. Gedulde, gedulde dich fein! Über ein Stündlein Ist deine Aannner voll Sonne! Über den First, wo die Glocken hangen, Ist schon lange der Schein gegangen, Ging in Türniers Fenster ein. Wer am nächsten dem Sturin der Glocken, Einsam wohnt er, oft erschrocken, Doch am frühesten tröstet ihn Sonnenschein. Wer in tiefen Gassen gebaut, Hütt' an Hüttlein lehnt sich traut, Glocken haben ihn nie erschüttert, Wetterstrahl ihn nie umzittert, Aber spät sein Morgen graut. Höh' und Tiefe hat Lust und Leid. Sag' ihm ab, dem törichten Neid! Andrer Gram birgt andre Wonne. Dulde, gedulde dich fein! Über ein Stündlein Ist deine Aammer voll Sonne! Paul kse?se. 194 Oer treuen Nuttsr druck 6er ^dsckieä von 6ern 8okns cku8 Oer^; sie Irüüts ikn unä lief idm nucd. ^.18 er uder idrcn Llielren ent8cirwLn6, 8unü 8ie 2U8Äinrnen unä iirrs ^uASn 8cdlo88eir 8icd für immer. K. OorenvsII. 158. Abschiedsworte eines Vaters an seinen Sohn. Julius Sturm. Du wanderst in die Welt hinaus Auf dir noch fremden Wegen, Doch folgt dir aus dem stillen Haus Der Treu'sten Lieb' und Segen. Ein Ende nahm das leichte Spiel, Es naht der Ernst des Lebens; Behalt im Auge fest dein Ziel, Geh keinen Schritt vergebens! Gerader Weg, gerades Wort, So will's dem Mann gebühren; Wer Ehre sich erwählt zum Hort, Den kann kein Schalk verführen. Nimm auf die Schultern Last und Müh' Mit frohem Gottvertrauen Und lerne, wirkend spät und früh, Den eignen Herd dir bauen! Halt hoch das Haupt, was dir auch droht, Und werde nie zum Knechte; Brich mit dem Armen gern dein Brot Und wahre seine Rechte! Treib nicht mit heil'gen Dingen Spott Und ehre fremden Glauben Und laß dir deinen Herrn und Gott Von keinem Zweifler rauben! Und nun, ein letzter Druck der Hand Und eine letzte Bitte: Halt dich getreu im fremden Land Zu deines Volkes Sitte! Julius Sturm. 195 159. Oie Uulter an ilire ToolUvv. Kls soliMrs äioli unk äoinon ^Vo^sn, Nein liodos Laoä, äos Himmels Uulä! UinAZ dlälls Ursaäo äir sntASAsn, I'erQ kleid' äir Vorwurck. Reue, 8ollulä; länä will uLmli manollon LekiolLsalssodlsAsii 8iolr OroII unä Unmut in äir rs^on, 80 äsnlro mein nncl link' Ooäulä! Uok' ksitsr kin in ^ntsn la^en Unä träk' niokt ikron Lonnsnsoksin Dir töriokt selbst mit niokt'^sn UlnAon; 8si täti^, villst äu krökliok sein! Drnst ist 6ns lieben, lern' es trn^en länä ivill äir Lrakt nnä Nut vsrsnAsn, 8o lind' Osäulä unä äsnlre mein! Xieltt 'Irot^ lull t mick seksn!« versetzte der Wolf. Liesa^te: »Das tu'ick.« KIncl sie kuk den Lu6 empor aus dem Grase; der war erst lVlit secks bläAsln besckla^en ; sie sckluA Aar ricktiA und fsklts blickt ein Lärcken, sie traf ikm den Kopf, er stürmte 2ur Lrden, LaA betäubt wie tot. 8is über eilte von dünnen, Was sie konnte. 80 laA er verwundet; es dauerte lanAS. Lins Ltunde ver^inA, da reAt' er sick wieder und beulte Wie ein Llund. Ick trat ikm ?ur Leite und sapste: »Herr Oksim, Wo ist die Ltute? Wie sckmsckte das Noblen? Ikr kabt Luck ASSättiAt, Labt mick vergessen ; Ikr tatet nickt wokl; ick krackte die Lotsckalt. black dsrblakLeit sckmeckts das Lckläfcken. Wie lautete, saZt mir, Unter dem Luüe die Lckrilt? Ikr seid ein ArolZer Gslekrtsr.« »^ck!« versetzt er, »spottet Ikr nock? 'Wie bin ick so übel Diesmal Aetakrsn! Ls sollte fürwakr ein 8tein sick erbarmen. Dis lanAbeiniAS lVIäkrs! Der Lenker maA ikr's bs^aklen! Denn der LuL war mit Lisen bescklaASn; das waren die Lckritten. bleue bläAsl! Ick kabe davon secks Wunden im Kopie.« Kaum bekielt er sein Leben, so übel war er Ae^sicknet. 4. W. Oostk--. 28. Ter getreue Eckart. „O wären wir weiter, 0 wär' ich zu Haus! Sie kommen, da kommt schon der nächtliche Graus. Sie sind's, die unholdigen Schwestern. Sie streifen heran und sie finden uns hier, Sie trinken das mühsam geholte, das Bier, Und lassen nur leer uns die Krüge." So sprechen die Kinder und drücken sich schnell; Da zeigt sich vor ihnen ein alter Gesell: 247 „Nur stille, Kind! Kinderlein, stille! Die Hulden, sie kommen von durstiger Jagd, Und laßt ihr sie trinken, wie's jeder behagt, Dann sind sie euch hold, die Unholden." Gesagt, so geschehn. Und da naht sich der Graus Und siehet so grau und so schattenhaft aus; Doch schlürft es und schlampst es aufs beste. Das Bier ist verschwunden, die Krüge sind leer; Nun saust es und braust es, das wütige Heer, Ins weite Getal und Gebirge. Die Kinderlein ängstlich gen Hause so schnell, Gesellt sich zu ihnen der fromme Gesell: „Ihr Püppchen, nur seid mir nicht traurig!" „Wir kriegen nun Schelten und Streich' bis aufs Blut." „Nein, keineswegs, alles geht herrlich und gut; Nur schweiget und horchet wie Mäuslein! Und der es euch anrat und der es befiehlt, Er ist es, der gern mit den Kindelein spielt, Der alte Getreue, der Eckart. Vom Wundermann hat man euch immer erzählt, Nur hat die Bestätigung jedem gefehlt; Die habt ihr nun köstlich in Händen." Sie kommen nach Hause, sie setzen den Krug Ein jedes den Eltern bescheiden genug Und harren der Schläg' und der Schelten. Doch siehe, man kostet: „Ein herrliches Bier!" Man trinkt in die Runde schon dreimal und vier Und noch nimmt der Krug nicht ein Ende. Das Wunder, es dauert zum morgenden Tag. Doch fraget, wer immer zu fragen vermag: ..Wie ist's mit den Krügen ergangen?" Die Mäuslein, sie lächeln, im stillen ergötzt, Sie stammeln und stottern und schwatzen zuletzt Und gleich sind vertrocknet die Krüge. Und wenn euch, ihr Kinder, mit treuem Gesicht Ein Vater, ein Lehrer, ein Alderman spricht, So horchet und folget ihm pünktlich! 248 Und liegt auch das Zünglein in peinlicher Hut, Verplaudern ist schädlich, verschweigen ist gut; Dann füllt sich das Bier in den Krügen. I. W. Goethe. 29. Hermann und Dorothea. > Den Rhein entlang -kommt an einem Städtchen ein Zug deutscher Auswanderer vorbei, die von der französischen Revolution aus ihrem Wohn¬ orte vertrieben worden sind. Die Wirtin zum „Goldenen Löwen", die das Elend selbst nicht ansehen mag, hat ihren Sohn Hermann mit einem Wagen fortgeschickt, ihm Lebensmittel und alte Kleidungsstücke mitgegeben, um den Unglücklichen einige Hilfe zu gewähren. Der Sohn kehrt bald zurück und vertraut der Mutter an, daß er unter den Fremden ein herr¬ liches Mädchen gefunden habe; wenn dieses nicht seine Lebensgefährtin werde, wolle er nie heiraten. Er fürchtet, der Vater werde seine Ein¬ willigung nicht geben, und will daher lieber seine Heimat verlassen und sich als Krieger seinen Beruf suchen. Die Mutter spricht ihm Mut zu. Dem Vater wird Hermanns Wunsch vorgetragen. Allein so unzufrieden er auch früher war, weil sich der Sohn nicht verehelichen wollte, so ist ihm doch diese Wahl nicht genehm. Er wünscht, daß sein Sohn ein angesehenes und reiches Mädchen heimführe. Zwei Hausfreunde, der Prediger und der Apotheker, legen sich ins Mittel und schlagen zuletzt vor, daß man sich vorerst nach dem Charakter des Mädchens erkundige. Der Wirt gibt zögernd nach und jene fahren sogleich mit Hermann nach dem Dorfe hinaus, wo die Auswanderer noch weilen. Hier hören sie von dem Richter der vertriebenen Gemeinde nur das Beste über das Mädchen und eilen, dem Vater die befriedigende Nachricht zu bringen. Hamann bleibt zurück, weil er selbst um Dorothea werben will. Da ihm aber der Mut gebricht, gleich mit seiner Absicht hervorzutreten, so legt er ihr den Antrag vor, sie möge in seiner Eltern Haus kommen, um der Mutter in den häuslichen Diensten beizustehen. Sie geht darauf ein und beide kommen erst spät abends in Hermanns Hause an, wo die Freunde noch bei den Eltern weilen. Der Wirt begrüßt die Eintretende, deren Erscheinung ihm zusagt, als seines Sohnes Braut. Dorothea ist ganz betroffen, weil sie diese Aufnahme als Spott betrachtet. Aber die Mißverständnisse lösen sich bald zu aller Be¬ friedigung. > Aus „Hermann und Dorothea". „Hab' ich den Markt und die Straßen doch nie so einsam gesehen! Ist doch die Stadt wie gekehrt, wie ausgestorben! Nicht fünfzig, 249 Deucht mir, blieben zurück von allen unfern Bewohnern. Was die Neugier nicht tut! So rennt und läuft nun ein jeder, Um den traurigen Zug der armen Vertriebnen zu sehen. Bis zum Dammweg, welchen sie ziehn, ist's immer ein Stündchen Und da läuft man hinab im heißen Staube des Mittags. Möcht' ich mich doch nicht rühren vom Platz, um zu sehen das Elend Guter fliehender Menschen, die nun mit geretteter Habe Leider, das überrheinische Land, das schöne, verlassend, Zu uns herüberkommen und durch den glücklichen Winkel Dieses fruchtbaren Tals und seiner Krümmungen wandern. Trefflich hast du gehandelt, o Frau, daß du milde den Sohn fort Schicktest mit altem Linnen und etwas Essen und Trinken, Um es den Armen zu spenden; denn Geben ist Sache des Reichen. Was der Junge doch fährt und wie er bändigt die Hengste! Sehr gut nimmt das Kütschchen sich aus, das neue; bequemlich Säßen viere darin und auf dem Bocke der Kutscher. Diesmal fuhr er allein; wie rollt es leicht um die Ecke!" So sprach, unter dem Tore des Hauses sitzend am Markte, Wohlbehaglich zur Frau der Wirt zum goldenen Löwen. Und es versetzte darauf die kluge, verständige Hausfrau: „Vater, nicht gerne verschenk' ich die abgetragene Leinwand; Denn sie ist zu manchem Gebrauch und für Geld nicht zu haben, Wenn man ihrer bedarf. Doch heute gab ich so gerne Manches bessere Stück an Überzügen und Hemden; Denn ich hörte von Kindern und Alten, die nackend dahergehn. Wirst du mir aber verzeihn? Denn auch dein Schrank ist geplündert. Und besonders den Schlafrock mit indianischen Blumen, Von dem feinsten Kattun, mit feinem Flanelle gefüttert, Gab ich hin; er ist dünn und alt und ganz aus der Mode." Aber es lächelte drauf der treffliche Hauswirt und sagte: „Ungern vermiss' ich ihn doch, den alten kattunenen Schlafrock Echt ostindischen Stoffs; so etwas kriegt man nicht wieder." „Siehe," versetzte die Frau, „dort kommen schon einige wieder, Die den Zug mit gesehen; er muß doch wohl schon vorbei sein. Seht, wie allen die Schuhe so staubig sind! Wie die Gesichter Glühen! Und jeglicher führt das Schnupftuch und wischt sich den Schweiß ab. Möcht' ich doch auch in der Hitze nach solchem Schauspiel so weit nicht Laufen und leiden! Fürwahr, ich habe genug am Erzählten." 250 Und es sagte darauf der gute Vater mit Nachdruck: „Solch ein Wetter ist selten zu solcher Ernte gekommen Und wir bringen die Frucht herein, wie das Heu schon herein ist, Trocken; der Himmel ist hell, es ist kein Wölkchen zu sehen Und von Morgen wehet der Wind mit lieblicher Kühlung. Das ist beständiges Wetter und überreif ist das Korn schon; Morgen fangen wir an, zu. schneiden die reichliche Ernte." Als er so sprach, vermehrten sich immer die Scharen der Männer Und der Weiber, die über den Markt sich nach Hause begaben; Und so kam auch znrück mit seinen Töchtern gefahren Rasch an die andere Seite des Markts der begüterte Nachbar An sein erneuertes Haus, der erste Kaufmann des Ortes, Im geöffneten Wagen (er war in Landau verfertigt). Lebhaft wurden die Gassen; denn wohl war bevölkert das Städtchen, Mancher Fabriken befliß man sich da und manches Gewerbes. Und so saß das trauliche Paar, sich unter dem Torweg Über das wandernde Volk mit mancher Bemerkung ergötzend. Endlich aber begann die würdige Hausfrau und sagte: „Seht, dort kommt der Prediger her; es kommt auch der Nachbar Apotheker mit ihm; die sollen uns alles erzählen, Was sie draußen gesehen und was zu schauen nicht froh macht." Freundlich kamen heran die beiden und grüßten das Eh'paar, Setzten sich auf die Bänke, die hölzernen, unter dem Torweg, Staub von den Füßen schüttelnd und Luft mit dem Tuche sich fächelnd. Freundlich begann sogleich die ungeduldige Hausfrau: „Saget uns, was ihr gesehn; denn das begehr' ich zu wissen!" „Schwerlich," versetzte darauf der Apotheker mit Nachdruck, „Werd' ich so bald mich freu'n nach dem, was ich alles erfahren. Und wer erzählet es wohl, das mannigfaltigste Elend! Schon von ferne sahn wir den Staub, noch eh' wir die Wiesen Abwärts kamen; der Zug war schon von Hügel zu Hügel Unabsehlich dahin, man konnte wenig erkennen. Als wir nun aber den Weg, der quer durchs Tal geht, erreichten, War Gedräng' und Getümmel noch groß der Wandrer und Wagen. Leider sahen wir noch genug der Armen vorbeiziehn, Konnten einzeln erfahren, wie bitter die schmerzliche Flucht sei 251 Seht, dort kommt der Prediger her. Von L. Hofmann. (Verlag F. Bruckmann München.) Und wie froh das Gefühl des eilig geretteten Lebens. Traurig war es zu sehn, die mannigfaltige Habe, Die ein Haus nur verbirgt, das wohlversehne, und die ein Guter Wirt umher an die rechten Stellen gesetzt hat, Immer bereit zum Gebrauche, denn alles ist nötig und nützlich: Nun zu sehen das alles, auf mancherlei Wagen und Karren Durcheinander geladen, mit Übereilung geflüchtet. 252 Über dem Schranke lieget das Sieb und die wollene Decke, In dem Backtrog das Bett und das Leintuch über dem Spiegel. Ach, und es nimmt die Gefahr, wie wir beim Brande vor zwanzig Jahren auch wohl gesehn, dem Menschen alle Besinnung, Daß er das Unbedeutende faßt und das Teure zurückläßt. Also führten auch hier mit unbesonnener Sorgfalt Schlechte Dinge sie fort, die Ochsen und Pferde beschwerend: Alte Bretter und Fässer, den Gänsestall und den Käfig. Auch so keuchten die Weiber und Kinder, mit Bündeln sich schleppend, Unter Körben und Butten, voll Sachen keines Gebrauches; Denn es verläßt der Mensch so ungern das letzte der Habe. Und so zog auf dem staubigen Weg der drängende Zug fort, Ordnungslos und verwirrt, mit schwächeren Tieren der eine Wünschte langsam zu fahren, ein anderer emsig zu eilen. Da entstand ein Geschrei der gequetschten Weiber und Kinder Und ein Blöken des Viehes, dazwischen der Hunde Gebelfer Und ein Wehlaut der Alten und Kranken, die hoch auf dem schweren Übergepackten Wagen auf Betten saßen und schwankten. Aber, aus dem Geleise gedrängt, nach dem Rande des Hochwegs Irrte das knarrende Rad; es stürzt' in den Graben das Fuhrwerk, Umgeschlagen, und weithin entstürzten im Schwünge die Menschen Mit entsetzlichem Schrei'n in das Feld hin, aber doch glücklich. Später stürzten die Kasten und fielen näher dem Wagen. Wahrlich, wer im Fallen sie sah, der erwartete nun, sie Unter der Last der Kisten und Schränke zerschmettert zu schauen. Und so lag zerbrochen der Wagen und hilflos die Menschen; Denn die übrigen gingen und zogen eilig vorüber, Nur sich selber bedenkend und hingerissen vom Strome. Und wir eilten hinzu und fanden die Kranken und Alten, Die zu Haus und im Bett schon kaum ihr dauerndes Leiden Trügen, hier auf dem Boden, beschädigt, ächzen und jammern, Von der Sonne verbrannt und erstickt vom wogenden Staube." Und es sagte darauf, gerührt, der menschliche Hauswirt: „Möge doch Hermann sie treffen und sie erquicken und kleiden! Ungern würd' ich sie sehn; mich schmerzt der Anblick des Jammers. Schon von dem ersten Bericht so großer Leiden gerühret, Schickten wir eilend ein Scherflein von unserm Überfluß, daß nur Einige würden gestärkt, und schienen uns selber beruhigt. Aber laßt uns nicht mehr die traurigen Bilder erneuern; Denn es beschleichet die Furcht gar bald die Herzen der Menschen 253 Und die Sorge, die mehr als selbst mir das Übel verhaßt ist. Tretet herein in den Hinteren Raum, das kühlere Sälchen! Nie scheint Sonne dahin, nie dringet wärmere Luft dort Durch die stärkeren Mauern; und Mütterchen bringt uns ein Gläschen Dreiundachtziger her, damit wir die Grillen vertreiben. Hier ist nicht freundlich zu trinken; die Fliegen umsummen die Gläser." Und sie gingen dahin und freuten sich alle der Kühlung. I. W. Goethe. 30. Der Sänger. „Was hör' ich draußen vor dem Tor, Was auf der Brücke schallen? Laß den Gesang vor unserm Ohr Im Saale widerhallen!" Der König sprach's, der Page lief; Der Knabe kam, der König rief: „Laßt mir herein den Alten!" „Gegrüßet seid mir, edle Herrn, Gegrüßt ihr, schöne Damen! Welch reicher Himmel! Stern bei Stern! Wer kennet ihre Namen? Im Saal voll Pracht und Herrlichkeit Schließt, Augen, euch; hier ist nicht Zeit, Sich staunend zu ergötzen." Der Sänger drückt' die Augen ein Und schlug in vollen Tönen; Die Ritter schauten mutig drein Und in den Schoß die Schönen. Der König, dem das Lied gefiel, Ließ, ihn zu ehren für sein Spiel, Eine goldne Kette reichen. „Die goldne Kette gib mir nicht, Die Kette gib den Rittern, Vor deren kühnem Angesicht Der Feinde Lanzen splittern! Gib sie dem Kanzler, den du hast, Und laß ihn noch die goldne Last Zn andern Lasten tragen! Ich singe, wie der Vogel singt, Der in den Zweigen wohnet; Das Lied, das aus der Kehle dringt, Ist Lohn, der reichlich lohnet. Doch darf ich bitten, bitt' ich eins: Laß mir den besten Becher Weins In purem Golde reichen!" Er setzt' ihn an, er trank ihn aus: „O Trank voll süßer Labe! O wohl dem hochbeglückten Haus, Wo das ist kleine Gabe! Ergeht's euch wohl, so denkt an mich Und danket Gott so warm, als ich Für diesen Trunk euch danke!" I. W. Goethe. 31. Das heilige Abendmahl von Leonardo da Vinci. Das Aufregungsmittel, wodurch der Künstler die ruhige, heilige Abend¬ tafel erschüttert, sind die Worte des Meisters: „Einer ist unter euch, der mich verrät!" Ausgesprochen sind sie, die ganze Gesellschaft kommt darüber in Unruhe; er aber neigt sein Haupt gesenkten Blickes; die ganze Stellung, die Bewegung der Arme, der Hände, alles wiederholt mit himmlischer Ergebenheit die unglücklichen Worte, die das Schweigen selbst bekräftigt: „Ja, es ist nicht anders! Einer ist unter euch, der mich verrät!" 254 Die Gestalten zu beiden Seiten des Herrn lassen sich drei und drei zusammen betrachten, wie sie denn auch so jedesmal in eins gedacht, in ein Verhältnis gestellt und doch in Beziehung zu ihren Nachbarn gehalten sind. Zunächst an Christi rechter Seite Johannes, Judas und Petrus. Petrus, der entfernteste, fährt nach seinem heftigen Charakter, als er des Herrn Wort vernommen, eilig hinter Judas her, der sich, erschrocken auf¬ wärts sehend, vorwärts über den Tisch beugt, mit der rechten, festgeschlossenen Das heilige Abendmahl von Leonardo da Vinci. (F. Bruckmann Verl. München.) Hand den Beutel hält, mit der linken aber eine unwillkürliche, krampfhafte Bewegung macht, als wollte er sagen: „Was soll das heißen? Was soll das werden?" — Petrus hat indessen mit der linken Hand des gegen ihn geneigten Johannes rechte Schulter gefaßt, hindeutend aus Christum und zugleich den geliebten Jünger anregend, er solle fragen, wer denn der Ver¬ räter sei. Einen Messergriff in der Rechten, setzt er dem Judas unwill¬ kürlich zufällig in die Rippen, wodurch dessen erschrockene Vorwärtsbewegung, die sogar ein Salzfaß umschüttet, glücklich bewirkt wird. Diese Gruppe kann als die zuerst gedachte des Bildes angesehen werden, sie ist die vollkommenste. Wenn nun auf der rechten Seite des Herrn mit mäßiger Bewegung unmittelbare Rache angedroht wird, entspringt auf seiner linken lebhaftes Entsetzen und Abscheu vor dem Verrat. Jakobus der Ältere beugt sich vor Schrecken zurück, breitet die Arme aus, starrt, das Haupt niedergebeugt, vor sich hin wie einer, der das Ungeheure, das er durchs Ohr vernimmt, schon mit den Augen zu sehen glaubt. Thomas erscheint hinter seiner Schulter hervor und sich dem Heiland nähernd, hebt er den Zeigefinger der rechten Hand gegen die Stirn. Philippus, der dritte zu dieser Gruppe gehörige, 255 rundet sie aufs lieblichste; er ist aufgestauden, beugt sich gegen den Meister, legt die Hände auf die Brust, mit größter Klarheit ausfprechend: „Herr, ich bin's nicht! Du weißt es! Du kennst mein reines Herz. Ich bin's nicht." Und nunmehr geben uns die benachbarten drei letzten dieser Seite neuen Stoff zur Betrachtung. Sie unterhalten sich untereinander über das Vernommene. Matthäus wendet mit eifriger Bewegung das Gesicht links zu seinen beiden Genossen, die Hände hingegen streckt er mit Schnelligkeit gegen den Meister und verbindet so durch das unschätzbarste Kunstmittel seine Gruppe mit der vorhergehenden. Thaddäus zeigt die heftigste Über¬ raschung, Zweifel und Argwohn; er hat die linke Hand offen auf den Tisch gelegt und die rechte dergestalt erhoben, als stehe er im Begriffe, mit dem Rücken derselben in die linke einzuschlagen, eine Bewegung, die man wohl noch von Naturmenschen sieht, wenn sie bei unerwartetem Vorfall ausdrücken wollen: „Hab' ich's nicht gesagt! Hab' ich's nicht immer vermutet!" — Simon sitzt höchst würdig am Ende des Tisches, wir sehen daher dessen ganze Figur; er, der älteste von allen, ist reich mit Falten bekleidet, Gesicht und Be¬ wegung zeigen, er sei betroffen und nachdenkend, nicht erschüttert, kaum bewegt. Wenden wir nun die Augen sogleich auf das entgegengesetzte Tischende, so sehen wir Bartholomäus, der auf dem rechten Fuße steht. Diesen mit dem linken kreuzend, unterstützt er mit beiden ruhig auf den Tisch gestemmten Händen seinen übergebogenen Körper. Er horcht, wahrscheinlich zu ver¬ nehmen, was Johannes vom Herrn erfragen wird; denn überhaupt scheint die Anregung des Lieblingsjüngers von dieser ganzen Seite auszugehen. Jakobus der Jüngere, neben und hinter Bartholomäus, legt die linke Hand auf des Petrus Schulter, während Petrus mit der seinen die Schulter des Johannes berührt, Jakobus mild, nur Aufklärung verlangend, Petrus schon Rache fordernd. Und wie Petrus hinter Judas, so greift Jakobus der Jüngere hinter Andreas her, welcher als eine der bedeutendsten Figuren mit halb aufgehobenen Armen die flachen Hände vorwärts zeigt als entschiedenen Ausdruck des Entsetzens, der in diesem Bilde nur einmal vorkommt. In anderen, weniger geistreich und gründlich gedachten Werken wiederholt er sich leider nur zu oft. I W. Goethe. 32. Der Fischer. Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll, Ein Fischer saß daran, Sah nach der Angel ruhevoll, Kühl bis ans Herz hinan. Und wie er sitzt und wie er lauscht, Teilt sich die Flut empor: Aus dem bewegten Wasser rauscht Ein feuchtes Weib hervor. Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm „Was lockst du meine Brut Mit Menschenwitz und Menschenlist Hinauf in Todesglut? Ach, wüßtest du, wie's Fischlein ist So wohlig auf dem Grund, Du stiegst herunter, wie du bist, Und würdest erst gesund. 256 Labt sich die liebe Sonne nicht, Der Mond sich nicht im Meer? Kehrt wellenatmend ihr Gesicht Nicht doppelt schöner her? Lockt dich der tiefe Himmel nicht, Das feuchtverklärte Blau? Lockt dich dein eigen Angesicht Nicht her im ew'gen Tau?" Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll, Netzt' ihm den nackten Fuß; Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll Wie bei der Liebsten Gruß. Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm, Da war's um ihn geschehn: Halb zog sie ihn, halb sank er hin Und ward nicht mehr gesehn. I. W. Goethe. Wie herrlich leuchtet Wir die Natur! Wie glänzt die Sonne, Wie lacht die Flur! 33. Mattier. Gs dringen Blüten Aus jedem Zweig And tausend Stimmen Aus dem Gesträuch And Freud' und Wonne Aus jeder Brust. ) Zauberwerke sowie des e) ganzen Beschwörungsverfahrens, sondern vor allem in dem Glauben an die Kraft und Wirksamkeit derselben. — ?) Der Zauberlehrling ist trotz der gerühmten Geistesstärke seiner Sache doch nicht so ganz sicher und probiert daher die dem Meister abgelauschte Beschwörungsformel, noch ungewiß, in welchem Teile derselben das eigentliche Schlagwort liegt. — °) Der Lehrling legt dem Besen Kleider an, bevor er die magischen Verwandlungsworte spricht, wie es der Meister selbst getan. — *) Der Knecht des Meisters; jetzt bin ich Herr. — °) Offenbar ist in 257 Seht, er läuft zum Ufer nieder! Wahrlich, ist schon an dem Flusse Und mit Blitzesschnelle wieder Ist er hier mit raschem Gusse, Schon zum zweiten Male! Wie das Becken schwillt! Wie sich jede Schale Voll mit Wasser füllt! Stehe, stehe! Denn wir haben Deiner Gaben Vollgemessen! — Ach, ich merk' es! Wehe, wehe! Hab' ich doch das Wort vergessen! Ach, das Wort, worauf am Ende Er das wird, was er gewesen. Ach, er läuft und bringt behende! Wärst du doch der alte Besen! Immer neue Güsse Bringt er schnell herein, Ach, und hundert Flüsse Stürzen auf mich ein. Nein, nicht länger Kann ich's lassen! Will ihn fassen. Das ist Tücke! Ach, nun wird mir immer bänger! Welche Miene, welche Blicke!^) O, du Ausgeburt der Hölle! Soll das ganze Haus ersaufen? Seh' ich über jede Schwelle Doch schon Wasserströme laufen. Ein verruchter Besen, Der nicht hören will! Stock, der du gewesen, Steh doch wieder still! dem 5.-8. Verse das Zauberwort enthalten Willst's am Ende Gar nicht lassen? Will dich fassen, Will dich halten Und das alte Holz behende Mit dem scharfen Beile spalten. Seht, da kommt er schleppend wieder Wie ich mich nur auf dich werfe, Gleich, o Kobold, liegst du nieder; Krachend trifft die glatte Schärfe. Wahrlich, brav getroffen! Seht, er ist entzwei! Und nun kann ich hoffen Und ich atme frei! Wehe, wehe! Beide Teile Stehn in Eile Schon als Knechte Völlig fertig in der Höhe! Helft mir, ach, ihr hohen Mächte! Und sie laufen; naß und nässer Wird's im Saal und auf den Stufen. Welch entsetzliches Gewässer! Herr und Meister, hör' mich rufen! — Ach, da kommt der Meister! Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, Werd' ich nun nicht los. „In die Ecke, Besen! Besen! Seid's gewesen! Denn als Geister Ruft euch nur zu seinem Zwecke Erst hervor der alte Meister." I. W. Goethe. (worauf der Besen sich zu Knechtesdieusteii bequemt) und in den folgenden Versen die Weisung, was er zunächst zu tun habe. Der letztere Teil der Zauberformel wird von dem Lehrling zu größerer Sicherheit wiederholt, weil derselbe ohne den Zusatz: „Auf zwei Beinen stehe" re. erfolglos geblieben war. ') Nämlich: „In die Ecke Besen! Besen! Seid's gewesen —" Der Besen wird zum Kobolde, der mit höhnischen Blicken des machtlosen Zauberlehrlings zu spotten und sich im voraus der vermehrten Not zu freuen scheint. Das sieht er in seiner Angst. Frisch und Rudolf, Lesebuch für Bürgerschulen. ' — 258 35. Wanderers Nachtlied. Der du von dem Himmel bist, Alles Leid und Schmerzen stillest, Den, der doppelt elend ist, Doppelt mit Erquickung stillest, 36. Ein Ach, ich bin des Treibens müde! Was soll all der Schmerz und Lust? Süßer Friede, Komm, ach komm in meine Brust! I. W. Goethe. Gleiches. Über allen Gipfeln ist Ruh! Von W. Friedrich. (Verlag Franz Hanfstaengl, München.) Über allen Gipfeln Kaum einen Hauch; Ist Ruh', Die Vöglein schweigen im Walde. In allen Wipfeln Warte nur, balde Spürest du Ruhest du auch. I. W. Goethe. 259 37. Frühlings Auferstehung. Aus „Faust". Vom Eise befreit sind Strom und Bäche Durch des Frühlings holden, beleben¬ den Blick; Im Tale grünet Hoffnungsglück; Der alte Winter, in seiner Schwäche, Zog sich in rauhe Berge zurück. Von dort her sendet er, fliehend, nur Ohnmächt'ge Schauer körnigen Eises In Streifen über die grünende Flur.' Aber die Sonne duldet kein Weißes; Überall regt sich Bildung und Streben, Alles will sie mit Farben beleben; Doch an Blumen fehlt's im Revier, Sie nimmt geputzte Menschen dafür. Kehre dich um, von diesen Höhen Nach der Stadt zurückzusehen! Aus dem hohlen, finstern Tor Dringt ein buntes Gewimmel hervor. Jeder sonnt sich heute so gern; Sie feiern die Auferstehung des Herrn: Denn sie sind selber auferstanden Aus niedriger Häuser dumpfen Ge¬ mächern, Aus Handwerks- und Gewerbesbanden, Aus dem Druck von Giebeln und Dächern, Aus der Straßen quetschender Enge, Aus der Kirchen ehrwürd'ger Nacht Sind sie alle ans Licht gebracht. Sieh, nur, sieh, wie behend sich die Menge Durch die Gärten und Felder zerschlägt, Wie der Fluß in Breit' und Länge So manchen lustigen Nachen bewegt! Und, bis zum Sinken überladen, Entfernt sich dieser letzte Kahn. Selbst von des Berges fernen Pfaden Blinken uns farbige Kleider an. Ich höre schon des Dorfs Getümmel; Hier ist des Volkes wahrer Himmel, Zufrieden jauchzet groß und klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein. I. W. Goethe. 38. Goldene Worte. Wer ist ein unbrauchbarer Mann? Der nicht befehlen und auch nicht ge¬ horchen kann. -I- Noch ist es Tag, da rühre sich der Mann ! Die Nacht tritt ein, wo niemand wirken kann. -st Es ließe sich alles trefflich schlichten, Könnte man die Sachen zweimal ver¬ richten. -r: Willst du nichts Unnützes kaufen, Mußt du nichtauf den Jahrmarkt laufen. -i- Wohl unglückselig ist der Mann, Der unterläßt das, was er kann, Und unterfängt sich, was er nicht versteht; Kein Wunder, daß er zu Grunde geht. Mann mit zugeknöpften Taschen, Dir tut niemand was znlieb; Hand wird nur von Hand gewaschen Wenn dn nehmen willst, so gib! -i- Willst du immer weiter schweifen ? Sieh, das Gute liegt so nah, Lerne nur das Glück ergreifen, Denn das Glück ist immer da! -r- Wer mit dem Leben spielt, Kommt nie zurecht; Wer sich nicht selbst befiehlt, Bleibt immer ein Knecht. -i- Was verkürzt mir die Zeit? Tätigkeit! Was macht sie unerträglich lang? Müßiggang! Was bringt in Schulden? 17* 260 Harren und dulden! Was macht gewinnen? Nicht lange besinnen! Was bringt zu Ehren? Sich wehren! * Feiger Gedanken Bängliches Schwanken, Weibisches Zagen, Ängstliches Klagen Wendet kein Elend, Macht dich nicht frei. Allen Gewalten Zum Trutz sich erhalten, Nimmer sich beugen, Kräftig sich zeigen, Rufet die Arme Der Götter herbei. I. W. Goethe. 39. Goethe, ein Freund körperlicher Übungen. Im hohen Grade belehrend ist es zu erfahren, wie berühmte Männer ihre Lebensweise gestalten. Ihr Beispiel fordert uns auf, ihnen nachzu¬ eifern. Ein solcher Mann, der nicht nur durch seine dichterischen Schöp¬ fungen voll erhabener Weisheit ein Lehrer der Menschheit geworden, sondern der uns auch heute noch durch seine mit großer Vorliebe gepflegten körper¬ lichen Übungen ein Vorbild ist, war Deutschlands größter Dichter, Johann Wolfgang von Goethe. Er verstand es, mit seiner eisernen Willenskraft aus sich jene ebenmäßig gebildete Persönlichkeit zu schaffen, die geradezu als Muster dasteht. Goethe war ein Meister der Lebenskunst. Obgleich beständig geistig tätig, unterließ er es nie, auch dem Gedeihen und der Pflege des Körpers einen ansehnlichen Teil seiner Lebenszeit zu widmen. Ihm war alles Schwächliche und Kränkliche zuwider; darum tat er alles, was seine Gesundheit und seinen Lebensmut förderte. Er verstand es, geistige und körperliche Abspannung, Erschlaffung und trübe Stimmung stets durch aus¬ giebige Bewegung in frischer Luft zu bannen. Die unerschöpfliche Natur mit ihrer reizvollen Mannigfaltigkeit war für ihn von jeher eine unversieg¬ bare Quelle neuer Kraft und Lebenslust gewesen. Ihre Heilkraft hatte er schon als Jüngling in seiner Vaterstadt Frankfurt a. M. erprobt, als er seine angegriffene Gesundheit durch fleißigen Besuch der benachbarten schat¬ tigen Wälder wieder herstellte. Im Verlaufe der Zeit ward ihm das Wan¬ dern in den Fluren und das Besteigen luftiger Höhen zum Bedürfnisse. Weder Wind noch Wetter vermochten ihn von seinen Ausflügen abzuhalten. Es bereitete ihm ein großes Vergnügen, unter schwierigen Umständen auf ein entferntes Ziel loszusteuern. Dabei ertrug er Entbehrungen und die härtesten Anstrengungen in fröhlichster Stimmung. Nicht selten verschmähte er das behagliche Bett und vertauschte es mit einem schlichten Streu- oder Strohlager, das ihm außerordentlich zusagte. Goethe war herzlich froh, als er im Jahre 1775 die Stadt- und Stubenluft von Frankfurt mit der Landluft des so anmutig gelegenen 261 Weimar vertauschen konnte. Hier am Hofe des achtzehnjährigen Herzogs Karl August gewann er bald auf die ganze Hofgesellschaft bedeutenden Einfluß. Der schlanke, junge Mann, übersprudelnd von Geist und Froh¬ sinn, ein gewandter Erzähler voll drolliger Einfälle, eroberte sich im Sturme die Herzen seiner neuen Umgebung. Überall erzählte man von dem Frank¬ furter Doktor, der als Schwimmer, Reiter und Jäger nicht so leicht über¬ troffen werden konnte. Wenn es ihm einfiel, badete er Nachts im Weiher oder Flusse — selbst bei winterlicher Kälte. Früher war das Baden und Schwimmen in offenen Gewässern streng verboten. Goethe brachte es jedoch dahin, daß das Jlmbad eingerichtet ward; so fand das Kaltbaden immer mehr Anhänger. Die trefflichen Wirkungen der kalten Bäder wurden dann auch von den Ärzten in verschiedenen Krankheitsfällen erprobt. Ferner fand das Kahnfahren auf der Ilm infolge seiner Anregung lebhaften An¬ klang. Waren aber Teiche und Flüsse zugefroren, dann tummelte sich der Dichter entweder in Gesellschaft oder allein aus dem glatten Eise als flotter Schlittschuhläufer umher, am liebsten bei Mondenschein und Sternenlicht. Klopstock und Goethe erwarben sich das Verdienst, durch Tat und Wort das herrliche Vergnügen des Eislaufens im 18. Jahrhunderte beliebt ge¬ macht zu haben. Jener pries in einer Ode, dieser in einem Liede die Vor¬ züge dieser gesunden Betätigung. Dem Weimarischen Hofe gefiel dieses Wintervergnügen außerordentlich. Auf dem Baumgartenteiche und auf den überschwemmten Schwanseewiescn herrschte ein munteres Treiben. Eisfeste mit Feuerwerk wechselten mit anderen Unterhaltungen. Zeitweilig hatten auch Knaben Zutritt. Sie mußten zur allgemeinen Belustigung über Steine springen, mit Degen nach Äpfeln stechen oder als Verfolgte unter Peitschen- und Pistolenknall die Flucht ergreifen. In jener Zeit gab es nur mangelhafte Verkehrsmittel. Die holprigen Wege und die schwerfälligen Wagen waren keineswegs geeignet, die Reise¬ lust zu wecken. Häufig zog man es vor, hoch zu Roß dahinzusprcngeu. Deshalb lernten nicht nur die Söhne von Herrschaftsbesitzern (Landjunker), sondern auch jene der Bürger die Reitkunst. Goethe war ein Meister der¬ selben. Oft jagte er mit seinem Herrn über Stock und Stxin, beteiligte sich an Hetzjagden oder ritt meilenweit im Lande umher, um dieses und seine Bewohner kennen zu lernen. Nicht selten nahm man dabei an Kirch¬ weihfesten und Bauernhochzeiten teil. Besonders denkwürdig in der Geschichte seines Lebens sind seine Reisen in die Schweiz und nach Italien, dem Lande seiner Sehnsucht. „Ein gescheiter Mensch lernt am meisten auf Reisen!" ruft uns der weltkluge Gelehrte zu. Auch als Freund der Turnerei hat sich Goethe erwiesen, da er zu jener Zeit, als die deutschen Regierungen das Turnen 262 verboten, mahnte: „Ich hoffe, daß man die Tnrnanstalten wiederherstellen werde, denn unsere Jugend bedarf des Turnens, besonders die studierende, der bei dem vielen gelehrten Treiben das körperliche Gegengewicht fehlt. Sorgen Sie für den Leib mit anhaltender Treue! Die Seele muß nun einmal durch diese Augen sehen, und wenn sie trüb sind, so ist auf der ganzen Welt Regenwetter." Goethe bewahrte sich seine leibliche und geistige Frische bis ins hohe Greisenalter. Noch au seinem letzten Geburtstage, am 28. August 1831, unternahm er einen Ausflug auf den bei Ilmenau gelegenen Berg, den Gickelhahn, wo er rüstig, ohne Stock durch das Heidekraut zu dem wohl¬ bekannten Waldhänschen schritt. So ist der Dichterfürst die Verkörperung schöner, kräftiger Mensch¬ lichkeit. Folgen wir seinem Beispiele! Üben wir strenge Selbstzucht, ver¬ weichlichen wir uns nicht, seien wir tätig, nützen wir die Zeit, stählen wir unfern Körper und bilden wir unfern Geist! Dann werden wir an uns selbst erfahren, was Goethe gesagt: „Der Mensch kann Unglaub¬ liches leisten, wenn er die Zeit einzuteilen und zu benützen Weiß." Rudolf Herrmann. Friedrich Schiller. Friedrich Schiller wurde am 10. November 1759 im Städtchen Marbach in Württemberg geboren. Sein Vater, ein strenger Mann, war früher Wundarzt gewesen; im siebenjährigen Kriege diente er als Hauptmann im Heere des Herzogs. Während der Vater in den Krieg gezogen war, verlebte der schwächliche, blauäugige und blondlockige Knabe seine ersten Jugendjahre im großelterlichen Hause. Seine Mutter, eine sinnige Frau, weckte früh die Phantasie des Knaben durch anregende Erzählungen. In Ludwigsburg, wo er die lateinische Schule besuchte, wohnte er oft am Hofe des Herzogs Karl Eugen der Aufführung von Schauspielen bei. Das regte ihn schon in früher Jugend an, selbst kleine Dramen zu dichten, worin er die Helden der Weltgeschichte auftreten ließ. Schiller wünschte, Priester zu werden; aber der Herzog, dessen Wille als Befehl galt, zwang ihn, auf der Karlsschule Medizin zu studieren. In dieser Schule herrschte eine strenge militärische Zucht. Nur heimlich konnte er die Werke der Dichter studieren und seine eigenen Dichtungen seinen Mit¬ schülern vorlesen. Als er seine Prüfungen löblich bestanden hatte, wurde er Wundarzt. Erst 18 Jahre alt, schuf er „Die Räuber", durch die sein Name weit und breit bekannt wurde. Doch den Genuß, sein Werk in Mannheim aufführen 263 zu sehen, mußte er mit vierzehntägigem Arreste büßen, da er als Militärarzt die Reise ohne Urlaub unternommen hatte. Schiller konnte dem Drange seiner Dichternatur nicht widerstehen; da ihm der Herzog verbot, ferner „Komödien" zu schreiben, so floh Schiller. Zwar geriet er eine Zeitlang in arge Not, fand aber endlich in einigen Familien, die ihn wegen seiner Dichtungen hoch verehrten, gastliche Aufnahme. Er schrieb die Trauerspiele „Die Verschwörung des Fiesco", „Kabale und Liebe" und „Don Carlos". Nun wurde er rasch berühmt und auf Goethes Vorschlag nach Jena als Professor der Geschichte berufen. Hier entstanden seine herrlichen Bal¬ laden und das Drama „Wallen¬ stein". Weil er sich nicht wohl fühlte, gab er 1799 seine Professur in Jena auf und übersiedelte nach Weimar, wo er im Kreise seiner Familie und seiner Freunde, hochgeehrt von seinem Fürsten, geliebt vom Volke, die Trauerspiele „Maria Stuart", „DieJungfrau von Orleans", „Die Braut von Messina" und das Schauspiel „Wilhelm Tell" schrieb. Alle diese Werke wurden mit alle zeugen von seinem lebhaften Sinne für das Edle, Gute und Schöne. Er wurde des Volkes Lieblingsdichter. Als er im Herbste 1801 in Leipzig der ersten Aufführung seiner „Jungfrau von Orleans" beiwohnte, war das Theater trvtz des heißen Tages überfüllt. Kaum rauschw nach dem ersten Akte der Vorhang nieder, als ein tausendstimmiges: „Es lebe Friedrich Schiller!" wie aus einem Munde erscholl. Der Dichter dankte von seinem Platze aus so bescheiden, daß ihn nur wenige bemerkten. Nach der Beendigung des Stückes strömten sie daher alle herbei, um ihn zu sehen Der weite Platz vor dem Schauspiel¬ hause war von den Theaterbesuchern dicht besetzt. Als Schiller aus dem Hause trat, wurde augenblicklich eine Gasse gebildet „Das Haupt entblößt!" erscholl es von allen Seiten und so ging der Dichter durch die Lichar seiner Bewunderer hindurch, die ihn ehrfurchtsvoll begrüßten, während hinter ihnen Väter ihre Kinder in die Höhe hoben und riefen: „Seht, dieser ist es!" Friedrich Schiller. Begeisterung ausgenommen, denn 264 Leider starb er schon am 9. Mai 1805, viel zu früh. Er hat uns gelehrt, in der Wahrheit und Schönheit, in der Freiheit und Menschenwürde die edelsten Güter der Menschheit zu erkennen, X Hugo Weber. 41. Der Ring Er stand auf seines Daches Zinnen, Er schaute mit vergnügten Sinnen Ans das beherrschte Samos hin. „Dies alles ist mir untertänig," Begann er zu Ägyptens König, „Gestehe, daß ich glücklich bin!" „ Du hast der Götter Gunst erfahren! Die vormals deinesgleichen waren, Sie zwingt jetzt deines Zepters Macht. Doch einer lebt noch, sie zu rächen; Dich kann mein Mund nicht glücklich sprechen, Solang des Feindes Auge wacht." Und eh' der König noch geendet, Da stellt sich, von Milet gesendet, Ein Bote dem Tyrannen dar: „Laß, Herr, des Opfers Düfte steigen Und mit des Lorbeers muntern Zweigen Bekränze dir dein festlich Haar! Getroffen sank dein Feind vom Speere; Mich sendet mit der srohen Märe Dein treuer Feldherr Polydor" — Und nimmt aus einem schwarzen Becken, Noch blutig, zu der beiden Schrecken, Ein wohlbekanntes Haupt hervor. Der König tritt zurück mit Grauen. „Doch warn' ich dich, dem Glück zu trauen," Versetzt er mit besorgtem Blick; „Bedenk, auf ungetreuen Wellen — Wie leicht kann sie der Sturm zer¬ schellen — Schwimmt deiner Flotte zweifelnd Glück!" des Polykrates- Und eh' er noch das Wort gesprochen, Hat ihn der Jubel unterbrochen, Der von der Reede jauchzend schallt; Mit fremden Schätzen reich beladen, Kehrt zu den heimischen Gestaden Der Schiffe mastenreicher Wald. Ter königliche Gast erstaunet: „Dein Glück ist heute gut gelaunet, Doch fürchte seinen Unbestand! Der Kreter waffenkund'ge Scharen Bedräuen dich mit Kriegsgefahren; Schon nahe sind sie diesem Strand." Und eh' ihm noch das Wort entfallen, Da sieht man's von den Schiffen wallen Und tausend Stimmen rufen: „Sieg! Von Feindesnot sind wir befreiet, Die Kreter hat der Sturm zerstreuet, Vorbei, geendet ist der Krieg!" Das hört der Gastfreund mit Ent¬ setzen. „ Fürwahr, ich muß dich glücklich schätzen! Doch," spricht er, „zittr' ich für dein Heil. Mir grauet vor der Götter Neide; Des Lebens ungemischte Freude Ward keinem Irdischen zu teil. Auch mir ist alles wohl geraten, Bei allen meinen Herrschertaten Begleitet mich des Himmels Huld; Doch halt' ich einen teuern Erben, Den nahm mir Gott, ich sah ihn sterben, Dem Glück bezahlt' ich meine Schuld. 266 Doeb alles noeb stumm bleibt -vis 2uvor; lind uiu Ddelbnsebt, sankt und bsolr, Iritt aus der Lnappen ^a^endem Obor lind den Oürtsl wirkt er, den Uantsl wgb lind alle 6is Uännsr umbsr und brauen ^.uk den berrliebsn «lünAlinA verwundert sobansn. lind wie er tritt an des lkslssn DanK lind bliebt iu den Loblund binab, Oie Musser, die sis binunter soblanA, Dis Obar^bds ^'st^t brüllsnd wieder^ab; lind wie mit des kernen Donners Olstoss llntstür^sn sie sobäumend dem Lüstern 8oboke. Dnd es wallst und sisdst und krauset und r^isobt, Mis wenn Musser mit Deusr sieb meu^t; 6is 2um Himmel spritzet 6er dampkonds Oisobt lind Dlut aus Dlut siob obn' Dnds drävAt lind ^vili siok nimmer srsoköpfsn un6 leeren, ^Is sollte das Neer nook ein Neer gebären. Oook enäliok, äa Is§t siek die ^viläs Oswalt lind sekwarri aus dem welken Zekaum Hatkt kinunter ein ^äknender 8palt, Orundlos, als §in^'s in den Höllsnraum; lind rsikend siekt man dis krandsnden Mo^en llinak in den strudelnden l'rioktsr KSLO^sn. detLt seknell, ek' die Brandung wisderkekrt, Der düllAÜNA siek 6ott keLslilt lind — ein Lslirsi des Dntsotrsus wird rinxs Asliört lind sekon Kat ikn der Mirkel kinwsMsspült lind Aslmimnisvoll über dem lrvknsn sokwimmsr Lokliekt sieli der llaoksu; er MiZt sieli nimmer. lind stills wird's üksr dem Masssrsoklund, In der liels nur brauset es bobl lind bebend bört man von i^Iund 2U Nund: „IIoobberriAer dün^lin^, kalirs wobl lind boblsr und bnblsr bört man's beulsn lind es barrt noeb mit bansem, mir sebreebliobsm Ms.len. 267 Dnä värlst än äis Krons selber binsin l'nä spräobst: Wer mir dringst äio Kron', Kr soll «is tragen nnä Köni^ sein! Nick Aklüststs niobt naeb äom tsusrn Kolin. Was äie bonlonäo Kiele äa noten vorliobls, Das or^tiblt Kölns lsbsnäs, Alnokliobs 8ssls. Wobl manobss Dalir^oun, vorn 8trnäsl Aslakt, 8oboü jtili in äis Kiels binab; Do ek ^srsob mettort nur ran^sn sieb Kiel unä Ns st Hervor sns clsin silos verseläin^onclen 6lrab. — Dnä Keller nnä Koller vis 8tnrinss 8snsen Hört man's näksr unä liuinsr näksr brausen. Dnä ss vallet unä sisäst unä brausst nnä xisokt, Wie veno Wasser init Donor sieb msn^t, Lis 2nin Ulrninsl spritzet äsr äamplsnäs Oisokt Dnä Well' anl Well' sieb oko' llnäo ärtingt Dnä vis rnit äes lernen Donners 0stoss Ilntstürrit ss brüllsnä äsm linstorn 8oko6s. llnä sisk, nus äsm linstsr llutsnäsn 8sbok, Da liebst sioll's sokvansnvsil) Dnä ein oVrrn uncl sin AlänLSnclor Kaoksn virä kloL Ilnä ss ruclort init Krott unä mit sinsiAsrn DIsiü Dnä sr ist's unä kook in ssinsr Dinksn 8olivinAt sr äsn llsslisr init lrsuäiASm Winken! Ilnä atmete lanA unä atmsts tisl Dnä ksArüöts äas kimmlissks Diokt. Nit Droklooksn ss einer äsm anäsrn risk „Kr 1sl)t, sr ist äa, ss ksläslt ilm niekt! ^.us äsm 6lral>, aus äsr struävlnäsn Wasssrkökls Hat äsr Lravs Asrsttst äis leksnäs 8ssls!" Dnä sr kommt; ss umringt ikn äis ^ukslnäs 8skar; Ku äss Königs Dtiüsn sr sinkt, Dsn llsoksr rsiokt sr ikm knienä äar Dnä äsr KöniA äsr lisklioksn ä oskter vinkt; Dis lullt ilm mit lunkslnäsm Wsin bis 2um Lanäs Dnä äsr äünAÜNA siob also 2um Kölli§ vanäts: 268 „DanA Isks äsr Doui^! Ds trsno sisk, ^Vsr äa atmst im rosigen Diokt! 1)3, uutsu aksr ist's turoktorliok Duä äsr Nsusoii vsrsusks äis Döttsr uiokt Duä ks§skrs uimmsr uuä uimmsr 2u sokausu, Was sis AuääiA koäooloou mit Ilaekt uuä (Iranom Ds ri6 mišk kiuuutsr klit^sssoknsll; Ds, stürmt' mir aus iolsig-om 8okaokt VViläüutsuä eutASASU sin roikouäor (^uell; Älisk paskts äss Doppslstroms vütsuäs Aaokt Duä vis siusu DrsissI mit ssk^viuäsluäsm Drokon Drisk miok's um, iok kouuts uiokt viäsrstsksu. Du 2siZts mir Dvtt, 2U äsm iok riot, In äsr köskstsu, sokrsoküsksu Hot ^.us äsr Disis ra^suä ein Dslssuritl; Das orD6t' isk ksksuä und outraiin äsm Dvä. lind äs kiuA suok äsr Lsoksr au spit^su Dorallou, 8oust vär' sr ius Doäsuioss Askalisu. Dsuu uutor mir la^'s uocäi ksrAstisk In purpurnsr Diustsruis äs, Duä ok's kisr äsm Okrs Zloiok sviA ssklist, Das ^.UAS mit Lokauäsru kiuuutsrsak, ^Vis's von 8a1amauäsru unä Noloksu uuä Drasksu 8iok rsAt' in äsm lursktbarsu DöUsuraoksu. 8okvar2 vimmsltsu äa, in Araussm Dsmisok, i^u ssksuklioksu Humusu ^skalit, Der stasklislits Dosks, äsr Dlippsuössk, Dos Dammsrs Arsulioks IIuASstait Duä äräusuä viss mir äis ArimmiAsu Dzkus Dor sutsotrlisks Dai, äss Nssrss Ilväuo, Duä äa kiu§ iok uuä var's mir mit Draussu ksvukt, Von äsr msnsskiisksu Dilts so vsit, Dntsr Darvsu äis sinAAS lüiäsuäs Drust, ^Vlisiu in äsr AräMoksu Diusamksit, Disl uutsr äsm 8okaII äsr msussklisksu Dsäs Lsi äsu DuAsksusru äsr trauri^su Oäs. 269 Hä sobauäsrnä äaobt' iob's, äa krnob's bsran, ksAte bunäort Delsnke ^UAioiob, ^Vill sobnappen naob mir; in äss Zobreokens ^Vabn Dass' iob los äsr Doialls umklammertem Lwei^; Oleiob bakt miob äer 8truäsl mit rsssnäem Doben; Doob ss war mir rmm Heil, er ri6 mied naob oben." Oer XöniA äarob sieb vorvvunäort sobisr Dnä spriobt: „Der Wobsr ist äsin Dnä äiesen liiHA nvob bestimm' iob äir, 6esobmüokt mit äsm köstliobstsn LäelASstein, Versnobst äu's noob einmal unä bringst mir Lunäe, Was äu sabst aub äss Ueeres tiolunterstem Orunäs.^ Das börte äi6 koobter mit weiobem Dsbübl Dnä mit sobmeiobslnäem Nunäs sis Lebt: „Dabt, Vatsr, AenuA ssin äas Zrausams 8pisl! Lr bat Duob bsstanäen, was keiner bsstebt, Dnä IröiiQt liir ä6S HorMiis Oslüsts uielit ^ö-Iimsii, 8v müASH äis Littsr äsir Luappon bssoliämsir/' Orauk äsr XölliA ^roiä imoä äsm Loolisr soliooll. In äsu Ltruäel ilm sokleuäort liinsin: „Ilirä scämä'st äo äsu Lsolisr mir ^vic?,äsr xnr Ltell', 80 sollst äu äsr trsllllolists Kitter wir ssio Ilüä sollst sis als kliAsmalä lisut' ooeli umarmen, Dio ^st2t tilr äieli bittet mit Zartem Drbarmou/' Da orAroilt's lbm äio Leolo mit Ilimmels^ovvalt Iluä es blitzt aus äeu L.u^6n ibm Irübu lluä er sieliet erröten äie seliöns (Gestalt länä siebt sie erblsioben unä sinken bin; Da trsibt's ibn, äsn köstlisbsn kreis 2U erwerben, Dnä stürmt binunter anl' Debsn unä 8tsrbsn. ^Vobl bört man äis IlranäunA, wobl ksbrt sis 2uru«Ir, 8ie verkünäiAt äsr äonnsrnäe 8eball; Da büobt siob's binunter mit lisbenäem Wok, Ls kommen, es kommen äie lVasssr all, 8ie rausoben beraub sis rausebsn nieäer, Don äünAlinA bringt keines wieäsr. krieärieli Lokillsr. 270 43. Der Kampf mit dem Drachen. Was rennt das Volk, was wälzt sich dort Die langen Gassen brausend fort? Stürzt Rhodus unter Feuers Flammen ? Es rottet sich im Sturm zusammen Und einen Ritter, hoch zu'Roß, Gewahr' ich aus dem Menschentroß. Und hinter ihm, welch Abenteuer, Bringt man geschleppt ein Unge¬ heuer ! Ein Drache scheint es von Gestalt Mit weitem Krokodilesrachen Und alles blickt verwundert bald Den Ritter an und bald den Drachen. Und tausend Stimmen werden laut: „Das ist der Lindwurm, kommt und schaut, Der Hirt und Herden uns verschlungen! Das ist der Held, der ihn bezwungen! Viel' andre zogen vor ihm aus, Zu wagen den gewalt'gen Strauß. Doch keinen sah man wiederkehren; Den kühnen Ritter soll man ehren!" Und nach dem Kloster geht der Zug, Wo Sankt Johanns des Täufers Orden, Die Ritter des Spitals, im Flug Zu Rate sind versammelt worden. Und vor den edlen Meister tritt Der Jüngling mit bescheidnem Schritt; Nach drängt das Volk mit wildem Rufen, Erfüllend des Geländers Stufen; Und jener nimmt das Wort und spricht: „Ich hab' erfüllt die Ritterpflicht; Der Drache, der das Land verödet, Er liegt von meiner Hand getötet; Frei ist dem Wanderer der Weg, Der Hirte treibe ins Gefilde, Froh walle auf dem Felsensteg Der Pilger zu dem Gnadenbilde." Doch strenge blickt der Fürst ihn an Und spricht: „Du hast als Held getan; Der Mut ist's, der den Ritter ehret, Du hast den kühnen Geist bewähret. Doch sprich, was ist die erste Pflicht Des Ritters, der für Christum ficht, Sich schmücket mit des Kreuzes Zeichen?" Und alle ringsherum erbleichen. Doch er mit edlem Anstand spricht, Indem er sich errötend neiget: „Gehorsam ist die erste Pflicht, Die ihn des Schmuckes würdig zeiget." „Und diese Pflicht, mein Sohn," versetzt Der Meister, „hast du frech verletzt; Den Kampf, den das Gesetz ver¬ saget, Hast du mit frevlem Mut gewaget!" „Herr, richte, wenn du alles weißt," Spricht jener mit gesetztem Geist; „Denn des Gesetzes Sinn und Willen Vermeint' ich treulich zu erfüllen; Nicht unbedachtsam zog ich hin, Das Ungeheuer zu bekriegen; Durch List und klnggewandten Sinn Versucht' ich's, in dem Kampf zu siegen. Fünf unsers Ordens waren schon, Die Zierden der Religion, Des kühnen Mutes Opfer worden, Da wehrtest du den Kampf dem Orden. Doch an dem Herzen nagte mir Der Unmut und die Streitbegier, Ja, selbst im Traum der stillen Nächte Fand ich mich keuchend im Gefechte; Und wenn der Morgen dämmernd kam Und Kunde gab von neuen Plagen, Da faßte mich ein wilder Gram Und ich beschloß, es frisch zu wagen. 271 Und zu mir selber sprach ich dann : Was schmückt den Jüngling, ehrt den Mann, Was leisteten die tapfern Helden, Von denen uns die Lieder melden, Die zu der Götter Glanz und Ruhm Erhob das blinde Heidentum? Sie reinigten von Ungeheuern Die Welt in kühnen Abenteuern, Begegneten im Kampf dem Leu'n Und rangen mit dem Minotauren, Die armen Opfer zu befrei'n, Und ließen sich das Blut nicht dauren. Ist nur der Sarazen' es wert, Daß ihn bekämpft des Christen Schwert? Bekriegt er nur die falschen Götter? Gesandt ist er der Welt zum Retter, Von jeder Not und jedem Harm Befreien muß sein starker Arm; Doch seinen Mut muß Weisheit leiten Und List muß mit der Stärke streiten. So sprach ich oft und zog allein, Des Raubtiers Fährte zu erkunden; Da flößte mir der Geist es ein, Froh rief ich aus: Ich hab's ge¬ funden. Und trat zu dir und sprach dies Wort: Mich zieht es nach der Heimat fort. Du, Herr, willfahrtest meinen Bitten Und glücklich war das Meer durch¬ schnitten. Kaum stieg ich aus am heim'schen Strand, Gleich ließ ich durch des Künstlers Hand, Getreu den wohlbemerkten Zügen, Ein Drachenbild zusammenfügen. Auf kurzen Füßen wird die Last Des langen Leibes aufgetürmet, Ein schuppicht Panzerhemd umfaßt Den Rücken, den es furchtbar schirmet. Lang strecket sich der Hals hervor Und gräßlich, wie ein Höllentor, Als schnappt' es gierig nach der Beute, Eröffnet sich des Rachens Weite Und aus dem schwarzen Schlunde dräu'n Der Zähne stachelichte Reih'n, Die Zunge gleicht des Schwertes Spitze, Die kleinen Augen sprühen Blitze; In eine Schlange endigt sich Des Rückens ungeheure Länge, Rollt um sich selber fürchterlich, Daß es um Mann und Roß sich schlänge. Und alles bild' ich nach genau Und kleid' es in ein scheußlich Grau; Halb Wurm erschient, halb Molch und Drache, Gezeuget in der gift'gen Lache. Und als das Bild vollendet war, Erwähl' ich mir ein Doggenpaar, Gewaltig, schnell, von flinken Läufen, Gewohnt, den wilden Ur zu greifen; Die hetz' ich auf den Lindwurm an, Erhitze sie zu wildem Grimme, Zu fassen ihn mit scharfem Zahn, Und lenke sie mit meiner Stimme. Und wo des Bauches weiches Blies Den scharfen Bissen Blöße ließ, Da reiz' ich sie, den Wurm zu packen, Die spitzen Zähne einzuhacken. Ich selbst, bewaffnet mit Geschoß, Besteige mein arabisch Roß, Bon adeliger Zucht entstammet; Und als ich seinen Zorn entflammet, Rasch auf den Drachen spreng' ich's los Und stachl' es mit den scharfen Sporen Und werfe zielend mein Geschoß, Als wollt' ich die Gestalt durchbohren. 272 Ob auch das Roß sich grauend bäumt Und knirscht und in den Zügel schäumt Und meine Doggen ängstlich stöhnen, Nicht rast' ich, bis sie sich ge¬ wöhnen. So üb' ich's ans mit Emsigkeit, Bis dreimal sich der Mond erneut; Und als sie jedes recht begriffen, Führ' ich sie her ans schnellen Schiffen- Der dritte Morgen ist es nun, Daß mir's gelungen, hier zu landen; Den Gliedern gönnt' ich kaum zu ruhn, Bis ich das große Werk bestanden. Denn heiß erregte mir das Herz Des Landes frisch erneuter Schmerz: Zerrissen fand man jüngst die Hirten, Die nach dem Sumpfe sich ver¬ irrten. Und ich beschließe rasch die Tat, Nur von dem Herzen nehm' ich Rat. Flugs unterricht' ich meine Knappen, Besteige den versuchten Rappen, Und von dem edlen Doggenpaar Begleitet, auf geheimen Wegen, Wo meiner Tat kein Zeuge war, Reit' ich dem Feinde frisch entgegen. Das Kirchlein kennst du, Herr, das hoch Auf eines Felsenberges Joch, Der weit die Insel überschauet. Des Meisters kühner Geist erbauet. Verächtlich scheint es, arm und klein, Doch ein Mirakel schließt es ein, Die Mutter mit dem Jesusknaben, Den die drei Könige begaben. Auf dreimal dreißig Stufen steigt Der Pilgrim nach der steilen Höhe; Doch hat er schwindelnd sie erreicht, Erquickt ihn seines Heilands Nähe. Tief in den Fels, auf dem es hängt, Ist eine Grotte eingesprengt, Vom Tau des nahen Moors befeuchtet, Wohin des Himmels Strahl nicht leuchtet. Hier hausete der Wurm und lag, Den Raub erspähend, Nacht und Tag. So hielt er, wie der Höllendrache, Am Fuß des Gotteshauses Wache; Und kam der Pilgrim hergewallt Und lenkte in die Unglücksstraße, Hervor brach aus dem Hinterhalt Der Feind und trug ihn fort zum Fräße. Den Felsen stieg ich jetzt hinan, EH' ich den schweren Strauß begann, Hin kniet' ich vor dem Christus- kinde Und reinigte mein Herz von Sünde. Drauf gürt' ich mir im Heiligtum Den blanken Schmuck der Waffen um, Bewehre mit dem Spieß die Rechte Und nieder steig' ich zum Gefechte. Znrücke bleibt der Knappen Troß; Ich gebe scheidend die Befehle Und schwinge mich behend aufs Roß Und Gott empfehl' ich meine Seele. Kaum seh' ich mich im ebnen Plan, Flugs schlagen meine Doggen an Und bang beginnt das Roß zu keuchen Und bäumet sich und will nicht weichen; Denn nahe liegt, znm Knäul geballt, Des Feindes scheußliche Gestalt Und sonnet sich auf warmem Grunde. Auf jagen ihn die flinken Hunde; Doch wenden sie sich pfeilgeschwind, Als es den Rachen gähnend teilet Und von sich haucht den gist'gen Wind Und winselnd wie der Schakal heulet. 273 Doch schnell erfrisch' ich ihren Mut, Sie fassen ihren Feind mit Wut, Indem ich nach des Tieres Lende Aus starker Faust den Speer ver¬ sende ; Doch machtlos, wie ein dünner Stab, Prallt er vom Schuppenpanzer ab, Und eh' ich meinen Wurf erneuet. Da bäumet sich mein Roß und scheuet An seinem Basiliskenblick Und seines Atems gift'gem Wehen Und mit Entsetzen springt's zurück Und jetzo war's um mich geschehen — Da schwing' ich mich behend vom Roß, Schnell ist des Schwertes Schneide bloß; Doch alle Streiche sind verloren, Den Felsenharnisch zu durchbohren. Und wütend mit des Schweifes Kraft Hat es zur Erde mich gerafft; Schon seh' ich seinen Rachen gähnen, Es haut nach mir mit grimmen Zähnen, Als meine Hunde, wutentbrannt, An seinen Bauch mit grimm'gen Bissen Sich warfen, daß es heulend stand, Von ungeheurem Schmerz zerrissen. Und eh' es ihren Bissen sich Entwindet, rasch erheb' ich mich, Erspähe mir des Feindes Blöße Und stoße tief ihm ins Gekröse Nachbohrend bis ans Heft den Stahl. Schwarzquellend springt des Blutes Strahl, Hin sinkt es und begräbt im Falle Mich mit des Leibes Niesenballe, Daß schnell die Sinne mir vergehn; Und als ich neugestärkt erwache, Seh' ich die Knappen um mich stehn Und tot im Blute liegt der Drache." Des Beifalls lang gehemmte Lust Befreit jetzt aller Hörer Brust, Sowie der Ritter dies gesprochen; Und zehnfach am Gewölk' gebrochen. Wälzt der vermischten Stimmen Schall Sich brausend fort im Widerhall. Laut fordern selbst des Ordens Söhne, Daß man die Heldenstirne kröne, Und dankbar im Triumphgepräng' Will ihn das Volk dem Volke zeigen. Da faltet seine Stirne streng Der Meister und gebietet Schweigen Und spricht: „Den Drachen, der dies Land Verheert, schlugst du mit tapfrer Hand; Ein Gott bist du dem Volke worden, —- Ein Feind kommst du zurück dem Orden Und einen schlimmem Wurm gebar Dein Herz, als dieser Drache war. Die Schlange, die das Herz vergiftet, Die Zwietracht und Verderben stiftet. Das ist der widerspenst'ge Geist, Der gegen Zucht sich frech empöret, Der Ordnung heilig Band zerreißt; Denn er ist's, der die Welt zer¬ störet. Mut zeiget auch der Mameluk, Gehorsam ist des Christen Schmuck; Denn wo der Herr in seiner Größe Gewandelt hat in Knechtesblöße, Da stifteten aus heil'gem Grund Die Väter dieses Ordens Bund, Der Pflichten schwerste zu erfüllen. Zu bändigen den eignen Willen. Dich hat der eitle Ruhm bewegt, Drum wende dich aus meinen Blicken! Denn wer des Herren Joch nicht trägt, Darf sich mit seinem Kreuz nicht schmücken." Frisch und Rudolf, Lesebuch für Bürgerschulen. 18 274 Da bricht die Menge tobend aus, Gewalt'ger Sturm bewegt das Haus, Um Gnade flehen alle Brüder; Doch schweigend blickt der Jüngling nieder, Still legt er von sich das Gewand Und küßt des Meisters strenge Hand Und geht. — Der folgt ihm mit dem Blicke, Dann ruft er liebend ihn zurücke Und spricht: „Umarme mich, mein Sohn! Dir ist der härtre Kampf gelungen. Nimm dieses Kreuz! Es ist der Lohn Der Demut, die sich selbst bezwungen." Friedrich Schiller. 44. Die Worte des Glaubens. Drei Worte nenn' ich euch, inhaltschwer, Sie gehen von Munde zu Munde; Doch stammen sie nicht von außen her, Das Herz nur gibt davon Kunde. Dem Menschen ist aller Wert geraubt, Wenn er nicht mehr an die drei Worte glaubt. Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, Und würd' er in Ketten geboren. Laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei, Nicht den Mißbrauch rasender Toren! Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht, Vor dem freien Menschen erzittert nicht! Und die Tugend, sie ist kein leerer Schall, Der Mensch kann sie üben im Leben, Und sollt' er auch straucheln überall, Er kann nach der göttlichen streben, Und was kein Verstand der Verständigen sieht, Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüt. Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt, Wie auch der menschliche wanke; Hoch über der Zeit und dem Raume webt Lebendig der höchste Gedanke; Und ob alles in ewigem Wechsel kreist, Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist. 276 Geist gleich einem Knaben am Gängelbande führte. Seni, so hieß er, hatte es in den Sternen gelesen, daß die glänzende Laufbahn seines Herrn noch lange nicht geendigt sei, daß ihm die Zukunft noch ein schim¬ merndes Glück aufbewahre. Man brauchte die Sterne nicht zu bemühen, um mit Wahrscheinlichkeit vorherzusagen, ein Feind wie Gustav Adolf werde einen General wie Wallenstein nicht lange entbehren lassen. „Der Kaiser ist verraten," antwortete Wallenstein den Gesandten; „ich bedaure ihn, aber ich vergebe ihm. Zwar tut mir's wehe, daß er mich mit so wenigem Widerstande hingegeben hat; aber ich will gehorchen." Die Abgeordneten entließ er fürstlich beschenkt und den Kaiser ersuchte er in einem demütigen Schreiben, ihn seiner Gunst nicht zu berauben und bei den erworbenen Würden zu schützen. Allgemein war das Murren der Armee, als die Absetzung ihres Feldherrn bekannt wurde, und der größte Teil seiner Offiziere trat sogleich aus dem kaiserlichen Dienste. Viele folgten ihm auf seine Güter nach Böhmen und Mähren; andere fesselte er durch beträchtliche Pensionen, um sich ihrer bei Gelegenheit sogleich bedienen zu können. Sein Plan war nichts weniger als Ruhe, da er in die Stille des Privatstandes zurücktrat. Der Pomp eines Königs umgab ihn in dieser Einsamkeit und schien dem Urteilsspruche seiner Erniedrigung Hohn zu sprechen. Sechs Pforten führten zu dem Palaste, den er in Prag bewohnte, und hundert Häuser mußten niedergerissen werden, um dem Schloßhofe Raum zu machen. Ähnliche Paläste wurden auf seinen übrigen zahlreichen Gütern erbaut. Kavaliere aus den edelsten Häusern wetteiferten um die Ehre, ihn zu bedienen, und man sah kaiserliche Kammerherren den goldenen Schlüssel zurückgeben, um bei Wallenstein eben dieses Amt zu bekleiden. Er hielt sechzig Pagen, die von den trefflichsten Meistern unterrichtet wurden; sein Vorzimmer wurde stets durch fünfzig Trabanten bewacht. Seine gewöhnliche Tafel war nie unter hundert Gängen, sein Haushofmeister eine vornehme Standesperson. Reiste er über Land, so wurden ihm Geräte und Gefolge auf hundert sechs- und vierspännigen Wagen nachgefahren; in sechzig Karossen mit fünfzig Handpferden folgte ihm sein Hof. Die Pracht der Livreen, der Glanz der Equipagen und der Schmuck der Zimmer war dem übrigen Aufwande gemäß. Sechs Barone und ebenso viele Ritter mußten beständig seine Person umgeben, um jeden Wink zu vollziehen, zwölf Schar¬ wachen die Runde um seinen Palast machen, um jeden Lärm abzuhalten. Sein immer arbeitender Kopf brauchte Stille; kein Gerassel der Wagm durfte seiner Wohnung nahe kommen und die Straßen wurden nicht selten durch Ketten gesperrt. Stumm wie die Zugänge zu ihm war auch sein Umgang. Finster, verschlossen, unergründlich sparte er seine Worte mehr 277 als seine Geschenke und das wenige, was er sprach, wurde mit einem widrigen Tone ausgestoßen. Er lachte niemals und den Verführungen der Sinne widerstand die Kälte seines Blutes. Immer geschäftig und von großen Entwürfen bewegt, entsagte er allen leeren Zerstreuungen, wodurch andere das kostbare Leben vergeuden. Einen durch ganz Europa ausgebreiteten Briefwechsel besorgte er selbst; die meisten Aufsätze schrieb er mit eigener Hand nieder, um der Verschwiegenheit anderer so wenig wie möglich anzu¬ vertrauen. Er war von großer Statur und hager, von gelblicher Gesichts¬ farbe, hatte rötliche, kurze Haare, kleine, aber funkelnde Augen. Ein furcht¬ barer, zurückschreckender Ernst saß auf seiner Stirn und nur das Übermaß seiner Belohnungen konnte die zitternde Schar seiner Diener festhalten. In dieser prahlerischen Dunkelheit erwartete Wallenstein still, doch nicht müßig seine glänzende Stunde und der Rache ausgehenden Tag. Friedrich Schiller.. 46. Reiterlicd. (Aus „Wallensteins Lager".) Kürassier. Wohlauf, Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd! Ins Feld, in die Freiheit gezogen! Im Felde, da ist der Mann noch was wert, Da wird das Herz noch gewogen; Da tritt kein anderer für ihn ein, Auf sich selber steht er da ganz allein. Chor. Da tritt kein anderer für ihn ein, Auf sich selber steht er da ganz allein. Dragoner. Aus der Welt die Freiheit verschwunden ist, Mail sieht nur Herren und Knechte; Die Falschheit herrschet, die Hinterlist Bei dem feigen Menschengeschlechte; Der dem Tod ins Angesicht schauen kann, Der Soldat allein ist der freie Alaun. Chor. Der dem Tod ins Angesicht schauen kann, Der Soldat allein ist der freie Mann. Jäger. Das Lebens Ängsten, er wirft sie weg, Hat nicht mehr zu fürchten, zu sorgen; Er reitet dem Schicksal entgegen keck, Trifft's heute nicht, trifft es doch morgen: Und trifft es morgen, so lasset uns hent' Noch schlürfen die Neige der köstlichen Zeit! Chor. Und trifft es morgen, so lasset uns heut' Noch schlürfen die Neige der köstlichen Zeit! 278 Wachtmeister. Vom Himmel fällt ihm sein lustig Los, Braucht's nicht mit Müh' zu erstreben; Der Fröner, der sucht in der Erde Schoß, Da meint er den Schatz zu erheben. Er gräbt und schaufelt, solang er lebt, Und gräbt, bis er endlich sein Grab sich gräbt. Chor. Er gräbt und schaufelt, solang er lebt, Und gräbt, bis er endlich sein Grab sich gräbt. Jäger. Drum frisch, Kameraden, den Rappen gezäumt! Die Brust im Gefechte gelüftet! Die Jugend brauset, das Leben schäumt: Frisch auf, eh' der Geist noch verdichtet! Und setzet ihr nicht das Leben ein, Nie wird euch das Leben gewonnen sein. Chor. Und setzet ihr nicht das Leben ein, Nie wird euch das Leben gewonnen sein. Friedrich Schiller. 47. Das Mädchen In einem Tal bei armen Hirten Erschien mit jedem jungen Jahr, Sobald die ersten Lerchen schwirrten, Ein Mädchen, schön und wunderbar. Sie war nicht in dem Tal geboren, Man wußte nicht, woher sie kam, Und schnell war ihre Spur verloren, Sobald das Mädchen Abschied nahm. aus der Fremde. Sie brachte Blumen mit und Früchte, Gereift auf einer andern Flur, In einem andern Sonnenlichte, In einer glücklichem Natur Und teilte jedem eine Gabe Dem Früchte, jenem Blumen aus; Der Jüngling und der Greis am Stabe, Ein jeder ging beschenkt nach Haus. Beseligend war ihre Nähe Und alle Herzen wurden weit; Doch eine Würde, eine Höhe Entfernte die Vertraulichkeit. Willkommen waren alle Gäste; Doch nahte sich ein liebend Paar, Dem reichte sie der Gaben beste, Der Blumen allerschönste dar. Friedrich Schiller. 48. Dsre-se/ts l/m Ä-r l7e-'M«-r/sns st-Äk m-7 Är-Är»^ Äm /tar/«-' ans ÄaksörmA's 8kaM/», öer'Ä //«-'»/«» Lu«r 77/-'»» / Ä-r Ur-st-'/e-' /Ä/mk, Ä-r UÄ/^Zr'n//, <7as -rer'Äse/w 7n Äs Ässssl-r Äs TUtt-Ä, Ä-- r'H-r r'm ÄK--r/-/s ösL-rÄ/Fk. MZ Ä--r 77«-o-rs /rau//! e-- 7os, ssr-r lp'o-7 e» Feös-r, Ä-r 8r«Aö-' Ä/s Ae^s» Äs THermÄ Lrr 4ös-' rsas e-° r-r 8a-r<7s-r A^sZoök, /bamr s-' 7-'sr -rre^k s>/Me>r/ 279 -Neüs, M stellt er- ar«/« -reu' relll?A ckeu M-rcle-r sicl« er«Ml mlt e/e»r /r-m-ru' ^«u/re/r «lis Leelren ckes M«l«l«, nInM rn ^--ms s^/ilum-nen-r «u/ ei-rem /v«//en r/re Mnste-r, 7)« -roc/r öl««tr>/en 7/cr/l Ar-immi- e/re 17-ll-e-- Lsn/le/se/rt. 6e-/e-r ^leclnre/rs /7een mr«/? />u7mr^/r'e^ so/ W«rr /at mr>'s //esc/-'le/en/" /«le/ «/er- /'orr/r/erv «as, o/s en «lle /<"«.-rsls eeerro/r-rr. Kctirtte»'. 49. Das Lied von der Glocke. Vivos vooo, inortnos planjo, tulxura tranxo.') 1. Festgemauert in der Erden Steht die Form, aus Lehm gebräunt. Heute muß die Glocke werden! Frisch, Gesellen, seid zur Hand! Von der Stirne heiß Rinnen muß der Schweiß, Soll das Werk den Meister loben, Doch der Segen kommt von oben. I. Zum Werke, das wir ernst bereiten, Geziemt sich wohl ein ernstes Wort; Wenn gute Reden sie begleiten, Dann fließt die Arbeit munter fort. So laßt uns jetzt mit Fleiß betrachten, Was durch die schwache Kraft entspringt; Den schlechten Mann muß man ver¬ achten, Der nie bedacht, was er vollbringt. Das ist's ja, was den Menschen zieret, Und dazu ward ihm der Verstand, Daß er im innern Herzen spüret, Was er erschafft mit seiner Hand. 2. Nehmet Holz vom Fichtenstamme, Doch recht trocken laßt es sein, Daß die eingepreßte Flamme Schlage zu dem Schwalch hinein! Kocht des Kupfers Brei, Schnell das Zinn herbei, Daß die zähe Glockenspeise Fließe nach der rechten Weise! i) Lebende rufe ich, Tote beklage ich, schrift der Miinsterglocke in Schaffhausen. II. Was in des Dammes tiefer Grube Die Hand mit Feuers Hilfe baut, Hoch in des Turmes Glockenstube, Da wird es von uns zeugen laut. Noch dauern wird's in späten Tagen Und rühren vieler Menschen Ohr Und wird mit dem Betrübten klagen Und stimmen zu der Andacht Chor. Was unten tief dem Erdensohne Das wechselnde Verhängnis bringt, Das schlägt an die metallne Krone, Die es erbaulich weiter klingt. 3. Weiße Blasen seh' ich springen; Wohl, die Massen sind im Fluß. Laßt's mit Aschensalz durchdringen. Das befördert schnell den Guß. Auch vom Schaume rein Muß die Mischung sein, Daß vom reinlichen Metalle Rein und voll die Stimme schalle. III. Denn mit der Freude Feierklange Begrüßt sie das geliebte Kind Auf seines Lebens erstem Gange, Den es in Schlafes Arm beginnt. Ihm ruhen noch im Zeitenschoße Die schwarzen und die heitern Lose: Der Mutterliebe zarte Sorgen Bewachen seinen goldnen Morgen --- Die Jahre fliehen pfeilgeschwind. Blitze breche ich. Dieses Motto ist die Jn- l, 2 u. s. w. Mcisterspriichc, I, II u. s. n>. Betrachtungen. 280 Vom Mädchen reißt sich stolz der Knabe, Er stürmt ins Leben wild hinaus. Durchmißt die Welt am Wanderstabe, Fremd kehrt er heim ins Vaterhaus. Und herrlich in der Jugend Prangen, Wie ein Gebild' aus Himmelshöh'n, Mit züchtigen, verschämten Wangen Sieht er die Jungfrau vor sich stehn. Da faßt ein namenloses Sehnen Des Jünglings Herz, er irrt allein. Aus seinen Augen brechen Tränen, Er flieht der Brüder wilden Reih'n. Errötend folgt er ihren Spuren Und ist von ihrem Gruß beglückt, Das Schönste sucht er auf den Fluren, Womit er seine Liebe schmückt. O zarte Sehnsucht, süßes Hoffen! Der ersten Liebe goldne Zeit! Das Auge sieht den Himmel offen, Es schwelgt das Herz in Seligkeit. O, daß sie ewig grünen bliebe, Die schöne Zeit der jungen Liebe! 4. Wie sich schon die Pfeifen bräu¬ nen! Dieses Stäbchen tauch' ich ein, Sehn wir's überglast erscheinen, Wird's zum Gusse zeitig sein. Jetzt, Gesellen, frisch! Prüft mir das Gemisch, Ob das Spröde mit dem Weichen Sich vereint zum guten Zeichen. IV. Denn wo das Strenge mit dem Zarten, Wo Starkes sich und Mildes paarten, Da gibt es einen guten Klang. Drum prüfe, wer sich ewig bindet, Ob sich das Herz zum Herzen findet! Der Wahn ist kurz, die Reu' ist lang. Lieblich in der Bräute Locken Spielt der jungfräuliche Kranz, Wenn die Hellen Kirchenglocken Laden zu des Festes Glanz. Ach, des Lebens schönste Feier Endet auch den Lebensmai. Mit dem Gürtel, mit dem Schleier Reißt der schöne Wahn entzwei. Die Leidenschaft flieht, Die Liebe muß bleiben; Die Blume verblüht, Die Frucht muß treiben. Der Mann muß hinaus Ins feindliche Leben, Muß wirken und streben Und pflanzen und schaffen, Erlisten, erraffen. Muß wetten und wagen, Das Glück zu erjagen. Da strömet herbei die unendliche Gabe, Es füllt sich der Speicher mit köst¬ licher Habe, Die Räume wachsen, es dehnt sich das Haus. Und drinnen waltet Die züchtige Hausfrau, Die Mutter der Kinder, Und herrschet weise Im häuslichen Kreise Und lehret die Mädchen Und wehret den Knaben Und reget ohn' Ende Die fleißigen Hände Und mehrt den Gewinn Mit ordnendem Sinn Und füllet mit Schätzen die duften¬ den Laden Und dreht um die schnurrende Spindel den Faden Und sammelt im reinlich geglätteten Schrein Die schimmernde Wolle, den schnee- ichten Lein Und füget zum Guten den Glanz und den Schimmer Und ruhet nimmer. Und der Vater mit frohem Blick Von des Hauses weitschauendem Giebel Überzählet sein blühend Glück, Siehet der Pfosten ragende Bäume Und der Scheunen gefüllte Räume Und die Speicher, vom Segen ge¬ bogen, Und des Kornes bewegte Wogen, 281 Rühmt sich mit stolzem Mund: „Fest wie der Erde Grund Gegen des Unglücks Macht Steht mir des Hauses Pracht!" Doch mit des Geschickes Mächten Ist kein ew'ger Bund zu flechten Und das Unglück schreitet schnell. 5. Wohl, nun kann der Guß be¬ ginnen, Schön gezacket ist der Bruch. Doch bevor wir's lassen rinnen, Betet einen frommen Spruch! Stoßt den Zapfen aus! Gott bewahr' das Haus! Rauchend in des Henkels Bogen Schießt's mit feuerbraunen Wogen. V. Wohltätig ist des Feuers Macht, Wenn sie der Mensch bezähmt, be¬ wacht, Und was er bildet, was er schafft, Das dankt er dieser Himmelskraft; Doch furchtbar wird die Himmels¬ kraft, Wenn sie der Fessel sich entrafft, Einhertritt auf der eignen Spur Die freie Tochter der Natur. Wehe, wenn sie losgelaffen, Wachsend ohne Widerstand Durch die volkbelebten Gaffen Wälzt den ungeheuren Brand! Denn die Elemente hassen Das Gebild der Menschenhand. Aus der Wolke Quillt der Segen, Strömt der Regen; Aus der Wolke ohne Wahl Zuckt der Strahl. Hört ihr's wimmern hoch vom Turm? Das ist Sturm! Rot wie Blut Ist der Himmel! Das ist nicht des Tages Glut! Welch Getümmel Straßen auf! Dampf wallt auf! Flackernd steigt die Feuersänle, Durch der Straße lange Zeile Wächst es fort mit Windeseile! Kochend, wie aus Ofens Rachen, Glühn die Lüfte, Balken krachen, Pfosten stürzen, Fenster klirren, Kinder jammern, Mütter irren, Tiere wimmern Unter Trümmern; Alles rennet, rettet, flüchtet, Taghell ist die Nacht gelichtet. Durch der Hände lange Kette Um die Wette Fliegt der Eimer; hoch im Bogen Spritzen Quellen Wasserwogen. Heulend kommt der Sturm geflogen, Der die Flamme brausend sucht. Prasselnd in die dürre Frucht Fällt sie, in des Speichers Räume, In der Sparren dürre Bäume, Und als wollte sie im Wehen Mit sich fort der Erde Wucht Reißen in gewalt'ger Flucht, Wächst sie in des Himmels Höhen Riesengroß! Hoffnungslos Weicht der Mensch der Götterstärke, Müßig sieht er seine Werke Und bewundernd nntergehen. Leergebrannt Ist die Stätte, Wilder Stürme rauhes Bette. In den öden Fensterhöhlen Wohnt das Grauen Und des Himmels Wolken schauen Hoch hinein. Einen Blick Nach dem Grabe Seiner Habe Sendet noch der Mensch zurück — Greift fröhlich dann zum Wanderstabe. Was Feuers Wut ihm auch geraubt, Ein süßer Trost ist ihm geblieben: Er zählt die Häupter seiner Lieben Und sieh, ihm fehlt kein teures Haupt! 282 6. In die Erd' ist's ausgenommen, Glücklich ist die Form gefüllt; Wird's auch schön zu Tage kommen, Daß es Fleiß und Kunst vergilt? Wenn der Guß mißlang? Wenn die Form zersprang? Ach, vielleicht, indem wir hoffen, Hat uns Unheil schon getroffen. Alles rennet, rettet, flüchtet. Von C. Jäger. (Verlag v. F. Brnckmann, München.) VI. Dem dunkeln Schoß der heil'gen Vertrauen wir der Hände Tat, sErde Vertraut der Sämann seine Saat Und hofft, daß sie entkeimen werde Zum Segen nach des Himmels Rat. Noch köstlicheren Samen bergen Wir trauernd in der Erde Schoß Und hoffen, daß er aus den Särgen Erblühen soll zu schönerm Los. Von dem Dome Schwer und bang Tönt die Glocke Grabgesang. 283 Ernst begleiten ihre Trauerschläge Einen Wandrer auf dem letzten Wege. Ach, die Gattin ist's, die teure, Ach, es ist die treue Mutter, Die der schwarze Fürst der Schatten Wegführt aus dem Arm des Gatten, Aus der zarten Kinder Schar, Die sie blühend ihm gebar, Die sie an der treuen Brust Wachsen sah mit Mutterlust. — Ach, des Hauses zarte Bande Sind gelöst auf immerdar; Denn sie wohnt im Schattenlande, Die des Hauses Mutter war; Denn es fehlt ihr treues Walten, Ihre Sorge wacht nicht mehr; An verwaister Stätte schalten Wird die Fremde liebeleer. 7. Bis die Glocke sich verkühlet, Laßt die strenge Arbeit ruhn. Wie im Laub der Vogel spielet, Mag sich jeder gütlich tun. Winkt der Sterne Licht, Ledig aller Pflicht Hört der Bursch die Vesper schlagen; Meister muß sich immer plagen. VII. Munter fördert seine Schritte Fern im wilden Forst der Wandrer Nach der lieben Heimathütte. Blökend ziehen heim die Schafe Und der Rinder Breitgestirnte, glatte Scharen Kommen brüllend, Die gewohnten Ställe füllend. Schwer herein Schwankt der Wagen, Kornbeladen; Bunt von Farben Auf den Garben Liegt der Kranz Und das junge Volk der Schnitter Fliegt zum Tanz. Markt und Straße werden stiller; Um des Lichts gesell'ge Flamme Sammeln sich die Hausbewohner Und das Stadttor schließt sich knar- Schwarz bedecket srend Sich die Erde; Doch den sichern Bürger schrecket Nicht die Nacht, Die den Bösen gräßlich wecket; Denn das Auge des Gesetzes wacht. Heil'ge Ordnung, segensreiche Himmelstochter, die das Gleiche Frei und leicht und freudig bindet, Die der Städte Ban gegründet. Die herein von den Gefilden Rief den ungesell'gen Wilden, Eintrat in der Menschen Hütten, Sie gewöhnt zu sanften Sitten Und das teuerste der Bande Wob, den Trieb zum Vaterlande! Tausend fleiß'ge Hände regen, Helfen sich in munterm Bund Und in feurigem Bewegen Werden alle Kräfte kund. Meister rührt sich und Geselle In der Freiheit heil'gem Schutz; Jeder freut sich seiner Stelle, Bietet dem Verächter Trutz. Arbeit ist des Bürgers Zierde, Segen ist der Mühe Preis; Ehrt den König seine Würde, Ehret uns der Hände Fleiß. Holder Friede, Süße Eintracht, Weilet, weilet Freundlich über dieser Stadt! Möge nie der Tag erscheinen. Wo des rauhen Krieges Horden Dieses stille Tal durchtoben. Wo der Himmel, Den des Abends sanfte Röte Lieblich malt, Von der Dörfer, von der Städte Wildem Brande schrecklich strahlt! 8. Nun zerbrecht mir das Gebäude, Seine Absicht hat's erfüllt, Daß sich Herz und Auge weide An dem wohlgelungnen Bild. 284 Schwingt den Hammer, schwingt, Bis der Mantel springt! Wenn die Glock' soll auferstehen, Muß die Form in Stücken gehen. VIII. Der Meister kann die Form zerbrechen Mit weiser Hand, zur rechten Zeit; Doch wehe, wenn in Flammenbächen Das glüh'nde Erz sich selbst befreit! Blindwütend, mit des Donners Krachen Zersprengt es das geborst'ne Haus Und wie ans offnem Höllenrachen Speit es Verderben zündend aus. Glockemveihe. Von C. Jäger. (Verl. F. Bruckmann, München.) Wo rohe Kräfte sinnlos walten, Da kann sich kein Gebild gestalten; Wenn sich die Völker selbst befrei'», Da kann die Wohlfahrt nicht gedeih'». Weh wenn sich in dem Schoß der Städte Der Feuerzunder still gehänft, Das Volk, zerreißend seine Kette, 285 Zur Eigenhilfe schrecklich greift! Da zerret an der Glocke Strängen Der Aufruhr, daß sie heulend schallt Und, nur geweiht zu Friedensklängen, Die Losung anstimmt zur Gewalt. Freiheit und Gleichheit hört man schallen; Der ruh'ge Bürger greift zur Wehr, Die Straßen füllen sich, die Hallen Und Würgerbanden ziehn umher. Da werden Weiber zu Hyänen Und treiben mit Entsetzen Scherz; Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen, Zerreißen sie des Feindes Herz. Nichts Heiliges ist mehr, es lösen Sich alle Bande frommer Scheu; Der Gute räumt den Platz dem Bösen Und alle Laster walten frei. Gefährlich ist's, den Len zu wecken, Verderblich ist des Tigers Zahn; Jedoch der schrecklichste der Schrecken, Das ist der Mensch in seinem Wahn. Weh denen, die dem Ewigblinden Des Lichtes Himmelsfackel leih'n! Sie strahlt ihm nicht, sie kann nur zünden Und äschert Städt' und Länder ein. 9. Freude hat mir Gott gegeben! Sehet, wie ein goldner Stern Aus der Hülse, blank und eben, Schält sich der metallne Kern. Von dem Helm zum Kranz Spielt's wie Sonnenglanz. Auch des Wappens nette Schilder Loben den erfahrnen Bilder. IX. Herein, herein! Gesellen alle, schließt den Reih'n, Daß wir die Glocke taufend weih'n! Konkordia soll ihr Name sein. Zur Eintracht, zu herzinnigem Vereine Versammle sie die liebende Gemeine. Und dies sei fortan ihr Beruf, Wozu der Meister sie erschuf: Hoch überm niedern Erdenleben Soll sie im blauen Himmelszelt, Die Nachbarin des Donners, schweben Und grenzen an die Sternenwelt; Soll eine Stimme sein von oben Wie der Gestirne Helle Schar, Die ihren Schöpfer wandelnd loben Und führen das bekränzte Jahr. Nur ewigen und ernsten Dingen Sei ihr metallner Mund geweiht Und stündlich mit den schnellen Schwingen Berühr' im Fluge sie die Zeit. Dem Schicksal leihe sie die Zunge; Selbst herzlos, ohne Mitgefühl, Begleite sie mit ihrem Schwünge Des Lebens wechselvolles Spiel. Und wie der Klang im Ohr vergehet, Der mächtig tönend ihr entschallt, So lehre sie, daß nichts bestehet, Daß alles Irdische verhallt. 10. Jetzo mit der Kraft des Stranges Wiegt die Glock' mir aus der Gruft, Daß sie in das Reich des Klanges Steige, in die Himmelsluft! Ziehet, ziehet, hebt! Sie bewegt sich, schwebt! Freude dieser Stadt bedeute, Friede sei ihr erst Geläute. Friedrich Schiller. Das Lied von der Glocke". 50. Wilhelm von Humboldt über Die wundervollste Beglaubigung vollendeten Dichtergenies enthält „Das Lied von der Glocke", das in wechselnden Silbenmaßen, in Schilde¬ rungen der höchsten Lebendigkeit, wo kurz angedeutete Züge das ganze Bild hinstellen, alle Vorfälle des menschlichen und gesellschaftlichen Lebens durch¬ läuft, die aus jedem entspringenden Gefühle ausdrückt und dies alles sym- 286 bolisch immer an die Töne der Glocke heftet, deren fortlaufende Arbeit die Dichtung in ihren verschiedenen Momenten begleitet. In keiner Sprache ist mir ein Gedicht bekannt, das in einem so kleinen Umfange einen so weiten poetischen Kreis eröffnet, die Tonleiter aller tiefsten menschlichen Empfin¬ dungen durchgeht und auf ganz lyrische Weise das Leben mit seinen wichtigsten Ereignissen und Epochen wie ein durch natürliche Grenzen umschlossenes Epos zeigt. Die dichterische Anschaulichkeit wird aber noch dadurch vermehrt, daß jenen der Phantasie von ferne vorgehaltenen Erscheinungen ein als un¬ mittelbar wirklich geschilderter Gegenstand entspricht und die beiden sich dadurch bildenden Reihen zu gleichem Ende parallel nebeneinander fortlaufen. 51. Wilhelm Tell. Schiller behandelt in diesem Drama den Kampf, den die drei Schweizer Waldstätten Schwyz, Uri und Unterwalden gegen den Herzog Albrecht von Österreich geführt haben. Dieser, der zugleich deut¬ scher Kaiser war, wollte jenen Landschaften die Reichsunmittelbarkeit ent¬ ziehen und sie dem Hause Habsburg unterwerfen. Daher verbanden sich die Schwyzer unter Werner Stauffacher, WalterFürst und Arnold von Melch- thal zur Vertreibung der Landvögte, welche als Vertreter Österreichs ein¬ gesetzt waren. Im Vor¬ dergründe der Handlung steht Wilhelm Tell, ein Mann voll Tatkraft. Als er dem von dem Land¬ vogte Geßler zu Altorf als Zeichen der öster¬ reichischen Hoheit aufge¬ hißten Hute die befohlene Referenz nicht erwies, ward ihm als berühmtem Armbrustschützen die Strafe auferlegt, daß er einen Apfel von dem Haupte seines Söhnleins schieße. Nur gezwungen Wilhelm Tell. 287 und mit Widerstreben schoß Tell und traf den Apfel. Auf die Frage des Vogtes, wozu Tell einen zweiten Pfeil zu sich genommen, antwortete dieser, daß der für ihn, den Vogt, bestimmt gewesen, wenn er sein Kind getroffen hätte. Da befahl der Vogt, ihn zu fesseln, nach Küßnacht zu bringen und dort in den Turm zu werfen. Er selbst nahm teil an der Fahrt. Auf dem Waldstättersee brachte ein heftiger Sturm das Fahrzeug in Gefahr und Tell, als tüchtiger Ruderer bekannt, ward von seinen Fesseln befreit, damit er das Schiff lenke. Geschickt wußte er dieses gegen das Ufer zu treiben, sprang dort vom Bord auf eine hervorragende Felsplatte, während er mit einem Fuße das Schiff in den See zurückstieß, und nun eilte er über das Gebirge gegen Küßnacht zu. Hier erwartete er den Vogt in einem Hohl¬ wege und erschoß ihn aus sicherem Versteck mit der Armbrust. Als über¬ dies nach Vertreibung der Landvögte und nach der Zerstörung ihrer Burgen Johann von Schwaben den Kaiser Albrecht, seinen Oheim, ermordet hatte, da fehlte der natürliche Rächer der Vorgänge in der Schweiz und diese konnte sich nun ganz frei machen. Als Stifter dieser Freiheit ward Tell im ganzen Lande hoch verehrt. Aus „Wilhelm Tell". Aus dem dritten Aufzuge. Tell geht mit seinem Söhnlein an der Stange vorbei, ohne den Hut zu grüßen. Da ergreifen ihn die aufgestellten Wächter, er soll in den Kerker geworfen werden. Aber das herbeiströmende Volk sucht dies zu verhindern. Man ruft um Hilfe. In diesem Augen¬ blicke erscheinen Geßler zu Pferd, den Falken in der Hand, Rudolf der Harras, Geßlers Stallmeister, Berta von Bruneck, eine reiche Erbin, und Rudenz, der Neffe des Bannerherrn Werner, des Freiherrn von Attinghausen, ein großes Gefolge von bewaffneten Knechten, welche einen bewaffneten Kreis um die ganze Gruppe schließen. Rudolf der Harras. Platz, Platz dem Landvogt! Geßler. Treibt sie auseinander! Was läuft das Volk zusammen? Wer ruft Hilfe? (Allgemeine Stille.) Wer war's? Ich will es wissen. (Zu Frießhardt.) Du tritt vor! Wer bist du und was hältst du diesen Mann? (Er gibt den Falken einem Diener.) Frießhardt. Gestrenger Herr, ich bin dein Waffenknecht Und wohlbestellter Wächter bei dem Hut. Diesen Mann ergriff ich über frischer Tat, Wie er dem Hut den Ehrengruß versagte. Verhaften wollt' ich ihn, wie du befahlst, Uno mit Gewalt will ihn das Volk entreißen. 288 Geßler (nach einer Pause). Verachtest du so deinen Kaiser, Tell, Und mich, der hier an seiner Statt gebietet, Daß du die Ehr' versagst dem Hut, den ich Zur Prüfung des Gehorsams aufgehangen? Dein böses Trachten hast du mir verraten. Tell. Verzeiht mir, lieber Herr, aus Unbedacht, Nicht aus Verachtung Euer ist's geschehen; Wär' ich besonnen, hieß' ich nicht der Tell. Ich bitt' um Gnad', es soll nicht mehr begegnen. G eßler (nach einigem Stillschweigen). Du bist ein Meister auf der Armbrust, Teü; Man sagt, dti nähmst es auf mit jedem Schützen. Walter Tell. Und das muß wahr sein, Herr, 'nen Apfel schießt Der Vater dir vom Baum auf hundert Schritte. Geßler. Ist das dein Knabe, Tell? Tell. Ja, lieber Herr. Geßler. Hast du der Kinder mehr? Tell. Zwei Knaben, Herr. Geßler. Und welcher ist's, den du am meisten liebst? Tell. Herr, beide sind sie mir gleich liebe Kinder. Geßler. Nun, Tell, weil du den Apfel triffst vom Baume Auf hundert Schritt, so wirst du deine Kunst Bor mir bewähren müssen. — Nimm die Armbrust — Du hast sie gleich zur Hand — und mach' dich fertig, Einen Apfel von des Knaben Kopf zu schießen! Doch will ich raten, ziele gut, daß du Den Apfel treffest auf den ersten Schuß; Denn fehlst du ihn, so ist dein Kopf verloren. (Alle geben Zeichen des Schreckens.) Tell. Herr — welches Ungeheure sinnet Ihr Mir an? — Ich soll vom Haupte meines Kindes — Nein, nein doch, lieber Herr, das kommt Euch nicht Zu Sinn, — verhüt's der gnäd'ge Gott, — das könnt Ihr Im Ernst von einem Vater nicht begehren! Geßler. Du wirst den Apfel schießen von dem Kopf Des Knaben — ich begehr's und will's! Tell. Ich soll Mit meiner Armbrust auf das liebe Haupt Des eignen Kindes zielen? — Eher sterb' ich! Geßler. Du schießest oder stirbst mit deinem Knaben. 289 Tell. Ich soll der Mörder werden meines Kinds! Herr, Ihr habt keine Kinder — wisset nicht, Was sich bewegt in eines Vaters Herzen. Geßler. Ei, Tell, du bist ja plötzlich so besonnen! Man sagte mir, daß du ein Träumer sei'st Und dich entfernst von andrer Menschen Weise. Du liebst das Seltsame, drum hab' ich jetzt Ein eigen Wagstück für dich ausgesucht. Ein andrer Wohl bedächte sich — du drückst Die Augen zu und greifst es herzhaft an. Berta. Scherzt nicht, o Herr, mit diesen armen Leuten! Ihr seht sie bleich und zitternd stehn: so wenig Sind sie Kurzweit gewohnt ans Eurem Munde. Geßler. Wer sagt Euch, daß ich scherze? (Greist nach einem Baumzweige, der über ihn herabhängt.) Hier ist der Apfel. Man mache Raum! Er nehme seine Weite, Wie's Brauch ist; achtzig Schritte geb' ich ihm, Nicht weniger, noch mehr. Er rühmte sich, Auf ihrer hundert seinen Mann zu treffen. Jetzt, Schütze, triff und fehle nicht das Ziel! Rudolf der H. Gott, das wird ernsthaft falle nieder, Knabe, Es gilt und fleh' den Landvogt um dein Leben! Walt. Fürst (bei Seite zu Melchthal, der kaum seine Ungeduld bezwingt). Haltet an Euch, ich fleh' Euch drum, bleibt ruhig! Berta (zum Landvogt). Laßt es genug sein, Herr! Unmenschlich ist's, Mit eines Vaters Angst also zu spielen. Wenn dieser arme Mann auch Leib und Leben Verwirkt durch seine leichte Schuld, bei Gott! Er hätte jetzt zehnfachen Tod empfunden. Entlaßt ihn ungekränkt in seine Hütte, Er hat Euch kennen lernen; dieser Stunde Wird er und feine Kindeskinder denken. Geßler. Öffnet die Gasse! — Frisch, was zauderst du? Dein Leben ist verwirkt, ich kann dich töten; Und sieh, ich lege gnädig dein Geschick In deine eigne, kunstgeübte Hand. Der kann nicht klagen über harten Spruch, Den man zum Meister seines Schicksals macht. Du rühmst dich eines sichern Blicks. Wohlan! Frisch und Rudolf, Lesebuch für Bürgerschulen. Ili 290 Hier gilt es, Schütze, deine Kunst zu zeigen; Das Ziel ist würdig und der Preis ist groß! Das Schwarze treffen in der Scheibe, das Kann auch ein andrer; der ist mir der Meister, Der seiner Kunst gewiß ist überall, Dem's Herz nicht in die Hand tritt noch ins Auge. Walt. Fürst (wirft sich vor.ihm nieder!. Herr Landvogt, wir erkennen Eure Hoheit; Doch lasset Gnad' für Recht ergehen, nehmt Die Hälfte meiner Habe, nehmt sie ganz! Nur dieses Gräßliche erlasset einem Vater! Walt. Tell. Großvater, knie nicht vor dem falschen Mann! Sagt, wo ich hinstehn soll! Ich fürcht' mich nicht; Der Vater trifft den Vogel ja im Flug, Er wird nicht fehlen ans das Haupt des Kindes. Stauffacher. Herr Landvogt, rührt Euch nicht des Kindes Unschuld? Rösselmann*). O denket, daß ein Gott im Himmel ist, Dem Ihr müßt Rede stehn für Eure Taten! Geßler (zeigt auf deu Knaben). Man bind' ihn an die Linde dort! Walt. Tell. Mich binden? Nein, ich will nicht gebunden sein. Ich will Still halten wie ein Lamin und auch nicht atmen. Wenn Ihr mich bindet, nein, so kann ich's nicht, So werd' ich toben gegen meine Bande. Rudolf der H. Die Augen nur laß dir verbinden, Knabe! Walt. Tell. Warum die Augen? Denket Ihr, ich fürchte Den Pfeil von Vaters Hand? Ich will ihn fest Erwarten und nicht zucken mit den Wimpern. — Frisch, Vater, zeig's, daß du ein Schütze bist! Dem Wütrich zum Verdrusse schieß und triff! (Er geht an die Linde, man legt ihm den Apfel ans.) Melchthal (zu den Landleuten). Was? Soll der Frevel sich vor unfern Augen Vollenden? Wozu haben wir geschworen? Stauffacher. Es ist umsonst. Wir haben keine Waffen; Ihr seht den Wald von Lanzen um uns her. Melchthal. O, hätten wir's mit frischer Tat vollendet! Verzeih's Gott denen, die zum Aufschub rieten! *) Pfarrer aus Uri. 291 Geßler (zum Tell). Ans Werk! Man führt die Waffen nicht vergebens. Gefährlich ist's, ein Mordgewehr zu tragen, Und aus den Schützen springt der Pfeil zurück. Dies stolze Recht, das sich der Bauer nimmt, Beleidiget den höchsten Herrn des Landes. Gewaffnet sei niemand, als wer gebietet. Freut's Euch, den Pfeil zu führen und den Bogen, Wohl, so will ich das Ziel Euch dazu geben. Dell (spannt dis Armbrust, legt den Pfeil auf), öffnet die Gasse! Platz! Stauffacher. Was, Dell? Ihr wolltet — nimmermehr! — Ihr zittert, Die Hand erbebt Euch, Eure Knie wanken — Dell (läßt die Armbrust sinken). Mir schwimmt es vor den Augen! Weiber. Gott im Himmel! Dell (zum Landvogt). Erlasset mir den Schuß! Hier ist mein Herz! (Er reißt die Brust auf.) Ruft Eure Reisigen und stoßt mich nieder! Geßler. Ich will dein Leben nicht, ich will den Schuß. — Du kannst ja alles, Dell, an nichts verzagst du; Das Steuerruder führst du wie den Bogen; Dich schreckt kein Sturm, wenn es zu retten gilt. Jetzt, Retter, hilf dir selbst — du rettest alle! (Tell steht in fürchterlichem Kampfe, mit den Händen zuckend und die rollenden Augen bald auf den Landvogt, bald zum Himmel gerichtet. — Plötzlich greift er in seinen Köcher, nimmt einen zweiten Pfeil heraus und steckt ihn in sein Koller. Der Landvogt bemerkt alle diese Bewegungen.) Walt. Dell (unter der Linde). Vater, schieß zu! Ich fürcht' mich nicht. Dell. Es muß! (Er rafft sich zusammen und legt an.) Ru d e N z (der die ganze Zeit über in der heftigsten Spannung gestanden und mit Gewalt an sich gehalten, tritt hervor). Herr Landvogt, weiter werdet Jhr's nicht treiben, Ihr werdet nicht — es war nur eine Prüfung — Den Zweck habt Ihr erreicht. Zu weit getrieben, Verfehlt die Strenge ihres weisen Zwecks, Und allzu straff gespannt, zerspringt der Bogen. Geßler. Ihr schweigt, bis man Euch aufruft! Rudenz. Ich will reden! Ich darf's! Des Königs Ehre ist mir heilig; Doch solches Regiment muß Haß erwerben. Das ist des Königs Wille nicht — ich darf's lv- 292 Behaupten — solche Grausamkeit verdient Mein Volk nicht, dazu habt Ihr keine Vollmacht. Geßler. Ha, Ihr erkühnt Euch? Rudenz. Ich hab' stillgeschwiegen Zu allen schweren Taten, die ich sah; Mein sehend Auge hab' ich zugeschlossen, Mein überschwellend und empörtes Herz Hab' ich hinabgedrückt in meinen Busen. Doch länger schweigen wär' Verrat zugleich An meinem Vaterland und an dem Kaiser. Berta (wirft sich zwischen ihn und den Landvogt). O Gott, Ihr reizt den Wütenden noch mehr! Rudenz. Mein Volk verließ ich, meinen Blutsverwandten Entsagt' ich, alle Bande der Natur Zerriß ich, um an Euch mich anzuschließen; Das Beste aller glaubt' ich zu befördern, Da ich des Kaisers Macht befestigte; Die Binde fällt von meinen Augen — schaudernd Seh' ich an einen Abgrund mich geführt; Mein freies Urteil habt Ihr irr' geleitet, Mein redlich Herz verführt; — ich war daran, Mein Volk in bester Meinung zu verderben. Geßler. Verwegner, diese Sprache deinem Herrn? Rudenz. Der Kaiser ist mein Herr, nicht Ihr. Frei bin ich Wie Ihr geboren und ich messe mich Mit Euch in jeder ritterlichen Tugend. Und stündet Ihr nickt hier in Kaisers Namen, Den ich verehre, selbst wo man ihn schändet, Den Handschuh würf' ich vor Euch hin, Ihr solltet Nach ritterlichem Brauch mir Antwort geben. — Ja, winkt nur Euern Reisigen; ich stehe Nicht wehrlos da wie die — (auf das Volk zeigend) ich hab' ein Schwert, Und wer mir naht — Stauffacher (ruft). Der Apfel ist gefallen! (Indem sich alle nach dieser Seite gewandt und Berta zwischen Rudenz und den Landvogt sich geworfen, hat Tell den Pfeil abgedrückt.) Rösselmann. Der Knabe lebt! Viele Stimmen. Der Apfel ist getroffen! (Walter Fürst schwankt und droht zu sinken, Berta hält ihn. 293 Geßler (erstaunt). Er hat geschossen? Wie? Der Rasende! Berta. Der Knabe lebt! Kommt zu Euch, guter Vater! Walter Dell (kommt mit dem Apfel gesprungen). Vater, hier ist der Apfel — mußt' ich's ja, Du würdest deinen Knaben nicht verletzen! (Tell stand mit vorgebogenem Leibe, als wollt' er dem Pfeile folgen. Die Armbrust entsinkt seiner Hand. Da er den Knaben kommen sieht, eilt er ihm mit ausgebreiteten Armen entgegen und hebt ihn mit heftiger Inbrunst zu seinem Herzen hinauf. In dieser Stellung sinkt er kraftlos zusammen. Alle stehen gerührt.) Berta. O güt'ger Himmel! Walter Fürst (zu Vater und Sohn). Kinder, meine Kinder! Stauffacher. Gott sei gelobt! Leuthold. Das war ein Schuß! Davon Wird man noch reden in den spät'sten Zeiten. Rudolf der H. Erzählen wird man von dem Schützen Dell, Solang' die Berge stehn auf ihrem Grunde. (Reicht dem Landvogt den Apfel.) Geßler. Bei Gott, der Apfel mitten durchgeschossen! Es war ein Meisterschuß, ich muß ihn loben. Rösselmann. Der Schuß war gut, doch wehe dem, der ihn Dazu getrieben, daß er Gott versuchte! Stanssacher. Kommt zu Euch, Dell, steht aus, Ihr habt Euch männlich Gelöst und frei könnt Ihr nach Hause gehen! Rösselmann. Kommt, kommt und bringt der Mutter ihren Sohn! (Sie wollen ihn wegführen.) Geßler. Dell, höre! Dell (kommt zurück). Was befehlt Ihr, Herr? Geßler. Du stecktest Noch einen zweiten Pfeil zu dir — ja, ja, Ich sah es wohl — was meintest du damit? Dell (verlegen). Herr, das ist also bräuchlich bei den Schützen. Geßler. Nein, Dell, die Antwort lass' ich dir nicht gelten; Es wird was anders wohl bedeutet haben. Sag' mir die Wahrheit frisch und fröhlich, Tell! Was es auch sei, dein Leben sichr' ich dir. Wozu der zweite Pfeil? Tell. Wohlan, o Herr, Weil Ihr mich meines Lebens habt gesichert So will ich Euch die Wahrheit gründlich sagen. (Er zieht den Pfeil aus dem Koller und sieht den Landvogt mit einem furchtbaren Blicke an ) 294 Mit diesem zweiten Pfeil durchschoß ich — Euch, Wenn ich mein liebes Kind getroffen hätte, Und Euer — wahrlich, halt' ich nicht gefehlt. Geßler. Wohl, Tell! Des Lebens hab' ich dich gesichert, Ich gab mein Ritterwort, das will ich halten; Doch weil ich deinen bösen Sinn erkannt, Will ich dich führen lassen und verwahren, Wo weder Mond noch Sonne dich bescheint, Damit ich sicher sei vor deinen Pfeilen. Ergreift ihn, Knechte! Bindet ihn! (Tell wird gebunden.) Stauffacher. Wie, Herr? So könntet Ihr an einem Manne handeln, An dem sich Gottes Hand sichtbar verkündigt? Geßler. Laß sehn, ob sie ihn zweimal retten wird! — Man bring' ihn auf mein Schiff! Ich folge nach Sogleich, ich selbst will ihn nach Küßnacht führen. Rösselmann. Das dürft Ihr nicht, das darf der Kaiser nicht, Das widerstreitet unsern Freiheitsbriefen! Geßler. Wo sind sie? Hat der Kaiser sie bestätigt? Er hat sie nicht bestätigt, diese Gunst Muß erst erworben werden durch Gehorsam. Rebellen seid ihr alle gegen Kaisers Gericht und nährt verwegene Empörung. Ich kenn' euch alle, ich durchschau' euch ganz! Den nehm' ich jetzt heraus aus eurer Mitte; Doch alle seid ihr teilhaft seiner Schuld. Wer klug ist, lerne schweigen und gehorchen. (Er entfernt sich, Berta, Rudenz, Harras und Knechte folgen. Frießhardt und Leuthold bleiben zurück.) Walter Fürst (in heftigem Schmerz). Es ist vorbei; er hat's beschlossen, mich Mit meinem ganzen Hause zu verderben! Stauffacher (zum Tell). O, warum mußtet Ihr den Wütrich reizen! Tell. Bezwinge sich, wer meinen Schmerz gefühlt! Stauffacher. O, nun ist alles, alles hin! Mit Euch Sind wir gefesselt alle und gebunden! Land le Ute (umringen den Tell). Mit Euch geht unser letzter Trost dahin! Leuthold (nähert sich). Tell, es erbarmt mich — doch ich muß gehorchen. Tell. Lebt wohl! Walter Tell (sich mit heftigem Schmerz an ihn schmiegend). 295 O Vater, Vater, lieber Vater! Tell (hebt die Arme zum Himmel). Dort droben ist dein Vater. Den ruf an! Stauffacher. Tell, sag' ich Eurem Weibe nichts von Euch? >l,ell (hebt den Knaben mit Inbrunst an seine Brust). Der Knab' ist unverletzt; mir wird Gott helfen. (Reiht sich schnell los und folgt den Waffenknechten.) 52. Äus „WGekm Tess". (vierter Aufzug. Dritte Szene.) Tell (tritt auf mit der Armbrust). Durch diese hohle Gasse muß er kommen, Ls führt kein andrer Weg nach Rüßnacht; hier Vollend' ich's; — die Gelegenheit ist günstig. Dort der Holunderstrauch verbirgt mich ihm, Von dort herab kann ihn mein Pfeil erlangen; Des Weges Enge wehret den Verfolgern. Wach' deine Rechnung mit dem Himmel, Vogt, Fort mußt du, deine Uhr ist abgelaufen! Ich lebte still und harmlos, das Geschoß War auf des Waldes Tiere nur gerichtet, Meine Gedanken waren rein von Mord. Du hast aus meinem Frieden mich heraus Geschreckt, in gärend Drachengift hast du Die Milch der frommen Denkart mir verwandelt; Zunr Ungeheuern hast du mich gewöhnt. — Wer sich des Rindes Haupt zum Ziele setzte, Der kann auch treffen in das Herz des Feinds. Die armen Rindlein, die unschuldigen, Das treue Weib nruß ich vor deiner Wut Beschützen, Landvogt! — Da, als ich den Bogenstrang Anzog, — als mir die Hand erzitterte, — Als du mit grausam teuflischer Lust Mich zwangst, aufs Haupt des Rindes auzulegen, — Als ich unmächtig flehend rang vor dir, Damals gelobt' ich mir in meinem Innern Mit furchtbar'm Lidschwur, den nur Gott gehört, Daß meines nächsten Schusses erstes Ziel Dein Herz sein sollte. — was ich mir gelobt 297 Wars eine schöne Alpenblume, war's Lin seltner Vogel oder Ammonshorn, Wie es der Wandrer findet auf den Bergen. — Jetzt geht er einem andern Weidwerk nach; Am wilden Weg sitzt er mit Mordgedanken; Des Heindes Leben ist's, worauf er lauert. And doch an euch nur denkt er, liebe Ainder, Auch jetzt. — Luch zu verteid'gen, eure holde Unschuld Zu schützen vor der Rache des Tyrannen, Will er zum Morde jetzt den Bogen spannen! (Steht auf.) Ich laure aus eilt edles Wild. — Läßt sich's Der Jäger nicht verdrießen, tagelang Amherzustreifen in des Winters Strenge, Von Hels zu Fels den Wagesprung zu tun, Hinan zu klimmen an den glatten Wänden, Wo er sich anleimt nut dem eignen Blut, Um ein armselig Grattier zu erjagen: Hier gilt es einen köstlicheren Preis, Das Herz des Todfeinds, der mich will verderben. (Man hört von fern eine heitere Musik.) Mein ganzes Leben lang hab' ich den Bogen Gehandhabt, mich geübt nach Schützenregel; Ich habe oft geschossen in das Schwarze Und manchen schönen Preis mir heimgebracht Vom Hreudenschießen. — Aber heute will ich den Meisterschuß tun und das Beste mir Im ganzen Umkreis des Gebirgs gewinnen. Friedrich Schiller. 53. Zwei Briefe. Wilhelm von Humboldt an Friedrich von Schiller. Rom, 27. August 1803. Ich schreibe Ihnen, lieber Freund, mit wehmütigem Herzen. Ich kann sagen, daß mich, seit ich lebe, jetzt das erste Unglück betroffen hat. Aber der erste Schlag ist auch fast der härteste, der mich je hätte treffen können. Unser ältester Knabe, Wilhelm, dessen Sie sich vielleicht dunkel erinnern, ist uns plötzlich an einem bösartigen Fieber gestorben. Das arme Kind war kaum einige Tage krank. Auf einige Fieberanfälle folgte Plötzlich ein heftiges Nasenbluten. Wir waren auf dem Lande in Lariccia; aber 298 zufälligerweise hatten wir und haben noch einen deutschen Arzt bei uns, einen trefflichen Menschen, von außerordentlicher Kenntnis und Erfahrung, dem teilnehmendsten Gemüt und doch der größten Besonnenheit und Ruhe. Dieser — er heißt Kohlrausch und ist ein Hannoveraner — tat, was er¬ kannte; aber die Gewalt des Übels war zu heftig und in kaum 36 Stunden lebte er nicht mehr. Sein Tod war sanft, sehr sanft; er hatte fröhliche Phantasien, litt nichts und ahnete nichts. Er liegt jetzt bei der Pyramide des Caius Cestius, von der Ihnen Goethe erzählen kann. Ich habe mit diesem Kinde unendlich viel verloren. Unter allen, die ich habe, war er am liebsten um mich, er verließ mich fast nie, vorzüglich in den letzten Monaten beschäftigte ich mich regelmäßig mit ihm; er ging immer mit mir spazieren, er fragte nach allem, er kannte die meisten Orte, die meisten Ruinen; er war bei jedermann beliebt, weil er mit jedem und jetzt schon recht gut ita¬ lienisch sprach. Das ist nun alles dahin und dahin gegangen! Dieser Tod hat mir auf der einen Seite alle Sicherheit des Lebens genommen. Wenn dies rasche, blühende, kraftvolle Leben so auf einmal untergehen konnte, was ist dann noch gewiß? Und auf der anderen habe ich wieder aus einmal eine so unendliche Sicherheit mehr gewonnen. Ich habe den Tod nie ge¬ fürchtet, habe nie kindisch am Leben gehangen; aber wenn man ein Wesen tot hat, das man liebte, so ist die Empfindung doch durchaus verschieden. Man glaubt sich einheimisch in zwei Welten. Ich habe keine Stimmung, heute mehr zu schreiben, mein teurer, lieber Freund. Leben Sie herzlich wohl und bedauern Sie Ihren armen Freund! Meine Frau grüßt Sie und alle die Ihrigen innigst; Sie können denken, was sie leidet; aber sie hat sich mit außerordentlicher Stärke, Ruhe und Geistesgegenwart benommen. Theodor hat auch ein unangenehmes Nerven¬ fieber. Aber er ist außer Gefahr und in der Besserung. Noch einmal: Mit Gott! Schreiben Sie mir recht bald! Humboldt. Friedrich von Schiller an Wilhelm von Humboldt. Weimar, 12. September 1803. Ihr schmerzlicher Verlust, mein teurer Freund, dessen ganze Größe wir recht wohl empfinden, da wir das liebe Kind vor zwei Jahren so hoff¬ nungsvoll sich entwickeln gesehen, hat uns beide aufs innigste betrübt und ich gestehe gern, daß ich keinen Trost dagegen weiß als den die Zeit, die alle Wunden endlich heilt, herbeiführen wird. Jetzt kann ich nur darüber mit Ihnen klagen und Ihren ganzen Kummer mit Ihnen teilen. Sie waren berechtigt zu den schönsten Hoffnungen; wirklich vereinigte sich alles, diesem Kinde ein glückliches Los zu versprechen, und nun muß jede Hoffnung so gewaltsam zerstört werden. Auch mich hat, wie Sie, bis jetzt noch kein 300 55. Bon der Güte. Stellet euch einen Menschen vor, der zwar jedem bezahlt, was er schuldig ist, der niemanden um einen Heller betrügt, aber auch keinen Schritt weiter geht. Bei jeder Gelegenheit, wo er aufgefordert wird, zu irgend einer wohltätigen Anstalt etwas beizutragen, sagt er: „Was geht das mich an? Ich bin nichts schuldig; ein jeder mag sehen, wie er für sich durchkommt; ich habe für mich zu sorgen." 'Jede kleine Gefälligkeit, um die ihn der Nachbar bittet und die dieser ihm immer wieder zu erzeigen bereit ist, schlägt er trotzig ab. Er dankt mürrisch kaum, wenn man ihm guten Morgen wünscht, läßt das Vieh ganz ruhig im Getreide fressen, das er auf seinem Wege mit zehn Schritten und einem Zuruf herausjagen könnte, und geht keinen Takt schneller, wenn er hört, sein Nachbar sei ins Wasser gefallen. Möchtet ihr wohl mit einem solchen Manne gern leben oder nur neben ihm wohnen? Freilich ist er noch besser als ein Dieb, ein Zanksüchtiger, ein Händelmacher, ein Verleumder, er tut niemandem etwas zuleide; aber er ist doch immer schon schlimm genug, er tut auch niemandem etwas Gutes. Nehmet dagegen einen Mann, der alle, mit denen er zu tun hat, mit Freundlichkeit behandelt, sich mit seinem Nachbar herzlich freut, wenn dieser froh ist, sich mit ihm betrübt und ihn tröstet, wenn ihn ein Unglück trifft, der überall, wo er kann, ihm Gefälligkeiten erzeigt, ihm immer beisteht mit Rat und Tat, der über den Vorteil seines Nachbars mit wacht, wie er wünscht, daß dieser auch über den seinigen mit wachen möchte, bei dem alle Hilfe finden, soweit seine Kräfte reichen und die Vorsorge für seine Familie es erlaubt: muß es nicht ein wahres gelobtes Land sein, neben und zwischen solchen Nachbarn zu wohnen, die einander auf alle Weise das Leben erleichtern und angenehm machen? So will es Gott, der uns als Menschen zusammen hier auf die Erde gesetzt hat; so will es unsere Ver¬ nunft, die dieses einsieht; so will es jedes gute Herz, .das die wohltätigen Gefühle der wahren, reinen Natur empfindet; so will es die Religion, die Christus, der große Lehrer und das große Vorbild der Menschen¬ liebe, gelehrt hat. Auch sind diese Gesinnungen und dieses Betragen durch¬ aus unser eigener Vorteil. Es gehört nicht viel Nachdenken dazu, um ein¬ zusehen, daß Menschen, welche brüderlich gesinnt sind und freundschaftlich und wohlwollend beisammen leben, sich unendlich besser befinden, daß sie jeden frohen Tag angenehmer genießen und jede Unannehmlichkeit leichter ertragen und sie eher vermeiden als Menschen, welche kalt und sorglos, mürrisch und störrig, mißtrauisch und argwöhnisch beisammen sind, die ein¬ ander als Glücksstörer ansehen, die sich jeden Genuß, jede Freude verkümmern, die zum Besten ihres Nächsten keinen Fuß vor den anderen setzen. Joh. Gottfr. Seume. 301 56. Der Wilde. Ein Kanadier, der noch Europens Übertünchte Höflichkeit nicht kannte Und ein Herz, wie Gott es ihm gegeben, Von Kultur noch frei, im Busen fühlte, Brachte, was er mit des Bogens Sehne Fern in Quebecks übereisten Wäldern Auf der Jagd erbeutet, zum Verkaufe. Als er ohne schlaue Rednerkünste, So wie man ihm bot, die Felsenvögel Um ein kleines hingegeben hatte, Eilt' er froh mit dem geringen Lohne Heim zu seinen tief verdeckten Horden In die Arme seiner braunen Gattin. Aber ferne noch von seiner Hütte Überfiel ihn unter freiem Himinel Schnell der schrecklichste der Donnerstürme. Aus dem langen, rabenschwarzen Haare Troff der Guß herab aus seinen Gürtel Und das grobe Haartuch seines Kleides Klebte rund an seinem Hagern Leibe. Schaurig zitternd unter kaltem Regen Eilete der gute, wackre Wilde In ein Haus, das er von fern erblickte. „Herr, ach, laßt mich, bis der Sturm sich leget," Bat er mit der herzlichsten Gebärde Den gesittet feinen Eigentümer, „Obdach hier in Eurem Hause finden!" — „Willst du, mißgestaltes Ungeheuer," Schrie ergrimmt der Pflanzer ihm entgegen, „Willst du, Diebsgesicht, mir aus dem Hause!" Und ergriff den schweren Stock im Winkel. Traurig schritt der ehrliche Hurone Fort von dieser unwirtbaren Schwelle, Bis durch Sturm und Guß der späte Abend Ihn in seine friedliche Behausung Und zu seiner braunen Gattin brachte. Naß und müde setzt' er bei dem Feuer Sich zu seinen nackten Kleinen nieder 302 Und erzählte von den bunten Städtern Und den Kriegern, die den Donner tragen, Und dem Regensturm, der ihn ereilte, Und der Grausamkeit des weißen Mannes. Schmeichelnd hingen sie an seinen Knien, Schlossen schmeichelnd sich um seinen Nacken, Trockneten die langen, schwarzen Haare Und durchsuchten seine Weidmannstasche, Bis sie die versprochnen Schätze fanden. Kurze Zeit darauf halt' unser Pflanzer Auf der Jagd im Walde sich verirret. Über Stock und Stein, durch Tal und Bäche Stieg er schwer auf manchen jähen Felsen, Um sich umzusehen nach dem Pfade, Der ihn tief in diese Wildnis brachte. Doch sein Spähn und Rufen war vergebens; Nichts vernahm er als das hohle Echo Längs den hohen, schwarzen Felsenwänden. Ängstlich ging er bis zur zwölften Stunde, Wo er an dem Fuß des nächsten Berges Noch ein kleines, schwaches Licht erblickte. Furcht und Freude schlug in seinem Herzen Und er faßte Mut und nahte leise. „Wer ist draußen?" brach mit Schreckenstone Eine Stimme tief her aus der Höhle Und ein Mann trat aus der kleinen Wohnung. „Freund, im Walde hab' ich mich verirret," Sprach der Europäer furchtsam schmeichelnd; „Gönnet mir, die Nacht hier zuzubringen, Und zeigt nach der Stadt, ich werd' Euch danken, Morgen früh mir die gewissen Wege!" „Kommt herein!" versetzt der Unbekannte, „Wärmt Euch, noch ist Feuer in der Hütte." Und er führt ihn auf das Binsenlager, Schreitet finster trotzig in den Winkel, Holt den Rest von seinem Abendmahle, Hummer, Lachs und frischen Bärenschinken, 303 Um den späten Fremdling zu bewirten. Mit dem Hunger eines Weidmanns speiste Festlich wie bei einem Klosterschmause Neben seinem Wirt der Europäer. Fest und ernsthaft schaute der Hurone Seinem Gaste spähend auf die Stirne, Der mit tiefem Schnitt den Schinken trennte Und mit Wollust trank vom Honigtranke, Den in einer großen Muschelschale Er ihm freundlich zu dem Mahle reichte. Eine Bärenhaut auf weichem Moose War des Pflanzers gute Lagerstätte Und er schlief bis in die hohe Sonne. Wie der wilden Zone wild'ster Krieger- Schrecklich stand mit Köcher, Pfeil und Bogen Der Hurone jetzt vor seinem Gaste Und erweckt' ihn und der Europäer Griff bestürzt nach seinem Jagdgewehre; Und der Wilde gab ihm eine Schale, Angefüllt mit süßem Morgentranke. Als er lächelnd seinen Gast gelabet, Bracht' er ihn durch manche lange Windung Uber Stock und Stein, durch Tal und Bäche, Durch das Dickicht auf die rechte Straße. Höflich dankte fein der Europäer; Finster blickend blieb der Wilde stehen, Sähe starr dem Pflanzer in die Augen, Sprach mit voller, fester, ernster Stimme: „Haben wir vielleicht uns schon gesehen?" Wie vom Blitz getroffen, stand der Jäger Und erkannte nun in seinem Wirte Jenen Manu, den er vor wenig Wochen In dem Sturmwind aus dem Hause jagte, Stammelte verwirrt Entschuldigungen. Ruhig lächelnd sagte der Hurone: „Seht, ihr freinden, klugen, weißen Leute, Seht, wir Wilden sind doch bessre Menschen!" Und er schlug sich seitwärts in die Büsche. I. G. Seume. 304 — 57. Theodor Körner. Theodor Körner. Theodor Körner, der Sohn des hochgebildeten Appellativnsrates Körner, der Schillers treuester Freund war und mit ihm viele Jahre hindurch in Briefwechsel stand, dem schönsten, welchen unsere Literatur besitzt, wurde am 26. September 1791 zu Dresden geboren. Von frühester Jugend an nährte man in dem Knaben die Begeisterung für den unsterblichen Dichter und darum ist auch seinem für die Poesie empfänglichen Herzen der große Dichter in jeder Beziehung Vorbild und leuchtendes Beispiel geblieben.'Im Jahre 1810 bezog Körner, nachdem er sich zu Freiberg in Sachsen zwei Jahre dem Studium der Mineralogie gewidmet hatte, die Universität in Leipzig, wo auch seine ersten dichteri¬ schen Versuche erschienen. Um ihn mit einem Kreise edler und gebildeter Män¬ ner in Verbindung zu setzen, brachte ihn der Vater im Jahre 1811 nach Wien, wo sich damals der mit der Körnerschen Familie befreundete Wil¬ helm von Humboldt als preußischer Gesandter aufhielt, der neben einem klaren Blick und tiefer Gelehrsamkeit ein echt deutsches Herz voll der hu¬ mansten Bildung besaß. Körner, welcher überall schnell alle Herzen gewann fand bald in jenem kreise Aufnahme und schuf während seines kaum anderthalbjährigen Aufenthaltes in Wien die ganze Reihe seiner dramatischen Dichtungen, von denen namentlich das Trauerspiel „Zriny", worin er mit den glühendsten Worten den Opfermut fürs Vaterland lind die Treue bis in den Tod schildert, zündend in alle Herzen schlug. Der große Beifall, den seine Dramen fanden, errang dem einundzwanzigjährigen Jünglinge eine Auszeichnung seltener Art; er wurde nämlich zum Hoftheaterdichter in Wien ernannt und erlangte dadurch eine Stellung, die ebenso angenehm wie ehrenvoll und vorteilhaft war. Auch beglückte ihn die Liebe zu einem Mädchen von seltener Schönheit, die von den Eltern Körners mit Freuden als die zukünftige Gattin des Sohnes begrüßt wurde. Die Verbindung beider ward auf eine nicht zu ferne Zeit festgesetzt. Alles schien sich zu vereinen, unsereni Dichter das höchste Glück zu bieten. 305 Da erscholl plötzlich die Kunde, daß das französische Heer in den Eisfeldern Rußlands den Untergang gefunden; ihr folgte bald der preußische Aufruf zu den Waffen. Und als sich nun das deutsche Volk überall zum Kampfe rüstete, da klang es durch des Dichters Seele: „Ja, es gibt noch eine deutsche Jugend, Die allmächtig ihre Ketten reißt." Alles hingebend, war er der ersten einer, der sich mit dem Schwerte gürtete zum Kampfe fürs Vaterland. Vorher schrieb er seinem Vater. Der Brief zeigt das ganze, große, edle Herz des Jünglings und lautet: „Deutsch¬ land steht auf; der preußische Adler erweckt in allen treuen Herzen durch seine kühnen Flügelschläge die große Hoffnung einer deutschen, wenigstens nord¬ deutschen Freiheit. Meine Kunst seufzt nach ihrem Vaterlande, laß mich ihr würdiger Jünger sein! Ja, liebster Vater, ich will Soldat werden, will das hier gewonnene glückliche und sorgenfreie Leben mit Freuden hinwerfen, um, sei es auch mit meinem Blute, mir ein Vaterland zu erkämpfen. Nenn's nicht Übermut, Leichtsinn, Wildheit! Vor zwei Jahren hätt' ich es so nennen lassen; jetzt, da ich weiß, welche Seligkeit in diesem Leben reifen kann, jetzt, da alle Sterne meines Glücks in schöner Milde auf mich niederleuchten, jetzt ist es bei Gott ein würdiges Gefühl, das mich treibt, jetzt ist es die mächtige Überzeugung, daß kein Opfer zu groß sei für das höchste menschliche Gut, für seines Volkes Freiheit. Vielleicht sagt Dein bestochenes väterliches Herz: Theodor ist zu größeren Zwecken da, er hätte auf einem anderen Felde Wichtigeres und Bedeutenderes leisten können. Aber, Vater, meine Meinung ist die: Zum Opfertode für die Freiheit und für die Ehre seiner Nation ist keiner zu gut, wohl aber sind viele zu schlecht dazu! Hat mir Gott wirklich etwas mehr als gewöhnlichen Geist eingehaucht, der unter Deiner Pflege denken lernte, wo ist der Augenblick, wo ich ihn mehr geltend machen kann? Eine große Zeit will große Herzen und ich fühl' die Kraft in mir, eine Klippe sein zu können in dieser Völkerbrandung; ich muß hinaus und dem Wogensturm die mutige Brust entgegendrücken. Soll ich in feiger Begeisterung meinen siegenden Brüdern meinen Jubel nachleiern? Soll ich Komödien schreiben auf dem „Spott-Theater", wenn ich den Mut und die Kraft mir zutraue, auf dem Theater des Ernstes mitzusprechen? Ich weiß, Du wirst manche Unruhe erleiden müssen, die Mutter wird weinen! Gott tröste sie! Ich kann's Euch nicht ersparen. Des Glückes Schoßkind rühmt' ich mich bis jetzt, es wird mich jetzt nicht verlassen. Daß ich mein Leben wage, das gilt nicht viel; daß aber dieses Leben mit allen Blütenkränzen der Liebe, der Freundschaft, der Freude geschmückt ist und daß ich es doch wage, daß ich die süße Empfindung hinwerfe, die mir in der Überzeugung lebte, Euch keine Unruhe, keine Angst zu bereitem das ist ein Opfer, dem nur ein solcher Preis entgegengestellt werden darf. Frisch und Rudolf, Lesebuch für Bürgerschulen. — 306 - Toni hat mir auch bei dieser Gelegenheit ihre große, edle Seele be¬ wiesen. Sie weint wohl, aber der geendigte Feldzug wird ihre Tränen schon trocknen. Die Mutter soll mir ihren Schmerz vergeben; wer mich liebt, soll mich nicht verkennen und Du wirst mich Deiner würdig finden." Den 19. März 18l3 ließ sich Körner in Breslau in das Lützow'sche Korps aufnehmen, in welchem er bald znm Leutnant befördert wurde. Als Adjutant Lützows focht er bei Kitzen, wo er schwer verwundet wurde und nur durch seine Geistesgegenwart der Gefangenschaft entging. Unerkannt fand er in Leipzig bei Freunden Aufnahme und Pflege, ging dann zur Wiederherstellung seiner Gesundheit nach Karlsbad und trat hierauf freudigen Mutes wieder in sein Korps ein. Zum letztenmal sang und focht er am 26. August 1813 zwischen Schwerin und Gadebusch unweit Rosenberg. Er dichtete hier nach einem langen und beschwerlichen Nachtmarsch bei den ersten Strahlen der Sonne sein herrliches Schwertlied, las es den Freunden vor, entflammte sie damit zu todesfreudiger Begeisterung, sprengte zum Kampfe vor und — fiel, getroffen von einer feindlichen Kugel. Unter einer alten, gewaltigen Eiche bei dem Dorfe Wöbbelin wurde er feierlich mit allen militärischen Ehren begraben; tief erschüttert umstanden sämtliche Offiziere und Soldaten des Korps das Grab, über dessen Hügel sich jetzt ein eisernes Denkmal mit immer frischen Kränzen erhebt. Die herrlichste Opfergabe legte der ehrwürdige Vater des Helden auf das geweihte Grab: eine Sammlung der schönsten, meistens unter dem Geklirr der Waffen geschriebenen Lieder, womit der Held auch andere zu Helden gemacht hat: „Leier und Schwert." D. u. Rolfs. ZS. Zehier Trost. (Beim Rückzug der vereinigten Heere über die Llbe ^szz.) Was zieht ihr die Stirne finster und kraus? Was starrt ihr wild in die Nacht hinaus, Ihr freien, ihr männlichen Seelen? Jetzt heult der Sturm, jetzt braust das Meer, Jetzt zittert das Erdreich um uns her; Wir wollen uns die Not nicht verhehlen. Die Hölle braust auf in neuer Glut, Umsonst ist geflossen viel edles Blut, Noch triumphieren die Bösen. Doch nicht an der Rache des Himmels verzagt! Es hat nicht vergebens blutig getagt: Rot muß ja der Ulorgen sich lösen. 307 Und galt es früherhin Mut und Urast, Jetzt alle Aräfte zusammengerafft! Sonst scheitert das Schiff noch in: Hafen. Erhebe dich, Jugend, der Tiger dräut! Bewaffne dich, Landsturm, jetzt kommt deine Zeit! Erwache, du Bolk, das geschlafen! Und die wir hier rüstig zusammenstehn Und keck dem Tod in die Augen sehn, Woll'n nicht vom Rechte lassen, Die Freiheit retten, das Vaterland, Oder freudig sterben, das Schwert in der Hand Und Unechtschaft und Willrichs hassen. Das Leben gilt nichts, wo die Freiheit fällt. Was gibt uns die weite, unendliche Welt Für des Vaterlands heiligen Boden? — Frei wollen wir das Vaterland wiedersehn Oder frei zu den glücklichen Vätern gehn! Za, glücklich und frei sind die Toten! Drum heule, du Sturm, drum brause, du Meer, Drum zittre, du Erdreich, um uns her; Zhr sollt uns die Seele nicht zügeln! Die Erde kann neben uns untergehn; Wir woll'n als freie Männer bestehn Und den Bund mit dem Blute besiegeln. Theodor Xöriier. 59. Gebet während der Schlacht. Vater, ich rufe dich! Brüllend umwölkt mich der Dampf der Geschütze, Sprühend umzucken mich rasselnde Blitze, Lenker der Schlachten, ich rufe dich! Vater du, führe mich! Vater du, führe mich! Führ' mich zum Siege, führ' mich zum Tode; Herr, ich erkenne deine Gebote; Herr, wie du willst, so führe mich! Gott, ich erkenne dich! ro* 309 60. Monolog -es Zriny. (Aus dem Trauerspiele „Zriny".) So ständ' ich denn im letzten Glühn des Lebens, Die nächste Stunde bringt mir Nacht und Tod. So ständ' ich denn am Ziele meines Strebens, Stolz auf die Blüten, die das Glück mir bot! Ich fühl' es klar, ich kämpfte nicht vergebens; Durch Todesnacht bricht ew'ges Morgenrot. Und muß ich hier mit meinem Blute zahlen, Ein Gott vergilt mir seines Lichtes Strahlen! Die Stimme des Jahrhunderts wird verhallen Und das Geschlecht versinken, das mich kennt; Doch Enkel werden zu den Trümmern wallen, Wo dankbar dann mich manche Lippe nennt. Wer mutig für sein Vaterland gefallen, Der baut sich selbst ein ewig Monument Im treuen Herzen seiner Landesbrüder Und dies Gebäude stürzt kein Sturmwind nieder. - Ich folgte unbewußt dem dunklen Drange, Der mit des Jünglings früh'ster Tat erwacht. — Von edlem Feuer lodert mir die Wange, Der Sturm der Weihe hat es angefacht. So waffn' ich mich zu meinem letzten Gange, Und was mein kühnster Traum sich nicht gedacht: Um aller Kronen schönste darf ich werben, Darf für mein Volk und meinen Glauben sterben! Was taten sie, die wir im. Lied vergöttern, Von denen noch der Nachwelt Hymne spricht? Sie hielten aus in Kampf und Sturmeswettern Und standen treu bei Tugend, Recht und Pflicht: Das Schicksal kann die Heldenbrust zerschmettern, Doch einen Heldeuwillen beugt es nicht! Gemächlich mag der Wurm im Staube liegen, Ein edles Herz muß kämpfen und wird siegen. Theodor Körner. 310 61. Auf dem Schlachtfelde von Aspern. Schlachtfeld, wo der Todesengel würgte, Wo der Deutsche seine Kraft verbürgte, Heil'ger Boden, dich grüßt mein Gesang! Frankreichs stolze Adler sahst du zittern, Sahst des Wütrichs Eisenkraft zer¬ splittern, Die sich frech die halbe Welt bezwang. Euch, ihr Manen der gefallnen Helden, Deren Blick im Siegesdonner brach, Ruf' ich in den Frühling eurer Welten Meines Herzens ganzen Jubel uach. Sonnenhauch in düstern Nebel¬ jahren ! Deine Strahlen laß uns treu bewahren Als Vermächtnis einer stolzen Zeit! Überall im großen deutschen Lande, Von der Ostsee bis zum Donaustrande Macht dein Name alle Herzen weit. Aspern klingt's und Karl klingt's siegestrunken. Wo nur deutsch die Lippe lallen kann. Nein, Germania ist nicht gesunken, Hat noch einen Tag und einen Mann. Und solange deutsche Ströme sausen Und solange deutsche Lieder brausen, Gelten diese Namen ihren Klang. Was die Tage auch zerschmettert haben, Karl und Aspern ist ins Herz gegraben, Karl und Aspern donnert im Gesang. Mag der Staub gefallner Helden modern, Die dem großen Tode sich geweiht, Ihres Ruhmes Flammenzüge lodern In dem Tempel der Unsterblichkeit. Theodor Körner. 62. Muttersprache. Muttersprache, Mutterlaut, Wie so wonnesam, so traut! Erstes Wort, das mir erschallet, Süßes, erstes Liebeswort, Erster Ton, den ich gelallet, Klingest ewig in mir fort! Sprache, schön und wunderbar. Ach, wie klingest du so klar! Will noch tiefer mich vertiefen In den Reichtum, in die Pracht; Ist mir's doch, als ob mich riefen Väter aus des Grabes Nacht. Ach, wie trüb ist meinem Sinn, Wenn ich in der Fremde bin, Wenn ich fremde Zungen üben, Fremde Worte brauchen muß, Die ich nimmermehr kann lieben, Die nicht klingen als ein Gruß! Klinge, klinge fort und fort, Heldensprache, Liebeswort, Steig empor aus tiefen Schlüften, Längstverschollne-i altes Lied, Leb' aufs neu' in heil'gen Schriften, Daß dir jedes Herz erglüht! Überall weht Gottes Hauch, Heilig ist wohl mancher Brauch; Aber soll ich beten, danken, Geb' ich meine Liebe kund, Meine seligsten Gedanken, Sprech' ich wie der Mutter Mund. Max von Schenkendorf. - ZU - 63. Das Vaterland. Es sind elende und kalte Klügler aufgestanden in diesen Tagen, die sprechen in der Nichtigkeit ihrer Herzen: „Vaterland und Freiheit, leere Namen ohne Sinn, schöne Klänge, womit man die Einfältigen betört! Wo es dem Menschen wohtgeht, da ist sein Vaterland, wo er am wenigsten geplagt wird, da blüht seine Freiheit." Der Mensch aber soll lieben bis in den Tod und von seiner Liebe nimmer lassen, noch scheiden. Darum, o Mensch, hast du ein Vaterland, ein heiliges Land, ein geliebtes Land, eine Erde, wonach deine Sehnsucht ewig dichtet und trachtet. Wo dir Gottes Sonne zuerst erschien; wo dir die Sterne des Himmels zuerst leuchteten; wo seine Blitze dir zuerst seine Allmacht offenbarten und seine Sturmwinde dir mit heiligem Schrecken durch die Seele brausten: da ist deine Liebe, da ist dein Vaterland. Und seien es kahle Felsen und öde Inseln und wohnen Armut und Mühe dort mit dir, du mußt das Land ewig lieb haben; denn du bist ein Mensch und sollst es nicht vergessen, sondern behalten in deinem Herzen. Auch ist die Freiheit kein leerer Traum und kein wüster Wahn, sondern in ihr lebt dein Mut und dein Stolz und die Gewißheit, daß du vom Himmel stammst. Da ist Freiheit, wo du leben darfst, wie es dem tapferen Herzen gefällt; wo du in den Sitten und Weisen und Gesetzendeiner Väter leben darfst; wo dich beglücket, was schon deine Ureltern beglückte; wo keine fremden Henker über dich gebieten und keine fremden Treiber dich treiben, wie man das Vieh mit dem Stecken treibt. Dieses Vaterland und diese Freiheit sind das Allerheiligste auf Erden, ein Schatz, der eine unendliche Liebe und Treue in sich verschließt, das edelste Gut, das ein guter Mensch auf Erden besitzt und zu besitzen begehrt. Ernst Moritz Arndt. 64. Wer ist ein Mann? Wer ist ein Mann? Wer beten kann Und Gott dem Herrn vertraut; Wenn alles bricht, er zaget nicht: Dem Frommen nimmer graut. Wer ist ein Mann? Wer glauben kann Inbrünstig, wahr und frei; Denn diese Wehr bricht nimmermehr, Sie bricht kein Mensch entzwei. 312 Wer ist ein Mann? Wer lieben kann Bon Herzen fromm und warm; Die heil'ge Glut gibt hohen Mut Und stärkt mit Stahl den Arm. Dies ist der Mann, der streiten kann Für Weib und liebes Kind; Der kalten Brust fehlt Kraft und Lust Und ihre Tat wird Wind. Dies ist der Mann, der sterben kann Für Freiheit, Pflicht und Recht! Dem frommen Mut deucht alles gut, Es geht ihm nimmer schlecht. Dies ist der Mann, der sterben kann Für Gott und Vaterland! Er läßt nicht ab bis an das Grab Mit Herz und Mund und Hand. So, deutscher Mann, so, freier Mann, Mit Gott, dem Herrn, zum Krieg! Denn Gott allein kann Helfer sein, Von Gott kommt Glück und Sieg. Ernst Moritz Arndt. 65. Die Leipziger Schlacht. „Wo kommst du her in dem roten Kleid Und färbst das Gras auf dem grünen Plan?" Ich komm' aus blutigem Männerstreit, Ich komme rot von der Ehrenbahn, Wir haben die blutige Schlacht geschlagen, Drob müssen die Mütter und Bräute klagen; Da ward ich so rot. „Sag' an. Gesell, und verkünde mir, Wie heißt das Land, wo ihr schlugt die Schlacht?" Bei Leipzig trauert das Mordrevier, Das manches Auge voll Tränen macht: Da flogen die Kugeln wie Winterflocken Und Tausenden mußte der Atem stocken Bei Leipzig, der Stadt. 314 Die Berge, wenn sie könnten, würden rufen: „Wir selber fühlten mit fühllosem Rücken Lang g'nug den Druck von eures Feindes Hufen." Des Steins Geduld bricht endlich auch in Stücken, Den Götter zum Getretensein doch schufen — Volk, mehr als Stein, wie lang darf man dich drücken? 2. Ihr Ritter, die ihr haust in euern Forsten, Ist euch der Helmbusch von dem Haupt gefallen? Versteht ihr nicht den Panzer mehr zu schnallen? Ist ganz die Rüstung eures Muts zerborsten? Was sitzet ihr daheim in euern Horsten, Ihr alten Adler, habt ihr keine Krallen? Hört ihr nicht dorther die Verwüstung schallen? Seht ihr das Untier nicht mit seinen Borsten? Schwingt eure Keulen, denn es ist ein Keuler; Er wühlt, er droht, voll Gier nach schnödem Futter Stürzt er den Stamm, nicht bloß des Stammes Blätter. Es ist ein Wolf, ein nimmersatter Heuler, Er frißt das Lamm, er frißt des Lammes Mutter; Helft, Ritter, wenn ihr Ritter seid, seid Retter! Friedrich Rückert. 67. krüUIinAsslrtude. Oie linden Oülte sind errvaelrt, 8ie säuseln und rveben 1aA und l^aelrt, 8ie setratfen an allen Onden. O triselrsr Dutt, o neuer UilanA! I^un, armes Oerr:s, 8ei nielrt ban^! k^un mu6 sielr alle8, alle8 rvenden. Oie ^Velt rvird selröner init sedem laA, lAan rveiü nielrt, ^vas noelr werden maA, Oa8 Olülren will nielrt encksn. Os klülrt das fernste, tiefste Dal. l^lun, armes Oler^, vernik cler (^ual! l>lun mu6 siclr alles, alles wenden. l.ucirvi^ OKIsirä. 31b 68. Frühlingsfeier. Süßer, goldner Frühlingstag, Inniges Entzücken! Wenn mir je ein Lied gelang, Sollt' es heut' nicht glücken? Doch warum in dieser Zeit An die Arbeit treten? Frühling ist ein hohes Fest, Laßt mich ruhn und beten! Ludwig Uh land 69. Lob des Frühlings. Saatengrün, Veilchenduft, Lerchenwirbel, Amselschlag, Sonnenregen, linde Luft! Wenn ich solche Worte singe, Braucht es dann noch großer Dinge, Dich zu preisen, Frühlingstag? Ludwig Uhland. 70. Des Sängers Fluch. Es stand in alten Zeiten ein Schloß, so hoch und hehr, Weit glänzt' es über die Lande bis an das blaue Meer; Und rings von duft'gen Garten ein blütenreicher Kranz, Drin sprangen frische Brunnen im Regenbogenglanz. Dort saß ein stolzer König, an Land und Siegen reich, Er saß auf seinem Throne so finster und so bleich; Denn was er sinnt, ist Schrecken, und was er blickt, ist Wut, Und was er spricht, ist Geißel, und was er schreibt, ist Blut. Einst zog nach diesem Schlosse ein edles Sängerpaar, Der ein' in goldnen Locken, der andre grau von Haar; Der Alte mit der Harfe, der saß auf schmuckem Roß, Es schritt ihm frisch zur Seite der blühende Genoß. Der Alte sprach zum Jungen: „Nun sei bereit, mein Sohn! Denk unsrer tiefsten Lieder, stimm' an den vollsten Ton! Nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz! Es gilt uns heut', zu rühren des Königs steinern Herz." Schon stehn die beiden Sänger im hohen Säulensaal Und auf dem Throne sitzen der König und sein Gemahl; Der König, furchtbar prächtig, wie blut'ger Nordlichtschein, Die Königin, süß und milde, als blickte Vollmond drein. Da schlug der Greis die Saiten, er schlug sie wundervoll, Daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll; Dann strömte himmlisch Helle des Jünglings Stimme vor, Des Alten Sang dazwischen wie dumpfer Geisterchor. 31(> Sie singen von Lenz und Liebe, von sel'ger, goldner Zeit, Von Freiheit, Männerwürde, von Treu' und Heiligkeit; Sie singen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt, Sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt. Die Höflingsschar im Kreise verlernet jeden Spott, Des Königs trvtz'ge Krieger, sie beugen sich vor Gott. Die Königin, zerflossen in Wehmut und in Lust, Sie wirft den Sängern nieder die Rose von ihrer Brust. „Ihr habt mein Volk verführet, verlockt ihr nun mein Weib?" Der König schreit es wütend, er bebt am ganzen Leib; Er wirft sein Schwert, das blitzend des Jünglings Brust durchdringt, Draus statt der goldnen Lieder ein Blntstrahl hoch aufspringt. Und wie vom Sturm zerstoben ist all der Hörer Schwarm. Der Jüngling hat verröchelt in seines Meisters Arni; Der schlägt nm ihn den Mantel und setzt ihn auf das Roß, Er bind't ihn aufrecht feste, verläßt mit ihm das Schloß. Doch vor dem hohen Tore, da hält der Sängergreis, Da faßt er seine Harfe, sie, aller Harfen Preis, An einer Marmorsäule, da hat er sie zerschellt; Dann ruft er, daß es schaurig durch Schloß und Gärten gellt: „Weh euch, ihr stolzen Hallen, nie töne süßer Klang Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang, Nein, Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sklavenschritt, Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt! Weh euch, ihr duft'gen Gärten im holden Maienlicht! Euch zeig' ich dieses Toten entstelltes Angesicht, Daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell versiegt, Daß ihr in künft'gen Tagen versteint, verödet liegt! Weh dir, verruchter Mörder, du Fluch des Sängertums! Umsonst sei all dein Ringen nach Kränzen blut'gen Ruhms, Dein Name sei vergessen, in ew'ge Nacht getaucht, Sei, wie ein letztes Röcheln, in leere Luft verhaucht!" Der Alte hat's gerufen, der Himmel hat's gehört: Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört; Noch eine hohe Säule zeugt von verschwundner Pracht; Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht. 317 Und rings statt duft'ger Gärten ein ödes Heideland, Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand: Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch; Versunken und vergessen! Das ist des Sängers Fluch. Ludwig Uh land. 71. Roland Schildträger. Der König Karl saß einst zu Tisch Zu Aachen mit den Fürsten. Man stellte Wildbret auf und Fisch Und ließ auch keinen dürsten; Viel Goldgeschirr von klarem Schein, Manch roten, grünen Edelstein Sah man im Saale leuchten. Da sprach Herr Karl, der starke Held: „Was soll der eitle Schimmer? Das beste Kleinod dieser Welt, Das fehlet uns noch immer. Dies Kleinod, hell wie Sonnenschein, Ein Riese trägt's im Schilde sein Tief im Ardennerwalde." Graf Richard, Erzbischof Turpin, Herr Haimon, Naims von Bayern, Milon von Anglant, Graf Garin, Die wollten da nicht feiern. Sie habenWtahlgewand begehrt Und hießen satteln ihre Pferd', Zu reiten nach dem Riesen. Jung Roland, Sohn des Milon, sprach: „Lieb Vater," hört, ich bitte: Vermeint Ihr mich zu jung und schwach, Daß ich mit Riesen stritte; Doch bin ich nicht zu winzig mehr, Euch nachzutragen Euern Speer Samt Eurem guten Schilde." Die sechs Genossen ritten bald Vereint nach den Ardennen; Doch als sie kamen in den Wald, Da täten sie sich trennen. Roland ritt Hinterm Vater her; Wie wohl ihm war, des Helden Speer, Des Helden Schild zu tragen! Bei Sonnenschein und Mondenlicht Streiften die kühnen Degen, Doch fanden sie den Riesen nicht In Felsen noch Gehegen. Zur Mittagsstund' am vierten Tag Der Herzog Milon schlafen lag In einer Eiche Schatten. Roland sah in der Ferne bald Ein Blitzen und ein Leuchten, Davon die Strahlen in dem Wald Die Hirsch' und Reh' aufscheuchten; Er sah, es kam von einem Schild, Den trug ein Riese, groß und wild, Vom Berge niedersteigend. Roland gedacht' im Herzen sein: „Was ist das für ein Schrecken! Soll ich den lieben Vater mein Im besten Schlaf erwecken? Es wachet ja sein gutes Pferd, Es wacht sein Speer, sein Schild und Schwert, Es wacht Roland, der junge." Roland das Schwert zur Seite band, Herrn Milons starkes Waffen, Die Lanze nahm er in die Hand Und tat den Schild aufraffen; Herrn Milons Roß bestieg er dann Und ritt ganz sachte durch den Tann, Den Vater nicht zu wecken. Und als er kam zur Felsenwand, Da sprach der Ries' mit Lachen: „Was will doch dieser kleine Fant Auf solchem Rosse machen? Sein Schwert ist zwier so lang wie er, Vom Rosse zieht ihn schier der Speer, Der Schild will ihn erdrücken." 318 Jung Roland rief: „Wohlauf zum Streit! Dich reuet noch dein Necken. Hab' ich die Tartsche lang und breit, Kann sie mich besser decken; Ein kleiner Mann, ein großes Pferd, Ein knrzer Arm, ein langes Schwert Muß eins dem andern helfen " Der Riese mit der Stange schlug, Auslangend in die Weite; Jung Roland schwenkte schnell genug Sein Roß noch auf die Seite. Die Lanz' er auf den Riesen schwang, Doch von dem Wunderschilde sprang Auf Roland sie zurücke. Jung Roland nahm in großer Hast Das Schwert in beide Hände, Der Riese nach dem seinen faßt', Er war zu unbehende; Mit flinkem Hiebe schlug Roland Ihm unterm Schild die linke Hand, Daß Hand und Schild entrollten. Dem Riesen schwand der Mut dahin, Wie ihm der Schild entrissen; Das Kleinod, das ihm Kraft verliehn, Mußt' er mit Schmerzen missen. Zwar lief er gleich dem Schilde nach, Doch Roland in das Knie ihn stach, Daß er zu Boden stürzte. Roland ihn bei den Haaren griff, Hieb ihm das Haupt herunter, Ein großer Strom von Blute lief Ins tiefe Tal hinunter; Und aus des Toten Schild hernach Roland das lichte Kleinod brach Und freute sich am Glanze. Dann barg er's unterm Kleide gut Und ging zn einem Quelle, Da wusch er sich von Staub und Blut Gewand und Waffen Helle. Zurücke ritt der jung' Roland Dahin, wo er den Vater fand Noch schlafend bei der Eiche Er legt' sich an des Vaters Seit', Vom Schlafe selbst bezwungen, Bis in der kühlen Abendzeit Herr Milon aufgesprungen: „Wach' ans, wach' auf, mein Sohn Roland! Nimm Schild und Lanze schnell zur Hand, Daß wir den Riesen suchen!" Sie stiegen auf und eilten sehr, Zu schweifen in der Wilde. Roland ritt Hinterm Vater her Mit dessen Speer und Schilde. Sie kamen bald zu jener Statt', Wo Roland jüngst gestritten hott'; Der Riese lag im Blute. Roland kaum seinen Augen glaubt', Als nicht mehr war zu schauen Die linke Hand, dazu das Haupt, So er ihm abgehauen, Nicht mehr des Riesen Schwert und Speer, Auch nicht sein Schild und Harnisch mehr. Nur Rumpf und blut'ge Glieder. Milon besah den großen Rumpf: „Was ist das für 'ne Leiche? Man sieht noch am zerhau'nen Stumpf, Wie mächtig war die Eiche. Das ist der Riese. Frag' ich mehr? Verschlafen hab' ich Sieg und Ehr', Drum muß ich ewig trauern." — Zu Aachen vor dem Schlosse stund Der König Karl gar bange: „Sind meine Helden wohl gesund? Sie weilen allzulange. Doch, seh' ich recht, auf Königswort! So reitet Herzog Haimon dort, Des Riesen Haupt am Speere." Herr Haimon ritt in trübem Mut Und mit gesenktem Spieße Legt' er das Haupt, besprengt mit Blut, Dem König vor die Füße: „Ich fand den Kopf im wilden Hag Und fünfzig Schrille weiter lag Des Riesen Rumpf am Boden." 320 tnung, als sr sinrnal gut äsr v^anäerung änrok äis Hgrät in äsn Klostsrtrüminsrn von kimknrg unerkannt rastste nnä seine eigenen Kisäer, von iugenälioksn Ltiinrnen gesungen, äurok äas Oewölbs sokullton. ^.lls die kollnungs- vollsn ^.nkängs lreisr, volkstünr- koksr Ossslligksit, woloke Kents cls.8 Kukeii einsr inonsokke.ksrsn Ossittnng verkünden, alle. äis kök- lieken kakrtsn nnä ksste unserer Füngsr nnä älurner und Loknt^en dünken einen guten 'l'eil ikrss pos- tisoksn Rsi^ss dein sokwädissken 8ängsr; Knin tVnnder, äak er siok selker an snloksr Volkskrsnäs niokt satt ssken konnte. käst äsnokt 68 NN8 ein Näroksn, äaL 68 sin8t sine Keit gsgsksn, wo nin Lsiwaoktkeusr äsutsoksr Zoläatsn äaskieä nook niokt erklang: ,,Iok Katt' einen Karneraden", äaü sin8t äeutsoks klanäwsrkskursoken nker den Kikoin gezogen sind, äis nook Ludwig Uhland. niokt sangen von äen „drei Zursoksn". Dook seken wir nüker ^u, 8v tinäen wir anok in den ein kiek sten äisssr kiiecier einen eutsekeiäsnäsn eine kunstvolle LteiZsrunA, einen soklnAenäen /Vksskluü. der än8 Oscliokt nlskslcl ank die klöks äsr Xnn8tpos8is orkekt nnä init so ^roksr Innigkeit nnä kknseks äen änrokAekilästsn Verstnnä äss Künstlers 2ei^t. lkomsslken Kekrer. äsin äsntseken Volkslisäs, Kat klklnnä nnok äie Kunst äsr ^sinütliek bewerten Klr^üklnuA nk^essksn. Klr verrnnZ es, einen kleinen nnekäotsnKutten 2u§ init so viel sekslkknkter ^.nmut xn einsr Lallnäs xu erweitern, wie vor ikm nur Ooetks. Kein Kli^snstss nnä Kekönstes sekuk er in äsr sr^äklenäen Oioktnnv clunn, wenn er sisk sin Hers lnüts nnä äis trot^io-g, rosksnkutto Krg.lt äer äsutsoksn kleläenLsit äsrk nnä init Kuuns änrstellts wis in äen Kolnnäslieäsrn, wokl seinen Kesten Kgllnäen. I7nä wie äns Volkslisä niokt in äis OrsnMN eines Kunäss Asknnnt klsikt, sondern äsr 8gn^ von äsr Kieke Knst nnä Ksiä, von klsläsn^orn nnä Ilsläsntoä äurok alle Völker wandert nnä in äer Krein äs sisk ninkiläet, so Kat auok Klilunä sein äeutsokes tVossn niokt verleugnet, wenn er krsinälänäisoks 8sgen- Stolle KsSNNg. tleiuriek von ^reitnsdkt-.. 321 73. Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe. Auf der Burg zu Germersheim, Stark an Geist, am Leibe schwach, Sitzt der greise Kaiser Rudolf, Spielend das gewohnte Schach. Und er spricht: „Ihr guten Meister, Ärzte, sagt mir ohne Zagen: Wann aus dem zerbrochnen Leib Wird der Geist zu Gott getragen?" Und die Meister sprechen: „Herr, Wohl noch heut' erscheint die Stunde!" Freundlich lächelnd spricht der Greis: „Meister, Dank für diese Kunde!" „Auf nach Speier, auf nach Speier!" Ruft er, als das Spiel geendet, „Wo so mancher deutsche Held Liegt begraben, sei's vollendet! Blast die Hörner, bringt das Roß, Das mich oft zur Schlacht getragen!" Zaudernd stehn die Diener all; Doch er ruft: „Folgt ohne Zagen!" Mancher eilt des Wegs daher, Der gehört die bange Sage, Sieht des Helden sterbend Bild Und bricht aus in laute Klage. Aber nur von Himmelslust Spricht der Greis mit jenen zweien; Lächelnd blickt sein Angesicht, Als ritt' er zur Lust im Maien. Von dem hohen Dom zu Speier Hört man dumpf die Glocken schallen. Ritter, Bürger, zarte Frauen Weinend ihm entgegen wallen. In den hohen Kaisersaal Ist er rasch noch eingetreten, Sitzend dort auf goldnem Stuhl Hört man für sein Volk ihn beten. „Reichet mir den heil'geu Leib!" Spricht er nun mit bleichem Munde; Drauf verjüngt sich sein Gesicht Um die mitternächt'ge Stunde. Und das Schlachtroß wird gebracht. „Nichtzum Kampf, zum ew'gen Frieden," Spricht er, „trage, treuer Freund, Jetzt den Herrn, den lebensmüden!" Da auf einmal wird der Saal Hell von überird'schem Lichte Und entschlummert sitzt der Held, Himmelsruh' im Angesichte. Weinend steht der Diener Schar, Als der Greis auf hohem Rosse, Rechts und links ein Kapellan, Zieht, halb Leich', aus seinem Schlosse. Glocken dürfen's nicht verkünden, Boten nicht zur Leiche bieten, Alle Herzen längs des Rheins Fühlen, daß der Held verschieden. Trauernd neigt des Schlosses Lind' Vor ihm ihre Äste nieder, Vögel, die in ihrer Hut, Singen wehmutsvolle Lieder. Nach dem Dome strömt das Volk, Schwarz, unzähligen Gewimmels, Der empfing des Helden Leib, Seinen Geist der Dom des Himmels. Justinus Kerner. 74. Der reichste Fürst. Preisend mit viel schönen Reden Ihrer Länder Wert und Zahl, Saßen viele deutsche Fürsten Einst zu Worms im Kaisersaal. Frisch und Rudolf, Lesebuch sür Bürgerschulen. „Herrlich," sprach der Fürst von Sachsen, „Ist mein Land und seine Macht; Silber hegen seine Berge Wohl in manchem tiefen Schacht." 21 322 „Seht mein Land in üpp'ger Fülle," Sprach der Kurfürst von dem Rhein, „Goldne Saaten in den Tälern, Auf den Bergen edlen Wein!" „Große Städte, reiche Klöster," Ludwig, Herr zu Bayern, sprach, „Schaffen, daß mein Land den enern Wohl nicht steht an Schätzen nach." Eberhard, der mit dem Barte, Württembergs geliebter Herr, Sprach: „Mein Land hat kleine Städte, Trägt nicht Berge silberschwer; Doch ein Kleinod hält's verborgen: Daß in Wäldern, noch so groß, Ich mein Haupt kann kühnlich legen Jedem Untertan in Schoß!" Und es rief der Herr von Sachsen, Der von Bayern, der vom Rhein: „Graf im Bart, Ihr seid der reichste! Euer Land trägt Edelstein!" Justinus 5k c r n c r. 75. Eine Brockenreise. Die Sonne ging auf, die Nebel flohen wie Gespenster beim dritten Hahnenschrei. Ich stieg bergauf und bergab und vor mir schwebte die schöne Sonne, immer neue Schönheiten beleuchtend. Der Geist des Ge¬ birges begünstigte mich ganz offenbar und ließ mich diesen Morgen seinen Harz sehen, wie ihn gewiß nicht jeder sah. Aber auch mich sah der Harz, wie mich nur wenige gesehen; in meinen Augenwimpern flimmerten ebenso kostbare Perlen wie in den Gräsern des Tales. Morgentau feuch¬ tete meine Wangen, die rauschenden Tannen verstanden mich, ihre Zweige taten sich voneinander, bewegten sich hinauf und herab gleich stummen Menschen, die mit den Händen ihre Freude bezeigen, und in der Ferne klang's wunderbar geheimnisvoll wie Glockengeläuts einer verlorenen Wald¬ kirche. Man sagt, das seien die Herdenglöckchen, die im Harze so lieblich, klar und rein gestimmt sind. Nach dem Stande der Sonne war es Mittag, als ich auf eine solche Herde stieß, und der Hirt, ein freundlicher, blonder, junger Mensch, sagte mir, der große Berg, an dessen Fuße ich stand, sei der alte, weltberühmte Brocken. Viele Stunden ringsum liegt kein Haus und ich war froh genug, daß mich der junge Mensch einlud, mit ihm zu essen. Wir setzten uns nieder zu einer Mahlzeit, die aus Käse und Brot bestand; die Schäf¬ chen erhaschten die Krumen, die lieben, blanken Kühe standen um uns herum, klingelten mit ihren Glöckchen und lachten uns an mit ihren großen vergnügten Augen. Wir tafelten recht königlich, nahmen darauf freundlich Abschied und fröhlich stieg ich den Berg hinauf. Bald empfing mich eine Waldung himmelhoher Tannen, für die ich in jeder Hinsicht Respekt habe. Diesen Bäumen ist nämlich das Wachsen 323 nicht ganz leicht gemacht worden und sie haben es sich in der Jugend sauer werden lassen. Der Berg ist hier mit vielen Granitblöcken übersät und die meisten Bäume mußten mit ihren Wurzeln diese Steine umranken oder sprengen und mühsam den Boden suchen, woraus sie Nahrung schöpfen können. Auf den Zweigen der Tannen kletterten Eichhörnchen und unter denselben spazierten Hirsche. Allerliebst schossen die goldenen Sonnenlichter durch das dichte Tannengrün. Eine natürliche Treppe bil¬ deten die Baumwurzeln. Überall schwellende Moosbänke; denn die Steine sind fußhoch von den schönsten Moosarten wie mit hellgrünen Sammet- polstern bewachsen. Hie und da sieht man, wie das Wasser unter den Steinen silberhell hinrieselt und die nackten Baumwurzeln und Fasern be¬ spült. An mauchen Orten sprudelt das Wasser aus den Steinen und Wurzeln stärker hervor und bildet kleine Wasserfälle. Da läßt sich's gut sitzen. Es murmelt und rauscht so wunderbar, die Vögel singen Schn- suchtslaute, die Bäume flüstern wie mit tausend Zungen, wie mit tausend Augen schauen uns an die seltsamen Bergblumen, sie strecken nach uns aus die wundersamen, breiten, gezackten Blätter, spielend flimmern hin und her die lustigen Sonnenstrahlen, die sinnigen Kräutlein erzählen sich grüne Märchen, es ist alles wie verzaubert, es wird immer heimlicher und heimlicher. Je höher man den Berg hinaufsteigt, desto kürzer und zwerghafter werden die Tannen, sie scheinen immer mehr und mehr zusammenzu¬ schrumpfen, bis nur Heidelbeer- und Rvtbeersträncher und Bergkräuter übrig bleiben. Da wird es auch schon fühlbar kälter. Die wunderlichen Gruppen der Granitblöcke werden hier erst recht sichtbar; diese sind ost von erstaunlicher Größe. Das mögen wohl die Spielbälle sein, die die bösen Geister einander znwerfen in der Walpurgisnacht. In der -bat, wenn man die obere Hälfte des Brockens besteigt, kann man sich nicht er¬ wehren, an die ergötzlichen Blocksberggeschichten zu denken. Es ist ein äußerst erschöpfender Weg und ich war froh, als ich endlich das lang¬ ersehnte Brockenhans zu Gesichte bekam. Heinrich Heine. 76. LieLesgruß. Leise zieht durch mein Gemüt Liebliches Geläute. Rlinge, kleines Frühlingslied, Rling hinaus ins weite! Uling hinaus bis au das Haus, wo die Blumen sprießen! wenn du eine Rose schaust, Sag', ich lass' sie grüßen. Heinrich Heine. «1» 324 77. meins Nuttsr. Ick bin'8 Asvvoknt, Ken Kopi reekt Kock traASn, Nein 8inn i8t anck ein kikcksn 8tarr nnä ^äks; Menn 8elk8t cier XöniA mir in8 ^.ntktr: 8äke, Ick vvürks nickt Kis ^.uAen nieker8ckIaAen. Dock, Keke Nnttsr, oken will ick'8 8LAen: Mie mäcktiA akck mein 8tol2Sr Nut 8ick bläke, In keiner 8skb 8ü6en, trauten kläke LrAreilt mick ott ein Kemut8volle8 2aAen. I8t 68 kein Oei8t, Ker keimkck mick be^winAet, Dein Koker Osi8t, Ker alls8 kükn kurckkrinAet Unk kkt^enk 8ick 2um Illimmel8kckte 8ckwinA6t? ^uält mick Kirinnerun^, Kall ick vsrüket 8o mancks Tat, Kis kir Ka8 Iksr^ betrübet, Oa8 8cköne Her^, Ka8 mick 80 8ekr ^ekeket? Heinriok Hs ins. 78. Das Grab im Busento. Nächtlich am Busento lispeln bei Cosenza dumpfe Lieder, Aus den Wassern schallt es Antwort und in Wirbeln klingt es wieder. lind Heu Fluß hinauf, hinunter ziehn die Schatten tapfrer Goten, Die den Manch beweinen, ihres Volkes besten Toten. Allzufrüh und fern der Heimat mußten hier sie ihn begraben, Während noch die Jugendlocken seine Schultern blond umgaben. Und am Ufer des Busento reihten sie sich um die Wette; Um die Strömung abzuleiten, gruben sie ein frisches Bette. In der wogenleeren Höhlung wühlten sie empor die Erde, Senkten tief hinein den Leichnam mit der Rüstung auf dem Pferde; Deckten dann mit Erde wieder ihn und seine stolze Habe, Daß die hohen Stromgewächse wüchsen aus dem Heldeugrabe. Abgelenkt zum zweiten Male, ward der Fluß herbeigezogen: Mächtig in ihr altes Bette schäumten die Busentowogen. Und es sang ein Chor von Männern: „Schlaf in deinen Heldenehren! Keines Römers schnöde Habsucht soll dir je dein Grab versehren!" 325 Sangen's und die Lobgesänge tönten fort im Gotenheere; Wälze sie, Busentowelle, wälze sie von Meer zu Meere! August Platen. 79. Die Kreuzschau. Der Pilger, der die Höhen überstiegen, Sah jenseits schon das ausgespannte Tal In Abenglut vor seinen Füßen liegen. Auf duft'ges Gras im milden Sonnenstrahl Streckt' er ermattet sich zur Ruhe nieder, Indem er seinem Schöpfer sich befahl. Ihm fielen zu die matten Augenlider, Doch seinen wachen Geist enthob ein Traum Der ird'schen Hülle seiner trägen Glieder. Der Schild der Sonne ward im Himmelsraum Zu Gottes Angesicht, das Firmament Zu seinem Kleid, das Land zu dessen Saum. „Du wirst dem, dessen Herz dich Vater nennt, Nicht, Herr, im Zorn entziehen deinen Frieden, Wenn seine Schwächen er vor dir bekennt. Daß, wer auf Erden lebt, sein Kreuz hieniedeu Auch duldend tragen muß, ich weiß es lange, Doch sind der Menschen Last und Leid verschieden. Mein Kreuz ist allzuschwer; sieh, ich verlange Die Last nnr angemessen meiner Kraft; Ich unterliege, Herr, zu hartem Zwange." Wie er so sprach zum Höchsten kinderhaft, Kam brausend her der Sturm und es geschah, Daß aufwärts er sich fühlte hingerafft. Und wie er Boden faßte, fand er da Sich einsam in der Mitte räum'ger Hallen, Wo ringsum sonder Zahl er Kreuze sah. Und eine Stimme hört' er dröhnend hallen: „Hier ausgespeichert ist das Leid; du hast Zu wählen unter diesen Kreuzen allen." 326 Versuchend ging er da, unschlüssig fast, Von einem Kreuz zum anderen umher, Sich auszuprüfen die bequemre Last. Dies Kreuz war ihm zu groß und das zu schwer, So schwer und groß war jenes andre nicht, Doch, scharf von Kanten, drückt' es desto mehr. Das dort, das warf wie Gold ein gleißend Licht, Das lockt' ihn, unversucht es nicht zu lassen; Dem goldnen Glanz entsprach auch das Gewicht. Er mochte dieses heben, jenes fassen, Zu keinem neigte noch sich seine Wahl, Es wollte keines, keines für ihn passen. Durchmustert hatt' er schon die ganze Zahl — Verlorne Müh', vergebens war's geschehen! Durchmustern mußt' er sie zum andernmal. Und nun gewahrt' er, früher übersehen, Ein Kreuz, das leidlicher ihm schien zu sein, Und bei dem einen blieb er endlich stehen. Ein schlichtes Marterholz, nicht leicht, allein Ihm paßlich und gerecht nach Kraft und Maß: „Herr," rief er, „so du willst, dies Kreuz sei mein!" Und wie er's prüfend mit den Augen maß — Es war dasselbe, das er sonst getragen, Wogegen er zu murren sich vermaß. Er lud es aus und trug's nun sonder Klagen. Adalbert Chamisso. 80. Hoffnung. Und dränt der Winter noch so sehr Mit trotzigen Gebärden Und streut er Eis und Schnee umher, Es muß doch Frühling werden. Und drängen die Nebel noch so dicht Sich vor den Blick der Sonne, Sie wecket doch mit ihrem Licht Einmal die Welt zur Wonne. Blast nur, ihr Stürme, blast mit Macht, Mir soll darob nicht bangen; Auf leisen Sohlen über Nacht Kommt doch der Lenz gegangen. Da wacht die Erde grünend auf, Weiß nicht, wie ihr geschehen, Und lacht in den sonnigen Himmelhinauf Und möchte vor Lust vergehen. 327 Sie flicht sich blühende Kränze ins Haar Und schmückt sich mit Rosen und Ähren Und läßt die Brünnlein rieseln klar, Als wären es Freudenzähren. Drum still, und wie es frieren mag, O Herz, gib dich zufrieden! Es ist ein großer Maientag Der ganzen Welt beschicken. Und wenn dir oft auch bangt und graut, Als sei die Hüll' auf Erden, Nur unverzagt auf Gott vertraut! Es muß doch Frühling werden. 81. Franz Grillparzer. Em. Geibel. Weit über die Grenzen Österreichs hinaus ist die Bewunderung für den Dichter Franz Grillparzer gedrungen, der am 15. Januar 1791 zu Wien geboren worden. Sein Vater war ein Rechtsanwalt, von dem er wohl die ernste Auffassung des Lebens geerbt, während er gleich dem Dichter Goethe seinem Mütterchen die Lust zu fabulieren verdankte. „Die Welt wird lernen müssen, seinen Na¬ men auszusprechen," hatte der englische Dichter Byron einst von Grillparzer in Bezug auf dessen für Ausländer schwer auszusprechenden Namen ge¬ sagt. Und so ist es auch gekommen. Sein erstes Werk, durch das er sofort berühmt wurde, war die „Ahn¬ frau"; dann folgten „Sappho", „Des Meeres und der Liebe Wellen", die Trilogie*) „Das goldene Vlies", welche die Argonantensage behan¬ delt, „König Ottokars Glück und Ende", „Der Traum ein Leben", „Ein treuer Diener seines Herrn". Nach seinem Tode erschienen: Franz Grillparzer. „Ein Bruderzwist im Hause Habs¬ burg", „Die Jüdin von Toledo" und „Libussa". Auch ein Lustspiel „Wehe dem, der lügt", viele meisterhafte Gedichte und eine Anzahl pro¬ saischer Schriften, darunter die Novelle „Der arme Spielmaun", ver- y Aus drei Teilen bestehend. 328 danken wir diesem Sänger. Die meisten seiner Dramen sind mit rau¬ schendem Erfolge im Burgtheater, der vornehmsten Bühne Wiens, ge¬ geben worden. Merkwürdig ist, daß gerade jene Stücke, welche die warme Liebe fürs Vaterland und die treue Anhänglichkeit an das Herrscherhaus am begeistertsten schildern, erst spät und nach vielen Schwierigkeiten zur Aufführung gelangten. So ist es dem Drama „König Ottokars Glück und Ende" ergangen. Vielleicht wäre dieses Stück, das die Be¬ gründung des Habsburgerreiches und den glänzenden Sieg Rudolfs I. über seinen Gegner Ottokar von Böhmen schildert, niemals aufgeführt worden und wohl ganz in Vergessenheit geraten, wenn nicht die damalige Kaiserin Karolina Augusta während eines Unwohlseins ein neues Stück zur Lektüre verlangt und zufällig dieses erhalten hätte. Es gefiel ihr so gut, daß sie sofort dessen Aufführung beim Kaiser durchsetzte. An seinem 80. Geburtstage wurden dem Dichter Grillparzer sowohl von dem Kaiser als auch von der Bevölkerung hohe Ehren dargebracht. Die Stadt Wien ernannte ihn zu ihrem Ehrenbürger und der Bürger¬ meister brachte ihm selbst die Ehrenurkunde in die im vierten Stockwerke be¬ findliche Wohnung, welche so dürftig in ihrer Ausstattung war, daß einer der Gemeinderäte, die den Bürgermeister begleiteten, auf dem Rückwege sagte: „So wohnt Österreichs größter Dichter!"! Schon früher war Grillparzer vom Kaiser zum lebenslänglichen Mit- gliede des Herrenhauses ernannt worden. An seinem 80. Geburtstage richtete der Monarch ein Handschreiben an den Jubilar und verlieh ihm neben dem Großkreuze des Franz Josefs-Ordens einen außerordentlichen Jahresgehalt von 3000 fl. aus seiner Privatkasse. Leider sollte es dem Dichter nicht lange vergönnt sein, sich dieses Zeichens allerhöchster Huld sowie des Gedankens zu freuen, daß allmählich seine Bedeutung als Dichter überall anerkannt wurde. Am 21. Januar 1872 schloß er die müden Augen für immer. Kein Dichter unseres Vaterlandes wurde unter so allgemeiner Teilnahme zur letzten Ruhe geleitet wie Franz Grillparzer. Dem Dichter hat die dankbare Vaterstadt im Jahre 1889 ein würdiges Denkmal gesetzt. In demselben Jahre bildete sich in Wien, von Schrift¬ stellern und Gelehrten angeregt, eine Grillparzer-Gesellschaft, die sich die Aufgabe gestellt hat, die Kenntnis der unsterblichen Werke Grillparzers und die Verehrung für den Dichter in immer weitere Kreise zu tragen. D. u. Rolfs. 329 82. Ans „König Ottokars Glück und Ende". Österreichs Land und Volk -— Es ist ein gutes Land, Wohl wert, daß sich ein Fürst sein unterwinde. Wo habt Ihr dessengleichen schon gesehen? Schaut ringsumher, wohin der Blick sich wendet, Lacht's wie dem Bräutigam die Braut entgegen! Mit Hellem Wiesengrün und Saatengold, Von Lein und Sasran gelb und blau gestickt, Von Blumen süß durchwürzt und edlem Kraut, Schweift es in breitgestreckten Tälern hin — Ein voller Blumenstrauß, soweit es reicht, Vom Silberband der Donau rings umwunden — Hebt sich's empor zu Hügeln voller Wein, Wo auf und auf die goldne Traube hängt Und schwellend reift in Gottes Sonnenglanze; Der dunkle Wald voll Jagdlust krönt das Ganze. Und Gottes lauer Hauch schwebt drüber hin Und wärmt und reift und macht die Pulse schlagen, Wie nie ein Puls auf kalten Steppen schlägt. Drum ist der Österreicher froh und frank, Trägt seinen Fehl, trägt offen seine Freuden, Beneidet nicht, läßt lieber sich beneiden. Und was er tut, ist frohen Muts getan. 's ist möglich, daß in Sachsen und beim Rhein Es Leute gibt, die mehr in Büchern lasen; Allein was not tut und was Gott gefällt, Der klare Blick, der offne, richt'ge Sinn, Da tritt der Österreicher hin vor jeden, Denkt sich sein Teil und läßt die andern reden. O gutes Land, o Vaterland! Inmitten Dem Kind Italien und deni Manne Deutschland Liegst du, der wangenrote Jüngling, da; Erhalte Gott dir deinen Jugendsinn Und mache gut, was andere verdarben! Ottokars Unterwerfung. Obwohl die Österreicher dem Kaiser Rudolf zujubelten, als er in die Lande der Ost¬ mark kam, so wollte er doch eine Entscheidungsschlacht vermeiden und lud Ottokar zu einem gütlichen Gespräche auf der Tonauinsel Kaumburg ein. Infolge kluger Vermittlung nimmt Ottokar trotz inneren Widerstrebens die Einladung an. 330 Rechts im Vordergründe steht ein Feldstuhl. Der Kaiser Rudolf läßt sich nieder, sein Gefolge steht um ihn. König Ottokar kommt in glänzender Rüstung, in reichgesticktem Mantel, statt des Helms die Krone auf dem Haupte. Hinter ihm der Kanzler und Gefolge. Ottokar (vom Hintergründe her auftretend). Ich suche nun schon lange rechts und links; Wo habt ihr euern Kaiser, edle Herren? Ihr da, Herr Merenberg? Trifft man Euch hier? Ich denk', Euch schon noch anderswo zu treffen! Nun, wo ist Rudolf? Ah! (Er erblickt ihn und geht auf ihn zu.) Gott grüß' Euch, Habsburg! Rudolf (der aufsteht, zu denen, die um ihn stehen). Warum steht ihr entblößten Hauptes da? Kommt Ottokar zu Habsburg, Mensch zum Menschen, So mag auch Hinz und Kunz sein Haupt bedecken, Ist er doch ihresgleichen: Mensch. — Bedeckt euch! Doch kommt der Leheusmann zum Lehensherrn, Der Böhmen pflicht'ger Fürst zu Deutschlands Kaiser, (unter sie tretend) Dann weh' dem, der die Ehrfurcht mir verletzt! . (Mit starken Schritten auf ihn losgehend.) Wie geht's Euch, Ottokar? Was führt Euch her? Ottokar (der betroffen einen Schritt zurückgetreten ist). Zur — Unterredung hat man mich geladen. Rudolf. Ja so, Ihr kommt zu reden in Geschäften? Ich dacht', es wär' ein freundlicher Besuch. Zur Sache denn! Wie kommt's, mein Fürst von Böhmen, Daß Ihr erst jetzt auf meinen Rus erscheint? Ich ließ Euch laden schon zu dreienmalen, Nach Nürnberg, dann nach Würzburg und nach Augsburg, Daß Ihr die Lehen nähmt von Eurem Land; Allein Ihr kamt nicht. Nur das letztemal Erschien statt Euer der würd'ge Herr von Seckau; Doch der nicht allzu würdig sich benahm. Ottokar. Die Leh'n von Böhmen gab mir König Richard. Rudolf. Ja, der von Cornwall. Ei, es gab 'ne Zeit, Wo man in Deutschland für sein bares Geld Noch mehr erhalten könnt' als Leh'n und Land! Doch damit ist's vorbei. Ich hab's geschworen, Geschworen meinem großen, gnäd'gen Gott, 331 Daß Recht soll herrschen und Gerechtigkeit Im deutschen Land; und so soll's sein und bleiben! Ihr habt Euch schlecht benommen, Herr von Böhmen, Als Reichsfürst gegen Kaiser und das Reich. Dem Erzbischof von Salzburg seid Ihr feindlich Mit Raub und Mord gefallen in sein Land Und Eure Völker haben drin gehaust, Daß Heiden sich der Greuel scheuen würden. Ottokar. Die Fehde ward ihm ehrlich angesagt. Rudolf. Hier aber gilt's nicht Fehde: Ruhe, Herr! Die Lande Österreich und Steiermark Mit Kärnten und mit Kram, der wind'schen Mark, Als ungerecht dem Reiche vorenthalten, Gebt wieder Ihr zurück in meine Hand! Ist hier nicht Feder und Papier? Wir wollen Die Handfest gleich in Ordnung bringen lassen! Ottokar. Ha, beim allmächt'gen Gott! Wer bin ich denn? Ist das nicht Ottokar, nicht das sein Schwert, Daß man in solchem Ton zu sprechen wagt? Wie aber dann, Herr, wenn statt aller Antwort Der Donau breiten Pfad zurück ich messe Und weiter frag' an meines Heeres Spitze? Rudolf. Noch vor zwölf Monden kamt Ihr mir zurecht, Wenn Ihr der Waffen blut'gen Ausspruch wähltet! Ihr seid ein kriegserfahrner Fürst, wer zweifelt? Und Euer Heer, es ist gewohnt zu siegen, Von Gold und Silber starret Euer Schatz; Mir fehlt's an manchem, fehlt's an vielem wohl Und doch, Herr, seht, bin ich so festen Muts: Wenn diese mich verließen alle hier, Der letzte Knecht aus meinem Lager wiche, Die Krone auf dem Haupt, das Zepter in der Hand, Ging' ich allein in Euer trotzend Lager Und rief' Euch zu: Herr, gebet, was des Reichs! Ich bin nicht der, den Ihr voreinst gekannt; Nicht Habsburg bin ich, selber Rudolf'nicht; In diesen Adern rollet Deutschlands Blut Und Deutschlands Pulsschlag klopft in diesem Herzen. Was sterblich war, ich hab' es ausgezogen Und bin der Kaiser nur, der niemals stirbt. 332 Als mich die Stimme der Erhöhung traf, Als mir, dem nie von solchem Glück geträumt, Der Herr der Welten auf mein niedrig Haupt Mit eins gesetzt die Krone seines Reichs, Als mir das Salböl von der Stirne troff, Da ward ich tief des Wunders mir bewußt Und hab' gelernt, auf Wunder zu vertrau'n. Kein Fürst des Reichs, der mächt'ger nicht als ich; Und jetzt gehorchen mir des Reiches Fürsten! Die Friedensstörer wichen meiner Stimme; Ich könnt' es nicht, doch Gott erschreckte sie. Fünf Schilling leichtes Geld in meinem Säckel, Setzt' ich in Ulm zur Heerfahrt mich ins Schiff; Der Bayernherzog trotzte, er erlag; Mit wenig Kriegern kam ich her ins Land; Das Land, es sandte selbst mir seine Krieger, Aus Euern Reihen traten sie zu mir Und Österreich bezwingt mir Österreich. Geschworen hab' ich, Ruh' und Recht zu schirmen, Beim allessehenden, dreiein'gen Gott. Nicht so viel, sieh, nicht eines Haares Breite Sollst du von dem behalten, was nicht dein! Und so tret' ich im Angesicht des Himmels Vor dich hin, rufend: Gib, was du vom Reich! Ottokar. Die Lande hier siud mein! Rudolf. Sie waren's nie! Ottokar. Mein Weib, Margrete, brachte sie mir zu. Rudolf. Wo ist Margrete nun? Ottokar. Wo immer, gleichviel! Sie gab mir dies ihr Land. Rudolf. Soll ich sie selber Als Richtrin stellen zwischen uns? — Sie ist im Lager! Ottokar. Im Lager hier? Rudolf (mit geändertem Tone). Die Ihr so schwer beleidigt, An Rechten und an Freuden hart beraubt, Heut' morgens kam sie, milden Sinnes, bittend Um Schonung für den Mann, der ihrer nie geschont. Ottokar. Die Mühe konnte sich die Frau ersparen. Wo Ottokar, da braucht's der Bitten nicht. 333 Rudolf (stark). Wohl braucht's der Bitten, mein Herr Fürst von Böhmen; Denn sprech' ich nur ein Wort, seid Ihr verloren. Ottokar. Verloren? Rudolf. Ja! Von Böhmen abgeschnitten. Ottokar. Indes Ihr Wien belagert, mach' ich's frei. Rudolf. Herr, Wien ist über. Ottokar. Ich weiß, daß ich verraten bin. Doch triumphiere nicht! Noch spott' ich dein. Aus Steiermark naht mir ein stattlich Heer Mit Milota, dem treuerprobten Führer; Im Rücken saßt er deine Mietlingsschar, Indes wie Donnerwolken Ottokar Von vorneher die schwachen Halme knickt Und kein Entrinnen bleibt als in die Donau. Rudolf. O sprich nicht weiter, allzu rascher Fürst! Ottokar. Erkennst du nun, wie weit du noch vom Ziel? Rudolf. Auf Milota bau' deine Hoffnung nicht! Ottokar. Mein Grund steht fest; an dir ist's wohl zu zittern. In Waffen sehn wir uns. Leb' wohl! Rudolf. Du gehst? Du gibst die Lande nicht? Ottokar (zum Abgehen gewendet). Ob ich sie gebe? Rudolf. Nun wohl, so sprich denn selbst mit Milota, Ob du mit Grund ihm so viel magst vertrauen! (Milota tritt auf in Ketten.) So brachten mir die Herren ihn von Steier, In Ketten, weil er grimmig sie gedrückt. Nehmt ihm die Fesseln ab! — Hier ist das Banner- Bon Steiermark und hier ist Ostreichs Banner! (Landesherren von Österreich und Steiermark treten auf des Kaisers Seite vor mit Banner und Farben ihres Landes.) Sie gaben selbst sich in des Reiches Schutz. Steht nicht so traurig da, mein Fürst von Böhmen! Schaut um Euch her! Die Wolken sind entflocht Und klar seht Ihr nun alles, wie es ist. Wenn Österreich verloren — Ottokar. Ha, noch nickt! 334 Rudolf. Täuscht Euch nicht selbst! Ihr fühlt's in Eurem Innern, Daß es verloren ist, und zwar auf immer. Ihr wart ein mächt'ger Fürst, ein großer König, EH' die Gelegenheit des Mehrbesitzes In Euch entzündet auch den Wunsch dazu. Ihr werdet's bleiben, mächtig, reich und groß, Wenn auch verloren, was nicht halten konnte. Denn Gott verhüte, daß ich einen Finger Ausstrecke nach dem'Gut, das Euch gehört! Auch könnt' ich's nicht. Euch bleibt ein mächtig Heer, Zu aller Art des Streites wohlgerüstet Und zweifelhaft ist aller Schlachten Glück. Allein tut's nicht! Verkennt nicht Gottes Hand, Die Euch gewiesen, was sein heil'ger Wille! Mich hat wie Euch der eitle Drang der Ehre Mit sich geführt in meiner ersten Zeit; An Fremden und Verwandten, Freund und Feind Übt' ich der raschen Tatkraft jungen Arm, Als wär' die Welt ein weiter Schauplatz nur Für Rudolf und sein Schwert. In Bann gefallen, Zog ich mit Euch in Preußens Heidenkrieg, Focht ich die Ungarschlacht an Eurer Seite; Doch murrt' ich innerlich ob jener Schranken, Die Reich und Kirche allzu ängstlich fetzen Dem raschen Mut, der größern Spielraums wert. Da nahm mich Gott mit seiner starken Hand Und setzte mich auf jene Thronesstufen, Die aufgerichtet stehn ob einer Welt. Und gleich dem Waller, der den Berg erklommen Und nun hinabsieht in die weite Gegend Und auf die Mauern, die ihn sonst gedrückt, So fiel's wie Schuppen ab von meinen Augen Und all mein Ehrgeiz war mit eins geheilt. Die Welt ist da, damit wir alle leben, Und groß ist nur der ein' allein'ge Gott. Der Jugendtraum der Erde ist geträumt Und mit den Riesen, mit den Drachen ist Der Helden, der Gewalt'gen Zeit dahin. Nicht Völker stürzen sich wie Berglawinen Auf Völker mehr, die Gärung scheidet sich 335 Und nach den Zeichen sollt' es fast mich dünken, Wir stehn am Eingang einer neuen Zeit. Der Bauer folgt in Frieden seinem Pflug, Es rührt sich in der Stadt der fleiß'ge Bürger, Gewerb und Innung hebt das Haupt empor, In Schwaben, in der Schweiz denkt man auf Bünde Und raschen Schiffes strebt die muntre Hansa Nach Nord und Ost um Handel und Gewinn. Ihr habt der Euren Vorteil stets gewollt; Gönnt ihnen Ruh', Ihr könnt nichts Bess'res geben! O Ottokar! Es war 'ne schöne Zeit, Als wir, aus Preußen rückgekommen, saßen Im Söller Eures Schlosses am Hradschiu, Von künft'gen Tagen, künft'gen Taten sprachen! Bei uns saß damals Königin Margrete — Wollt Ihr sie sehn? Margrete sehen? Ottokar. Herr! Rudolf. Daß Ihr den Friedensengel von Euch stießt, Der sanft versöhnend ob Euch waltete, Die rasche Glut mit Segenswort besprach Und treulich, eine liebe Schwester, sorgte! Mit ihr habt Ihr das Glück von Euch verbannt. Ihr seid in Eurem Haus nicht glücklich, Ottokar. — Wollt Ihr Margreten sehn? Sie ist im Lager. Ottokar. Nein, Herr! Allein die Lehen will ich nehmen. Rudolf. Von Böhmen und von Mähren? Ottokar. Ja, Herr Kaiser! Rudolf. Dem Reich erstatten — ? Ottokar. Ostreich, Steiermark, Was ich vom Reich, was sich von mir getrennt. Ich habe viel für sie getan. Der Undank, Der Menschen Schlechtheit ekelt tief mich an. Rudolf. So kommt ins Zelt! Ottokar. Warum nicht hier? Rudolf. Es werden Des Reiches Lehen kniend nur genommen. Ottokar. Ich knien? Rudolf. Das Zelt verbirgt uns jedem Auge. Dort sollt Ihr knien vor Gott und vor dem Reich, Vor keinem, der ein Sterblicher wie wir. 336 Ottokar. Wohlan! Rudolf. Ihr wollt? Gesegnet sei die Stunde! Geht Ihr voran, ich folg' Euch freudig nach; Wir beide feiern einen großen Sieg! (Sie gehen ins Zelt, die Vorhänge fallen zu.) Milvta (der zu den Seinigcn hinüber geht>. Nun, Gott sei Dank! Das macht mich wieder frei! Der letzten Zeit will ich mein' Tage denken. Belehnung Ottokars mit Böhmen und Mähren. (Relief des Wiener Grillparzer- Monumentes von Weyr.) Photogr. Aug. Stauda, Wien. Zawisch von Rosenberg (kommt). Wo ist der König? Mi lota. In des Kaisers Zelt. Er nimmt die Leh'n. Zawisch. Ho, ho und so verborgen? Das müssen alle sehn, die treuen Herzens sind. 337 «Sr haut mit dem Schwert die Zeltschnüre ab, die Vorhänge fallen und man sieht Ottokar vor Rudolf knien, der ihm eben mit dem Schwerte die Lehen von Böhmen erteilt hat.) Zawisch. Der König kniet! Die Böhmen (unter sich). Der König kniet! Ottokar. Ha, Schmach! (Er springt auf und eilt in den Vordergrund.) Rudolf (der ihm folgt, mit der Fahne von Mähren in der Hand). Wollt Ihr die Leh'n nicht auch auf Mähren nehmen? (Ottokar läßt sich auf ein Knie nieder.) Rudolf (mdem er ihm die Fahne von Mähren gibt). So leih' ich Euch die Markgrafschaft von Mähren Und nehm' Euch in des Reiches Eid und Pflicht Im Namen Gottes und durch meine Macht. Steht auf, Herr König, nnd mit diesem Kuß Begrüß' ich Euch als Leh'nsmann und als Bruder. . Ihr aber, die ihr Ostreich angehört Und Lehen tragt von seines Landes Fürsten, Kommt mit nach Wien, um dort den Eid der Treue, Den Lehenseid in unsre Hand zu leisten! Ihr folgt uns doch, geehrter Herr und König? (Ottokar neigt sich.) Nun, ich erwart' Euch, wenn's Euch wohlgefällt. Ihr schwingt die Fahnen, laßt den Jubel tönen Dem blutlos schönen Sieg der holden Eintracht! Franz Grillparzer. 83. Ein altes Lied. Als ich noch ein Knabe war, Rein und ohne Falte, Klang das Lied mir wunderbar, Jenes „Gott erhalte". Selbst in Mitte der Gefahr, Von Getös' umrungen, Hört' ich's weit entfernt, doch klar Wie von Engelszungen. Und nun müd' und wegeskrank, Alt, doch auch der Alte, Sprech' ich Hoffnung aus und Dank Durch das „Gott erhalte". Franz Grillparzer. 84. Der Lieblich war die Maiennacht, Silberwölklein flogen, Ob der holden Frühlingspracht Freudig hingezogen. Frisch und Rudolf, Lesebuch für Bürgerschulen. Postillon. Schlummernd lagen Wies' und Hain, Jeder Pfad verlassen; Niemand als der Mondenschein Wachte auf der Straßen. 22 338 Leise nur das Lüftchen sprach Und es zog gelinder Durch das stille Schlafgemach All der Frühlingskinder. Schwager ritt auf seiner Bahn Stiller jetzt und trüber; Und die Rosse hielt er an, Sah zum Kreuz hinüber: Heimlich nur das Bächlein schlich, Denn der Blüten Träume Dufteten gar wonniglich Durch die stillen Räume. Rauher war mein Postillon, Ließ die Geißel knallen. Über Berg und Tal davon Frisch sein Horn erschallen. Und von flinken Rossen vier Scholl der Hufe Schlagen, Die durchs blühende Revier Trabten mit Behagen. Wald und Flur im schnellen Zug Kaum gegrüßt — gemieden; Und vorbei wie Traumesslug Schwand der Dörfer Frieden. Mitten in dem Maienglück Lag ein Kirchhof innen, Der den raschen Wanderblick Hielt zu ernstem Sinnen. Hingelehnt an Bergesrand War die bleiche Mauer Und das Kreuzbild Gottes stand Hoch in stummer Trauer. 85. Die Ich zog durchs weite Ungarland; Mein Herz fand seine Freude, Als Dorf und Busch und Baum ver¬ schwand Auf einer stillen Heide. Die Heide war so still, so leer, Am Abendhimmel zogen Die Wolken hin, gewitterschwer, Und leise Blitze flogen. „Halten muß hier Roß und Rad., Mag's Euch nicht gefährden; Drüben liegt mein Kamerad In der kühlen Erden. Ein gar herzlieber Gesell! Herr, 's ist ewig schade. Keiner blies das Horn so hell Wie mein Kamerade. Hier ich immer halten muß, Dem dort unterm Rasen Znm getreuen Brudergruß Sein Leiblied zu blasen." Und dem Kirchhof sandt' er zu Frohe Wandersänge, Daß es in die Grabesruh' Seinem Bruder dränge. Und des Hornes Heller Ton Klang vom Berge wieder. Ob der tote Postillon Stimmt' in seine Lieder. Weiter ging's durch Feld und Hag Mit verhängtem Zügel: Lang mir noch im Ohre lag Jener Klang vom Hügels Nikolaus Lenau. Da hört' ich in der Ferne was, In dunkler, meilenweiter; Ich legte 's Ohr ans knappe Gras, Mir war, als kämen Reiter. Und als sie kamen näherwärts, Begann der Grund zu zittern. Stets bänger wie ein zages Herz Vor nahenden Gewittern. 339 Her tobte nun ein Pferdehauf, Von Hirten angetrieben Zu rastlos wildem Sturmeslauf Mit lauten Geißelhieben. Es schwieg der Sturm, das Wetter schwand; Froh, daß es fortgezogen, Sprang übers ganze Heideland Der junge Regenbogen. Der Rappe peitscht den Grund geschwind Zurück mit starken Hufen, Wirft aus dem Wege sich den Wind, Hört nicht sein scheltend Rufen. Gezwungen ist in strenge Haft, Des Wildfangs tolles Jagen, Denn klammernd herrscht des Reiters Kraft Um feinen Bauch geschlagen. Sie flogen hin, woher mit Macht Das Wetter kam gedrungen; Verschwanden — ob die Wolkennacht Mit einmal sie verschlungen. Doch meint' ich nun und immer noch Zu hören und zu sehen Der Hufe donnerndes Gepoch, Der Mähnen schwarzes Wehen. Die Wolken schienen Rosse mir, Die eilend sich vermengten, Des Himmels hallendes Revier- Im Donnerlauf durchsprengten, Der Sturm ein wackrer Rosseknecht, Sein muntres Liedel singend, Daß sich die Herde tummle recht, Des Blitzes Geißel schwingend. Schon rannten sich die Rosse heiß, Matt war der Hufe Klopfen Und auf die Heide sank ihr Schweiß In schweren Regentropfen. Nun brach die Dämmerung herein, Mir winkt' von fernen Hügeln Herüber weißer Wände Schein, Die Schritte zu beflügeln. Die Hügel nahten allgemach; Die Sonne wies im Sinken Mir noch von Rohr das braune Dach, Ließ hell die Fenster blinken. Am Giebel tanzte wie berauscht Des Weines grüner Zeiger, Und als ich freudig hinge¬ lauscht, Hört' ich Gesang und Geiger. Bald kehrt' ich ein und setzte mich Allein mit meinem Kruge; An mir vorüber drehte sich Der Tanz im raschen Fluge. Die Dirnen waren frisch und jung Und hatten schlanke Leiber, Gar flink im Drehen, leicht im Sprung, Die Bursche — waren Räuber. Die Hände klatschten und im Takt Hell klirrt des Spornes Eisen; Das Lied frohlocket und es klagt Schwermütig kühne Weisen. Ein Räuber singt: „Wir sind so frei, So selig, meine Brüder!" Am Jubeln seines Munds vorbei Schleicht eine Träne nieder. Der Hauptmann sitzt, aus seinen Arm Das braune Antlitz senkend; Erscheint entrückt dem lauten Schwarm, Wie an sein Schicksal denkend. Stets wilder in die Seelen geigt Nun die Zigeunerbande, Der Freude süßes Rasen steigt Laut auf zum höchsten Brande. 22* 340 Und selbst des Hauptmanns Angesicht Hat Freude überkommen; Da dacht' ich an das Hochgericht Und ging hinaus beklommen. Er hörte nichts, da blieb er stehn, Um in die Hellen Sterne, Um in den Hellen Mond zu sehn, Als möcht' er sagen gerne: Die Heide war so still, so leer, Am Himmel nur war Leben; Ich sah der Sterne strahlend Heer, Des Mondes Völle schweben. Der Hauptmann auch entschlich dem Haus; Mit wachsamer Gebärde Rings horcht er in die Nacht hinaus, Dann horcht er in die Erde, Ob er nicht höre schon den Tritt Ereilender Gefahren, Ob leise nicht der Grund verriet Ansprengende Husaren. „O Mond im weißenUnschnldskleid Ihr Sterne dort unzählig! In eurer stillen Sicherheit, Wie wandert ihr so selig!" Er lauschte wieder — und er sprang Und rief hinein zum Hanse Und seiner Stimme Macht verschlang Urplötzlich das Gebrause. Und eh' das Herz mir dreimal schlug. So saßen sie zu Pferde Und auf und davon im schnellsten Flug, Daß rings erbebte die Erde. Doch die Zigeuner blieben hier Die feurigen Gesellen, Und spielten alte Lieder mir Rakoczys, des Rebellen. 86. An mein Batcrland. Nikolaus Lenau. Nikolaus Lenau. Wie fern, wie fern, o Vaterland, Bist du mir nun zurück! Dein liebes Angesicht verschwand Mir wie ein Jugendglück. Ich steh' allein und denk' an dich; Ich schau' ins Meer hinaus Und meine Träume mengen sich Ins nächtliche Gebraus. Und lausch' ich recht hinab zur Flut, Ergreift mich Freude schier; Da wird so heimisch mir zu Mut, Als hört' ich was von dir. Mir ist, ich hör' im Winde gehn Dein heilig Eichenlaub, Wo die Gedanken still verwehn Den süßen Stundenraub. 341 Im ungestümen Wogendrang Braust mir dein Felsenbach, Mit dumpfem, vorwurfsvollem Klang Ruft er dem Freunde nach. Und deiner Herden Glockenschall Zu mir herüberzieht Und leise der verlorne Hall Von deinem Alpenlied. Der Bogel im Gezweige singt, Wehmütig rauscht der Hain Und jedes Blatt am Baume klingt Und ruft: „Gedenke mein!" Als ich am fremden Grenzefluß Still stand auf deinem Saum, Als ich zum trüben Scheidegruß Umfing den letzten Baum Und meine Zähre trennungsscheu In seine Rinde lief: Gelobt' ich dir die ew'ge Treu' In meinen: Herzen tief. Nun denk' ich dein so sehnsuchtsschwer, Wo manches Herz mir hold, Und ströme dir ins dunkle Meer Den warmen Tränensold. N. Lenau. 87. Anastasius tlinin. ^.uastasius 6rüu fiat rvis fisiu ^rvsitsr Oiofitsr Östsrrsisfis sr- rvsofisuck, ruafiusuä. rvarusuä unci uiu^sstaltsnä in Urs 2sit siuAo- Awitksu. fifi- rvar Uas ^ürusuäs null. straisnäs Osvisssu Ostsrrsisfis. cisr Lisrolä äer Oröks uuä äss Rufiius uussrss Vatsrlauäss. IVas 6is IVsIt nur ^sssu uuä Lfiarafitsr äsr östsrrsiofiissfisu Völker lisfit uuä sfirt, äas fiaru in ssiusu ifiis- äsru rvis in ssiuem fi-sfisu xnr fisrrfiofistsu Llüts unci filutialtuuA. Oaruiu rvirä ssiu Vsrruäefituis äis i^sitsu üfisräausru, ssiu finsä rvlrä trsusr als äis äafirbüsfier äsr Ossofiiefits lorusu äafirfiuuäsrtsu sr^äfilsu von allsiu, rvas uns tsusr uuä fisili^ rvar, rvouaofi rvir rau A6U, voiür rvir littsu uucl fiitiupi- tsu, rvircl sr^äfilsu von äsr kraofit uuä lflröfis unssrss Vatsrlauäss, vou uusorour Liscksrsiuu uuä l?rc>fi- Aoruüt, vou uusorsr Irsus uuck lüofiti^fisit, rvircl äou iuusrstou Xsru uusorsr fifi^suart allor 2u- fiuuü outfiüllou. Anastasius Grün. Nit Uoru Nsr^filuto ssiuos Volfiss siuci Anastasius 6rüus Ifisckor Assofiriofisu; claruiu siuä sis auofi tisi in clas Usvvukt- ssiu uussrss Volfiss siuAsckruuASn. Ofius ifiu rvüräs uns äsr fisllsts trostspsuäsuäs 8tsru aru Oiofitsrfiiiurusl Ostsrrsisfis ksfilsu. 342 ^.nton Vlexandsr dral von Vuerspsrg, der sieb als Diobter Anasta¬ sius drun nannte, stellt neben Bikolaus Dsnau und drillpar^er an der Fpit^s der deutsoböstsrrsiobisobsn kosten, kb wurde an» 11. lVpril 1806 2U Daibaob in Krain geborsu. seins srsts kr^isbung erliielt er im slterlioben Ilauss auk dem soblosss lburn am Hart. Im sommsr dss dabres 1813 übergab ibn sein Vatsr xur weiteren Ausbildung dsm lberssianum in Vben; von dort trat er später in dis Ingsnisnr- ^kadsmis über. Durob dsn plötv.bolien lod seines Vatsrs bei en ilim. dem sinrugsn inännbeben krbsn, dis dütsr 6urbleid und lburn am Hart 2U. Baobdem er an dsn Ilnivsrsitätsn in dra2 und Wien studiert batte, übernabm er 1831 dis Verwaltung seiner düter und lebte viels labrs bindurob in stiller ^nrüokgs^ogsnbeit nur dsr Nuss. In disssr Xsit ersobiensn seins meisten Diobtungsn. seinen kni und Bubm als süngsr dsr kreibeit in Osterreiob begründete er dureb dis 1831 in Hamburg veröllentliobten „spaxiergängs eines ^Viensr koetsn^, ferner dureb dsn „sobutt" und seins „dsdiobte^. sebon vorbsr batte sr den Boman^snkranr: „Der letzte Bitter^, beraus- gsgebsn. Von ssinsm krbsoblosss aus bereiste sr wiedsrbolt das nabe Italisn und begab sieb naeb krankrsiob, Lelgisn und kngland. Im .labre 1861 wurde er vom Kaiser 2 um Isbenslängliobsn Nitglieds dss Hsrrsnbausss ernannt, liier gab er als staatsmann und Volks- vsrtrstsr glänzende Lsweiss seiner boben Begabung. kast un^äblbar waren dis kbrenbörisigungsn, dis ibm am 11. ^pril 1876 bsi dsr ksisr seines 70. dsburtstagss 2U teil wurdsn. Disssr kbrsntag wird dsn Deutsebösterrsiobsrn, insbssondsrs dsn steisrmärksrn, in dsrsn Nitts dsr dubilar weilte, un vergeb lieb blsiben. Vllsin dis sobioksalsgöttsr svbisnen dem sebbebtsn Diobter dsn dlan^ niebt 2u gönnen, mit dsm ibn die Diebs und dis Vsr- sbrung dsr Lisitgsnossen umgaben. Denn sebon bislten sie das drabtuob bereit, um dis dsstalt dss geleierten sängsrs und l?atriotsn mit all seinsn Bubmeskränrisn für immer 2U vsrbüllsn. Wnige Nonats naeb seinem 70. dsburtslssts ereilte ibn dsr lod. rbm 12. september 1876 banobts er ssin edlss Dsbsn aus, das dem IVobls seines Volkes, dsm Bubine ssinss Vaterlandes gswsibt war. Nögs es unserem beiügeliobten Östsrrsiob in dsn lagen dss Lummsrs und dsr Bot niemals au einem treuen, rsdliebsn lröstsr, in den 2siten dsr Üppigkeit, dss laumsls und dss sslbstvsrgssssns niebt an einem V/arner leblen, der uns klliobt und kbrs ins de- däebtnis rult, su keiner /.eit an sinsm Diobter und katriotsn, wie Anastasius drün einer gewesen! O. tl. it a I kk. 343 88. Aus dem Romanzenkran; „Der letzte Ritter". Die Martinswand. Willkommen, Tirolerherzen, die ihr so bieder schlagt, Willkommen, Tirolergletscher, die ihr den Himmel tragt, Ihr Wohnungen der Treue, ihr Täler voller Dust, Willkommen, Quellen und Triften, Freiheit und Bergesluft! Wer ist der kecke Schütze im grünen Jagdgewand, Den Gemsbart auf dem Hütlein, die Armbrust in der Hand, Des Äug' so flammend glühet wie hoher Königsblick, Des Herz so still sich freuet an kühnem Jägerglück? Das ist der Max von Habsburg auf lustiger Gemsenjagd; Seht ihn auf Felsen schweben, wo's kaum die Gemse wagt! Der schwingt sich auf und klettert in pfeilbeschwingtem Lauf; Hei, wie das geht so lustig durch Kluft und Wald hinauf! Jetzt über Steingerölle, jetzt über tiefe Gruft, Jetzt kriechend hart am Boden, jetzt fliegend durch die Luft! Und jetzt? — Halt ein, nicht weiter! Jetzt ist er festgebannt, Kluft vor ihm, Kluft zur Seite und oben jähe Wand. Der Aar, der sich schwingt zur Sonue, hält hier die erste Rast, Des Fittichs Kraft ist gebrochen und Schwindel hat ihn erfaßt. Wollt' einer von hier zum Tale hinab ein Stieglein bau'n, Müßt', traun, ganz Tirol und Steier die Steine dazu behau'n. Wohl hat die Mutter Maxen erzählt von der Martinswand, Daß schon beim leisen Gedanken das Äug' in Nebeln schwand. Jetzt kann er's sehn, ob dem Bilde sie treue Farben geborgt. Daß er's nie weiter plaudre, dafür ist schon gesorgt. Da steht der Kaisersprosse; Fels ist sein Throngezelt, Sein Zepter Moosgeflechte, an das er schwindelnd sich hält; Auch ist eine Aussicht droben, so schön und weit zu sehn, Daß ihm vor lauter Schauen die Sinne fast vergehn. Tief unten ein grüner Teppich, das schöne Tal des Inn, Wie Fäden durchs Gewebe ziehn Straß' und Strom dahin; Die Bergkolosse liegen rings eingeschrumpft zuhauf Und schau'n wie Friedhofhügel zu Maxen mahnend auf. 344 Jetzt stößt er, Hilfe rufend, mit Macht hinein ins Horn, Daß es in Lüften gellet, als dröhnte Gewitterzorn; Ein Teufelchen, das kichert im nahen Felsenspalt; Es dringt ja nicht zu Tale des Hilferufs Gewalt. Ins Horn nun stößt er wieder, daß es fast platzend bricht. Ho, ho, nicht so gelärmet! Da hilft das Schreien nicht, Denn liebte ihn sein Volk nicht, was er auch bieten mag, Herr Max, er bliebe sitzen bis an den jüngsten Tag. Was nicht das Ohr vernommen, das hat das Äug' erkannt; Die unten sahn ihn schweben auf pfadlos steiler Wand, Gebet und Glocken rufen für ihn zum Himmelsdom, Von Kirche zu Kirche Wallfahrt der bange Menschenstrom. Jetzt an dem Fluß des Felsens erscheint ein bnnter Chor, Ein Priester inmitten, weisend das Sakrament empor; Max sieht nicht das bunte Wimmeln aus ferner Talesflur, Er sieht das blitzende Glänzen der Goldmonstranze nur. „Fahr wohl nun, Welt und Leben! Schwer fällt der Abschied mir, O unerforschlich Wesen, du winkst, ich folge dir! Ich schien ein Baum voll Blüten, dein Blitz hat ihn erschlagen; Ach, gerne halt' er früher noch süße Frucht getragen! Ich schien ein Bauherr, türmend den Dom zu deinem Ruhm. Nicht durst' er ganz vollenden der Liebe Heiligtum; Ein Priester, plötzlich stürzend tot an des Altars Stufen, Er hätte gern erst Segen noch übers Volk gerufen. So mag dies Herz denn brechen, von Lieb' und Segen voll, So modre nun mein Busen, der tatenfreudig schwoll; Verwelke, Hand, denn nimmer krönt deine Müh' Gedeihn; Nur Gottes bester Engel kann hier mein Retter sein." Er spricht's und hebt zum Himmel nun Angesicht und Arm Und in die Knie sinkt er und betet still und warm. Da klopft's auf seine Schulter, er fährt erschreckt empor. „Komm heim, du bist gerettet!" so ruft es an sein Ohr. Und einen Bergmann sieht er froh lächelnd vor sich stehn, Der faßt ihn fest beim Arme und winkt ihm, fürder zu gehn; Mit Leitern, Stahl und Seilen wird kühn ein Pfad gebahnt; Wo Maxens Fußtritt strauchelt, stützt ihn des Retters Hand. 346 Wenn diese Riesenblume Dereinstens abgeblüht Und Erden, Sonnenbälle Als Blütenstaub versprüht: Erst dann fragt, wenn zu fragen Die Lust euch noch nicht mied, Ob endlich ausgesungen Das alte, ew'ge Lied! Anastasius Grün. 90. KtranLe. Auf hochgestapelte Ballen blickt Der Kaufherr mit Ergötzen; Ein armer Fischer daneben flickt Betrübt an zerrissenen Netzen. Manch rüstig stolzbewimpelt Schiff! Manch morsches Wrack im Sande! Der Hafen hier und dort das Riff, Jetzt Flut, jetzt Ebb' am Strande. Hier Sonnenblick, Sturmwolken dort; Hier Schweigen, dorten Lieder, Und Heimkehr hier, dort Abschiedswort; Die Segel auf und nieder. Zwei Zungfrau'n fitzen am Meeresstrand; Die eine weint in die Fluten, Die andre mit dem Kranz in der Hand wirft Rosen in die Fluten. Die eine, trüber Wehmut Bild, Stöhnt mit geheimem Beben: „G Meer, o Meer, so trüb und wild Wie gleichst du so ganz dem Leben!" Die andre, lichter Freude Bild, Kost selig lächelnd daneben: „G Meer, o Meer, so licht und mild, Wie gleichst du so ganz dem Leben!" Fortbraust das Meer und überklingt Das Stöhnen wie das Kosen; Fortwogt das Meer und ach, verschlingt Die Tränen wie die Rosen. Anastasius Grün 347 9^. Dis ä'eeD rsa-'-u. Das UaAa/^ <7e-- U ---»/ Dä^s aativs so^e-r Dem Deut', akem 4/o^err. Dem ,,^a" sei ta»Al Ksciao/rt, <7oeZr ^eit-L', Dem „Dem" s/)nro/r mW, <7oe^ ar'c^t La ertrA-/ ä'o rer>sf ctas ,,.7a" eisa Decu-rÄ e-ft>eaea, Dem „Dem" ctre/r se/öee -riemats --eae-r. » i47)^/tsösa Le^D, Ust)^/reol/öir reä^-'t, lUo?r/-'6c76a e/»'t, UTMtrm »MD. » Dem Dri/t/rco'-r, cias vou attea /§o^ätLe-r --e^uet, /st ^ere^e^ ats /re 4/atte^an/, /re seA-uet. ^»astasru« 6»-»». 92. Ratschläge. Nimm, soweit die Kraft dir reicht, Wär' dein Herz auch am Verbluten, Nimm die bösen Tage leicht, Aber ernst und schwer die guten! Lasse dir des Lebens Tage, Mensch, wie liebe Freunde sein; Welche Bürden er auch trage, Jeder tret' willkommen ein! Jeden grüße fromm ergeben, Wie der Freund dem Freunde tut, Und wie Freundeslaunen eben Trag geduldig seine Glut! Jeder, der dir will entrinnen, Nehm' von dir ein freundlich Wort, Nehm' ein löbliches Beginnen Zur Erinn'rung mit sich fort! Soll dich fliehen bald der Schmerz, Lange dir die Freude bleiben, Mußt du diese dir in Erz Und in Sand den andern schreiben. 2. Jeden, Mensch, entlaß mit Segen! Denn wenn einst dein Stündlein kam. Tritt dir jeder so entgegen, Wie er von dir Abschied nahm. Was du jedem mitgegeben, Bringt dann jeder dir zurück, Sieht dich an, wie im Entschweben Ihn berührte einst dein Blick. Lasse, Mensch, des Lebens Tage Dir wie liebe Freunde sein; Denn es holt nicht Wunsch noch Klage Die verlornen wieder ein. 348 3. Die Wahrheit diene treu zu jeder Frist Und Lüge dünke immer dir gefährlich; Wenn du mit Falschen falsch erst bist, Wie lange bleibst dn mit dir selbst noch ehrlich? Friedrich Halm. 93. Gruß an mein Vaterland. Gegrüßt, du Land der Treue, Mein teures Vaterland! Froh leist' ich dir aufs neue Den Eid mit Mund und Hand. Gegrüßt, du Land der Treue, So reich an Korn nnd Wein, O Wonne sonder Rene, Dein eigen stets zu sein! 94. Wenn im Lenze frische Kränze Neubeschwingt die Welt sich schlingt, Wenn vom Schall der Spiel' und Tänze Dorf und Wiese froh erklingt, Wenn die Bächlein schneller gleiten, Wenn das Fischlein springt im See, Wenn die Herdenglocken läuten: Da zerschmilzt das alte Weh! Gegrüßt, du Land der Treue, So stark in Zeit der Not, Begehrst du mein, so scheue Ich Qualen nicht und Tod. Gegrüßt, du Land der Trene, Das mir das Leben gab. Von deinen Eichen streue Ein Blatt nur auf mein Grab! I. N. Vogl. Ins Freie. Wenn die grauen Nebel tauen, Wenn der Wald sich herbstlich malt, Wenn auf Hügeln und in Auen Traub' und Apfel goldig strahlt; Wenn gedehnt die Hörner dröhnen, Unterbrochen vom Hallo, Wenn die Winzerlieder tönen: Ha, das macht die Seele froh! Wenn die fahlen Blitze strahlen Durch die Pracht der Sommernacht, Wenn, der Hände Fleiß zu zahlen, Frucht und Saat schon voller lacht, Wenn die Wandrer rüstig wallen, Schiffe ziehn im raschen Lauf, Schnitterlied nnd Sichel schallen: Ha, das weckt die Herzen ans! Wenn dann wieder sein Gefieder Leis' ums Land der Winter spannt, Wenn die Eisbahn, auf und nieder Sausend, klirrend kommt gerannt; Wenn Lawinen kühn sich türmen, Lnstig stäubt der Flocken Schwarm, Mag es sausen, mag es stürmen: Ha, das macht im Innern warm! Drum, von Wunden zu gesunden, Nur hinaus aus dumpfem Haus! Alles Leid, so du empfunden, Heilt Natur dir liebend aus. Ob die ersten Lerchen schweben Oder Schnee bedeckt den Grund, Rasch ins Freie! Da ist Leben, Da wird Kopf und Herz gesund! I. G. Seid . 350 Da 8it2t eine weinende iVIutter find 8eblueb26t laut: »Oott keif'! kir kut 8iek un^emsidet, Oie Idkr blieb 8tekn nin eis!« Du 8turrt ein KIu88S8 iVIüdckeri idinLN8 in8 Oümmeriiekt: »sind i8t er dukin und A68torbsn — iVleinem ider^sn 8tirbt er mekt!« — Drei ^UAenpLnrs 8ekielcsr>, 80 keiL 68 ein Herr nur kann, k'ür den urmsii, toten Loidnten Ikre Tränen 2um Idimmei kinun. idnd der idimmei nimmt dis Tränen In einem ^Völkeken nut lind träAt 68 xur lernen ^.ue Hinüber im recken Tauf lind Aie6t LU8 der lVoilre dis Tränen -^ul8 idnupt de8 Toten ni8 Tun, OuL er unbeweint niekt lieZs ^.ul ferner, fremder ^.u. Obrisi Ssiäb 97. Der Plöckensteiner See. Wenn sich der Wanderer von der alten Stadt und dem Schlosse Krummau, dieser grauen Witwe der verblichenen Rosenberger, westwärts wendet, so wird ihm zwischen unscheinbaren Hügeln bald hier, bald da ein Stück Dämmerblau hereinscheinen, Gruß und Zeichen von draußen ziehendem Gebirgslande, bis er endlich nach Ersteigung eines Kammes plötzlich die ganze blaue Wand, die vom Süden nach dem Norden streicht, vor sich sieht. Sie schließt ein Tal, aus dem ihn die jugendlichen Wasser der Moldau angläuzen. Im weiten und fruchtbaren Tale sind Dörfer umhergestreut und mitten unter ihnen steht der kleine Flecken Oberplan. Dichte Waldbestünde der eintönigen Fichte und Föhre führen stunden¬ lang vorerst aus dem Moldautale empor, dann folgt, dem Seebache sacht entgegensteigend, offenes Land; aber es ist eine Lagerung zerrissener Gründe, aus tiefschwarzer Erde bestehend, dem dunklen Totenbette tausendjähriger Vegetation, worauf viele einzelne Granitkugeln liegen, wie bleiche Schädel von ihrer Unterlage sich abhebend, da sie vom Regen bloßgelegt, gewaschen 351 und rundgerieben sind. Der Seebach führt braunes Eisenwasser, aber so klar, daß im Sonnenscheine der weiße Grundsand glitzert wie lauter herauf¬ schimmernde Goldkörner. Keine Spur von Menschenhand, geheimnisvolles Schweigen! Ein dichter Anflug junger Fichten nimmt uns nach einer Stunde Wanderung auf und tritt man von dem schwarzen Samte seines Grundes heraus, so steht man an dem noch schwärzeren See. Ein Gefühl der tiefsten Einsamkeit überkam mich jedesmal unbesieglich so oft ich zu dem märchenhaften See hinaufstieg. Ein gespanntes Tuch, ohne eine einzige Falte, liegt er weich zwischen dem harten Geklippe, gesäumt Der Plöckensteiner See. (Photogr. Jos. Seidel, Krummau.) von einem dichten Fichtenbande. Diesem Waldbande gegenüber steigt ein Felsenthcater lotrecht auf wie eine graue Mauer, nach jeder Richtung den¬ selben Ernst der Farbe bietend, nur geschnitten durch zarte Streifen grünen Mooses und sparsam bewachsen von Schwarzföhren. Häufig brechen sie aus Mangel des Grundes los und stürzen in den See hinab, daher man, über ihn hinschauend, die jenseitige Wand entlang in gräßlicher Verwirrung die alten, ausgebleichten Stämme liegen sieht, die in traurigem, weiß leuch¬ tendem Verhack die dunklen Wasser säumen. Rechts treibt die Seewand einen mächtigen Granitgiebel empor, Plöckenstein geheißen; links schweift sie sich in ein sanftes Dach herum, von hohem Tannenwald bestanden und mit einem grünen Tuche des feinsten Mooses überhüllet. 352 Da in diesem Becken nie ein Wind weht, so ruht das Wasser unbe¬ weglich und der Wald und die grauen Felsen und der Himmel schauen aus seiner Tiefe heraus wie aus einem ungeheuren, schwarzen Glasspiegel. Über ihm steht- ein Fleckchen der tiefen, eintönigen Himmelsbläue. Man kann hier tagelang weilen und sinnen und kein Laut stört die Gedanken, wenn nicht eine Tanuenfrucht füllt oder ein Geier schreib. Oft, wenn ich an den Gestaden saß, schien es mir, als fei der See ein unheimlich Natur¬ auge, das mich hier ansehe — tiefschwarz, überragt von der Stirn und Braue der Felsen, gesäumt von der Wimper dunkler Tannen, darin das Wasser, regungslos wie eine versteinerte Träne. Adalbert Stifter. 98. Robert Hamerling. Robert Hamerling, der am 13. Juli 1889 nach jahrelangen, heldenhaft ertragenen Leiden auf seiner Besitzung Stistinghaus bei Graz gestorben, hat mit hinreißender Begeisterung alles Hohe und Herrliche gepriesen, mit flammender Entrüstung alles Gemeine und Schlechte bekämpft. Wer singt ihm die köstlichen Lieder nach, die wie goldne Töne seiner Meisterharfe entquollen? Die Milde und Lieblichkeit, die in des großen Goethe unsterblichen Gesängen lebt, aber auch der hohe Gedankenschwung in Schillers Dramen schienen auf Hamerling übergegangeu zu sein. Überall erkannte sein Seher äuge die göttliche Schönheit des Weltalls: im gewaltigen Brausen des Meeres wie im Säuseln des Bergwaldes, in den lieblichen Bildern der sonnigen Flur wie in den geheimnisvollen Wundern der Sternennacht, im Blumenduft, im Bogelgesang, im Wehen des Frühlingswindes und in un¬ zähligen anderen Dingen, an denen der gewöhnliche Mensch achtlos vorüber geht. Und seine Dichterseele trank init Wonne diese überall ausgebreitete Schönheit der Gotteswelt und gab Kunde davon in entzückend schönen Versen, wie wir sie lesen in „Sinnen und Minnen", in den „Blättern im Winde", im „Schwanenlied der Romantik". Doch auch in die Menschheit warf der hohe Dichter seine prüfenden, wägenden Blicke, alles ward vor seinem Prophetengeiste offenbar, das Treiben der Gegenwart wie die Geschehnisse der fernsten Vergangenheit. Die Pracht und Herrlichkeit griechischer Bildung und Kunst ging ihm auf und er gab uns in seiner „Aspasia" ein glänzendes, farbenreiches Bild vom goldnen Zeitalter des Perikles und des Phidias, des Sophokles und des Sokrates. Im „Ahasver in Rom" entrollte er mit Meisterhand ein Riesengemälde von Neros Zeit. Im „König von Sion" schilderte er in gewaltigen Zügen die seltsamen Gestalten der Wiedertäufer von Münster. Diese drei 353 genialen Werke sichern Hamerlings Namen die Unsterblichkeit, solange in der deutschen Literatur der Sinn für das Große und Erhabene mächtig bleibt. Was er sonst noch geschrieben hat an kleineren Epen, an Dramen, Satiren, Sprüchen und Abhandlungen, lagert sich um die Gipfelpunkte seines Schaffens in weitem Bogen senden, alle Gebiete der Dichtkunst mit gleicher Sicherheit umspannen¬ den Schöpferkraft. Ein gar rührendes Vermächt¬ nis spendete der schon dem Tode Verfallene seinen Freunden in dem Buche „Stationen meiner Lebens¬ pilgerschaft". Hier erzählt er von den bescheidenen Anfängen seiner ruhmvollen Dichterlaufbahn, von seinem schlichten Poetenleben, von seinem dreißigjährigen schweren Lei¬ den, das ihn fast immer ans Zimmer, wenn nicht gar ans Schmerzens¬ lager fesselte. Wohl mancher hat den glücklichen Dichter beneidet, der in seiner ländlichen Besitzung Stif- tinghaus, frei von irdischen Sorgen, nur seinen dichterischen Arbeiten leben als ein Zeugnis seiner weitausgrei- Robert Hamerling. konnte -— nur wenige vertraute Freunde wußten, welch ein entsagungs- und schmerzenreiches Leben der von unheilbarer Krankheit Gequälte dort führte. So erscheint uns Österreichs großer Poet als ein Leidensgenosse von Heinrich Heine, Otto Ludwig und Julius Mosen. Aber wie wir Heine bewundern als den genialen Meister der Lyrik, wie wir Otto Ludwig lieben als den gedankentiefen Schöpfer dichterischer Gestalten voll Kraft und Leben, wie wir Mosen hochhalten als den edlen Sänger volkstümlich gewordener Vaterlandslieder, so reichen wir auch Robert Hamerling einen dreifachen Lorbeerkranz als dem gottbegnadeten Meister des Liedes, als dem großen Epiker, dessen dichterische Gestalten unver¬ gängliches Leben gewannen, als dem treuen Sohne seines Volkes, dessen Liebe zu ihm nur erlöschen konnte mit seinem letzten Atemzuge. Über das alles hinaus war Hamerling einer der edelsten Menschen, die je die Erde beschritten, eine reine Seele, durch die nie ein Schatten un¬ lauteren Empfindens geglitten. Hugo Möbius. Frisch und Rudolf, Lesebuch für Bürgerschulen. 23 356 Himmel tiefblau, fast wie in Sommertagen. In wunderbarer Klarheit erschien in der Ferne das Panorama Wiens und die sanft geschwungene Linie der Berge, in verführerischem Glanze tauchte im Vordergründe der Garten auf mit seinen stolzen Alleen, Taxuswänden, Rasenflächen, Ge¬ büschen, Springbrunnen, Statuen und künstlichen Ruinen wie das Labyrinth einer Zauberin. Drüben im Schlosse flammten die Fenster, vom Licht der sinkenden Sonne getroffen, wie von tausend Kerzen erhellt, und die Stufen der Treppe der Gloriette waren mit einem rosigen Schimmer übergossen. — Dies kleine, reizende Gebäude im edelsten Stil, auf einem Hügel gelegen, war der Lieblingsaufenthalt der Kaiserin. Sie hing überhaupt mit einer Die Gloriette m L-cyonvrunn. wahren Zärtlichkeit an Schönbrunn und verzögerte alljährlich, solange sie irgend konnte, ihre Rückkehr nach Wien. Es war eine Eigentümlichkeit, die der Umgebung der Kaiserin oft ein Gegenstand des Scherzes war, daß Maria Theresia sich vor dem Winter fürchtete, — sie, die keine Furcht kannte. Auch heute, aus den Stufen der Gloriette, lag der Gedanke an den nahenden Winter wie eine Wolke auf der kaiserlichen Stirn und die großen blauen Augen wanderten wehmütig grüßend von Baum zu Baum. „Wie sind wir doch armselig mit unserer vielgepriesenen Macht," seufzte Maria Theresia, „nicht ein einziges Blatt vermögen wir festzuhalten, alles stirbt und vergeht vor unfern Augen, und wenn wir den alten Bäumen da Gold und Ordensbänder und Ämter aller Art zu Füßen werfen wollten, 357 sie würden die Köpfe schütteln, uns auslachen und — sterben. Was nützt es, Kaiserin zu sein, wenn man von seinem lieben Grün immer wieder Abschied nehmen muß; - da hatte es doch die Königin Semiramis besser in ihren hängenden Gärten, wohin sich keine Schneeflocke und kein Sturm¬ wind verirrte. Wer mir doch aus ihrem Zauberreich einige immergrüne Bäume schenken wollte für mein Schönbrunn!" Ein Jahr war vergangen seit jenem Herbstabend in Schönbrunn. Die Kaiserin hatte diesmal ihren geliebten Landsitz früher als sonst ver¬ lassen, die Erkrankung eines ihrer Kinder bestimmte sie, schon Ende Sep¬ tember nach Wien zurückzukehren, und ehe die kleine Patientin genas, war der Winter hereingebrochen. Und am Weihnachtsnachmittage eben geschah es, daß der Kaiser seine Gemahlin plötzlich auffvrderte, mit ihm nach Schönbrunn hinaus zu fahren. Maria Theresia sah ihn erstaunt an, wirbelten doch draußen die Schneeflocken durch die Luft und die Finger des Windes malten Eisblumen an die Fenster. Allein ohne eine Frage an ihn zu richten, nickte sie ihm also zu, ließ sich sofort ankleiden und in den Wagen packen. Der Kaiser erschien auffallend heiter während der ganzen Fahrt. Er lachte und scherzte und sah immer und immer wieder nach, ob auch alles geschehen sei, die Kaiserin vor der Kälte zu schützen, und jeden Augen¬ blick zog er den blauen, mit Hermelin besetzten Sammetmantel fester um ihre Schultern. In Schönbrunn angekommen, hob er die Kaiserin aus dem Wagen. Man hatte kein Gefolge mitgenommen, nur wenige Diener standen zum Empfange bereit. Wie fremd erschien doch alles im Winterkleide — wie ernst sah heute die heitere Gloriette aus! — Aber was erhob sich dort so seltsam schimmernd und blitzend im Lichte der Wintersonne? — Träumte sie denn? — Sie schaute, die Hand ein wenig über die Augen gelegt, wieder und wieder hinüber: — wahrlich, ein Glaspalast war auf¬ geführt worden und eine Fülle von tiefem Grün leuchtete hinter den Scheiben. — Nach wenigen Augenblicken stand Maria Theresia, von einer wunderbar süßen, warmen Luft umfangen, zwischen den herrlichsten Pflanzen des Südens, unter jenen Palmen, wie sie die Gärten der Königin Semi¬ ramis geschmückt. — Ein Ruf der Freude entfloh ihren Lippen. Welche Herrlichkeit! Da breiteten sie sich aus, die Kroneu der stolzen Zimmetbäume, die Fächerpalme, die ernste Ölpalme — und ein Wald von prachtvollen Blatt¬ pflanzen. Fremde Wunderblumen öffneten ihre in den brennendsten Farben spielenden Kelche und hauchten berauschende Düfte, Blätter von einem 358 Schmelz, als stammten sie aus dem Paradiese, entfalteten sich, leichte Ranken schlangen ihre feinen Zweige zu einem Blätterdach zusammen: Grün und Blumen, wohin das Auge blickte — es war wie ein Märchen. Und draußen hielt doch starrer Winterschlaf die Erde umfangen und die Schnee¬ flocken führten ihre phantastischen Tänze auf! „Beneidest du noch immer die Königin Semiramis?" fragte endlich der Kaiser, entzückt über den Ausdruck der freudigen Überraschung in den Zügen Maria Theresias. „Ich beneide weder eine Tote noch eine Lebende mehr," rief sie mit freudestrahlendem Lächeln. „Was könnte ich jetzt noch wünschen? Wie soll ich dir danken?" Der Wintergarten zu Schönbrunn war und blieb das Entzücken der Kaiserin und zugleich die Lieblingsschöpfung ihres Gemahls. Sie wurde nicht müde, die fremdartigen Kinder einer heißen, unbekannten Zone zu bewundern, das herrliche Grün anzustaunen, über die Blumen sich zu neigen, die Riesenblätter mit den feinen Fingern zu liebkosen. Wie ein Kind freute sie sich dieses sinnigen und kostbaren Weihnachtsgeschenkes ihres Gatten und wurde nicht müde, sich von ihm erzählen zu lassen, wie man die großen Bäume und Gewächse von den Inseln Martinique, Gra¬ nada, St. Vincent, St. Eustach, von Kuba und Curacao herübergeholt, mit großen Ballen ihres Erdreichs ausgegraben und nach Marseille und Livorno eingeschifft habe. Maultiere brachten sie von dort langsam nach Schön¬ brunn, während andere Sendungen über Amsterdam anlangten. Die aus¬ gezeichnetsten Gärtner aus Holland waren herübergerufen worden, um den Fremdlingen den Übergang in ihr neues Dasein zu erleichtern. Mit der Sorgfalt gewissenhafter Ärzte bewachten sie denn auch tagaus, tagein das geheimnisvolle Stilleben der wunderbaren Pflanzen, — aber manche seltene Blume starb rettungslos dahin, mancher stolze Baum verkümmerte im fremden, kalten Lande. — Und ein wirklicher Arzt erschien fast täglich in den Treibhäusern von Schönbrunn, ein berühmter Menschen- und Blumen¬ kenner zugleich, der edle van Swieten, der kaiserliche Leibarzt. — Sorgfältig wurden sie also bewacht von den liebevollsten Augen, diese neuen Gärten der Semiramis, und — sie fürchtete sich nun nicht mehr vor dem Winter, die glückliche Kaiserin. Später — als das Glück Maria Theresias mit dem Kaiser gestorben, waren es die bebenden Hände der kaiserlichen Witwe selbst, die in jedem Winter die schönsten Blüten brachen in dem geliebten Wundergarten, um sie aus den Sarg des Kaisers niederzulegen. Und immer neue kostbare Pflanzensendungen ließ sie aus weitester Ferne herbeischaffen und ganz Europa redete bald von dem Wintergarten 3k>9 in Schönbrunn. — Wie manche schwere Stunde brachte sie dort zu, die trauernde Witwe, ganz einsam oder nur in Begleitung ihres treuen van Swieten! Elise Polko. 103. Ootenlreue. Or8eblaAsn rvar mit dem kalben User Oer KiömA cler Osten, Obsodsmer. Oie llunnen sauebritsn auf blutiAsr Wal, Oie Oeier otieüen berab 2U Oal. Oer l^lond oebien bell, der Wind ptitb kalt — Oie Wölbe beulten im Oöbren^vald. Orei lVlänner ritten dnrebo lleideAelild', Oen Oielm ^eroebrotsn, verbackt den 8cbild. Oer er8te über dem Zattel csuer IrnA seins8 XöniA8 r:erbroebenen 8peer. Oer Zweite deo lvöni^8 Xronbslm truA, Oen mittendureb ein 8eb1aebtbeil 8ekluA. Oer dritte barA im treuen ^.rrn Oin verbükt Oebsimin8 im lVlantel warm. 80 kamen 8ie an den lotsr tief. Ond der er8te bielt mit dem Oo6 und rieb: »Oin ^erbau'ner Oelm, ein xer8ebskter 8peer — Von dem Osieb der Osten blieb niebt msbr!« Ond der Zweite 8pracb: »In den Wellen dort Veroenkt den traurigen Ootenbort! Oann 8prinAsn rvir naeb von dem Olerrand; Wa8 8äum8t du, lVleioter Hildebrand?« »Ond tra^t ibr dk8 OöniA8 Helm und 8peer, Ibr treuen OeoeUen, leb traZs mebr!« ^.ub 8eblu^ er osinen lVlantel vveieb: »leb tra^e der Osten llort und Keicb! Ond babt ibr gerettet 8x>eer und Lron', leb babe gerettet ds8 kiöni^o 8obn! Orvvaebe, mein lvnabe! leb ArüLe dieb, Ou K.önjA der Osten, ^sunA Oistsrieb!« kslix Os Kn. 360 104. Der Sturm. Es braust der Föhn vom warmen Süd, Daß sich die Bäume neigen. Ich kenne dich! — Des Frostes müd', Willst du die Kräfte zeigen. Drnm weckst du mich in dunkler Nacht, Daß alle Balken dröhnen, Das Haus in seinen Fugen kracht, Als wolltest du mich höhnen. Jawohl! Du bringst dem Winter Krieg Im Donner der Lawinen Und kündest uns des Lenzes Sieg, Ist er noch kaum erschienen. Es bersten deinem wilden Hauch Des Eises starre Spangen, Die bei des Nebels kaltem Rauch Der Ströme Lauf bezwangen. ItzZ^ Der Ring Der glückliche Polykrates, Bang vor der Götter Neid, Hat seinen besten Fingerring Dem Ozean geweiht. Und doch — versöhnen kann er nicht Das zürnende Geschick, Ihm gibt das Meer in Fischesmund Sein Opfergeld zurück. Du weckst mit der Posaune Laut Die Blumen aus den Tiefen, Ob auch die Veilchen still und traut Am Herz der Erde schliefen. Und ist der Boden reingefegt, Wirst du zum sanften Säuseln, Das kaum den klaren See bewegt Mit einem leichten Kräuseln. Dann schaut der Himmel weit und klar Herab mit seinen Sternen, Die Gletscher leuchten wunderbar Aus ihren dunklen Fernen. Von Rosen singt die Nachtigall Bis zu des Morgens Helle, Bis mit der Lerche Jubelschall Die Sonne naht der Schwelle. Adolf Pichler. des Polykrates. Du, weiser als der Griechenfürst, Nicht in die öde Flut, Ins arme Volk, ins Menschenmeer Wirf deines Danks Tribut! So zahlst du dem gestrengen Glück Den rechten Zins und Zoll Und kehrst in Dank und Segen dir Der Brüder Neid und Groll. Karl Gerok. 106. Ein Vater an seinen Sohn. Vor allem bedenke, für dich ist die segenvolle Zeit, die Zeit zum Lernen gekommen! Ich habe mir manches Vergnügen versagt und das da¬ durch Ersparte aufgehoben, uni dir, wenn du Lust und Talent, besonders das letztere, hast, das Studieren zu ermöglichen. Wenn du nun Student sein wirst, so sei Student, nämlich sei lustig und freue dich deines jungen Lebens! Lasse die Ideale kühn und hoch auf¬ lodern ; das ist die Zeit, da du deine Seele in Schwung bringen mußt, soll sie nicht zu bald erlahmen und verrosten. Glaube an das Gute und Schöne, habe Zuversicht zur Menschheit! Der Student ist ein Seher, der in seinem 361 Geiste schon lebt, was den Menschen vielleicht erst in später Zukunft be¬ schicken sein wird. Aber sei kein Schreier und Wirtshaustribun; mische dich nicht in Dinge, die du nicht verstehen kannst; dein Leitstern im Denken und Tun sei unser Friedrich Schiller! Halte Gemeinschaft mit heiteren Berufsgenossen, sei brüderlich; aber bleibe den Burschenschaften fern, die ihr Heil im Bierhumpen, in der langen Pfeise, in den weiten Stiefeln, im großen Hund und in der Mensur finden. Das sind armselige Dinge, das ist das studentische Philistertum, vor dem ich dich bewahren möchte. Der Mittelpunkt des Studentenlebens — das vergiß nicht, mein Bursche — ist das Kollegium. Lerne, sei fleißig, aber ochse und büffle nicht; wer einen offenen Kopf hat und denselben seinen Lehrgegenstäuden zuwendet, der hat das mechanische Eintrichtern nicht nötig. Wem es aber darauf ankommt, dem rate ich, er widme sich einem schlichten Handwerke. Schulden machen wirst du nicht, weil sie niemand für dich zahlen würde. Sei aber auch kein Knauser, mein Freund; ein Studentenbeutel mag leer sein, aber niemals zugeschnürt, und ist er leer, so verliere deshalb den frohen Mut nicht. Einen besonderen Rat will ich dir noch geben, für den du mir oft und mit Jubel danken wirst. Spare für Ferienreisen! Wenn du auch schmal gehalten bist, so wirft dir, wenn du willst, jeder Tag ein Scherflein ab, ohne daß du deshalb darben mußt. Aus diesem kleinen, täglichen Scherflein erwachsen dir herrliche Tage und Wochen. Wenn ich jetzt im Schatten des Baumes so für mich hin träume, so sehe ich dich, mein Junge, bisweilen auf der Wanderschaft, frisch und flink, im leichten, netten Gewände, das Ränzlein auf dem Rücken, den Stock in der Hand, lustig über Berg und Tal! Kind, die Welt ist unbeschreiblich schön, wenn man sie mit gesunden Gliedern durchwandert, mit jungen Augen anschaut! Geh hinein in unser Bergland und schau' die Pracht, die mich — deinen Vater — oft so selig gemacht hat, und besuche die schlichten, guten Menschen und sei freundlich mit ihnen und ehre sie, wenngleich sie nicht so viel wissen wie du! Sie wissen dennoch mehr. Glaube'es mir und schätze niemand gering außer den Schlechten und halte niemand für schlecht, außer du bist dreimal davon überzeugt worden! Wenn du es verstehst, Menschen zu erfassen, aber nicht so, wie ihr Bild in dir selbst sich spiegelt, sondern wie sie sind, wenn du ein offenes Auge hast für das Gute und Große, das in ihrem Leben ist, so wirst du in den Ferien zunehmen an Weisheit, sowie du im Studienjahre an Wissen zugenommen hast. Es gibt eine Liebe und Treue, die man jedem zuwenden muß, mit dem uns der Lebensweg — wenn auch nur für kurze Zeit — zusammenführt. 362 Sei höflich, sei offen und wohlmeinend gegen jedermann! Komme den Leuten mit Vertrauen entgegen, aber ganz vertraue dich keinem! Erinnere dich des schönen Spruches: „Mit vielen teile deine Freuden, mit wenigen dein Leiden, mit einein nur dein Herz!" Wie das letztere zu verstehen ist, darüber hoffe ich noch mit dir sprechen zu können. Lasse dir Gutes tun, aber bleibe nichts schuldig; auch der Ärmste hat Gelegenheit, seinen Wohl¬ tätern Freude zu bereiten. Bewahre dir, mein liebes Kind, dein dankbares Gemüt, das adelt dich und schützt dich dein ganzes Leben vor Weltbitterkeit und Menschenhaß. Verlasse dich aber niemals auf fremden Beistand, wo du dir selbst helfen kannst! Den Schatz, der für dich in den Menschen liegt, wirst du früher erkennen als den, der in der Schönheit und Größe der Natur, besonders der landschaftlichen Natur für dein Gemüt bewahrt ist. Aber bereite dich für diese Offenbarung schon in deiner Jugend vor, wozu dir die Ferien¬ reisen die schönste Gelegenheit bieten! Ich freue mich im Gedanken, wie du reisen wirst, mein Sohn. Aber durchlaufe die Gegenden nicht, reise mit Bedacht! Weiche so wenig als möglich von dem mit einsichtsvollen Freunden aufgestellten Reiseplane ab! In den. lieben Morgenstunden wandere, in der heißen Tageszeit ruhe und nähre deinen Geist in einem guten Buche oder einer anregenden Gesellschaft! Reise allein oder höchstens zu zweien! Mit mehreren tut's nicht gut. Im Einkehrhause fei bescheiden und mäßig, bewahre dich gesund! Mir sind in meinem Leben viele und mannigfaltige Freuden beschieden gewesen und zu den schönsten und reinsten derselben gehören meine Fu߬ wanderungen im Gebirge. Die wünsche ich auch dir. Peter Rosegger. 107. Heimweh. So weich und warm Hegt dich kein Arm, Wie wenn die Mutter dich umfängf. Kein Trost so traut Dich übertaut, Wie wenn ihr Äug' an deinem hängt. Und wenn ergreift In treuem Geist Du manch ein Jugendbild bewahrst, Vor allem hoch Beglückt dich doch, Daß deiner Mutter Kind du warst. Drum sei gesinnt So wie ein Kind, Daß sie dich sterbend segnet ein! Sonst, ob auch Lieb' Und Freundschaft blieb, Bist dennoch mutterseelenallein. Paul Heyse. 363 108. Oekel. Höri-, !»ü mioü üuuAorn äaun uull ^VLUU, 8att ssiu maoüt stnmpl uuä trÄAs Iluä sobioiü' mir I^sinäs, Naim um Nanu, Xsmpk ÜLlt clis XrAüs rs^s. Olib Isioütou bull 2u 8pial uucl 1au2, büu^üiult iu Aoläus b'srus Hüll buiu»'' äsu Urau^. äsn vollsu Ursu^ Nir üöüsr iu äis Ltsrns! OustLv b'gl Ire. ^0.0. «s^s. ser» Ucmes Ha-rci U^r'ecier ^?crtter-r cürtrc^ c^ie Dü/i!ö/ KÄ/ie, rt>o^/öei'E-r^ö Dü/ks Krei/e-r a/mrt^sro^ Äcrs ^a-rc^. l^er/r^M trättme» so/ro-r, 11 o//«u öa^e /com-ueu. -— r-o>r /e»-» er'-r ^er'se-' /?rton/ ^>Ä/r/r»^ /a, ckr» örs^s/ />ie/r rc/« rer-ruMme-r / Lck«arck ^l/örrLe. 110. Legende. Als der Herr in Gethsemane Auf Knien lag im schwersten Weh, Als er sich hob, nach den Jüngern zu schauen, Ließ er die Tränen wiedertauen: Er fand fie schlafend und mit den Genossen Hatte selbst Petrus die Augen geschlossen. Zum zweitenmal sucht er die Seinen dann, Die liegen noch immer in Traumes Bann. Und zum dritten, allein im Schmerz, Zeigt er Gott das kämpfende Herz. Die heilige Stirn wird ihm feucht und naß: „Mein Vater, ist es möglich, daß . . ." Und durch ein Gartenmauerloch Schlüpft ein zottig Hündchen und kroch Dem Heiland zu Füßen und schmiegt sich ihm an, Als ob es ihm helfen will und kann. 364 Und der Herr hat mild lächelnd den Trost gespürt Und er nimmt's und drängt's an die Brust gerührt Und muß es mit seiner Liebe umfassen; Die Menschen hatten ihn verlassen. Detlev von Liliencron. 111. Nis Randers. Krachen und Heulen und berstende Nacht, Dunkel und Flammen in rasender Jagd — Ein Schrei durch die Brandung! Und brennt der Himmel, so sieht man's gut: Ein Wrack auf der Sandbank! Noch wiegt es die Flut: Gleich holt fich's der Abgrund. Nis Randers lugt — und ohne Hast Spricht er: „Da hängt noch ein Mann im Mast; Wir müssen ihn holen." Da faßt ihn die Mutter: „Du steigst mir nicht ein! Dich will ich behalten, dn bliebst mir allein, Ich will's, deine Mutter! Dein Vater ging unter und Momme, mein Sohn; Drei Jahre verschollen ist Uwe schon, Mein Uwe, mein Uwe!" Nis tritt auf die Brücke. Die Mutter ihm nach! Er weist nach dem Wrack und spricht gemach: „Und seine Mutter?" Nun springt er ins Boot und mit ihm noch sechs: Hohes, hartes Friesengewächs; Schon sausen die Ruder. Boot oben, Boot unten, ein Höllentanz! Nun muß es zerschmettern. . . ! Nein, es blieb ganz! . . . Wie lange? Wie lange? Mit feurigen Geißeln peitscht das Meer Die menschenfressenden Rosse daher; Sie schnauben und schäumen. 36b Wie hechelnde Hast sie zusammenzwingt! Eins auf den Nacken des andern springt Mit stampfenden Hufen! Drei Wetter zusammen! Nun brennt die Welt Was da? — Ein Boot, das landwärts hält — Sie sind es! Sie kommen! — — Und Auge und Ohr ins Dunkel gespannt . . . Still — ruft da nicht einer? — Er schreit's durch die Hand: „Sagt Mutter, 's ist Uwe!" Otto Ernst. 112. Goldene Worte. Vertrauen ist Mut und Treue ist Kraft. -i- Auch die Tugend ist eine Kunst und auch ihre Anhänger teilen sich in Ausübende und in bloße Liebhaber. * Für das Können gibt es nur einen Beweis: das Tun. -i- Was nennen die Menschen am liebsten dumm? Das Gescheite, das sie nicht verstehen. * Die Herrschaft über den Augenblick ist die Herrschaft über das Leben. -I- Glaube deinen Schmeichlern — du bist verloren: Glaube deinen Feinden — du verzweifelst. * Marie von Ebner-Eschenbach. Blüte edelsten Gemütes Ist die Rücksicht; doch zuzeiten Sind erfrischend wie Gewitter Goldne Rücksichtslosigkeiten. Theodor Storm. 366 Es gibt nur ein Glück: Die Pflicht, Nur einen Trost: Die Arbeit, Nur einen Genuß: Das Schöne. Carmen Sylva. Nicht, wie lang du gelebt, — nur, wie du gelebt und gewirkt hast, Was du der Menschheit genützt, leihet dem Leben den Wert. Daniel Sanders. Schmerzt dich in tiefster Brust Das harte Wort „Du mußt", So macht dich eins nur still, Das stolze Wort: „Ich will!" Arbeitstage Voll rüstiger Plage Sind die besten Von allen Festen. -i- Wie man wohl richtig Sich selber ehrt? Nimm dich nicht wichtig, Aber halte dich wert! -t- In allem reinlich! In allem peinlich! Nur niemals kleinlich! Frida Schanz. v. 28 auf, welches ich absichtlich auf den Boden gelegt hatte, während alle übrigen dasselbe zur Seite stießen oder darüber stolperten. Er wartete ruhig und drängte sich nicht heran — ein gutes Zeugnis für sein anständiges Be¬ nehmen. Ich bemerkte ferner, daß seine Kleider gut gebürstet, seine Hände und sein Gesicht rein waren. Nennst du dies alles keinen Empfehlungs¬ brief? Ich gebe mehr darauf, was ich von einem Menschen weiß, nachdem ich ihn zehn Minuten lang gesehen, als auf das, was in schön klingenden Empfehlungsbriefen.geschrieben steht." A. Kleinschmidt. 33. Mein Vaterland. Ich hab' dich nicht vergessen, Mein liebes Österreich! Noch macht's, an dich zu denken, Das Herz mir immer weich. Ich sah wohl schöne Alpen, Umweht von Balsamhauch; Sah Paradiese Gottes, Du aber hast sie auch. Sah Silberströme wallen Durch manchen grünen Plan, Sah Täler, Auen, Städte — Du bist nicht ärmer dran. Es lacht' auch andrer Orten Manch treues Herz mir zu, Doch wer hat sie auf Erden Zu Tausenden wie du? Ich bracht' auch in der Fremde Manch selig Stündlein hin; Allein in deinem Boden Schläft ja mein Jugendsinn. Du hast die ersten Freuden So treu mit mir geteilt, Du hast die ersten Leiden So liebend mir geheilt. Und sind mir in der Fremde Viel hundert Plätzchen lieb, So hast du ja kein Fleckchen, Das deutungsleer mir blieb. Drum glaub' dich nicht vergessen, Lob' ich die Ferne gleich: Ich weiß nur eine Heimat, Weiß nur ein Österreich! Denn was ich in der Fremde Gesehn, gefühlt, erkannt, Ist nur ein goldner Reifen Um deinen Diamant. 34. Kaiser Franz Josef I. Unser Kaiser gibt allen Bürgern des Staates ein leuchtendes Beispiel gewissenhaftester Pflichterfüllung und unablässiger Tätigkeit. Zuweilen wird sogar die Nacht geopfert, wenn dringende Geschäfte es erheischen. Selbst auf den anstrengenden Reisen, die der Kaiser so häufig unternimmt, um den Zustand seiner Länder und die Bedürfnisse seiner Völker kennen zu lernen, werden die Staatsgeschäfte nicht unterbrochen; jede freie Minute 4l Hul's geholfen? — Nun, die Wahrheit zu sagen, beim alten Weber- Hartl konnte eine nennenswerte Besserung nicht nachgewiesen werden; hin¬ gegen ist mein Vater durch dieses Hasenöl klüger geworden, obschon er sich damit gar nicht eingerieben hatte. Er hat wohl auch in späterer Zeit noch nanches Küblein Schweinsfett, manches Bündlein Wurzeln und Kräuter in Apotheke geschickt — holen aber ließ er nichts mehr aus ihr. — Das :r alles heilsame „Hasenöl" hat uns für alle Zukunft geheilt. Peter Rosegger. 38. Der >VoIk und der Xrnmeli. Linern N^olto vor ein Lnoebsn rin Zobluuds stsoboir Aoblisbon; er vorspraob dober ernsrn Lraniob eins LelobnnnA wenn er ibrn oit seinem Zobnabsl den Lnoobsn ans dein Halse ^ÖAS. Oer LanA- lrals tat es und forderte nun seinen Lolin. Da laolrts gener, tletselrte irs 2älrne und saZts: ,,^Is Lolrn ist sobon das kirr di ob KsnriA, dak in deinen Lopf ans dein Raolisn und den 2äbnsn des ^Volkes lrsil .nd nnverselrrt wieder bsrausAobraobt bastN OerartiASN Oanb statten rnancbs Nenselisn ilrrsn H'olrltätern ab. 39. Die Elster und ihre Kinder. Eine Elster führt ihre Kinder aufs Feld, damit sie lernen, selbst ihre -Nahrung zu suchen. Das gefällt ihnen nicht; sie wollen lieber ins Nest zurück, wo sie es bequemer haben, weil die Mutter die Speise im Schnabel herbeitragen soll. „Meine Kinder," spricht sie, „ihr seid groß genug, euch selbst zu ernähren: meine Mutter hat mich viel früher ausgewiesen." „Aber die Bogenschützen werden uns töten," antworteten die Kinder. „Nein, nein," spricht sie, „es gehört Zeit zum Zielen; wenn ihr seht, daß sie die Armbrust in die Höhe heben und an das Gesicht legen, um ab- zudrückeu, so fliegt davon." „Das wollten wir wohl tun; aber wenn einer einen Stein nimmt und will nach uns werfen, dazu ist kein Zielen nötig, wie dann?" „Ihr könnt ja sehen, wie er sich bückt," sagte die Alte, „wenn er den Stein aufheben will." Aber wie, wenn er einen Stein beständig in der Hand trägt und jeden Augenblick zum Schleudern bereit ist?" „Ei, was ihr nicht alles wißt!" spricht die Mutter, „ihr könnt schon selbst für euch sorgen." Damit fliegt sie weg und läßt sic allein. W. Grimm. 52 Sie spreitet aus das Tüchlein und fängt behutsam an, Den Bauer aufzustellen, den Pflug und das Gespann. Wie alles auf dem Tische sie zierlich aufgebaut, So klatscht sie in die Hände und springt und jubelt laut. Der Alte wird gar ernsthaft und wiegt sein Haupt und spricht: „Was hast du angerichtet? Das ist kein Spielzeug nicht! Wo du es hergenommen, da trag es wieder hin, Der Bauer ist kein Spielzeug, was kommt dir in den Sinn! Sollst gleich und ohne Murren erfüllen mein Gebot; Denn wäre nicht der Bauer, so hättest du kein Brot; Es sprießt der Stamm der Riesen aus Bauerumark hervor; Der Bauer ist kein Spielzeug, da sei uns Gott davor!" Burg Niedeck ist im Elsaß der Sage wohl bekannt, Die Höhe, wo vorzeiten die Burg der Riesen stand; Sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer, Und fragst du nach den Riesen, dn findest sie nicht mehr. Ad. v. Chamisso. 51. Rätsel. Wie heißt das Ding, das wen'ge schützen? Doch ziert's des größten Kaisers Hand; Es ist gemacht, um zu verletzen; Am nächsten ist's dem Schwert verwandt. Kein Blnt vergießt's und macht doch tausend Wunden, Niemand beraubt's und macht doch reich; Es hat den Erdkreis überwunden, Es macht das Leben sanft und gleich. Die größten Reiche hat's gegründet, Die ält'sten Städte hat's erbaut; Doch niemals hat es Krieg entzündet Und Heil dem Volk, das ihm vertraut! Friedr. Schiller. 52. Rübezahl. Auf der böhmisch-schlesischen Grenze erhebt sich ein waldiges Gebirge, das unter dem Namen des Riesengebirges bekannt ist. Nach alten, weit¬ verbreiteten Sagen sollte ein mächtiger Berggeist in demselben Haufen, der sich selbst den „Herrn des Gebirges" nannte, dem aber das Volk den Spottnamen Rübezahl gegeben hatte. Nach allem, was von ihm bekannt 73 unsäglichen Fleiß und Wiederholung erworben. Er versicherte mir oft, früher und später, im Ernst und Scherz, daß er sich mit meinen Anlagen ganz anders würde benommen und nicht so liederlich damit würde ge¬ wirtschaftet haben. Durch schnelles Ergreifen, Verarbeiten und Festhalten entwuchs ich sehr bald dem Unterrichte, den mir mein Vater und die übrigen Lehrer geben konnten. Die Grammatik mißfiel mir, weil ich sie nur als ein will¬ kürliches Gesetz anfah; die Regeln schienen mir lächerlich, weil sie dnrch so viele Ausnahmen aufgehoben wurden, die ich alle wieder besonders lernen sollte. Und wäre nicht der gereimte „Angehende Lateiner" gewesen, so hätte es schlimm mit mir ausgesehen: doch diesen trommelte und sang ich mir gern vor. So hatten wir auch eine Geographie in solchen GedächV nisversen, die abgeschmacktesten Reime sollten uns das zu Behaltende einprügen. Die Sprachformen und Sprachwendungen faßte ich leicht; so auch entwickelte ich mir schnell, was in dem Begriffe einer Sache lag. In rhe¬ torischen Dingen und Stilübnngen tat es mir niemand zuvor, vbschou ich wegen mancher Sprachfehler oft hintanstehen mußte. Solche Aufsätze waren es jedoch, die meinem Vater besondere Frende bereiteten und deren wegen er mich mit manchem bedeutenden Geschenke belohnte. Mein Vater lehrte die Schwester in demselben Zimmer Italienisch, wo ich den „Angehenden Lateiner" auswendig lernen mußte. Indem ich nun mit meinem Pensum bald fertig war und doch still sitzen sollte, horchte ich über das Buch weg und faßte das Italienische, das mir als eine lu¬ stige Abweichung des Lateinischen auffiel, sehr behende. I. W. Goethe. 67. Erlkönig. Wer reitet so spät durch Nacht uud Wind? Es ist der Vater mit seinem Kind; Er hat den Knaben wohl in dem Arm, Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm. „Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?" — „Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht? Den Erlenkönig mit Kron' und Schweif?" — „Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif." — „Du liebes Kind, komm, geh mit mir! Gar schöne Spiele spiel' ich mit dir; Manch bunte Blumen sind an dem Strand, Meine Mutter hat manch gülden Gewand." - 112 sebnsllsm Imants der Lrds rumiltsn. Las rausebts und plätseberts, als das Irinins Heer auf dsr Lrds untsn ankam! DI« lilensoben aber spraebsn: Ls rsANSt. Lin Rsil 6sn Iropfsn iisl auf sinou boben LsrA und unssr kleiner Ilsld stür^ts Alsieblalls liier nieder. Loeb der bobe, Lall tat ibrn ^ar niebt webe, inuntsr nnd Autor LinAo spranA er an dsm steilen LslsabbanAS blnunter nnd seins Lrüder siltsn bintsr itiin drsin. Raid aber war wisdsr ein Aanxes Leer bsisammsn nnd jeder bielt so SNA nnd Isst an dsin andern, dab sis anwuebsen 2U einem sebäu- rnsndsn W'bdillraolre. b.ls sis so Zusammen eins Ltreoke lortAebilpft waren, iinrnsr bsrAab, körten sis irn d'ale drunten ein Llappsrn, nnd als sie näbsr kamsn, erbliekten sis sin Laus, an dssssn Linterseite sieb obne b.uf- börsn sin Rad drsbts, über welelms der Laob binwSAbransts. Ls war sine Nübls. Lu lanssndsn spranAsn dis kleinen Iropfsn über das Rad nnd traten so krältiA anf, da6 es sieb vor ibnon bsnAte. Unser Rröpflein maebts inntiA den balsbrsebsndsn 8prunA, nnd als es binabstüivte, war es, als in übte. es iin sobaninsndsn W^asssrstrudsl unter dein Rade sein Oral) linden. ^.bsr bald arbeitete es sieb inntiA empor und sebwamm rnbiA und woblAsmnt weiter. Lein VVSA fübrts 2n sinsin d'siebe, in weleben der Raeb mündete. ^ul dein Rsiebs soll warn inen Lntsn und Oänss, ain Rands batten die Lrösebe ibrs IVobnnnA anfASsoblaAsn. rVns dein 8eblammbodsn erbeben sieb Larplsn nnd Lobleiben, plätseberten und spranASN über dsn Wasser- spisAsl empor. Las inaebte nnssrern kleinen d'ropt viel 8pa6 nnd er bsseblob, eins LeiilanA in disssr kleinen ^Velt /.n verbleiben. La Kain sbsr sine Lran rnit der Oisbkanns in der Land, bsuAts sieb 2n dorn Leiebe berab. erbasebts das Rropllein in ibr delati und spritzte es auf ibre weitle Leinwand, wolobo neben dein Lsiebe Lum llleiobsn ausAgspannt war. Run sali dsr arine illroplen aut dsrn Rrooksnsn nnd er wäre selber versobinaobtet, batte niobt dis Ante 8onns niit ibren bsll bliokonden aVuAen 2n reobtsr Leit seine Rot bemerkt. Rasob 20A sis ibn mit seinen Rrüdsrn aufwärts, so dali ksins 8pnr von ibnen auf dsr Leinwand 2urnekbbsb, nnd woblAsmnt sobwainin er wisdsr im blansn Lnlimsore dabin. Lm dsm wanderlnstiAsn desellsn dis Reisslust etwas r-.u ver¬ treiben, sobiokte ibn dis Lonne in sin weites Llaobland. Lis Reiss war lanA; ein sobarlsr IVind webte von Rordsn bsr, dsr inaebte dis Luft ssbr frostiA und ss kamen wisdsr lanssnds von Wasssrtröpfeben rnsammen, als wollten sis sieb ansinandsr wärmen. La, o W under, 122 Auf dem Helm trägt er die Krone und den Sieg in seiner Hand, Schwerter blitzen, Harfen klingen, wo er schreitet durch das Land. Und dem alten Kaiser beugen sich die Völker all zugleich Und aufs neu' zu Aachen gründet er das heil'ge deutsche Reich. Emanuel Geibel. 95. lokunnu Lebus. Oer Darum 2 s rrsi 6 t, ä a s D elä erbraust, Dis Dlutsn spülen, äie DI Lobs saust. ^lob tra^s äiob, Uuttsr, äurob äis Dlut, Xoob reiobt sie niobt boob, lob ^vate Kut." — „^.uob uns beäenbe, bsäränAt 'ivie veir sinä, Die DausASnossin, ärei arme Dinä! Die sobwaobe Drau! ... Du Asbst äavon!" — 8is träAt äie Nuttsr clurobs Wasser sobou. „Dum 6 üb le cla rettet sueb, barrst äsrrvsil; DIsiob bebr ieb 2urüolc, uns allen ist Heil. Dum llübl ist's noob troolren unä wenigs Lobritt'; Doob nebmt auob mir meine DikAS mit!" Der Damm rersobmil^t, äas Delä erbraust. Dis Dlutsn vrüblsn, clis Dläobe saust. 8ie sst2t äis Nutter auf siobrss Danä, 8obön Lusobsn, xleiob näsäsr /.ur Dlut Akvanät. „Wobin, rvobin? Dis Drsite sobvoll; Des Wasssrs ist buben unä ärübsu voll. Verwegen ins liefe willst äu binsin?" — ,,8is sollen unä müssen Aersttet sein!" Dsr Damm vsrsobwinäst, äie Wells braust, Dins NssrsstvoAö, sie sobveanlrt unä saust. 8obön Lusoben sobrsitet Asrvobnten 8töA, Dmströmt auob, gleitet sie niobt vom WsK, Drrsiobt äsn Lübl unä äie Xaebbarin: Doob äsr unä äsn Kinäsrn Dsin Osvvinn! Der Damm versobrvanä, ein Äser srbraust's, Dsn blsinsn DüAsl im Dreis umsaust's. Da Lälinet unä rvirbelt äsr sobaumsnäs Loblunä Dnä msbst äie Drau mit äsn Dinäsrn ?u Drunä; Das Dorn äsr As^s fallt äas ein', 136 Wüste ist 68 beit!, unter Ralmenblättvrn und Kakteen suoben vir Lobattsn und dis Rosen von Kairo duften uns an, venn vir munteren KluAS dis R^ramidsn umkrsison vis liier die Naus^iebvl und dis Kirobtürms. lkbvr in dsn sobvülen K' Lebten, venu der Kil am Ufer rieselt und dis Lobakale sobrsisn, da träumsn vir voller 8ebnsuobt von den küblsn Wäldern dsr fernen Heimat, von den blübsnden Apfelbäumen auf grünem Rain. In lanAsr Re^en^sit barrsn vir unter triefenden blättern dsr Ralms den Ra^en snt°UKSn, vo dsr 8amum^) sieb erbebt, der svi^s 8onnsnsobein kommt, dis bsiken Nüfls wittern und sndliob vom Neers berab laue Winds streiolisn. Run ist es Zeit. Wir rufen das aus und versammeln uns. Wir maobsn lbluA- übuiiAsn, stär Iren unsere Krafts und n slim en dann tVbsebied vom Raradiese. Ns ist nielit dsr traurige ^.bsobied vis im Nsrbste von dsr nordiselisn Heimat, es ist ein frolies Nebevobl, du bvrrlivbsr Lüden! Und dann fort in oroLen Lobären duroli dis Nükts pfeilsebnell dsr Heimat 2U. Reim ^.btlisAsn von der felsigen Küste Afrikas müssen vir uns darauf Aslakt maelien, dati unsere IllüAsI rastlos aus- Asl>rsitet bleiben, unser Lobnabsl keinen Rissen und keinen Kröpfen Menisken vird, bis dis Nestads Lüdeuropas unter unseren Küken sind. Nott mit uns! 80 sekmsttsrn vir das RsissAebst KsZen den Nimmst auf. KrülimorAsns reisen vir ab in Afrika, am Kaobmitta^s rasten vir auf den lisben Oiebsln, unter deren Rrettsrn unsere Kester des vorigen dabres kleben. — 80 var es auob am AestriZen Normen, als iob mit Weib und Kindern abtlvA von dsn türmen der Kürkenstadt. Naut jubelte untsr uns MNA und alt, sobneller als dsr 8turm sobosssn vir im unsndliolisn, vobl^sordnetsn ZuKS über dem dunklen 6ls- vüsssr dem Korden, dsr lieben, sütien Neimat 211, dis kleinen VoZsl- beivsn voller Olüek, keine ^bnun§ von dem NuZIuoks, das uns auf dieser Reise trelken sollte." „Nm Oottes villsn, vas ist denn Assobeben?" fragte dsr 8pat2. „Koeb lanKS niebt Nitta^ ist's," er^äblte dis Lebvalbs veiter, „über uns dsr blaue Nimmst, unter uns das dunkle Wasser. Kein Niland, kein Lobitf! leb tulile, vis die NlüAsl sobvsrsr vsrden, vis ieb sinke untsr dis Ninis des NluAss. Nein Weib bintsr mir kreisebt auf: leb kann niebt mebr veiter, es verlassen mieb die Kräfte! Na ruft von oben bsrab einer unserer ,lun»vn: Nut, iob sebe den vsilion 8treifsn! Nis Küste von Nalmatien! brisob vorvärts! — Kaob vs- ni^sn Ninuten sind vir dem Nande so nabe, daö dis Nensobsn dsut- b Hkiüsr tVästsuN-iuct. 137 lieli wu seben sind, dis sieb sm 8trands bssebslti^sn. Lndlieb viedsr äis iisbsn Llsnsobsn! LVir saussn dsn Lsissn wu. Oa vird unten As- sebossen, »v meinen Obrsn pfeifen 8obrolbörnsr vorüber. lVie? Uns sollte das weiten? „Out Lreund! Out Lreundrufe ieb binsb. Ls braobt das wveitsmai, das drittsmal; mein dünwster wuebt wusammsn. aus ssillkll LIüAsIn sprübsn die Lsdsrn davon. ^6ut Lrsund!Out Lreund.^ sebreien vir. Lisin >Veib, das visi tiefer liisAt, xidt uns sin Leioben, ibr naobwubommsn. Hinter den Lslssn, ill Osbüsoben babe sis ein siobsres Verstseb vabrASnommsn. Dort sitws sin anderer 8obvalbsn- voAsi llllä lade lllls sin init beilsm Ruis. LVir eilends darauf bin ins Oebüsob, in sin feines LIsobtverb, vis Asssilnüsn wur siobersn Last. Laum aber boebsn vir darin, so wiebt sieb das veits Letw blitwsebnsll wusammen, ieb entbomms noeb wur blot und fabre empor: viels Osnosssn aber sind w^fanwen, darunter mein LVsib, meine Lin- dsr. Ivb fabre visdsr nisdervürts, liuebond dsin LoobvoAel, dsr uns verraten bat. Lud sr var doeb selbst ein Opfer absobeuiiebsn Ver¬ rates, der arms 8obsim. Llir Alübendsin Orabt batte man ibm die .LuASll aus^sstoebsll; mit sinem dureb dis Lass KS20Ksnen Laden bat man ibn an dsn Oiivsnwveiw Ksbundsll, damit sr uns dureb sein 6sscbrsi ins Verderbsn loebs. Lisins unwlüoblielien Osllosssn! LVie sis brsisebtsn und iiattsrtsn und sieb immer msbr verwarnten im Xotws, bis sin Nensob bommt, das Vst2 LUS dsm Osbüseks löst und es mit dsn in Vodssan^st sobrsisndsn Opfern über dsn stsiniAsn Loden davonsebleilt . . . .^ 80 batte dis 8obvalbs or/äblt, ibr Osbsdsr sträubte sieb aut vor 6rauen, vsr 8pats saü spraeblos da. Lndbob begann er doeb 2U tlusbsn über dsn 8trandräubsr, dsn bübisebsn 8trolob, dsr dis arAlossn LVsssn so beimtüebiseb sinönA. ^leb rate dir, dieb 2U maki^sn/ ssAte dis 8ebvalbe mit bitte¬ rem 8pott, ^sonst bönntsst du ldnanneb m beb beiten lieben! Ls var durebaus bein bübisober 8troleb, ss var sin vornebmer Herr aus Lenba-Lika! leb bow noob vsinsnd, liebend über seinem Haupts dabin, als sr dis Leute in sein Laus 20A und an dsn VoAsibsrd, vo die armen — armen . . .^ Lr bonnte niobt veitsr. Oie bisine Leide MA sieb Zusammen vor Lsr^sisid. 8töbnend bat sr es später bsraus^estoiZen, vis man ssins Lieben, eins ums anders aus dem Lstris nabm und den in robsr Laust sntsst^Iiob witternden Ossebllplisin dsn blais umdrebts. lbnen dsn Lais umdrebts, sie briet und verspeiste! Oer vornsbme Lorr babe dabsi mit dsr Lunsse wesebnalwt. Lin böstiiebsr Lsobsrbisssn! 142 115. Das tanke (Nlütterkein. Wer öffnet leise Schloß und Tür? Wer schleicht ins Haus herein? Ts ist der Sohn, der wiederkehrt Zum tauben Mütterlein. Gr tritt herein. Sie hört ihn nicht, Sie saß am Herd und spann; Da tritt er grüßend vor sie hin Und spricht sie „Mutter" an. Und wie er spricht, da blickt sie auf Und — wundervoll Geschick — Sie ist nicht taub dem milden Wort, Sie härt ihn mit dem Blick! Sie tut die Arme weit ihm auf Und er drückt sich, hinein; Da hörte seines Herzens Schlag Das taube Mütterlein. Und wie sie nun beim Sohne sitzt So selig, so verklärt — Zch wette, daß taub Mütterlein Die Lnglein singen hört. Salm. 116. Unser Herz. Unser Herz ist eine Harfe, Eine Harfe mit zwei Saiten, In der einen jauchzt die Freude Und der Schmerz weint in der zweiten. Und des Schicksals Finger spielen Kundig drauf die ewigen Klänge, Heute frohe Hochzeitslieder, Morgen dumpfe Grabgesänge. Peter Rosegger. 117. Drahtklänge. Ihr dunklen Drähte, hingezogen, Soweit mein Äug' zur Ferne schweift, Wie tönt ihr, wenn der Lüfte Wogen In euch so wie in Saiten greift! O welch ein seltsam leises Klingen, Durchzuckt von schrillem Klagelaut, Als hallte nach, was euren Schwingen Zu raschem Flug ward anvertraut. Als zitterten in euch die Schmerzen, Als zitterte in euch die Lust, Die ihr aus Millionen Herzen, Verkündend, tragt von Brust zu Brust. Und so, ihr wundersamen Saiten, Wenn euch des Windes Hauch befällt, Erklingt ihr in die stillen Weiten Als Äolsharfe dieser Welt! Ferdinand von Saar. 165 keinen Teil haben an dir! Ich will mich deiner erbarmen und Menschen hier wohnen lassen, die mit Liebe und Treue an diesem Felsen hängen und glücklich darauf werden sollen." — Da befahl der Herr den Fischen, daß sie das Meer in ungeheuren Schwärmen belebten, und oben in die Felsen und Eisfelder setzte er ein wundersames Geschöpf, halb Kuh, halb Hirsch, das mit Milch und Butter, mit Fleisch und Fell und Sehnen die Menschen nähren und kleiden mußte. — So, spricht die Sage, sei Norwegen ent¬ standen. Darum sei das Meer an jenen wilden Küsten so belebt von den schnellen, unermeßlichen Scharen schuppiger Geschöpfe, so sei mitten in den Eiswüsten das Renntier auch geschaffen, ohne dessen Hilfe niemand dort wohnen könnte. — Aber welche Welt des Schreckens und Schweigens liegt hier verborgen! Unter welchen Schauern der Schöpfung zittert das Herz des einsamen Wanderers, wenn er durch diese öden Fjorde *) und Sunde irrt, wo das Meer in tausend Labyrinthen, zwischen düstere, schnee¬ gekrönte Felsen, in ungangbare Klüfte und Höhlen sich verliert! Welch banges Staunen begleitet ihn, wenn sein Schiff durch diese Unermeßlichkeit von Klippen, gigantischen Blöcken und schwarzen, granitnen Mauern gleitet, die einen mehr als dreihundert Meilen langen furchtbaren Gürtel nm die steinernen Brüste Norwegens schlingen! — Und wenn ein Gott einst ge¬ sagt: „Ich will jene schrecklichen Einöden von Menschen bewohnen lassen," so hat er diese doch nur spärlich ausstreuen können über das vergessene Land. Auf Felsen und Sümpfen müssen sie umherziehen, ewig wandernd mit dem wandernden Renntiere, das sie nährt; nur in Buchten und Spalten am Meeresufer können sie einsam und getrennt wohnen und den Fischen nachstellen unter tausend Ängsten und Mühen. Das Binnenland aber kann noch immer keines Mannes feste Wohnung sein. Tief liegt es unter Sumpf und Eis, in Nebel und Nacht gehüllt, ohne Baum und Feld, ohne die Hütte des Ackerbauers, ohne das Brüllen seiner Herde, ohne den milden Segen, der dem Fleiße der Menschen und ihrer gemein¬ samen Gesittung entspringt. So ist es anznschauen, wenn das Schiff den Hafen von Drontheim verläßt und, nördlich steuernd, durch die Sunde und Fjorde dringt. Hinter ihm steigt die Küste hoch auf; die fruchtbaren Plätze verschwinden darin; immer wildere, nacktere Felsen dehnen sich aus, bis endlich die unersteiglichen Gletscher Norwegens aller Bewohnbarkeit ein Ziel setzen. Das Menschenleben zieht sich dann in die Buchten und Klippen zurück. Dort wohnen der Kaufmann und der Fischer von normannischem Ge¬ schlechte und neben ihnen haben sich Quänen und Lappen angesiedelt. Auf die schneeigen Alpen treibt der Finne seine Milchkühe mit zackigen -) Ein Fjord ist ein tief ins Land eindringender Meerbusen. 176 Am neunten Morgen ernst — und stille, Bewehrt mit Lanz' und breitem Schwert, Vom Kopf zum Fuß in Eisenhülle Erscheinet jeder hoch zu Pferd. Wie die Trompete schmetternd tönet, Stürmt jeder auf den andern los. Die Pferde bäumen sich, es dröbnet Die Rüstung vom gewalt'gen Stoß. Doch fruchtlos glitschet jede Lanze, Tie Kämpfer bleiben unversehrt. Da schwinget leicht als wie im Tanze Ein jeder rasselnd sich vom Pferd; Nun ward der Schwerter Wucht er¬ hoben, Die Streiche fielen hageldicht, Und ob auch Funken um sie stoben, Die Wackern Kämpfer fühlten's nicht. Schon war dem Fremden viel ge¬ lungen, Er hat mit seines Hiebes Kraft Des Kaisers Rüstung durchgedrungen Da, wo am Helm der Panzer klafft; Doch wie sich Max verwundet fühlet, Scheint feine Kraft erst recht erwacht, Als hält' er nur bisher gespielet, Verdoppelt er der Streiche Macht. Und drängt und läßt nicht nach zu stürmen, Bis er den Gegner so betäubt, Daß dem, unfähig sich zu schirmen, Nichts als Ergebung übrig bleibt; Er senkt das Schwert, fleht um sein Leben Und will nach des Vertrages Kraft Sich an des Kaisers Hof begeben, Gewärtig ritterlicher Haft. Da reicht, zur Milde schnell gewendet, Ihm Max die kaiserliche Hand . Und glorreich ist der Kampf geendet, Den er für Deutschlands Ehr' bestand. Jetzt schmettern jubelnd die Trompeten Und alles preist des Herrschers Tat, Der, seines Volkes Ruhm zu retten, Als Kämpfer in die Schranken trat. Karoline Pichler. 145. Das Glück von Edenhall. Von Edenhall der junge Lord Läßt schmettern Festdrommetenschall, Er hebt sich an des Tisches Bord Und ruft in trunkner Gäste Schwall: „Nun her mit dem Glücke von Edenhall!" Der Schenk vernimmt ungern den Spruch, Des Hauses ältester Vasall, Nimmt zögernd aus dem seidnen Tuch Das hohe Trinkglas von Kristall, Sie nennen's das Glück von Edenhall. Darauf der Lord: „Dem Glas zum Preis Schenk' Roten ein aus Portugal!" Mit Händezittern gießt der Greis Und purpurn Licht wird überall, Es strahlt aus dem Glücke von Edenhall. 181 Da stehen sie in der düsteren Halle und hören über die Mauerbrüstuug und durch die Schießscharten herein das Kommando für die aufmarschiereu- den Soldaten. Jeder der hier wartenden Tiroler ist blaß wie die Quader¬ mauer. Keiner sagt zum anderen ein Wort. Jedem ist zu Mute, als gelte es ihm selbst. Jeder bangt vor dem Erscheinen dessen, den sie hier erwarten. Wenn sie selbst schon gebrochen sind, die doch wieder heimkehren sollen in ihre Berge, wie erst muß der Mann sein, den sie da vorüberwanken sehen werden, der nach fruchtlosem Kampfe ums Heimatland dem Henkertode entgegengeht ! Endlich knarrt eine Pforte. Langsame Schritte hallen aus der Ferne und kommen näher in den Gängen. Im Halbdunkel erscheinen die Ge¬ stalten — ein Priester mit dem funkelnden Kreuz in der Hand, hinter ihm, von zwei Bütteln begleitet, schreitet aufrecht Andreas Hofer. Die Männer stehen wie versteinert. Als sie nun aber sein Auge sehen, sein mildes, kindliches Auge, iu welchem keine Angst liegt und kein Trotz, welches auf sie hinblickt Ivie dankend, daß sie gekommen sind mit dem letzten Gruß ans Tirol — da stürzen sie auf ihn zu, fassen seine Hände und fallen vor ihm aufs Knie; der Mann ans Trient kauert vor ihm, als wollte er den bösen Weg versperren, und bedeckt vor Entsetzen sein Angesicht. Ein anderer ist an den Stufen der Treppe aufs Knie gesunken wie vor einem Heiligen. Ein Greis, die eine Hand verzwciflnngsvoll ins weiße Haar wühlend, mit der anderen Hofers Finger umklammernd, ruft, schreit im Tone des höchsten Entsetzens das Wort: „Ändert!" Schauerlich widerhallt hier und zu dieser Stunde der gemütliche Name aus deutscher Heimat. Ein Schrei des tiefsten Jammers ist's. Den einen stützt die Krücke, daß er nicht niedersinkt unter der Last des Schmerzes, der andere preßt sich an die kalte Mauer und weint. Hofer blickt sie traurig an. Vielleicht ist ihm, als sähe er in jedem seiner Kameraden ein Stück seiner selbst. Jedem will er die Hand reichen: allein jene, die sie einmal erfaßt haben, lassen sie nicht mehr los, diese treue Hand. „Männer!" sagt er zu ihnen, seine Stimme ist nicht so hell wie sonst, „mir hat's wohl getan, daß ich euch noch einmal gesehen hab'! Geht heim, geht heim! Wenn ihr mir noch was zulieb wollet tun — eine Schaufel voll Tiroler Erden auf mein Grab . . . ." Und nun ist er fertig mit allem, mit sich, mit dem wilden Schmerze der Enttäuschung, mit dem Leide über sein verlorenes Land. Draußen auf freiem Platze schallt ein Horn. Ein Offizier gibt das Zeichen, die Zeit sei um. Der Priester legt ernst mahnend seine Hand auf Hofers Arm. Fester noch umklammern sie die kühlen Hände, wortlos, laut¬ los — nur das Schluchzen der Tiroler — Andreas Hofer reißt sich los und schreitet fest, aufrecht die Quadertreppc hinab. Er schreitet durch die 193 157. lkttrxivuls t'rüks8te ^suZend. RarDval 8tammte au8 dem köniAlicken Oe8ckleckte von ^.n^'ou. Dack de8 Vater8 frükem Dode er^oA ikn die ke8orAte blutter in einem sin8amen IVaide. In kindkckem 8piels 8cknit?ts 8ick der Rnake DoAen und Rleile uncl erlsAte die 8inAenden IValdvöAel; aker bald, wenn er die armen 8änAer getötet Katts, kracken Kitters Dränen au8 8einen tVuAsn. ^18 er LM8t auf einer ein8amen DerAkalde MAte, vernakm er den 8ckmalsn klad entlang laute Duf8ckläA6. »IVer kommt da einkerA68prenAt?« dackts RarDval. »18t 68 Aar der Ko8e? Oie lVlutter fürcktst 8ick vor ikm; ick würde ikn im Rampfs ke- 8ieA6n.« ^ker 68 waren Ritter, vom Röpke Ki8 2um Ruke Alän^end Akwaffnet, ^eder von iknen deuckte den Rnaken ein Oott. Darum wart er 8ick aut dis Rnie und riet mit lauter 8timme: »Dill, Dimmet, denn du Ki8t an Dille reick!« Die Ritter 8taunten üker ds8 fünAlinA8 Dnerlakrenkeit, aker mekr nock üker 8eine 8ckönkeit und 8einen 8tattlicksn ^Vuck8. 8ie lisken ikn dis Rü8tunA und die IVafken mit Kindlicker DeuZier ketüklen und Aaken ikm auf 8eine krauen üker den Rweck der Ranker und der Rü8tunAsn, üker Rittertum und RitterDtts freundlicke ^U8kuntt. ^set2t war kein Dalten mekr. RarDval mukte Kinau8 au8 dem 8tiI1sn Dunkel 8eine8 1Valde8, Kinau8 au8 den ^Vrmen der ?ärt- licken butter, Kinau8 in die Alän^ends Ritterwelt ^u feurigem Rampfe und 8ieAS. Die iVlutter, dis ds8 8okns8 1Vanderlu8t nickt ksDsAen konnte, kek ikm ein Oswand anlsAen, dock nickt da8 sins8 Ritter8, 8ondern da8 eins8 Doren, ds8 8ie au8 8acktuck und Rälkerfell Asnäkt, damit er der ^Velt 2um 8potte werde und kald ^urückkekre. ^.l8 8is ikn 80 au8Aerü8tet Katts, Aab De ikm nock einiAS Aute Dekren mit auf den ^6A. 8o ott ein Lack oder ein kluü 8sinen IVeA kemms, 8olle er die dunklen Kurten meiden und lieker den Klu6 entlanA Deken, Ki8 er eine 8eickts 8telle knde. Kr möAS niemandem den Llruk ver8aAen, und wenn ein weDer Orei8 ikn 2uckt lekren wolle, 80 8oI1s er ikm wilkA folAen. 8o rei8te RarDval, da8 8tille DeimatAslük! und den dunklen, aker mäcktiAen "Kriek in die Kerne nock unAS8ckieden in 8ick tragend, dakin, um der ^elt aD ein lor ?u sr8ckeinen, wie 8ick dis mei8ten wakrkatt tiefen deut8cken Oemüter kei ikrem sr8ten Auftreten in der IVelt al8 Dören dar8tsllen. Frisch und Rudolf, Lesebuch für Bürgerschulen. 13 199 Segen sei dem Land beschieden Und sein Ruhm dem Segen gleich: Gottes Sonne strahl' in Frieden Auf ein glücklich Österreich! Laßt uns fest zusammenhalten, In der Eintracht liegt die Macht; Mit vereinter Kräfte Walten Wird das Schwerste leicht vollbracht. Laßt uns, eins durch Brüderbande, Gleichem Ziel entgegengehn: Heil dem Kaiser, Heil dem Lande, Österreich wird ewig stehn! An des Kaisers Seite waltet, Ihm verwandt durch Stamm und Sinn, Reich an Reiz, der nie veraltet, Unsre holde Kaiserin. Was als Glück zuhöchst gepriesen, Ström' auf sie der Himmel aus! Heil Franz Josef, Heil Elisen, Segen Habsburgs ganzem Haus! I. G. Seidl. 200 Zweiter Teil. (Für die dritte Klasse.) 1. Das Nibelungenlied. Krirmhilde und Siegftird. Im Burgundenlande, in der alten Königsburg zu Worms am Rheine wuchs eine edle Königstochter nach des Vaters frühem Tode zur blühenden Jungfrau heran, voll Liebreiz und Anmut. Leise, ahuungsreiche Träume umschweben das sinnende Haupt der lieblichen Kriemhilde in der stillen Ab¬ geschiedenheit, in welcher sie der edlen Zucht und Sitte ihrer Zeit gemäß ihre Kindheit und erste Jugend verlebte. Einen Falken, so, zeigt ihr ein Traumgesicht, zieht sie auf und pflegt ihn als ihren Schützling manchen Tag — da stürzen sich zwei Adler herab und erdrücken mit ihren Klauen das zarte Tier vor ihren Augen. Schmerzlich bewegt, erzählt die Erwachende den Traum der lieben Mutter. „Der Falke," deutet diese das stille, süße und bange Ahnen der Tochter, „der Falke ist ein edler Mann, dem deine Zukunft bestimmt ist; wolle Gott ihn behüten, daß du nicht früh ihn verlierst!" Heiter in fröhlicher Jugend, stark in frischem Mannesmute und ge¬ waltig in kühner Kraft ist inzwischen Siegfried in den Niederlanden zu Santen am Rheine, Siegmunds und der Siegelinde Sohn, schon als Knabe zum Helden herangewachsen und durch manche Lande hingezogen, um freu¬ dig seines riesigen Leibes wunderbare Stärke zu versuchen. Da hört er die Kunde von der schönen Jungfrau zu Worms am Rheine und der schönste und frischeste, der freudigste und herrlichste der Heldenjünglinge seiner Zeit zog aus der Heimat mit seinen Mannen, um zu Worms zu werben um die schönste, anmutigste und züchtigste Jungfrau, die in allen Landen zu finden war. Ein Ton der warnenden Ahnung läßt sich auch hier vernehmen von den Lippen des weisen Vaters, des Königs Siegmund; eine Träne des Schmerzes um das liebe Kind, das sie zu verlieren fürchtet, fällt aus der Siegelinde Augen auf die treue, starke Hand des Sohnes; aber der Sohn zieht dahin, mit reicher Gabe von Vater und Mutter entsendet. Vor der Königsburg zu Worms reiten die Fremden auf, Riesen gleich in männ¬ licher Jugendkraft, in niegesehenem, herrlichem Schmucke der Rüstungen und der Rosse. Niemand kennt die vor dem Königssaale am Rheinufer haltenden Mannen, niemand ihren Führer, den Jüngling von königlicher Gestalt. Da wird nach Hagen von Tronje gesandt, dem alle fremden Lande kund sind; 208 Und der entsetzliche Hagen läßt den Toten, sobald man in der Nacht zu Worms angekommen ist, vor die Tür des Hauses legen, in dem Kriem- hilde lebt, wohl wissend, daß sie selbst gleich am frühen Morgen, wenn sie ihrer Gewohnheit nach zur Messe geht, ihn da finden werde. Furchtbar gelingt die Freveltat. Ein Kämmerer geht mit dem Lichte voran und sieht den Leichnam. „Frau," sagt er, „stehet stille, da liegt vor dem Gemache ein erschlagener Ritter." Ein lauter Schrei des Entsetzens ist Kriemhildens Antwort. Sie weiß, wer da erschlagen liegt, ohne daß man es ihr gesagt hat; und als sie den Erschlagenen sieht, so tief er auch vom Blute über¬ gossen ist — sie kennt wohl im bleichen Fackelscheine die Heldengestalt und Kriemhilds an der Leiche Siegfrieds. Von Lauffer. ;A. Pichlers Witwe L Sohn.) die edlen, im Tode erstarrten Züge. „Du bist ermordet," ruft sie, „dein Schild ist nicht zerhauen. Dem gilt der Tod, der das getan!" Siegfrieds Mannen und Siegfrieds Vater werden geweckt; lauter Jammer erfüllt weit und breit die Säle und Höfe; und zur Rache scharen sich die Getreuen des erschlagenen Helden. Kaum daß Kriemhilde warnen und abwehren kann, es sei jetzt noch nicht die Zeit zur Rache — dereinst werde sie kommen. Als der Tote auf der Bahre liegt, kommen die Könige, ihre Brüder, und die Verwandten; auch Hagen tritt ohne Scheu hinzu. Kriemhilde aber wartet an der Bahre des Bahrrechts — einer Volkssitte und eines Volks¬ glaubens, der noch heute nicht ausgeftorben ist: wenn der Mörder dem Gemordeten nahe trete oder gar dessen Leichnam berühre, öffnen sich die Wunden und das Blut fließe von neuem — und als Gunther ihr eben 216 Knabe heran. Walter war von adeliger, aber armer Herkunft. Gelehrte Bildung besaß er nicht, das Leben erzog ihn. Als Jüngling fand er in Wien eine zweite Heimat. Am glänzenden Hofe der Babenberger empfing er eine ritterliche Erziehung; hier hat er, wie er selbst erwähnte, „fingen und sagen" gelernt. Beim Herzoge Friedrich I., der ihm freundlichen Schutz und reichen Lohn gewährte, stand er in besonderer Gunst. Als Friedrich im Jahre 1198 auf einer Kreuzfahrt starb, begann für Walter ein unstetes und mühseliges Wan¬ derleben. Er ist weit hinaus¬ gekommen in die Welt: von der Elbe bis zum Rhein, von der Seine bis zur Mur, vom Po bis zur Drau und bis hinein ins Ungarland ist er, allzeit frohen Mutes, hoch zu Roß, die Geige zur Seite, dahin gezogen, hat auf den Straßen und in den Burgen seine Lieder angestimmt und Land und Leute mit sinnigem Auge geschaut. Walter von der Vogel¬ weide war an den Fürsten- höfen ein gern gesehener Gast. Allein das ruhelose Leben be- hagte ihm nicht mehr, er wünschte sich ein bleibendes Heim. „Daß man mich bei so reicher Kunst so verarmen läßt!" ruft er dem jungen Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen zu; „könnte ich mich am eigenen Herde wärmen, wie wollte ich dann von den Vöglein und von der Minne singen! Nur wer einen eigenen Herd hat, kann fröhlich seinen Gesang ertönen lassen!" Friedrich II. schenkte ihm ein kleines Lehen, das vermutlich bei Würzburg in Bayern lag. Hier genoß der Dichter Tage reinen, ungestörten Glückes. In einem Lobliede ans das deutsche Vaterland rühmt er neben den deutschen Männern und Frauen die deutsche Zucht. Freilich hat der Dichter, der für die Freiheit und Ehre seines Volkes eiferte und an allen öffentlichen Ereignissen jener vielbewegten Zeit lebendigen Anteil nahm, tiefen Grund Walter von der Vogelweide. 242 Herder schrieb: „Fragmente zur deutschen Literatur", „Kritische Wälder", „Blätter von deutscher Art und Kunst", „Stimmen der Völker in Liedern", „Cid", „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit", ferner Epigramme, Parabeln, Legenden u. dgl. Er starb im Jahre 1803. Das Denkmal, welches ihm daselbst neben der Stadtkirche errichtet wurde, trägt als Inschrift den Wahlspruch, der als der leitende Stern über seinem Leben stand: Licht, Liebe, Leben! Nach Schäfer und Dr. Niemeyer. 23. Tag und Nacht. Nacht und Tag stritten miteinander um den Vorzug. Der feurige, glänzende Knabe Tag fing an zu streiten. — „Arme, dunkle Mutter," sprach er, „was hast du wie meine Sonne, wie meinen Himmel, wie meine Fluren, wie mein geschäftiges, rastloses Leben? Ich erwecke, was du getötet hast, zum Gefühle eines neuen Daseins; was du erschlaffst, rege ich auf." — „Dankt man dir aber auch für deine Aufregung?" sprach die bescheiden verschleierte Nacht. „Muß ich nicht erquicken, was du ermattest? Und wie kann ich's anders als meistens durch Vergessenheit deiner? Ich hingegen nehme alles mit seiner Zufriedenheit in meinen Schoß; sobald es den Saum meines Kleides berührt, vergißt es dein Blendwerk und neiget sein Haupt sanft nieder. Und dann erhebe, dann nähre ich die ruhig gewordene Seele mit himmlischem Tau. Dem Auge, das unter deinem Sonnenstrahl nie gen Himmel zu sehen wagte, enthülle ich, die verhüllte Nacht, ein Heer unzähliger Sonnen, unzähliger Bilder, neue Hoffnungen, neue Sterne." I. G. Herder. 24. Das Kind der Barmherzigkeit. Als der Allmächtige den Menschen erschaffen wollte, versammelte er ratschlagend die obersten Engel um sich. „Erschaffe ihn nicht!" so sprach der Engel der Gerechtigkeit; „er wird unbillig gegen seine Brüder sein und hart und grausam gegen den Schwächeren handeln." — „Erschaffe ihn nicht!" so sprach der Engel des Friedens; „er wird die Erde düngen mit Menschenblut; der Erstgeborene seines Geschlechtes wird seinen Bruder morden." — „Dein Heiligtum wird er mit Lügen entweihen," so sprach der Engel der Wahrheit, „und ob du ihm dein Bildnis selbst, der Treue Siegel, auf sein Antlitz prägtest." Noch sprachen sie, als die Barmherzigkeit, des ewigen Va¬ ters jüngstes, liebstes Kind, zu seinem Throne trat und seine Knie umfaßte. „Bilde ihn," sprach sie, „Vater, zu deinem Bilde selbst, einen Liebling deiner Güte! Wenn alle deine Diener ihn verlassen, will ich ihn suchen und 265 Drum willst du dich vor Leid be¬ wahren, So flehe zu den Unsichtbaren, Daß sie zum Glück den Schmerz verleih»; Noch keinen sah ich fröhlich enden, Auf den mit immer vollen Händen Die Götter ihre Gaben streu'n. Und wenn's die Götter nicht ge¬ währen, So acht' auf eines Freundes Lehren Und rufe selbst das Unglück her; Und was von allen deinen Schätzen Dein Herz am höchsten mag ergötzen, Das nimm und wirf's in dieses Meer!" Und jener spricht, von Furcht beweget: „Von allem, was die Insel heget, Ist dieser Ring mein höchstes Gut. Ihn will ich den Erinnen weihen, Ob sie mein Glück mir dann verzeihen," Und wirft das Kleinod in die Flut. Und bei des nächsten Morgens Lichte, Da tritt mit fröhlichem Gesichte Ein Fischer vor den Fürsten hin: „Herr, diesen Fisch hab' ich ge¬ fangen. Wie keiner noch ins Netz gegangen; Dir zum Geschenke bring' ich ihn." Und als der Koch den Fisch zerteilet, Kommt er bestürzt herbeigeeilet Und ruft mit hocherstauntem Blick: „Sieh, Herr, den Ring, den du ge¬ tragen, Ihn fand ich in des Fisches Magen; O, ohne Grenzen ist dein Glück!" Hier wendet sich der Gast mit Grausen: „So kann ich hier nicht ferner Hausen, Mein Freund kannst du nicht weiter sein. Die Götter wollen dein Verderben; Fort eil' ich, nicht mit dir zu sterben." Und sprach's und schiffte schnell sich ein. Friedrich Schiller. 42. Der lauesten. „Wor rva^t 68, Ililtersinanu oäor Lnapp', 2u lauesten in äissen Kostlnnä? Hünen AoIUnen Koester rvert iest stinab; VsrsestlunAen seston stat istn «ler sestvar^s Nnnck. UVer wir äen Lsestsr staun rvieäsr reifen, stlr maZ' istn bestallen, er ist sein ei»nn.^ Oer XöniA spriestt es nnä viril von äer Höst' Oer Hipps, «lis sostroti nn«l steil HinansstLn^t in äie unenäliosts Lee, Den Koester in der Ostar^bcls Oestenl. „Wer ist clsr löester^ts, iest traAO visäer, 2n tanosten in «liess liste niecler Und dis lkitter, dis Lnappsn uw istn stsr Vsrnsstwsn's nnd sestvsiAon still, Kesten stinab in das vildo Nser Und stsinsr äen Lsestsr Löwinnen null, blnä dsr Löui§ snrn drittsnmal visdsr traget: „Ist keiner, der siest stinnntsr vaZst?" 275 Die drei Worte bewahret euch, inhaltschwer, Sie pflanzet von Munde zu Munde, Und stammen sie gleich nicht von außen her, Euer Jnnres gibt davon Kunde. Dem Menschen ist nimmer sein Wert geraubt, Solang er noch an die drei Worte glaubt. Friedrich Schiller. 45. Wallenstein. Wallenstein hatte über eine Armee von beinahe hunderttausend Mann zu gebieten, von denen er angebctet wurde, als das Urteil der Absetzung ihm verkündet werden sollte. Die meisten Offiziere waren seine Geschöpfe, seine Winke Aussprüche des Schicksals für den gemeinen Soldaten. Grenzenlos war sein Ehrgeiz, unbeugsam sein Stolz, sein gebieterischer Geist nicht fähig, eine Kränkung ungerochen zu erdulden. Ein Augenblick sollte ihn jetzt von der Fülle der Gewalt in das Nichts des Privatstandes herunterstürzen. Jedoch war es nichts Leichtes, Wal¬ lenstein die Macht zu nehmen. Man hatte deswegen die Vorsicht gebraucht, zwei von seinen vertrautesten Freunden zu Überbringern dieser schlimmen Botschaft zu wählen, welche durch die schmeichelhaftesten Zusicherungen der fortdauernden kaiserlichen Gnade so sehr wie möglich gemildert werden sollte. Wallenstein wußte längst den ganzen Inhalt ihrer Sendung, als die Abgesandten des Kaisers ihm vor die Augen traten. Er hatte Zeit gehabt, sich zu sammeln, und sein Gesicht zeigte Heiterkeit, während Schmerz und Wut in seinem Herzen stürmten. Aber er hatte beschlossen zu gehorchen. Dieser Urteilsspruch überraschte ihn, ehe zu einem kühnen Schritte die Um¬ stände reif und die Anstalten fertig waren Seine weitläufigen Güter waren in Böhmen und Mähren zerstreut; durch Einziehung derselben konnte der Kaiser ihm den Nerv seiner Macht zerschneiden. Von der Zu¬ kunft erwartete er Genugtuung und in dieser Hofsnung bestärkten ihn die Prophezeiungen eines italienischen Astrologen, der diesen ungebändigten 18» Wallenstein. — 2S6 — In jenes Augenblickes Höllenqualen, Ist eine heil'ge Schuld; ich will sie zahlen. Du bist mein Herr und meines Kaisers Vogt; Doch nicht der Kaiser hätte sich erlaubt, lvas du. — Gr sandte dich in diese Lande, Ain Recht zu sprechen, — strenges, denn er zürnet, — Doch nicht, um mit der mörderischen Lust Dich jedes Greuels'straflos zu erfrechen; Gs lebt ein Gott, zu strafen und zu rächen. Komni du hervor, du Bringer bittrer Schinerzen, Wein teures Kleinod jetzt, mein größter Schatz; — Gin Ziel will ich dir geben, das bis jetzt Der frommen Bitte undurchdringlich war; — Doch dir soll es nicht widerstehn. — And du, Vertraute Bogensehne, die so oft Wir treu gedient hat in der Freude Spielen, Verlaß mich nicht im fürchterlichen Grnst! Nur jetzt noch halte fest, du treuer Strang, Der mir so oft den herben Pfeil beflügelt; — Gntränn er jetzo kraftlos meinen Händen, Ich habe keinen zweiten zu versenden. (Wanderer gehen über die Szene.) Auf diese Bank von Stein will ich mich setzen, Deni Wanderer zur kurzen Ruh' bereitet; — Denn hier ist keine hemmt. — Jeder treibt Sich an dem andern rasch und fremd vorüber Und fraget nicht nach seinem Schmerz. — hier geht Der sorgenvolle Kaufmann und der leicht Geschürzte Pilger, der andächt'ge Wönch, Der düstre Räuber und der heitre Spielmann, Der Säumer mit dem schwer beladnen Roß, Der ferne herkommt von der Wenschen Ländern; Denn jede Straße führt ans Gnd' der Welt. Sie alle ziehen ihres Weges fort An ihr Geschäft, — und meines ist der Word! (Setzt sich.) Sonst wenn der Vater auszog, liebe Kinder, Da war ein Freuen, wenn er wiederkam; Denn niemals kehrt' er heim, er bracht' euch etwas: 299 harter Schlag getroffen und ich kann mich nicht erwehren, bei dieser Gelegen¬ heit auch in mein eigenes Innere zu greifen und mir den möglichen Verlust dessen, was' mir teuer ist, zu denken. Bei meiner schwachen Gesundheit hatte sich die feste Überzeugung in mir gebildet, daß ich nicht in diesen Fall kommen werde; aber Ihr Verlust, mein teurer Freund, überführt mich, daß alle Berechnungen trügen. Wenn das italienische Klima doch vielleicht zu angreifend für Ihre Kinder und die gute Karoline wäre oder werden könnte, so wäre es vielleicht besser, alle jene Verhältnisse aufzugeben, da Sie doch Herr Ihres Schicksals sind. Es haben so viele Deutsche schon ein frühes Grab dort gefunden. Mögen diese Zeilen Sie und die liebe Karoline in einer ruhigen Fassung finden! Aber wir wünschen sehr bald ein Wort von Karolinens Hand, um uns zu überzeugen, daß sie sich über diesen schweren Schlag er¬ hoben habe. Eine starke Seele bei aller feinen, zarten Fühlbarkeit ist doch das glücklichste Geschenk des Himmels; es ist ihr verliehen und so wird sie das Unabänderliche zu ertragen wissen. Geben Sie uns recht bald wieder Nachricht; warum müssen nur jetzt so weit voneinander sein; unser herzlicher Anteil würde Ihnen Ihren Kummer erleichtern! Erhalten Sie Ihre Gesundheit! Ewig der Ihrige Schiller. 54l. Ooläene ^Vorte. Ukliebt kür jeden. Immer 8trebe 2um Oarmen, und Kann8t du 8elber kein 6anr:e8 ^Verden, al8 dienende8 LUisd 8eblie6 an ein 6anr:e8 ckielr an! Oer 8eblü88el. Mill8t cin dicb 8elbsr erkennen, 80 8ieb, wie ckis andern 68 treiben; ^Vill8t cku ckie andern vsr8tsbn, bliek' in dein eiASne8 bler?! Ureund und Ueind. leuer mt mir der Ureund, doeb aueb den Ueind kann iek nützen; 2eiAt mir der Ureund, WL8 icb kann, lebrt micb der Ueind, ws8 icb 80II. ^Vabk Xann8t du niebt allen Aekallsn durcb deins ll"at und dein Ivun8t- werk, lVIaeb' 68 wenigen reebt; vielen gefallen i8t ocblimm. k'risäriLk 8ekiIIsr. 308 Gebet während der Schlacht. Von M. Weise. (Verl. Rich. Bong, Berlin.) Gott, ich erkenne dich! So im herbstlichen Rauschen der Blätter Wie im Schlachtendonnerwetter, Urquell der Gnade, erkenn' ich dich. Vater du, segne mich! Vater du, segne mich! In deine Hand befehl' ich mein Leben, Du kannst es nehmen, du hast es gegeben: Zum Leben, zum Sterben segne mich! Vater, ich preise dich! Vater, ich preise dich! 's ist- ja kein Kampf für die Güter der Erde; Das Heiligste schützen wir mit dem Schwerte, Drum fallend und siegeltd preis' ich dich. Gott, dir ergeb' ich mich! Gott, dir ergeb' ich mich! Wenn mich die Donner des Todes begrüßen, Wenn meine Adern geöffnet fließen, Dir, mein Gott, dir ergeb' ich mich ! Vater, ich rufe dich! Theodor Körner. - 3IZ - „Wie heißen, die zogen ins Todesfeld Und ließen fliegende Banner aus?" Es kamen Völker aus aller Welt, Die zogen gegen Franzosen aus, Die Russen, die Schweden, die tapfern Preußen Und die nach dem glorreichen Österreich heißen, Sie zogen all aus. „Wem ward der Sieg iu dem harten Streit? Wem ward der Preis mit der Eisenhand?" Die Welschen hat Gott wie die Spreu zerstreut, Die Welschen hat Gott verweht wie Sand; Viele Tausende decken den grünen Rasen, Die übrig geblieben, entflohen wie Hasen, Napoleon mit. „Nimm Gottes Lohn, habe Dank, Gesell! Das war ein Klang, der das Herz erfreut! Das klang wie himmlische Zimbeln hell! Hab' Dank der Mär von dem blutigen Streit! Laß Witwen und Bräute die Toten beklagen, Wir singen noch fröhlich in spätesten Tagen Die Leipziger Schlacht." O Leipzig, freundliche Lindenstadt, Dir ward ein leuchtendes Ehrenmal; Solange rollet der Zeiten Rad, Solange scheinet der Sonnenstrahl, Solange die Ströme zum Meere reisen, Wird noch der späteste Enkel Preisen Die Leipziger Schlacht. Ernst Moritz Arndt. 66. Geharnischte Sonette. 1. O daß ich stünd' auf einem hohen Turme, Weit sichtbar rings in allen deutschen Reichen, Mit einer Stimme, Donnern zu vergleichen, Zu rufen in den Sturm mit mehr als Sturme: Wie lang willst du dich winden gleich dem Wurme, Krumm unter deines Feinds Triumphrads Speichen? Hat er die harte Haut noch nicht mit Streichen Dir g'nug gerieben, daß dich's endlich wurme? 319 Bald auch der Erzbischof Tnrpin Den Riesenhandschuh brachte, Die ungefüge Hand noch drin; Er zog sie aus und lachte: „Das ist ein schön Aeliquieiistück; Ich bring' es aus dem Wald zurück, Fand es schon zugehauen." Der Herzog Naims von Bayerland Kam mit des Riesen Stange: „Schaut an, was ich im Walde fand, Ein Waffen, stark und lange! Wohl schwitz' ich von dem schweren Druck: Hei, bayrisch Bier, ein guter Schluck, Sollt' mir gar köstlich munden!" Graf Richard kam zu Fuß daher, Ging neben seinem Pferde; Das trug des Riefen schwere Wehr, Den Harnisch samt dem Schwerte: „Wer suchen will im wilden Tann, Manch Waffenstück noch finden kann, Ist mir zu viel gewesen." Der Graf Garin tat ferne schon Den Schild des Riesen schwingen. „Der hat den Schild, des ist die Kron', Der wird das Kleinod bringen!" „Den Schild hab' ich, ihr lieben Herr'n! Das Kleinod hält' ich gar zu gern, Doch das ist ausgebrochen." Zuletzt tat man Herrn Milon sehn, Der nach dem Schlosse lenkte; Er ließ das Rößlein langsam gehn, Tas Haupt er traurig senkte. Roland ritt Hinterm Pater her Und trug ihm seinen starken Speer Zusamt dem festen Schilde. Doch wie sie kamen vor das Schloß Und zu den Herr'n geritten, Macht' er von Vaters Schilde los Die Zierat in der Mitten; Tas Riesenkleinod setzt' er ein, Das gab so wunderklaren Schein Als wie die liebe Sonne. Und als nun diese Helle Glut Im Schilde Milons brannte, Da rief der König frohgemut: „Heil Milon von Anglante! Ter hat den Riesen übermannt, Ihm abgeschlagen Haupt und Hand, Das Kleinod ihm entrissen." Herr Milon hatte sich gewandt, Sah staunend all die Helle: „Roland, sag' an, du junger Fant, Wer gab dir das, Geselle?" — „Um Gott, Herr Vater, zürnt mir nicht, Daß ich erschlug den groben Wicht, Derweil Ihr eben schliefet!" Ludwig Uh land. 72. Ltilands Lieder und errülilvnde Oedielite. Dor OosanK ist Konto dio KssolliZsts der Xünsto. Vas arms Volk liost rvomstr, am rvoni^ston Oediokts; last allein dnrok don (stesan^ rvird ilim das Por Asötlnot rui dor 8okatrkainmor dontsokor Uossio. Vn Xnnstwort stolion Ilklands or^äklonds Vsdiokto ssinon Liodorn okno ^rvoilol Alsiok; aksr dis UodsutunA dos Nannos bür dio (llssittnnA nnssrss Volkes ksrukt vornokmliok anb den Liedern. 8iv Kuben dom 8äNAor don sokünston Xaokrukm Askraokt, dor dom lvriseksn Viok- tor kosokiedon ist. 8io loken in ikror lsiokton, san^karon Lorrn im Nnnds von lanssndon, dis ssinon Xamsn nie gekört, sio klinASll rviodor, rvo immer vontsoks krökliok in dio ^Voito rioken oder rnm ksitorsn Vola^o siok sokaron. Ls rvar sine 8tunds ssli^or Lsnu^- 345 Der lädt ihn auf den Rücken, wo Klüfte schwindelnd dröhn; Wohl sind der Treue Schultern des Fürsten schönster Thron. Rasch geht's zu Tal, wo jauchzend Tirol empfängt die zwei; Kein Spötter kann belächeln die seltne Reiterei. Wohl kündet uns die Sage aus grauer Ahnenzeit Von einem Himmelsboten, der schützend ihn befreit; Jawohl, ein Engel war es, ein Schutzgeist, stark und kühn; Des treuen Volkes Liebe, so nennt zu deutsch man ihn. Ein Kreuz auf hohem Felsen blickt nieder in das Land Und zeigt den Ort, wo bebend einst Habsburgs Sprosse stand, Noch lebt die edle Kunde und jubelt himmelwärts Aus manches Sängers Munde durch aller Tiroler Herz. Anastasius Grün. 89. Der letzte Dichter. „Wann werdet ihr, Poeten, Des Dichtens einmal müd'? Wann wird einst ausgesungen Das alte, ew'ge Lied? Ist nicht schon längst geleeret Des Überflusses Horn, Gepflückt nicht alle Blumen, Erschöpft nicht jeder Born?" — Solang' der Sonnenwagen Im Azurgleis noch zieht Und nur ein Menschenantlitz Zn ihm empor noch sieht; Solang' der Himmel Stürme Und Donnerkeile hegt Und bang' vor ihrem Grimme Ein Herz noch zitternd schlägt; Solang' nach Ungewittern Ein Regenbogen sprüht, Ein Busen noch dem Frieden Und der Versöhnung glüht; Solang' die Nacht den Äther Mit Sternensaat besät Und noch ein Mensch die Züge Der goldnen Schrift versteht; Solang' der Mond noch leuchtet, Ein Herz noch sehnt und fühlt; Solang' der Wald noch rauschet Und einen Müden kühlt; Solang' noch Lenze grünen Und Rosenlauben blühn, Solang' noch Wangen lächeln Und Augen Freude sprühn; Solang' noch Gräber trauern Mit den Zypressen dran, Solang' ein Ang' noch weinen, Ein Herz noch brechen kann: So lange wallt auf Erden Die Göttin Poesie Und mit ihr wandelt jubelnd, Wem sie die Weihe lieh. Und singend einst und jnbelnd Durchs alte Erdenhaus Zieht als der letzte Dichter Der letzte Mensch hinaus. Noch hält der Herr in Händen Die Schöpfung ungeknickt Wie eine frische Blunie, Auf die er lächelnd blickt. 349 95. Männerwaffen. Nie ohne Waffe sei der Mann! Ich meine nicht das Schwert, So sehr es ihn auch ehren kann, Wenn er es selber ehrt. Doch andre Waffen gibt es noch, Bon Gott ihm umgeschnallt, Die leihn ihm selbst im Sklavenjoch Beherrschende Gewalt. Solch eine Waff' — es ist sein Geist, Der ruhig klare Sinn, Der alles Niedre von sich weist, Gekehrt zum Höchsten hin; Ter, wenn des Schicksals Druck ihn preßt, Ein Fels entgegenstarrt, Nicht Haarbreit von dem Rechten läßt lind treu sich selbst beharrt. Solch eine Waff' — ist sein Gefühl, Sein volles, warmes Herz, Verschlossen eitlem Tränenspiel, Geöffnet wahrem Schmerz, Das echter Freude gern sich freut Und echte Liebe liebt Und selbst für alle Herrlichkeit Nicht einen Gran vergibt. Solch eine Waffe — ist sein Wort, Das Echo seines Sinns, Ein festes Schloß, ein sichrer Hort, Kein Spielball des Gewinns; Zur rechten Stund', am rechten Platz, Da hält es ehern stand, In armer Zeit ein reicher Schatz Und bess'rer Zukunft Pfand. Das sind die Waffen, die der Mann Zu führen wissen soll, Mit diesen kämpf' er furchtlos an, Gerechten Stolzes voll. Die leg' er im Gefecht der Welt Nicht eingeschüchtert ab, Die nehm' er als ein rechter Held Einst mit sich in das Grab! I. G. Seidl. 96. Der- tote 8oI6nt. ^uf ferner, fremcier ^Vue, Du lieAt ein toter 8olclat, Lin unAsxäblter, ver^ess'ner, Vffe brav er Aekämpkt aueb bat. Ls reiten viel' Oenerale IVlit Ivrenren an ilnn vorbei; Denkt keiner, ciaü, Usr ein liefet, ^.ueb rvert eines Lreu^Ieins sei. Ls ist um maneben Oelall'nen Viel Lra^' uncl Kummer Uort, Doeb für clen armen Lolclaten Llibt's rvsUer Träne nocb 'iVort. — Doeb ferne, rvo er ?u Dause, Da sit^t beim ^.benUrot Lin Vater voll banger ZtbnunF LlnU sLAt: »6ervi6, er ist tot!« 355 Und die Moral der kläglichen Geschichte? Ach, die Moral, sie lautet: Mensch, zu steigen Verlange höher nicht, als du im stände Zu fallen, ohne dir den Hals zu brechen! 100. Tausend goldne Sterne winken Aus des Himmels blauer Höh'; Tausend goldne Sterne blinken Aus dem spiegelglatten See. Hoch hinan in blaue Ferne Winken sie mit goldnem Licht; Aufwärts, aufwärts zög' ich gerne, Doch mein Flug erreicht sie nicht. Robert Hamerling. Die Sterne. Nach der Tiefe hin, der feuchten, Lockt mich ihr demantner Kranz; Aber ach, die dort mir leuchten, Sind ein wesenloser Glanz. Und so mögt ihr, goldne Sterne, Unsres Glücks Sinnbilder sein: Was der Himmel hat, ist ferne, Was die Erde hat, ist Schein. Robert Hamerling. Berggipfel erglühen, Waldwipfel erblühen, Vom Leuzhauch geschwellt! Zugvogel mit Singen Erhebt seine Schwingen: Ich fahr' in die Welt! 101. Ausfahrt. Mir ist zum Geleite In lichtgoldnem Kleide Frau Sonne bestellt; Sie wirft meinen Schatten Auf blumige Matten: Ich fahr' in die Welt! Mein Hutschmuck die Rose, Mein Lager im Moose, Der Himmel mein Zelt! Mag lauern und trauern, Wer will, hinter Mauern: Ich fahr' in die Welt! Josef Viktor von Scheffel. 102. Unter Palmen. Es war gegen das Ende des Monats Oktober im Jahre 1752, als die Kaiserin Maria Theresia, aus den Arm ihres Gemahls gestützt, die Prächtige Freitreppe der Gloriette zu Schönbrunn erstieg, um mit einem langen Blick aus den Garten wieder einmal für viele Monate Abschied zu nehmen von ihrer geliebten Sommerresidenz. Der Herbst hielt eben seinen Einzug mit aller Pracht glänzender Farben und brennender Lichter, aber auch mit seinen wilden Stürmen und eisigen Regenschauern. — Heute aber war die Luft warm und der 23* 354 99. Der Springer. An einem Frühlingstag auf grüner Heide Trieb sich umher ein junger, toller Fant. Ein Turner ohne Zweifel war's; er übte Des Springens Künste. Jauchzend sprang er, schwang Zur Meterhöh' sich auf. So trieb er's lang Und immer toller wuchs in ihm die Lust Zu springen, heisa, himmelhoch zu springen. „Dürst' ich nur etwas wünschen," ruft er schließlich, „Von einem Gnomen, wünscht' ich mir die Gabe, Im Sprung mich hundert Meter hoch zu schwingen." Da trat aus dem Gebüsch ein Männlein vor, Ein wunderliches — und das Männlein sprach: „Nicht unerreichbar ist, was du begehrst. An dieser Wurzel da — 's ist eine Springwurz — Ein bißchen kaue, sauge! Traun, ihr Saft Verleiht die Gabe dir, die heißersehnte, Im Sprung dich hundert Meter hoch zu schwingen." So sprach der zauberkundige Versucher Und gierig nach der Wurzel greift der Fant. Ha, welche Kraft durchströmt die Muskeln ihm, Als er den Springwurzsaft in sich gesogen; Ihm ist, als wär' geflügelt jeder Nerv. Und jauchzend springt er, springt und schwingt empor Zur Schwindelhöhe sich von hundert Metern. Was lacht im Busche dort der zauberkund'ge Versucher tückisch, schadenfroh? Es ist Ein Schwung, ein Flug, des Sprunges erste Hälfte— Doch seine zweite ist ein Fall, ein Sturz: Sie folgt der Schwerkraft ehernem Gesetz. Das hatte nicht bedacht der kühne Springer. Verliehn war ihm des Aufschwungs Zauberkraft, Nichts war gewährt, verheißen, ausbedungen Zu Gunsten einer sichern Wiederkunft Aus der ersprungnen Schwindelhöh' zur Erde. Aufschlägt er, nach dem Sprung in stolzem Bogen Zum Erdreich wiederkehrend, auf den Grund, Den festen, mit verhundertfachter Wucht, Zerschmettert sich die Glieder, bricht den Hals.