Als Manuscript gedruckt. — St. Cyrillus-Buehdruckerei. I ; i. .. : .■ Dom von Marburg. Begrussungen Danksagungen. Gesprochen Dr. Josef Daj ek. Marburg, 1901. Als Manuscript gedruckt. — St. Cyrillus-Buchdruckerei. DS 3^/12)2-H J^lachsfehende {Begrussungen, die nach voUzogener kirchlichen Trauung im Familisnkreisc gesprochen wurden, widmef der J-Urausgeber seinen ehe- maligen jdorern, den wohlgeborenen Jderren Dr. Rudolf "Jertsch und Dr. f^[ax I^eiser. _6)^(5L Ansprache vom 15. April 1901, anlasslieh der Vermahlungsfeier des wohlgeb. Herrn Dr. Rudolf Tertseh, und seiner wohlgeb. Braut, Fr. Mary, geb. Seherbaum. Hochansehnliche Festgaste! 'underlieb klingt der Segens.spruch des Herrn: »Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barraherzigkeit erlangen.« (Matth. 5, 7). Diesen Segensspruch diirfen wir wohl auch den sehr geehrten Neuvermahlten anwunschen. Am 19. Februar 1899 hat namlich der Herr k. k. Statthaltereirath Franz Kankowsky als Commissar der hohen k. k. Regierung im Festsale des furstbischbflichen Palais in Marburg der hochgeehrten Frau Grossmutter der gegenwartigen glucklichen Braut, der hoch- wohlgebornen Frau Frančiška Seherbaum, Dame des Elisabeth- ordens zweiter Classe, das Abzeichen des gedachten Ordens mit folgenden Worten tlberreicht: »Marburg ist nicht arm an tugendhaften und des aller- hochsten Lobes wurdigen Frauen. Vor allem aber wenden sich gegenwartig die Blicke der Bewohner dieser schonen Stadt auf Frau Frančiška Seherbaum, eine gar verdienstvolle Frau, die nicht bloss als Mutter und Hausfrau ein Musterbild ist, die vielmehr auch das Wohlthun als Herzensbedurfnis fuhlt und unentwegt ubt. Kem Armer wird ohne entsprechende -S- 4 -s* helfende Gabe von ihrer Schtvelle fortgewiesen, kein Trostes- bediirftiger entlassen, ohne durch Wort und That aufgerichtet worden zu sein«. Ich bin vollstandig tiberzeugt, dass die hochgeehrte Elisabeth-Ordens-Dame ihren lieben Kindern diesen Geist des Erbarmens mitgetheilt hat, und dass er auch auf das Enkelkind, die eben heimgefiihrte Braut iibergegangen ist. Ich bin sehr gliicklich dariiber, diesem Lobspruche, welcher der sehr geehrten Braut, der Freude und Hoffnung ihrer be- sorgten Eltern und Grosseltern 1 gewidmet worden, einen anderen anreihen zu konnen. Ich habe als ehemaliger Gymnasialprofessor mit meinen lieben Zoglingen recht viel Freude erlebt und gar manchen schonen Characterzug in den jugendlichen Herzen gelesen. Zu diesen edlen Herzens- erquickungen rechne ich auch die erfreuliche Thatsache, dass iiber Fiirsprache des gegemvartigen Herrn Brautigams, dessen gutherziger Vater sich bewogen gefiihlt hat, einen ganz armen und darbenden Studiencollegen seines Sohnes in Verpflegung zu nehmen, und ihn so zu retten vor Siechthum und der un- vermeidlichen Katastrophe, die in Folge mangelhafter Ernahrung eintreten musste. Da also der Stammbaum dieses sehr geehrten Braut- paares beiderseits auf den vornehmsten Adel, den iibernatur- lichen Adel der Kinder Gottes hinweiset, und an den Neu- vermahlten die lieblicliste aller Eigenschaften Gottes, die trostende und helfende Barmherzigkeit so schon erglanzt, des- halb wiederhole ich den eingangs gesprochenen gottlichen Segenswunsch : »Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.« (Matth. 5, 7). Ja, ich hoffe, dass Gottes Segen, an dem alles gelegen ist, das junge Paar iiberall- hin begleiten wird. 1 Herr Karl Scherbaum sen., Dampfmiihlen- und Gutsbesitzer in Marburg, ist unterdessen, am 9. Mai 1901, im Alter von 84 Jahren, ruhig entschlafen, und betheiligte sich am 12. Mai an seinem Trauerbegangnisse geradezu die ganze Stadt. Der Heimgegangene versah auch das Ehren- amt eines Kirchenpropstes der Dom- und Stadtpfarrkirche zu Marburg. »Selig der Mann, welcher fiirchtet den Herrn, in dessen Geboten sich ge- fallt gar sehr . . . Wohlbestellt der Mann, der mildherzig ist und darleiht, vertreten wird er seine Sache im Gerichte ... In ewigem Gedenken wird sein der Gerechte.« Psalm 111, 1. 5. 7. Der Herr Brautigam hat sich das akademische Lehramt eines Oculisten als seinen kunftigen Beruf auserwahlt, und er will mithelfen, dass jene schone Wissenschaft, die sich der armen Augenleidenden annimmt, immer weiter ausgebildet werde. 1 Recht so; denn ein blinder Mann, dass ist in der That ein armer Mann. Moge am Herrn Brautigam zur Wahrheit werden das Schriftwort: »Ehre den Arzt des Nothfalles wegen, denn ihn hat geschaffen der Allerhochste. Von Gott kommt wohl jede Heilung, vom Konige aber erhalt er Belohnung. Des Arztes Wissenschaft erhebet dessen Haupt, und angesichts der Fiirsten wird er geriihmt. Der Allerhochste hat hervorgebracht aus der Erde die Heilmittel, und ein kluger Mann wird diese nicht von sich weisen.« (Sirach 38, 1. 2. 3. 4). Vertrauensvoll kann der Herr Brautigam in die Zukunft blicken, da ihn auf seinem Lebenswege seine heute ihm an- getraute Gemalin begleitet \vird, an der sich erweisen soli das Lob, das der heilige Geist der tugendhaften Frau mit den schon nahezu dreitausend Jahre alten Worten gespendet: »Eine starkmuthige Frau, wer findet sie? Wie von Ferne, ja von den aussersten Enden gekommen, ist ihr Wert. Vertrauen hat auf sie ihres Mannes Herz, und an Gewinn wird es nicht fehlen. Sie erweiset ihm Gutes, und nie Boses, alle Tage ihres Lebens. Sie erwirbt Wolle und Flachs, und arbeitet nach ihrer Hande Kunstfertigkeit. Sie ist gleich einem Kauf- mannsschiffe, welches weither bringt sein Brot. Am fruhesten Morgen steht sie auf, und gibt Zehrung ihren Hausgenossen, und Speise ihren Dienerinnen. Sie beschauet einen Acker und kauft ihn; von ihrer Hande Frucht pflanzt sie einen Wein- garten. Sie gurtet mit Kraft ihre Lenden und starket ihren Arm. Sie versuchte und gewahrte, dass gut sei ihre Ge- schilftigkeit; nicht erlischt des Nachts ihre Leuchte. Ihre Hand legt sie an Wichtiges, und ihre Finger erfassen die Spindel. Ihre Hand offnet sich dem Armen, und ihre Arme breitet sie aus nach dem Diirftigen. Nicht ftirchtet sie fur ihr Haus des Schnees Kalte; denn ihre Hausgenossen alle sind doppelt ge- kleidet. Dečke und Kleid fertigt sie fur sich, Byssus und 1 In einer zu Mahrpurg im Jahre 1243 ausgestellten Seitzerurkunde kommt unter den Zeugen vor — Wolframmus cirurgicus. — J. v. Zaim, Urkundenbuch. II. Graz, 1879. S. 543. -S- 6 ~f* Purpur sind ihr Gewand. Angesehen am Thore ist ihr Mann, wenn er sitzet bei den Rathen des Landes. Leinen fertigt und verkauft sie und Giirtel liefert sie dem Chananaer. Kraft und Anmuth sind ihr Gewand, und lachen wird sie am letzten Tage. Ihren Mund offnet sie mit Weisheit, und das Gesetz der Milde ist auf ihrer Zunge. Sie schauet auf ihres Hauses Wege, und Brot geniesst sie nicht in Miissiggang. Ihre Sohne treten auf und preisen sie als die Gliickseligste; auch ihr Mann lobt sie. Viele Tochter haben Reichthum gesammelt; du hast sie alle libertroffen. Triigerisch ist Anmuth und eitel ist Schonheit; eine Frau, die den Herrn fiirchtet, diese wird ge- priesen werden. Theilet ihr zu nach der Frucht ihrer Hande; lobpreisen mogen sie am Thore ihre Werke! (Sprichw. 31, 10 — 31 ). Sie beide Neuvermahlten haben Ihre lieben Eltern geehrt und haben sich bemiiht, ihnen Freude zu bereiten, und diese Freude hat heute den Gipfelpunkt erreicht. Es moge also auch an Ihnen wahr \verden, was im vierten Gebote Gottes gesagt und verheissen wird: »Du solist Vater und Mutter ehren, auf dass du lange lebest und es dir wohlergehe auf Erden «. n Ansprache vom 20. April 1901, anlasslich der Vermahlungsfeier des wohlgeb. Herrn Dr. Max Reiser, k. k. Geriehtsadjunet in Tuffer, und seiner wohlgeb. Braut, Fr. Anna, geb. Halbarth. 1 Hochansehnliche Festgaste! f m das Jahr 1658 stand an der Spitze der Verwaltung der Stadt Marburg der ehrenfeste Stadtrichter Thomas Niederl, welcher dem Rathhause ein hiibsches Olgemalde ver- ehrte, das sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat, und noch gegemvartig eine recht sinnreiche Zierde des Amtszimmers des Herrn Biirgermeisters unserer freundlichen Draustadt bildet. Das Bild stellt Konig Salomon mit seinen Rathen dar, und darunter liest man die Worte: »Es ist ein falsch Gericht, Wo man den Herrn nicht Sowohl als den Knecht richt. Derohalben, o Richter, richt recht, Auf dass nit zu klagen hat Herr oder Knecht.« 2 1 Nach dem urspriinglichen Entwurfe. 2 Dr. R. G. Puff, Marburg in Steiermark. Graz, 1847. I. 91. — In der Seitzer Urkunde vom Jahre 1243, abgedruckt in J. v. Zahn, op. cit. II. 543, kommen nachbenannte Zeugen vor: Chonradus de Mahrpurch plebanus, Ulricus de Mahrpurc, Ulricus scolasticus, Ulricus iudex [Richter] und der bereits genannte WoIframmus cirurgicus. •S- 8 -s- Es gereicht der Stadt Marburg zur nicht geringen Ehre, dass ihr freigewahltes und vom Landesftirsten bestatigtes Oberhaupt bereits dazumal jene richtige Auffassung iiber die vergeltende Gerechtigkeit hatte, welcher das osterreichische Staatsgrundgesetz vom 21. December 1867, R. G. BI. Nr. I42, Art 2, mit den Worten Ausdruck geliehen hat: »Vor dem Gesetze sind alle Staatsbiirger gleich«. Dieser Sinn fur Recht und Billigkeit ist in Marburg nicht ausgestorben, weder beim Herrn, noch beim Knecht, um bei den Ausdrucken vom Jahre 1658 zu verbleiben. Auf einem meiner abendlichen Spaziergange, die ich nach gethaner Arbeit zu machen pfiege, kam ich einst iiber den griinen Rasen ge- schritten, unter welchem unsere lieben Angehorigen von den Miihen ihres Lebens ausruhen. Da sah ich vor einem ge- vvaltigen Marmorkreuze einen reinlich gekleideten, wenn auch allem Anscheine nach nicht wohlhabenden Mann mit den Handen agieren, wie es bei lebhafteren Rednem so gewohnlich ist. Nahergekommen horte ich den Mann beilaufig folgende Worte sprechen: »Ja, das war ein ganzer Mann, ein Ehren- mann vom Scheitel bis zur Sohle, ein gerechter Mann, ein so gerechter Mann, wie ich keinen zweiten je gefunden habe. Er war mir ein giitiger Vorgesetzter; meine Schwachen hat er mit Nachsicht ertragen, meine Arbeiten hat er mir aber grossmiithig gelohnt. Heiliger und gerechter Gott, der du das Gute belohnest und das Bose bestrafest, lass diesen guten und gerechten Herrn in siissem Frieden ruhen!« Da ich den Sprecher in seiner ergreifenden Pietat nicht storen wollte, zog ich mich in aller Stille zuriick. Nachdem aber dieser selbstloseste aller Lobredner, die ich je gehort habe, fortgegangen war, trat ich zum gedachten Denkmal hin, und las auf demselben einen Namen, der mit unserem heutigen frohen Feste in einem innigen Zusammenhange steht, ich las den Namen — Othmar Reiser. Dieser Name bedeutete fur den einsamen Sprecher, der keinen anderen Zeugen zu haben glaubte als nur Gott allein, die verkorperte Gerechtigkeit, gepaart mit liebenswiirdiger Nachsicht und herzgewinnender Milde. Dieses regte mich zu weiteren Nachforschungen an, deren Resultat ich kurz so zusammenfasse. Der selige Herr Othmar Reiser ist am 21. August 1792 zu Kappel im Grossherzogthum Baden geboren worden und erhielt seine Vorbildung in der ftirstlichen Benedictiner-Abtei St. Blasien, wo sein Onkel Rottler Berchtold III. Ftirstabt, und demnaeh auch Territorialherr war. Er fiihlte in sich eine beson- dere Neigung zum Studium des Rechtes und begab sich, nach einem zeitweiligen Ver\veilen in Klagenfurt, nach Graz, wo er das fus absolvierte. Unterdessen war St, Blasien ein Opfer der durch Napoleon I. heraufbeschworenen Wirren geworden, und kam dasselbe durch den Pressburger Frieden vom Jahre I805 an Baden. Im Februar 1806 wurde die Fiirstabtei provisorisch, und im Jahre I807 definitiv aufgehoben. Ftirstabt Berchtold wendete sich mit seinen Ordensbriidern zuerst nach Stift Pyrrhn in Oberosterreich, und von da infolge Allerhochster gnadiger Bewilligung weiland Seiner Majestat Kaiser Franz I. im Jahre 1808 nach St. Paul in Karnten. Als der absolvierte Jurist Othmar Reiser von Graz nach Klagenfurt zur Ablegung der practischen Prtifung reiste, besuchte er unterwegs seinen Onkel, den nunmehrigen Abt von St. Paul. Nachdem sich Othmar Reiser bei der Prtifung und spater in der Verwaltung einer Herrschaft glanzend bewahrt hatte, wtinschte der Abt Berchtold dessen Verwendung zum Nutzen des Stiftes St. Paul. Es ist fiir den strengen Rechtssinn des jungen Verwalters Othmar Reiser bezeichnend, dass er den ihm zugedachten Posten nur dann annehmen zu wollen erklarte, wenn die Bestellung vom gesammten Stiftscapitel genehmigt worden ware. Das Capitel stimmte der Wahl des vorsorglichen Abtes sehr gerne bei, und der erfreuliche wirtschaftliche Aufschwung der scfrvver bedrohten Abtei rechtfertigte das in den neuen Vervvalter gesetzte Vertrauen auf das glanzendste. Als um das Jahre 1820 in-Marburg drei Kammeralgtiter, das jetzige Nasko’sche Haus, Victringhofgasse Nr. 34, 1 das Tattenbach’sche Freihaus Nr. 6 in der Freihausgasse, und das Eckhaus Nr. 20 der Victringhofgasse feilgeboten wurden, kaufte das Stift St. Paul das letztgenannte Object; der stiftliche Verwalter Othmar Reiser aber brachte das benachbarte Haus Nr. 22 im Jahre 1834 kauf- 1 Das siidlich an Nasko grenzende Josef Pelikansche Haus Nr. 30 J st wohl die in der Urkunde vom 6. December 1236 genannte Heimstatte (domus nostra) des hohen Deutschen Ritter Ordens, -fr- 10 —fr* lich an sich. Dieses Object, sowie Nr. 17 und 19 der Victring- hofgasse, Nr. 1 der nach Othmar Reiser sen. benannten Reiser- strasse, und Nr. 33 der Josefstrasse befinden sich gegenwartig in den Handen des hochwohlgebornen Herrn Dr. Othmar Reiser, Ritters des Franz Joseph-Ordens, Hof- und Gerichtsadvocaten in Wien, des wiirdigen Sohnes und Erben des von mir gefeierten Verwalters Othmar Reiser, und begriisse ich denselben hier als besondere Zirde unserer Gesellschaft auf das ehrerbietigste. Bei der Neugestaltung der Verhaltnisse seit dem Jahre 1848bewarb sich der bestverdiente Patrimonial-Verwalter Othmar Reiser um die Stelle eines k. k. Notars, welches Amt er mit soviel Klugheit, aber auch mit solcher Gerechtigkeit und milder Nachsicht verwaltete, dass er sich nicht bloss das Vertrauen seiner Mitbtirger, sondern auch deren besondere Zuneigung und Verehrung erwarb, die ihn endlich auch auf den Biirgermeister- sitz von Marburg berief. Besondere Verdienste erwarb sich Herr Othmar Reiser auch noch um die Verlegung des Sitzes der Fiirstbischdfe von Lavant nach Marburg, und wurde er hiefiir liber Vorschlag des hochseligen Fiirstbischofes Anton Martin von Seiner Heiligkeit Papst Pius IX. durch die Verleihung des St. Gregorius-Ordens ausgezeichnet. Reich an Verdiensten um Staat und Kirche entschlummerte Othmar Reiser zu Mar¬ burg am 15 Janner 1868.. Auf seinem letztem Gange gab ihm auch das hiesige k. k. Staatsgymnasium das Ehrengeleite, um so die dankbare Gesinnung gegen denselben auszudriicken, da die Ausgestaltung dieser Lehranstalt aus einer sechs- zur acht- classigen seinen Bemiihungen zu verdanken ist. Wenn ich als Priester heute des Andenken dieses herr- lichen Mannes hier bei diesem festlichen Anlasse aufgefrischt habe, entsprach ich damit nur einer Pflicht, deren Ubung uns der hi. Weltapostel mit den Worten einscharft: »Uber ali’ dem habet Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit, und der Friede Christi obsiege in euren Herzen . . . und seid dankbar«. (Coloss. 3, 14. 15). Zugleich gedenke ich hier pietatsvoll der hochgeehrten Tochter des seligen Herrn Othmar Reiser, der Frau Antonie Reiser-Friihauf, die mit ihrer klangvollen Stimme so viele Jahre den gottesdienstlichen Gesang in der hiesigen Dom- und Stadt- pfarrkirche in der wirksamsten Weise unterstiitzt hat. Als drei -HI”* 1 1 •-1*' Sprosslinge des Reiserschen Hauses das hiesige Gymnasium frequentierten, hat sie in der liebevollsten Weise an ihnen Mutterstelle vertreten, und so hatte auch ich Gelegenheit die verehrungswurdige Dame kennen und hochachten zu lernen. Am 26. December 1900 ist Frau Reiser-Frtihauf, eine freigebige Trosterin der Armen, tiefbetrauert zur ewigen Ruhe eingegangen. Als der Herr Stiftsverwalter Othmar Reiser zu Marburg sein Gltick begriindet, da wollte er sich desselben nicht allein freuen, sondern er hat seinen jugendlichen Neffen Herrn Matthaus Reiser aus Baden, wo er zu Weilersbach am 30. August 1830 geboren worden war, zu sich nach Marburg eingeladen, und so zu dessen Lebensgliick den Weg gebahnt. Hier in Marburg widmete sich Herr Dr. Matthaus Reiser, gleich seinem Onkel, dem Berufe eines k. k. Notars, wurde durch das Vertrauen seiner Mitbiirger ebenfalls auf den Biirgermeisterstuhl von Marburg berufen, in welcher Eigenschaft er sich als ein vor- ziiglicher Freund der Kunste und Wissenschaften erwies. Unter ihm wurde durch den Opfersinn. der Stadt Marburg die imposante k. k. Staats-Oberrealschule am Tegetthoffplatze er- baut, in deren Schlussstein bei der am 2. October 1873 er- folgten Eroffnung nebst den Urkunden auch sein sprechendes Bildnis mit der hohen lichtumtlossenen Štirne eingeschlossen wurde. Unter Biirgermeister Dr. Matthaus Reiser, dem biederen Vater unseres gegenwartigen sehr geehrten Herrn Brautigams, Dr. Max Reiser, hielt der historische Verein fiir Steiermark im Jahre 1876 in Marburg eine glanzende Wanderversammlung ab, und des Herrn Biirgermeisters besorgte, sehr geehrte Gemalin, Frau Ida Reiser, geb. Puchelt hat beim nachmittagigen Ausfluge auf den Calvarienberg in freundlichster Weise die Hausfrau ge- macht, und die Festgaste reichlich bewirtet; damals habe auch ich des Reiserschen Hauses wohlbekannte Gastfreundschaft genossen. Herr Biirgermeister Dr. Matthaus Reiser wurde fiir sein gemeinniitziges selbstloses Wirken durch Verleihung des Titels eines kaiserlichen Rathes, und des kaiserlich-osterreichischen Franz-Joseph-Ordens ausgezeichnet, und beschloss seine Tage am 27. December 1895. Sein Sohn, Herr Dr. Max Reiser, hat sich nach der Familientradition und nach eigener Neigung ebenfalls dem H5- 12 -8- Studium des Rechtes zugewandt, und ist, im Jahre 1874 ge- boren, bereits k. k. Gerichtsadjunct, und feiert heute zu unser Aller grossen Freude seinen Ehrentag. Der Herr Brautigam ist, das kann ich schon sagen, nicht bloss durch das Gebliit, sondern auch durch vornehme Gesinnung und durch sein offenes gerades Wesen, mit den bereits genannten verdienstvollen Mannern aus dem Geschlechte Reiser verwandt, und wiinschen wir ihm einen ebenso ehrenvollen Lebenslauf, wie er seinen sehr geehrten Vorgangern beschieden war. Von dieser sehr geehrten Familie gilt wohl auch das Wort der heiligen Schrift: »Der Greise Kronen sind Kindeskinder, und der Sohne Ruhm sind ihre Vater.« (Sprichw. 17, 6). Ich habe als Diener Gottes diesen heute in der Dom- und Stadtpfarrkirche geschlossenen Bund im Namen des Herrn gesegnet, und mir ziemt es, meine Ansprache auch vorztiglich mit dem Worte Gottes zu wiirzen. Lassen Sie mich deshalb zum Schlusse noch liber eine beriihmte Vermalungsfeier be- richten, welcher der gottliche Heiland selbst beiwohnte. Es heifit da: »Am dritten Tage war eine Hochzeit zu Kana in Galilaaundes war die Mutter Jesu dort. Geladen war aber auch Jesus und seine Jiinger zu der Hochzeit. Und da es an Wein fehlte, sagte die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein. Und Jesus sagte zu ihr: ... noch nicht ist gekommen meine Stunde. Da sagte seine Mutter zu denDienern: Was er euch sagen wird, thuet! Es waren aber dort sechs steinerne Kriige hingestellt . . . Da sagte ihnen Jesus: Ftillet die Kriige mit Wasser! Und sie ftillten selbe bis oben. Und Jesus sagte zu ihnen: Schopfet jetzt und bringet es dem Speisemeister. Sowie der Speisemeister das zu Wein gewordene Wasser ge- kostet hatte und nicht wusste, woher es ware, ... da rief er den Brautigam und sagte zu ihm: Jedermann setzt zuerst den guten Wein auf, und wenn sie genug getrunken haben, den geringeren; du aber hast den guten Wein verspart bis jetzt.« (Joh. 2, 1 — 10). Es zeigt sich hier in dieser Begebenheit, wie es so im Plane Gottes gelegen, dass neben dem der Wissenschaft und dem Kainpfe ums Recht nachgehenden Manne, wie ein solcher auch der Herr Brautigam ist, das Frauenherz, dieses Symbol der Milde und erbarmungsvollen Giite, klugen Sinnes walte, -I- 13 -s- damit, wo es nur thunlich ist, nachdem dem Rechte geniigt worden, auch die Milde walte. In diesem heute feierlich geschlossenen Ehebunde haben sich zwei sehr angesehene Familienkreise Marburgs die Hand gereicht, und ich wunsche es nicht bloss, nein ich bete darum, dass Gott diesen Bund reichlich segne; an Gottes Segen ist ja alles gelegen. »Wenn der Herr nicht bauet das Haus, arbeiten vergeblich, die es bauen. Wenn der Herr nicht be- wachet die Stadt, bleibt vergeblich munter, der sie bewaehet.« (Psalm 126, 1). Mit Gottes Beistand konnen wir demnach fur das sehr geehrte Brautpaar alles Gute hoffen, weil sich in diesem Herzens- bunde strenger Ernst und zarte Milde zusammen gefunden haben. »Denn, wo das Strenge mit dem Zarten, — Wo Starkes sich und Mildes paarten — Da gibt es einen guten Klang.« (s Meine Danksagung bei der am 5. Februar 1899 erfolgten feierliehen Uber- reiehung des Ordens der eisernen Krone III. Classe, welehe dureh Seine Hoehwohlgeboren, Herrn Franz Kankowsky, k. k. Statthaltereirath, in Gegenwart Seiner furstbisehofl. Gnaden des hoehwurdigsten und hoehgeborenen Herrn Dr. Michael Napotnik, Fiirstbisehof yon Lavant, und des hoehw. Domkapitels im Empfangssalon der furstbisehofl. Residenz zu Marburg um 12Va Uhr vollzogen wurde. Eure fiirstbischofliche Gnaden! Hochzuverehrender Herr Statthaltereirath! Hochvviirdigstes Domkapitel! T s ist ein pythagoreischer Gedanke, dem Plato mit den Worten Ausdruck leiht: tisoč Wi •/■scojj.s^si — Gott con- struiert immerdar. 1 2 3 Was der griechisehe Weise angedeutet, das hat unser gottlicher Heiland klar ausgesprochen, als er nach der Heilung des 38jahrigen Kranken sagte: »Pater meus usque modo ope- ratur, et ego operor. — Mein Vater wirket bis nun; auch ich wirke.« a Ist ja Gott seinem Wesen nach gemass der Lehre des heiligen Thomas Aquinas That, actio. 8 1 Plat. Quaest conv. VIII. 2. 2 Ioan 5, 17. 3 S. Thomae Aquinatis Surama Theologica 1. 2, 2. 55. a. 2 ad 3. ■Hr~* 15 —§*- Das Universum ist sein Werk, nicht bloss der Form, sondern auch dem Wesen nach. »In principio creavit Deus coelum et terram . . . et spiritus Dei ferebatur super aquas. Der Geist Gottes schwebte ordnend iiber den Wassern.« 1 Dieser Geist ist es, der, wie wir im Buche der Weisheit lesen, alles nach Mass, Zahl und Gewicht geordnet hat. - Da ist einmal das Naturgesetz, die Ananke der Griechen, welche jtc f/tzefta: tc]> die physische Kraft, welche den 7.6'iij.oc umspannt. 3 Von dieser Ananke ist aber unterschieden die sijiafjjivKj, das Geschick, das VVeltgesetz. 4 Die stjiafjjLŽvTj hat zum Gegenstande die Zusammenstimmung, die Harmonie des Weltganzen. Davon hatten auch die Denker von Hellas eine gewisse Vorstellung, wie dieses aus Plato zu ersehen: »Es sagen die Weisen, dass Himmel und Erde, Gotter und Menschen zusammenhalte Gemeinschaft und Liebe, Ordnung und Selbstbescheidung und Gerechtigkeh; rijv zotvoviav ci)vsy_č'.v zal tpOd av zal zoajuonjta zat aaupfroabvrjv, zal Sizaior/jta, und sie nennen das Ganze darum Kosmos.« 3 Die gesetzliche, sittliche Ordnung, nach der wir uns be- scheiden sollen, ist aber Gottes Ordnung, und das Sittliche, Stzaiov, von Natur,