Theologische Verantwortlicher Rcdacteur und Verleger: ®r, Johann Chryf. Pogazhar. M 26 Samstag dcrr 30. Juni. 1849. Religion. Sp. 8. — Es ist ein Gott — ein lebendiger, persönlicher Gott — also ist auch eine Religion, das ist, ein heiliges Band, das alle Wesen mit Gott verknüpft.*) — Religion ist die wahre Harmonie der Welt, die höchste Einheit und Ordnung des Universums, die himmlische Musik, das Concert der Engel, der Liebesbnnd der Geschöpfe mit ihrem Schöpfer. — Doch damit wir nicht zu viel in metaphorischen Redensarten uns ergehen, die so lcickt mißverstanden und mißbraucht werden, so lasset uns mit dem nüchternen Verstände ein wenig nachdenken, in wiefern und warum es eine Religion gibt. Die Tiefe unseres Selbstbewußtseins hat uns drei von einander verschiedene Wesen ausgezeigt — Geist, Natur und Gott. So wahr es ist, daß diese drei Wesen nicht Eins und Dasselbe sind, sondern in eigen-thümlicher Weise ihr Sein und Leben neben einander behaupten; so gewiß besteht auch unter diesen Wesen ein Verhältuiß, so daß eines zu dem ändern eine bestimmte Stellung eiiniimmt und sich zu ihm in Bezyg setzt. Der Geist hat ein Verhältniß zur Natur, die im Menschen mit ihm zur Lebenseinheit verbunden ist; die Natur steht iu Beziehung zu dem Geiste, dem sie dienen soll; der ganze Mensch aber und die ganze Welt steht in Bezug zu Gott, von dem sie abhängt, weil sie nur in Gott den Grund ihres Daseins findet. Der Mensch ka»n sich selbst nicht wahrhaft erkennen, ohne daß er an Gott glaubt; seine Beschränktheit, die ihm uuläugbar ist, bleibt ihm ein Räthsel, wenn er nicht den Unbeschränkten und Unendlichen anerkennt. Ohne Gott kann der Mensch weder sich noch die Welt begreifen. Darum fühlt sich der Mensch unabweislich gedrungen, fein Verhältniß zu Gott zu erforschen, sich selbst und alles Uebrige auf Gott zu beziehen, und dieses Verhältniß, diese Beziehung aller Wesen zu Gott heißt Religion. Alles anßer Gott ist abhängig von Gott; und dieser Abhängigkeit kann kein Geschöpf sich vollends erwehren. Gott ist Gott und bleibt Gort, auch wenn man *) Heliffio a rcli^ando, nach Lactantius, div. instit. IV, 28. oder mich Ciccio de nat. deor, II 28. a relcgendu. ' sein Dasein läugnet oder ihm widerstehen will. Darum gibt es eine Religion auch für den, der nichts von ihr wissen oder hören will. Gott ist, und Niemand kann die Existenz Dessen anfheben, der aus sich selbst ist; auch wir sind, nicht aus uns, sondern durch Gott, und können nicht uns selbst vernichten, Gott ist und bleibt der Unabhängige, die höchste Majestät, der absolute Herr des Himmels und der Erde; und wie wird der tolle Wabn ohnmächtiger Geschöpfe den Allmächtigen unterjochen. Wir tfüi. und bleiben die Abhängigen, und können mit aller Macht unserer Freiheit uns von Gott nicht frei machen. Unser Verhältniß zu Gott, als der Beschränkten zu dem Unbeschränkten, der Abhängigen zu den Unabhängige:., ändert sich nicht, wie auch unser Verhalten zu Gott sich ändern möge. — Die ganze Natur steht im Dienste Gottes, aber nach ihrer Art, auf unfreie Weise; die Engel sind Gott unterthan, und zwar die guten in Erkcnntniß und Liebe, in der sie sich ganz dem Allerhöchsten hingeben; aber auch die bösen Engel, obwohl Gott nicht liebend, sondern mit Haß von Ihm sich abkehrend, fühlen sich doch in ihrem Dasein an Ihn gewiesen, ohne welchen sie nicht wären; daher, wie der Apostel sagt, rauch die Teufel glauben und — zittern«. (Jak. 2, 19.) — Der Mensch, mit Vernunft und Freiheit begabt, wie der Engel, kann die guten oder die bösen Engel nachahmen; er kann gottselig oder gottlos leben; aber in dieser Gottlosigkeit kann er doch nimmer Gottes eigentlich los werden, dessen absolute Macht sich unausweichlich gegen ihn geltend macht, ob er auch die freie Huldigung der Liebe ihm versagen will. Ja! das Verhältniß des Menschen zu Gott ist und besteht in Ewigkeit; denn der Mensch hat es nicht gemacht, so wenig er sich selbst gemacht hat. Wenn er sich als Mensch eristirend findet, so findet er auch neben und über sich Gott, von dem er abhängt. Dieses Verhältniß (objektive Religion) kann der Mensch nicht hinwegschaffen; aber er soll es erkennen und anerkennen (subjektive Religion). Er soll erkennen, worin das erwähnte Verhältniß besteht, oder was er in Bezug auf Gott zu glauben hat (Glaubenslehre), er soll auch et kennen,- was er vermöge dieses Verhältnisses 311 thun und zu lasse» hat (Sittenlehre). Diese zweifache Er- kenntniß bildet die Theorie der Religion. Die Anerkennung des Verhältnisses zu Gott in Glauben und Liebe ist die Praxis der Religion oder die Religiosität. O welch' erhabene Wissenschaft ist Religion! Welch' erhabenes Leben ist Religiosität. Jene ist die einzig wahre Aufklärung, diese der höchste Adel und Fortschritt der Menschheit. Wie der Mensch nur aus Gott sich selbst verstehen kann, weil er nicht in sich selbst, sondern in Gott den Grund seines Daseins hat; so kann er auch alles Andere nur aus Gott verstehen, der da alles gemacht hat; und so ist die Religion das Fundament aller Wissenschaft, die nur dann wahr sein kann, wenn sic religiös ist. Nur im Lichte Gottes schauen wir das Licht; abgewendet von Gott, fallen wir der Finsterniß anheim. Ohne Religion ist Verfinsterung, Barbarei, Sklaverei; mit ihr ist Aufklärung, Veredlung, Freiheit. Zeigt dieß nicht die Geschichte des Tages? — Lasset uns daher aus der Tiefe eines wahrhaft religiösen Gemüthes mit Augustinus rufen: Domine! noverim Te! noverim me! Herr! daß ich dich und mich cr-kennete! Was will die Philosophie? — Ihre Itothwendigkeit. *) 1 Philosophie ist daS höhere Denkleben, ist das Denken über das Denken. Wenn ich das, was ich als geistiges Wesen und zwar als menschlich-geistiges Wesen nothwendig denke, was meinen ursprünglichen, meinen ersten und Grundgedanken, ohne welchen ich nicht eigentlich denkend genannt werden kann, constituirt und in ihm involvirt enthalten ist, wieder zum Gegenstände meinesDenkenö (zum Gegenstände meines Nachdenkens) mache, — so philosophire ich. Philosophie ist die Blüthe des Denklebens. Sie kann nur zu Stande kommen und sich durchführen in einem Geiste, dessen natürliches oder gemeines Denken eine gewisse Intensität erreicht hat, so daß der Geist zum Bewußtsein kommt über sein nnwillkühr-lichesDenken. — Der gewöhnliche Mensch denkt auch, sobald er ins geistige Leben gerufen ist, denn das Leben des Geistes ist Denken; aber er denkt, ohne zu wissen, daß er denkt, er hat von seinem Denken kein Bewußtsein; er ist sich seiner bewußt, aber er ist sich dieses sei->>nes Selbstbewußtseins nicht in solcher Weise bewußt, daß er es zum Gegenstände seines Nachdenkens machte, oder machen könnte. Hat sich nun dieses ursprüngliche und natürliche Selbstbewußtst,» dergestalt in sich selbst consolidirt, und ist jene Energie des Geistes vorhanden, die erforderlich ist, damit er zum Bewußtsein seines Selbstbewußtseins vordringt und über sich und sein Den- *) Aus de» hintttlaffcnen Schriften des 0r. Zoh. Heinrich Pabst. ken nachzudcnken beginnt, Sich als Denkenden zum Gegenstände seines Denkens macht, so betritt er dm Boden der Philosophie. Wenn das gemeine Denken allerdings ein Wissen ist, so sucht die Philosophie sich dieses Wissens als eines gewissen Wissens bewußt zu werden; der Geist will seinen Gedanken als einen wahren wissen, er will sich dessen bewußt sein, daß und warum sein — unmittelbar mit der Entwickelung des geistigen Lebens gegebenes — Wissen ein wahres und gewisses ist. — Darum nennen wir daS philosophische Wissen das höhere Wissen oder die Wissenschaft. Seines geistigen Lebens als des wahren und rechten geistig (also wissend) sicher und gewiß zu sein, ist die höchste Vollendung desselben hier ans Erden. Der geistig entwickelte Mensch kann nur denkend leben und sein eigentliches Leben ist Gedanke, und mit und aus dem Gedanken muß er sein ganzes inneres und äußeres Dasein reguliren; wie sollte es für ihn nicht von der allergrößten Wichtigkeit sein, daß er mit sich selbst im Klaren sei, d. h. mit seinem Denkleben in der Wahrheit und in dem vollkommenen Bewußtsein dieser Wahrheit stehe! — Der gewöhnliche Mensch, dessen Denkleben noch in der Unmittelbarkeit sich bewegt, kan» allerdings mich auf seinem Standpunkte, also ohne Wissenschaft seine Lebensbestiinmiing erreichen, wenn er guten Willens bleibt und sich theoretisch in der Unmittelbarkeit seines Glaubens und praktisch in der Unmittelbarkeit seines Gehorsams sich erhält, wenn er den ihm sich historisch darstellenden (von ihm als bestehend Vorgefundenen) Autoritäten —der Natur, der Geschichte, Christi in der Kirche und im Gewissen — gibt, was ihnen gebührt; aber sobald der Denkgeist selbst in die Reihe der Autoritäten einrückt, sich als einen Factor und Mitconstitucntcn des Universums findet (und dieser Moment ist ein nothwendiger im Entwickelungsprocesse des Geschlechtes und dato wirklich eingetreten), dann werden alle ändern Autoritäten von ihm in Frage gestellt (was noch nicht gerade ein Bezweifeln ist) — und zwar mit Nothw endigkeit in Frage gestellt, denn der Denkgeist ist ein Geist der Frage, mit Notwendigkeit werden sie um den Grund ihrer Criste uz von ihm angegangen, denn die Grundfrage deö denkenden Geistes ist — die Frage nach dem Grunde. Und was sich da Alles ergeben kann, zeigt die Geschichte des Tages und die Lage der Welt in ligura. Da werden auf der einen Seite Natur und Geschichte und Kirche und Staat vom Denkgeiste als Autoritäten negirt, und letzterer constituirt sich selbst als absolute Autorität,— und von der ändern Seite wird die Autorität des denkenden Geistes negirt, und der blinde Glaube und der blinde Gehorsam als das Heil der Welt proclamirt, so daß die Einen alle bestehenden äußern Autoritäten in ihrer Existenz abhängig machen wollen von der Autorität des Geistes (womit denn jene schon aufgehört haben als Autoritäten zu gelten), und die Ändern als Todfeinde des Denkens Auftreten, und so ein Vertilgungskneg im Menschengeschlechte sich entspinnt, ein Jdeeukrieg, der sicher nur dadurch sein Ende erreichen kann, daß dein denkenden Geiste werde, was des denkenden Geistes, — aber Gottes und der Natur, was ihrer ist. Die klare und wahre wissenschaftliche Erkeuntniß ist das erste und höchste Bedürfniß der Zeit und für denjenigen Sohn der Zeit, der sich nicht außerhalb der geistigen Bewegungen der Zeit erhalten kann. Und wer von Uns vermochte dieses? — Und wo das Bedürfniß seine höchste Höhe erreicht hat, da hat die Vorsehung auch das Mittel der Befriedigung in Be/eitschast. Die Zeit ist gekommen, wo die Philosophie zu ihrer Reife kommen und wieder gut machen wird, was sie bisher schlimm gemacht, wo sie ihre welthistorische Bedeutung erfüllet, indem sic dej° Menschheit zur Besinnung und damit zum Frieden verhelfen wird. 3st die Grundfrage des denkenden Geistes die Frage nach dem Grunde, so kann das Resultat der Philosophie kein anderes sein, als gründliche Erkeuntniß, d. h. gewisses W issen des Urgrundes der Dinge, des ticsinnersten, wesentlichste» Verhältnisses Gottes zur Welt und der Welt zu Gott. Hier ist bemerkenswerth, daß im Volke der Juden diese Frage nicht erwachte. Woher dieses? — Sicherlich nur daher, weil das Verhältuiß der Menschheit zu Gott und vicc versa bei ihm faktisch das rechte war. Das israelitische Volk war ja dazu berufen und bestimmt der Repräsentant zn sein des Normalverhältnisses deS menschlichen Geschlechtes zum Einen wahren Gott; die ganze providentielle Macht, mit welcher Gott die Weltgeschichte lenkt, concentrirte sich in die Lenkuug der Geschicke Israels, und Er bot Alles auf, um die Idee Seiner und das Bewußtsein des Verhältnisses des Menschengeschlechtes zu ihm und Seiner zum Geschlechte in ihrer Wahrheit in ihr lebendig zu erhalten. Woher sollte nun Israel das Bedürfniß des Fragens und For-fchens kommen? — von außen sicher nicht; aber auch im Juueru des Geistes selbst und wie von selbst konnte das wissenschaftliche Erkenntnißstreben nicht erwachen, indem das geistige Leben damals noch nicht jene Intensität erreicht hatte, die dazu gehört, daß er zum Behnfe theoretischer Bedürfnisse Untersuchungen «»gestellt hätte über das Wesen Gottes und der Welt und das Grundver-hältniß Beider zu einander. Auch hatte das Leben des Geschlechts noch nicht jene Fülle des Daseins zur Anschauung gebracht, die Menschengeschichte noch nicht jenen Reichthum von Facten entwickelt, die nothwendig waren, um jene gewichtigen Fragen zu thun und zu beantworten. Daraus folgt denn, daß die Geburt der Philosophie bei den übrigen alten Völkern als eine Frühgeburt, gleichsam als ein Nothfall betrachtet werden muß. Nicht sowohl der natürliche Entwicklungsgang des Geschlechts erweckte hier das Fragen und Suchen nach dem Urgründe der Dinge, denn zu dieser Frage besitzt der Geist in der Zeit der Kindheit die erforderliche Intensität noch in keiner Weise; sondern ein trauriges religiöses Be-dürfniß war es, das sie ins Leben rief. Diese (die heidnischen) Völker, waren ethisch aus ihrem kindlichen Verhältuiß zu Gott herausgctrcten, bestanden nicht in der Wahrheit des Lebens, und hatten sich mit ihrer Gottes-Idee (die der Mensch nie ganz verlieren kann, weil sie mit seinem Selbstbewusstsein selbst zusammen-fällt) in die Natur verirrt und verloren. Nothwendig mußte in dieser Verwirrung das Bedürfniß einer Vermittlung der Wahrheit des Lebens erwachen, die denn unter diesen Verhältnissen, wo eben der Geist in sünd-lichem Egoismus von Gott abgesallen war, Niemand Anderer unternehmen konnte, als derselbe Geist, indem er theoretisch, mit der Macht des Gedankens, den falschen Standpunkt zu rechtfertigen und zu begründen suchte, den er ethisch eingenommen hatte. So entstanden die wunderlichsten Theogonien, Mythen und Mythologien, bis das geistige Leben bei den Völkern, besonders bei den Griechen im Fortgange der Weltgeschichte zu höherer und intensiverer Entwickelung gelangte, wo dann die Philosophie mehr eigentliches Denkleben und das Eigenthilm einzelner ausgezeichneter Geister ward. Aber auch jetzt noch hatte das Suchen nach den höchsten ewigen Wahrheiten den Grundzug der Religiosität; sie war noch jene Weisheit, welche cs sich zur Ausgabe machte, die Vermittclung und Erlösung, dic nur derjenige bringen konnte, dessen ausschließliche Lebensbestim-mung es war, der Welt das Heil zu bringen, durch sich selbst zu effectuiren.. Wir wissen, wie ein Pithagoras, Zeno, Epicnr, die Cyniker, den Bruch und Widerspruch zwischen Geist und Natur abzuthun und anszugleichen suchten. In den späten« Aristoteles, Socrates und Platon nahm endlich dic Philosophie den rein wissenschaftlichen Character an, bis sic in den Neuplatoui-kern, die in die Zeit des eben erst aufblühenden Christenthums fielen, mit dem Heidenthum selbst dahiuschwand, oder aber als ein wüstes Gemisch von Heidenthum und Christenthum im Gnosticismns jenes widerwärtige Gebilde darstellte, das bis in unsere Zeit herein sortbesteht. Oesterreichs Bischöfe vor dem Kaiser. l’rimum (negotium) rerum divinarum eure. Aristot. Polit. VII. 8. »Die Leuchte deines Leibes ist dein Auge. Ist deinAuge lauter, so wird dein ganzer Leib licht sein.« (Matth. 6, 22.) Buchstäblich finden wir dieß bewährt an einem Jünger des seraphischen Frauziseus, der nach seinem seligen Hinscheiden einem Mitbruder im Verklärungsstand erscheinend, einen wunderlichen Glanz aus seinen Augen strahlte, weil er während seiner irdischen Wanderschaft die gar seltene Tugend übte, die * Handlungen des Nächsten aufs beste zu deuten und im Sonnenlicht der freundlichen Charitas anzuschanen. Mit einem solchen Auge blickt — ungeachtet so vieler und schmerzlicher Täuschungen seiner Liebe — der edle Pius IX. in die Welt — zunächst auf Rom, das sein Vaterherz so grausam verwundet, ohne dessen Huld und Milde zu erschöpfen — dann auch auf entfernte Länder und Reiche, für welche er, wie sein letztes Rundschreiben na« mentlich über Oesterreich bemerkt, sich der süßen Hoffnung hingibt, daß daselbst, nach Abschaffung gewisser Grundsätze, die der heilige Stuhl stets gemißbilligt, die Kirche Gottes frei erstehen werde. Solche Sprache und Gesinnung — wie schön zeichnet sie den Statthalter Dessen aus, Der die allgemeine Weltempörung unseres sündigen Geschlechtes durch sein Liebesopscr am Kreuze überwältigt hat — den Nachfolger Petri, von dem der Herr eine größere Hirtenliebe gefordert — das Oberhaupt der Kirche, die — als Grundfeste der Wahrheit und als göttliches Institut der Liebe — von ihrem Bräutigam mit den Worten gepriesen wird: »Wie schön bist du, meine Freundin! wie schön bist du! Deine Augen sind Taubenangen;« (Hohel. 4, 1.) und an einer anderen Stelle: »Du hast mein Herz verwundet, meine Schwester und Braut, mit Einem deiner Augen!« (Hohel. 4, 9.) Obwohl nämlich die Braut des Herrn — die Mutter und Erzieherin der Völker — bei aller Taubeneinfalt auch den durchdringenden Scharfblick der Weisheit haben muß, so ist cs doch vorzugsweise das freundliche Auge ihrer Liebe, womit sie die Herzen der Menschenkinder gefangen nimmt, nach dem bewährten Psalmesspruch: »Kommt die Sanft-muth über uns, so werden wir gebessert«. (Pf. 89, 10.) Mit solchen Augen — mächtig leuchtend im Feuer jener Flammenzungen des ersten Pfingstfestes, aber auch mild erglänzend in der Glut der Liebe, jener Liebe, die nicht sich, sondern das Heil der Großen und Kleinen sucht, trat am 7.Mai d. I. Oesterreichs Episkopat znm kaiserlichen Throne hin, ein neues Band der Freundschaft zwischen Kirche und Reich anzuknüpfen. O, das war ein feierlicher hocherhabener Moment, als so viele durch Verdienst und Amt und Alter ehrwürdige Kirchensürsten um den Monarchen sich versammelten, und als treue Unterthanen und Staatsbürger ohne Säumen den Ausdruck ihrer Huldigung zu den Stufen des Thrones niederlegten, wohl wissend und laut bekennend, daß man nach Christi Lehre (Matth. 22.) dem Kaiser geben müsse, was des Kaisers ist. Aber der höhere Zweck ihres Erscheinens war, im Namen der Kirche — der Kirche das Wort zu reden, und dem mächtigen Herrscher, der zugleich ihr geliebter Sohn ist, ihre gerechten Wünsche ans Herz zu legen, auf daß auch Gott gegeben werde, was Gottes ist. Von diesem Gesichtspunkte, den die Adresse des Episkopates unverkennbar andeutet, ist seine Versammlung vor dem Throne — eine Gesandtschaft Christi — seine Stimme eine Mahnung Gottes, der durch seine Stellvertreter spricht (2. Kor. 5, 20.) — im großen Kreise dieser Ober-Hirten steht auch Einer, Den das leibliche Auge nicht gewahrt, Den die Welt nicht kennt — unsichtbar, doch ganz gewiß zugegen in der Mitte Seiner Diener steht Er — der hehre Gottes- und Menschensohn, Jesus Christus — Derjenige, der zu seinen Aposteln gesagt: »Wie mich der Vater gesendet hat, so sende Ich euch«, (Joh. 20, 21.) -- Derjenige, der in voller Wahrheit von sich selbst bezeugt: »Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden«, (Matth. 28, 18.) — Derjenige, der in der Offenbarung (19, 16.) »der König der Könige, der Herr der Herrschenden« genannt wird. Eine solche Versammlung vor dem Throne — mit solcher Macht und Sendung — iu solcher Angelegenheit, die das Herz von dreißig Millionen Katholiken aufs empfindlichste berührt — wann hat Oesterreich sic je geschaut? i- O mein vielgeliebtes Vaterland! Fühlst du die ganze Bedeutung dieses zwar schnell vorübergehenden Actes, der aber, wie alles Zeitliche, eine Aussaat für die Zukunft in sich birgt? Fürwahr! die Stunde, wo der hochwürdige Episkopat vor dem Kaiser stand, und, ob auch in kurzer, allgemeiner Ansprache, die allerhöchste Angelegenheit empfahl, ist mit ihrem ganzen Inhalt cingczcichnct in das Buch der göttlichen Weltregiernng, und lcgt kein unbedeutendes Gewicht in die Wagschale von Oesterreichs Geschicken. Die Kirche hat in der Person des Epiöcopates dem schwerbedrängten Staate die Freundeshand geboten. Den geringsten Schein der Anmassung gegenüber der heut zu Tage so arg mißhandelten weltlichen Autorität vermeidend, und das christliche Priucip dcs Gehorsams in zeitlichen Dingen aufs ehrerbietigste bekennend, hat der hoch-würdigste Episcopat nicht bloß die Absicht einer schroffen Trennung der Kirche vom Staate deutlich desavouirt, sondern auch, eingedenk, daß die Kirche durch Demuth ihrer unveräußerlichen Hoheit uichts vergibt, dieselbe dem »gerechten, wohlwollenden Schutze« dcs Staatsoberhauptes anempfohlen. Gerecht ist dieser Schul; zu nennen, weil cs eine nnlängbare Pflicht der weltlichen Regierung ist, den Unterthanen die ungestörte Befriedigung ihrer religiösen Bedürfnisse zu sichern; wohlwollend, weil die Erfüllung dieser Pflicht nur dann auf entsprechende Weise zu hoffen ist, wenn von der Staatsbehörde — auch als solcher — die Religion gebührend hochgeschätzt und geliebt wird — sic, die einzig feste Grundlage des Staa> tes, die sicherste Garantie der gesellschaftlichen Ordnung uud Gesittung. »Nur die Furcht ist es, schreibt Lak-tantius (de ira Dei c. iü.), welche die Gesell-schaft der Menschen mit einander erhält.« Mit kräftiger Betonung haben die hochwürdigstcn Bischöfe diese Wahrheit ausgesprochen, die nur in unseren Tagen böswillig gelängnet oder ignvrirt, zu allen Zeiten, auch von Heiden klar erkannt und bekannt wurde. »Die erste Angelegenheit des Staates, schreibt Aristoteles (Po-lit. VII. 8.), ist die Religion;« denn durch sie, behaupten Plutarch und Cicero (de legibus II. 6, 7.), ist der Staat mächtiger als durch Festungen. Wenn solches ,S!ob, solche Hochschätzung der Religion aus dem Muude der Heiden tont, wie sollen wir Christen Worte finde», ihre göttliche Kraft geziemend anzupreiseu? Wen darf cs wundern, daß Oesterreichs Herrscher den hohen Beruf der Kirche zum Heile der Völker laut bekennt und die Möglichkeit einer würdigen Erfüllung desselben wünscht? Je vollständiger dieses Bekenntniß Christi von der Höhe des Thrones tönt, desto größer ist auch das Maß des göttlichen Segens, das über Fürsten nnd Uu-tcrthanen sich ergießen wird. Unsere Zeit ist von so eigener Art, daß man, sei es freiwillig oder durch die schreiendsten Thatsachen wie gezwungen, offen und geradezu gestehen muß, es liege nur im Christenthum und in der Kirche Christi, jene Macht, die die menschliche Gesellschaft vor ihrer Auflösung bewahren kann, mit der das schreckliche System des Commuuismus im Bunde mit einer unglaublichen Demoralisation sie bedroht. Ohne Gott und Seine Kirche ist kein wahres Heil, weder hier noch dort: Möchte dieser Satz ein unverletzliches Princip der modernen Staatsweisheit werden! — Fürwahr! vergebens werden die einsichtsvollsten Staatsmänner alle Klugheit aufbieten, wenn nicht auch der Rath des Herrn eingcholt und befolgt wird. Vergebens werden die verschiedenen Stände und bereit Vertreter ihre Kräfte mit dem Monarchen einen, wenn nicht auch des geistlichen Standes Macht und Einfluß geziemend geehrt wird. Vergebens wird man — um mit dem großen König David, dem Manne nach Gottes Herzen, zu reden — auf Schwert und Bogen, auf Wagen und Rosse bauen, es sei denn, daß man auch den Namen des Herrn demüthig anruse und ohne Scheu bekenne, es sei kein anderer Retter. Gedrängt von zahllosen Feindesfchaaren, ungewiß des schwankenden Kriegsglückes, blickt bangen Herzens Kaiser Constantin um sich, suchend, von wannen ihm Rath und Hilfe käme. Sein Auge richtet sich zum Himmel, und siehe! ein strahlendes Kreuz leuchtet ihm vom Firmament entgegen, mit der Inschrift: »In diesem siege!« Er hat gesiegt — der große Constantin — in der Kraft des Kreuzes, uud mit ihm hat auch die Kirche das gräuliche Heidenthum besiegt, Wohlfahrt und Gesittung über das römische Reich verbreitet, auch manche wühlerischen Secteu, dem Christenthum wie der bürgerlichen Ordnung gleich verderblich, mit des Geistes Schwert geschlagen. Wer erinnert sich nicht mit heiliger Frende an das Concil von Nicea, an die dort versammelten Bischöfe und Bekenner — in ihrer Mitte auch Kaiser Constantin — nicht als Herr, sondern als frommer Sohn der Kirche und Beschützer, der in seines Glaubens De-»>uth zu den Vätern sprach: »Ihr seid die Aufseher innerhalb des Gebietes der Kirche; ich aber bin zur Auf- sicht über die äußere Ordnung der Dinge von Gott bestellt. (Euseb. Vita Constant. IV., L5.) — Solche gläubige Gesinnung lebte auch im Herzen Rudolphs vou Habsburg, von dem erzählt wird, daß, als bei seiner Krönungsfeier aus Versehe» der Dienenden der Zepter nicht gefunden ward, der christliche Herrscher schnell ein Crucifir auf dem Altar ergriff und ausnes: -»Das soll mein Zepter sein, ich will keinen ändern!« — O herrliches Vorbild unseres Fürstenhauses! Mit solchem Zepter, der freilich in den Augen einer gotteutfrenidete» Welt nicht mehr gilt, als einst das Schilfrohr in der Hand des dornengekrönten Heilandes, wird unser ritterlicher Kaiser die österreichische Monarchie kräftigen uud verjüngen — sic, die ihren ursprünglichen Glanz, wie die Geschichte zeigt, ihrer -Freundschaft uud Advocatie für die Kirche dankt. Eine solche Advocatie, welche die Braut 2esu Christi/ mit irdischen Prärogativen und vergänglichem Geschmeide ziert, ist wohl dem cigcnthümlichcn Gang der Jetztzeit nicht entsprechend; und der »gerechte, wohlwollende Schutz,« den die Kirche anspricht, ist kaum etwas Anderes, als die vollkommene Sicherung jener Freiheit, in welcher sic (um mit dcn hochwürdigsten Bischöfen zu sprechen) ihre ganze Thatigkeit nach Vorschrift der Kirchengesetze entfalten, und alle ihre Institutionen für Glauben, Frömmigkeit und Pflichttreue in uubeirrte kraftvolle Wirksamkeit setzen kann. Diese Freiheit ist gewährt; das kaiserliche Wort hat cs abermals verkündet: Die Stellung, die der Kirche gebührt, ist ihr gesichert! Das kleine Wörtlein: ist bezeugt die Aufrichtigkeit und Unabänderlichkeit des Entschlusses, Gott zu geben, was Gottes ist in der Person jener Kirche, die mit eben so großer Redlichkeit nnd Treue versprochen hat, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist. — Was braucht cs mehr der Worte? Nach jenem Gottesgericht des Jahres 1848, »in dessen engem Raume sich eine halbe Weltgeschichte bewegt« — nach solchen Stürmen, mächtig genug, um uns Alle vom Schlafe aufzuschreckeu und zur Thatkräftigkeit der ersten Christen zurückzuführen, muß auch bei uns zur Geltung kommen, was diese von sich bezeugen konnten: Non magna loquimur, sed magna vivimus. (Minul. Fel. in Octavio.) Der Monarch erwartet mit allem Vertrauen das Resultat der mit unsäglicher Mühewaltung gepflogenen Berathnngen der Bischöse, und wird sodann durch die That die hoffende Kirche erfreue». So schaue ich — mit A»gen harmloser Einfalt die bischöfliche Adresse und ihre kaiserliche Beantwortung an, fest vertrauend auf Den, Der die Herzen der Könige wie Wasserbäche lenkt und die Geschicke der Völker in Seiner Haitb trägt. — Um die katholische Kirche überhaupt ist mir nimmer bange; denn sie die auf dem Felsen gegründete — hat die göttliche, untrügliche Verheißung, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwältigt,, werden. — Sollte aber — ich schaudere selbst vor dem Gedanken der Möglichkeit zurück—sollte der Staat, sein eigenes Interesse verkennend, mit jener von Gott und von dem Zeitenlauf geforderten Stellung sich nicht ganz befreunden, die allein die Kirche zn seiner mächtigsten Bundesgenossin machen kann; — dann wäre Niemand mehr zu beklagen, als er selbst; denn es ist durchaus nicht abzusehen, wie der gegenwärtige Geisterkampf, der die Eristenz und Wohlfahrt der bürgerlichen Gesellschaft fürchterlich bedroht, glücklich beendet werden kann ohne die geistige Macht der freien Kirche. Aber mich diese selbst wäre dann für Oesterreich — nicht eine starke Burg, sondern eine wankende, zerklüftende, verwitternde Ruine. — Wir stehen auf einem Scheidewege, ungewiß der Wendung, die die Dinge nehmen werden. So viel aber ist gewiß: »Verderben ist in Gottes Unwillen — Leben nur in Seiner Huld!« (Pf. 20, 6.)l Man kann dieß in physischer und geistiger, in zeitlicher und ewiger Beziehung verstehen; denn ohne Gott und die Kirche ist nimmer irgend ein 5?eil und Leben. Möchten Große und Kleine, Obrigkeiten und Untertanen, Geistliche und Weltliche — nach den vielen öffentlichen Sünden, für welche wir jetzt büßen, zu dem öffentlichen Bekenntniß sich verstehen, daß nur im Kreuze Sieg und Heil ist, wie auch zu feierlichem, allgemeinem Gebete sich vereinigen, auf daß der Herr gnädig herabfehe auf sein Erbe, und die Mauern Sions wieder erbauet werden! Ein solches Bekenntniß — ein solches Gebet würde dem Fanatismus des Unglaubens und der Sittenlosigkeit den echten Enthusiasmus des Glaubens und der Gottseligkeit entgegensetzen, in welchem der Wahlspruch Kaiser Carls des Großen zu unserm Losungsworte im Kampfe, wie im Frieden würde: »Christus herrscht! Christus siegt! Christus triumphirt! vr. Alois Schlör. Wiener K. Z. Feierliche Kinder-Coniinnnion in Fünfkirchen am weißen Sonntage 1849. Die Kinder, welche das erste Mal zum Tisch des Herrn gehen, versammeln sich am Vorabend nach 5 Uhr im Gymnasial-Gebäudc und begeben sich, gehörig geordnet, betend in die Stadtpfarrkirche, und legen nach andächtig verrichtetem gemeinsamen Vorbereitungsgebet, und auf die ihnen bevorstehende heilige Handlung, auf den freudenvollsten und wahrhaft schönsten Augenblick ihres Lebens gehörig aufmerksam gemacht, ihre Beicht ab. Nach der Beicht verrichten sie wieder gemeinschaftlich ihr Gebet und werden nach einer kurzen Ermahnung entlassen. Am weißen Sonntag finden sich die Neucom-munikanten (die Mädchen, so viel cs möglich, weiß gekleidet) um 9 Uhr wieder am obbenannten Orte ein, und gehen unter Vortragung ihrer Fahne und des heiligen Kreuzes paarweise um dreiviertel auf 10 Uhr in die Kirche und erwarten alldort in zwei Reihen die An- kunft des hochwürdigsten Obcrhirten, begleiten ihn dann ins Sanctnariuin und treten an ihre Plätze. Beginn des feierlichen Hochamtes. — Nach abgesungenem Evangelium hält der hochw. Bischof eine lange Rede an die Anwesenden und fragt am Schluß derselben feierlich Namens der Kirche die Kinder, ob sie bereit seien die Tausgelübde zu erneuern. Die Neucommuni-kanten antworten »Ja« und folgen unter Absingung folgender zwei Strophen dem Bischof zum Taufstein: 1, Laß uns Kinder zu dir kommen, Jesu, fanftcr Kinderfreund; Wir wollen uns dir verloben Und leben mit dir vereint. Sprich nur, o 3cfu: »ihr seid mein,« Und wir verbleiben gern dein. 2. Wir nahen freudig dem Taufstein, Wo die Seel' neugeboren, Von aller Sünde Makel rein, Für » Himmel wird auserkoren. Sprich nur, o Jesu: »ihr seid mein,« Und wir verbleiben gern dein. Nun antworten die Kinder auf die ihnen durch den hochw. Bischof gestellten Fragen und erneuern dann kuieend de» Taufbnud, der ihnen vom Bischof vorgesprochen wird. Darauf wird ihnen die brennende Kerze gereicht mit der Ermahnung, daß sie im Lichte des Glaubens wandeln rc. wollen. 9frü