Nr. 2. Februar 1898. I. Jahrgang. Den geehrten Lesern zur gefälligen Beachtung! Der „Stern der Neger" erscheint als illustrierte Monatschrift am Schlüsse jeden Monates und kostet jährlich 1 fl. 50 kr. ö. W. — 3 Mark mit Post-versendnng. Wir richten an unsere Freunde die innige Bitte, aus Liebe zum göttlichen Herzen Jesu und zu den armen Negern von Centralafrika diese Zeitschrift in ihrem Bekanntenkreise verbreiten und uns Abonnenten werben zu wollen. Zur Bestellung des „Stern der Neger" wende man sich an den ?. Rector des Missionshauses der „Söhne des hlst. Herzens Jesu" in Mühland bei Brixen (Tirol). Allenfallsige Abonnenten in Brixen können sich zur Entrichtung des Abonnements an A. Weger's Buchhandlung wenden. Korrespondenz der Expedition. H. H. L. Brunner C. „Herzliches Bergelt's Gott" für übersandte Spende von 10 fl. 50 kr. Herzliches Bergelt's Gott allen übrigen Wohlthätern. — Um weitere Unterstützung für den Neubau des Missionshauses wird gebeten. — Gebete um die Bekehrung der Khamiten von Kentrak-Afrika zu erlangen. Beten wir für die unglücklichen Negervölker Central-Afrikas, damit Gott, der alles vermag, von ihren Herzen einmal den Fluch Cham's hinwegnehme und ihnen jenen Segen verleihe, den man nur im Namen Jesu Christi, unseres Herrn und Gottes erlangen kann. Gebet. O Herr Jesus Christus, alleiniger Erlöser des ganzen Menschengeschlechtes, der Du bereits herrschest von einem Meere zum andern und vom Flusse bis zu den Grenzen des Erdkreises, öffne erbarmungsvoll Dein heiligstes Herz auch den unglücklichsten Seelen von Central-Afrika, welche noch in der Finsternis und im Todesschatten sitzen, auf dass durch die Fürbitte der gütigen Jungfrau Maria, Deiner unbefleckten Mutter, und ihres glorreichen Gemahls, des heiligen Josef, die Negervölker ihre Götzen verlassen, vor Dir sich niederwerfen und Deiner Kirche zugesellt werden. Der Du lebst und regierest von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. ■'*- Erscheink am Ende jeden Monats. Mr. 2. Ievrnar 1898. I. Jahrgang. Inhalt: Gebet für die Bekehrung der Neger von Eentral-Afrika. — Die Marienverehruug in Afrika. — Das Sterneukreuz des Südens (Gedicht). —- Der Aberglaube im Nilthale. — Erinnerungen an den Aufenthalt der hl. Familie in Ägypten. — Mittheilungen aus den Missionsstationen: Überblick über die Missionsthätigkeit im verflossenen Jahre. Negercolonie Gesira. Empfänglichkeit der Neger für Christenthum. — Vormarsch der anglo-ägyptischen 2trmce. — «Österreich und die Mission von Lentralafrika. lit MnitMkchriiilg in Ifrilm. Marienverehrung war im Oriente von jeher in solcher Blüte, dass sie charakteristisch für diese Gegend genannt werden kann. Dies gilt zuerst von den christlichen Riten. Die Griechen, Syrier, Kopten, Armenier, Maroniten sowohl der unierten als nichtunicrten Richtung, alle ohne Unterschied ehren mit Vorzug Maria und geben ihrer Verehrung je nach den einzelnen Landessitten oft sehr rührend en Ausdruck. Eben der Umstand, dass bei den orientalischen Riten der Marie ncult so tiefe Wurzeln geschlagen hat, so dass er als ein wichtiges Stück Religion betrachtet wird, ist eines der größten Hindernisse, womit die Protestanten bei ihren Bekehrungsversuchen im Oriente zu kämpfen haben. Was aber noch auffallender ist, das ist die Verehrung Marias sogar bei Nichtchristen, bei Mohammedanern. In unserer Missionsstation Chartum im Sudan kam es häufig vor, dass Mohammedaner am Samstage, welcher Tag, wie sie wussten, bei den Christen der hl. Jungfrau geweiht ist, Kerzen und Ol in die Mission brachten mit der Bitte, sie in der Missionskapelle vor dem Bilde der Mutter Gottes zu brennen. Dies geschah besonders dann, wenn sie sich in 26 Die Marienverehrung in Afrika. Noth und Bedrängnis befanden und von Gott irgend eine Gnade erflehen wollten. In Kairo waren wir vor mehreren Jahren Zeuge des Folgenden. Eines Nachmittags erschienen mehrere mohammedanische Männer und Frauen mit einem kranken Kinde vor der um jene,Zeit verschlossenen Thüre unserer Herz Jesu-Kirche und baten um Einlass, da sie, wie sie erklärten, der „Frau" (el set) ein Anliegen vorzutragen hätten. In die Kirche eingelassen, schauten sie sich um, und sobald sie das Bild der hl. Jungfrau erblickt hatten, gierigen sie gerade darauf zu: eine Frau hob das kranke Kind in die Höhe, gleichsam als wollte sie es Maria weihen, während die Übrigen mit ihren Händen ähnliche Bewegungen machten und dazu Worte murmelten. Ter Augenblick ist mir unvergesslich. Da standen diese Muselmänner, im Herzen grimmige Christenfeinde, flehend und vertrauensvoll ihr Auge auf das Bild Marias gerichtet. Ob sie durch die Fürbitte der Jungfrau erhört wurden, kann ich nicht sagen; denn sie entfernten sich ebenso rasch, wie sie gekommen waren, und wir konnten auch nicht erfahren, woher sie kamen und wohin sie giengen. Die Thatsache zeigt aber, dass selbst im mohammedanischen Bolke Vertrauen zu Maria besteht. Dies ist um so ausfallender, als bei den Muselmännern die Jungfräulichkeit nicht in Achtung steht wie bei uns, im Gegentheil sogar als Schande gilt. Aber die überirdische Er- scheinung der „Jungfrau" („el azra") besitzt eilte so unwiderstehliche Macht, dass sie selbst die Herzen fanatischer Mohammedaner in ihren Bann zwingt. Aber auch bei den SchwarzenAfrika's, bei unseren Negern, ist die Marienverehrung bevorzugt. Unsere Negerchristen begehen mit besonderer Freude die Marienfeste, an denen sie meist die hl. Sacramente der Buße und des Altares empfangen; mit besonderer Feierlichkeit wird alljährlich das Fest der Unbefleckten Empfängnis begangen, worauf sich die Neger in Gesira durch eine kleine Mission vorbereiten. Sie beten täglich den hl. Rosenkranz, der in ihrer Tagesordnung so fix ist, dass sie sich Scrupel machen würden, denselben zu unterlassen; Kinder sowohl als Erwachsene haben großes Verlangen, das Marien-Scapulier oder „tob-el-azra" (b. h. Kleid der Jungfrau), wie sie es nennen, am Halse zu tragen; mehr als Bilder, Medaillen wird das Scapulier von ihnen begehrt, kein Marienfest vergeht, ohne dass wir nicht um Scapulicre bestürmt werden. Sind sie uns einmal ausgegangen, so thut es uns selbst wehe, die armen Neger traurig abgehen zu sehen. Die Neger verehren mit Stolz in Maria ihre Königin. Mit Genehmigung von Rom werden am Schluss der lauretanischen Litanei nach der Anrufung „Königin des hl. Rosenkranzes" die Worte: „Königin der Schwarzen, bitte für uns" in arabischer Sprache beigefügt. Es ist rührend, die kleinen Neger mit dem Chore diese Worte fingen zu hören. Mit besonderer Feierlichkeit wird de.r Monat Mai begangen. Wie die Neger im allgemeinen eine besondere Vor- Das Sternenkrcuz des Südens. 27 liebe für die schwarze Hautfarbe haben und dieselbe schöner erachten als unsere weiße Farbe, so sind sie auch besonders erfreut über eine schwarze Muttergottesstatue, welche sich in unserer Kirche in Geziret befindet und das Gnadenbild von Altötting in Bayern darstellt. Manchmal schleicht ein Neger in die Kirche, nin der schwarzen Mutter Gottes sich zu empfehlen oder das Opfer einer kleinen Abtödtung zu ihren Füßen zu legen. — Unter dem Schutze Mariens wurde einst das Bekehrungswerk der Neger im Sudan begonnen. „Stella matutina" (Morgenstern) hieß die große Nilbarke, welche die österreichischen Glaubensboten in den fünfziger Jahren nach Chartum und dann auf dem weißen Nile bis in die Nähe des Äquators trug. Der Verein, der im Herzen Österreichs entstand, um den Missionären die Mittel zu verschaffen, wurde unter den besonderen Schutz Mariens gestellt und nach ihr „Marienverein" benannt. In der einstigen Missionskirche in Chartum befand sich ein schönes Bild, welches Maria als himmlische Schutzfrau der central-afrikanischen Mission treffend darstellte. Am Landvorsprnnge, den der blaue und weiße Nil bei Chartum bilden, lag eine Negermutter in Ketten, wohl das in Fesseln geistiger und leiblicher Knechtschaft schmachtende Afrika darstellend, neben ihr die ebenfalls gefesselten Negerkinder, Mutter und Kinder die mit Ketten beladenen Hände und die flehenden Blicke auf die Erscheinung Mariens richtend, die über der in der Ferne von Norden nahenden Nilbarke „Stella matutina“ schwebte, mit dem Jesuskinde in den Armen. Ein schönes Bild! Nicht ohne Bedeutung wird Maria vom alttestamentlichen Sänger als von dunkler Farbe gepriesen und in zahlreichen Gnadenstätten und Wallfahrtsorten unter diesem Bilde verehrt. Mit gerechtfertigtem Vertrauen hoffen wir durch Marias Fürbitte, dass die armen Neger Afrika's sich bald anbetend vor ihrem göttlichen Sohne niederwerfen. * * * * Da$ 8e§ Oü8enß. -Klernt Gott will Großes künden einem Volke, , l|JI>ie Welt zu £jetl und Gnade liebend mahnen, I Bedient er sich der Schrift auf hoher Wolke, Weit sichtbar auf den lichten bsiminelsbahnen. Sin Wunderstern an hohen ksimmelshallen verkündigt' einst der Welt Lrlösungsstunde: Drei Weise hin nach Bethlem betend wallen: Sie bringen nach der kseimat frohe Kunde. Doch ach! Das unglücksel'ge Land nicht höret Die Botschaft voll von bseil und Völkersegen, von Satan's Ränken blind umgarnt, bethöret, Und schreitet ird'schein, ero'gem Weh entgegen. Denn was ihr seht, ist Wahn und Geisterglauben, Und was ihr hört, ist Wuth und Kampfesbrausen, ŽŠ 4>as ©tcnieiitrciy bež Südens. Und was ihr schaut, des Rachegeistes Schnauben, Und was da tönt, des Kriegs und Todes Hausen. Dort, seht ihr s, schwarz und finster wie der Böse, Entlang der beiden Nile blonden wogen Mohammed's Sohn, der grause Sudanese, Lilt gierig mit dem rothen ITtonb gezogen. O höret! welch' Getünimel, welches wimmern! Gewehre knattern, Männer, Mütter irren. Und Kinder, Thiere heulen unter Trümmern, Und Jütten stürzen krachend, Lanzen klirren! Das winimern elternloser Kinder tönet Ergreifend über Strom, im Thal, am Bache, Gebroch'nes Schluchzen, heisres Seufzen stöhnet Aus Ejütten, Dörfern wie vom Grabgemache. Am düster'«, glutdurchbebten Wüstensaume, Dem Wurme gleich, umragt vom Felsenriffe, Der Sclave krümmend ächzt im Todestraume, Gestützt vom todten morschen Wüstenschiffe. Dem Sclaventrosse folgt der Aar, hoch durch die Lüfte, Umkreisend, was des Moslims kfand verheerte: Es lechzet die Entweihen« der Grüfte, Gebein und Leichenfraß bedeckt die Fährte. Ach! soll die wilde Leidenschaft nicht enden? Der dumpfe Schrei des Schmerzes ewig währen? Soll Graus und Schreck' sich niemals wenden, Der kföllengeist ganz Afrika verheeren? wenn Gott will Großes künden einem Volke, Die Welt zu fjctl und Gnade liebend mahnen, Bedient er sich der Schrift auf hoher Wolke, weit sichtbar auf den lichten Himmelsbahnen. 3m Reich der glutumflofsnen Tropenzone, Auf hell bediadeinten Atherbahnen Erstrahlt ein Sternbild voll von Himmelswonne, Um aller Blicke, aller Sinn zu bannen. Es schimmert, glitzert auf smaragd'nem Grunde, Lin Viergestirne wie von Edelsteinen, Das schönste wohl der weiten Himmelsriinde, Und all der Leuchten, die am Ejiminel scheinen. Es ist das Kreuz, von Gottes Hand gezimmert, Isiit Flammennägeln in die Luft gehangen, AIs Zeichen, aus dem einzig Rettung flimmert, Das Muth und Kraft und Sieg verleiht den Bangen. Das Sternenkreuz auf Afrikas Himmelsfluren Zeigt an den weg zum Heile den Lhamiten: Den Glaubensboten zeigt's die sichern Spuren, worauf wird Sieg, Triumph und Heil erstritten. Das Kreuz zur Banb! voran zum hehren Streite! Nach Afrika'? erhitzten Negerlanden! Zum Kampfe um die theu're Seelenbeute, Zur Rettung unsres Lrbs aus Satansbanden! Erhaben, heilig, hehr sind unsre Ziele, Nicht schrecken soll uns Kampf und Streiten; Der Aberglaube im Nilthale. 29 Zum heißen Silben hin geh n unsere Kiele, Nach Afrika s Molt in ihren tiefsten Breiten! Ejinaus zum Kampfe! voran mit Gottvertrauen! Nicht peitt und Qual und Tod macht z'rück uns weichen; Hinüber über Leichen ohne Grauen! Der Steg, er winket schon im Kreuzeszeichen! * * * * ' Der Abttslaiilik im Wlthalc. Von P. X. Geyer, F. S. C. WjaV et Aberglaube in seinen verschiedenen Gestalten und Erscheinungen ist im I pl Orient und besonders in den mohammedanischen Gegenden mehr oder 1 pT minder so verbreitet, dass eine erschöpfende Behandlung dieses Themas einen dicken Band füllen könnte. Anderseits greift derselbe so tief in das Privat-, Familien- und öffentliche Leben ein, dass es der Mühe wert ist, denselben wenigstens im allgemeinen zu betrachten Der Mensch neigt überhaupt zum Aberglauben hin und jedes Volk hat besondere Erscheinungen desselben aufzuweisen. Auch in unserem deutschen Volke steckt trotz Christenthum und Bildung noch ein ziemliches Maß von abergläubischen Vorstellungen und Gebräuchen. Aber während hier der Aberglaube nicht allgemein, sondern vorzüglich den ungebildeten Classen eigen und derart ist, dass er doch in seinem Ursprünge einigermaßen vernünftig erklärt werden kann, und auch die'.Religion gegen ihn auftritt, greift dort der Aberglaube bis tief in das Innere des Volkslebens ein und zwar der Gesammtheit, auch der Gebildeten, zeichnet sich durch völlige Sinnlosigkeit und Abgeschmacktheit aus und wird von der Religion in Schutz und Pflege genommen. In keinem Religionsgebiet hat der Aberglaube so allgemeine Verbreitung, tritt in so mannigfachen Formen auf als im Islam: und wiederuni ist er in keinem islamitischen Lande so in Schwung und so eigenthümlicher Natur wie gerade im Nilthale. Die abergläubischen Vorstellungen und Handlungen fußen theils auf dem Koran und den Traditionen, theils auf dem Volksglauben. Die vom Koran sanctio-11 ierten abergläubiscken Ansichten bilden einen Theil der Religion, und bei den unwissenden Nomaden und oberflächlich bekehrten Negern besteht der Islam mehr in Aberglauben als in sonst etwas; aber auch bei den Gebildeten ist er sehr verbreitet, besonders beim weiblichen Geschlechte; bei diesem ist die religiöse Bildung gering, um so krasser aber der Aberglaube. Unter den genannten abergläubischen Ansichten nimmt der Geisterglaube die erste Stelle ein. — Die Muslim unterscheiden gewöhnlich drei Arten vernünftiger, erschaffener Wesen, nämlich Engel, welche aus Licht, Geister, welche aus Feuer, und Menschen, welche aus Erde erschaffen sind. In Betreff der Engel glaubt man, dass jeder von zweien begleitet sei, deren einer die guten, der andere die bösen Handlungen aufzeichne ; andere geben die Zahl der Begleitengel auf 5, 60 und 160 an. Der Moslim wendet sich am Schluffe des Gebetes nach einer derAbeiden Seiten zum Gruße der anwesenden Engel. Die Häupter der Engel sind vier: Gabriel, der Engel der Offenbarungen, Michael, der Patron der Jslamiten, Azazil, der Todesengel, Jsrafil, der Trompetenengel des Weltendes. 30 Der Aberglaube im Nilthale. Eine große Rolle im Leben der Moslim spielen die Geister Dschin, pl. Dschenun genannt; schon der Umstand, dass hinsichtlich des Ursprunges dieser Geister die Angaben des Koray, die Überlieserung aus dem Munde des Propheten, die Erklärungen der gelehrten und frommen Mohammedaner und die Volksmeinungen vielfach auseinandergehen, ja sich nicht selten widersprechen, zeigt an, dass hier der Aberglaube sich breit macht, die verschiedensten und absonderlichsten Formen annimmt und auf ebenso verschiedene und absonderliche Weise sich zu rechtfertigen sucht. Nach dem Koran sowohl als nach der Tradition sind die Geister präada-mitischen Ursprunges. Eine Überlieferung besagt, dass in präadamitischer Zeit ein Geschlecht von Geistern die Erde mit Festland und Meeren, Ebenen und Bergen bewohnt und seine Regierung, Religion und Propheten besessen habe. Als sich die Geister gegen ihre Regierung und Propheten auflehnten, sandte Gott gegen sie ein Heer von Engeln, welche die Rebellen vom Festlande auf die Inseln und in die Wildnisse vertrieben und viele derselben gefangen nahmen. Unter diesen befand sich Azazil, welcher nun unter den Engeln weilte, dort zu großem Einflüsse gelangte und sich eine hohe Stellung verschaffte. — Im Koran (7 Sure 16 ff. V.; 15 Sure, 21 ff. V.; Sure 18, Vers 48) heißt es, dass Gott, nachdem er den Menschen aus Erde erschaffen und ihn mit einem Theile seines Geistes ausgestattet hatte, den Engeln befahl, sich vor Adam niederzuwerfen. Alle gehorchten dem göttlichen Befehle mit Ausnahme des Jblis, welcher, von Gott über den Grund seiner Widersetzlichkeit befragt, erwiderte: „Weil ich vorzüglicher bin als Adam, da Du mich aus Feuer und ihn nur aus Thon geschaffen hast." Diesem Hochmuth folgte die Strafe und Gott sagte zu dem Ungehorsamen: „Hinab mit Dir, von hier hinweg, es soll Dir nicht gestattet sein, Dich hier übermüthig zu zeigen; gehe hinaus, fortan gehörst Du zu den Verachteten." Jblis bat um Aufschub der Strafe bis zum Tage der Auferstehung und erlangte ihn, daraufhin sagte er: „Weil Du mich abirren machtest (mich in die Irre geschickt hast), so will ich den Menschen auf dem rechten Wege auflauern und sie überfallen von vorne und von rückwärts, von der rechten und von der linken Seite, dass Du den größten Theil derselben undankbar finden sollst." Dieser Jblis soll nun kein anderer sein, als der obenerwähnte Azazil, der bei dieser Gelegenheit zum Jblis wurde. — Nach einer anderen Ansicht war Jblis von Gott als Statthalter der Geister auf die Erde gesandt und regierte sie 1000 Jahre. Infolge seiner Widersetzlichkeit bei erwähnter Gelegenheit Der Erschaffung des Menschen verlor er alle seine Vorzüge und wurde Vater der bösen Geister. Wieder andere meinen, Jblis, das Haupt der bösen Geister (Schaiatin) sei verschieden von den Dschenun. Wir wollen die verschiedenen Ansichten über den Ursprung des Jblis und der Geister nicht weiter verfolgen. Das Gesagte genügt, um zu erkennen, dass die Angaben des Koran und die Tradition über diesen Punkt ebensoviele Entstellungen des biblischen Berichtes über den Fall der Engel sind. Wichtiger sind uns das Wesen der Geister und die Rolle, die sie im Aberglauben des Volkes spielen. Das Wesentliche lässt sich im Folgenden zusammenfassen. Die Dschenun sind aus Feuer geschaffen, und fähig, sich durch plötzliche Ausdehnung oder Zusammenziehung ihrer Bestandtheile unsichtbar zu machen und in der Erde, in der Luft, in Bergen, Steinen, Mauern und Gewässern u. s. w. zu verschwinden, als auch die Gestalten von Menschen, Thieren und Ungeheuern anzunehmen und als solche einherzuwandeln. Sie essen und trinken, vermehren sich durch Verbindung unter einander oder mit Menschen, leben gewöhnlich viele Jahrhunderte, sind aber schließlich dem Tode unterworfen. Theils sind sie Mohammedaner oder Gläubige, theils Ungläubige, die einen gut, die andern böse. Ihre Anzahl ist sehr groß; nach den einen bilden sie sieben Legionen, nach andern 40 Corps, deren jedes Der Aberglaube int Nilthalo. 31 600.000 stark ist. Ihr Hauptsitz ist das Gebirge Kaf, das die ganze Erde umgibt, und diese selbst ist in allen ihren Theilen von ihnen bevölkert, indem sie theils das Festland, theils Meere oder Flüsse, theils die Luft bewohnen. Sie umgeben den Menschen überall und so zahlreich, dass er bei jeder Bewegung Gefahr läuft, einen derselben zu berühren, zu stoßen oder zu verletzen. Die Verletzung eines Dschin hat zumeist dessen Tod zur Folge, welcher in der Weise eintritt, dass das anstatt des Blutes in den Adern rollende Feuer durch die entstandene Wunde austritt, den ganzen Dschin einhüllt, verzehrt und in Asche verwandelt. Man wendet daher große Vorsicht und Behutsamkeit an, wenn man etwas auf den Boden stellt, setzt oder wirft, ans die Erde spuckt, Wasser ausgießt n. s. to.; man sagt mit leiser oder auch vernehmbarer Stimme «Destur ja mo-barakin» (Erlaubnis, ihr Gesegneten), indem man gleichsam den Geist, welcher vielleicht zufällig an der Stelle sich befindet, um Erlaubnis und Vergebung bittet. Obwohl die Dschenun überall hausen, gelten gewisse Orte als ihre bevorzugten, vorübergehenden Aufenthaltsorte, als Flüsse, Meere, „alte, zerfallene und unbewohnte Gebäude und Trümmer, Marktplätze, Herde und Öfen, Bäder, Winkel und Ecken u. s. to. Wer daher einen genannter Orte betritt, einen Eimer in die Cisterne senkt, Feuer anzündet u. dgl., gebraucht die Vorsicht, die etwa anwesenden Geister mit den Worten «Destur» oder «Destur ja mobarakin» zu mahnen und aufmerksam zu machen. Dieser Aberglaube erklärt manche Handlungen der Moslim, die sonst höchst sonderbar und auffällig erscheinen. Die Erzählung in „Tausend und eine Nacht", dass ein Kaufmann einen Dschin tödtete, indem er den Kern einer gegessenen Dattel wegwarf, steht nicht vereinzelt da. Zahllos sind die Gelegenheiten, in denen man Gefahr läuft, einen Dschin zu verletzen und zu tobten. Wenn schon gegen die Dschenun im allgemeinen solche Rücksicht geübt wird, so ersieht man leicht, welche Furcht vor den bösen herrschen muss. Diese heißen schaiatin (Einzahl schitän) Teufel. Jblis ist das Haupt aller bösen Geister. Über ihn sagt nach einer Überlieferung der Prophet also: „sein bevorzugter Aufenthaltsort sei das Bad, seine Versammlungsorte seien besonders Marktplätze und Kreuzungswege, seine Speise sei alles, was ohne Anrufung des göttlichen Namens gelobtet wird; sein Trank alles Berauschende, sein Muezzin (Gebetrufer) die muzmar (Pfeife oder musikalisches Instrument), sein Koran seien die Erzeugnisse der Poesie, seine Schrift die Zeichen der Geomantie, seine Zunge die Lüge, seine Schlingen die Weiber." Durch besondere Bosheit zeichnen sich die fünf Söhne des Jblis aus, nämlich Tir-Anstifter von Schaden, Verlust und Unglück, El Awar-Verführer, Sot-Lügenteufel, Dasim-Zwietrachtsteufel der Ehe, Zelembur-Handelsteufel. Böse Geister der mächtigsten und gefürchtetsten Sorte sind Afrit und Marid. Afrit wird auch im allgemeinen für böse Geister gebraucht. Diese und zahllose andere böse Geister stellen der Wohlfahrt des Menschen nach und greifen überall unheilvoll in das Leben der Menschen ein. Zu diesem Zwecke nehmen sie verschiedene Gestalten an, indem sie beflügelt in der Luft oder als mannigfach gestaltete Thiere aus der Erde hausen und den Menschen gleich von einem zum anderen Orte sich begeben. Unter den Thiergestalten nehmen sie mit Vorliebe jene von Schlangen, Katzen, Hunden, Hyänen, Schakalen, Scorpionen, Wölfen, Löwen u. dgl. an. Diese Thiere hält man daher für verdächtig und hat vor ihnen Furcht und Abscheu. Schlangen sind besonders verdächtig und gefürchtet. Schon der Prophet hatte seinen Anhängern befohlen, Schlangen und Scorpionen, welche sich zur Gebetszeit einschleichen, zu tobten. Eine Classe von Derwischen und andere beanspruchen Gewalt über die Schlangen zu besitzen, sie in ihren Verstecken aufspüren 32 Der Aberglaube im Nilthalc. und aus den Häusern entfernen zu können. Auf einer Wüstenreise hat man nicht selten Gelegenheit, Schlangen über den Weg und unter den Kameelen hindurchschleichen zu sehen. Das gibt für die abergläubischen Kameeltreiber stets eine aufregende Scene ab. Mit Stöcken, Lanzen und Schwertern fallen sie über dieselben her und tobten sie mit Ungestüm, was als Vorzeichen einer glücklichen Reise gilt, und triumphierend wird weitergezogen. Gelingt es hingegen der Schlange zu entwischen, so gilt dies als schlimmes Vorzeichen: die Leute werden furchtsam und misstrauisch, lebeu in düsterer Vorahnung eines kommenden Unglückes und setzen jeden unangenehmen Zufall auf Rechnung jenes Vorfalles. Katzen, welche übrigens weniger zahlreich sind als bei uns, gelten allgemein als verdächtig. Zeigt sich im Hause eine fremde Katze, so wird sie nicht selten von den Hausbewohnern mit Zurückhaltung und Argwohn betrachtet und behandelt im Verdachte, es könne irgend ein böser Geist hinter derselben stecken. Ähnlichen Argwohn hegt man gegen Hunde, welche allgemein als unreine Thiere gelten und als solche vom eifrigen Moslim verabscheut werden. Da, wo der Islam in seiner-fanatischesten Form bekannt wird, duldet man keine Hunde in menschlichen Wohnungen. So ist der Hund aus Omdurman, der Residenz des mahdistischen Reiches, und anderen größeren Orten des Sudan, völlig verbannt und kommt nur in kleinen Orten vor. Verirrt sich ein Hund in erstgenannte Orte so fällt die ganze Einwohnerschaft voll Abscheu mit Stöcken über ihn her und jagt ihn in die Ferne. Der Moslim hat Sorge, mit keinem Hunde, besonders nicht mit seiner feuchten Schnauze, in Berührung zu kommen. Häufig kann man beobachten, wie die Leute ihre faltigen Gewänder eng an sich ziehen, um nicht von einem Hunde, der eben vorbeikommt, berührt zu werden. Die Schafaiten sind ganz besonders ängstlich; wenn ein Hund mit seiner feuchten Nase zufällig ihre Kleidung berührt, so glauben sie sich im Zustand religiöser Befleckung und müssen die befleckte Stelle der Kleidung siebenmal mit Wasser waschen und einmal mit trockener Erde abreiben. Noch peinlichere Sorgfalt hat man, dass man von keinem Hunde beleckt oder in noch schlimmerer Weise besudelt werde. In Ägypten ist die Zahl derer, welche Hunde als Hauswächter halten, verhältnismäßig gering; dass man Luxus- oder Schoßhunde hält, ist völlig ausgeschlossen. Die meisten Hunde irren herrenlos umher. Bis vor einigen Jahren noch war ihre Anzahl z. B. in Kairo Legion; erst seit der englischen Occupation wurde mit diesen Thieren, welche Straßenpolizei in der Reinigung besorgten, aufgeräumt, so dass sie heute nur noch vereinzelnt zu treffen sind. Das geringe Ansehen, dessen der Hund sich bei den Moslim erfreut, zeigt sich auch in der Geringschätzung und im Missbrauche seines Namens. Das Wort «kelb» (Hund) wird allgemein zur Bezeichnung von Unreinem gebraucht und kein Prädicat wird den Christen häufiger gegeben als jenes „Hund"; man schimpft sie «kelb nusräni» (Christenhund), womit ihre Unreinheit im Gegensatz zu den Moslim ausgedrückt werden soll. Unter diesen selbst ist einer der gewöhnlichsten Schimpfnamen «kelb» oder «ebn el kelb» (Hundesohn), Ausdrücke, welche man an allen Straßen und Ecken täglich unzählige Male gegen Menschen und Thiere geschleudert hören kann. Die abergläubischen Vorstellungen betreffend andere Thiere werden wir unten gelegentlich kennen .lernen. Mit den Geistern werden alle außerordentlichen und auffallenden Erscheinungen in Zusammenhang gebracht; was die Leute nicht recht begreifen können, schreiben sie auf Rechnung der Geister, so meist auffallende und ungeahnte Naturereignisse, Sonne- und Mondfinsternis. Diese sollen dadurch entstehen, dass irgend ein feindseliger Geist sich au Sonne und Mond zu schaffen macht, sie anpackt, würgt und drosselt, bis der Todeskampf in ihrer blassen Farbe sichtbar werde. In diesem Aberglauben laufen daher beim Eintreten einer Sonnen- oder Mondfinsternis alle, Groß und Klein zusammen, Der Aberglaube im Nilthalc. 33 um beut geängstigt«! Gestirne zn Hilfe zn kommen: mit Hilfe alter Blech- unö Thongeschirre, Eisen, Stöcken, Lanzen, Schwertern u. dgl. vollführen sie unter Schreien, Johlen unö Springen einen höllischen Lärm, um den Geist vom Gestirne wegzujagen; dies gelingt natürlich stets, worauf die guten Leute befriedigt nach Hanse gehen. Sonnen- und Mondfinsternisse gelten im Sudan allgemein als Borzeichen von Unglück. Die Sternschnuppen hält man für Fenerpfeile, welche Gott irgend einem bösen Geiste nachschlendert. Die bösen Geister sollen nämlich, obwohl sie von Gott schon wiederholt von dort verjagt wurden, versuchen, sich in den untersten Himmel einznschleichen, um dort die Gespräche der Engel über die göttlichen Rathschläge zn belauschen, um sie dann den Zauberern mitzutheilen. Diese neugierigen und zudringlichen Horcher werden von Gott mit Fenerpfeilen, den Sternschnuppen verjagt. Auf diese Weise soll eine Menge böser Geister getöbtet werden. Die Moslim freuen sich daher über das Fallen einer Sternschnuppe im Wahne, es gebe um einen Dschin weniger und rufen bei dessen Anblick: „Gott durchbohre den Feind der Religion." Im Sturm- und Wirbelwind wähnt man einen flüchtigen, bösen Geist und ruft bei dessen Nahen: „Eisen, o Unglücklicher", im Glauben, dass der Stnrmgeist Furcht habe vor dem Eisen und Halt mache. Ebenso gilt der Samnn oder glühende Wüstenwind als der heiße Athem eines von Gott verflachten Geistes und Feindes des Propheten der Gläubigen, welcher als dürstender Hund mit herabhängender Zunge lechzend durch die Wüste rast auf der Suche nach Wasser, ohne es zn finden. In Unkenntnis der physischen Ursachen des besonders in der Wüste häufigen Phänomens der Fata morgana wird diese Erscheinung ans Rechnung der Gaukeleien und Künste irgend eines Geistes gesetzt und daher bezeichnender Weise «Moja el schitan» „Tenfelswasser" oder auch «bahr bela ma» (wasserloser See) genannt. Aber nicht nur Naturerscheinungen, auch Menschenwerke, welche etwas Großartiges oder Außergewöhnliches an sich haben, werden dem Eingreifen der Geister zugeschrieben. So werden die alter« thümlichen Bantenreste Ägyptens und Nubiens, als Pyramiden, Pylone, Tempel u. dgl. für Werke des Großgeistes Gan ebn Gan und seiner Söhne gehalten, indem man die Möglichkeit ausschließt, dass solche Bauten von Menschenhand errichtet sein könnten. Auch lässt der Volksglaube die altägyptischen Gräber, Grabkammern und die dunklen Winkel der alten Tempelbanten noch heute von Geistern und Teufeln bewohnt sein. Das Gleiche gilt von den epochemachenden Erfindungen der Neuzeit, als Dampfschiffen, Eisenbahn, Telegraph, Telephon u. s. w. Nicht gering ist die Zahl der Moslim, welche jene, ihnen unverständlichen Erfindungen den bösen Geistern, welche den Ungläubigen beistehen, zuzuschreiben geneigt sind. Daraus erklärt es sich, dass man da, wo der Islam noch im nngeschwächten Zelotenthnm und ungebrochenen Fanatismus herrscht, wie in Arabien und jetzt im Sudan, von diesen Neuerungen nichts wissen will und sie in Abscheu hat. Zu den untergeordneten Geistern zählen noch gewisse geheimnisvolle Wesen, welche gewissermaßen die mohammedanische Mythologie bilden. Der Glaube an diese mythologischen Wesen beeinflusst jedoch Leben unö Handlungen der Moslim in weit höherem Maße als dies bei der Mythologie der Abendländer der Fall ist. Ein solches Wesen der gefürchtetsten Art und über dessen Herkunft die absonderlichsten Geschichten erzählt werden, heißt Ghnl. Die einen sagen es bestehe von diesem Dinge nur der Name. Es heißt in dieser Beziehung: drei Dinge haben einen Namen, existieren aber in Wirklichkeit nicht: der Vogel Anka, das Ghnl und ein treuer Mensch. In Gestalt von Thieren, Ungeheuern, Menschen und in sonstigen Schreckensgestalten zeigt es sich vorzugsweise an Begräbnisplätzen ^ oder abgelegenen Orten, nährt sich von Leichen und macht in seiner Frahgier jedem 34 Erinnerungen an den Aufenthalt der 1)1. Familie in Ägypten. menschlichen Wesen, dem es begegnet, den Garaus. In manchen Gegenden, besonders im Sudan, erzählt sich vorzugsweise die Jugend die fürchterlichsten Geschichten über dieses Unding. In den Märchen und Erzählungen der Negerkinder spielt das Ghul fast immer eine Hauptrolle; all die kleinen Schwarzen sind mit Schrecken vor diesem Ungeheuer erfüllt. Die Mütter haben die Sitte, ungehorsame Kinder mit dem Ghul zu bedrohen, was auf die Kleinen nachhaltigen Eindruck macht. Ein anderes mythisches Wesen, Silah, wohnt zumeist in Wildnissen oder Wäldern, greift Menschen auf, tanzt, scherzt mit ihnen, wie eine Katze mit der Maus, manchmal treibt es mit ihnen auch frevelhaftes Spiel, um sie dann wieder freizugeben. Letzteres ist auch die Sitte des Gaddar oder Garrar, der besonders in Oberägypten haust, die Menschen anlockt, sie auf unbeschreibliche Weise peinigt und durch Schlecken quält, um sie dann wieder laufen zu lassen. Delhain heißt ein dämonisches Wesen in menschlicher Gestalt, reitet gewöhnlich auf einem Strauß, bewohnt die Meeresinseln und nährt sich von Leichen, welche von schiffbrüchigen Fahrzeugen an die Küste getrieben werden. Ein ganz eigenthümliches Wesen ist der Hatif, der nicht gesehen, sondern nur gehört werden kann und gewöhnlich Mahnungen und Rathschläge ertheilt. Gefährlicher ist der Schikk, ein Ding mit halbmenschlichem Körper, das die Menschen tobtet. Den Genannten ist schließlich noch das absonderliche Wesen beizufügen, das Nosnas heißt. Es soll die menschlichen Körpertheile nur zur Hälfte besitzen, nämlich halben Leib, halben Kopf, einen Arm, einen Fuß und so alles übrige nur halb; infolgedessen es seinen Namen Nosnas (Halbmensch) hat. Andere vervollständigen die ohnehin schon hässliche Gestalt dieses Wesens dadnrch, dass sie ihm Flügel der Nachteule andichten. Es bewohnt zumeist Wälder, springt mit großer Gewandtheit auf dem einen Fuße einher, spricht mit menschlicher Stimme. Anderswo, speciell im Sudan, heißt es, dass das Nosnas ursprünglich ein Mensch war, den Gott aus Strafe dafür, dass er sich in Milch badete, in einen Affen verwandelte, daher der Name des Affen Nosnas d. h. Halbmensch. (Forts, f.) (Sritrotrunjcii an den Aufenthalt der hl. Familie in Amte». Von P. Laver Geyer, F. S. C. ^gypten wurde durch die Anwesenheit des göttlichen Erlösers zur Terra Sancta geweiht und daher von der Kirche seit den ältesten Zeiten als zum heiligen Lande gehörig betrachtet. Ich will nun den Leser zu jenen Stätten führen, an denen Jesus, Maria und Josef nach der Überlieferung geweilt, und ihm erzählen, was die fromme Tradition hierüber berichtet. Wir wollen die hl. Familie bei ihrer Ankunft in Ägypten aufsuchen und ihr folgen, bis sie das Land wieder verlässt. Der hl. Josef, der mit Jesus und Maria im Aufträge des Engels vor der Verfolgung des Herodes nach Ägypten flüchtete, kam nordwestlich vom heutigen Kairo, nämlich bei Heliopolis an. Dorthin führe ich also den Leser zuerst von Kairo aus. 35 Erinnerungen an den Aufenthalt der hl. Familie in Ägypten. Wir besteigen bei der Linionenbrücke in Kairo den Localzug, der seit einigen Jahren die Stadt mit Heliopolis verbindet. Früher legte man diese 10 klm lange Strecke gewöhnlich mit Eseln zurück. Die Bahn führt uns nach Norden. Links haben wir den Jsmailieh-Canal und jenseits desselben üppige Korn-, Klee-, Baumwollfelder, während abwechselnd Pflanzungen und nackte Standflächen sich bis an das Stadtviertel Abbasieh mit seinen gewaltigen Bauten hinziehen. Dieser ausgedehnte Gebündecomplex enthält Kasernen, Pferdestallungen, Kriegsschulen, Arsenale. Weiterhin dehnt sich neben der Bahnlinie eine fast ununterbrochene Billenstadt aus, die erst in den letzten Jahren durch Menschenhand aus der Sandwüste heraus geschaffen wurde. Der Baulust in dieser gesunden, luftreinen Wüste gibt einen besondern Impuls die Ansiedlung des Khedive in Kobba. Der jetzige Vicekönig, der junge Abbas II., hat eine besondere Vorliebe für Kobba, wo er gewöhnlich wohnt. Wir lassen das vicekönigliche Schloss mit seinen prächtigen Gärten links und erblicken alsbald im Nordwesten zwischen üppiger Vegetation eine Kapelle mit dem Zeichen der Erlösung: es ist die Lourdeskapelle von Matarieh. Bevor wir uns noch an dem lieblichen Bilde sattsehen können, hält der Zug bei der Station Matarieh. Wir steigen ab, danken für das eifrige Anerbieten der Eseljungen und ziehen vor, die etwa 15 Minuten lange Strecke nach Heliopolis zu Fuß zurückzulegen. Von der Station weg gehen wir gerade aus auf der Straße, die durch Matarieh führt. Während der Ort noch vor kurzem nur aus gewöhnlichen Lehm- und Ziegelhütten mit etwa 500 Einwohnern bestand, findet man heute moderne Gebäude und Restaurants. Außerhalb des Ortes überschreiten wir bald mächtige Ruinenhügel, die Reste der Ringmauer des alten Heliopolis. Bei einer Sakieh (Schöpfrad) führt eine Allee magerer Bäume zum Obelisk, der mitten im Felde steht. Aus dem nahen armseligen Dorfe eilen alsbald Fellachenkinder herbei und bestürmen uns um Bakschisch (Almosen). Der Obelisk ist ein schöner Monolith aus Rosengranit und misst 20.25 m von der Erde an, doch steckt infolge der allmähligen Anhäufung von Nilschlamm ein Theil tief im Boden. Dieser älteste aller bekannten Obelisken wurde 2700 Jahre vor Christus errichtet. Solcher Sitzsäulen, den Sonnenstrahl in Stein versinnbildlichend, standen sehr viele paarweise vor den Thoren des berühmten Sonnentempels, der einst hier war. Nachdem die Stadt durch die Perser zerstört worden war, verschwanden sie mit den andern Resten, mehrere wurden auch nach Europa gebracht, und die meisten Obelisken, die man heute in Rom und anderswo sieht, stammen von hier. Heliopolis und sein Sonnentempel spielten einst eine große Rolle. Hier war das Centrum der ägyptischen Gelehrsamkeit und des Götzendienstes. Hier weilten oder studierten Herodot, Plato, Solon, Lykurg, Thales, Pythagoras it. s. w. Heliopolis oder Sonnenstadt, in der Bibel Ön, trat auch mit dem anserwählten Volke des allen Bundes in Berührung. Der Hohepriester des Sonnengottes hieß Putiphar, welcher Name aus der Bibel bekannt ist. Die Tochter eines solchen Putiphar wurde die Frau des ägyptischen Josef, und ihre Söhne Ephraim und Manassa wurden, vom Patriarchen Jakob adoptiert und gesegnet, die Stammväter zweier Stämme Israels. In Heliopolis dichtete der Prophet Jeremias seine Klagelieder. Hier studierte Moses als Adoptivsohn der Pharao-Tochter. Hier siedelte sich eine große Judencolonie an und baute dem wahren Gott einen Tempel. Der Ort hat durch seine Stellung selbst eine Verwandtschaft mit der Sendung des Erlösers. . Auf dem Altare des Sonnentempels soll sich der Phönix in einem Weihrauchneste alle 500 Jahre verbrannt haben und nach drei Tagen aus seiner Asche wieder erstanden sein, welche Fabel von den hl. Vätern als Sinnbild des aufer- 36 Erinnerungen an den Aufenthalt der hl. Familie in Ägypten. standenen Erlösers angeführt wird. Der Sonnentempel selbst war ein Sinnbild der Sanne, welche Christus ist. Auf dem Obelisk, der als stummer Zeuge der Vergangenheit heute noch über die Ruinen und Felder ragt, steht in Hieroglyphen eingemeißelt geschrieben: „Der Sohn der Sonne Sesurtesen, der Horos, welcher den Menschen das Leben gibt, der Sonnenkönig, welcher der Welt geschenkt ist, der Herr von Ober- und Unterägypten, der geliebt wird von den Geistern der reinen Gegend, der immer lebt und den Menschen das Leben verleiht, der das Leben der Menschen ist, dem Gotte, der ihn zum Lebensgeber machte." Diese Inschrift erinnert unwillkürlich an den Eingang des Johannesevangeliums und an Christus, das wahre Leben der Menschen. Dieses Heliopolis also scheint unter allen Orten Ägyptens die Augen des aus Palästina flüchtenden Erlösers auf sich gezogen zu haben. Hier am Sitze des Sonnengottes wollte die Sonne der Wahrheit erscheinen. Bei der Ankunft Christi war jedoch Stadt und Tempel zerstört, es standen nur mehr Reste mit Priestern und mehrere Obelisken. Nach den alten Berichten soll der Einzug Christi in Heliopolis nicht ohne Wunder vor sich gegangen sein. Nach einer alten Überlieferung sollen bei der Ankunft des Erlösers die ägyptischen Götzenbilder von ihrem Standorte herabgestürzt und in Trümmer gegangen sein, wie schon Jiaias (Cap. 19, Vers 1) vorhergesagt hatte: „Siehe, der Herr setzet sich auf eine leichte Wolke und kommet nach Ägypten; da beben die Götzen Ägyptens vor seinem Antlitze." Es heißt: „Als die hl. Reisenden die Berge und Städte Ägyptens vor sich sahen, betraten sie eine Stadt Sotine (Heliopolis) oder Götzenstadt. Da giengen sie in den Tempel, wo sich 365 Götzen befanden. Als nun die heilige Jungfrau mit dem Kinde eintrat, fielen alle Götzen mit dem Gesichte zu Boden und zerbrachen. Als der Statthalter dies hörte, kam er mit allen Truppen und Offieieren zum Tempel. Die Priester glaubten bei seinem Anzuge, er komme gegen sie, um die Götzen zu rächen, deren Bilder gestürzt waren. Als er aber eintrat und alle Statuen zerbrochen sah, gieng er auf die hl. Jungfrau zu und betete des Kind in ihren Armen an." Nach einer alten Überlieferung soll sich dieser Statthalter, namens Aphrodisius, später bekehrt haben und soll als Bischof gestorben sein. Das zerstörte Heliopolis mit seinen Ruinen und Götzenpriestern erschien jedoch der hl. Familie nicht geeignet als Aufenthaltsort. Sie siedelte sich außerhalb der Stadt auf freiem Felde an, wo auch viele Israeliten wohnten. Die Überlieferung und die Lage des Ortes selbst sprechen dafür, dass die hl. Familie sich im heutigen Matarieh niedergelassen habe. Alle alten koptischen Bücher handeln vom Aufenthalte der hl. Familie in Matarieh. Die abendländischen Pilger aller Nationen besuchten den Ort und berichten darüber; sie geben übereinstimmende Beschreibungen. Manche dieser Berichte der frommen Pilger, unter denen mehrere Deutsche, enthalten rührende Ausdrücke kindlicher Freude über die lieblichen Erinnerungen an Jesus und Maria. Damals kamen die Pilger meist vom heiligen Lande und Sinai nach Matarieh, also auf der Rückreise. Ich führe nun den frontmen Leser von Heliopolis nach Matarieh. Wir kehren vom Obelisk wieder auf die Straße zurück, wobei wir von bettelnden Kindern bis nach Matarieh verfolgt werden. Die Straße führt uns am Jesuitengarten mit der Lourdeskapelle vorbei, und alsbald sehen wir links den Eingang zum sogenannten „Balsamgarten". Eine schöne Allee führt durch den Garten voll von Orangen, Palmen, Granaten, Bananen und andern herrlichen orientalischen Gewächsen. Im Hintergründe sehen wir einen altehrwürdigen Baum von einem Lattenzaun umgeben in Mitte eines Rondells. Der arabische Wächter sperrt den Zaun auf, lässt uns eintreten, und wir stehen unter dem „Marienbanme", Erinnerungen an den Aufenthalt der hl. Familie in Ägypten. 37 unter welchem Maria mit dem Jesuskinde, von Heliopolis kommend, geruht haben soll. Der Liebe des Erlösers und seiner heiligen Mutter gedenkend, knieen wir nieder und beten drei Vaterunser und Ave Maria. Nun betrachten wir den ehrwürdigen Baum. Es ist eine Syko-more oder wilder Feigenbaum, die wahre Sykomore des Orients, allgemein „Marienbauin" genannt. Der Baum ist 8 m hoch, der Stamm hat 6 m Umfang. Der Stamm ist hohl und nicht gerade, sondern von Süd nach Nord geneigt, so dass er als Hälfte eines Stammes erscheinen möchte. Die mächti-gen, blätterreichen Äste bedecken eine weite Strecke mit ihrem Schatten. Wie vom Wetter zerschlagen streckt der Baumriese voll tiefer Spalten und Löcher seine Arnie in die Höhe. Stamm und Äste sind mit eingeschnittenenNamen von Pilgern bedeckt, und würde derselbe nicht bewacht gegen Ausplünderung, so wäre er wohl schon verschwunden. Ein paar Blätter nimmt sich jeder mit, und manche schneiden sich trotz des Protestes des Wächters Zweige und Holzstücke ab. Im Sommer und Herbste sind die dicken Äste mit vielen runden, mittelgroßen und steischfarbenen Wildfeigen bedeckt, welche von kleinen blätterlosen Trieben getragen werden. Die Eingeborenen essen die Sommerfeigen, die frisch keinen unangenehmen Geschmack haben, der an Äpfel und Erdbeeren erinnert, aber schon bald sehr unappetitlich schmecken. Das Holz des Baumes ist schwer und unverwüstlich. Die prächtigen Sarkophage der Mumien, die man trotz ihres Alters von 3000 Jahren in den Museen ohne Spur von Verderbnis sieht, 38 Erinnerungen an den Aufenthalt der I)f. Familie in Ägypten. sind aus diesem Holze. Die Sykomore ist in Unterägypten sehr häufig. Unser Negerdorf in Geziret ist von solchen Bäumen dicht beschattet und die Neger essen die Früchte gerne. Früher hatte der Baum die Form eines umgekehrten Y, aber im I. 1656 fiel die eine Hälfte. Die Franciscaner in Kairo schafften den gefallenen Theil in die Sacristei ihrer Kirche, wo sie ihn lange als Gegenstand der Verehrung bewahrten. Der andere Theil verschwand bald nach 1694. Aus den Wurzeln trieb nun der heutige Baum hervor. Aus der Form, die der Baum einst hatte, erklären sich die lieblichen Legenden der Christen und Muselmanen. Nach der Tradition soll sich nämlich der Baum geöffnet und der Gottesmutter einen bequemen Sitz geboten haben. In dieser Höhlung Brannten noch im 15. Jahrhundert zwei ewige Lampen zu Ehren der bl. Jungfrau. Die Pilger traten einer nach dem andern in die Höhlung und beteten ein andächtiges Ave Maria. Auch galt das Holz des Baumes als heilkräftig gegen Fieber. Etwa 40 m von Marienbaume entfernt befindet sich eine Sakieh, eines der in Ägypten sehr häufigen Bewüsserungsräder, welche von Ochsen gezogen, das Wasser aus der Tiefe emporheben. Die Pilger trinken gewöhnlich von diesem Wasser. Hier ist nämlich der Ort der „Marienquelle." Die alten liturgischen Bücher der Kopten und die Berichte der ältesten Pilger führen an, dass die hl. Familie bei der Ankunft in Matarieh von Haus zu Haus gieng und dass niemand, den Bitten des hl. Josef um Wasser für seine heiligen Pflegebefohlenen entsprach; von Durst gequält, setzte sich dann die hl. Jungfrau nieder, und da entsprang durch ein Wunder neben ihr eine Quelle, aus der sie mit Jesus und dem hl. Josef trank und kochte. Christen und Muselmanen aller Zeiten betrachteten und verehrten diese Quelle als mit Wunder- und Heilkraft begabt. Sie wurde so berühmt, dass der alte Name der Ortschaft Bet-Schems (Haus der Sonne) sich in Ain-Schems (Quelle der Sonne) änderte und sie bis zum 14. Jahrh, nur unter diesem Namen bekannt war. Das Vorhandensein einer wahren Quelle, unabhängig von der unterirdischen Filtration des Nilwassers, in einer Gegend, wo der Regen 8—12 mal jährlich kaum den Straßenstaub zu befeuchten imstande ist, musste sicher als eine außerordentliche Thatsache erscheinen. Heute weiß man nicht, ob diese Quelle noch besteht. Man kann annehmen, dass die Quelle, wofern sie nicht ihr Niveau geändert hat, im Bassin der Nilfiltration, woraus die Wasserräder schöpfen, verschwunden ist. Der Thalboden und das Flussbett haben sich nämlich seit Christus so erhöht, dass das Niveau der heutigen Nilfiltration die Erdschicht erreicht, welche zur Zeit Christi die Oberfläche des Bodens bildeten. Nach der Tradition soll der Knabe Jesus, indem er sich im Wasser von Matarieh wusch, ihm eine außerordentliche Süßigkeit und Güte verliehen haben. Das Wasser ist in der That völlig süß, während sonst überall die vom Flusse entfernt liegenden Brunnen mehr oder weniger salziges Wasser enthalten. Davon leitet sich auch der Name Matarieh ab, der Reservoir reinen Wassers bedeutet. Im Mittelalter ließen die Paschas in Kairo dieses Wasser für ihre Tafel holen, indem sie es jedem anderen vorzogen. Auch wird von wunderbaren Heilungen berichtet, welche durch Baden in diesem Wasser bewirkt wurden. Die am Schöpfrade der Sakieh beschäftigten Fellachen bieten dem Pilger gern Wasser zum Trinken an. (Forlsetzung folgt.) MttlikilmP» »iis btii HUssioitfiflntiaiicit. 'rtelt deinen Überblick über die Thätigkeit, welche unsere Missionäre in den einzelnen Stationen während des verflossenen Jahres entfaltet ^ra' lt,er‘3et1 unsere Leser aus einem Berichte des Hochwürdigsten Herrn A. Roveggio, Bischofs und apostolischen Vicars von Centralafrika an Se. Eminenz den Hochwürdigsten Herrn Cardinal Gruscha, Fürsterzbischof von Wien, erhalten. In dem aus Assuan (Oberägypten), vom 3. Jänner b. I. datierten Schreiben heißt es: Ich halte es für meine Pflicht, Ew. Eminenz noch vor Jahresabschluss einen kleinen Bericht über den gegenwärtigen Stand dieser unserer Mission von Centralafrika zu senden, wohl wissend, dass er Ew. Eminenz bei dem großen Interesse, das Sie für unsere Sache haben, zur Freude gereichen werde. Die ganz besondere Besckiützung und die reiche Unterstützung, mit welcher unsere guten Wohlthäter die Mission von Centralafrika begünstigt haben, hat mir in diesem Jahre die Verwirklichung eines Planes möglich gemacht, der zuerst von dem wackeren Dr. Kn oblecher gefasst worden ist und dessen Ausführung von den nachfolgenden apostolischen Vicaren immer als eine der ersten und wichtigsten Aufgaben unserer Mission betrachtet wurde; ich meine die Gründung einer Centralstation in Assuan, dem Thore Chartums und des Sudans. Wir müssen in der That unseren Wohlthätern, die mit ihren Almosen sich zu Instrumenten des Herrn gemacht haben bei einem so nothwendigen und wichtigen Werke, warmen Dank wissen. In ganz hervorragender Weise fühle ich mich jedoch gegen Ew. Eminenz und alle Mitglieder des so wohlverdienten Marien-Vereines zum Danke verpflichtet, für die fortwährenden Gaben, womit Sie meine geliebte Mission unterstützen. Assuan hat nunmehr seine schöne katholische Kirche mit einer angenehmen gesunden Residenz für den apostolischen Vicar, seine Missionäre und Schwestern; sowie eine katholische Knaben- und Mädchenschule. — Wenn ich zurückdenke an die Weihnachtstage vorigen Jahres, wo ich den ersten Stein der Kirche legte und segnete, und jetzt mit der Kirche auch die obengenannten Gebäulichkeiten zu Ende geführt sehe, fühle ich mich von einem mächtigen Gefühle der Dankbarkeit gegen Gott ergriffen und sehe in meinem Herzen die schönsten Hoffnungen erstehen für das Wohl der Mission. Die Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, bis nur zu bauen angefangen werden konnte, und erst bis der Bau zu Ende geführt war, waren unzählbar; wenn Gott nicht sichtlich geholfen hätte, wäre nicht einmal an den Anfang, geschweige denn an den Ausgang des Unternehmens zu denken gewesen. Tausendmal sei er dafür gepriesen! Freilich bleibt bis zur inneren Vollendung und Ausschmückung der Kirche noch viel zu thun übrig, aber auch unser Vertrauen, das wir auf Gott und unsere treuen Wohlthäter haben, ist groß, so dass ich nicht nur hoffe, das alles werde sich uns noch möglich machen, sondern man werde auch die großen Schulden tilgen können, die wir gemacht haben und noch an andere neue Unternehmungen denken können, welche die Vorsehung von uns verlangt. Die Zahl der Schüler und Schülerinnen in unseren Schulen ist sehr erfreulich und das schwarze Element darunter sehr gut vertreten; ja in der Schule der Schwestern sind beinahe alle Mädchen Schwarze. Ein anderes Mittel, dieses arme Volk an uns zu ziehen und ihm Achtung und Liebe für die Mission und unser Werk abzuzwingen, ist eine kleine Pharmacie, 40 Mittheilungen aus den Missionsstationen. die wir hier besitzen, vermittelst welcher, neben der Ausübung eines leiblichen Werkes der Barmherzigkeit, noch viel Gutes für die Seelen gethan wird. Nicht weniger als sechzig sind in diesem Jahre die Kinder, welchen auf diese Weise der Himmel erschlossen wurde. Dazu kommt die Taufe eines erwachsenen Negers, des ersten, der in dieser neugegründeten Station vom Islamismus zu unserer heiligen Religion sich bekehrte. Möchte er der erste einer zahlreichen Christengemeinde in dieser unserer neuen Residenz sein! Die Position der Kirche und der übrigen Fabricate ist eine sehr gute, so dass ich hoffen kann, meine Gesundheit und die meiner hier weilenden Missionäre und Schwestern werde von nun an weniger unter der außerordentlichen Hitze zu leiden haben, welche hier bekanntlich noch größer ist, als im Centrum des Sudans, in Chartum. Auch die englisch-ägyptische Regierung trug, Dank der vorzüglichen Beziehungen, welche die Mission immer mit ihr gepflogen hat und Dank der zuvorkommenden ausgezeichneten Dienste des Herrn Baron v. Heidler-Eggereg, Plenipotentiärs Sr. k. und k. apostolischen Majestät, dazu bei, die Lage der Residenz schöner zu gestalten, indem sie unserer Eingabe gemäß, eine geräumige Straße dem Nil entlang aufführte, welche bis zur Kirche führt. In der Antisclavereicolonie in Gesira geht alles gut voran: die geistige und religiöse Erziehung der dortigen Knaben (80) und Mädchen (38) liegt in den Händen der Patres, der Brüder und Schwestern; wir hoffen bei der bevorstehenden Eröffnung der Mission viele Unterstützung von ihnen. Ich sage, bei der bevorstehenden Wiedereröffnung, da die englisch-ägyptische Armee bereits in Berber liegt und daher mit ziemlicher Sicherheit geschlossen werden kann, sie werde in nicht zu langer Zeit bis Chartum, dem Centrum des Mahdismus, vorgehen können. Die unglaublichen Erfolge, welche die Expedition in diesem Jahre zu verzeichnen hatte und die Leichtigkeit, mit der diese Resultate erzielt wurden — die Einnahme Berbers geschah fast ohne Blutvergießen — ist ein sicheres Zeichen, dass die Derwische entmuthigt sind. Der gute Verlauf dieser Expedition und die Wiedereröffnung des Sudan ist eben das, was wir seit so langer Zeit mit Ungeduld und unaufhörlichen Bitten zu Gott verlangen und erwarten. Sobald die Mission offen und genügende Sicherheit vorhanden ist, werden wir uns aufmachen, um unsere alten Plätze wieder einzunehmen, mit denjenigen unserer schwarzen Zöglinge, von welchen wir eine treue und dauernde Unterstützung bei der Evangelisation ihrer Landsleute erwarten können. Es ist daher jetzt ihre vorzügliche Aufgabe, die Erlernung des Katechismus und die Erlernung von Handwerken, damit ihnen im Amte als Katechisten das tägliche Brot gesichert ist. Die Mädchen des Institutes sind bestimmt, mit den obengenannten Knaben einmal christliche Familien im Sudan zu gründen. In Su akin, der Station, die bis jetzt der Mission so große Opfer gekostet hat, lässt sich, nachdem endlich die Handelsstraße nach Berber wieder offen ist und bereits Karawanen von dorten angekommen sind, ein größerer Aufschwung unserer Schule hoffen. Fünf Taufen sind int Register der Station verzeichnet worden; an und für sich eine kleine Zahl, aber, relativ, in mitten des mohammedanischen Fanatismus, im Angesichte von Mekka, doch nicht so gering, als man glauben möchte. In Kairo, dem Sitze der Generalprocura und der ersten Station zur Acclimatisierung der Neu-Angekommenen, haben die Patres neben den Arbeiten der Verwaltung und dem Studium der einheimischen Sprachen, die Seelsorge der Kranken im österreichisch-ungarischen Rudolphsspital, sowie die Sorge der in Kairo lebenden katholischen Neger. Die Nachrichten von Europa aus den verschiedenen Häusern der Mission lauten sehr günstig: die Zahl und der Eifer der Novizen und Studenten nimmt Mittheilungen aus den Misswiisstatioucn. 41 von Neuem zu. So konnte mir in den letzten Monaten von Verona eine Verstärkung von vier apostolischen Arbeitern zugehen, von welchen ich drei am vierten Adventsonntag zu Priestern weihte. — Die blühendsten Schulen der Mission sind in Heluan: sie sind den Schulen der Regierung, der Protestanten rc. weit überlegen, die Zahl der Schüler und Schülerinnen beträgt 140 aus allen Regionen und Religionen. Selbst Muselmänner schicken zahlreich ihre Kinder in unsere Schulen, trotz der ewigen, allerdings natürlichen Furcht, die Kinder möchten katholisch werden. An Taufen hat Heluan zehn aufzuweisen; im Vergleiche zum Vorjahre das Doppelte. WegertcoLonie in Kefrvcr bei Kairo. Der Hochw. P. Josef Weiller, F. S. C., schreibt uns unter dem 15. Januar aus der Negercolonie Gesira: Die Negercolonie in Gesirah bei Kairo ist, wie ihr Name besagt, ausschließlich dem Wohle der Neger gewidmet. Zu diesem Zwecke werden in derselben die Negerkiuder beiderlei Geschlechts erzogen. Denn nur auf diesem Wege ist den Arbeiten der Missionäre ein bleibender Erfolg gesichert. Die Anzahl der Knaben, welche im Hause der Missionäre wohnen, beträgt gegenwärtig achtzig; dieselben werden täglich in der christlichen Religion und in den profanen Schulfächern unterrichtet; nebstdem erlernen sie zum größten Theile unter Leitung eines fachmännisch gebildeten Laienbruders ein Handwerk, welches sie in den Stand setzen soll, später ihren Lebensunterhalt auf ehrbare Weise zu gewinnen. Wie die Missionäre sich der Erziehung der Knaben widmen, so beschäftigen sich die Missionsschwestern, die „Frommen Mütter des Negerlandes," mit der Erziehung der weiblichen Jugend. Außer den Kindern finden jedoch auf der Colonie noch solche Neger Aufnahme, welche wegen Krankheit oder ungünstigen äußern Verhältnissen nicht imstande sind, ihr tägliches Brot zu verdienen. Da die Zahl dieser arnien, verlassenen Neger in Ägypten sehr groß ist, so gibt es deren auch in der Colonie stets eine stattliche Anzahl. Ihr Leben ist reich an den verschiedenartigsten Wechselfällen ; oft ist es nichts anderes als eine ununterbrochene Kette von Entbehrungen und Leiden aller Art und lässt erkennen, welch' edle Aufgabe sich die Colonie durch die Aufnahme und Verpflegung dieser Unglücklichen gesteckt hat. In die Reihe dieser Neger gehört auch der Neger Said, der vor kurzem in die Colonie aufgenommen wurde, und dessen Leben ich daher den geehrten Lesern dieser Missionsschrift hiemit vorführen möchte. Als seine Heimat bezeichnet uns Said die Ortschaft Gebe! Tima im Lande Nuba. Sehen wir uns dieses Land und seine Bewohner zunächst ein wenig an. Die Nubaner haben ihre Wohnsitze im Südwesten der ehemaligen ägyptischen Provinz Kordofan. Das Land ist gebirgig und fruchtbar und steht daher im Gegensatz zu den angrenzenden Landstrichen Kordofans, welche eine wellenförmige, vegetationsarme Ebene bilden. Von Westen nach Osten wird Dar-Nuba von mehreren Bergketten durchzogen, welche an einzelnen Punkten sich zu einer Höhe von 700 Meter erheben. Als die bedeutendsten Berge sind der große und kleine Golfan, die Berge ©nitma, Fondo, Sobei und Karko zu bezeichnen. Das Jahr wird in drei Jahreszeiten eingetheilt, in den Charis oder die Regenzeit, in den Schetta oder Winter und in den Seist oder Sommer. In der Regenzeit, welche von Mitte Juni bis September dauert, wird das Land vom Regen völlig durchtränkt, und es bilden sich zahlreiche Gießbäche, — Chor genannt, — welche die Ebenen nach allen Seiten durchströmen und theils in den See Wirket, theils in den Weißen Nil sich ergießen. Alsdann bedecken sich die Thäler und Ebenen mit üppigem Grün, während die Berge aus Mangel au fruchtbarem Erdreich eine karge 42 Mittheilungen aus beit Missionsstatioiicn. Vegetation aufweisen. Die Nubaner treiben Viehzucht und Ackerbau. An Hansthieren züchten sie vorzugsweise Hornvieh, rvie Ochsen, Kühe und Ziegen, ferner treiben sie auch Geflügel-, Pferde- und Schweinezucht. Der Ackerbau beschränkt sich auf den Anbau von Korn, Doch», Sesam, Bohnen, Bamien und wenige andere Feldfrüchte. Unter den Baumpflanzen, welche in Dar-Nuba vorherrschen, sind besonders der Suntbauin, die Andansonie, die Akazie und der Baobab zu erwähnen, welch' letzterer eine Höhe von 20 bis 25 Meter erreicht, während sein Stamm 9 bis 12 Meter im Umfang misst. In den dichten Wäldern, welche das Land bedecken, hausen Löwen, Tiger, Hyänen, Giraffen, Wildschweine und zahllose andere mehr oder weniger gefährliche Wildthiere. Der Stamm der Nubaner war noch zu Anfang dieses Jahrhunderts stark und zahlreich gleich den südlichen Nachbarstämmen der Schilluk- und Dinka-Neger. Damals befanden sich ihre Dörfer sämmtlich in den Ebenen und die Nubaner wohnten darin in einfacher fast patriarchalischer Lebensweise friedlich mit einander zusammen. Doch dann wurden sie daraus verdrängt durch die Baggara, ihre nördlichen Nachbarn, welche fortwährend Sclavenjagden auf die Nubaner veranstalteten, da sich diese durch schlanken Körperwuchs, Intelligenz und Geschicklichkeit auszeichnen und daher unter den Negern des Sudan am meisten geschätzt sind. Mit Feuerwaffen versehen, überfielen sie die Nubaner in ihren Dörfern, suchten so viel als möglich an Sclaven und Vieh zu erbeuten und steckten oft ganze Dörfer in Brand. Die Nubaner, welche aus Mangel an geeigneten Waffen sich gegen die Baggara ans freiem Felde nicht behaupten konnten, zogen sich auf die schwer zugänglichen Spitzen ihrer Berge zurück und umgaben noch obendrein ihre Wohnungen mit dornigen Umzäunungen, um gegen die Überfälle der raubgierigen Baggara gesichert zu sein. In der That blieben seitdem die Nubaner in ihren Dörfern unbehelligt; doch um so größere Gefahr drohte ihnen, so oft sie von ihren Bergen in die Ebene herabstiegen, um ihre Felder zu bebauen oder ihre Viehherden ans die Weide zu führen, wie dies aus den Schicksalen unseres Said ersichtlich ist. Said wurde, wie schon bemerkt, auf Gebe! Tima geboren, einer Ortschaft, welche im westlichen Theile von Dar-Nuba liegt und wegen ihrer isolierten Lage besonders gefährdet erscheint. Die Familie des Knaben bestand aus Soliman, seinem Vater, Saada, seiner Mutter und zwei ältern Schwestern. Geben wir ihm selbst das Wort, um zu hören, wie er von den Sclavenjägern ergriffen und aus seiner Heimat weggeschleppt wurde. „Ich mochte," so erzählt Said, „ungefähr zehn Jahre zählen, als ich eines Tages früh Morgens in die Ebene hinabstieg, um die Herde meines Vaters ans die am Fuße des Berges Tima gelegenen Weiden zu führen. Das Wetter war trüb und regnerisch; das Dorf auf der Spitze des Berges, von woman bei hellem Wetter die Ebene nach allen Richtungen hin überschauen konnte, war in dichte Nebel gehüllt. Unten herrschte tiefe Stille, und ich fühlte mich ganz einsam. Nachdem ich so mehrere Stunden bei der Herde meines Vaters verbracht hatte, drang Plötzlich das Wiehern eines Pferdes aus dem nahen Walde an mein Ohr. Ich glaubte, mein Vater, der am frühen Morgen nach einem nahen Dorfe ansgeritten war, kehre nun nach Hause zurück. Bald jedoch erkannte ich an den Hustritten, die immer näher kamen, dass es mehrere Reiter waren. Als dieselben aus dem nahen Gebüsche hervorkamen, gewahrte ich zu meinem Schrecken sechs Baggara, welche, mit Gewehren und Lanzen bewaffnet, zur Erbentung von Sclaven und Vieh die Umgegend meiner Heimat durchstreiften. Ich huschte so schnell als möglich ins hohe Gras, welches in nächster Nähe war und verbarg mich. Doch zu spät! denn ich war schon entdeckt worden. Als ich sah, dass die Reiter eiligst auf mich zusprengten, schrie ich so laut ich konnte um Hilfe; doch im nächsten EFiEs Irf- ri! ih? *- «‘O' tj Q S sr.E O 2 ro '•i_*' ffll £s ^ «-* 150 » o~_ 0 « "o' nsS^s£3<- 2 cf *-« I'tf- 1 = | C/-Ä Säg- |E! #|s- !»r -E 3 S s^i 3 So s:r j- 150 L§« fll a'2g «g>~ a ™ f or <-$ E §Z. Ö" (T.xS' ^ § 3 3^5--cS 3 o-F? fi’S i i I -Š Mlstirbandc bcr Wegercolonie Hesirn 44 Mittheilungen eins den Missionsstationcn. dem Raubzuge erhalten hatte. Nachdeui wir ungefähr eine Stunde laug geritten waren, kamen wir an einen freien Platz mitten im Walde; daselbst erblickte ich noch andere Baggara, welche eine größere Anzahl meiner Stammesgenossen aus den benachbarten Dörfern weggeschleppt hatten. Es waren im ganzen ungefähr vierzig Personen, meist Knaben und Mädchen, denen man gleich mir die §iinbc auf dem Rücken gefesselt hatte. Andere, die in einem vorgerückteren Alter standen, trugen zu drei oder vier ans dem Nacken einen Balken, woran man ihre Hände mit Stricken festgebunden hatte, um ihnen die Flucht und jeden Widerstand unmöglich zu machen. Da standen sie alle vor mir wie Zugthiere an einander gebunden, schluchzend und weinend. Die Baggara machten uns die schmeichelhaftesten Versprechungen, wofern wir uns in unser Schicksal willig ergäben; doch alle Versuche, unsere Angst und Trauer zu verscheuchen und uns zu beschwichtigen, waren vergeblich: wir alle waren untröstlich darüber, dass wir auf eine so grausame Weise unsern Eltern entrissen worden, wir riefen von Zeit zu Zeit laut nach ihrem Namen, und das Weinen und Schluchzen wollte kein Ende nehmen. Die Reise wurde alsbald fortgesetzt, da keine Zeit zu verlieren war: denn man mochte einen Überfall der Nubaner befürchten. Der Marsch war äußerst beschwerlich. Das dornige Gestrüpp, welches wir zuweilen durchschreiten mussten, ließ blutige Spuren im Gesicht, auf den nackten Schultern und Armen zurück; spitze Dornen drangen uns in die Füße und verursachten heftige Schmerzen. Doch was konnten wir dagegen thun? Alles Klagen und Bitten war vergeblich: die Baggara drängten hinter uns mit der Peitsche unaufhaltsam zum Weitermarsche. So musste sich jeder stumm in sein schmerzliches Schicksal ergeben. Ein erwachsener Neger, der wegen körperlicher Schwäche und gänzlicher Erschöpfung nicht mehr weiter konnte, wurde zunächst auf grausame Weise gepeitscht; als alle Versuche, ihn zum Weitermarsche zu bewegen, scheiterten, versetzte ihm sein Führer einige Stiche mit der Lanze, und mit bluttriefenden Wunden bedeckt wurde der Arme auf dem Wege liegen gelassen. Gegen Einbruch der Nacht machten wir Halt an einem Brunnen unter einer Gruppe hoher Suntbäume. Dort sollten wir die Nacht zubringen. Man löste die Stricke von unseren Händen und band damit unsere Füße, um jeden Fluchtversuch zu vereiteln. Jeder ließ sich sofort nieder und zog sich die Dornen aus den Füßen, so weit dies mit den bloßen Fingern möglich war. Unterdessen wurde an uns ein wenig ungekochter Dochn ausgetheilt, der mit Sesam vermischt war. Damit sollten wir unsern Hunger stillen. Die Baggara zündeten mehrere Feuer an, welche die Nacht hindurch brannten, sowohl um die wilden Thiere fern zu halten, welche hauptsächlich des Nachts auf Raub ausgehen, als auch um Schutz gegen die Kälte zu bieten. Ich sah, wie die Erwachsenen meiner Stammesgenossen sich im Kreise um das Feuer niederließen und hörte, wie sie von Zeit zu Zeit Verwünschungen gegen die Baggara ausstießen, die jedoch von diesen nicht verstanden wurden. Dann legte ich mich nieder ins Gras und vergaß für einige Stunden das traurige Schicksal, dem ich anheimgefallen war. Es begann bereits zu dämmern, als ich von einem Baggara aus dem Schlafe gerüttelt wurde. Jeder erhielt wieder etwas Dochn und Sesam und sofort rüstete man sich zur Weiterreise. Die Berge der Heimat waren unsern Blicken entschwunden; vor uns dehnte sich eine weite fast baumlose Ebene aus; weit und breit war keine menschliche Wohnung anzutreffen. Der Marsch begann, schien jedoch gar kein Ende nehmen zu wollen. Den ganzen Tag mussten wir marschieren, während die Baggara auf ihren Pferden ritten, dabei singend und pfeifend sich unterhielten und uns von Zeit zu Zeit mit der Peitsche zu schnellerm Marsche antrieben. Von Hunger und Durst gequält und gänzlich erschöpft, erreichten wir am Abend Hamad, ein Dorf in Dar-Hamer, und endlich hieß es, dass wir an unserm Reiseziel angelangt seien. Mittheilungen aus den Missionsstationen. 45 Alsbald sahen wir uns von einem Haufen Männer, Weiber und Kinder umgeben, welche neugierig herbeigeeilt waren, um uns zu beschauen und an uns allerlei Fragen richteten, die jedoch niemand von uns verstand. Jeder der Baggara führte die von ihm erbeuteten Sclaven in seine Behausung, d. h. in eine ans Dochnrohr aufgerichtete Hütte. Mein Herr nannte sich Bahra, er war noch unverheiratet und wohnte in der Hütte mit seiner Mutter und seinen zwei Schwestern zusammen. In der ersten Zeit besonders hatte ich dort viel auszustehen. Da ich noch nicht die Sprache der Baggara verstand, so erregte ich oft die Ungeduld und den Zorn meines Herrn und zog mir so manche Misshandlungen zu. Ich wurde meistens zur Arbeit auf dem Felde verwendet. Bahra war arm, daher war meine Kost dürftig und schlecht, und oft war ich froh, mit harten Durahkörnern meinen Hunger stillen zu können. Von Tag zu Tag erwartete ich, dass mich mein Herr an einen der Sclavenhändler verkaufen würde, welche häufig in Hamad zum Sclavenankauf eintrafen. Doch es sollte anders kommen! Eines Tages hieß es, ein hoher Beamter namens Salem Bey sei von Chartnm eingetroffen, um im Namen der ägyptischen Regierung Soldaten einzuziehen. So war es! Auch ich wurde eingezogen, wie sehr sich auch mein Herr dagegen sträuben mochte, und bald darauf reiste ich nach Berber, wo ich dem 9. Neger-Regiment einverleibt wurde. So war meine Sclaverei zu Ende, ich hatte die Freiheit wiedererlangt." Welches waren die spätern Schicksale unseres Said? Seine militärische Laufbahn sollte nicht von langer Dauer sein. In Berber verblieb er zwei Jahre und erlernte daselbst die arabische Sprache. Dann wurde das 9. Neger-Regiment nach Kairo versetzt, wo es bis zum Ausbruch des mahdistischen Aufstandes stationiert blieb. Als dann im Jahre 1888 die Derwische unter Führung des Emir Hab Nedschumi die ägyptische Grenze bedrohten, musste auch Said gegen dieselben ins Feld ziehen. In Toski, südlich von Koroško, kam es zur Schlacht, die mit einer gänzlichen Niederlage der Derwische endete. Said wurde durch einen Schuss am Knie verwundet und ins Lazarett) bei Habt Haifa gebracht. Er wurde geheilt, doch war er seitdem hinkend und wurde daher als untauglich aus dem Militärdienste entlassen. Die nun folgenden Jahre verbrachte er in dem in der Nähe von Kairo gelegenen Negerdorfe Abbasiah, wo er für seinen Lebensunterhalt allein auf die Gastfreundlichkeit der Neger angewiesen war. Wegen dürftiger Kost und schlechter Wohnung schwanden seine Kräfte immer mehr, und zuletzt befiel ihn die Schwindsucht, eine Krankheit, welche unter den in Ägypten weilenden Neger» häufig auftritt. Auf den Rath eines Negers bat er um Aufnahme in der Neger-colonie in Gesira. Sie wurde ihm bereitwilligst gewährt. Said wird nun täglich int Katechismus unterrichtet und zeigt sich für den Glauben an die Wahrheiten unserer heiligen Religion durchaus empfänglich. Wir trösten uns daher mit der zuversichtlichen Hoffnung, dass er binnen kurzem die heilige Taufe empfangen werde, um dann, so Gott will, in ein besseres Jenseits überzugehen. * -st -st Man hört und liest zuweilen, dass die Neger für den Geist des Christenthums unempfänglich seien und sich kaum ein christliches Gewissen bilden. Dem gegenüber berichtet uns einer unserer Missionäre: „Die Negerchristen unserer Mission führen ein erbaulich christliches Leben. Sie wissen ihren Katechismus besser als mancher Weiße, beobachten die Gebote Gottes und der Kirche, beten fleißig, gehen zu den heiligen Sacramenteu und haben sich ein wirklich christliches Gewissen gebildet. Dies gilt besonders von den Kindern. Eines Tages fragte ich einen Negerknaben, der zu ungewohnter Stunde ans der Kirche kam, was er dort gemacht habe; er 46 Vormarsch der angto-ägyptischen Armes. sagte etwas verlegen: „Vater, ich war gegen einen Knaben erzürnt und legte nun aus Liebe zu Gott den Groll auf den Altar nieder!" Ähnliche Beispiele, die auch Weißen gut anstehen und das Vorhandensein eines christlichen Gewissens beweisen, könnte ich viele anführen. Geradezu rührend ist es, mit welchem Eifer sich die Katechnmenen auf die heilige Taufe vorbereiten. Da sieht man Negergreise sich zn den kleinen Knaben setzen, um von ihnen das Kreuzzeichen oder die Antworten des Katechisnius zu erlernen; stundenlange sitzt der alte Neger da und probiert das Kreuzzeichen, das ihm der Kleine vormacht. Man denke, welche Mühe dies so einem Alten, der sein Leben lang Sclave war und geistig ganz stumpf geworden ist, kostet! So ein alter Neger plagte sich über einen Monat; Hundertemale ließ er sich von einem fünfjährigen Schwarzen das Kreuzzeichen vormachen; am Abend vor dem Schlafen probierte er es für sich und am Morgen probierte er es gleich wieder; endlich eines schönen Morgens gieng es, und in seiner Freude lief er zu seinem kleinen Lehrer, weckte ihn aus dem Schlafe und mit den Worten: „Schau her, jetzt geht's!" machte er ihm das Krenzzeichen vor. Dann lief er zum Zimmer des Paters, weckte auch diesen aus dem Schlafe, machte ihm von der Thüre aus das Kreuzzeichen vor und bat: „Vater, nun taufe mich gleich!" Es gibt für die Neger keine härtere Strafe, als ihnen den Empfang der Taufe über der Sacramente zn verschieben. Da kommen die Kleinen bitten und flehen: „Vater, wann darf ich einmal zu dem kleinen Hänschen (Beichtstuhl) in der Kirche gehen, ich habe viele Sünden." te englisch-ägyptische Armee hat, tote in voriger Nummer berichtet, ihren Vormarsch einstweilen eingestellt, angeblich um das Steigen des Niles ab-ÄiP zuwarten und dann desto schneller und mit größerer Bcguemlichkeit vor-rücken zu können. Unterdessen bleibt sie seit dem 20. Januar l. I. zwischen Wadi-Halfa, Berber und Eddamer stationiert. Wie nun aus sicherer Quelle gemeldet wird, soll der weitere Vormarsch schon Mitte April beginnen und zwar zunächst auf Metemmeh, nach dessen Einnahme sogleich auf Omdurman und Chartum losgegangen wird, da um diese Zeit der Nil schon hinreichend hoch geht, so dass also Ende Mai oder Mitte Juni d. I. der entscheidende Schlag schon ausgeführt und wenigstens einer unserer Missionäre in das alte Missionsgebände zu Chartum eingezogen sein dürfte. Im Osten der Mahdisten greift die ägyptische Besatzung von Cassala immer mehr um sich und entreißt den Derwischen durch kleine, aber kühne Scharmützel einen Posten nach dem andern, so dass sich diese iinmermehr nach Gedaref und Sennar zurückziehen müssen. Aus den Bajuden-steppen kommen fortwährend ganze Scharen von Sudanesen nach Meravi, und bieten ihre Unterwerfung an, ihren Aussagen zufolge ist die Noth im Sudan ziemlich groß und der Chalifa dürfte sein Heer schwerlich auf mehr als 60.000 Mann bringen. — Der Sudan wird jetzt wirklich ein vielumworbenes Land. Was die Expedition Marchand, von der im ersten Hefte berichtet worden war, treibt und bezweckt, weiß man bis jetzt nicht sicher. Doch nicht genug! Auch Prinz Heinrich von Orleans bricht von Abessinien aus nach dem Sudan ans und zwar mit bedeutender Begleitung. Um aber fremden Einfluss nicht zn sehr an den Nilqnellen aufkommen zu lassen, hat der junge englische Forschnngsreisende 47 Österreich und die Mission von Ccntmlnsrika. H. Cavendish eine andere Expedition ausgerüstet, welche mit aller Geschwindigkeit von der Somalieküste nach dem oberen Nil abgehen soll und an der mehrere andere gelehrte Engländer theilnehmen; für ihre Sicherheit sollen ungefähr 400 bewaffnete Somali und einige Schnellfenerkanonen sorgen. Die Resultate dieser Bestrebungen bleiben noch abzuwarten; möchten sie doch zur schnelleren Eröffnung des Sudan Beitragen! — Zn allerletzt wird durch „Reuters Office" aus Wadi-Halfa mitgetheilt, Mahmud, Emir der Mahdisten, drohe das befestigte Lager am Atbara anzugreifen. Infolgedessen wurde den britischen Truppen der Befehl ertheilt, den Nil aufwärts zu marschieren. p. Josef Münch, F. S. C. ------------------ (Ollmtirii mib bis Mission mm CentrnliiW«. katholische Österreich ist bei der Hilfsaction zugunsten Afrikas und M M seiner armen Völker wahrlich nicht zurückgeblieben, es hat sich vielmehr jSmß glänzende Verdienste um die Ehristlichmachung Afrikas erworben. Manche werden sich noch der Fünfziger-Jahre erinnern: was war das für eine Begeisterung für Afrika! Die edlen Priester und Laien des Kaiserreiches waren nach Ägypten, Nubien und fand begeisterte Aufnahme dem Sudan geeilt, unter und warme Theilnahme: unsäglichen Mühen und Ge- M X vom damals jugendlichen fahren bis in die Nähe des M \ Kaiser und seinem ganzen Äquators vorgedrungen; dort Ml WFjf H !\ erlauchten Hause, von den hatten sie sich unter den p’ 'Sp. ,'M höchsten kirchlichen Würden- Negern niedergelassen, ihre trägem und den obersten Verlassenheit und Hilss- HM-.; Jp*«. / Regierungsinstanzen bis zu bedürftigkeit vollends studiert den gewöhnlichen Bürgersund darüber in die Heimat lenten aller Landestheile und berichtet. Ihr Haupt, Dr. N/ Diöcesen war die Theilnahme Ignaz Knoblecher, kam in für Afrika und die österreichi- Person, sein Ruf — er war scheu Missionäre daselbst eine der Hilferuf der Neger — Dr- Ignaz Knoblecher. allgemeine und so tiefgehende, dass ganz Österreichs Volk sich zusaminenthat und die Sache der Negermission vom ersten Nilkatarakt bis zum Äquator zur seinigen machte. Se. apostolische Majestät hatte dem ganzen das Siegel aufgedrückt und im Namen seiner Völker das Protectorat über die Mission von Centralafrika übernommen. Es wurde der Marien-Verein gegründet, das gläubige Volk von den Kanzeln herab mit bischöflichen Worten zur Unterstützung aufgefordert. Von allen Seiten liefen Almosen und Geschenke ein, die in großen Sendungen nach Afrika giengen. In Chartum erstand ein Missionsgebäude so groß und so solide gebaut, wie es in ganz Afrika damals kein zweites gab ■— es hat den Sturm der Mahdisten überdauert und steht heute noch da, wie vor mehr den vierzig Jahren. In Heiligkreuz bei den Dinka-Negern und in Gondo-koro bei den Bari pflanzten die Missionäre das Kreuz auf. In den Missionsschulen sammelten sich viele Negerknaben. Die Missionäre studierten die Negersprachen und die Resultate sind in gediegenen Grammatiken niedergelegt. Ein Missionsschiff „Stella Matutina". befuhr den Nil. In Chartum wurde ein Con-snlat errichtet. Die Mission arbeitete mit gewaltigen Mitteln und wurde zu einer Macht, mit der die ägyptischen Behörden rechneten; weithin erstreckte sich ihr Einfluss. Die Berichte der Missionäre sind von geographischem und ethno- 48 Österreich und die Mission Don Centralafrika. graphischem Werte und theils in wissenschaftlichen Zeitschriften, theils in eigenen Werken hinterlegt. Die Grenel des Negerranbes und Sclavenhandels im Süden wurden durch sie der Welt bekannt, und wenn später die Mächte auf die Türkei und Ägypten einwirkten behufs Schaffung von Gesetzen gegen die Sclaverei, so hatte hiezu das Consulat und die Mission in Chartum den ersten und nachhaltigen Anstoß gegeben. Die Sclavereiconvention. welche im Jahre 1878 zwischen England und Ägypten zustande kam, und welche in Ägypten und im Süden den Sclavenhandel formell verbot, liest sich sehr schön! Es ist aber weniger bekannt, dass die österreichische Mission den ersten Anstoß dazu gab, und das ist ein unsterbliches Verdienst Österreichs um die Völker des Sudan. — Unsägliche Mühen und Entbehrungen ertrugen die opfermuthigen Priester; die Missionierung jener entfernten Gegenden war in jenen ersten und erfahrungsarmen Zeiten unvergleichlich schwieriger als heute. Viele erlagen den Anstrengungen und der Ungunst des Klimas, Jahre hindurch folgten immer neue Missionäre und über die Gebeine und Gräber der Landsleute hinwegschreitend, setzten sie mit todesmuthiger Energie das Werk fort. Das Studium der Todtenrcgister in Chartum war für uns stets erhebend; da ist verzeichnet ein Neger und gleich dahinter der Missionär, der den Neger in der Todesstunde getauft und dann beerdigt hatte und so folgt sich eine lange Todtenliste von Priestern und dazwischen ein paar Neger verzeichnet; nienschlicherweise gesprochen ist es betrübend, aber wir erbauten uns stets an diesem Opfermuthe der Missionäre, welche, den Tod vor Augen, mit apostolischem Eifer ans ihren Posten standen, Negerseele um Negerseele dem Satan abrangen und schließlich bei dem heiligen Bekehrungswerke das Leben ließen. Außer zahlreichen Laien sind 38 österreichische Priester den Nil hinaufgezogen, 25 davon ruhen in der heißen Erde des Sudan, die Übrigen erlagen theilweise den ausgestandenen Strapazen in der Heimat. Hunderte von Negern wurden aus der Sclaverei losgekauft, über 800 Negerheiden getauft, deren noch zahlreiche im Sudan und in Ägypten leben. Die Neger zeigen sich dankbar gegen ihre heroischen Wohlthäter, gegen Österreich und sein Kaiserhaus. Einst stieg in der Nähe des Äquators aus Negerkehlen die Volkshymne und das Gebet für den Kaiser zum Himmel auf, wie heute in Oberägypten und am Rothen Meere. Heute noch nennen die weißhaarigen Negergreise, die getauft unter den Derwischen des Mahdi zerstreut leben, mit Rührung einen Abuna Soliman (Dr. Knoblechner), Gostner, Haller, Überbacher, Viehweider, Kofler, Rheinthaler, Dichtl u. s. w. Österreichs Name war und ist ein ebenso klangvoller im Sudan, als seine Maria-Theresien-Thaler die fast einzig gangbare Münze sind. Vor allem hat man Achtung vor der idealen Mission Oesterreichs und der Uneigennützigkeit seines Wirkens zum Wohle der afrikanischen Mission. Man sagt oft, und wir wollen nicht entscheiden, ob mit Recht oder Unrecht, dass andere Nationen die von ihnen protegierten Missionen zu politischen Zwecken benützen. Österreichs Ideal war: die Ausbreitung des Glaubens und die eigene Ehre als katholische Nation mit frommer Dynastie. Durch diese seine Vergangenheit bewies Österreich seine eminente Befähigung als Schutzmacht katholischer Interessen im Oriente. Mögen die Zeiten Knoblechers wieder erstehen! Mögen sich zahlreiche begeisterte Jünglinge aus allen Ländern Österreichs zur Aufnahme in das Missionshaus der Söhne des hlst. Herzens Jesu in Mühland bei Brixen melden, um einst als tüchtige Ordensmissionäre das Werk der Bekehrung der Neger in Centralafrika fortzusetzen! Für die Redaction: P. Xaver Geyer, F. S. C. Druck von A. Weger's fb. Hofbuchdrnckerei, Brixen.