F?^, MA/ ^<^^F/5 ^S5 ^. ^.^ ^ Dcutsch-Afrika und seine Nachbarn im schwalben Erdteil. ßine Rundreise in abgerundeten Haturschildcrnngcn, öiltcnsccncn inid ethnographischen Charakterbildern. Nach den neuesten und bellen Huellen, sliv Fmlutie ün grciglnphisilien Wiftuftlaf! und der MMlckcstrclNMW. s^n'il' nir dm lulleren Unterricht. ^'011 l)»-. Zstljannes Naumgarten, Mitglied des .^oloiiialv^v>in0, Nme^?^wi?l^!?ir?3^?^!> l. ,^>, Zweite, bii> aus die ncurstr ^eit crssiinNe Ausssnlie. 'Niit ein^r Klivtc von Deutsch'M'ila. Merlin 18!)«. Ferd. Dümmlcrs Vcrla^t'liu(l!l)li!idlnn^. „Zeutsch - Mika' wnrtu' von cilk'u d^'r,^ol0nialbcwcglU!^ qiiustil^'n ^eitnlil^'i! mid Zcil-schrift^l. sl,nvic von dm mciswi päda^l.i^ischc!t ^lättcril „iii vi^lcr An-cv^nilliii^ anfi^'iioiiuiu'ii. ^ir >i^n unter di^'scn kritischem Vc-spn'chniM» honnn'i Zeitschrift für Gymuasialwcscn. 1^^ Hcst V. Ticses chrcsthoniatisch zusammenstellende Wort wird manchem Lehrer der Geographie willkommen sei», Tonn es ist wahrlich nicht leicht, sich allo Veröffentlichungen über die Hiolonieen des deutschen Neichs zu verschaffen, unter dcnelt doch dic afritaitischen ait Niüfang lind mirtschmlücher Bedelttnng norlin» stehen, Anderrrsrits ist es Pflicht nnsevor schulen, ein tllirrs Verständnis uon diesen Reichsschnygeuietcn llnd ilnon Vemolinern zll erwecken, mich tomnit diei'cm Bestreben der von keiner polilisliien Parieisllcht angekränkelte frische Enthusias-mn^ unserer 3chuljngcnd für „Ulimernn", ja sells' für das nicht gerade an sich Vegemermn'; zündende „Angra Peqlicna" ermln'im^nili^ig recht sehr entgegen. Das vorliegende Auch erüffnet deol Lehrer rino reiche ^äzahgrube, ans ivolcher er znr Belebung seines Unterrichts ülier Afrika guten Quellen entlehnte Schilderungen schöpfen mag, A. Kirch Hufs. L'Afriqiiß exploree et civilisße. GenAvc. Mai 1888. .... oo. livro esfc reiligo d'apre« les sourics les plus nouvelles. II sera goute ])ai: hi jomiesso ofc utilise par los instituteurs (|ui y trouvoront cle noinbreuses lectuifs pour leurs v. ,<>ill.'l'l'Schleiden, der detannle ,^olonialpol!lüor, dezeichnel l,ier dioso<> Wcr! a!> ^in Vehrdnch für das Kolonialgediet, welches wir in Afrika zn lie-arbeiten in Angriff genommen Haben, ein Hammelwerk ^'on,p«n<>), ivelclies allen denen, die si^I, über dieses ,^nilnrgebiet unterrichten wollen, in anbellender und doch zugleich wissenschaftlich authentischer ^orm alles bietet, was zu wissen nötig oder wünschenswert ist .., Wir können nicht nnterlassen, dasselbe allen Beteiligten sonwl,! ',um Umbrich!!.' N'ie .^ur PrivlUlcliiirc 'N empfehlen. Tic Nordd. Allsscmciuc Zcilunss vo»n 4. Toz. 38^1. „Tas Werk ist vollkommen ^eignei, da,;u beizutragen, die ethnographische und geographische ,Nennlni<' unsri^i- afrikanischen,uolonieen in weiteren Kreisen der Gebildeten zn verbreiten lind dürfte dal,er uon allen, ivclche die umfangreichen O.ncllcnwerle wegen Zeitmangels nicht stndirren können, sehr willkommen geln'is^'n nn'rden, 3a>o Muscliiu süv Viilfcrktindc (1<^. Tcz.) und vi^lc audcrr Z».'itschristcn, auä, i'^^olo^ischr, ln'bm cbmlso dic vorzüglich qciväl»ltc>l, Hmrcichmd cvslliöpfrudcil ^childcrlin^on unscrcc' ^'soiüirii >lolm',N!l!,n' Deutsch-Asrilm und seme Nachbarn im schwarzen Erdteil. Oine Ilundreise in abgerundeten liaturschilderungen, Kitlenscencn und ethnographischen (Charakterbildern. Dach den neuesten und ßeftcn chucllen, Freunde der WMMsciM Wi^nschllft M der KolcimllltiestrchiWen. sowie für den höheren Unterricht. Von lli-. Johannes Itanmgarten, Mitglied deß Kolonialvcrcwß, Rttlev bcs roten Adlerordcus 4. Kl. Zweite, biö ans die neueste Zeit ergänzte Ausgabe. Mit einer Karte twn Deutsch-Afrika. V <5» T^. i^ <^ Merlin 1800. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung. Alle Rechte vorbehalten. Vorwort M ersten Huflage. Bis vor einigen Jahren haben die zahlreichen deutschen For-fchnngsreiscnden ^id Missionare, welche auf dem afrikanischen Kontinente und in den anderen überseeischen Gebieten nntcr unsäglichen Mühen und Gefahren für Wissenschaft und Kultur arbeiteten, fast ausschließlich die Ausdehnung der britischen Weltmacht gefördert, die ihren Kolonialbesitz jedes Jahr erweiterte und einen ungeheuren, immer steigenden Gewinn daraus Zog. Während England riesige Kapitalien iu seinen Kolonicen anlegte uud durchschnittlich jährlich 75l> Millionen Mark Zinsen daraus erhielt, während es auf alleu Punkten der Erde seine Handelsoperationen vervielfältigte, aus seinen zahlreichen Kolonieen ganz Europa mit Rohstoffen versorgte, die ganze Welt mit den Produkten seiner Industrie überschwemmte und mit einer Damftferflotte, die uoch heute zehnmal zahlreicher ist, als die deutsche (I^5^71 Tonnen — 57!> deutsche mit s>54 514 Tonnen), den ganzen Sechandel an sich zu reihen drohte, begnügten sich die Deutschen mit dem akademischen Vergnügen der Erweiterung der geographischen Kenntnisse und mit einem kümmerlichen Anteil am Welthandel, der zu der Größe und Bildungsstufe der Nation in keinem Verhältnis stand uud obendrein von dem herablassend bewilligten, nicht immer sichern Schutz der Engländer und Franzosen abhing. Es dauerte lange, bis uusere Gelehrten, uuscre Politiker uud Nationalö'konomcn endlich aus den Lehren des rastlosen, entsetzlichen, internationalen Konkurrenzkampfes in Handel und Industrie die sozusagen mathematische Überzeugung schöpften, daß gegenwärtig eine bloße Kontinentalmacht ohne eigene Kolunieen auf die Dauer nicht existenzfähig ist, daß eine Nation, die sich für ihre Industrie die Rohstoffe, für die übermäßig wachsende Bevölkerung in jährlich steigenden Verhältnissen die Nahrungs- und Genußmittel vom Auslande zuführen läßt, ohne daß letzteres, das IV Vorwort zur ersten Aliftage, selbst eine übermächtige Industrie besitzt, ein genügendes Äqnivalent an Indnstrieprudnkten dagegen abnimmt, allmählich, wie Hindustan, der Verarmung entgegengeht und jedenfalls seine politische Unabhängigkeit nicht behaupten kann. Als endlich diese Überzeugung bei den maßgebenden Stellen feststand, trat zur Überraschung des Auslandes und anfangs zn nicht geringem Ärger nnserer kosmopolitischen Tränmer die dentsche Ku' lonialpolitik, durch die Reichskanzlei energisch gefördert, praktisch ins Leben und stellte in kanm drei Jahren eine Reihe von Kolonialgebieten in Afrika uud Melanesien, dereu Gesamtareal an Umfang <;<»<»<><) deutsche Quadratmeilen weit übersteigt, unter den Schntz der deutscheu Rcichoflagge, sicherte dieseu Besitz durch Verträge mit England, Frankreich nnd Portugal und eröffnete so den nationalen Spannkräften cin weites, für Jahrhunderte ausreichendes Feld der Thätigkeit. Mit diefer großartigen welthistorischen Thatfache ist das Deutsche Reich auf eine feiner Machtstellung würdige Weise in die Reihe der Weltmächte mit überseeischem Länderbcsitz getreten. Als nach der (Entdeckung Amerikas England und die rumänischen Nationen sich mit Eifer und großartigen Erfolgen auf den über secischen Handel warfen, blieb Deutschland, durch die Kurzsichtigkeit der Hansastädte nnd dnrch seine politische Zersplitterung gelähmt, mit verderblicher Teilnahmlosigkeit in den alten kontinentalen Gleisen stehen nud bereitete jenen wirtschaftlichen Rückgang vor, der Deutschland als Handelsvull mehr nnd mehr hinter England nnd Frankreich zurücksetzte nnd schließlich in unserm Iahrhnndert den größten Teil der deutschen Sechandelsflotte für gntcn Frachtlohn definitiv in den Dienst des englischen Importes zn stellen drohte. Wir stehen an einem ähnlichen Wendcpnnkt unserer Geschichte wie um I,',^', bei dem es sich doch noch weit mehr nm die politische Unabhängigkeit nnd den wirtschaftlichen Wohlstand der Kation handelt. Aber das hcntige Geschlecht, das Kaiserliche Deutschland, wird hoffentlich den welthistorischen Moment nicht verpassen: nnsere zahlreichen geographischen Gesellschaften, Kolonial- nnd Exportvereine haben wenigstens in einem bedeutenden Teil der Gebildeten so viel weltwirtschaftliches Verständnis verbreitet, fu viel Teilnahme für Welthandels- und Kolonialdinge geweckt, daß ein Rückschritt nicht mehr zu befürchten ist. Allerdings darf die Thatkraft, die Arbcits' uud Unlernchmungolust keinen Augenblick erlahmen^ denn jeder Stillstand in der Konkurrenz der Kulturvölker ist eine Niederlage. Vorwort zur ersten Auflage. V Die jetzige Generation hat daher patriotische Pflichten zu erfüllen und Anfgabcn zu lösen, welche für die ganze Zukunft des Deutschen Volkes entscheidend werden müssen. Sie hat zunächst das bloße Verständnis weltwirtschaftlicher Tinge zn vertiefen und daraus, wie die Engländer, zn festen Überzeugungen zn gelangen, welche gegen alle Parteileidcnschaften sich nnverrückt behanptcn nnd vor politischen Abenteuern wie vor staatsökouomischen Mißgriffen bewahren; sie hat die neugewonnenen Arbeitsfelder für unsere Kinder nnd Enkel vorzubereiten, die stets langsamen und schwierigen Anfänge der Kulti-vation zn wachen und Selbstlosigkeit zn üben, indem sie nicht von vornehercin auf rasche Gewinne spekuliert oder den Nachkommen durch Ranbwirtschaft in Handel und Bodenausbeutung die Ernten der Zukunft vorwegnimmt. In einzelnen Ständen Deutschlands, von denen nur einer erwähnt werden mag, ist leider noch immer ein Mangel an reger Teilnahme für Kolonial- uud Welthandelsdinge vorhanden, der einem von Kindesbeinen au damit beschäftigten Engländer ganz unverständlich erscheinen muß. Während der englische, holländische, ja selbst der französische Kapitalist nnd Rentner sich an ausländischen Untcrnehmnugen reichlich beteiligt nnd dadurch das Nationalvermögen steigt (in Holland beträgt es pro Kopf 5iC00 Mk., in Euglaud 4>^0, in Frankreich 435)0, in Deutschland 2700), läßt der Deutsche im allgemeinen sich in kein Unternehmen ein, dessen Coupon er nicht sofort abschneiden kann. Als es galt, das Niger- und Benuegebiet für England zn erwerben, fanden sich in eiuigen Tagen Kapitalisten, die ^<» Millionen zusammenschössen, nm den ssranzosen ihre .'>() Faktoreien dort abzukaufen. Die kleinen französischen Rentner sind zahlreich am Suezkanal, sowie an einer ganzen Ncihe überseeischer Bauteu beteiligt, die ihueu 1«;—1« v(5t. Dividenden abwerfen. Engländer nnd Franzosen erwarten uicht, wie die überklugen Teutschen, daß man ihnen von überseeischen Uuternehmnngen die Gewinne sogleich auf ciuem Präsentierteller entgegenbringe. Der Mangel au UutermehmnugÄnst steht anch hier, wie sich in Frankreich handgreiflich gezeigt hat, in engster Beziehung zur Unkenntnis von Kolonial- nnd Wclthaudelsdingen. Die Hebung der geographischen Studien in Frankreich seit 1^71 führte znnächst zu einer regeren nnd umfangreicheren Teilnahme an Kolonialuuterneh-mungcn nnd Forschungsreisen, daun zur Gründung von nicht weniger als 5>^ Haudelsmnseen mit Ez'portschnlen und schließlich zn einer VI Vorwort zur crstcü Auflage. nicht unbedeutenden Steigerung des französischen Seehandels. Nun beweist die oben gerügte Teilnahmlosigkeit für nnscre eigenen Kolo-nieen, daß manche sogenannte Gebildete von Miseren so hochstehenden geographischen Studien, von den vorzüglichen Leistungen unserer Geographen und Forschnngsrciscndcn weniger berührt worden sind, als es zum Gedeihen unserer Kolonialbewcgnng erforderlich wäre. Sie stehen dnrch ihre Erziehung und althergebrachte Praxis den Forderungen der Nenzeit fremd nnd abwehrend gegenüber und werden sich hierin erst nach gewonnener besseren Einsicht ändern. Aus dem Vorstehenden wird man die Überzeugungen und Beweggründe kennen lernen, welche mich zu der Zusammenstellung des vorliegenden Werkes veranlaßten. Ich will zunächst die geographische und ethnographische Kenntnis nnfercr afrikanischen Kolonialgebiete in weitere Kreise der Gebildeten verbreiten, welche die umfangreichen Quelleuwerke zu lesen, weder Lust uoch Zeit habeu: ich will ferner durch eine Rundreise in Afrika, welche vor allein in prägnanten Darstellungen Sitten, Charaktereigenschaften und Geistesverfassung der Eingeborenen vor die Angen führt, dazn beitragen, in jenen Kreisen dauerndes Interesse für Geographie anzuregen und zu befestigen; ich will schließlich unseren höheren Schnlen passeudc, abgerundete Stoffe für den Unterricht nnd die Privatlektüre bieten nnd in uuscrcr Jugend eine lebendige Teilnahme für die weitere Entwickelung uuscrcr überseeischen Schutzgebiete wecken. Man brancht nur einen Vlick auf das Inhaltsverzeichnis zu werfen, so wird man erkennen, daß es im ganzen Eharakter des Buches liegt, ans dem Leben nnd Treiben der afrikanischen Völker manches Interessante und Charakteristische, welches mau in größeren streng wissenschaftlichen Werken vergebens snchcn wird, znr Kenntnisnahme zu bringen. Photographien des wirklichen Lebens sind aber für große Leserkreise wertvoller als abstrakte wissenschaftliche Darstellungen, was wir Dentschen leider noch zu oft vergessen. In dieser Bezichuug ist mein eigener Anteil am Buche dnrch eine Reihe von selbständigen Auf-sätzen, Überarbeitungen nnd Übersetzungen aus ausländischen Quellen nicht unbedeutend. Ich bitte meiue Kritiker dabei nicht zu vergessen, daß ich weniger wissenschaftliche Lcistnngen, als populäres Verständnis nud bcsouderö geistige Anregung und Weckung des Interesses für Geographie und Ethnographie im Angc hatte. Selbstverständlich mußte ich zur Schilderung uuserer Kolonieen nnr die Darstellungen der zuverlässigsten Augenzeugen nnd Forschungsreisenden heranziehen. Vorwurt zur ersten Auflasse. VII Der Leser soil daraus klare, bestimmte, positive Begriffe, keine irreführenden Phantasiebilder gewinnen. Ta ich mit vollständiger Vorurteilslosigkeit, die nationalen Interessen stets im Auge behaltend, zu Werke gegangen bin, so habe ich mich durch die entgegenstehende Mcinnng einiger sonst hochverdienten Forscher nicht abhalten lassen, die Sache der Deutschen Mission in mehreren Darstellungen entschieden zn vertreten. Selbst wenn religiöse Gründe, selbst wenn die .Rücksicht ans die hohe Knlturanf-gabe Deutschlands in seinen Kolonialgebieten nicht dafür sprächen, so müßte dieses dennoch die Erwägung der Thatsache thnn, daß die überraschend lebhafte Teilnahme weiter Volksschichten für unsere Kolonieen dnrch die fortwährende Anregung, welche die Kenntnisnahme der Missionsarbeiten zn Wege brachten, vorbereitet wnrde, nnd daß auch in Zukunft sür einen großen Teil nnsercs Volkes die Missionothätigleit noch lange eine breitere Grundlage reger Teilnahme von Francois, Uon Puttkamcr (2 Reisen), Oi'. Wicke und I^i-. Wolf in, Jahre 1585 haben die Märe von der undurchdringlichen, meist unfruchtbaren Wildnis im Hinterlandc der Togoküste und der Wcrtlosigkeit der ganzen Kolonie gründlich beseitigt und heransgestellt, daß außer herrlichen, der reichsten Ausbeute harrenden Urwäldern viele Landschaften einen äußerst fruchtbaren Boden besilM, der jährlich zwei Ernten liefert und den lohnendsten 'Anbau aller wertvollen tropischen Pflanzen gestattet. Ans parkähnlichen Banmsavannen leben in zahllosen Dörfchen und Gehöften die fleißigen ackerbautreibenden Ewe-Neger, die unseren Kolonisten als Arbeiter gern und billig (täglich ca. V- Mk.) die besten Dienste leisten. (Siehe 1)i-. Freiherr von Danckelmann Mitteilungen von Forschungsreisendeu uud Gelehrten ans den deutschen Schutzgebieten. 5 Hefte. 1868—8!).) vi-. Wolf hat das Verdienst, im Mai 1855 das AdelüLand (8° n. Br.) erreicht und dort auf dem 7M ni hohen Adado-Berge die Station Äismarcksbnrg angelegt zu haben, die später durch den Bau eines Forts eine erhöhte Bedenlnng erhielt, namentlich in Bezug auf das nahe unruhige Dahomeh. Die Lage der Station macht sie zu einem Sauatorinm sehr geeignet. Man stelle sich übrigens unter „Sanatorium" keine kostspielige Anstalt wie in Europa vor. Ein Häuschen mit A-4 Räumen, leicht uud lnftig gebant in gesunder Lage genügt dazn. ^- Über die heutigen Verhältnissen des Togolandes ist höchst lesenswert das Werkchen des Dr. Hcnrui, der znerst die Gebirgslandschaften durchreiste. Wir geben daraus im Anhange eine ebenso charakteristische als ergötzliche Episode: Ein Reisetag im Togulande. Ein „vielgereister Landwirt" Herr Krüger hat gegen I)r. Henrici, mit welchem er die Reise unternahm, eine Anklageschrift wegen Zurücksetzung veröffentlicht (Dr. E. Henrici. Die Togugesellschaft und d. d. Togogebiet. Berlin 188V). Aus einem Vergleiche beider Schriften dürfte fich ergeben, daß Dr. Hcnrici, trotz des ihm vorgeworfenen Schulmeistertums, ein Fenerlovf ist, wie wir deren noch recht viele nötig hätten, und daß Feuer und Wasser nicht zusammen passen. Togoland hat seit dem 1. Oktober 1558 dieselben Rechtsverhältnisse wie Kamerun. Es hat ein Gericht erster Instanz; das Be- Togolcind. - XI rufungsgericht für beide Gebiete ist jedoch in Kamerun, dessen Gouverneur auch über die Todesstrafe entscheidet. Ein preußischer Feldwebel hat eine Anzahl Eingeborener als schwarze Karde zum Polizeidienst ausgebildet. Unter dem hochverdienten Kaiserlichen Kommissar Herrn von Putlkamer hat der Handel (Einfuhr über :j Millionen Mark) bedeutend zugenommen und die Einfuhrzölle decken beinahe ganz die Vcrwaltnngskosten, die nicht groß sind, da die Regierung nnr aus dem Kaiserlichen Kommissar, einem Sekretär und einem Zollverwalter besteht. Die Verhältnisse zu den Eingeborenen haben sich so freundlich gestaltet, daß sogar ein einheimischer König zum Kaiserlichen Beamten eines Verwaltungsbezirkes ernannt worden ist. Die Fahrt von Hamburg aus dauert 30 Tage und lostet 1. Kajüte 5>r. Zintgraff, Premier-licntcnant Kund, der bis Adamaa vordrang, und Tappenbeck, Dr. Weißenborn nnd Braun (1887—88). Dr. Zintgraff umging iu zwei getrennten Teilen das Kamcrnngebirge von Westcu nach Osten, erreichte den Elefantensec und errichtete an dessen Südnfer die Barumbi-Station. Die Expedition Kund machte den ersten Vorstoß XIV Kamerun, in Groß-Batanga im Oktober 16«7, den Zweiten vom 7. November 188? bis März l«,^. Die geographischen Ergebnisse waren höchst wichtig. Es wurde zunächst das Nätsel des „großen Ndjong", der für einen Nebenfluß des Kongo gehalten wurde, gelost. Am 1!1. Januar Ik.^ erreichten die deutschen Forscher in einer Höhe von 5l><) m und in einer Entfernung von mehr als 3W km von der Küste den großen Ndjong, welcher mit einer recht bedeutenden Wassermasse nicht nach Osten, sondern nach Westen strömte. Der große Ndjong oder Zcwnaya, wie ihn die Eingeborenen nennen, ist ein weit ans dem Innern Afrikas, aus Adamaua kommender Strom, der zwar auf der Stelle, wo Kund anf ihn traf, bei 4,) Tie entdeckten Flußlänsc werden eine Ausdehnung des Kamernnhandels, ohne Bcnnhnng dcö Venne, auf direktciu Wege nach dem Sudan über Adamaua gestatten; die weiten Ländcrgebiete, welche bisher europäische Produkte lediglich durch mohammedanische Händler vom Vennc erhielten, werden dieselben in Znlnnft auch von Kamcrnn aus über den Zünnayaflnß erhalten, dessen Ufer die Mohammedaner bereits besuchen. d) Die Ausschließung des dcntschen Kamerungebieteö von der Handelsstraße des Vcnne auf eiuer Lauge von mehr als ^>>o km durch die Engländer wird die meisten Nachteile für die Entwickelung unserer Kolonie verlieren, wenn einmal der Haudelsweg nach Adamaua über den Ztmnaya hergestellt sein wird. Hierin erkennen anch die neuesten Forschungsreiscudcn nud Sachkenner eines der Hanvt-ziele, die für Kamerun sobald wie möglich zu erstreben sind. ES schließt das nicht ans, daß der Nersnch gemacht werden könnte, anf gütlichem Wege von England eine Ncktifizieruug der westlichen und nördlichen Grenzen unserer dortigen Interessensphäre zu erwirken. Dic Grenzlinie sollte nicht die bisherige nebelhafte, geographisch nn-sichere und je nach den verschiedenen Karten des Alt-Kalabar zum großen Nachteil nnd Schmälernng des deutschen Gebietes gezeichnete Linie behalten, souderu naturgemäß das linke Ufer des Alt-Kaladar bis Arun und von dort bis Schelm oder wenigstens bis Schiru am Venue gehen. Die dentsche Grenze würde dadnrch kanm u><» km westwärts gerückt und keine großen englischen Interessen schädigen. Die Engländer sollten erwägen, daß das im Entstehen begriffene eng- ") Of. Di-. Frcihcir von Tanckclmcnm. Mitteilungen von Forschungöreisenden nnd Gelehrten aus den deutschen Schichgel'ieten. 1888. 1, Heft. XVI Kamermi, lischc Niger-Benue-Ncich cine viel sicherere Gewähr seines Bestandes und seines ungestörten Ausbaues hat, wenn es einen mächtigen Grenz-nachbarn wie Dentschland hat, mit dem eg brüderlich vereint, dem nicht ausbleibenden Ansturm der cmch in Westafrika über den Niger nnd oberen Venne in stetigem Vorrücken begriffenen mohammedanischen Völlcrmasscn widerstehen kann. Wir gönnen den rastlos und mit unübertroffenem kolonialpolititschem Verständnis in Afrika vorgehenden Engländern ein westafrikanisches, unermeßlich bedeutendes Kolonialreich, das wohl in nicht ferner Znkunft der königlichen Regierung nnterstcllt werden wird, allein wir hegen den nicht nn-billigen Wunsch, daß England mit uns hier und in anderen Ko-lonicen als Frcundnachbar „sicherere" und weniger phantastische Grenzen vereinbaren möge. Überhaupt ist, um küuftigeu Zerwürfnissen vorzubeugen, eine neue definitive Abgrenzung der englischen, französischen nnd deutfcheu Interessensphäre im Niger-Venue gebiet durchaus uötig. Es sei hier noch bemerkt, das; die Qnellengebiete des Alt-Kalabar sowie des Bonny oder Okari, vom letzteren anch der größte Teil des Lanfes noch nncrforscht sind, daß eben dieser Bonny von Reisenden wie Burdo für den Benue gehalten wird, der Daybo nnd Otta gegenüber in drei Armen nach Süden stießt, während der Haupt-lanf westwärts bei Lokoja in den Niger mündet, so daß das untere Stromgebiet des Benuc nnd Niger eine ähnliche Verzweigung der Flußläufe habe wie der (Hanges und Irawaddy. Die evangelische Kamerun-Mission hat bisher mit vielen Hindernissen zu kämpfen gehabt. Seit 1^«6 haben die dentschcu MissionZ-gesellschafteu l2 Missionare znr Besetzung des von den englischen Baptisten verlassenen Missionsgebictcs ausgesandt, von denen bereits 4 gestorben sind. Die Baseler haben 16l> Gemeindcgliedcr nnd 350 Schüler; aber eine kräftige Entwickelung der evangelischen Mission ist aus Mangel an pekuniären Mitteln nicht möglich. Evangelische Missionsniederlassungen sind in Bethel, Tokotodorf, Hickory, Dschibary, Iohn-Akwadorf, Dibombari, Manyamba, Mungo, Vakundn, Viktoria; diese Arbeitsfelder leiden zum teil nnter dem Mangel an Wohnungen, Schulen u. dgl., uwzu die Eingeborenen nur vereinzelt die Kosten haben aufbringen können. Hierfür müssen also die deutschen Misfionsfrcunde reichlichere Mittel herbeischaffen. Nächstdcm wird sich eine starke Konkurrenz der katholischen Mission geltend machen. In dcutscheu katholischen Erziehungs- Kamerml. XVII anstaltcn und Missionsseminaren befinden sich bereits einige Söhne von Häuptlingen nnd kürzlich erhielt einer derselben in Paderborn die Taufe. Wem«, wie gctlagt nn'rd, die früheren Frennde nnd Förderer der evangelischen Mission allmählich abfallen (wie beim Stuttgarter Kamernu-Vercin), so haben die Evangelischen eö sich selbst zuzuschreiben, wenn die thatkräftigen nnd opferbereiten Katholiken ihnen — mit stecht — den Rang ablaufen. Tie Kameruner Land- nnd Plantagen-Gesellschaft. — Es hat sich im Lanfc dieses Jahres eine Kameruner Land- und Plantagen-Gesellschaft mit dem Sitze Hamburg ans i?i Mitgliedern resp. Firmen gebildet, welche beim Bnndesratc eine Vorlage nm Verleihung der geschlichen Korporationsrechtc und Genehmigung der beigefügten Satzungen eingereicht hat. Zu dieser Kommanditgesellschaft gehören die Neichstagsabgeordueten Occhelhäuser (Dessau), Scivio (Mannheim), l)r. Bnhl (Deidesheim-Pfalz), !>>-. Siemens (Deutsche Bank, Berlin), Ullrich (Pfnugstadt), I>r. Vürcklin (Wachenheim-Pfalz) nnd C.Wuermann (Hambnrg). Der Zweck der Gesellschaft ist nicht nnr (Krwerb, Bewirtschaftung, Verpachtung nud Wieder-veraußeruug vou Ländcreien in den» Schutzgebiete von Kamernn, sondern ganz besonders die Anlage nud Ausbeutung von Plantagen. Tie höchst günstigen Anosichten dkser Unternehmung, dic sich zum Teil schon aus deu eingehenden Schildernugcn zuverlässiger Forschuugsreisenden wie Flegel, Zöller n, a. (S. ^ll5ff. unseres Buches) ergeben, sind durch dic oben erwähnten jüngsten Reisen von Kund uud Tappcubeck noch vermehrt wordeil, und zwar dürfte sich das Zünnaya-Strumgcbiet als das beste Operationsfeld erweisen, auf welchem etappenweise mit Faktoreien, denen Plantagen nnd schließlich Missiousanstalten fulgen würden, vorzugehcu wäre. Hier könnte auch der Versuch mit dcm Kolonisations-Vorschlage von Hübbe-Schleidcn (siehe mcin Vnch: Ostafrita) in ausgedehnter Weise gemacht werden, wcnn gntcr Wille nnd die nötigen materiellen Mittel vorhanden wären. Bei allen diesen Uuternehmnngeil, welche naturgemäß erst uach ciuigen Jahren einen stetig steigenden Ertrag liefern, ist zähe Ansdaner eine Hauptbcdingnng des Erfolges; sie wird nebst den materiellen Mitteln, wie die Namen vieler Mitglieder verbürgen, der neuen Gesellschaft nicht fehlen. II XVIII Südwest-Aflika, Siidwcst-Afrika. Ten fast erschöpfenden Schilderungen von Land und Leuten in unserem sndwestafrikanischen Schuhgcbietc (Seite 4'2^—5>(>4), aus den Forschungen der Ingenieure, Forschuugsreisendeu nnd Missionaren zu-samulcugestcllt, haben wir nichts hinzuzufügen, was topographische, tlimatologifche und ethnographische Verhältnisse betrifft nnd beschränken uns auf kurze Notizen über die neuesten Zustände. Die deutsche Schutzherrschaft, von keiner Militärmacht unterstützt, hat dem weiten Ländergebiete (mehr als W0M ll Meilen) weder Frieden uoch Ordnung gebracht. Die hohe Meinung vuu Deutschlands Macht, infolge deren lange vor 1884 der Geburtstag des Kaisero Wilhelm I. mit Flaggen und Freudcuschüsseu im Lande der großenteils deutsch sprechenden Hercro gefeiert wurde, ist fast geschwunden und ohne Wiederherstellung derselben, ohne Vorhandensein einer ausreichenden, stets sichtbaren und hilfbcreiten Schutz-trnppe ist ans den gegenwärtigen rechtlosen Zuständen nicht herans-znkummen, die vor allem dic ungestraft raubenden und mordenden Namas veranlassen. Dem Neichskommifsar Koering selbst wurden Pferde und Ochsen gcranbt. Tle Verwirrung im Namalandc ist aufö höchste gestiegen, Mord und Gewaltthat fiud an der Tagesordnung, das Anseheu der früher so gefürchtcten Europäer tief gesunken. „Haben doch Bastard-Nelruteu, sagt I>i-. Fabri^), als man viel zu spät im Sommer 18^5 ein Paar „schneidige" Lieutenants und Feldwebel ins Hererolaud cutsaudte, gelegcutlich ihre Excrzicr-meister tüchtig durchgeprügelt ohne jede weitere üble Folge für die Malcfikanten. Handel uud Waudel, an sich seit Iahreu aufs geringste Maß herabgcdrückt, stoäcn vollends nnd anch unsere dentsche Mission ist seit ihrem vierzigjährigen Bestehen nie in einer gehemmteren und kritischeren Lage gewesen wie in jüngster Zeit." Dazu kam, das; der Oberhänptling Maharcro, von dem englischen Händler uud Nänkemacher Lewis bearbeitet, alle mit den Deutschen geschlossenen Verträge für null und nichtig erklärte, den Schntzvertrag mit Deutschlaud kündigte uud sich unter den Schntz der Königin von *) I)!'. Fabri, ssüus Iahve deutscher Kulumalpulitik. Gotha 1889. S. S3 ff. Seine auf gründlichste Sc,chlcnnt»iö beruhende Darstellung der südwcstafnla' nischeii Zustände und Äedininisse »,'ird hoffentlich ihrc niaßgebende TÜklling nicht verfehlen. Südwest-Afnka. XIX England stellte. Infolge dessen zogen sich alle deutschen Beamten und Mitglieder der deutschen Expeditionen nach der Walfischbai Zurück und viele gingen nach Deutschland. Das ganze Intrigueuspicl wurde infolge von Goldfnnden ins Werk gefetzt, nm einem deshalb nenerrichteten kapischeu Goldsyndikate, welches mit einem Kapital von 25l)!), worauf ein Schreiben des Rcichskauzleramtes erfolgte, in welchem es hieß: „es könne nicht Aufgabe des Reiches sein und liege außerhalb des Programms der deutschen Kulonialpolitik, für die Herstellung staatlicher (Hinrichtungen unter nnzivilisierteu Völkerschaften einzutreten und mit Aufwendung militärischer Machtmittel den Widerstand eingeborener Häuptlinge gegen noch uicht fundierte Unternehmungen von Reichsaugehörigen in überseeischen Ländern zu bekämpfen." — Es konnte augenblicklich keine andere Antwort kommcu. Tic Gesellschaft hat sich infolge dessen zur Bildung einer neuen Schutztruppe entschlossen, die heute auf afrikanischem Boden steht uud bereits die Flucht des Näukespielero Lewis veranlaßt hat. Trotz der schwereu pekuniären Belastung wird die Gesellschaft, wenn unter kräftigerem Neichsschutz, der sicherlich nicht ausbleiben wird (siehe weiter unten), geordnete nud sichere Zustände wiederhergestellt fein werden, mit jährlich steigendem Nutzen weiter arbeiten können. Sie hatte allerdings ihre Haupthandelostatiou iu dem uoch eug-lischen Hafen von Walfischbai eingerichtet, aber dnrch Anlegung einer Ei'portschlächtcrei im deutschen Sandwichhafen (Oktober l:-i«x) begonnen, die deutsche Kulouic von der englischen Oberhand zu emanzipieren. Letzteres wird das nächste Ziel sein müssen; Saudwichhafm hat gute Wasserverhältuisfe; eine leicht herzustelleude Perbinduug mit dem Kuisibthal und dessen ausgedehnten Weideplätzen würde der Niederlassung bald oie Bedeutung und Auodehuuug des gegenüber-auf dem südmnerilanischeu Festlaude liegenden Fray Bentos erwerben. Die Hcrcro allein würden mit ihrem Reichtum au Nindvieh-Hcrdcu allen Bedürfnissen entsprechen können; das später in Angriff zu nehmende Ovamboland ist uoch weit reicher. Mit welchem Vorteile die Crportschlächterei arbeitete, geht schon darans hervor, daß Schlachtochscn von vorzüglicher Qualität uud ca. «!00 Pfuud Schlachtgewicht zu 4<» bis 5iU Mark iu Waren eingekauft werdeu. Die von dortigen Händlern gezahlten Preife für europäische Wareu gestatten einen Aufschlag von durchschnittlich 100 pCt. auf die Einkaufspreise. Im Innern des Landes werden noch weit höhere Preise von den Eingeborenen gezahlt. Eine andere Aufgabe wäre, eine direktere Verbindung der Küste mit dem vielversprechenden Kaoko- nnd Ovambolaude zu suchen. Anf einer Länge von mehr als 5>00 km ist die Küste noch lange nicht genau geung untersucht nnd aufgenommen worden; die Hoffnung einen neuen Hafen Zu entdecken, ist bereits von mehreren (Geographen nnd Reisenden ausgesprochen worden. Warum sollte nicht eine kleine, wenig kostspielige Expedition Gewißheit darüber verschaffen? Da Togoland und Kamerun dem Neichc im nächsten Etatsjahre nichts losten werden, so wird das Reich anf Südwest- nnd Ostafrika größere Summen verwenden können. Bei Südwcstafrika haudelt es sich darum, ob das Reich durch ausreichende Machtmittel ein für allemal seine Autorität durchgreifend herstellen will, oder ob es durch unzeitigc Sparsamkeit die Sache in die Länge ziehen und nachher weit größere Kosteu aufzuwenden haben wird, wenn es nicht vorzieht, die Kolonie überhanpt aufzugeben. Hier dürften zwei Ge-stchtspnnkte als maßgebend zu betrachten sein: 1. Die wohl sicher zn erwartende Ablehuuug der Protektion uud die Nichtanerkennung der Ansprüche Lewis von feiten der englischen Regierung wird höchstens vorübergehend diesen Rünkespieler ans dem Laude treiben, znmal er eine große Kapitalmacht hinter sich hat, die ihn in Stand sehen wird, mit Maharero die Ranke fortzusetzen nnd schließlich den Teutschen den Aufenthalt unerträglich zu machen. Verhandlungen mit Maharcro wären (nach Fabri) vergeblich. 2. Es steht zn erwarten, daß ein Strom von englischen Gold-gräbern sich über das Land ergießen uud ganz andere Machtmittel zur Alifrcchthaltung der Ordnung und des Rechtoschnhcs nötig machen wird. „Nach den umesten Nachrichten vom März I««9, sagt Di'. Fabri (S. ><»), ans kompetenter F^der haben die Gold-Diggers, die Lewis mitbrachte, Resultate gewonnen, die nach ihren Aussagen ihre kühnsten Erwartungen übertrafen. Erze, wie Wismut, Kupfer, Zinn, Silber und Gold siud, wie sich gezeigt, so reichlich vorhanden, daß diese Diggers sich vor Freude uicht zu fassen wisscu. Neben anderen höchst reichen Funden haben sie eine Mine schon 40 Fnß getrieben und da liegen Schähe zn tage. Unsere Landöleute Sildwesi-Mrika. XXI sind darüber nnt ihren Brillen hingelaufen und erklärten: da ist nichts. Sie sind Theoretiker, jene sind Praktiker nnd schenen die Arbeit nicht. (5s thut mir leid, solches sagen zu müssen, Es scheint, nach den letzten kapischen Zeitungen, daß Deutschland die Schätze des Hcrerolaudes sich entgehen läßt nnd sie rnhig den Engländern überlassen wird." Dasselbe scheint auch manchem Teutscheu iu d^r Heimat, wenn er erfährt, daß man ernsthaft davon spricht, ganze 5>l> Mann Polizisten znr Bethätigung der Reichsmacht hinzusenden, und weun man sieht, wie ganz im englischen Interesse, das deutsche südwestafrikanische Gold-Syndikat und die deutsch-afrikanischen Miuengefellschaftcn geheim lhnn, statt die öffentliche Aufmerksamkeit auf deu genngsam konstatierten und dcu englischen Diggers und Abentenrern bekannten Ooldreichtnm Sndwcstafrikas hinzulenken, und in ausgedehnterem Maße die Nntcrnchmnngolnst zn wecken*). Seit vier Jahren meldeten die Missionare einstimmig: Bleibt der Reichskommissar ohne Machtmittel, so wird die dentsche Protektion bald noch kläglicher endigen als die englische. Das ist nnn leider geschehen nnd es giebt hente keine andere Wahl, als entweder das deutsche Protektorat ganz anzugeben, oder dasselbe vollständig wieder herzustellen nnd dauernd zu sichern. Ersteres wäre eine Schädigung d^r nationalen und der Wcltmachtstellung des Dentschen Reiches, ist also für i^eden Dentschen nndenkbar. „So bleibt denn, sagt Dr. Fabri (S. <^7), will man die Schnh-vcrträge wieder aufrichten nnd das völlig gesunkene Ansehen der Schntzmacht wiederherstellen, nichts anderes, als ein unmittelbares, in militärischen Machtmitteln zn tage tretendes Einschreiten Deutschlands. Warum ciuc solche Expedition nnr ans Teutschen bestehen kann, ist aus Vorstehendem schon ersichtlich. Die Schutzbefohlenen Wolleu endlich eiumal etwas von dcr Macht Deutschlands sehen, damit sie forthin an dieselbe anch glanbeu können. Farbige gegen Farbige in Streit bringen, würde ihnen, wie gezeigt, nicht nnr als ') Schon am 10. Dezember 1887 schrieb die iu Kapstadt erscheinende deutsche Zeitung „DaS Kapland": Gold wird in reichen, lnpferhalt^en Quarz» rissen jcht überall im ^'midc (im deutschen Schnkgcbiete) entdeckt. (5in Goldriff von !! englischen Meilen ^änge, reich an sichtbarem (Holde, ist ll) Meile» uon Walfischbai festliestellt worden. Ohne Zweifel wird sich dieses Land als «in zweites Kalifornien entwickeln ic. D, Kown.«Ztg. Nr. 7. 1839. XXII Südwest.Afrika. neuer Belag der Ohnmacht Deutschlands erscheinen, sondern bei beiden Tentschland erst recht verächtlich machen. Günstig ist für eine europäische Expedition, die natürlich die kühlere Jahreszeit beuuheu müßte (Mai etwa bis Oktober), daß das Klima gesund nnd fieberfrei ist. Eine Kolonne von ein paar hnndert angeworbenen, bereits im Militärdienst gestandenen dcntschen Truppen würde nach aller Voraussicht genügen, die Zwecke der Erpedition gn sichern. Ein paar kleine Kanonen wären wohl weniger des Gcbranchs als des Eindrucks wegen beizngeben, nnd ein kleiner Trnpp mit Lanzen bewaffneter N^iter dürfte nicht fehlen. Die Schwierigkeiten einer derartigen Expedition liegen wesentlich im Wassermangel des Landes nnd in der Verprovianticrnng. Schon der über 8 Stnnden breite Sandgürtcl an der Küste bietet für den Einmarsch von Enroväeru Schwierigkeit. Es folgt dann etwa noch ein Marsch von U', dent-fchen Meilen anf ansteigenden Plateaus, wo das Wasser spärlich ist und nur von mitgenommenem Proviant nnd teilweise wohl anch Wasser gelebt werden kann. Anf den höheren weidereichen Plateans würde Fleisch in Überfluß nnd Milch genügend vorhanden sein. Jedenfalls erforderte der Zng eine sehr starke Kolonne von Ochsen-Wagen und Treibern." Die Erpedition würde nnter den Hcrero selbst Verbündete finden, da Atanasse der Häuptling am Omarnrn, nächst Maharcro der angesehnstc des LandeS, mit mehreren andern Häuptlingen an den Schritten gegen die Deutschen sich nicht nnr nicht beteiligt, sondern dieselben entschieden mißbilligt, auch die Nrlnndc für Lewis nicht unterschrieben hat, wodurch sie nach Hcrerurecht ungültig wird. Die Kosten, jedenfalls einige Millionen, müßten von vornherein reichlich bemessen sein, damit nicht, wie bei so vielen ähnlichen Erpeditionen sich herausstellte, nachher ein verdoppelter Anfwand nötig wird. Ein Teil derselben ließe sich decken dnrch cine während mehrerer Jahre zu erlegende Buße au Schlachtochsen, deren die Hereroö wohl hunderttausend^ besitzen. Ans politischen Gründen würde diese Buße nicht zn hoch ansfallen dürfen. Dieses sind einige Hanvtznge der Skizze des Feldzngsplanes, den Di-. Fabri mit genauester Sachkenntnis entworfen hat. Erwägt man, daß andere Kolonialmächte ohne langes Bedenken ganz andere Snmmen für ihrc Koloniceu aufwenden, daß das kleine Velgien für die Kougo-Eiscnbahn M Millionen hergiebt, so darf man wohl die zuversichtliche Hoffnung anssvrcchcn, daß der deutsche Deutsch-Ostafiika. XXIII Reichstag unsere vielversprechenden Kolonieen, in Südwcst- wie in Ost-Afrika durch Bewilligung von Geldmitteln, die jedenfalls uicht unter deu Lcistuugcn Belgiens für dcu Kongostaat stehen dürften, definitiv dem Deutschen Reiche erhalten wird. Teutsch-Ostafrita. Die Verhältnisse von Deutsch-Ostafrika sind scit dem vorigen Jahre über den Nahmen unseres Buches, welches hauptsächlich ciue Rundreise sein soll, weit hinausgewachsen. Unsere ostafrikanische Kolonie bildet nur ein Glied in jeucm uugehenren kolonialpolitischcu Netzwerke, woriu auf dem Boden von ganz Ostafrika mit dem Sudan uud dem Seengcbiete die umfangreichsten und verwickeltsten Ereignisse und Intcressenkreise durch einander spielen: der Aufstand der Araber, die kulturhistorische Stellung des Islam gegenüber dem Christentum uud der abendländischen Civilisation, die Fragen der Unterdrückung des Sklavenhandels vou den uicht überall gleichen Staudpnnkteu der Wissenschaft uud der Religion, die gegenwärtig offen hervortretenden großartigen Pläne eines neuen, Hindostan an Bedeutung gleichkommenden, britischen ostafrikauischen Kolonialreiches, die täglich umfangreicher und wichtiger werdenden Knltnr-aufgaben der Mission, die neuen Forderuugeu, welche die Anfrccht-haltuug der Kaiserlichen Autorität sowie die Festhaltung uud der Ausbau uuserer wertvollen Kolonie an den Patriotismus uud die Opfcrwilligkeit der Nation stellen. Zur genalleren Kenntnisnahme und unparteiischen objektiven Vcnrtciluug aller dieser Diuge, fur die Behauptung und den weiteren Ansban der dentschen Weltmachtstellung und damit der Würde und Unabhängigkeit der Nation eine unberechenbare Bedentfamkcit zu geben, haben wir in einem uächstdem erscheinenden Spczialwcrke: „Ostafrika, der Sudau uud das Scengebiet" ein reiches, znverlässiges Material zusammengetragen. Dieses Werk bildet sich ergänzend, mit dem vorlicgcudcu, dessen Darstellungen der westafrikanischcn Koloniecn die Kritik als fast erschöpfend bezeichnet hat, so zu sagen eine kleine knltnrgeschichtliche und tolonialvolitische Encyklopädie der afrikanischen Dinge, die es auch dem „Nichtgeographen" ermöglicht, unserer kolonialen Expansion mit der Teilnahme nnd dem Verständnis zn folgen, welches, in breiteren Schichten deZ Volkes verbreitet, die Willcnokräftc des- XXIV Deutsch-Dstafliw. selben für die Kolonialsache bestimmt und dadurch dem Reiche die Erfüllung seiner überseeischen Aufgabe erleichtert. Man ist nur deutsch-national, nicht chauvinistisch gesinnt, wenn man sich freut, daß heute die deutsche Kaiserflagge auf allen Meeren weht, daß Sr. Maj. Kriegsschiffe jetzt in fernen Weltteilen dentsche Häfen anlaufen uud uufere Blaujacken und Kaufleute auf deutschem Buden stehen können, daß Afrika den Dunner deutscher Kanonen gehört hat; schlimmer als chauvinistisch wäre es, jeden, der der Kolonialbewegung feru steht oder mit der Rechentafel in der Hand das Kolonialbndget hernnterseßcn will, für einen schlechten Deutschen zu halten; Fehlen des Verständnisses ist noch kein Mangel an Vaterlandsliebe, Uud dann, ist nicht die Besorgnis nnd Zurückhaltung der Vertreter des außerordentlich bedeutenden englisch-deutschen Imftorthandels uud der Rhedcrci erklärlich und gewissermaßen berechtigt? Glücklicher Weise ist das deutsche Reich auf dem Wege, dnrch frenndnachbarliches Znsammeugehcu mit England anch diesen Interessen gerecht zn werden. So dürften denn, wenn das hohe Ziel der dcntschcn Kolonialpolitik: „Rückhaltloses Zusammenwirken mit England, aber ohne Übervorteilung oder Benachteiligung von dessen Seite" erreicht sein wird, alle jene zahlreichen, noch Zurückhaltenden Kreise ans der Handels- und Indnstricwclt znm Heile des Vaterlandes der Kulonialsache allmählich vollständig gewonnen werden. Das wachsende Verständnis überseeischer Dinge wird die Erreichung dieser Zicle wesentlich fördern; nnd nach Kräften zu diesem patriotischen Zwecke bcizntragcn, ist der Zweck unseres Bnches. Koblenz, im Oktober 18«!». III'. Johannes Banmgartcu. Zas deutsche Mafrika. Einleitung. Dcntsch-Ostafrika umfaßt gegenwärtig ein zusammenhängendes Gebiet von mindestens 20 000 H^ Meilen, nachdem durch die Londoner Abmachungen (29. Oktober und 1. November 1«86) sowohl die Erwerbungen der Ostafrikanischcn Gesellschaft anerkannt, als auch die dcntsche Interessensphäre westlich bis zum Tanganyika und dem Kongostaate, nördlich bis zum Ukcrewe-See (der zur Hälfte von 1 Grad südl. Br. ab hineinfällt) uud der Nordgrenze des Kiliman-Djaro und südlich bis zum Rovuma-ffluße (Kap Delgado) und Nyassa-Sce ausgedehnt worden ist. Die Erwerbungen im Somal-lande von der Benadirküste aus zwischen dem Tana uud Kap Guar-dafui werden wahrscheinlich noch über 12 000 lü Meilen der deutschen Kulturarbeit sichern. Der Sultan von Sansibar hat den U) Kilometer breiten Küstenstreifen von Kap Delgado bis an den Tana-Fluß behalten, aber die Häfen Dares-Salaam und Pangcmi der Zollverwaltung der Ostafrikanischen Gesellschaft überlassen. Dentsch-Witnland ist bei dieser Abmachung ebenfalls anerkannt und nördlich hiervon an der Somalküste dem Sultan von Sansibar nur die schon längst ihm gehörenden festen Plätze Kismaju, Varawa, Marka, Matdischu und Warscheth mit einem Umkreis von nur wenigen Seemeilen gesichert worden. England hat sich durch diese Vereinbarung allerdings den Löwenanteil: die Zngänge zum Sudan nnd zum Nilthalc genommen, aber wenn man gerecht und aufrichtig urteilen will, so muß man gestehen, daß es sich diesen Vorteil durch feme Forfchuugsreisendcn, Missionare und Handelsgesellschaften, welche so erfolgreich seit Jahrzehnten auf dem nördlich von der deutschen Interessensphäre liegenden Aaumgarteu. Afrika. 1 2 Das deutsche Ostafrila. Gebiete thätig waren, verdient hat. Auch ist der deutsche Gebicts-antcil, der gegenwärtig an den Kongostaat grenzt, nicht bloß wegen der Fruchtbarkeit seines Bodens, wegen seiues Reichtums an Metallen und der klimatischen Vorzüge vieler hochgelegenen Gegenden von dm meisten Forschnngöreisenden nnd den längere Zeit dort lebenden Missionaren als eines der wertvollsten und schönsten Länder Afrikas, geeignet für den ergiebigsten Plautagenbau, im Dschaggalande uud anderen Gebieten der Vergländer selbst für Ackcrbankolouieen, erklärt worden; sondern es haben sich auch Stanley und andere comvetente Kenner der afrikanischen Verhältnisse dahin ausgesprochen, daß eine über die Hochebene uuschwer zu erbauende Eisenbahn nach dem Tanganyika die Ansfuhr eines großen Teiles von Central-Afrika, inclus. des ganzen oberen Kongogebietcs an sich ziehen und mit der Ausfuhr der Landeöerzeugnisse selbst den Uuter-nehmeru eiuen mit der Entwickelung des Handels und der Bodenkultur jährlich stcigeudeu reichlichen Gewinn bringen würde. Die Engländer planen schon eine Eisenbahn nach dem Ukcrewe, und zwar ist es dieselbe ^Moii»,! ^.triean OomMn^, welche am Niger und Beuue, (wo die deutscheu Forscher Varth und Flegel vorgearbeitet hatten und der letztere am Fieber, vielleicht auch am gebrochenen Herzen über die Vergeblichkeit seiner Anstrengungen und die Kurzsichtigkeit nnd Dummheit der Deutschen, den Tod fand) den Franzosen ihre 31 Handelsniederlassungen für 20 Millionen Francs abkaufte uud mit einem Schlage das ganze Flußgebiet unter die britische Flagge brachte. Hoffentlich wird Borniertheit und Uuwissenheit uns in Ostafrika keine ähnlichen Erfahruugen briugeu. — Es ist für jeden gebildeten Deutschen eine Pflicht zn wissen, was Deutsch-Ostafrika für uns zu bedeuten hat, und da glauben wir dem Leser leine bessere, zusammenfassende Darstellung bieten zu köunen, als die des unvergeßlichen, auf dem ostafrikanischen Forschungsfelde — auch einem Felde der Ehre — gefallenen Dr. C. Iühlke.*) „Eine zweite tropische Kolonie existiert wohl kaum, nach Allem, was bis heute über die holländischen Besitzungeu in Ostindien, über Britisch-Indien, über West-Iudien nnd Südamerika bekannt ist, welche sich so vorzüglicher nnd vor allen Dingen so verschiedenartiger klimatischer Vedinguugcu erfreut wie das deutsche Ostafrika. ') Kolontal'Politische Korrespondenz vom 12. Juni 1886. Einleitung. Z Das soll ja niemals vergessen fein, daß der Aufenthalt ill den Tropen überhaupt demjenigen im gemäßigten Klima an Annehmlichkeit nicht gleichkommt, daß Entbehrungen aller Art den Europäer in den Tropen treffen, aber so viel steht denn doch heute fest, daß bei einer ruhig fortschreitenden Entwickelung die künftigen Europäer Afrikas weniger unter jenen Entbehrungen werden zu leiden haben als die Bewohner anderer tropischer Gebiete. Der Fischersche Grundsatz wenigstens, Afrika sei dort gesund, wo es unfruchtbar, ungesund, wo es fruchtbar, scheint mehr und mehr zu einem nicht begründeten Paradoxon hcrabzusinkeu. Mau wird mit demselben Necht sagen können: es giebt in Ostafrika gesunde Gcgendeu genug, die zugleich fruchtbar sind, unfruchtbare, die ungefuud sind. Das wenigstens lehrt uns jeder neue Bericht, der aus unseren Stationen einläuft, aus Stationen, wo deutsche Herren wohnen uud Zum Teil angestrengt arbeiten. Das allerdings, was das Leben in Afrika zu einem angreifenden macht, das Marschicren unter fortwährenden Strapazen, wird ja nun mehr und mehr bei den Bewohnern nnserer Stationen in Wegfall kommen, und so werden die Berichte über die gesundheitlichen Zustände in Zukunft noch günstiger lauten als bisher. Die Thatsache ist jedenfalls nicht zu leugneu, daß bis zum heutigen Tage in einem Zeitraum von uunmehr bald zwei Jahren von den in Afrika weilenden Beamten der Gesellschaft noch kein Einziger gestorben ist. (Es haben sich dranßen befnnden A! und dieselben befinden sich zum Teil noch dort) Nnd welche Mannigfaltigkeit des Klimas bieten unsere Gebiete anderen tropischen Kolonieen gegenüber! Von der tropischen Glut der Tiefebene bis zur Grenze des ewigen Schueeö, vom feuchten Seeklima bis zu der berufenen gesunden Luft der tropischen Hochebene haben wir alle Klimate beisammen. Allein von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, springen dein vorurteilslosen Beobachter die Vorteile eines solchen Landes sowohl in hygienischer als in kultureller Beziehung denn doch mit geradezu zwingender Gewalt ins Auge; deuu diese klimatischen Verhältnisse bergen den größten Teil der Bedingungen für das Wachstum fast aller tropischen Gewächse in sich. sie gewähren andererseits dem Bewohner Ostafrikas die Möglichkeit, uuter einer Fülle von Klimateu das ihm Zufageude sich auszuwählen. Der Nest der Bedingungen für das Gedeihen von Pflanznngs-anlagen ist jedenfalls zu sucheu in den Bodenverhältnissen, in der Möglichkeit der Herstellung von BewässeruugScmlagen, und auch hier 1' 4 Das deutsche Ostafnka. liegen die Verhältnisse in Ostafrika überaus günstig. Gewiß kann auch das Laienauge ein Land ans seine Fruchtbarkeit, ans die Kraft seines Vudeuö hin beurteilen nach dem Wachstum, welches sich anf seiner Oberfläche entfaltet, und so stimmen denn die Berichte unserer Beamten sehr geuan übereiu mit Allem, was die Reisenden vieler Länder in jenen Gegenden beobachtet haben und wonach die dentschcn Besitzungen Uhehe, Usaramo, der größte Teil Usagaras, Ngnrn, Usambara, das Kilima-Ndjarogebiet und das gauze Land bis hinauf zum Tana die frnchtbarsten, gesegnetsten Gelände in Ostafrika darstellen. Äußerst vorteilhaft vollzieht sich der geographische Aufban des Laudes. Die afrikanische Küste ist ja überall anf dem ganzen Kontinent eine wenig gegliederte, arm an Häfen; hier aber, die deutschen Gebieten entlang, erreicht sie jedenfalls eine relativ große Mannigfaltigkeit. Auf der verhältnismäßig kurzen Strecke von Kurnnna bis zum Taua haben wir etwa l! bis 7 brauchbare, weun auch kleine Häfeu und mehrere geschützte Rheden. Von der Küste landeinwärts erhebt sich das Laud ziemlich regelmäßig in Terrassenform: die erste sich zum Gebirge von durchschnittlich 5—6000 Fnß erhebende, welche sich etwa bis zu zehn Tagereisen ius Iuncre erstreckt, ist anf eine bedeutende Entfernung von der Küste noch den Wirkungen des Secllimas ausgesetzt; es folgt die Steppe, jene weite wenig fruchtbare Ebene, deren Anslänfcr im Süden die Mahala in Ufagara ist, uud welche sich im Norden bis au deu Taua erstreckt; sodann jene Hochgebirgszüge, die iu ihren beiden höchsten Erhebungen, dem Kenia und Kilima-Ndjaro die gigantische Höhe von etwa 20 000 Fnß erreichen und mit ewigem Schnee bedeckt sind. Hinter diesen Gebirgen endlich lagert sich die 5—6000 Fnß hohe fruchtbare Gbeue, welche ihren Abschluß in der Kette der mächtigen centralafrikanifchen Seen findet. Und alle diese Gebiete werden noch von einem gegliederten Flußnctz durchzogen. Wenn auch die Mehrzahl dieser Flüsse uud Flüßchcu vorläufig nur auf verhältnismäßig kurze Strecken schiffbar ist, so ist doch ihre Bedeutung für das Land darum eine kanm minder große zu ucuuen, denn in ihnen sind, deutlich erkennbar, die Bedingungen für die Möglichkeit eiuer in Zu-kunft durchzuführenden Vc- uud Gutwässerung weiter Gebiete gegeben. Schon jetzt, obfchou die vom Neger geübte Kultur eiue solche kaum zu nennen ist, ist ein gewiffes Kaualsystem über weite Landstrecken verzweigt (so in Taweta, Dschagga, Usambara, Ngnru Einleitung. 5 u. A. n!.), und wird der natürlichen Üppigkeit des Landes ein mächtiger Helfer, der alle Produkte zu einer seltenen Schönheit und Grüße gedeihen läßt. Mais, Reis, Tabak werden schon hente an den Karawaueustraßen in großen Mengen gebant, nnd anf den europäischen Stationen werden Versuche mit fast allen tropischen Gewächsen gemacht. Jene grüße Masse der Produkte würde bei den mangelhaften Verkehrsderhältnisscn heute allerdings noch nicht exportfähig sein, sie wird es aber in dem Moment, wo der erste eiserne Schicnenstrang dem Herzen Afrikas zustrebt. Denn man muß nicht vergessen, daß die Empore des afrikanischen Ostens, Zanzibar, der größte Markt- und Handelsplatz, dessen wirtschaftlicher Umschlag einen Wert von l^ Mill. M. reprä'sentirt, seine Bedürfnisse znm großen Teil heute aus Indien bezieht (z. B. den Neis), daß also mit der Erschließung der dcntschcn Gebiete dnrch eine Bahn für derartige Produkte sofort ein Absatzgebiet gegeben ist. Und auch in anderer Beziehnng sind ja für den Handel und deu Plantagenban die Bedingungen überaus günstiger Natur. Eine Sprache (Suaheli) umschließt das ganze weite Gebiet; mit ihr kann man sich überall iu deu deutschen Besitzungen verständigen, der Hindn, der Araber, der Neger an der Küste bis weit in das Innere hinein, bedient sich ihrer, uud am Kilima-Ndjaro bis hinauf in daö Somal-land ist sie die allgemeine Verkehrssprache. Der Charakter des Volkes, welches uuferc Länder bewohnt, ist, ausgenommen die uördlicheu Gebiete, ein durchaus friedlicher, ja furchtsamer. Seit laugeu Jahren durch Sklaveujagdeu decimiert, ist diefe Nasse heute verkommcu und in eine apathische Glcichgiltig-keit und Trägheit versunken, nnd erleichtert aufatmend erkennt sie in dem Weißen, der setzt in ih'^ Land kommt, willig uud freudig deu Befreier vom arabischen Joch und ihreu natürlichen Beschützer. Überall in Ostafrika ist das deutsche Volk als mächtigstes Kriegövolk bekannt, nnd überall in seinen Gebieten — das Nüssen wir alle aus eigenster Erfcchruug — wcrdcu die Scudlinge Deutschlands frendig aufgenommeu, die Mär von dem großeu Kriege vou Ift70 hat ihren Weg bis tief in den schwarzen Erdteil gefunden. Dort aber, wo die Lage des schwarzen Volkes eine günstigere ist, wo die Beschaffenheit des Landes ihr ihren natürlichen Schutz gewährt uud die Stlavcnjagdeu das Gebiet uoch nicht verödet haben, oder nicht mehr veröden, da verfolgt dieses Volk auch ß DaS deutsche Ostafnka. Heiitc noch seinen eigentlichen Beruf, nämlich den des friedlichen Ackerbaues. Diesem ist die große Masse der Bevölkerung aufs Neue zuzuführen, das ist cine weitere Aufgabe aller künftigen Kulturarbeit in Ostafrika, und in der Erfüllung dieser Anfabe wird sich die Basis dafür bieten, auch diese dunkle Rasse dereinst den Zielen einer wahren Civilisation und Gesittung entgegenzufahren. Das sind in großen Zügen die Bedingungen, welche sich im deutschen Ostafrika einer zukünftigen wirtfchaftlichen Entwickelung bieten. Für den, der im nationalen Interesse nichts in die Schanze zu schlagen wagt, bedeuten sie selbstverständlich nichts. Für denjenigen aber, der an die AuZbeutuug dieser nenen jungfräulichen Gebiete mit Mut und Entschlossenheit herantritt, der gewillt ist, mit Ausdauer uud Euergie Mithelfer zu sein an dem großen Werk, welches der Ausführung harrt, bedeuten sie Alles, um so mehr, wenn er in Betracht zieht, daß diese Eigenschaften von jeher die Erzeuger des Erfolges gewesen sind. Schlaffe Naturen allerdings, die Strapazen uud Eutbchruugcu uur von dem gesicherten deutfchen Ofcu aus ins Auge zu schauen vermögen, an Ort und Stelle aber erlahmen und unterliegen, mögen ruhig daheim bleiben und weiter disputieren über den Wert oder Unwert tropischer Kolonieen. Das eine mögen aber auch die Kühnen uutcr den zukünftigen Pionieren bedenken, ncne Phasen in der geschichtlichen Entwickelung eines Volkes, wie wir sie heute in den kolonialen Bestrebungen Deutschlands vor sich gehen sehen, werden niemals ohne Mühen, ohne Opfer durchgemacht; nur dort werden uukultivirte Länder zu wirtschaftlichen Paradiesen umgeschaffen, wo treue Arbeit, rastloser Fleiß uud unermüdliche Energie sich entfalten. Anders ist ein Erfolg weder in Amerika noch überhaupt irgendwo auf der Erde errungen worden. Mag der Einsatz für den Einzelnen ein großer sein, er wird in jedem Falle gerechtfertigt durch die hohe Bedeutung, die er fürs gesamte deutsche Vaterland hat." Der vorstehenden Darstellung des I>r. Iühlke fügen wir einige Erläuterungen geographischer Namen bei. Die Araber nennen die Küste unseres ostafrikcmifchen Gebietes N1 8a,vvlüü1 und die Bewohner derfclben ohne Untcrfchicd 8awa,liili (Suaheli), d. h. Küstenbewohner. Den Küstenstrich von Pangani bis MombaS s oder Einleitung. 7 Mombasfa heißt Uarima oder Nrima, d. h. ebenfalls Küste; von Varawa bis Makdifchn (Nkssaänro) heißt sie L1 üsnadii-, d, h. Hufen. Die meisten Ethnographen (mich Fr. Müller) nnd Reifenden schreiben 8om9,Ii (die Bewohner des OsthornS von Afrika), es muß eigentlich 8c»ma1 heißen, da 8«ma,U Singular ist; wir haben daher die Schreibart 8oma1 durchgeführt. Zi!l>n nils DcutschHWilla. 1. Die Landschaften Nseguha, Ngurn nnd Usagara. Nach der Schilderung Stanleys, Caineruns, Prices und des englischen Misstonars Last. *) Das Land Nseguha ist im allgemeinen flach oder leicht wellig. Es ist mit lichten Waldnngen bedeckt, deren Bäume meist klein sind; nnr einige sind groß und zn banlichen Zwecken verwendbar. Näher der Küste nimmt das Land ein parkähnliches Ansschen an, mit weitgedehntcn Nasenflächen, die hier und da dnrch Waldnng unterbrochen werden; die Waldbämnc sind mit zahllosen Schlingpflanzen bedeckt und beschatten dichtes Unterholz. In diesen Wald-flccken bancn die Einwohner ihre Dörfer, indem sie das Herz des WaldcS ansroden und die änßeren Teile als natürliche Verteidigung stehen lassen. Das Land Usegnha ist, im Vergleich mit anderen Distrikten, nicht fehr fruchtbar, obwohl auch hier in den kleinen Thälern viel Getreide gebaut wird, weit mehr als die Eingeborenen bedürfen. Ngnru nnd Usagara unterscheiden sich von Ufcguha durch ihren Gebirgscharakter. Die jene beiden Länder durchziehende Gebirgskette wird an verschiedenen Stellen durch weite Ebenen unterbrochen, die mit Hügeln übersäet sind. Stanley, der anf seinem kühnen Zuge zur Wiederauffinduug Livingstoueö dnrch Usagara vordrang, schildert dieses Gcbirgsland in einigen höchst charakteristischen Worten: „Vor den Angcn des Wanderers, der anf einem der vielen Gipfel steht, entrollt sich im Norden, Süden und Westen ein herrliches Gebirgsbild. Nirgends eine Vlöße; denn eine Menge von Kegeln, Spitzen, Kämmen taucht aus dem Mantel grüner Wälder, welche *) Last lebte acht Jahre lang in unseren iehia.cn SchlchaMete», kannte daä Land also genauer als irgend ein nur durchreisender Forscher oder Kaufmann es leuuen lernen konnte. Usügüha, Ngura und Usaaara. 9 die Hänge bedecken, hier cniftor. Liebliche Thäler, sseschmückt mit Palmenhaincu, riesigen Tamarisken, Akazien, Euphorbicu, durch-strömt von raschen Flüssen nnd geschwätzigen Bächen, durchschneiden das Gebirge. Tie Bewohner dieses schönen Landes, namentlich die nördlichen nnd westlichem Stämme, sind außerordentlich kräftig und muskulös, eitel, voller Selbstgefühl, Die Hantfarbe der Usagara ist schwarzbrauu, das oft edel gcschnittelic Kcsicht erinnert nicht an den Sieger." Cameron machte ebenso eine begeisterte Schilderung des Nsagara-gebirges, seiner unerschöpflichen Fruchtbarkeit, seiner herrlichen Forsten Und bestätigte alles, was Burton schon Schönes über Usagara gesagt hatte. Der Engländer Price, der im Auftrage der Londoner Missionö-Gesellschaft 1«?8 das Land durchforschte, hält die Berge von Nguru, die zum Teil zu Useguha gehören, wegen des gesunden Klimas, der großen Fruchtbarkeit und des gesitteten Charakters der Bevölkerung Zur Aulagc von Kolonieen uud Missionsstatioueu für geeignet (Station Monda ist seitdem angelegt worden). „Die Berghalden und Thalgründe sind von Dürfern, die kaum einen Büchsenschuß von einander liegen, geradezu bedeckt. Doch könnte das Hauptthal, dessen Fruchtbarkeit in der That wuudcrbar ist, noch fünfmal mehr Europäer eruähren. Wenn eine gute Straße, deren Herstellung nicht schwierig ist, das Land mit der Küste verbände, so wurde sich dasselbe in eine reiche Kornkammer verwandeln. Die Einwohner sind ganz vorzügliche Ackerbauer. Sie sind ohne Widerspruch das sauf-teste und sympathischste Volk, dem man begegueu kauu. Die Berge und das Thal aber würdeu bei besserem Aubau den Curopäern einen sehr gesunden Aufenthalt gewähren." P. Hörner, der Itt7? die Länder Nguru und Useguha besuchte, schreibt darüber: „Von Makangna aus, das nur 2—3 Tagereisen von der Küste liegt, führt der Weg dnrch herrliche Landschaften; die Fruchtbarkeit ist enorm. Die große Masse Hornvieh auf schöuen, unabsehbaren Ebenen beweist, daß die Tctsefliege ganz fehlt, die Häuptliuge besitzen uugchcure Kuhhcrden. Die Einwohner werden häufig über huudcrt Jahre alt, halten aus gute Sitten, uud ihre Ehrlichkeit ist oft stannenerregcnd." Wir fahren mit dein Berichte von Last fort: Die höchsten Gipfel der Kette erreichen 2000 bis 2400 m Höhe über der See nnd sind bedeckt mit prächtigen Nutzhölzern, Farren, 10 Deutsch'Ostafnka. Unterholz, überall zerstreut liegen die Dörfer der Eingeborenen und dicht neben ihnen schöne Gärten. Beide Länder werden durch den Wami und seine Nebenflüsse bewässert. Die Thäler und Hänge der Berge, diese selbst bis zu den Gipfeln hin, sind sehr fruchtbar. Die Bewohner bcmen hier in Überfluß, weit über ihren eigenen Bedarf, Mais, Hirse, Bohnen, Kürbisse, Maniok und Bananen. Die Abhänge der Gebirge sind überreich an Qnellcn, so daß die Eingeborenen bei eintretenden Dürren ihre Grundstücke künstlich bewässern; ich habe sie oft bei derartigen Arbeiten beschäftigt gefehen. Europäische Gemüse gedeihen schnell und erreichen an den Gebirgs- und Hügelhängen treffliche Güte. Während mehrerer Jahre habe ich dem Anbau derselben besondere Sorgfalt gewidmet. Die Station Mam-boia liegt 4 bis 430 m über dem Meere, und hier zog ich Kartoffel, Rübe, Mangold, verschiedenerlei Kohl, Mohre, Pastinake, Zwiebel, Ncttig, Lattig und manches andere, und alles gedieh gerade so gut wic in England. Beim Kartosfelrodeu zählte ich eines Tages an einer einzigen Pflanze l!2 Kartoffeln; die größte war etwa 5 Zoll lang und fo dick wie mein Fanstgelenk. Unter ihnen war etwa ein Dntzend zu klein zum Gebrauch. Natürlich war das ein Ausnahme-fall, der aber doch zeigt, waö das Land leisten kann. Die meisten in England gewöhnlichen Blumen gedeihen gut. Ich habe einige Fruchtbäume von der Küste gepflanzt, Mango, Guave, Granatapfel, Orange, Limone, Flaschenbaum, Melonenbanm nnd andere; alle diese sind gut gediehen. Daneben nenne ich die einheimische Bauane, von der etwa 1« Varietäten vorkommen, und Zuckerrohr, das sich in drei Sorten findet. An vielen Stellen, namentlich auf höheren Erhebungen, würden höchst wahrscheinlich Obstbäume gut gedeihen; aus deu Giftfclu der Berge wachsen Brombeeren und Himbeeren wild. Ich riß einige Wurzeln derselben aus und pflanzte sie in meinen Garten in Mamboia ein; sie gingen an und trugen so große und gnte Früchte, wic ich unr je in der Heimat gesehen. Nach meiner Überzeugung finden sich viele Plätze, an denen mit großem Vorteil Ciuchoua, Kaffee, Thee und Vanille angebaut werden könnten. In den ausgedehnten niedrigen Thälern zieht man große Mengen von Mais nnd Reis; ersteren verbrauchen hauptsächlich die Eingeborenen, während letzterer verhandelt wird. Niemals fehlt es irgendwie an Nahrungsmitteln in diesen Bergen, und nnter europäischer Leitung könnte die gegenwärtige Produktion in enormem Maße gesteigert Useglcha, Nguru und Usagara, 11, Werden. In der Mitte der Landschaft Ufagara liegen die Pumba-Berge, die durch Eisengruben interessant sind. Einen Bericht über dic Erzgewinnung gab Last in der Zeitschrift dcr London. Geogr. Gesellschaft. - „Es giebt hier herrliche Gegenden für Ansiedelungen; das nötige Land würde l,wm Herrscher des betreffenden Platzes für ein geringes Geschenk an Zeug leicht Zu haben sciu, oft auch umsonst, da diese Häuptlinge immer froh sind, einen Weißen in ihrem Lande zn haben. Das Klima ist sehr gesund, namentlich in den Ncrgdistrikten. In Mamboia frente ich mich während der Monate April bis Ende Juli wegen der Kälte stets, des Abends ein Feuer zu haben. Das Thermometer Zeigte während dieser Monate um s> Uhr morgens durchschnittlich etwa k" R., und pflegte mittags bis 15° oder 18" zu steigen. In den wärmeren Monaten steigt es mituuter bis auf 32" auf der Veranda, und auch die Nächte sind dementsprechend Wärmer; aber es ist niemals so heiß, daß man eine Punkah (in Ostindien ein Schirm an der Zimmerdecke zur Erzeugung von Luftzug) Nötig hätte. Die Eingeborenen sind sämtlich Ackerbauer und züchten nur hie uud da eiu wenig Vieh. Jeder Häuptling hält womöglich eine Herde von Ziegen und Schafen, jedoch mehr als Zeichen seines Reichtums, als des Nahruugswertes halber. Im Charakter sind alle Stämme sich gleich, sämtlich sehr feige. Die Bewohner von Useguha treten großthuerisch und polternd auf, wenn sie sich einen« schwächeren Feinde gegenüber befinden; Zu Zeiten der Gefahr halten sie aber nicht besser Stand, als die ruhigereu Eingeborenen von Nguru und Usagara. Die letzteren sind ein eminent friedliebendes Volk. Ich habe nahezu acht Jahre unter ihnen gelebt und fand sie stets sehr freundlich gegen mich gesinnt, und so würden sie sich gegen jeden Fremden betragen, der ihnen friedfertig entgegentritt. — Es heißt, daß die Dentschen daran denken, eine Eisenbahn von der Küste nach dem Gebiet der großen Seen zu bauen, die Uscguha und Usagara durchziehen würde. Ist dem so, dann dürfen wir hoffen, daß dies reiche uud schöne Land bald aufgcschlosscu wird, und daß viele Ansiedler an seinen lieblichen Bcrghängcn ihr Heini grüudcn werden. Jeder ihnen gnt Gesinnte kann eines freundlichen Empfanges bei den friedliebenden Eingeborenen sicher fein, nnd wenn er in seinem Verkehr mit ihncn ehrenhaft nnd artig ist, wird er sie stets bereit finden, ihm zu helfen und ihn zu respektieren." 12 Deutsch-Ostasrika. 2. Tie Hochebene von Ngogo und deren Bewohner.*) Westwärts von Usagara liegt, vor den Winden dnrch die Berge geschützt, die Hochebene von Ugogo, ein nicht gerade fruchtbares Land, das mir nach der Regenzeit cin angenehmes Ansehen besitzt und während der trockenen Jahreszeit brann nnd wüstenartig sich vor dem Ange ausbreitet. In physischer uud moralischer Hinsicht sind die Ugogo allen bisher genannten Stammen im Innern weit überlegen; ihr ganzes Aussehen hat etwas löwenhaftes, die Physiognomie ist intelligent. Die Augen siud groß uud weit geöffnet, nnd obwohl die Nase platt ist, die Lippen dick sind, so ist doch das Gesicht nicht von der Mißgestalt wie bei den eigentlichen Negern. Der Ugogo ist heftig nnd leidenschaftlich; er ist stolz auf seinen Häuptling, stolz ans sein nicht fruchtbares Land, stolz auf sich selbst, auf feine Waffen und Thaten, überhaupt anf alles das, was ihm gehört. Obwohl er eitel, prahlerisch, egoistisch nnd herrschsüchtig ist, ist er doch der Liebe nnd der Zuneigung fähig und kann dann selbst trotz seiner Gier nach Gewinn gefällig sein. Die Waffen derUgogo sind mit grußer Geschicklichkeit verfertigt; sie bestehen ans einem Bogen, scharfen, mit Widerhaken versehenen Pfeilen, einigen Assegaien (Wurfspießen), einer Lanze, deren «0 <;m lauge Spitze einer Säbelklinge gleicht, einer Streitaxt und einem Streitkolben. Da der Ugogo schon von Kindheit au mit der Führuug der Waffen vertraut ist, gilt er, 15 Jahre alt, schon als ein Krieger. Soll es znm Kampfe kommen, so eilt ein Bote des Häuptlings von Dorf zu Dorf, indem er ans feinem Vüsfelhorn den Kriegsrnf erschallen läßt. Bei diesem Rufe wirft der Ugogo seine Feldjacke über die Schultern, eilt in seine Hütte nnd kehrt nach knrzcr Zeit als Krieger zurück. Straußen-, Adler- nnd Gciersederu schmücken dann sein Hanpt, ein lauger, roter Mautel'wallt von dcu Schultern; in den Händen trägt er den mit schwarzen oder weißen Zeichnungen bemalten Schild von Elefanten-, Nhinozeros- oder Büffclhaut. Lanze und Wurfspieße. Sein Körper ist bemalt, Glückchen hängen an den Knieen und Fußknöcheln. Um seiue Anknnft zn melden, stößt er die Elfcnbeinringe an seinen Handgelenken an einander. Ganz ohne Waffen ist der Ugogo überhaupt nie. *) Nach Dr. Hugo Friedmann. Dauid Livingstone nnd das Gebiet zwischen der Zanzibcn-küste und dein Tangcmyilasee. Aus allen Weltt. V. Jahrg. 1874. Ugogo und dessen Bewohner. 13 Die Dörfer der Ugogo liegen gewöhnlich in der Nähe von Quellen und die Wohnungen sind wie die der Usagara auf allen vier Seiten von einem gedeckten Hofe umgeben, der mit Thoren versehen ist. Dic äußeren Wände haben kleine Öffnungen, welche als Schießscharten dienen. Die Maurerarbeit der Ugogo ist jedoch sehr gebrechlich; denn sie besteht aus einem geflochtenen Zaun, der mit geftamvfter Erde überdeckt ist; eine Muskctenkugel schlägt leicht durch. In: Innern find die Hütten durch Verschlage in kleine Zimmer abgeteilt. Während die Kinder auf Fellen, die auf der Erde ausgebreitet werden, schlafen, besitzen die Erwachsenen ein Bett, das aus einer Ochscnhant oder dem Vaste vom Myambobaume besteht und auf cincu Nahmen gespannt ist; es heißt Kitamba. Das religiöse Bewußtsein ist ziemlich schwach; sie glauben jedoch an ein himmlisches Wesen, das sie Mulungu uennen, und das sie bei verschiedenen Gelegenheiten anrufen; die Priester gelten als große Zauberer. Als Haustiere besitzen die Ugogo Katzen, Kühe, Schafe; der Hund wird wie der Ochs zur Mast benutzt uud fommt nie ins Hans. Elefanten, Rhinocerosse, Vüffcl und zwei Antilopenarten bilden das jagdbare Wild. Braune, langköpfige Ratten machen sich als sehr lästige Hausgenossen geltend. Als fleißige Ackerbauer bauen die Ugogo uicht uur Koru (Sirch) für sich, fondern anch für die durchreisenden Karawanen. Die letzteren übernachten jedoch nie in den Dörfern, sondern halten sich denselben möglichst fern und verschanzen sich dnrch Dornenhecken, um einem etwaigen Überfalle des beutegierigen Volkes vorzubeugcu. Alle die Ncisendeu, die nach dem Tanganyikasee wollen, nehmen den Weg weiter westwärts über Unyamyembe, eine Landschaft in Unyamwcsi, dein „Moudlande". Hier sind die großen Faktoreien der arabischen Kaufleute, vou wo ans dieselben ihre Ncisediener „Fundi" zum Einkauf von Sklaven und Elfenbein in die umliegenden Landschaften fcnden, Hier muß jeder Reisende, komme er von der Küste, komme er aus dem Innern, eine Zeitlang verweilen, da die Contracte mit den Trägern nur bis auf diesen Platz lauten und die Träger hier gewechselt werden. Der Hauptort in Unyamyembe ist Tabora, früher Kaseh. Er besteht aus Gruftpeu arabischer Handelshäufcr und einzelnen Dörfern der Eingeborenen. Von hier ans rechnet man bis zum Tanganyikasec noch Zwanzig Tagereifen. 14 Deutsch-Ostafrtta. 3. Ein Urwald im Tisch agga-Lande. Charakteristik der Bewohner des Landes.*) Die Landschaft Taweta, 750 in über dem Meere, am Fuße des Kilima-Ndjaro, nennt der Schotte Josef Thomson „das kleine afrikanische Arkadien, ein Waldparadies, ein Kaleidoskop von unendlicher Schönheit". Zwar ist der größte Teil des Landes mit der Waldfestung Taweta selbst bei der Londoner Grenzregulierung (18W) den Engländern zugeteilt worden, doch haben wir das ebenso schöne westliche Dschagga-Land behalten, von dem Thomson sagt: „Ich habe noch niemals eine entzückendere, parkartigere Landschaft gesehen." Von der Küste (Mombas) bis Taweta ist das Land fieberfrei; „kein europäischer Reisender", sagt Thomson, „brauche sich hier vor einer Reise in das Binnenland zu fürchten, wenn er nur Vorsicht im Trinken beobachtet. Die Luft wirkt auf der ganzen Tour stets stärkend nnd erheiternd. Die kühlen Nächte sichern erquickenden Schlaf." — In folgender Weise schildert er einen Urwald dieses Landes: „Wir find in Verwunderung verloren über die erstaunliche Masse des Pstanzenwuchses, der uns überall in die Augen fällt. Die Natur spielt hier mit der Erzeugung großartiger Bäume, welche häufig 25—30 in hoch astlos emporwachsen, bevor sie ein prächtiges schattiges Laubdach entfalten. Dann verschlingen sich die Zweige mit denen der umstehenden Bäume, bis nur noch schwaches, buntfarbiges Licht durchdringt, welches in unzähligen Lichtern umhertanzt und zittert. Obgleich die Bäume bis zu jener Höhe ohne Äste sind, so hat es doch nicht den Anschein, alö ob wir in einem Walde von Stämmen wanderten, wie zwischen den Masten eines gefüllten Hafens. Ganz im Gegenteil! Von jedem günstigen Pnnkte schwingen sich biegsam, mit Laub bedeckte Schlingpflanzen von Baum zu Baum oder hängen in zierlichen dunkelgrünen Geflechten am kräftigen Stamme herunter. Schöne Palmen — die Navhia und die Hypaene oder wilde Dattelpalme —, blühende Gesträucher, eine Unzahl Farren und dann wieder blühende Pflanzen, erfülleu die Zwischenräume, *) Nach Thomson und Kurt Weiß, Wir geben hier (s. folgendes Stück) zwei Schilderungen der Landschaften Taweta und Dschagga, da nach den Lon-> doncr MgrenzmMN (Dez, 1i?8(i) die Demarlationslime zwischen der deutschen und englischen Interessensphäre diese Landschaften in der Mitte durchschneidet, ei» großer Teil also deutsches Land ist. Ein Urwald im Dschagga-Lande. 15 bis das Auge an dem üppigen Wachstnme und der tollen Verschwendung ganz irre wird. Affen, Hornvögel, Eichhörnchen und das liebliche Geplätfcher der Wäfser des schncegesättigten Lumi, der den herrlichen Wald von Taweta ernährt und ihm fruchtbare Feuchtigkeit das ganze Jahr hindurch Zuführt, beleben das herrliche Bild. Von Taweta aus genießt man aber auch fchon den Anblick des durch seine Silberkrone als König der Berge ausgezeichneten 5800 w hohen Kilima-Ndjaro." Das Land zeichnet sich aus durch seinen Rindviehreichtnm, namentlich sind die Kühe schöne fette Tiere, die übrigens nie herauskommen, sondern mit geschnittenem Futter ernährt werden. An Lebensmitteln ist kein Mangel: Fische, Geflügel, Eier, Hammel- und Ziegenfleisch, Tomaten, süße Kartoffeln, Mms, Maniok, Mais, Zuckerrohr, goldige Bananen und Gemüse verschiedener Art füllen den Tisch der Reisenden mit angenehmer Abwechselung und üppiger Fülle. Nirgends findet man so angenehme Eingeborene, von friedlichen Gewohnheiten, guten Sitten, überraschender Ehrlichkeit. Kurt Weiß (Meine-Reise nach dem Kilima-Ndjaro. B. 1886) schildert die Bewohner des Dschagga-Landes folgendermaßen: Die Bewohner des Dschagga-Landcö machen auf deu Reisenden einen ganz andern Eindruck als die verweichlichten, gutmütigen Suahelis. Man sieht hier unter den Männern schöne, kräftige Gestalten und selbst unter den Franen und Mädchen bemerkte ich einige, welche sogar nach europäischem Geschmack angenehme Gesichtszüge hatten. Die Bekleidung der Männer besteht gewöhnlich in einem Stück Gamti, welches mit roter Erde gefärbt ist und einfach über die Schnlter gehängt wird, von wo es etwa bis an die Oberschenkel reicht. Die Bewaffnung besteht hauptsächlich iu dem Dfchagga-Speer, dessen I V2 m langer Schaft mit einem breitlanzettförmigen, an den Rändern scharf geschliffenen, eisernen Blatt versehen ist; znweilen tritt als zweite Waffe hierzu noch Pfeil und Bogen. Ein großer Wert wird auf Zierrat und Schmuck gelegt. Bei Mäuuern und Frauen werden die Ohrläppchen geschlitzt und im Laufe der Jahre durch immer größere hineingesteckte cylinder-förmige Hulzstückchcn schließlich bis cmf die Schultern herabgezogen. In den auf diese Weise verschönerten Ohrläppchen werden dann noch namentlich von den Frauen große scheibenartigc Messing- oder Eisendrahtspirale getragen. Um den Hals tragen die Frauen entweder 16 Deutsch'Dstafrika. einfache Perlenschnüre aus großen blauen und weißen Perlen, oder 5—l! fache Schnüre aus kleinen roten nnd blauen Perlen. Der Halsschmuck der Männer besteht in Ringen ans starkem Eisendraht, welcher mit dünnem Kupferdraht umwickelt ist, oder ans kleinen Eisenkettchen mit ovalen Gliedern. Die haare werden von den Männern entweder zu zahlreichen dünnen Strähnen zusammengedreht, die vom Wirbel auö nach allen Seiten gleichmäßig verteilt sind, oder sie werden wie bei den Franen kurz geschnitten getragen. Armuno Fußgelenke werden dnrch außerordentlich starke Eisen- oder Messingdrahtringe verziert. Für ganz besonders schön wird es gehalten, den Körper mit der dort überall vorhandenen roten Erde und mit Fett einzurciben, ein Verschönerungsmittel, welches weder von Männern noch Franen verschmäht wird. Daß übrigens die Bewohner von Taweta ein kriegerisches Völkchen sind, dafür spricht der Umstand, daß sie, obgleich in der Nähe der räuberischen Massais wohnend, von diesen doch unbehelligt gelassen werden. 4. Das Felsculablirintli Tcita und die.Waldfestung Tawcta am Kilima-Mjaro. ?lach Wcnücke und I. Thomson.*) Vier Tagereisen westlich von Kisulutini liegt Teita, wie schon erwähnt, etwa auf dem halbem Wege nach dem Kilima-Ndjaro; aber die Unwirtlichkcit der Natur nnd die Feindseligkeit der Menschen verdreifacht die Schwierigkeiten dieses Weges. Krafts nnd Nebmann waren dort schon vor vierzig Jahren gewandert, der englische Reisende Thomson erst vor knrzcm, um auf dem kürzesten Wege dnrch das Gebiet der kriegerischen uud räuberischen Massai das östliche Nfer des Victoriasees zn erreichen. Tcita besteht ans einem fast unzugänglichen Felsenlabyrinth, in welchen: die als Viehdiebe und Menschenränber in der ganzen Nachbarschaft verhaßten Bewohner ihre niedrigen, nntcn ans der Küche, oben aus dem Schlafranm bestehenden Hütten mit kegelförmigen Dach errichtet haben, während sie ihre Felder und Wiesen an den Abhängen der Berge ans Fnrcht vor den Nachbarstämmen, namentlich den Massai, ohne Ansiedelung lassen. Der erste Missionar uuter ihnen hatte eine gntc Stunde mit Händen und Füßen bis zu seiner Hütte zu klettern. Die Leute sind ') Aus P. Wernicke. Die Mombas-Mission. Alldem. Missions»Zeit schiift 1886. — Thomson. Durch Massai-Land. Leipzig 1385. Felsenlabynnth Teita und die Waldfestung Taweta. 17 von großer Wildheit, und da jeder Berg voll einem besonderen Häuptling beherrscht wird, trotz ihrer geringen Anzahl von im ganzen nur etwa .'N> (»l»i selbst unter einander in feindliche Dürfer gespalten. Ihr schon an sich häßliches Gesicht entstellen sie noch mehr durch möglichst massenhafte Verwendung der bekannten afrikanischen Zierraten an Mnnd, Nase und Ohren, sowie durch das Ausrupfen der Augenwimpern, während sie den in der Regel kräftigen Körper und die Glieder mit Ketten aus allerlei Dingen behängen. Ihr eignes Ungeziefer verzehren sie als Leckerbissen. Sie sind dem Genuß eines bierartigen berauschenden Getränkes sehr ergeben, und schon mancher soll im trunkenen Zustande in der Nähe seiner Hütte eine Beute der zahlreich umherschweifeuden Hyänen geworden sein. Ihr Kultus besteht in einer Art Verehrung der Verstorbenen, deren Gebeine, Nachdem sie ein Jahr in der Erde gelegen haben, in Kisten eingesammelt werden. Sie glaubeu an eine Seclenwandcrung und an ein höchstes Wesen. Unter einander hassen sie sich, so daß sie nicht wagen dürfen, bei Tage dnrch die Dörfer anderer Stämme zu wandern. Und doch ist auch zu diesen Barbaren dem Evangelium der Weg eröffnet worden. Im Januar 18k,'; wurde vou Freretown ans der noch junge, aber tüchtige Missionar Wray in Begleitung des altbewährten Vinnö dahin ausgesendet. Nach einem achttägigen mühseligen Marsche durch wasserluse Gegeud fand er gnte Aufnahme und durfte die mitgebrachten Bestandteile eines kleinen eisernen Hauses in dem am westlichen Abhänge des 4000< hohen Teitabcrges gelegenen Dorfe Sagalla zusammenfügen. Binus kehrte auf einem anderen Wege in vier Tagen nach Kisnlutini zurück. Nach geraumer Zeit Merkten die Leute, daß Wray nicht ihren Feinden ähnlich sei, sondern sie verglichen ihn mit sich selbst und gestanden offen, daß er keines von den bösen Dingen thue, an die sie selbst allc von Kindesbeinen an gewöhnt seien. Der Mznngu (Europäer), sagten sie, ist nicht wie wir, auch nicht wie die Suaheli; uie giebt es Streit bei ihn«, er spielt mit uuseren Kindern, er läßt unsere eingeölten Leute ruhig nebeu sich sitzen und kranke Leute treibt er uicht von sich, wie die Suaheli thuu; dieser Mensch hat keine Sünde; er hat anch die Habichte verjagt, die unsere Hühuer stahlcu; er ist ein guter Mann. Nie weit das gnte Gerücht über ihu draug, zeigt der Umstand, daß ihm eines Tages ein vornehmer Mann ans dem 20 Meilen entfernten Dschagga eine Kuh zum Geschenk brachte. Der Sprache bemächtigte sich Wray, nachdem er sich des täglichen Verkehrs mit einem Vauuigartcn, Afrika. 2 18 Deutsch.Ostcifrita. bestimmten Manne versichert hatte, mit ganz erstaunlicher Gewandtheit; er verspricht in sprachlicher Beziehung für die dortigen Gebiete das zn werden, was Rebmann für den Küstenstrich geworden ist. Gs sei bei dieser Gelegenheit bemerkt, daß es gegenwärtig nicht nnr cm Dfchagga-Lerikon, sondern anch ein vom Missionar Shaw ver-faßtcs vergleichendes Wörterbnch des Nika, Teita, Kamba und Suaheli giebt. Wray hatte lange einen schweren Kampf mit dem Gefühl feiner Vereinsamung, Zumal da er vergeblich zn arbeiten schien. Daher gereichte es ihm zum großen Trost, als nach einigen Monaten Handford erschien, um ihn zn besuchen. Dieser fand ihn trotz aller anscheinenden Erfolglosigkeit in der rechten Stimmnng und konnte feine Art und Weise nnr billigen. Schon vorher hatte ihm der Reisende Thomson, der ihn besuchte, ein günstiges Zeugnis ausgestellt. Als die Heiden ihn eines Tages darum angingen, seine Zauberkräfte zur Erzielnng von Regen Zu verwenden, bestellte er sie zum uächstcn Sonntag nach seinem Hanse und betete vor ihren Augen. Am nächsten Tage regnete es nnd das Erstanncn der Heiden benutzte er, um noch am selben Tage eine Schnle zn eröffnen, zn welcher anch Ä1 Menfchcn kamen. Die meisten erlernten das Alphabet an einem Tage, Aber am Abend verlangten sie — Bezahlung. Einen eigentlichen Erfolg konnte er nicht bemerken. Der einzige, der sich ein wenig zugänglicher zeigte, war ein Mann, der sonntäglich znr Kirche kam, keine Sonntagsarbeit that nnd reine Kleider trug; aber er war kein Teita, sondern ein cutlaufener Sklave, der eine Teita-Frau geheiratet hatte. Es läßt sich denken, wie nnter folchen Umständen dem Missionar troh seiner prachtvollen Anssicht auf die schueebcdeckten Hänpter des Kilima-Ndjaro zu Mute gewefen sein muß. Leider mußte er schon im nächsten Jahre, als die Hungersnot lange währte, seinen Posten aufgeben. Nachdem nämlich endlich an der Küste reichlicher Regen eingetreten war, blieb merkwürdigerweise das Gebiet von Teita gänzlich regenlos. Der Hunger wurde unerträglich. Die Ursache wurde von etlichen der Anwesenheit des weißen Zauberers, bald seiner Glocke, bald seinen Instrumenten zugeschrieben, und nur dem Umstände, daß mittlerweile eine Fehde zwischen seinen Nachbarn und einem Dorfe entstand, in welchem seine erbittertsten Feinde wohnten, verdankte er seine Rettnng. Im elendesten Zustande kam er nach Frcrctown nnd wnrdc nnn dem Bischof Hannington nebst Handford ein willkommener Begleiter auf den Reifen nach dem Innern. Zuerst ging es wieder nach Teita Felsenlabyrinth Tcita und die Waldfchung Taweta, 1I zurück, wo sich der Bischof persönlich von dcr vorläufigen Unmöglichkeit ciner Misstonsarbeit, aber mich von dem guten Eindruck überzeugte, den Wray als frommer Christ überall hervorgebracht hatte. Der Hunger hatte nur noch einen kleinen Nest von seßhaften Einwohnern übrig gelassen, deneu mit Hilfe von hundert Trägern Nahrung und Saatkorn zur Bestellung der nächsten Ernte gebracht wurde. Als man aber hinterher nachforschte, hatten sie das Saatkorn nicht gesät, sondern in der Not aufgezehrt. Nun ging es an die Aufsuchung weiter westlich und günstiger gelegener Missionsplätze. Zunächst erlangte man Eingang in die Zwischen Teita und dem Kilima-Ndjaro gelegene merkwürdige Waldfestung Taweta, eine 7 Meilen lange uud 1 Meile breite, von gigantischen Waldbäumen verteidigte Niederlassung, welche nur durch ein einziges verschließbares Thor zugänglich ist. Die Reisenden fanden hier eine Thalsenkung von 2400" Höhe, ein Paradies von Schönheit und Fruchtbarkeit, begrenzt von dem kühlen Alpcnstrom Lumi, eine nicht geringe Bodenkultur uud geschickte Bewässerung, zum ersten Male eine Bienenzucht, ehrliche, reinliche, arbeitsame und höfliche Menschen, aber bei kolossalem Aberglauben die größte Sitten-losigkcit. Außerdem erwies sich das Klima als ungünstig. Nicht nur die Europäer, sondern auch ihre schwarzen Begleiter von der Küste bekamen Ficbcranfälle. Übrigens ist Taweta der Platz, den schon Krapf als erste innere Station bezeichnet hatte. Ermutigender schienen anfänglich die Aussichten in dem den südlichen Teil des Kilima-Ndjaro einschließenden Dschagga - Lande sich gestalten zu wollen. Schon durch Rebmanns drei Ausflüge dahin waren Land und Leute etwas bekannt. Eigentliche Dörfer giebt es dort nicht, und die zerstreuten Niederlassungen könnten an die Bauernhöfe Westfalens erinncru, wenn nicht die grußartige Natur zunächst zum Vergleich mit den Alpeu einlüde. Auch hier fanden die Reisenden ohne bedeutendere Schwierigkeiten Aufnahme. Unter mancherlei echt afrikanischen Ceremonicen, unter deneu namentlich die durch gemeinschaftliches Spucken auf den Kopf eines Schafs vermittelte Schließuug des Freundschaftsbündnisses zu erwähnen ist, wurden fie im März 1«85 bei dem Häuptling Mandara, demselben, mit dem schon von der Decken Vlutsfreundschaft geschlossen hatte, eingeführt, der sie inmitten einer Leibgarde von schwarzen Athleten in seiner prächtigen, fürstlichen Haltung, mit seinem intelligenten Gesicht und seinen, wo es ihm paßte, freundlichen Augen unwillkürlich an das erinnerte, was einst Stanley 2' 20 Deutsch'Ostaftika. von dem Kaiser Mtesa erzählt hatte. Aber auch Mandara ist nur ein Tyrann, der sich znr Oberherrschaft über die übrigen Häuptlinge zu erheben trachtet nnd sich die Anwesenheit der weißen Männer wohl ssefallen ließ, mn dnrch sie die Vorteile europäischer Kultur, besonders die Künste des Bauens, der Pulver- und Massenfabrikation zu erlangen, und der Bischof hatte, wie vordem schon der Reisende Thomson, Mühe, dem Geschenk einer Hütte zum bleibenden Wohnsitz zu entgehen. Der Menschenschlag am Kilima-Ndjaro machte den Eindntck der Kraft uud Intelligenz, uud die Missionare sahen sich verlangend nach passenden Plätzen für ihre Arbeit um, deren Besctzuug auch bei der Stimmung des Häuptlings Mandara keine Schwierigkeiten gemacht haben würde. Anßerdem lockte nicht nnr die wunderbar schöne Natur des Alpenlaudeö, die selbst den Iubelruf der sonst gegen Natnrschönheiten stumpfen Afrikaner hervorrief, sondern vor allem die Erwartung, daß in so bedcuteudeu Höhen mit ihren regelmäßig jeden Monat wiederlehrenden Niederschlagen die Gesundheit des Missionars geschützt sein werde. Aber bald sahen sic ihre Täuschung ein. Denn noch während ihres Aufenthaltes daselbst trat die Regenzeit ein und belehrte sie durch kolossale Güsse, daß ein Hochland in Afrika denn doch immer noch sehr verschieden von einem solchen in Europa sei. Wieder stellten sich Fieberanfälle ein, und ohne für den eigentlichen MissionZzweck etwas Greifbares erreicht zu haben, traten sie die Rückreise an. — Unterdes berichtet eine neneste Nachricht, das; sich auch im Dschagga-Laude selbst der Missionar Fitch niedergelassen hat (!^ss-stone", dem seltsam genug erst sechs Jahre nach feinen, Erscheinen, im Jahre 1X7^, die Ehre wiederfuhr, ins Deutsche überseht zu werden, während in dem gleichen Zeitraum viele Dutzeudc der elendesten Romane mit Beschleunigung in die Sprache des Volkes der Dichter und Denker übertragen wurden, ein neuer Beweis dafür, wieviel leichter es dem litterarischeu Schuude im Gegensatz zu wirklich gediegener Lektüre wird, in unserem hochgebildeten Säculum sein Fortkommen zu finden. Gustav Peyer. Die Gischließuua Centtal-Afrikas. Basel, Detloff 1881. go Deutsch.Ostafrika. 8. Unter den wilden Massai in Teutsch-Ostafrika. Tägliche Lebensweise auf dem Marsche. — Unter den wilden Massai. — KriegS« tanze. — Beständige Lebensgefahren. — Thomson als weißer Zauberer. Es dürfte angezeigt sein, dem Leser eine Vorstellung von nnserer täglichen Lebensweise zu geben. Es war anerkannte und unverletzliche Regel, ans dem Marsche zu sein. bevor die Sonne sich über den Horizont erhob. Beim frühesten Zeichen der Dämmerung, häufiger noch beim ersten Krähen der verschiedenen von der Karawane mitgeführten Hähne, taumelten wir ans dem Vett, tauchteu das Gesicht in kaltes Wasser, und wenn die Gegenstände gerade sichtbar wurden, saßen wir dranßen beim Frühstück, während die Askari das Zelt abschlugen, das Feldbett aufrollten und alles marschfertig machten. Für das Frühstück wurde nur wenig Zeit bestimmt, und wenn das Karmoisinrot des Morgenhimmels in goldigen Glanz überging, wurde das Zeichen zum Aufbrnch gegeben. Ich selbst gehe voran mit dem Nortrab, das Lager liegt hinter unS, und in der frischen, kräftigen Morgenluft eilen wir lustig vorwärts. Um diese Zeit haben die Leute einen kapitalen Schritt und ,jeder sucht in freundschaftlichem Wetteifer an die Spitze zu gelangen. Wie die Sonne jedoch höher steigt, stimmt sich ihr Enthusiasmus herunter. Die Schwachen und Fauleu beginnen hinten zu bleiben und bald sieht man sie hier und dort ihre Lasten abwerfen, sei es um auszuruhen, sei es unter dem Vorwande etwas in Ordnung zu bringen. Marodieren wird jedoch nicht gestattet und die Rast darf immer nur kurz sein. Jedermann weiß, daß einschlafen soviel heißt als rascher Tod durch dcn Spccr eines Massai. Martin bewacht den Nachtrab unserer Abteilung und sieht dort nach dem Rechten, während ich vorn meine Messungen und sonstige Beobachtungen anstelle und wenn möglich übermütige Rhinoceros und Büffel schieße und so gleichzeitig Gefahren beseitige und dcn Topf fülle. An die Wildnis werden wir übrigens gründlich erinnert, wenn wir die hungrigen Lente wie gefräßige Hyänen über das Wild herstürzen sehen, um mit Messerhieben nnd nnter zänkischen: Geschwätz sich die fetteren oder zarteren Teile zu sichern. Verwundungen sind nicht ungewöhnliche Vorkommnisse, nnd häufig muß unter dem fechtenden Pack durch die drohend aufgehobene Rute die Ordimug wiederhergestellt werden, zumal jeder weiß, daß Drohungen niemals umsonst ausgestoßen werden. Unter den wilden Massai. 31 Zwei Stunden nach dem Abmarsch aus dem Lager wird Halt gemacht, damit die lange Reihe sich wieder eng anschließe, denn jetzt bei sich erwärmender Atmosphäre beginnen die Massai zu erscheinen. Von allen Seiten werden wir begrüßt mit „Schöre! Schöre!" (Freund). Ich persönlich werde mit „Leibon!" (Medizinmann) begrüßt, was ich mit einigen nnartikulirten Töne erwiedere, um zu verstehen zn geben, daß ich ganz Ohr bin. „Gusak!" (Deine Hand) wird dann verlangt. Nachdem sie derb geschüttelt ist, kommen wir zu einem neuen Abschnitt in der förmlichen Begrüßung mit dem Worte „Sobai^" (Wie geht es Dir?), worauf ich antworte „Ebai!" (Gut!), dann läßt der Besucher seinen Begrüßungen einen Zusatz folgen, indem er fragt „Iogon? maschetan!" (Hörst Dn? Eine Perlenschnur!), uud ohne Zaudern wird eine solche dem reckenhaften Bettler überreicht. Mehr Vergnügen macht es, unter Begleitung freundlichen Lächelns die „Ditto" zu begrüßen, und zwar auch in anderen Worten als für Männer passen — („Tagirenja!" worauf sie „Go!" antwortet). Abgesehen von der Begierde nach Geschenken, empfangen uns die Masfai mit aristokratischer Würde. Sie laufen nicht wie in den südlicher gelegenen Ländern ängstlich beiseite, noch rennen sie unter rohem Gelächter und gemeinem Geschrei nebenher. Ruhig beobachten sie uns, neugierig ohne allen Zweifel, verbergen aber ihre Gedanken nnter einer anscheinend gleichgültigen Miene. Um Mittag wird der zum Lager ausersehene Platz erreicht. Jeder Händler sncht sich eine passende Stelle, und großes Rennen und Lanfen findet statt um den Platz nnter schattigen Bänmen oder um andere begehrenswerte Stellen. Der erste Mann, welcher eine geschützte Lokalität erreicht, sichert sich seine Ansprüche, indem er sie mit seiner Flinte oder einem andern Gegenstände belegt, und dann wird ihm niemand sein Necht streitig machen. Mnhinna war hierin groß; er schien instinktiv die wohnlichste nnd tranlichste Ecke zn erkennen, und verstand den Kniff, dort zuerst anzukommen. Wenn jeder im Lager ist, werden die Güter eines jeden Händlers anfge-stant und mit Fellen oder sonstigen Gegenständen bedeckt, um sie vor den spähenden Augen uud diebischen Fingern der Massai zu behüten. Wachen werden ausgestellt und ohne Zeitverlust gehen die Männer mit Axt nnd Gewehr hinaus, dornige Akazien umzuhauen, um eine starke Boma oder Umzänmuug herzustellen. Die Flinte wird für alle Fälle fertig gemacht, während kräftige Hiebe sich gegen die Stämme richten, und bald liegen die Bäume da, um weiter 32 Deutsch-Ostafrika. behandelt oder im laut schallenden Chor von Scharen dcr Lcnte nach den abgesteckten Linien geschleppt zn werden. Martin überwacht diese Arbeiten, während ich neben nnserm mächtigen Waren-Hansen Stcllnng nehme, mich den Blicken der Eingeborenen preisgebe nnd mit einer Tasse Kaffee labe, gewöhnlich in Gesellschaft von Iumba, der sich daranf versteht, in solchen Augenblicken heranzu-lavicren. Während die Arbeiten fortschreiten, erscheinen verschiedene Banden Gl^Moran von allen Seiten her, strahlend in einem ncnen Überzieher von Lehm nnd Fett, mit großen Speeren in der Hand, die in den Strahlen der Sonne fnnkcln, nnd mit Schilden, welche die Wappen dcr besonderen Distrikte oder Anführer in ncncr Aus-rüstung tragen. In dcr Nähe deZ Lagers vollführen diese Krieger eine Menge militärischer Bewegungen zum Beweise, daß sie einige Anfangsbegriffe militärischer Kunst nud des Wertes der Zucht und der einheitlich geschlossenen Thätigkeit besitzen. Darnach thuu sie sich zusammen, stecken ihre Speere in den Boden, lehnen die Schilde dagegen und vollführen sodann einen besondern Tanz. Gin Krieger hüpft einige Schritte vorwärts; dann springt er mit stramm-gehaltenem Körper, die Waffen an der Seite festnehmend und ohne die Knicc zu deugeu, verschiedene Mal gerade anfwärts nud wirft gelegentlich mit einem plötzlichen Nuck das lauge Haar des Hiuter-kopfes sich über die Stirn, Währeud einer vou ihuen dicscu Tanz ansführt, singen die auderen mit den ernsthaftesten Gesichtern dcr Well einen lächerlichen Willkommcngesang (nämlich zur Plünderung!). Die Verzerrungen ihrer Gesichter uud ihr sonstiger tiefer Ernst vereinigen sich zu einem unbeschreiblich komischen Bilde. Nachdem dcr Tanz vorüber ist, sind sie bereit, zum Geschäft überzugehen. Die hauptsächlichsten Redner auf beiden Seiten tauschen erst wohlgcsetzte Begrüßungen aus. Diesem folgt eine langdrähtige Erörterung über die angemessene Höhe des zu zahlenden Tributs. Bis die Hongofrage entschieden ist, wird die Umzäumuug fertig, nnd wir find geschützt vor jeder ernsten Gefahr, obgleich die Verdrießlichkeiten erst jetzt beginnen. Die Zelte sind aufgeschlagen uud eine zweite Dornenhecke ist nm sie angelegt, welche nnr eine kleine Stelle offen läßt. Diese wird von zwei Askari bewacht, welche mit freundlichen Manieren nud süßcu Worteu die Schrcckeu eines Eiubruchs der Mafsai zu mildern bemüht find. Alle solche Versuche sind freilich in der Regel umsonst, denn keiner wagt Hand an einen Krieger Unter den wilden Massai. gg zu legen, der sich in den Kopf gesetzt hat, mich und meine Sachen zu sehen. Mit der größten Unverschämtheit stößt er die Wache beiseite, macht sich breit und läßt sich gehen, kommt mit einer „Gott grüß dich Junge, schmeckt das Pfeifchen!"-Arie auf mein Heiligtum zu und setzt sich mit seiner übelriechenden fettstarrenden Person auf mein Bett oder was sonst seinen Vequcmlichkeitsgelüsteu zusagt. Förmlich selbst in seiner Anmaßung, pflegt er dann mich zu grüßen und bittet um einige Perlen. Diese gebe ich ihm in größter Eile, damit er sich nnr rasch wieder entferne. Nachdem ich endlich seinem unverschämten Gaffcu alle Wunder meines Zeltes und meiner Person preisgegeben habe, komplimentiere ich ihn hinaus, nicht ohne daß er einige übelriechende Erinnerungen an feine Gegenwart zurückläßt. Die unwürdige Behandlung, die wir zn erdnlden haben, ist geradezu unbeschreiblich. Hätte ein Krieger mich bei der Nase zupfen wollen, so hätte es keine Hilfe dagegen gegeben; und hätte er mich „auf die rechte Backe geschlagen", so hätte ich, gehorsam den Worten des Evangclinmö, ihm anch noch in aller Unterwürfigkeit „die linke anbieten" müfsen. Dank meinem Nufe als Medizinmann kamen solche Dinge indessen bei mir nicht vor. Aber vom Murgen bis zum Abend wurde ich wie eine „Ausstellung" betrachtet, und mnßte stets bereit sein, an die kriegerischen Bettler meine Perlen zu verschenken, — denn eine Weigerung dnrfte mau sich gar uicht träumeu lassen. Kein Mann wagte seine Flinte wegzulegen oder etwas frei liegen zn lassen. Nnr in großer Zahl dmfte man Wasser holen oder Brennholz sammeln gehen. Das Lager wurde beständig iu Unruhe erhalteu, die sich zuweilcu steigerte, wenn ein Massai gewaltsam Hand an etwas legte, was selbst mitten im Lager oft geschah, und damit ins Freie wollte. Dank nnserer Vorsicht gelang es ihnen selten; aber sonst war es unmöglich, es wieder zu erhalten, da kein Mensch an den Dieb herankommen konnte; man durfte ihn nicht einmal aus dem Lager ausschließen, ohne das Leben zn gefährden. Gegen Sonnenuntergang pflegen sich die Krieger in ihre Dörfer zurückzuziehen, so daß man einigermaßen wieder aufatmen kann. Das Thor wird geschlossen und eine Wache daneben anfgestellt. Dann durfte mau die Gewehre weglegen, Fcner anzüuden uud die Mahlzeit bereiten. Die Znngcn lösten sich uud eine allgemeine Heiterkeit trat ein, als wäre eine große Last von uns genommen. Dann und wanu wurde es still, weun eiu Herumstreichcr der Massai von der Wache angerufen oder ein Gewehr abgefeuert wurde, um Vauma arten, Afrika. I '34 Deutsch'Ostafrika. ihn fortzujagen. Das Geräusch des Lagers erreichte seinen Höhepunkt drei Stunden nach Sonnenuntergang und nahm dann allmählich ab, wenn die von der Arbeit und Last des Tages ermüdeten Träger, vollgegessen bis zum Rande, einer nach dem andern sich schlafen legten und nachher nür noch das häßliche Lachen und Heulen der Hyänen, das gelegentliche Brüllen der Löwen und das Bellen der Schakale durch die klare mitternächtliche Luft ertönte. Einige Tage nachher verfiel Thomson auf ein Mittel, sich bei den Massai als weißer Zauberer iu Respekt Zu sehen und sich dadurch vor Todesgefahr zu sichern. „Ich erzählte ihnen, daß ich dcr weiße Leibon der Lajomba (Suaheli) sei, daß ich das Land besuche, um durch meiue geheimen Mittel für die Händler die Stellen ausfindig zu machen, wo man Elfenbein kaufen könne. Mbaraticu (ihr Haupt-Leibon) sei ein Stümper im Vergleich mit mir. Es könne ja doch kein großer Medizinmann eine Haut gleich der meinigen haben oder solches Haar wie ich'^ „Nnn, dn da!" sagte ich, „komm heran, uud ich will dir deine Nase abnehmeu und wieder ius Gesicht setzen. Komm her. du brauchst nicht bange zu sein. Ah! du willst nicht! Sehr gut. Nun sich einen AugeubliÄ her und ich will dir etwas Neues zeigen. Du siehst meine Zähne? Höre, wie fest sie sind." (Dabei klopfte ich mit meinen Nägeln dagegen.) „Ihr seht, es ist kein Betrug dabei. Nun wartet einen Augenblick, bis ich den Kopf wegdrehe. Da seht, weg sind sie!" Jetzt schauderte aber jedermann in höchster Verwunderung nud die ganze Gesellschaft war auf dem Punkte zu flieheu. Sie beruhigend, drehte ich noch einmal den Kopf herum, brachte die Zähne im Nu wieder in Ordnung und unter vielen freundlichen Nerbenguugen vor meinen ver-wuuderteu Zuschauern klopfte ich noch einmal an meiue Zähne. Der freundliche Leser möge nämlich wissen (im tiefsten Vertrauen natürlich), daß ich ein paar künstliche Zähne habe, welche zn dieser Zeit wirklich Koldcs wert waren. Ich hantierte deshalb zum Staunen der Massai in angegebener Weise mit ihnen, und weil sie glanbtcn, ich könne das Gleiche mit meiner Nase oder den Augen thun, so riefen sie mich sofort als den leibhaftigen „I^ibon n'dor" (weißer Medizinmann) aus. Josef Thomson.*) Durch Massai-Land. Forschungen in Ostafrikci. Aus dcni Eugl. »on W. von Frecdeu. Leipzig, NrockhauZ 1885. *) Thomson hat 1883 nnd 1884 zuerst das Land der berüchtigten und >' ll — 5" 8) uon Mombaö bis znm Kenia (18400 Fuß), Ostafrilanische Kara wane». 9. Die ostafrilamschcn Karawanen. Die Wege in Ostafnka und deren Beschwerlichkeiten. — Die Träger-Karawanen im Innern. — Charakteristik des Pagazi. — Eine Unyamwezi'Karawane. — Eine Suaheli-Karawane, Gebahnte und sseebnete Wege, durch Arbeit und Kunst hergestellte Straßen sind in Ostafrika dnrchaus unbekannt. Man hat unr schmale Pfade, die wenige Spannen breit durch den Fuß der Menschen und Tiere in den Boden getreten werden. Während der Regenzeit verschwindet ein solcher Pfad, „er stirbt aus", wie die Afrikaner sagen, iudcm er von Gras überwuchert wird. In den Wüsten und offenen Gegenden laufen oft mehrere solcher Pfade neben einander her; in Bnschwäldern sind sie eigentlich nur Gänge, Tunnels uuter Dornen und Vaumzweigcn, uud der Träger hat große Not, mit seiner Ladung hindurch zu kommen. Iu angebauten Gegenden findet mau sie zuweilen durch ciue Art vou Hecken, Baumstämme, die querüber gelegt werden, und dann und wann durch ciue Art Pfahlwerk versperrt. Etwa ein Füuftel der Wegstrecke muß umn in offenen Gegenden auf die Krümmungen rechnen, anf anderen Strecken manchmal zwei Fünftel oder die Hälfte. In UZaramo und Khntn gehen die Wege durch hohes Kras, das nach Regengüssen sich niederlegt und in der trockenen Jahreszeit versengt am Boden liegt. Andere Pfade ziehen die bestellten Felder entlang, oder durch Flüsse, deren Wasser dem Wanderer zuweilen bis an den Leib und an die Brust reicht, durch Moräste oder tiefe Wafferlöcher. In Usagara ist das Erklimmen der Bergstufcn ungcmcin schwierig, wegen der tiefen Betten trocken liegender oder nasser Gießbächc, steiler Anhöhen, die wie Leitern ansteigen und an denen der Fuß auf Stcingcröll oder verflochtenen Wurzelu ausgleitet; dort müssen die Esel allemal eutlastet werden. Nicht minder unangenehm und beschwerlich sind solche Wege, welche an den Ufern der zahlreichen Flußbette und durch Dornengestrüpp am Fuße der Hügel hinlaufen. Pon Usagara bis znm Varingo-See und Victoria-Njansa zweimal durchzogen. Vom Kilima-Ndjaio (17 (XX)') an durchwanderte cr eine Reihe von Bergletten von <5 5—13 Pfeilen, die dorthin zeigen, wo Wasser ist, uud ausgehülsete Durrakolben. Manchmal wird auch ein junger Baumstamm über den Pfad hin gebogen, oder ein anderer eingegraben, den man mit einem Graswische, Schneckenhäusern oder dergleichen verziert. Wo mehrere Straßen znsammcutreffen, werden die, welche man nicht einschlagen soll, mit einem Baumzweigc oder Strichen bezeichnet, die man mit dem Fuße zieht. Am allerschlechtestcn sind die Wege im westlicheu Uvinza uud iu der Nähe von Udschidschi, denn sie führen abwechselnd-und oft beinahe gleichzeitig durch Schlamm uud Morast, Flüsse und Bäche, Dorngestrüpp und Gras, über unebenen Boden und an steilen Abhängen hinauf oder hinab. Die Furten sind selten mehr als brnsttief. Nur über zwei Flüsse, den Mgeta und den Nuguwu, sind Baumstämme gelegt, dio gauz rohe Brücken bildeu; etwas weiter aufwärts kann man aber beide durchwaten. Nur allein der Mala-garazi ist auch in der trockenen Jahreszeit so tief, daß man nur vermittels ciucr Fähre hiuübersetzcu kaun. In den bevölkerten Gegenden hat man Kreuzwege, und wo sie nicht vorhandeu sind, ist das Gebüsch oft so dicht, daß nur Elcfaut uud Rhinoceros hindurchdringen können. Eine Schar tüchtiger Arbeiter würdc dort eine Woche laug vollauf zu thun haben, um einen Weg für einen einzigen Tagmarsch zu bahnen. In Zanzibar wird behauptet, im Innern gebe es keine Karawanen. Das ist ganz richtig, wenn man damit den Begriff von Kamelen und Maultieren verbindet, wie iu Arabien und Persien, paßt aber nicht, wenn man eine Schar von Leuten, welche des Handels wegen reisen, als Karawane bezeichnet, und das Letztere muß man doch, denn Kamele siud ja nicht etwa die Hauptsache. Die Wanyamwczi kommen seit uudeuklichen Zeitcn au die Küste hinab; manchmal uud zeitweilig ist eine Straßculinie durch Krieg oder infolge von Blutfehden verschlossen gewesen, dann aber wurde stets eiue andere geöffnet. Ehe die Zuuahme des Verkehrs die Leute bewog, als Träger iu deu Dienst der Handelsleute zu treten, uud das geschieht erst seit wenigen Jahren, mußten die Kaufleute ihre Waren Ostllfnlanische Karawanen. 37 durch Sklaven befördern lassen, welche sie an der Küste mieteten, und anf dcr nördlichen und südlichen Route, also nach dem Nyanza-nnd Nyassa-See, geschieht das anch noch jetzt. Die Wanyamwezi betrachten gegenwärtig das Lasttragcn bei einer Karawane als einen Beweis männlicher Tüchtigkeit, Knaben saugen die Lust zu diesem Gewerbe gleichsam mit der Mnttermilch cin, Inngen von sechs oder sieben Jahren nehmen einen kleinen Glefantcnzahn anf die Schulter, und man sagt von einem jungen Menschen, dcr nicht Lust hat, Träger zu werden, er sitze in der Hütte und brüte Gier aus. Der Pagazi ist cin merkwürdiger Mensch; beim Vermieten wird er vom Kaufmann so hohen Lohn als irgend möglich herauszudrücken fuchen; dann arbeitet er um seinen Sold Monate lang; trifft er aber unterwegs in einer heimziehenden Karawane einen Freund, der ihn Zum Ausreißcu beredet, so wird er ausreißcn und die Früchte seiner Anstrengung, den Lohn, im Stiche lassen. Man muß darnm bei solchen Gelegenheiten die Träger streng überwachen. Ohne weiteres und ohne einc Veranlassung würden diese Wanyamweziträger nicht fortlaufen, weil dergleichen von dcr öffentlichen Meinnng streng verurteilt wird, aber kein Kaufmann ist im stände, sich die Zuneigung dieser Leute derart zu erwerben, daß nicht gelegentlich der eine oder der andere sich entfernte. Manchmal hängt das Verbleiben der Trägerschar wie an einem Haar; es ist vorgekommen, daß sie alle bei einem sehr genngfügigcn Vorwande die Ballen weggeworfen haben und abgezogen sind. Unter Umständen empfiehlt es sich, ihnen ihre Kleider mit Beschlag zu belegen und sie namentlich bei Nacht von bewaffneten Sklaven bewachen zn lassen. Doch nützen auch diese Vorkehrungen nicht immer, mid ist der Flüchtling einmal über die Lagerstätte hinaus, so hält es sehr schwer, ihn wieder zurückzubringen. Wir haben schou bemerkt, daß cö bei ihm als Ohrenpunkt gilt, das Gepäck uicht mitzunehmen; dagegen stiehlt ein Sklave, der die Karawane heimlich verläßt, allemal. In der Kisawaheli-Svrache nennt man Karawanen SasÄri, vom arabischen Safar, eine Tagereise, im Innern Rugendo oder Lugendo, einen Gang. Anf den Hauptstraßen findet man fast immer dergleichen. Nach aufwärts gehen sie am liebsten in den Monaten, in welchen die große nnd die kleine Regenzeit schließen, also nach der Küste im Juni nnd September, weil dann Wasser und Lebensmittcl in Menge vorhanden sind. Wer in der trockenen Jahreszeit auszieht, hat auf größere Beschwerden zu rechnen, muß für den Proviant das Doppelte, 38 Deutsch.Ostaftita. vielleicht das Dreifache zahlen, und auch darauf gefaßt sein, daß viele Träger ihm entlaufen. Aus dem Innern nach der Küste hinab gehen die Karawanen, mit Ausnahme der eigentlichen Regenzeit, immer; alier es hält schwer, die Leute von Nnyanyemlie zwischen Oktober und Mai zum Verlassen ihres Herdes und ihrer Felder zu bewegen. Wenn sie ihr eigenes Elfenbein fortschaffen, machen sie sich ohne weiteres auf den Wcg, und die Sorge für das Feld bleibt den Weibern uud Kindern, aber vom Kaufmanne verlangen sie in dieser Zeit übertrieben hohen Lohn und zaudern auch daun noch. Die Löhnung ist verschieden und wechselt oft. An der Küste liegt manchmal eine sehr große Menge von Trägern, die alle gern so rasch als möglich in ihre Heimat zurückwollen. Dann bricht Zwischen den verschiedenen Gruppen heftiger Streit aus, weil jede einzelne die audereu zurückdränge:: und zuerst bei eiuer demuächst abziehenden Karawane in Dieust treten möchte. Als die Wanyam-wezi crst anfingen sich als Lastträger annehmen zu lassen, forderten sie für eine Ncise von der Küste bis in ihre Heimat den Wert von sechs bis ucuu Dollars iu Domestics, gefärbtem Banmwollcnzcng, Mcssingdraht uud Snugomadschi, das heißt einer Klaspcrlc von der Größe eines Taubeneies. Bald nachher fielen die Löhne, stiegen aber wieder mit dein Anwachsen des Verkehrs bis auf zehn und zwölf Dollars im Jahre 185)7. Dazu kommen dann noch die Lebcns-mittel, nämlich uach alter Sitte ein Knbabah, 1^ Hfnnd Getreide täglich, oder in Ermangelung desselben Manioc, Bataten uud dergleichen, und au der (kreuze ciu Ochse, der als Geschenk betrachtet wird. Der Lohn für eine Neisc nach der Küste ist geringer, weil die Träger anf Rückfracht rechnen. Die Araber nehmen an, daß ein Träger vom Mecresgestade bis an den Tanganyila-See und wieder znrück anf etwa ^0 Dollars zu steheu kommc. Die Wanyamwezi lassen sich immer nur bis Uuyanyembe annehmen, und dort muß man eine neue Schar mietcu. Die Stärke einer Karawane häugt natürlich von den Umständen ab; manche zählen nnr ein halbes Dutzend, andere dagegen einige huudcrt Köpfe; sie steheu jedesmal unter einein Mudewa, Kanfmanu. Au gefährlichen Stellen wird still gehalten, damit mehrere Karawanen sich vereinigen und dann, fünfhundert bis tanfcnd Mann stark, einem Feind erfolgreichen Widerstand leisten können. Aber iu manchen Gegenden ist für eine so große Menschenmenge nicht gcnng Mundvorrat herbeizuschaffen, uud starkeKarawancn kommen immer uur langsam vorwärts; manchmal Ostafrilanische Karawanen. 39 erschöpfen sie auch das Wasser ganz und gar, so daß die nachfolgenden Not leiden. In Ostafrika hat man dreierlei Arten von Karawanen, die eine wird ausschließlich von Wauyamwezi gebildet, die zweite von freien Suaheli, oder Fnndi, Sklavcnfaktoren, im Auftrage ihrer Herren geleitet; au dcr Spitze der dritteu steheu Araber. Der Träger, Pagazi, entspricht dem wcstafritanischen Earregador. Die Wanyamwezi vereinigen sich in möglichst großer Anzahl; einige tragen ihre eigenen Güter, andere werden dun kleinen Eigentümern gemietet, nnd alle zusammen wählen eincn Mtongi, arabisch Nas Kafilah, das heißt Anführer, Obmann, Leiter. In einer solchen Unyamwrzi-Karawane giebt es weder Ausreißer noch Mißvergnügte; sie kommt rasch vorwärts, die Träger sind von Sonnenaufgang bis gegen elf Uhr morgens in Bewegung, machen zuweilen auch einen Nachmittagsmarsch, und schleppen ohne Mnrren schwere Lasten, namentlich Elefanten-Zähne, an denen manchmal zwei zu tragen haben; das Elfenbein wird dann an eine Stange gcbnnden, lind das nennt man eine Mziga ziga. Oft sind die Schnltcrn gedrückt, die Füße wuud, und die Leute gehen halbnackt, nm ihre Kleider zu schonen. Decken oder Zelte haben sie nicht, sondern schlafen auf der Erde, nehmen als Geld eiserne Hacken mit, wofür sie unterwegs Korn eintanschen, oder zahlen damit den Sultaueu Zwangstribnt. Nur wenige haben eine Ochsenhaut zum Lager, eincn irdenen Tops, eincn Stnhl und einen Kilindo, das heißt Koffer von Baumrinde, in welchem sie Zeuge uud Glasperlen verwahren. Bei uukräftiger Nahrung leiden sie viel von den Beschwerlichkeiten der Reise und vom Klima, manchmal brechen uutcr ihnen die Blattern ans, aber trotzdem kommen sie, wenn auch abgemagert, doch ziemlich wohlbehalten an der Küste an. Mit einer solchen Karawane kann ein Europäer nicht wohl reisen. Die Träger, welche ein arabischer Kaufmann (in: Kisawaheli Mtadschiri, arabisch Mnndewa) mietet, werden viel besser gehalten, essen mehr, arbeiten weniger und vernrfachen vielerlei Umstände. Außerdem sind sie unverschämt, maßen sich an, die Zeit des Auf-brcchens nnd der Nast zu bestimmen, und klagen stets über viele Arbeit; zn Hanse müssen sie sich mit einem magern Brei begnügen, unterwegs dagegen ist ihnen auch das Beste kaum gut genug, und sie haben immer nur Essen im Kopfe und auf der Zunge. Maiichmal find sie ans Fleisch mit einer Art von Wahnsinn versessen. Vom geschlachteten Ochsen erhält der Kiraugozi (Anführer der Träger) 40 Deutsch'Ostaftila. dcn Kopf, nachdem er Brust und Lende den Mtongi (Haupteigcn-tümer der Waren) gegeben ; das Übrige wird unter die verschiedenen Khambi, Tischgenosfenschaften, verteilt. Für einen Europäer ist es auch nicht rätlich, mit einer solchen Karawane der Araber zu reisen, weil sie viel Zeit vertrödelt, ohne eigentlichen Plan bald rasch, bald langsam vorwärts geht, nnd cmch sonst mancherlei Übel-stände hat. Anders verhält es sich mit dcn Handelskarawaneu, welche von Suaheli, Wamrima und den Sklavenfaktoren (Fnndi, etwa ähnlich wie die Pumbeiros iiu portugiesischen Afrika) geleitet werden. Diese Nüssen mit dcn Pagazi umzugehen, und verstehen deren Sprache nnd Sitten. Solche Safari hnngern nicht wie jene der Wanyamwezi, und prassen auch nicht wie die Araber. Unterwegs haben sie weniger Beschwerden, an den Halteplätzen richten sie sich gemächlich ein und leiden wenig dnrch Krankheiten. Diese Halbafrikancr hegen große Abneignng gegen die Araber nnd alle anderen Fremden, legen ihnen möglichst Hindernisse in den Weg, verbreiten uuter deu (Angeborenen allerlei nachteilige Gerüchte, verlocken die Träger nnd Sklaven zum Ansreißen nnd geben sich die größte, obwohl vergebliche Mühe, ihr altes gewinnreiches Monopol des Handels mit dem Innern zu behaupten. Burton. 10. Leben und Treiben in einem ostafrikanischen Dorfe.*) Der Ostafrikaner führt ein weit behaglicheres Leben als der indische, vielgeplagte Bauer, der Reiot, nnd kann in dieser Beziehung den Vergleich mit der großen Masse der Landlcnte mancher europäischer Länder auöhalteu. Das gilt freilich uur vou solchen Bezirken, welche nicht allzusehr dnrch dcn Sklavenhandel zerrüttet worden sind. Zum Nachtlager dient eine Knhhant nnd man steht früh ans. Am Tage ist die Hütte kühl nnd ganz angenehm; beim Schlafengehen wird jedoch der Eingang zugemacht nnd dadnrch die Luft drückend und unangenehm. In der Stunde vor Sonnenaufgang verspürt mau Kälte, zündet ein Feuer an uud greift sogleich zu dem unzer- ') Forfchmlssörcisen in Arabien nnd Oswfrika. II. Vd. (Vuiton, Spele, Rebmann, «rapf.) Bearbeitet vun Kall Andiee. Leipzig, 1861, Costenoble. Leben nnd Treiben in einem ostafrlkanischen Dorfe. 41 trennlichen Geführten, dcr Tabakspfeife. Späterhin wird dcr aus Binsen geflochtene Thürvorhang weggenommen, und man geht hinaus, um sich von den erwärmenden Strahlen bcfchcinen zu lassen. Die Dörfer sind stark bevölkert, die Hänser stehen dicht neben einander, und die Bewohner derselben können in aller Bequemlichkeit miteinander schwatzen. Etwa um sieben Uhr ist dcr Thau vom Grase verschwunden, und nun treiben die Knaben das Vieh auf die Neide hinano, nm crst gegen Sonnenuntergang mit demselben zurückzukehren. Abends unl acht Uhr genießt man einen Brei, der aus Durra bereitet wird; man nennt ihn Ugali; wer sich Pombe, Bier, verschaffen kann, trinkt davon von früh bis spät. Der Mann hat nach seinem Frühimbiß die Pfeife genommen und ist zur Iwanza gegangen, einer großen Hütte, welche als Ver-Imnmlungs- und Ocscllschaftsort dient und wohin die Fraueu uicht kommen dürfen, Dort verweilt er den größten Teil des Tages über müßig, schwatzt, lacht, schläft nnd schmaucht Tabak. Nicht selten vertreibt er sich die Zeit durch Spiel, denn das ist seine Leidenschaft. Sehr beliebt ist „Kopf oder Rücken", das er mit einem flachen Steine, einem ruuden Stück Zinn oder mit dein Boden eines zerbrochenen Topfes fpielt; einige verstehen auch das Bao, welches an dcr Küste häufig vorkommt; es ist eine Art von Roulette, das man mit starken Marken spielt, auf Tafeln, in welchem tassen-fürmige Vertiefungen angebracht sind. Unter den Wanyamwezi haben sich manche durch das Spiel so sehr zu Grunde gerichtet, daß sie sich als Sklaven verlaufen mnßten; andere haben ihre Mutter gegcu eine Knh oder zwei Ziegen beim Spiel eingesetzt, An Streitigkeiten und Schlägereien ist natürlich bei solchen Belustigungen kein Mangel, sie pflegen indessen unter Bewohnern ein und desselben Dorfes unblutig abzulanfcn. Zu anderweitigem Zeitvertreib schnitzelt man an einem Stück Holz, bohrt Pfeifenröhre und umflicht dieselben mit Draht, schert einem Nachbar den Kopf, zieht sich auch wohl die Haare aus Bart, Brauen und Augenlidern, oder putzt au den Waffen herum. So kommt die Mittagszeit heran nnd der Afrikaner schlendert nach Haufe, um gegen ein Uhr feine Hauptmahlzeit einzuuehmen, welche die Frau für ihn bereit hält. Indessen liebt er es doch sehr, mit anderen beisammen zu sein und läßt auch wohl die Speisen nach dcr Iwanza bringen, wo sich dann anch seine Knaben und einige Männliche Verwandte einfinden, um an der Mahlzeit teil zu nehmen. 42 Deutsch'Ostafnla. Dem Wilden und dem Barbaren ist das Essen die Hauptsache, sein Eins und Alles; am Tasse denkt er unablässig daran und nachts träumt er davon. Der Magen ist sein Gebieter, und mit Mißgunst blickt er auf jeden, dcr mehr und bessere Speisen hat als er selber. Seine Hanfttnahruugsmittel sind Fisch und Fleisch, Getreide und Gemüse; daneben genießt er Milch, Butter, Honig und einige Früchte, zum Beispiel Bananen und die Früchte dcr Guinnapalme; zur Berauschung trinkt er Pombe, das heißt Hirscbicr, Palmwein und Mawa, das ist Pifangwein. Der arme Mann genießt täglich Getreide, entweder Dnrra, Mais oder Vadschri (Pauicnm); Weizcubrot haben nur die Araber, Reis wird nicht allgemein gebant. Nach der Mahlzcit streckt der Ostafrikaner sich ans, hält einen langen Schlaf, wie am Morgen, nnd dann rancht er, schwatzt nnd spielt. Gegen Abend ist alles draußen, um die Kühle zu genießen; die Männer sitzen vur der Iwauza, dcr Vcrsammlungshalle; die Frauen nnd Mädchen holen Wasser, setzen sich dann anf kleine Stühle, schmauchen Tabak und unterhalten sich miteinander. Späterhin melkt man die Kühe, macht die Thür zu uud geht schlafen; doch sitzen die Männer oft bis in die Nacht hinein um ein Feuer in der Iwanza, Diese Menschen sind noch nicht einmal so weit, daß sie einen Docht kenueu oder Fett zum Brennen in eiu Gefäß thun; statt der Lampen oder Kerzen bedienen sie sich eines Steckens von dem ölhaltigen Mtata- oder Msasabamne; er ist gelb und hart, hat dichtes Korn, biegsames Holz mit wenig Knoten, nnd wird auch zu Speeren, Bogen nnd Gehstöcken benutzt. Solch ein Stecken brennt etwa eine Viertelstunde lang mit heller Flamme. Um Mitternacht liegen alle in tiefem Schlafe uud fchuarchen biö Tagesanbrnch. Zur Glückseligkeit gehört ein Nansch bei Tage und Bewußtlosigkeit während der Nacht; man steht morgens früh auf, um fchon nach einigen Stuuden die Wonne des Schlafes wieder haben zu können. Bei einem solchen Leben nnd Treiben würde ein Europäer bald zu Grunde gehen, aber jene Barbaren halten daoselbc aus. Sie haben keinen Branntwein und leiden deshalb nicht an Säuferwahnsinn, nnd ihr Gehirn strengen sie höchstens bei ihren Glücksspielen cin klein wenig an. Abspannung udcr Anspannnng der Nerven kommt bei ihnen nicht vor. Die Sonnnerzeit wird in vollständiger Trägheit verlebt, aber wenn der Wintcrregen kommt, muß man sich allerdings etwas um das tägliche Brot bemühen. Dann verläßt der Leben und Treiben in einem oftafritanischen Dorfe. 43 Bauer zwischen sechs und sieben Uhr morgens seine Hütte, manchmal ohne etwas genossen zu haben, weil jetzt Nahrungsmittel seltener Werden; er speist erst, wenn er bis Mittag gearbeitet hat nnd dann Wieder heimkommt. Nachmittags arbeitet er wieder ein wenig, und dabei müssen ihm die Weiber helfen. Abends gehcn alle nntcr Gefang ins Dorf zurück. Zur Zeit des Mondscheins ergeht es dem Afrikaner wie dein Schakal; er wird aufgeweckt uud ungewöhnlich regsam. Die Mädchen werden unter Getrommel und Getöse aus den Hütten geholt, um den Tanz mit anzusehen, der übrigens nur höchst sclteu für beide Geschlechter gemeinschaftlich ist. Bei ihren Sprüngen sind sie allemal sehr ernsthaft, und auch von ihrer Musik läßt sich nicht viel Rühmliches sagcu. Sie halten deu Takt gauz vortrefflich, aber im übrigen ist es mit ihrem musikalischen Sinne schlimm bestellt; sie bringen es nicht über die einfachsten und einförmigsten Toukombina-tioneu hinaus, nnd auch in dieser Beziehung, wic in allen anderen Dingen, fehlt ihnen das Talent zum Schaffen. Doch mnß hervorgehoben werden, daß sie an Harmonie ihre Freude haben; der Fischer fingt zum Ruderschlag, der Träger, wenn er seine Last schleppt, die Fran, wenn sie Korn zermalmt. Manchmal sitzen die Baueru am Abend stundenlang im Kreise und wiederholen mit unablässigem Eifer immer und immer wieder ein paar Noten, die sich stets gleich bleiben, und ein paar Worte, die eigentlich nichts bedeuten. Das Recitativ wird vom vollen Chore uuterbrocheu, der zumeist in Dur singt. In die Einförmigkeit deö täglichen Lebeus uud Trcibeus kommt einige Abwechslnng dnrch häufige Trinkgelage und zuweilen durch eiue Jagd. Die Gäste verfammelu sich früh am Tage, und nehmen im Krcifc Platz nnd fetzen sich je zn Dreien oder Vieren dicht nebeneinander, damit die Schale besser herumgehen könne. Der Mwan« dasi, der Mann, welcher dieselbe füllt und jedem einzelnen reicht, bedenkt uud bedient znerst die Häuptlinge und Altesten, welche auch größere Gefäße erhalten als die übrigen. Der Sonso, Trinkbecher, der auch auf Reisen als Feldflasche dient, wird von den Frauen aus einer Oraöart, Mawu, oder wilden Palmblättcrn verfertigt. Die Stengel werden gespalten und zn feinen Fäden gedrillt, welche dann vou uuten auf zusammengerollt, aneinandergclegt und zusammen-gebnnden werden, so daß das Ganze eiuem abgestumpften Kegel oder eiuer türkischen Kappe, dem Fez, gleicht. Häufig wird dieser Vccher 44 Deutsch.Ostaftlka. mit roter und schwarzer Farbe verziert; er ist etwa fünf Zoll tief, hat scchs Zoll im Durchmesser nud hält ungefähr ein Quart. Er geht unablässig in der Runde umher uud niemand läßt eine Neige darin; die Zecher machen eine Pause nnr, wenn sie schwatzen, lachen, cine Prise nehmen, Tabak kauen nnd Bhany rauchen. Auf solche Weise vertreibt man sich die Zeit wohl vier Stunden lang, nnd allemal so lange, bis das für ein solches Fest zubereitete Pombe zu Ende gegangen ist. Dann schwanken die Trinkbrüdcr mit rutunter-lanfenen Angen nach Hause, um zu schlafen. Schwerlich sieht mau iu irgend einem europäischen Lande so viele Trunkenbolde wie in Ostafrika; auch die Weiber, welche übrigens nicht in Gemeinschaft der Männer trinken dürfen, haben ihre Pombcgelage und berauschen sich. 11. Charakter der Ostafritaner. Dem Psychologen bietet Ostafrika cin ausgedehntes Feld für die Beobachtllug. Dort findet er den Geist des Menschen noch in den Anfängen und der materiellen Natur und deren Wirkungen dermaßen unterworfen und von denselben so abhängig, daß er sich weder fort-, entwickelt noch zurückschreibet. Man könnte fast in Versuchung geraten, diesen Menschen eher wie eine Ansartnng civilisirter Geschöpfe zu betrachten, denn als einen Wilden, welcher den ersten Schritt vorwärts thut, wenn er nicht offenbar für jede Wciterentwickelnng unfähig wäre. Ihm fehlt der Ring vom echten Metall; in ihm ist kein fo reiches und volles Wesen wie etwa im Neuseeländer, den man — bis auf eiuen gewissen Grad — erziehen nnd ansbilden kann. Er scheint einer jener kindischen Rassen anzugehören, die sich nie bis zum Mann emporheben, und wie abgenützte Glieder aus der großen Kette der beseelten Natur herausfallen. In ihm vereinigt sich die Unfähigkeit des Kindes mit der Unbiegsamkeit des Alters, die Unzulänglichkeit des Kindes und die Leichtgläubigkeit der Ingend mit dem Skepticismus der Erwachsenen und der Steifnackiglcit des Alters, das am Überkommenen klebt. Er hat Meer, Seccn, und wohnt in einem vielbesuchten Lande; seit Jahrhunderten steht er in unmittelbarem Verkehr mit den weiter entwickelten Anwohnern der Ost-küstc, und jeder hat wenigstens Araber, wenn auch nicht gerade Enropäer gesehen. Und doch ist er vor der Schwelle des Fortschrittes stehen geblieben; bei ihm ist keine höhere und mannigfaltigere Charakter der Ostafrikaner. 45 Stufe der Einsicht zum Vorschein gekommen. Selbst die einfachen Wahrheiten des Islam haben keinen Eindruck gemacht auf diese Menschen, welche zwar denken können, aber alles Denken hassen, weil sie sich vollauf damit beschäftigen, ihre leiblichen Bedürfnisse zu befriedigen. Ihr Geist ist auf Gegenstände beschränkt, die sich hören, sehen nnd fühlen lassen; er ist in den Kreis des sinnlich Wahrnehmbaren gebannt nnd kann darüber nicht hinaus; auch will und mag er sich lediglich nur mit dem Augenblicke, mit der Gegenwart beschäftigen. Gedächtnis und Phantasie fehlen ihm. Dieser Ostafrikaner erscheint, wie andere Barbaren auch, als ein seltsames Gemenge von Gutem uud Bösem; aber das schlimme Element ist sorgfältig gepflegt worden, das gute gar nicht. Im allgemeinen kann man als Regel annehmen, daß der civilisirte Mensch, der höchste Typus, dem Antriebe der Verstandeskraft, der Vernunft, gehorcht; der Halbcivilisirte (z. B. die großen Völker im Osten) läßt sich von Gefühlen. Wallungen und Neigungen in einer für uus oft unbegreiflichen Weise bestimmen; der Barbar erscheint als Sklave des äußern Antriebes, der Leidenschaft nnd deö Instinktes, die alle nur äußerst schwach vom Gefühl beeinflußt wcrdeu; er hat ganz und gar keinen Begriff von geistiger Zucht. Dem höher gebildeten Menschen erscheint er als ein der Vernunft abgekehrtes Geschöpf, ein Geschöpf, in welchem keine Logik ist, eine Masse von lantcr Widersprüchen. Seine Wege sind nicht unsere Wege, seine Vernnnft ist nicht wie unsere Vernunft. Er leitet Wirkungen aus Ursachen ah, die wir nicht kennen, er erreicht seine Zwecke uud Ziele durch Mittel und Wege, für welche wir kein Verständnis haben; seine Kunst-griffe und sein ganzes Verfahren sind so einfältig nnd ohne alle Folgerichtigkeit, daß sie uns gerade dadurch überraschen, verächtlich erscheinen. Dieser Schwarze ist ein Embryo von zwei höheren Rassen geblieben, dem Europäer, dessen Geist thätig und gegenständlich, analytisch uud perceptw ist, und dem idealen, snbjektiven, synthetischen und reflektivcn Araber. Er hat viel von den schlechten Merkmalen der niedriger orgauifirten Typen des Ostens, nämlich geistige Versumpfung, körperliche Trägheit, uneutwickeltc Moralität, Aberglauben und kindische Leidenschaft. Der civilisirte Mensch trachtet dahin, seine Sclbstsncht zn verdecken, bei diesem Barbaren tritt sie dagegen ganz offen hervor. Dankbarkeit kennt er nicht, wer ihm eine Wohlthat erzeigt, wird für 46 Deutsch-Ostafnka. schwach ssehalten, ihm ist die Hand, von welcher er Futter erhält, ganz gleichgültig. Nber den Tod eines Verwandten oder Kindes klagt cr vielleicht an: Abend, aber am andern Morgen denkt er nicht inehr daran. Gastfreundschaft übt er nnr, wenn dabei etwas zn gewinnen ist, und feine erste Frage bleibt allemal: Was willst du mir geben? Einem Fremden, der ins Dorf kommt, wird die aller-schlechteste Hütte angewiesen, und wenn er sich beklagt, entgegnet man ihm, draußen fei ja Platz genug. Sein Wirt verlangt für alles, was er giebt und gewährt, fogleich Vorausbezahlung; ohne diese kann mau Huugers sterben, wenn auch ringsum Lebensrnittel vollauf wären. Es gäbe für den Fremdeu keine Sicherheit, wenn er nicht das Schießgewehr hätte, uud weuigsteus die Häuptlinge die Notwendigkeit von Handel uud Verkehr einigermaßen begriffen; deshalb nehmen sie den Kaufmaun uuter ihren Schutz. Der Haudel bringt Vorteile, von anderen Fremden erwartet man dergleichen nicht, nnd behandelt sie deshalb mit weniger Rücksicht. Der Schwarze verweigert einem verfchmachtcuden Manu einen Trunk Wafser, wenn er auch Überfluß daran hat; er wird keine Hand ausstrecken, um die Wareu eiues anderen zu bergeu, wenn auch tauscndc dabei verloren gingen. Was geht ihn das an? Aber er geberdet sich lächerlich heftig, wenn ihm felber eiu zerlumptes Stück Zeug oder ciu lahmer Sklave abhauden kommt. Er ist geizig uud karg auch dann, wenn etwas ihm Vergnügen macht; seine Köter liebt er mindestens eben so sehr wieseine Kinder, aber er giebt diesen Hnnden nur selteu ein weuig zu fressen, und kann nicht begreifen, daß die Araber ihrc Esel mit Korn füttern; er giebt fein Erstaunen darüber mit einem langgezogenen Hi! hi! zu erkennen. Er ist höchst unbedachtsam, kennt keine Vorsorge, denkt nicht au morgen, nud wird uns gewiß nicht deu Weg zeigen, bevor man ihm Glasperlen gegeben hat. Es wurde schon bemerkt, daß in allen Dingen Vorausbezahlung geleistet werden muß; freilich hält uiemand ein gegebenes Versprechen nnd keiner glanbt sich durch irgeud eiue Verftflichtuug gebuuden. Verlaugt man auch uur für eiuc Stunde Kredit von ihm, dann entgegnet er: „In meiner Hand ist nichts." Wahrheitsliebe ist uuter derartigen gesellschaftlichen Verhältnissen keine Tugend, nnd die Lüge ist anch dann an der Tagesordnung, wcuu der Lüguer vuu ihr weder Nutzeu uoch Vergnügen zu erwarten hat. Weun ein Unyamwcziführcr dem Reisenden sagt, daß nur eine Charakter der Ostafrikaner. 4? kurze Strecke bis zum nächsten Halteplätze sei, dcmn darf er mit Zuversicht darauf rechnen, daß ihm ein langer und beschwerlicher Weg bevorsteht, und umgekehrt. Der Schwache und Unterdrückte benutzt die Unwahrheit als eine Waffe, aber der Schwarze in diesem Lande will belogen sein und hat das Sprichwort: „Es ist besser, betrogen zu fein, als nicht betrogen zu werden." Auch halsstarrig und ungestüm ist dieser schwarze Ostafrikaner, uud keine Zucht würde über ihn etwas vermögen, nnd in dieser verstockten Widerspenstigkeit und seinem Eigensinn gleicht er manchen Tieren. Neun er beim Tauschhandel irgend einen Gegenstand, auf welchen er sich einmal gesteift hat, nicht erhalten kann, so schleppt er gewiß alles, was er mitgebracht hat, wieder nach Hause, nnd wäre es anch noch so weit hin. Alles Handeln hat eiu Ende, sobald der Verkäufer dem, welcher bietet, den Nucken zuwendet; gefordert wird ohne alle Rücksichtnahme auf den Wert eiuer Ware. Nie geht ein Geschäft glatt vor sich, es ist allemal Ärger dabei. Nachsncht ist eine stark vorwaltende Leidenschaft; dafür liefern die vielen blutigen Fehden zwischen nahe verwandten Stämmen den Beweis. Rache und Niedcrvergeltmig crfcheu einen Nechtszustand, uuu welchem man gar keine Ahnnng hat, nnd Vaterliebe, Sohnes-und Bruderliebe scheiut man nicht zu kennen. Selten wird ein Mann um einen gestorbenen Vater, nm seine Mutter, um einen Verwandten eine Thräne vergießen, nnd von Trauer wird man wohl nur ausnahmsweise eine Spur zu finden vermögen. Es ist wahrhaft peinlich, wenn man mit ansehen mnß, daß ein von den Blattern ergriffener Träger mitten im Walde liegen bleibt, ohne daß seine Gefährten sich weiter um ihn bekümmern. Der Mann wird vielleicht noch einige Tage leben, aber kein Lohn, nicht einmal die Glasperle, wird einen andern Menschen vermögen, dem Kranken einige Pflege angcdeihen zu lasseu. Mau wird ihn von jeder Hütte forttreiben; cr mag sich, wenn er kaun, ein Obdach im Freien aus Zweigen zu>-recht macheu. Er stellt dann seine Schale mit Getreide uud seine mit Wasser gefüllte Kalebasse nebeu sich hiu und wartet ab, bis er stirbt. Dann ist er ein Fraß für die Hyänen nnd die Raben. Der Schwarze bricht oft plötzlich in Wut aus, uud bei diesen Aufällcu läßt er sie an lebendigen und unbelebten Gegenständen ohne Unterschied aus; er ist ungeduldig bis zum Lächerlichen und wird manchmal wahnsinnig, wcuu sein Wille ihm nicht geschieht. In seinem eigenen Lande stellt sich seinem ganzen Treiben kein Hindernis 48 Deutsch.Ostafrika. entgegen, dort kann er anmaßend und heftig sein, aber in anderen Gegenden darf er sich so nicht gebärden. Die Araber sagen: „In ihrer Heimat sind die Schwarzen wie Löwen, bei nns wie Hunde." Die Weiber sind wie Furien nnd im höchsten Grade widerspenstig; es ist nnmöglich, sie zum Schweigen zu bringen, und beim Zanke der Männer schelten sie tapfer mit nnd hetzen weidlich; sie weinen nnr selten. So redselig und geschwätzig sind die Schwarzen, daß sie selbst den redseligsten Araber ermüden. „Lange Worte!" Maneno marefu, hört man alle Augenblick als Vorwnrf anssprcchen. Im Nausche ist der Ostafrikaner sehr reizbar; er stellt dann die Beine weit auseinander, schreit, fährt mit den Armen umher, oder schwingt Speer, Bogen und Pfeil wütend in der Luft, doch kommt es nicht gar oft znm Blutvergießen. Beim ganzen Ncgerstamme, nnd anch bei diesen Schwarzen, ist der Zcrstörungssinn sehr scharf ausgeprägt; ein Sklave, der etwas zerbricht, wird dabei unwillkürlich ein Gelächter der Schadenfreude erheben. Das eigene Leben gilt dem Schwarzen sehr viel, aber das eines andern, und wäre dieser auch ein naher Verwandter, achtet er nicht höher als das einer Ziege. Man hat bei Fmcvsbrünsten in Zanzibar gesehen, daß die Schwarzen nuch Holz in die Glut warfen und vor wilder Wonne tanzten nnd sangen. Bei dergleichen Gelegenheiten werden sie dann von den Arabern wie Hunde totgeschossen. Die Ehe ist ein Handelsgeschäft. Der Mann muß eine Frau nehmen, weil er eine solche brancht, nm sich behaglich zn fühlen, nnd deshalb kauft er die Ware. Der Vater verlangt von dem Bewerber so viele Kühe, Stücke Zeug oder Arm- und Fußrcifcu von Messingdraht, als dieser ablassen kann; nachher gehört die Tochter dem Käufer, bei welchem sie mit dem Vieh in gleicher Linie steht. Der Mann kann seine Frau verkaufen; ein anderer Mann, welcher sie ihn: etwa wegnimmt, muß für sie so viel zahlen alö sie auf dem Sklavenmarkte wert wäre. Mitgift kennt man nicht, Feierlichkeiten beim Abschlnß einer Ehe eben so wenig; der Vielweiberei ist keine Schranke gezogen, und die Häuptlinge rühmen sich der Anzahl ihrer Frauen. Diese Schwarzen sind gierig und gefräßig, und lieben häufige und kleine Mahlzeiten, um sich den Genuß drs Essens recht oft zu verschaffen. Selbst die civilisirtcren Kisawahcli haben keine Ausdrücke für Frühstück, Mittagsmahl und Abendessen. Auch die oft- Charakter der Ostafrikaner. 49 afrikanischen Barbaren können im Notfall mit wenig Speise sich behelfen, dagegen ertragen sie den Dnrst nicht. Ein Träger erhält täglich I V5 Pfund Getreide; dieses könnte, wenn er eßbare Gräser und Wurzeln hinzunähme, für mehrere Tage ausreichen, aber an ein Aufbewahren und Aufsparen denkt keiner. Viel essen, das ist des Lebens höchster Zweck, wohlverstanden nächst der Berauschung. Der Schwarze trinkt, bis er nicht mehr stehen kann, dann legt er sich zum Schlafen hin, und nachdem er die Augen wieder aufgeschlagen hat, trinkt er wieder von neuem. Zechgelage sind hochwichtig und gehen allem andern vor. Der Neger hat kein Wohlwollen und kennt keinerlei Ehrfurcht oder Festigkeit; er hat auch kein Gewissen, also anch keine andere Besorgnis, als die, daß der Geist des Getöteten ihn belästigen könne. Er raubt, als verstehe sich dergleichen von selbst, und bettelt unverschämt; er ist entsetzlich niederträchtig, und wenn er nicht gerade be-trnnken ist, übt er gewiß Schlechtigkeiten aus. Dieses ganze wilde und rohe Treiben wurzelt in dem völligen Mangel an Ehrerbietung, welche den Ostafrikaner kennzeichnet; er weiß gar nicht, was Ehrfurcht, Verehrung, Veneration ist. Sein Gemeinwefen besteht anö zwei großen Abteilungen, denn es giebt nur Herren und Sklaven; gesellschaftliche Unterschiede und Stufen kennt diefcr Schwarze nicht, und er behandelt, vom Häuptling allein abgesehen, jedermann als seinesgleichen. In das Haus des ersten besten Fremden tritt er ohne weiteres unangemeldet ein, mit seiner ohnehin harten, bellenden Stimme spricht er stets so laut als möglich, und ist glücklich, wenn er sich selber reden hören kann. Seine Anrede hat einen befehlshaberischcn Ton, sein ganzes Benehmen etwas Rohes und Freches, und dem allen entspricht der Ausdruck seines AugeS. Er streckt seinen uugewaschencn, mit schmierigem nnd zerlumptem Baumwollenzeug oder Zicgenfell umhüllten Leib sofort auf einer Haut aus und sucht sich den besten Platz in der Wohnung des Fremden ans. Auf der Reife eilt er rasch vorwärts, um wo möglich die beste Hütte für sich in Beschlag zn nehmen. Der Inhaber einer Karawane mag in Regen und Thau schlafen, das kümmert seine schwarzen Träger nicht, wenn sie nnr Obdach haben; er macht dann wohl einen Versuch, für sich gleichfalls cine trockene Stelle zu erobern, aber die Träger machen ihm keinen Platz, sondern bleiben liegen. Deshalb sagen die Araber: „Diese Menschen haben keine Scham." Sehr lästig wird ihre im höchsten Grade zudringliche Baumüarten, Afrika. 4 50 Deutsch.Ostafrila. Neugier, welcher der Fremde sich gar nicht erwehren kann; er muß sie eben gewähren lassen. Sic kommen meilenweit her, um ihn anzuglohen, heben den Zeltvorhang auf, nm hineinzuguckcu, und benehmen sich unverschämt. Lungernde Frauen, Knaben nnd Mädchen trcibm sich unterwegs stundenweit uebeu der Karawane umher. In geistiger Beziehung ist dieser Schwarze ganz unfruchtbar, roh, für alles, was Furtschritt, Gutwickelung nnd Veränderung heißt, vollkommen unfähig. Gleich anderen Bardaren hat er wohl Gabe zum Beobachten, aber er kann ans seinen Wahrnehmungen etwas Ordentliches nicht ableiten. Seine Intelligenz ist in einen engen Kreis eingeschlossen, und über denselben kann dieser Schwarze gar nicht hinaus. Er bleibt stcheu, wie manche Asiaten, aber steht weit tiefer als diese allesamt. Gr liebt die Musik, aber hat es, aus sich selber heraus, doch nicht weiter als bis zum Pfeifen gebracht. Metrische Gesänge kennt er nicht, so gern er auch singt; er im-prouisirt einige Worte ohne Sinn oder RhytmuS nnd wiederholt fie in einem langgezogenen Recitativ immer und immer wieder bis zum Ekel, nnd schließt zuletzt mit einem dnrch die Nase hervorgestoßenen Ah, ha! Das hier Bemerkte paßt im allgemeinen auf sämtliche Stämme, doch sind auch Unterschiede nnd Ausnahmen vorhanden. Dtntsch-Wtulnnd. Schilderung von Land und Leuten. Nu3 dem Tagcbuchc dcö Rcgiermigü-Amlmeistcrö Höniccke.') Das ganze Land, soweit ich es kennen gelernt habe, ist mit einer außerordentlich reichen Vegetation bedeckt. An der Küste, soweit der Einfluß der Flut vorhanden ist, ziehen sich Mangrove-Waldungen entlang, welche besonders an den Flüssen weit in das Innere hineinreichen. Sie sind dicht verwachsen nnd vollständig unpassierbar; sie gewähren aber ein schönes Bild dadurch, daß einzelne andere Baum-arten zwischen sie eingesprengt sind, deren Gipfel über die niedrigen Mangroven hinausragen. Im sumpfigen Terrain war viel Schilf ') Deutsche Kol.-Zeit. 1886. S. 484. Schilderung von Land und Leuten in Dentfch-Wituland. 51 Vorhanden. Das ganze Land war entweder flach und niedrig und in diesem Falle in der Regenzeit überschwemmt oder hügelig nnd wellig. Es hat dann einen parkartigen Charakter, doch findet sich hier auch an einzelnen Stellen Urwald, der sich in weit größerem Umfange am Tanaflnße, wo er mit weiten GraZflächen abwechselt, vorfand. Das Gras war hier 1—.'i m hoch. Der Wald ist außerordentlich reich an Formen, der Boden mit dichten Lanbmasfcn bedeckt; nntten ill denselben vermodern umgestürzte Vanmriescn. Von weitem machen die mächtigen Bänme einen schlanken Eindruck, in der Nähe imponieren sie durch ihre kolossale Massigkeit. Die von den Zweigen herabhängenden zahllosen Nanken nnd Schlingpflanzen machen mit dem Unterholz zusammen ein Durchkommen fast unmöglich. Nach der Küste zu sind die Laubhölzer mit einer Weidenvarietät untermischt, im Innern machen den Hauptbestandteil der Wälder Laubhölzer und Palmen ans. Die ersteren haben bedeutende Dimensionen. Von ihnen habe ich besonders zwei Arten als gntes Nutzholz liefernd kennen gelernt, den b0md3.ro, dessen Holz große Ähnlichkeit mit dem unserer Gichen hat, nnd den bomlm, welcher mehr unserer weichen Vnche zn vergleichen ist. Aus dem Ictztercu stellen die Eingeborenen ihre KanoeS her. In einem meiner Kanoes fanden 33 Personen Platz. Ich ließ auch eiuen domb^ro aushöhlen, doch erforderte dies der großen Härte des Holzes wegen eine sehr lange Zeit. In den Wäldern fand ich eine große Menge von Gummilianen, oft von Armdicke, aus denen beim Anschneiden das Pyra reichlich hervorqnoll. Anffallcnd war mir der große Affenreichtnm; fast aller Orten kamen dieselben in den mannigfachsten Arten vor und trngen sehr zur Belebung des Gesamtbildes bei. An einigen Orten zeigten mir die Lente einen Baum, welchen sie Napein?a Kinnn^n nannten; die Gingeborenen stellen ans ihm eine Art Roscnwasser her. Ein anderer Baum, N^i'oli, soll gnte kleine Früchte liefern. Ananas traf ich mehrfach wild wachsend von bedeutender Größe nnd schönem Geschmack. Unvergeßlich wird mir auch die Durchfahrt uach dem Tana bleiben. Ich war bereits in der Nähe desselben und fnhr mit Kanoes mitten durch den herrlichsten Palmenwald an einer Stelle hindurch, wo der Tana über das Ufer getretcu war und das Wasser zum Fahreu eine genügende Tiefe hatte. Der Weg war natürlich vollständig verwachsen, 4' 52 Deutsch-Oswfrika. aber die viele Mühe, welche wir beim Freimachen desselben hatten, wmdc reichlich ausgewogen dnrch den zauberhaften Anblick, welcher sich nns in stets wechselnden Bildern darbot. Während der Belcdzoni-Kanal meistens von Graöstächen eingefaßt ist. wird der Osi vielfach ans beiden Seiten dnrch dichte Wälder begleitet. Was die Bevölkerung anbetrifft, so besteht dieselbe in der Nähe der Küste ans Snah eli, Negern, Arabern nnd Hindus. Letztere haben den Handel in der Hand. In einigen größeren Küstcnplätzen nnd den sonstigen, von den Arabern besetzten Orten übt der betreffende Gon-vcrneur die höchste Gewalt ans. Dieselbe erstreckt sich dann anch ans die Ortschaften der nächsten Umgebung, In jeder dieser befindet sich eine Art Gemeindevorsteher, welcher gewöhnlich der Snahelirasse angehört und im allgemeinen die Ordnnng anfrecht erhält, Sklaven bestraft er selber; haben sich freie Leute eines Vergehens schuldig gemacht, so muß er dieselben znm Gonvernenr senden. Weiter im Lande hat Said Bargasch keinen Einfluß, doch war er bestrebt, seine Macht immer weiter auszudehnen. Den Snltan von Witu hat er in den letzten zwanzig Jahren immer mehr vom Meere abgesperrt. Nun, die Nänt'c der Engländer, welche noch bis zum letzten Augenblick, als der Snltan bereits mit Herrn Dcnhardt einen Vertrag abgeschlossen hatte, auf den Untergang des Nitu-Herrschers zn Gunsten des Sultans von Zanzibar hinarbeiteten, sind gottscidcmk durch das Einschreiten der deutschen Reichsregierung zu Schanden geworden. Die Stadt Witu hat ungefähr 6—800 Häufer, und hat eine ziemlich gesunde Lage auf einer Anhöhe. Die Abhänge derselben sind frei, nur mit hohem Gras bewachsen, in dem einzelne kleine Baumgruvpen zerstrent liegen. Die Stadt selber liegt dagegen, ebenso wie einige der benachbarten Dürfer, in einem dichten Urwalde, der den Orten znm Schntz dient uud bislang nicht gelichtet werden durfte. Witu hat zwei Ausgänge. An die Stelle des dichten Waldes tritt hier eine starte Pallisadenwand, in der sich nnr eine sehr schmale und niedrige Öffnung befindet, dnrch welche man nicht aufrecht hin-dnrchgchcn kann. An jedem Thor befindet sick) fortwährend eine Wache. Nachts werden die Thore dnrch Baumstämme, welche zwischen cingegrabencn starken Pfählen davor gelegt werden, geschloffen. Die Snahclibevölkernng in den Knstenvlätzen lebt meist vom Handel, im Innern vom Ackerban. In den größeren Orten giebt es anch allerlei Handwerker. Es werden einfach verzierte Gefäße aus Schilderung von Land und Lenten in Deutsch'Witulcmd. 53 gebranntem Thon hergestellt, sowie einfache Schmiede- und Schlosser-waren angefertigt. Ferner existieren Holz- und Horndrechslereien. Eine große Anzahl von Lenten beschäftigt sich mit der Anfertigung von Matten, Körben und Säcken ans Palmblättern. Zimmerlente und Tischler verfertigen zum Teil reichverziertes Hausgerät, Thüren u. s. w. Die Formen der Ornamente erinnern an die Blütezeit der arabischen Baukunst und dürften sich noch von der ersten arabischen Invasion erhalten haben. Wie hoch man das Handwerk schätzt, geht wohl auch aus einem Gespräch hervor, welches ich eines Tages mit dem ersten Minister des Snltans von Witn hatte, welcher anch ein Sherif, d. h. ein Abkömmling des Propheten ist (im Fastmmonat Namassan hält dieser die Gebete in der Moschee selber ab); er sagte mir, er bete jeden Freitag anßer für seinen Sultan auch für den großen Sultan in Stambul. Als ich ihn daranf anfmertfam »nachte, daß er von jetzt an anch den Deutschen Kaiser in sein Gebet einschließen müsse, erwiederte er, er wolle nicht aNein für den Teutschen Kaiser, seinen Wesir nnd seine Soldaten bitten, sundern anch dafür, daß in seinen Schanibas alle Früchte gedeihen, sowie für alle Handwerker nnd Ärzte in Deutschland. Die Galla sind ein nomadisierendes Volk im Westen von Witn, welche aber immer mehr von den nördlich wohnenden noch kriegerischeren Somal zurückgedrängt werden. Sie sollen zahlreiche Viehherden besitzen, welche sie jedoch in der Regenzeit auf hochgelegene Weiden zurückgetrieben hatten. An einigen Stellen fangen sie bereits an, den Acker zu bebancn. Am Tana sind sie bereits seßhaft geworden. Sie wohnen hier entweder für sich allein, oder aber auch mit den Pokomos, zuweilen anch Arabern, in einem Ort gemeinschaftlich, dann aber in besonderen Quartieren, und bauen hier Neis und Mais. Sie sind sehr schlanke Gestalten und haben eine mehr semitische Gesichtsbildnng, fast wie die Somal. Ihre Waffen sind meistens Spere, Schild und Schwert, Nur selten haben sie Feuer-waffcu. Am ganzen Tana hinauf bis in die Nähe des Kenia wohnen Pokomos in klemm Ortschaften zerstreut. Sie sind außerordentlich kräftig gebant, zuweilen auch groß, aber ihrem Charakter nach das gerade Gegenteil der kriegerischen Gallas. Die Hanpterwerbsqnelle bietet ihnen besonders der fischreiche Tana. Sie bauen nur außerordentlich wenig Neiö nnd Mais, da ihnen die Araber, Suahelis und Gallas ihre Vorräte fortzunehmen pflegen. Sie verrichten für 54 Deutsch-Ostafiikci. diese überhaupt jode Arbeit, die dieselben verlangen. Die Stämme am oberen Taua habcu sich jedoch von den Gallas unabhängiger zu halten gewußt. Alle die Nolksstämmc traten nns außerordentlich freundlich entgegen, soweit sie nicht daran durch die Soldaten des Sultans Said Bargasch gehindert wnrden. Von ganz besonderer Wärme war meine Aufnahme in Witu, sowohl seitens des Snltans und der Großen, wie seitens der Bevölkerung. Ich verdanke dieselbe ebeuso wie auch die weitere Unterstützung des Sultans von Witu ebenfalls Herrn Dcnhardt, welcher mich dein Snltan auf das beste empfohlen hatte. Die Häuser der Suaheli siud vou der Form der unserigcn; einstöckig mit einem Giebeldach, t^ine Art Fachwerk ans hölzernen Trägern nnd Pfählen, deren Verbindung oft dnrch Vaststricke bewirkt ist, wird mit den starkell Mtamastcngeln ausgefüllt und dann beiderseits mit Lehm bewurfen. Über die jetzige Bebanung des Landes läßt sich folgendes sagen. In der Küstengegeud sah ich in der Nähe der kleinen Ortschaften viele Äcker, welche mit Reis (mpnnssa), Mais (maninäi), mt^mn. nnd liumlo bepflanzt waren. Außerdem sah ich zahlreiche Kokospalmen. Bei meinem Marsch nach Kipini und Witn kam ich dnrch sehr große Schambas, ein Maisfcld war über zwei Kilometer lang; auch Ncis-plantagen in bedeutender Ansdehnnug passierte ich. Die ganze Nm-gegend von Witn ist mit Schanibas übersät. Außer Mais-, Neis-und Mtamafeldcrn sah ich hier große Plantagen von Bananen nnd Zuckerrohr, außerdem viele Bataten. Herr Denhardt hatte hier auch Kartoffeln augcpstauzt, welche sehr gut gediehen. Ferucr faud ich vielfach in der Nähe von Witn Sesam. Der Sultan besitzt selber eine Ölmühle, welche von einem Kamel getrieben wird. In seinen Gärten ferner zieht er anch die mannigfachsten Gemüse, sowie Tomaten und Citronen, diese sind aber sehr klein und haben wellig Saft. Orangen habe ich hier nur wildwachsend vorgefunden; sie haben einen sehr sauren Geschmack. In dem Witulaude erutet mall häufig viermal im Jahre, und zwar in der Hauptrcgeuzcit, der nu^lkil,, dreimal, in der kleinen Regenzeit, uwuli, einmal. Das Land wird in der Weise urbar gemacht, daß das Gras abgebrannt wird, resp. es werden die Bänme angehauen nnd später ebenfalls abgebrannt. Das dadnrch gewonnene Land ist von eiuer ganz vorzüglichen Beschaffenheit; erst nach ciner längeren Neihe von Jahren läßt der Ertrag nach, dann läßt Die Suaheli. 55 man das Land abwechselnd cin Jahr um das andere brach liegen. Von Pflügen nnd Graben ist entweder gar nicht oder nur in geringem Maße die Rede. Die Leute entfernen nur das Unkraut und bringen dann mit einer kleinen, eigentümlich geformten Hacke den Samen ein. Das Land ist schon von Natur locker genug. Der Boden enthält außer der Humuserde Thon und ziemlich viel Sand uud hat eine rötliche Farbe. Dasselbe ist auch am Tana der Fall. Bei Tjarra befinden sich außerordentlich große Schambaö, besonders Reis-, Mais-, Bananen- nnd Zuckerruhrfclder sah ich hier in eiuer enormen Ausdehnnng, ebenso Plantagen von Kokospalmen und Mangobäumen. Die Besitzer sind nicist reiche Suaheli aus Kau und Kiftini. Das ganze Land sieht hier wie ein einziger großer Garten aus. Am Beledzoni-Kanal und am Ost sah ich keine eigentlichen Schambas, sondern nnr kleinere Felder der (Eingeborenen. Hörn ecke. Die Suaheli. Die Suaheli «Sprache. — Charakteristik des Suaheli-Negers. — Der Ackerbau. — Vodenprodnkte uud Ausfuhr. Die Einwohner von Dcutsch-Ostafrika gehören zur weitverbreiteten Nation der Suaheli, Das Gebiet der Suaheli-Sprache erstreckt sich ungefähr südlich von Angoxe in der portugiesischen Kolonie Mozambique bis nördlich in die Gegend von Tnla. Dort fängt uugefähr das Somal-Sprach-gcbiet an nnd erstreckt sich bis nach Abcssinieu. Die zwei Hauptsprachen im Gebiete des Snltans von Zanzibar sind also, außer der arabischen, die Suaheli- und die Somal-Sprache, beides grundverschiedene Sprachen. Während jedoch die Somal-Sprache nnr in dem eigenen Gebiet gesprochen wird, erstreckt sich die Snahcli-Sprache einerseits ganz bis ans die von Said Bargasch abhängige Somal-Küstc und andererseits bis nach Madagaskar, ja tief ins Innere Afrikas hinein. Sie ist also die Hauptvertehrösprache nnd unumgänglich notwendig für jeden, der an der Ostküste Afrikas als Kaufmann oder Forfchnugsreisender etwas ausrichten will. Da die große Anzahl der Schilderungen") eine ausführliche Besprechung der Neger uud ihrer Verhältnisse hier unuötig macht, so ') Siehe Seite 30-50. 56 Dcutsch-Dstafrika. sei nur gauz kurz au dicscm Orte erwähnt, daß der Suaheli-Neger im großen und ganzen unkriegerisch, ja geradezu feig ist. Dabei ist er aber doch mit einem gewissen Grade von Pfiffigkeit ausgelüftet. Indessen will der Neger im allgemeinen ganz eigenartig behandelt sein. Man muß ihm imponieren und Vertrauen einflößen zn gleicher Zeit. „Vor allem aber", schreibt Peters in seinem Berichte, „kommt es auch hier darauf an, der Individualität als solcher gerecht zu werden. Es würde uugcheucr thöricht gewesen sein, den jovialen Mbucla (Snltan in Ufcguha), den etwas täftpischeu Sultau Ma-fungu Biuiani, den egoistisch schlaueu Maguugo uud den sie alle überragenden Mniuin-Sagara auf eine Stufe zu stellen. Wo auf der einen Seite eine gewisse burschikose Art des Auftretens am Platze war, da wirkte anf der andern eine Art von ernster Freundlichkeit und auf der dritten mußte man zn herrischer und brüsker Hoch-fahrenheit greifen." Nicht selten tritt bei ihm ein ganz gesunder Menschenverstand zn Tage. und hat es jemand einmal verstanden, sein Vertrauen zu gewinnen, so ist er von großer Anhänglichkeit. Das Gefühl für Freundschaft ist in sehr hervorragender Weise bei ihm entwickelt. Im allgemeinen ist der freie Neger sehr fanl, daher in seinen Ansiedelungen der Ackerban noch anf ziemlich tiefer Stnfe steht. Über die Kopfzahl der Vevölkernng des neuen deutschen Gebietes liegen bis jetzt noch keine neuen Angaben vor, nnr so viel hat sich bis jetzt erkennen lassen, daß die Dichtigkeit derselben eine geringe ist. Es ist eine sofort in die Augeu fallende Erscheinung, daß dieResnltate der Agriknltnr, verglichen mit den reichen Erwerbsquellen nnd Boden-erzcuguisseu, welche das einem Trcibhanse gleichende Land zu liefern im stände wäre, sehr minimale stud. Der Grund für die thatsächlich geringe Produktion liegt in verschiedenen leicht erklärlichen Umständen. Vornehmlich hat der Reichtum der Tropen und der mühelose Erwerb der nötigsten Lebensbedürfnisse dem Bewohner dieseö gesegneten Erdstriches nie den Zwang eines energischen Wirkens uud Schaffens anf-erlegt und darnm den Landban zn keiner gedeihlichen Entwickelung kommen lassen. Der Neger zieht nur wcuig Produkte in der Nähe seiner Hütte, treibt nur wenig Viehzucht uud bleibt im allgemeinen arm und geistig zurück. Die Ursachen der schwachen Bevölkeruugsziffcr sind in erster Linie die vielen Stammesfehden und blutigen Kriege, welche die Die Suaheli. 57 Völkerschaften feit Jahrhunderten untereinander geführt und wodurch sie sich gegenseitig allmählich fast aufgerieben haben. In zweiter Instanz hat die Sklavenausfuhr der früheren Zeiten die Bevölkerung der Negerländer mehr als decimiert, wovon sich die verschiedenen Stämme noch lange nicht erholen werden. Sollen doch durchschnittlich circa 200 000 Negersklaven alljährlich ihrer Heimat entrissen und von der Westküste Afrikas hinweg nach Amerika verschifft worden sein. Zieht man dabei in Betracht, daß diese Ausfuhr ziemlich 400 Jahre gewährt hat, so ist klar, daß dieselbe der grüßte Massenmord, das systematischste Ausrottnngsmittel war, denen gegenüber die größten Blutbäder der alten Nationen nichts sind. Aber eine noch viel größere Ausrottung verursachte der Sklavenhandel des Nordostens. Seit circa 5000 Jahren wird das östliche und mittlere Afrika von den furchtbarsten Meuschenjagden heimgesucht, die als Gewerbe uud Geschäft auch heute noch von wohlbcwaffneten Banden unternommen werden, welche ihre Bcnte das Nilthal hinabschaffen und „das schwarze Elfenbein" anf dem ägyptischen Markte losschlagen. Der Ackerbau liegt in seiner Eigenschaft als schwere Arbeit dem weiblichen Geschlechte ob. Da Tierarbeit und Pflug unbekannt sind, so werden in den mit einer Hacke leicht aufgeritzten Boden die Körner mit der Hand eingelegt; die Erde wird wieder darauf geworfen und leicht zugetreten. Das Übrige überläßt man der Sonne. Daß der Neger in verschiedenen Zweigen des Handwerks, z. B. im Weben, Flechten, selbst Schmieden und im Töpfergewerbe ziemlich beträchtliche Fertigkeit besitzt, ist cinc allgemein anerkannte Thatsache, und die großen Kriegsflotten der mächtigen ostafrikauischcu Sccen legen auch Zeugnis ab für Kenntnisse im Bau der Wasserfahrzeuge. Leider hat noch kein Ncgcrstamm ein Transportmittel zu Lande erfunden, sondern das ansfchließliche Transportmittel ist Mcnschenlraft, uud zwar durch Beförderung auf dem Kopfe. Der Maugel an Kommunikationswegen und geeigneten Verkehrsmitteln ist vor allem ein bedeutendes Hindernis für das Emporkommen des Ackerbaues und feine ausgedehntere Pflege. Wenn einmal Schutz und Sicherheit in jenen Ländergebieten sich dauernd niedergelassen haben werden, wird auch die Kopfzahl der Bevölkerung sich rasch heben; haben doch die Neger, ob ihrer Fertilität, einen großeil Namen in der Welt. Zur Eiuführung von Waren eignen sich fast alle Erzeugnisse europäischer Kunst und Industrie, als da sind: gewobene und 58 Deutsch'Ostaftila. gewirkte Zeuge, Flanelle, wollene und baumwollene Wäsche, Decken und Moskitogewebe, Bandeisen und Werkzeuge, Eisen- nnd Stahl-wareu, wie Z. B. die verschiedensten Messer, Angelhaken, Näh- und Stecknadeln, Scheren, Arm- und Fußspangen, Flaschen, Gläser, Spiegel, Teller, Schüsseln, Töpfe, Kruge, Salz, Provisioucu, Kleider, Schuhwerk, Hüte, Schirme, Uhren, Schmucksacheu, Leder- und Ga-lauteriesachen, Toiletteugegrustäude,Petroleum, Zündhölzer mit Pnnkten ausgefüllte Quadrate tättowiert, welche eiue X-fürmige Figur vou stets gleicher Gestalt auf der Brust bilden. Außerdem tragen die einzelnen noch als individuelles Kennzeichen ans der Brust und am Oberarm einige TÜt-towiernngen. Ihre Hanptwaffe ist die Lanze und der Trumbasch, eine Wnrfwaffe; sie besteht aus zwei gleichschenkeligen, mit spitzen Zacken versehenen Ranken. Bogen und Pfeile sind nicht allgemein im Gebranch, wohl aber verschiedene größere Mesfcr mit sichelartiger Klinge, den türkischen Säbeln nachgebildet. Es ist schwer anzugeben, ob man dieses Volk ein ackerbauendes oder ein Iägervolk nennen soll, beide Beschäftigungen gehen bei ihnen Hand in Hand, die Bodenbestellung ist indes entschieden eine ziemlich geringe, und bei der Fruchtbarkeit des Bodeus erscheint die Arbeit znmal unbedeutend. Wie in Abysfinien wird auch hier ein wohlschmeckendes Bier gemacht, auf desseu Bereitung die Eingeborenen die größte Sorgfalt verwenden. Vieh jeder Art fehlt dem Lande, die einzigen Hanötierc sind Hühuer und Hunde. Bezüglich des Gcnnsses der letzteren sind sie ebenso wenig wählerisch wie die Monbnltn und Dinka, Im großen nnd ganzen sind jene Völker Anthrovophagen, obgleich einige Häuptlinge großen Abscheu gegeu Menschcnflcisch zeigen. Sie tragen mit Ostentation die Zähne der Verspeisten als Schmuck; sie schmücken alle Gerätschaften mit deren Köpfen. Am häufigsteu uud allgemeinsten wird das Fett von Menschen verspeist. Es wurde sogar schon constatiert, daß Leichen solcher, welche auf dem Marsche starben nnd verscharrt worden waren, ans den Gräbern geholt und verzehrt wurdeu. Giner der Gewährsmänner dieser Angabe, den: ich anfangs stets mit Zweifeln begegnete, mußte cineu Teil seiucr Aussage buchstäblich mit seinem eigenen Leibe bestätigen, als er iu der Itachbarschaft Die Niam-Nicnn und Monbuttn. ßi eines Dorfes dieses Stammes seinen raschen Tod fand. Verschmäht wird nnr jenes Fleisch, welches von einem mit ekelhafter Hautkrankheit behafteten Körper herrührt. Städte und Dörfer in unserm Sinne giebt es dort nicht, überall find Hütten in kleinen Gruppen zerstreut, auch der Wohnsitz des Fürsten besteht nur aus einer Anzahl von Hütten aus Stroh, die er nud seine Weiber bewohnen. Die Macht eines solchen Fürsten beschränkt sich auf den Oberbefehl über alle waffenfähigen Männer, auf Vollstreckung von Todesurteilen, auf freie Verfügung über Krieg und Frieden, dann anf das Anrecht eines grüßern Teils derBente; dagegen erhält er von den im Stamme selbst gewonnenen Früchten nur das, was seine Weiber und Sklaven ihm erarbeiten. Seine Hofhaltung erkennt man von weitem an den vielen Schilden, welche in Gruppierungen aufgehangen sind und den Bewaffneten seiner Wache gehören. Sonst mangelt aller fürstliche Pomp, und jeder fremdartige Schmuck wird verschmäht. Seine Autorität ist sonst eine vollkommene. Nach dem Tode ist der erstgeborene Sohn der Erbe seiner Rechte, die Brüder werden mit einzelnen Distrikten belehnt. Die größte Masse des Landes der Niam-Niam fällt zwischen den 4. und 6. Gr. nördl. Br. Soweit das Land bekannt ist, hat es zwischen dem 5,. und l!. Grad nördl. Vr. einen Flächcngehalt von ungefähr 3<>0(» deutschen Quadratmcilen. Zunächst durchzogen die Reisenden das Gebiet des Häuptlings Ngaujo. Nach mehreren Tagereisen erreichten sie die Ufer des Ssni-Flusses — diesen Namen trägt der Fluß bei deu Niam-Niam. Der Pnnkt des Überganges der Karawane über denselben war 15 Meilen von der Quelle entfernt; der Fluß ist da bereits ein bedeutendes Gewässer, und die hohen Ufer mit schmalem Flnhbctt umschließen eine reichliche Wassermenge, welche den Reisenden anf ihren« Rückznge im Juli beträchtliche Schwierigkeiten verursachte. Die dortige Ufcrgegcud bezeichnet Schwcinfnrth als eine weit und breit menschenleere Wildnis. Mit dem 5. Breitegrade ändert sich die Vodcnbeschaffenheit, die Gegenden werden fehr wasserreich, die Vegetation äußerst mannigfaltig; man könnte während der regenloscn Zeit mit großen Ochfcnwagen vom Gazellen-Flusse bis zum oberen Djur gelangen. Vom 5. Breiiegrad an treten aber unübersteigliche Hindernisse entgegen, namentlich in Schmalheit der Pfade, den wildverschlungcnen Gewächsen, Baumstämmen n. f. w. zwischen Wasser und Sümpfen. Überall erhalten hier die Flüsse ununterbrochene Quellen, das ganze Land gleicht einem 62 Die Niam'Nmm und Vlononttn. gefüllten Schwamm. Die Gegend ist stets geschmückt mit den prachtvollsten Tropcnwäldern, dic Mannigfaltigkeit der Vaumartcu ist erstaunlich; dcr Charakter der Vegetation und Flora entspricht demjenigen, welchen Schwcinfurth bei dcr ersten Betrachtung der Gegenden am Noten Meer und Nil wahrgenommen hatte. Dcr Zug der Reisenden ging nun in das Gebiet des großen Häuptlings Uando, der ihnen anfangs mit Drohungen und Feindseligkeiten begcguete, dann aber Friedensboten entgegensaudtc zu ihrem Empfang. Um zu ihnen zn gelangen, mnßtcu sie eiueu «0 Fnß breiten Fluß überschreiten und Wälder passieren, in welchen sie Schimpanse trafen; der Umstand, daß Schwcinfurth später in einer Hütte allein über ein Dutzend Schädel dieser Tiere traf, ließ ihn auf ihre Häufigkeit in einzelnen Teilen dieses Gebietes schließen. Bei Nando blieb die Karawane mehrere Tage, und wnrde von ihm reichlich mit Geschenken bedacht. Hicranf ging es nach Süden fort, man erreichte den Suakin-T istritt, wo verschiedene Völkcrstämmc beginnen. Das Stndinm ihrer Sprache nnd ihrer Sitten wurde leider dnrch den Ausbruch von Feindseligkeiten zwischen einzelnen Stämmen nnd Chartnmcr Kanfteutcn vcrhiudcrt; unsere Karawane ward hierbei in Mitleidenschaft gezogen nnd der Dolmetsch Schweinfnrths durch einen Pfeilschuß in den Arm getötet. Die Reisenden sehten indes ihren Weg am Rand einer großen Wildnis ungehindert fort, in zwei starken Tagesmärschen erreichten sie ihre erste Niederlassung, und gelangten dann zum Sitze des Hänptliugs Mbio, welcher dic östliche Hälfte der Moubuttus beherrscht. Der eigentliche Sitz dieses VolkeS ist erst südlich vom Uelle-Fluß, den die Reisenden einige Tage später überschritten; das Land grenzt an die Besitzungen der Niam-Niam. Endlich erreichten sie einen großen, westwärts strömenden Fluß, „Nelle", der nach der Configuration von Äquatorial-Afrika nichts anders sein kann, als der in deu Tsad-See mündende Schari,") über dessen Größe uns Barth und Vogel aus Autopsie berichtet haben. (Hr hat eine Breite von kW Fuß mit sehr hohen Ufern, bei einer Ticfc von etwa 20 Fuß. Hier durchstießt er das Kredj-Land. Die Eingeborenen haben eine hellere Farbe, als andere Völkerschaften der inneren Gegenden Afrikas; ihre Behausungen umgeben sie mit großem Pomp. Ihr König bereitete unseren Reisenden uuauf- ') Durch Erkiindiglmsseii, welche Dr. Mchtigal im Süden von Wadai einzog, wird an Stelle von Schweinfnrths Nclle der Vahar Kuta gesetzt, welcher den Schari noch an Wassermasse übertreffen soll. Die Niam'Niam und Monbuttu. 63 hörliche Überraschungen (wodurch giebt Schweinfurth nicht an). Die Fülle der Gewächse ist bezaubernd, es giebt hier Zuckerrohr, Ölbäume, Colocasien n. s. w. Nachdem der Uelle überschritten war, befand sich Schwcinfnrth auf Monbuttu-Gebict, im Centrum Afrikas, fein Hof war hier immer umgeben von dichten Haufen dcr Monbuttus, welche ihm gestatteten, die interessantesten Studien an ihnen zu machen. Äußerlich unterscheiden sie sich von anderen Stämmen durch hellere Hantfarbe und geringere Muskelkraft, mindestens 5 Prozent derselben sind ganz licht gefärbt. Die Männer bekleiden sich mit großen Stücken dcr Rinde des Feigenbaumes, die durch Bearbeitung zu einem dicken Gewebe gemacht wird, das einen hübschen Faltenwurf giebt, der durch cinen Gürtel festgehalten wird. Die Haartracht ist gleich den Chiguous, die Männer setzen auf denselben einen Strohhut mit Federbusch, die Frauen dagegen tragen den Chignon frei, bloß geziert mit großen Haarnadeln oder Kämmen. Die einzige Verstümmelung ihres Körpers beschränkt sich auf die Dnrchlöchcrung der Ohrmnschel, was bei den Frauen dort die Mode erheischt, die anch von den (Eingeborenen nie verlassen wird. Die Bewaffnung besteht aus Lanze, Spieß, Bogen und Pfeilen, sie haben auch hölzerne Schilde, dann feltsam geformte Säbel, Messer aus dem bei ihneu besonders geschätzten Kupfer, Alle anderen Metalle sind ihnen unbekannt. An Kunstfertigkeit übertreffen sie weit die Leistungen der Bongos; Schweinfnrth sah ein Meisterstück eines Schmiedes; eine Kette von einer Feinheit und Vollendung, die nur mit einer feinen Kette von Stahl zu vergleichen war. Auch im Holzschnitzen sind sie sehr gewandt, und in Verfertigung von Töpfereiwaren sind sie allen Völkern Inner-Afrikas weit voraus. Am meisten überrascht dcr Ban ihrer Hütten; znm ersten Mal fand Schwcinfnrth bei ihnen einen Dachbau mit geschweiften Vogendecken. Ungeachtet aber ihrer Kunstcrzeugnisse, welche für Afrikaner eine ungewöhnliche Kultur an den Tag legen, lassen sich auch bei ihnen keine Spuren nachweisen, welche aus die Verehrung eines höchsten Wesens deuten; die bei ihnen geübte Beschneidung ist nur eine alte Sitte. Ihr Begriff dcS Höchsten ist Freiheit, sie wird durch das Wort Noro ausgedrückt, und ans die Frage, wo sie sich befindet, denten sie zum Himmel. Die Macht des Königs dcr Mon-buttus erstreckt sich viel weiter als bei dem dcr Niam-Niam; eine große Schar von Trabanten umgiebt ihn. Auch gehören «0 Frauen A4 Die Niam-Niam und Monlmttu. zu seiner Nmgebnng, die in ebenso vielen Hütten wohnen. Vor seinem Hofe versammelt sich bei festlichen Gelegenheiten das Volk zu Tanz und Musik; zu einem solchen Feste gestaltete sich der Empfang, den cr Schwcinfnrth bereitete. Dic Monbuttuö sind dem Kannibalismus in weit höherem Grad ergeben als die Niam-Niam. „Ich brauche," sagte Schweinfurth, „nm diese Behanptuug zu erhärten, nicht anf die Erzählung nubi-fcher Begleiter oder meines Frenndcs Abu Ssamat zn verweisen, von ihren Raubzügen, von der Art und Weise, wie sie das Menschen-fett gewinnen nnd als Speise znznbcreiten Pflegen; ich brauche nnr auf die große Sammlung von Schädeln hinzuweisen, die ich um Geld von ihneu erstaud und heimfandtc, um die Wahrheit zu con-statiercn, daß trotz seiner hohen Kultur auch dieser Stamm an Wildheit den anderen gleich ist. Und doch sind sie ganz verständige und vernünftige Menschen, die stets die rechte Antwort geben auf daS, was man sie fragt, wie denn anch die Nubicr nicht genug des Lobes zu sagen wissen von ihrer Zuverlässigkeit in freundschaftlicher Beziehung, ihrer Ordnnng im Staatsleben nnd ihrer Gesittung." Schwcinfurth, Die Entdeckung >cs Albert Zl'yaM. Einleitung. Die Vorkämpfer der britischen Weltmacht. — Samuel White Baker nnd seine Gattin; ein Bild ihrer Thntisskcit. — Wie Vaker mit seiner heldenmütigen Gattin die entsetzlichsten Mühseligkeiten und Gefahren unter den wilden Völkerschaften überwindet und bis zum Albeit N'yanza vordringt. England hat das Glück gehabt, zur Begründung und Befestigung seiner Weltmacht eine ganze Reihe von Männern zu finden, welche ihre Thatkraft, ihre Vaterlandsliebe, ihre körperliche Tüchtigkeit, ihre hoheu geistigen Fähigkeiten fern von der Heimat in allen Weltteilen geltend machten, ohne einen Augenblick die nationalen Interessen aus den Aligen zn verlieren; Männer von eiscnfcstcm Charakter, welche nm den Einfluß und die Macht Englands Zu vermehren, um demsclbeu neue materielle oder geistige Hilfsquellen zu eröffnen, ihre ganze Lebenszeit, ihre Gesundheit, ja all ihr Gut und Blut opferten. Hätten Italien uud Spanien, die mindestens eine Die Lntdccklmss des Albert N'yaiM, 65 gleich günstige geographische Lage haben, seit hundertfünfzig Jahren eine genügende Zahl solcher Männer besessen, so ständen sie jetzt als Weltmächte zur Seite Englands. Die deutsche Tüchtigkeit und Thatkraft steht der britischen uicht nach, aber dieselbe hat sich bis zum Juni 18,^4, wo zum ersteuMale unsere Neichöftagge in einem deutschen Kolonialgebiete aufgehißt wurde, fast ausschließlich im Dienste der Wissenschaft und zum Vorteil dcr Weltmacht Englands und Frankreichs bethätigt; für die Begründung einer überseeischen deutschen Weltmachtstellung waren keine Mittel und wenig Sympathie zu finden. Hentc können wir die Hoffnung hegen, daß wir das Übergewicht der Stubenhocker und Kirchtnrmpolitiker definitiv beseitigen und daß unsere Forfchnngsrciseuden, Missionare und Kaufleute endlich einmal vorzugsweise iu deutschem Interesse arbeiten werden. Unter den Vorkämpfern der britischen Weltmacht nimmt Samuel White Baker eine hervorragende Stelle ein. Am ix. Inni 1821 zu London geboren erfaßte ihu wie alle echten Engländer frühzeitig die Reifelnst. Wir finden ihn 184« auf Ceylon, wo er mit seinem Bruder, dein Obersten Baker, zu Neinera in einer Höhe von l;200 Fnß eine Musterfarm und ein Sanatorium errichtete. Er gab über die schöne Insel zwei interessante Werke heraus: NiM?6u,r8 ^Vanäe-riiiFS in O^lnn 1855 und lus Mo lmä 5uo Iiomiä in O^ion 1,^57. ^ Im I. 1855 nahm er teil am Krimkriegc nnd bante darauf den Türken die erste Eisenbahn. In Kairo 1861 bereitete er sich zur Erforschnng dcr Nilquelleu vor uud bereiste in demselben Jahre Abessinien und den Blanen Nil iu der Hoffnung, mit Grant und Speke, die zu demselben Zwecke von Zanzibar ans die Nilquellcn zu fiuden suchten, zusammenzutreffcu. Im Dezember 1802 unternahm er von Khartum aus die Untersuchung des Weißen Nils, wobei er alle seine europäischen Begleiter durch Sumpffieber verlor. In Gon-dokoro traf er im Febrnar 18" nach der Übersetzung von I. E. A. Martin*) giebt ein lebhaftes Bild der Erlebnisse Bakers vor und bei der Entdeckung. „Ich mnh den Leser", sagt er im Porwort, „bei der Hand nehmen nnd ihn Schritt für Schritt auf meiucm rcnchcn Pfade durch sengende Wüsten nnd durstige Sandstreckcn, durch Sumpf und Dorugcbüsch und unermeßlichen Morast, dnrch Beschwerden, Strapazen nnd Krankheit führen, bis ich ihn, von der ermüdenden Reise matt, zn jener hohen Klippe bringe, wo der große Preis ihm plötzlich vor Angcn steht — von welcher er auf den ungehcnren Albert-See hinabschaut nnd mit mir ans den Quellen des Nils trinkt." B. Schon mehrere Tage lang vorher hatten uns unsere Führer gesagt, daß wir ganz nahe am See wären, und jetzt versicherte man uns, daß wir ihn am morgenden Tage erreichen würden. Ich hatte in nngehenrcr Entfernung gegen Westen eine Neihc stattlicher Berge bemerkt und mir eingebildet, der See läge jenseits jener Kette; jetzt wurde mir aber mitgeteilt, daß diese Berge die westliche Grenze des M-wutan N'zige bildeten, nnd daß der See sich wirklich innerhalb eines Marsches von Parkäni befände. Ich glanbte gar nicht, daß es möglich sei, daß wir dem Gegenstand unseres Suchens so nahe wären. Jetzt erschien der Führer Nabonga nnd erklärte, daß, wenn wir am folgenden Morgen früh aufbrächen, wir im stände sein würden, nns gegen Mittag im See Zu waschm! Jene Nacht schlief ich kaum. Jahre lang hatte ich gerungen, die „Quellen des Nils" zu erreichen. In meinen nächtlichen Tränmen während jener fchwierigen Reise war es mir stets mißlnngen, aber nach so viel harter Arbeit nnd Ausdauer war der Becher gerade an meinen Lippen, nnd ich sollte an der geheimnisvollen Qnelle trinken, ehe die Sonne znm zweiten Male nnterging — an jenem großen Behälter der Natnr, der seit der Erschaffung jeder Eutdeckung gespottet hatte. Durch Schwierigkeiten aller Art hindnrch, bei Krankheit, Hunger und Müdigkeit hatte ich gehofft, gebetet nnd gernngcn, jene verborgene Qnelle zu erreichen, nnd so oft es unmöglich erschienen war, *) Der Albert N'YMM, das große Becken des Nils und dlc Erforschung der Nilqnclle,,. Von S. W. ^aker. Aus dcm Englischen von I. E. A. Martin, Knstoö dcr Nmu.-Vidliotlick zu Ima, 3. Aufl. Gera, GrieSdach, 187K. Die Entdeckung des Albert N'yanza. 67 hatten Wir uns beide entschlossen, lieber auf der Straße zn sterben, als uuverrichteter Sache umzukehren. War es möglich, daß sie so nahe lag, und daß wir morgen sagen konnten: „Das Werk ist vollendet?" Den 14. März. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als ich meinem Ochsen die Sporen gab und dem Führer nacheilte, den, weil ich ihm bei der Ankunft am See eine doppelte Hand voll Perlen versprochen, die Begeisterung des Augenblicks ergriffen hatte. Der schöne, heitere Tag brach an, und nachdem wir ein Mischen den Hügeln liegendes tiefes Thal überschritten hatten, arbeiteten wir nns mühfain den gegenüberliegenden Abhang hinauf. Ich eilte auf die höchste Spitze. Unser prachtvoller Preis sprang mir plötzlich in die Augen. Dort lag, gleich einem Qnecksilbermcer, tief unten die großartige Wasserfläche — im Süden und Südwesten ein grenzenloser Sechorizont, glänzend in der Mittagssonne, nnd im Westen erhoben sich in einer Entfernung von fünfzig bis sechzig Meilen blaue Berge aus dem Busen des Sees bis zu einer Höhe von etwa 7000 Fuß über sciucm Wafserstandc. Den Triumph jenes Augenblicks zn beschreiben ist unmöglich; hier lag der Lohn für alle uusere Arbeit — für die jahrelange Zähigkeit, mit welcher wir uns durch Afrika hindurch geplagt hatten. England hatte die Qnellen des Nils erobert! Lange zuvor, ehe ich diese Stelle erreichte, hatte ich mir vorgenommen, Zu Ehren der Entdeckung mit uuscrer ganzen Mannschaft drei Hurrahs in englischer Weise zu rufen; aber jetzt, wo ich hinabschaute auf das große Binnenmeer, das gerade im Herzen Afrikas eingenistet lag, wo ich daran dachte, wie vergebens die Menschheit so viele Jahrhunderte hindurch diese Quellen gesucht, nnd erwog, daß ich das geringe Werkzeug gc-wcseu, dem es gestattet war, diesen Teil dcs großen Geheimnisses zu enthüllen, während es so vielen, die größer als ich, mißlaug, da war ich zu ernst gestimmt, um meiueu Gefühlen in eitlem Hnrrah-gcschrei für den Sieg Lnft zn machen, nnd dankte aufrichtig Gott, daß er uns dnrch alle Gefahren zum guteu Ende geführt und uns beigestanden hatte. Ich stand etwa I5UU Fuß über dem See und blickte von der steilen Granitklipftc hinab anf diese willkommenen Wasser — auf jenen ungeheuren Behälter, der Ägypten ernährte und Fruchtbarkeit brachte, wo alles Wildnis war — auf jene große Qnelle, die der Menschheit solange verborgen blieb, jene Quelle der Güte und des Segens für Millionen menschlicher Wesen, und als 5' 68 Dic Entdccklmc, dcö Albert N'yanza. einen der größten Kegcustände in dcr Natur, beschloß ich, sie nüt einem großen Namen zu ehren. Znm nnvergänglichcn Andenken an einen von nnserer gnädigsten Königin geliebten nnd betrauerten und von jedem Engländer beweinten Fürsten nannte ich diesen großen See den „Albert N'yanza". Die Seccn Victoria und Albert sind die beiden Quellen des Nils. Der Zickzackweg, auf welchem man zum See hinabsteigen mnßtc, war so steil und gefährlich, daß wir uus genötigt sahen, unsere Ochsen mit einem Führer zurückzulassen, der sie nach Magungo bringen und auf unsere Ankunft warten sollte. Wir begannen zu Fuß den steileu Paß hinabzusteigen. Ich ging, ein starkes Bambusrohr ergreifend, voran. Meine Frau wankte in äußerster Schwäche den Paß hinab, indem sie sich auf meine Schulter stützte uud alle zwauzig Schritte stehen blieb, um auözuruheu. Nachdem wir, durch jahrelanges Fieber geschwächt, aber für den Augenblick dnrch den glücklichen Erfolg gestärkt, etwa zwei Stuudcn mühsam gestiegen waren, erreichten wir die wagcrechte Ebene unterhalb der Klivpc. Ein Sftaziergang von etwa einer Meile durch flache saudige Wiesen mit schönem Nasen, dcr hier uud da mit Bäumeu und Gebüsch bestanden war, brachte uns zum Rande des Wassers. Die Wellen rollten auf ein weißes Kiefclgcstade. Ich stürzte mich iu den See uud trauk, durstig von Hitze nnd Ermüdung, mit dankerfülltem Herzen tief aus den Quellen des Nils. Innerhalb einer Viertelmeile vom See lag ein Fischerdorf namens Vacovia, in welchem wir uns jetzt niederließen. Alles roch nach Fisch — nnd alles sah wie Fischerei aus, nicht wie die voruehmc Kunst Englands mit Angelrute und Fliege, sondern Harpuuen lehnten an den Hütten, nnd Schnüre, fast so dick wie der kleine Finger, waren zum Trocknen aufgehängt, nnd daran eiserne Angelhaken von einer Größe befestigt, die da zeigte, welche Ungeheuer dcu Albcrt-See bevölkerten. Meine Mannschaft war beim Anblick des Sees völlig bestürzt. Die Reise war so lang gewesen, uud „verschobene Hoffnung" hatte ihre Herzen so vollständig krank gemacht, daß sie schon lange nicht mehr an die Existenz des Sees glaubten und überzeugt wareu, ich wolle sie nach dem Meere führcu. Sie blickten jcht mit Schrecken auf den See — zwei von ihnen hatten bereits das Meer in Alexandria gesehen und nahmen keinen Anstand, zu behaupten, dies sei das Meer, aber es sei nicht salzig. Nacovia ist ein elender Ort und der Boden so mit Salz Dic Entdeckung deS Albert N'yanza. 69 geschwängert, daß kein Feldban möglich war. Salz war das Natur-Produkt des Landes, und dic Bevölkerung beschäftigte sich mit der Bereitung desselben; dies machte den Handel der Seeküsten aus, indem es für Lebensbedürfnisse umgetauscht wurde, die aus dem Innern kamen. Am folgenden Morgen bei Sonnenaufgang nahm ich den Kompaß und ging, von dem Häuptling des Dorfes, meinem Führer Ra-bonga und der Frau Batschita begleitet, nach den Gestaden des Sees, um das Land aufzunehmen. Es war schön hell, und mit einem starken Fernrohr kouute ich zwei große Wasserfälle erkennen, welche die Wände der Verge anf der gegenüberliegenden Küste spalteten. Obgleich der Umriß der Berge anf dem hellblauen Himmel dentlich hervortrat und die dunkeln Schatten auf ihren Wänden tiefe Schluchten andeuteten, so konnte ich doch keine anderen Gestalten erkennen, als die zwei großen Wasserfälle, die wie Silbcrfäden auf der dunkeln Vorderseite der Berge aussahen. Eine Grnndfläche war nicht zu sehen, selbst von einer Höhe von 1500 Fnß über dem Wasserspiegel aus, von wo ich den See zum crsteu Male erblickte, sondern die hohe Bergkette im Westen schien sich plötzlich aus dem Wasser zu erheben. Diese Erscheinung mußte von der großen Entfernnng herrühren, indem die Grundfläche unterhalb des Gesichtskreises lag, denn dichte Rauchsäulen stiegen scheinbar von der Oberfläche des Wassers anf; sie mnßtcn durch das Verbrennen von Prairiecn am Fuße der Berge entstanden sein. Der Häuptling versicherte mir, es sei bekannt, daß große Kanoes von der andern Seite herübergefahreu, aber es erfordere vier Tage und Nächte harten Rudcrns, um die Reise auszuführen nnd viele Boote seien bei dem Versuch verloren gegangen. Ungeachtet meiucr täglichen Bitten, daß man uus ohne Verzug Boote liefern möchte, waren in Vacovia acht Tage vergangen, nnd während dieser Zeit litt die ganze Gesellschaft mehr oder weniger am Fieber. Endlich meldete mau, daß Kanoeö angekommen seicn, und ich wurde ersucht, sie anzusehen. Es waren bloß einzelne Bänmc, nett ausgehöhlt, aber viel kleiner, als die großen Kanoes anf dem Nil bei M'ruli. Das größte Boot war zweiunddreißig Fuß lang; ich wählte jedoch für uns eins von sechönndzwanzig Fnß aus, das aber breiter und tiefer war. Znm Glück hatte ich in Khartum einen englischen Schranbcubohrcr vou 1'/^ Zoll Durchmesser gekauft und dieses Werkzeug mitgebracht, da ich voraussah, daß e5 bei Einrichtungen zn Booteufahrten manche Schwierigkeiten geben werde. 70 Die Entdeckung dcs Albert N'ycmza. Ich bohrte nun im Dahlbord der Kanocs zwei Fuß von einander liegende Lücher, machte lange elastische 3inten zurecht, spannte sic im Bogen quer über das Boot und baud sic au dcu Bohrlöchern fest. Als dies geschehen war, verwahrte ich sie durch diagonal laufeude Stücke nnd schloß damit, daß ich das Fachwerk mit ciuer dünneu Schicht Schilfrohr bedeckte, um uns vor der Sonne zu schützen; übcr das Schilf breitete ich Ochsenhäute, die gut angezogen wnrdcn nnd festgebunden, so daß sic uuscr Dach wasserdicht machten. Diese Vorrichtimg bildete einen schildkrötenähnlichcn Schutz, der für Sonue und Ncgeu undurchdringlich war. Dann legte ich längs des Bodens der Kanoes einige Klötze von ganz leichtem Holz nnd bedeckte sie mit einer dichten Schicht Gras; dieses wnrde mit einer gegerbten abessinischcn Ochsenhaut bedeckt und mit schottischen Plaids belegt. Die Vorrichtungen gaben, als sie fertig waren, eine Kajüte ab, die vielleicht nicht so lnrnrws wie diejenigen auf den Fahrzeugen der „Peninsnlar- nnd orientalischen Gesellschaft", aber, was die Hauptsache, undurchdringlich für den Negcn und die Sonne war. In dieses rohe Fahrzeng schifften wir nns an einem stillen Morgen ein, wo t'aum ein sanfter Wellenschlag die ebene Oberfläche des Sees bewegte. Jedes Kanoe hatte vier Ruderer, an jedem Ende zwei. Ihre Nuder waren von schöner Gestalt, aus einem eiuzigcu Stück Holz gehanen, das Blatt etwas breiter als das eines gewöhnlichen Spatens, aber auf dcr innern Seite vertieft, so daß es dem Rnderer eine große Gewalt über das Wasser gab. Nachdem ich mit einiger Schwierigkeit mehrere Hühner nnd getrocknete Fische gekauft hatte, stellte ich die größere Zahl meiner Mannschaft in das geräumigere Kanoe; dann fuhren wir mit Nicharn, Saat und den Frauen nebst der Dolmetscherin Batschita voran uud eilten von Vacovia hiuauö auf die weite Fläche des Mbert-Sccs. Die Ruderer arbeiteten tapfer, uud das Kanoe, obgleich schwer beladen, durchlief etwa vier Meilen in der Stnnde. Eiue Aufrcgmig gab cS in Vacovia nicht; uur dcr Häuptling und zwei oder drei Begleiter kamen, nm uns abfahren zu sehen; sie hegten den verdacht, daß man etwa Zuschauer einladen könnte, als Ruderer mitzuhelfen, deshalb war die ganze Bevölkerung des Dorfes cmsgerifsen. Als wir die Küste verließen, bat dcr Häuptling um einige Perlen; er erhielt sie und warf sie in den See, um die Bewohner dcr Tiefe zn versöhnen, damit nicht Flnßpferde die Kanoes umwarfen. Uusere erste Tagereise war köstlich. Der See war ruhig, der Die Entdeckung des Albert N'yanza. 71 Himmel bewölkt mid die Landschaft höchst reizend. Zuweilen waren die Berge auf der Westküste nicht zu erkennen, und der See schien von unbegrenzter Breite zu sein. Nir fuhren an der Küste hin innerhalb dreihundert Fuß vou dem östlichen Ufer; bisweilen passierten wir Flächen von Sand und Gebüsch, die vom Wasser bis zum Fuße der Bergllivven vielleicht eiue Meile breit waren; andere Male ruderten wir gerade unter stannenerregenden Höhen von etwa l.)00 Fuß vorüber, die schroff aus der Tiefe aufstiegen, so daß wir die Kanoe von den Wänden abstießen und unsere Weiterfahrt dadurch unterstützten, daß wir mit Bambusrohren an: Felsen schoben. Diese jähen Felsen bestanden alle, aus Urgestein, häufig aus Grauit uud Gneiß, und waren an vielen Stellen mit rotem Porphyr vermischt. In den Klüften standen schöne, immergrüne Gewächse von allen Farben, darunter riesenhafte (Huphordieu, uud wo uur immer ein Flüßchen oder eine Quelle durch das dunkle Laubwerk einer Schlucht schimmerte, wurde es von der graziösen und federartigcn wilden Dattel beschattet. Im Wasser spielten große Herden Flußpferdc, aber ich versagte mir's, anf sie zu schießen, da der Tod eines solchen Ungeheuers uns sicherlich wenigstens einen Tag aufhielt, weil die Vuotsmüuuer das Fleisch uicht preisgegeben hätteu. Krokodile wareu außerordentlich zahlreich, sowohl in als außer dem Nasser; wo nur ein sandiger Strand sie Zum Sonnen einlud, waren mehrere Ungeheuer zu sehen, die wie Baumstämme in dcr Sonne lagen. Am Rande des Strandes über dem Hochwasserstandszcichen befanden sich niedrige Büsche, und ans diesem Versteck kamen die Krukodile eiligst ins Wasser herab-gelaufeu, beim Nahen der Kanoes in Schrecken gefeht. Enten und Gänse waren nicht vorhanden, weil es keine Futtcrftlätze gab; bis dicht am Ufer war tiefes Wasser. Unsere Bootsmänner arbeiteten gut, und wir sehten unsere Reise noch lange nach Eintritt der Dunkelheit fort, bis das Kanoe plötzlich nach dem Ufer gesteuert wurde uud wir auf eiuem steilen Strande von vollkommen reinem Sande festfaßen. Man benachrichtigte nns, daß wir uns in der Nähe eines Dorfes befänden, und die Boots-männer machten den Vorschlag, nns die Nacht hier zu lassen, während fie ausgehen wollten, um Lebensrnittel zn suchen. Als ich sah, daß sie die Ruder mitnehmen wollten, befahl ich, diese wichtigen Geräte wieder zu den Booten zu bringen uud eine Wache für sie hinzustellen, während mehrere von meiner Mannschaft die Voutsmänner 72 Die (5iltdcckii!iss des Albert N'ycmza. nach dem erwähnten Dorfe begleiten sollten. Mittlerweile stellten wir unsere Angarcvs anf den Strand, machten nut etwas Treibholz ein Feuer an nnd bereiteten uns auf die Nacht vor. Die Männer kehrten bald wieder zurück; sie waren von mehreren Eingeborenen begleitet nnd brachten zwei Hühner nnd eine jnnge Ziege mit. Die letztere wnrdc sofort den» großen kupfernen Tofts übergeben, und ich bezahlte den Eingeborenen ihren Wert etwa dreifach, um sie zu ermutigen, am folgenden Morgen Lebensmittel zn bringen. Während das Essen bereitet wurde, machte ich eine Beobachtung und fand, daß unsere geographische Breite 1" A^ nördlich war. Wir waren schnell gereist, denn wir hatten eine Strecke von 1l;' geographischer Breite direkt nach Norden zurückgelegt. Beim ersten Krähen uuseres einsamen Hahns bereiteten wir uns zum Aufbruch vor' — die Bootsmänner waren fort. Sobald es hell war, nahm ich zwei Männer und ging nach dem Dorfe, indem ich vermutete, sie würden in ihren Hütten schlafen. Etwa dreihundert Schritte von den Booten, anf einer schönen Nasenfläche an einer Anhöhe, standen drei elende Fifcherhütten. Sie machten daö Dorf ans. Als wir ankamen, war niemand zu finden; die Eingeborenen waren entwichen. Ein schöner Strich dnrch-brochcnes Grasland bildete unterhalb der Klippcnreihc eine Art Amphitheater. Ich durchforschte die Klippen mit dem Fernrohr, konnte aber keine Spnr von einem Menschen entdecken. Unsere Bootsmänner hatten uns offenbar im Stich gelafscn, nnd die Eingeborenen hatten sie begleitet, um nicht genötigt zu werden, nns zu dienen. Als ich mit dieser Nachricht zn den Kanoeö znrückkam, war meine Mannschaft in voller Verzwciflnng. Sie konnten nicht glauben, daß die Bootsmänncr wirklich davongelaufen wären, uud bateu mich, sie die Gegend durchsuchen zu lassen, in der Hoffnung, noch ein anderes Dorf zn finden. Ich verbot streng, daß irgend ein Mann von den Booten sich entferne uud wünschte nns Glück, daß ich die Nndcr gut bewacht hatte, die ohne Zweifel von den Bootsmännern gestohlen worden wären, wenn ich sie ihnen gelassen hätte. Ich willigte ein, bis 3 Uhr nachmittags zn warten. Kehrten die Bootsmänncr bis dahin nicht zurück, so gedachte ich ohne sie weiter zu fahren. Anf diese sich selbst widersprechenden Eingeborenen konnte man sich nicht verlassen. Freundlichkeit war bei ihnen nicht angebracht. Wir hatten Kamrasis Befehle, daß uns Boote und Mannfchaft gestellt Die Entdeckung des Albert N'lMM. 73 Werden sollten, aber an dieser fernen Grenze schienen die Eingeborenen ihrem König keine große Bedentnng beizulegen; dessenungeachtet waren wir von ihnen abhängig. Jede Stnnde war wertvoll, da unsere einzige Aussicht, Gondokoro zur rechten Zeit zu erreichen und die Boote zu treffen, von einer schnellen Reise abhing. In dem Augenblick, wo ich vorwärts zu eilen wünschte, traten Verzögerungen ein, die höchst bedenklich waren. Drei Uhr nachmittags kam heran, aber von Eingeborenen war keine Spur zu sehen. „Springt in die Boote, meine Burschen!" schrie ich meiner Mannschaft zu; „ich weiß den Weg!" Die Kanoes wurden vom Ufer gestoßen, und meine Leute setzten sich an die Rnder. Fünf von meiner Mannschaft waren Bootsmänner von Beruf, aber außer mir fclbst verstand keiner die Behandlung der Nudcr. Vergebens versuchte ich mein Schiffövolk zu unterrichten. Ruderu thaten sie freilich, aber — ihr Götter, die ihr über die Boote wacht! — wir pirouettiertcn immer um und um, und die beiden Kanoes tanzten mit einander auf ihrem großen Vallsaal, dein Albert N'yanza, Walzer und Polka. Die Reise hätte bis ins unendliche gedauert. Nach dreistündiger Anstrengung erreichten wir eine Felseuspitze, die sich wie ein Vorgebirge in den See erstreckte. Diese schroffe Spitze war bis zmn höchsten Gipfel mit dichtem Dschungel bedeckt, und am Fuße derselben befand sich ein kleines Fleckchen sandigen Strandes, von dem es keinen Äusgaug gab außer zu Wasser, da die Klippe auf beideu Seiten bis zum See herabhing. Es reguete, was vom Himmel wollte, und mit vieler Mühe zündeten wir ein Feuer an. Mosquitos gab es in Mafsen, und die Nacht war so warm, daß es unmöglich war, unter deu wollenen Bettdecken zu schlafen. Wir stellten die Angareps auf den Strand, benutzten die roheu Ochscn-hänte als Decken und legten uns in den Regen. Im Boote Zu schlafen war es zn heiß, znmal da die einstweilige Kajüte ein vollkommenes Musquitoueft war. Icuc Nacht überlegte ich, waö wohl am besten zu thun sei und beschloß, am folgenden Morgen ein Nuder als Steuer anzubringen. Es regnete die ganze Nacht ohne Aufhören, nnd beim Anbruch des TagcS war die Scene kläglich genug. Die Mannfchaft lag auf dem nafsen Sande, nut ihren rohen Häuten zngedeckt, durch und durch geweicht, aber noch immer im festen Schlaf, aus dem sie sich durch nichts erwecken ließen. Meine Frau war ebenfalls naß und sah jämmerlich ans. Es reguete noch immer. Ich war bald bei der Arbeit. Ich schnitt mit meinem Jagdmesser 74 Die Entdeckung des Albert N'haiM. ins Hinterteil des Kcmoe ein Lager, bohrte unterhalb desselben mit dem großen Bohrer ein Loch und band mit cmcin Riemen von roher Haut, den ich von meiner mit Wasser gesättigten Bettdecke abschnitt, ein Nuder fest. So machte ich ein höchst wirksames Stenerrndcr. Von meiner Mannschaft hatte mir keiner geholfen. Nährend ich hart arbeitete, waren sie nnter ihren eingeweichten Fellen liegen gebliebeil nnd hatten ihre knrzcn Pfeifen gerancht. Sie waren vor Verzweiflung völlig gefühllos, da ihre lächerlichen Anstrengungen beim Rudern am vorhergehenden Abend alle Hoffnung in ihnen vollständig vernichtet hatten. Sie hatten sich ganz in ihr Schicksal ergeben nnd betrachteten sich als der Geographie geopfert. Ich warf ihnen den Bohrer hin und erklärte, daß ich zum Aufbruch fertig sei nnd auf uiemandcn warten würde. Ich schnitt zwei Bambusrohre ab, machte einen Mast und eiue Segelstange und befestigte einen großen schottischen Plaid als Segel daran. Wir stießen das Boot ab. Glücklicherweise hatten wir zwei oder drei Reserveruder; das zum Steuer verwendete Nuder wurde daher nicht vermißt. Ich uahm das Steuer nnd ermähnte meine Mannschaft, an nichts zu dcukcu als au starkes Nudern. Fort ging's mit nns so gerade wie ein Pfeil zum größten Vergnügen meiner Leute. Es war sehr wenig Wind, aber ein leichtes Lüftchen füllte den Plaid nnd trieb uus sanft vorwärts. Als wir um das Vorgebirge herum wareu, befanden wir uns in einer großen Bai; das gegenüberliegende Vorgebirge war in einer Entfernnng von acht bis zehn Meilen sichtbar. Wollten wir an der Küste der Bai hinfahren, so hätten wir zwei Tage gebraucht. Weiter hinein war noch ein anderes kleines Vorgebirge; ich beschloß daher, direkt nach diesem Pnnkte zn steuern, ehe ich mich in gerader Liuie von einem Vorgebirge zum andern wagte. Als ich mich umsah, bemerkte ich, daß uuser zweites Kanoe etwa eine Meile zurück war und sich die Zeit damit vertrieb, daß es nach allen Gegeudeu des Kompasses zeigte; — die faule Maun-fchaft hatte sich nicht die Mühe genommen, das Stcncr anznwcndcn, wie ich ihr befohlen hatte. Wir reisten etwa vier Meilen in der Stunde, und meine Leute waren so aufgeblasen, daß sie sich bereit erklärten, ohne Beistand bis zur Nilmündnng zn rndcrn. Das Wasser war vollkommen ruhig, und als wir um das nächste Vorgebirge herum wareu, hatte ich die Freude, in einer bequemen kleinen Bai ein Dorf und eine große Die Entdeckung des Albert N'ycmza. 75 Anzahl Kanoeö zu sehen, die auf den fandigen Strand gezogen waren, sowie andere, die sich mit Fischen beschäftigten. Auf dem Sande hart am Rande des Wassers, etwa eine halbe Meile von uns, standen eine Anzahl Eingeborene, und ich steuerte gerade auf sie zu. Als wir dicht herankamen, sehten sie sich nieder und hieltm ihre Nndcr über die Köpfe empor; dies war, ein unverkennbares Zeichen, daß sie beabsichtigten, uns freiwillig als Bootsmänncr zu dienen, und ich stenerte das Boot ans den Strand. Wir befanden uns kaum auf dem Grunde, als sie sich ins Wasser stürzten, uns enterten und in bester Laune unsern Mast und unser Segel niederrissen, die ihnen höchst albern erschienen (da sie nic Segel benutzen). Sie setzten uns auseinander, sie hätten auf der andern Seite des Vorgebirges gesehen, daß wir Fremde wären, nnd ihr Häuptling hätte ihnen befohlen, nns zn helfen. Ich bat sie nun, dem zurückgebliebenen Kanoe sechs Mann zu Hilfe zu schicken; dies versprachen sie zu thun, nnd nachdem wir einige Zeit gewartet hatten, fnhren wir in rasendem Lanf ab, nm von Spitze zn Spitze quer über die breite Bai zu rudern. Als wir im Mittelpunkte der Bai waren, befanden wir uns etwa vier Meilen vom Lande. In dieser Zeit trat von Südwcsten her ein Aufwallen des Sees ein. Während loir in Vacovia lagen, hatte ich bemerkt, daß, wenn auch die Morgeu windstill waren, in der Regel um 1 Uhr nachmittags sich von Südwesten her ein starker Wind erhob, der eine schwere See auf den Strand brachte. Ich fürchtete jetzt, nur würdcu einem Sturm ausgefctzt werden, ehe wir das gegenüberliegende Vorgebirge erreichen konnten, denn das steigende Aufwallen des Sees dentete Wind aus der altcu Himmelsgegend an, zumal da auf der Westküste sich dunkle (Gewitterwolken zusammenzogen. Ich sagte Batschita, sie solle die Ruderer drängen, vorwärts zu eilen, da unser schweres Kauoe im Fall eines Sturmes sicherlich würde zum Sinken gebracht werden. Ich sah nach meiner Uhr; es war Mittag vorüber, und ich war überzeugt, daß wir gegen ein Uhr einen starken Südwcstwind bekommen würdeu. Meine Mannschaft sah mit ziemlich bleichem Gesicht auf die vorbedeutungsvollen schwarzen Wolken und das zunehmende Aufwallen des Sees. rief aber aus: „Inschallah, es wird keinen Wind geben!" Mit gebührender Rücksicht auf ihren Glauben an eine Vorhcrbestimmnng bestand ich darauf, daß sie die Rcservcruder iu Bewegung setzten, da unsere Rettung 76 Die Entdeckung dcS Albeit N'ycmza. davon abhing, daß wir das Ufer erreichten, ehe das Gewitter herankam. Sie hatten an meine Ansicht zu glauben gelernt und strengten sich anfs äußerste an. Das alte Boot schoß dnrch das Wasser, aber die Oberfläche des Sees veränderte sich schnell; das westliche Ufer war nicht mehr sichtbar, das Wasser war dunkel, und unzählige weiße Kämme versahen dic Wellen mit Spitzen. Die Kanoc arbeitete schwer nnd bekam dann und wann Wasser an Bord, Welches sofort mit Kürbisschalen von meiner Mannschaft ausgeschöpft wnrde, die jetzt ausrief: „Wah Illahi el kelam bitür el Hawaga sahhö!" (Bei Allah, was der Hawaga sagt, ist wahr!" Wir befaudcn nns noch etwa anderthalb Meilen von dem Punkte, nach welchem wir gesteuert waren, als wir unsern Kurs nicht länger einhalten konnten; wir hatten mehrere schwere Sceen an Bord bekommen, uud wären nur lücht gut mit Geräten zum Ausschöpfen versehen gewesen, so wären wir untergesunken. Auf mehrere Donnerfchlägc nnd heftige Blitze folgte ein furchtbarer Sturm aus etwa Wcst-Süd-West, vor dem wir uus genötigt sahen, nach den: Ufer zu eilen. In lnrzer Zeit erhob sich eine höchst gefährliche See, und mehrmals brachen sich die Wellen an der gewölbten Decke des Kanoe, die sie glücklicherweise etwas schützte, obgleich wir vom Wasser eingeweicht wnrdcn. Jeder arbeitete mit aller Kraft, das Wasser auszuschöpfen; ich dachte nicht daran, daß das Kanoc anö-halten könne. Herab kam der Negen in Strömen, von einem fürchterlichen Winde dahergepeitscht. Nichts war zu erkennen, als die hohen Klippen, welche dnrch das Gewitter hindurch sichtbar waren, und ick) hoffte nur, daß wir auf ciuem sandigen Strande uud nicht auf schroffen Felsen ankommen möchten. Wir fnhren tüchtig zn, da die gewölbte Decke der Kauoe einigermaßen als Segel wirkte, und es war ein belebender Augenblick, als wir uns endlich der Küste näherten und an die schäumende Brandung heranfuhren, die sich wild auf einem (glücklicherweife) sandigen Strande unter den Klippen wälzte. Ich fagtc meiner Mannschaft, sie sollten sich bereit machen, in dem Augenblick, wo wir den Sand berührten, herauszuspringen und die Kanoe in Sicherheit zn bringen, indem sie das Vorderteil den Strand hinanfzögen. Alle waren bereit, und wir flogen durch die Braudung hindurch, indem die eingeborenen Bootsmänner gleich Dampfmaschinen rndertcu. „Da kommt eine Welle; paßtauf!" Und gerade als wir fast den Strand berührten, brach eine schwere Wuge über die schwarzen Fraucu herein, die im Hinterteil saßen, und Die Entdeckung des Albert N'yanza. 77 versenkte das Boot. Meine Männer sprangen wie Enten ins Wasser, und im nächsten Augenblick wnrden wir alle in Bestürzung anf das sandige Ufer gewälzt. Die Mannschaft hing sich an das Boot nnd zog es fest anf den Sand, während meine Fran, halb ertrunken, ans ihrer urväterlicheu Kajüte wie eine Frnhlingsfliege aus ihrem Neste kroch und anf das Ufer sprang. ,M hamd el Illah! (Gottfetdank)" riefen wir alle aus; „unn noch einen Zug — alle zusammen!" und nachdem wir das Boot so weit in Sicherheit hatten, daß es nicht weggespült werden konnte, befahl ich der Mannschaft, die Ladung ansznschist'cn nnd es dann vollends ans dem See zn ziehen. Außer dem Schießpulver, das sich in blechernen Büchsen befand, war alles verdorben. Aber wo war das andere Kanoe? Ich machte mich gefaßt, daß es verloren sein müsse, denn obgleich es viel länger als uuser Boot war, giug es doch tiefer im Wasser. Nach einiger Zeit und vieler Angst bemerkten wir, daß es etwa eine halbe Meile hinter nns nach der Küste eilte; es war mitten in der Brandnng nnd ich verlor es mehrmals aus den Augen, aber der alte Vanm hielt sich gut nnd brachte die Mannschaft gerettet ans Ufer. Zum Glück war nicht weit von der Stelle, wo wir landeten, ein Dorf; wir nahinen Vesih von einer Hütte, machten ein tüchtiges Feuer an und wickeltcu uns, während unsere Kleider getrocknet wurden, in ausgcruugene schottische Plaids und wollene Bettdecken ein, dcnu wir hatten keinen trockenen Faden mehr. Zn essen konnten wir nichts bekommen, als einige getrocknete Fische, die, da sie nicht eingesalzen worden, einen ziemlichen NluN-ssmit hatten. Unsere Hühner nud auch zwei Liebliugswachtcln waren während des Stnrmcs im Boote ertrunken; die ertränkten Hühner wurdeu jedoch gedämpft, nnd bei einem lodernden Fcncr nnd reinlichem Stroh zum Schlafen war die Nachtruhe vielleicht cbcuso vollkommen wie in dem Luxus der Heimat. Am folgenden Morgen wnrdcn wir dnrch schlechtes Wetter anf-gehalten, da noch immer eine schwere See ging uud wir entschlossen waren, nnsere KanoeZ nicht in einem zweiten Stnrm anfs Spiel zu setzen. Ls war eine schöne Gegend, dnrch einen prachtvollen Wafser-fall belebt, der etwa tausend Fuß von den Bergen herabstürzte, da der Kaiigiriflnß sich in einer glänzeudcu Wasscrmasse iu den See ergoß. Dieser Flnß entspringt in der großen Marsch, über die wir auf nuscrcm Wege von Mruli nach Vacovia gegangen waren. In 78 Die Entdeckung des Albert N'yanza. der Umgegend sammelten wir einige Champignons, dic echten ^Fai'iouL ol»,mi)08t,i'i8 Europas, die cin großer Leckerbissen waren. Am Nachmittag setzte sich dic Scc, und wir brachen wieder auf. Wir waren noch nicht über drei Meilen vom Dorfe aus gefahren, als ich einen Elefanten bemerkte, der sich im See badete; er stand so tief im Wasser, daß er sich nnr mit dem obersten Teile seines Kopfes und Rüssels über der Oberfläche befand. AIs wir nns näherten, tauchte cr ganz unter, nnr dic Spitze des Rüssels blieb übcr dcm Wasser. Ich befahl den Bootsmännern, das Kanoe so dicht als möglich an ihn hinanzubringen, nnd wir fuhren eben bis ans neunzig Fuß an ihm vorüber, als cr den Kopf ans seinem üppigen Bade erhob. Ich fühlte mich stark versucht zn schießen, erinnerte mich aber an meinen Entschluß nnd enthielt mich, ihn zn stören; er verließ langsam dcn See und begab sich in den dichten Dschnngel. Eine knrzc Strecke über diese Stelle hinaus lagen zwei große Krokodile ans dcm Strande und schliefen, aber beim Nahen des Kanoe stürzten sie sich ins Wasser und hoben ans etwa fünfundzwanzig Schritt ihre Köpfe übcr dcr Oberfläche empor. In betreff meiner Fletchcrschen Büchse war ich nnsichcr, da sie so vieler Nässe ansgcseht gewesen war; um sie daher abzufeuern, richtete ich einen Schnß ans das nächste Krokodil gerade hinter das Auge. Die kleine Büchse war in vollkommener Ordnnng — Dank Elys „doppelt wasserdichten Central-zündhütchcn", die jedem Wetter widerstehen werden — die Kngel traf genau die richtige Stelle; daö große Reptil that einen krampfhaften Hicb mit dem Schwänze, legte sich anf den Rücken, mit dcn Pfoten über den: Wasser uud sauk allmählich unter. Die eingeborenen Bootsmänner waren beim Knall der Büchse, zum großen Vergnügen ihrer Landsmännin Batschita, furchtbar erschrocken, und nnr mit Mühe konnte ich sie bereden, daö Kanoc genau nach der Stelle hin zn richten. Da es dicht am Ufer war, so war das Wasser nicht mehr als acht Fuß tief nnd fo schön hell, daß ich, als ich mich gerade übcr dcm Krokodil befand, dasselbe am Grunde auf dem Banche liegen sah nnd den blntigcn Kopf erkannte, dcr von dcr Kugel zerschmettert worden war. Während einer von meiner Mannschaft eine sich znziehcnde Schleife machte, nahm ich cine lange Lanzc, die einem Boutsmannc gehörte, nnd trieb sie durch die zähm Schuppen tief in den Rücken des Halses; indem ich die Lanze sauft heranfzog, hob ich dcn Kopf bis nahe an dic Oberfläche des Wassers empor; dann ließ ich die Schleife übcr denselben glcitcn, und das Krokodil wurde Die Entdeckung des Albert N'ycmza. 79 gesichert. Es schien ganz tot zu sein, und das Fleisch sollte ein Leckerbissen für meine Mannschaft werden; wir schleppten cs daher ans Ufer. GZ war ein schönes Ungeheuer, gegen sechzehn Fnß lang, und obgleich es tot schien, so biß es doch wütend an cinem Stück Bambusrohr, welches ich ihm in den Mnnd steckte, um cs zu hindern, während des Prozesses der Enthauptung zn schnappen. Die Eingeborenen betrachteten meine Mannschaft mit Mißgunst, als dieselbe große Stücke der ausgesuchtesten Nissen abschnitt und sie in die Kanueö packte; dies dauerte nicht langer als eine Viertelstunde; dann eilten wir an Bord und setzten, gut mit Fleisch versehen — für alle, die es gern aßen —, unsere Reise fort. Was meinen Geschmack betrifft, so kann nichts ekelhafter sein als Krokodilfleisch. Ich habe fast alles gegessen; aber obgleich ich Krokodil gekostet habe, so konnte ich es doch nie dahin bringen, es herunterzuschlucken, der vereinigte Geschmack von schlechtem Fisch, faulem Fleisch und Moschus ist die dem Schwelgcr dargebotene Speise. Jenen Abend sahen wir einen Elefanten mit cinem Paar ungeheurer Stoßzähne; er stand, als wir Halt machten, auf einem Hügel, etwa cine Viertelmeile von den Booten. Dieser Versuchung half mir ein Fiebcranfall widerstehen. Es regnete wie gewöhnlich, und da kein Dorf in der Nähe war, fo bivouakierten wir im Negen auf dem Strande in Mafsen von Moöqnitos. Die Unannehmlichkeiten dieser Seereise waren groß; am Tage waren wir in unsere kleine Kajüte eingeengt, wie zwei Schildkröten in eine Schale, und des Nachts regnete cs fast immer. An die Nässe hatten wir uns gewöhnt; aber keine Acclimatisation kann den europäischen Körper mosqmtofcst machen; wir hatten daher wenig Ruhe. Für mich war es harte Arbeit, aber für meine unglückliche Frau, die sich kanm von ihrem Sonnenstich erholt hatte, waren solche Beschwerden höchst qnalvoll. 3lm folgenden Morgen war der See ruhig, und wir brachen früh auf. Die Einförmigkeit der Ncisc wurde durch dic Gegenwart mehrerer schöner Elefantcnherdcn unterbrochen, die ganz ans Bullen bestanden. Ich zählte vierzehn dieser großartigen Tiere, alle mit gewaltigen Stoßzähucn, die sich zusammen in cinem kleinen seichten See unterhalb der Berge badctcn, welcher mit dem Hauvtscc durch einen sandigen Strand in Verbindung stand. Diese Elefanten standen nur bis ans Knie im Wasser; da sie sich gebadet hatten, waren sie vollkommen rein, und ihre kolossalen schwarzen Gestalten und großen 80 Die Entdeckung des Albert N'yanza. weißen Stoßzähne bildeten ein schönes Gemälde in dem ruhigen See unter dcn hohen Klippen. Es war eine Scene, die im Einklang stand mit der Einsamkeit der Nilqucllcn — die Wildnis von Felsen nnd Wald, die blauen Berge in der Ferne, und die große natürliche Fontaine, geschmückt mit den gewaltigen Tieren Afrikas; die Elefanten in ungestörter Erhabenheit, und Flußpferde, die ihre uuge-hcnrcn Gestalten in der großen Quelle des ägyptischen Stromes erquickten. Ich befahl den Bootsmänncrn, das Kanoe ans Ufer zu fahren, damit wir landen nnd die Scene genießen konnten. Da entdeckten nnr sieben Elefanten an, Ufer etwa sechshundert Fuß von nns im hohen Grase, während die Hanptherde von vierzehn prächtigen Bullen sich majestätisch in dem ruhigen See badete, indem sie von ihren Rüsseln herab kalte Ströme über Nucken und Schultern gössen. Es gab keine Zeit zu verlieren, da jede Stunde wichtig war; wir verließen das Ufer und ruderten von nenem die Küste entlang. Ein Tag nach dein andern verging, nnd die Zeit des Rcisens dancrte von Sonnenaufgang bis znm Mittag, wo regelmäßig ein starker Stnrm mit Negen uud Donner eintrat und uus nötigte, unsere Kauocs ans Ufer zn ziehen. Das Land war sehr spärlich bewohnt, und die Dörfer waren arm und elend, die Leute höchst un-gastsrcuudlich. Endlich kamen wir in einer ansehnlichen Stadt an, die in einer schönen Bai unter jähen Klippen lag, deren grasreiche Wände mit Ziegcnhcrden bedeckt waren; es war Eppigoya, und die Bootsmäuner, die wir aus dem letzteu Dorfe erhalten hatten, sollten uns an diesem Orte abliefern. Die Verzögerungen, welche dnrch das Verschaffen von Bootsmännern herbeigeführt wurdeu, waren höchst ärgerlich; es schien, daß der König Vcfehl gesandt hatte, jedes Dorf solle die nötigen Ruderer stellen; so wnrden wir von einem Orte zum andern gerudert; in jedem derselben wurde die Mannschaft gewechselt, und keine Belohnung, sie mochte noch so groß sein, konnte sie bewegen, bis zum Ende nnscrcr Neise bei uns zn bleiben. Als wir in Eppigoya landeten, kam uns sogleich der Orts-vorstcher entgegen, und ich machte ihm den Vorschlag, cr solle uns einige Böckchen verkaufen, da der Gedanke an eine Schöpskarbonade dcn Appetit im höchsten Grade reizte. Weit entfernt, nns mit diesem Leckerbissen zu versehen, trieben die Eingeborenen augenblicklich ihre Herden weg, und der Ortsvorsteher brachte nns, nachdem er ein großes Geschenk an Perlen erhalten hatte, ein krankes Lamm zum Die Entdeckung des Albert N'yanza. 81 Geschenk, das nahc daran, eines natürlichen Todes zu sterben, nnd nichts als Hant nnd Knochen war. Znm Olück gab es Hühner in Taufenden, da die Eingeborenen sie nicht znr Nahrung benutzten. Wir tauften das Stück für eine dlane Perle (Monjur), was in Geld 25,0 Hühner für einen Schilling (ll> Sgr.) betrug. Eier wurden in Körben gebracht, die mehrere Hunderte enthielten. In Eppigoya wurde das beste Salz erzeugt, und wir kauften einen gntcn Vorrat, auch einige getrocknete Fische. Aus diese Art verproviantiert, verschafften wir uno Bootvmänner und traten unsere Reise wieder an. Kaum waren wir sechshundert Fuß weiter gefahren, als wir direkt an das unter der Stadt gelegene Ufer gesteuert wurden und unsere Bootsmanner kaltblütig ihre Ruder niederlegten und uns sagten, daß sie das Ihrige gethan hätten, und daß, da Eppigoya in vier Teile geteilt sei, die unter besonderen Ortsvorstehcrn ständen, jeder Teil Ruderer stellen werde! So lächerlich dies auch erschien, gegen ihre Entscheidung half kein Streiten, und so wurden wir von einem an den andern eingehändigt uud bei viermaligem Wechsel der Vootsmänncr innerhalb einer Strecke von weniger als eine Meile etwa drei Stuuden aufgehalten! Die völlige Albernheit einer solchen Anordnnng, verbnn-den mit Verzug, während die Zeit höchst kostbar war, stellte die Gemütsruhe auf die Probe. Bei jedem Wechsel begleitete der Ortövurstehcr die Bootsmäuner bis zu unserm Kanoe und bescheultc uns beim Abschied mit drei Hühnern. Auf diese Art bildeten unsere Kanoes, da wir schon große Vorräte eingekauft hatten, eine schwimmende Fedcrviehausstellnug. Unser Nichstand belästigte uns furchtbar. Da wir keine Körbe hatten, entschlossen sich die Hühner znm Selbstmord, «nd viele sprangen mit Vorbedacht über Bord, während andere, denen die Beine gebunden waren, sich auf dem Boden des lecken Kanoe ertränkten. Nach dem zehnten Tage von unserer Abreise aus Vacovia an nahm die Landschaft an Schönheit zu. Der See hatte sich bis auf etwa dreißig Meilen vcrschmälcrt uud nahm nordwärts an Breite schnell ab. Man konnte die Bäume auf den Bergen am westlichen Ufer erkennen. Nährend wir uufere Reise nach Norden fortsetzten, sprang die Westküste plötzlich vor und verminderte die Breite des Sees bis auf etwa zwanzig Meilen. Es war nicht mehr der große Binnensee, der in Vacovia einen solchen Eindruck auf mich gemacht Vaumg arten, Äfrila. 6 82 Die Entdeckung des Albert N'yanza. hatte, mit dem reinen Kieselgestade, welches bis jetzt das Ufer gebildet, sondern ungeheure Bänke von Schilf, das auf schwimmender Vegetation wnchs, hinderten die Kcmoes zn landen. Diese Bänke waren höchst eigentümlich; sie schienen aus abgestorbener Vegetation entstanden zn sciu, aus welcher die Papyrnsbinsen Wurzel schlugen; — die schwimmende Masse war etwa drei Fust dick und so zäh und fest, daß man ans derselben umhergehen konnte, wobei man nur bis über die Knöchel in den weichen Schlamm sank. Unter dem Pflanzcn-floß war äußerst tiefes Wasser, uud daS Ufer war auf eine Breite von etwa einer halben Meile durch diese außergewöhnliche Formation völlig geschützt. Eines Tages riß ein furchtbarer Windstoß und eine schwere See große Stücke ab, und der Wind, der auf die Biusen wic auf Segel wirkte, trieb schwimmende Inseln von einigen Ackern auf dem See umher, nm sic abzusehen, wo sie zufällig hängen blieben. Am dreizehnten Tage befanden wir uus am Ende nuserer Reise. Quer über den See war die Breite au diesem Punkte zwischen fünfzehn uud zwanzig Meilen, uud die Erscheinung des Landes nach Norden war die eines Delta. Die Ufer waren auf beiden Seiten durch ungeheure Bänke von Schilf versperrt, nnd als das Kauoe am Naudc derjenigen auf dcr Ostsccküste hinfuhr, kouuten wir mit ciuem Bambus von fünfnudzwanzig Fuß Länge keinen Gruud fiuden, obgleich die schwimmende Masse wie festes Land erschien. Wir waren in einer vollkommenen Vegetationswildnis. Im Westen erhoben sich Berge gegen 4(Xx» Fuß über den Spiegel des Sees, eine Fortsetzung der Kette, welche das westliche Ufer von Süden aus bildete; — diese Berge nahmen au Höhe nach Norden hin ab, uud der See endete iu dieser Richtung in ciuem breiten Thal von Schilf. AmsMlnldcr w WolMssa nnd Mom an der Ostküste Afrikas. Von meinem Hause in der Stadt Mombassa führt der Weg zur englischen ^Imi-eli M»8i«n ^oeiot^taUm^ wohin ich gehen wollte, Zunächst der Nyia Ku (Großen Straße) entlang. Hier haben die Straßenbildei auS Mombassa und Feretown. 83 reichen Araber ihre Häuser erbaut: große ein- und zweistöckige Gebäude mit kleinen vergitterten und durch Laden verschlossenen Fenstern. Zu den Seiten dcr prächtig geschnitzten, schweren, hölzernen Hansthür ziehen sich gemauerte Bänke hin, ans denen Palmstrohmatten liegen. Hier schlafen am Tage Scharen fanlcr Sklaven, während abends ihre Herren, Kaffee schlürfend und Betel kanend, die Zeit totschwatzen. Ins Innere des Hanses gelangt ein Fremder selten. In den kleinen dunkeln Zellcnränmcn anf dcr Veranda, die deu centralen Hofranm unigeben, spinnt sich das monotone Leben der Frauen ab. Weiter schreitet man an den Magazinen und Läden der indischen Kaufleute vorbei. Fast nackte, schweißtriefende Neger tragen unter lautem Wechselgcsana/) meist zu zweien an armdicken, anf den schwieligen Schultern liegenden Pfählen Sorgum, Mais und Sesam in Palmstrohsäcken, große Ballen europäischer Baumwollenstoffe, Metall-draht oder schwere Fässer voll Glasperlen, meist für den Binnenhandel bestimmt. Andere verschließen Eoftalfässer mit nassen Kuhhäuten- Orscille packt man in große Mattcnsäcke. Wohlgefällig lächelnd überschaut dcr Vaniane dnrch die großen runden Brillengläser seinen Reichtum, zählt uud uotiert die an-langenden Waren. Einer seiner Gehilfen marlirt mit spitzem Meißel einen mächtigen Elcfantcnzahn, die jüngste Bente seiner Schlanheit. Wenn das Elfenbein, welches als Vroche die Brust uusercr Schönen ziert oder als Knöpschen den Stock des Stutzers schmückt, erzählen könnte, wieviel würde man erfahren von Gefahren und Mühen, von Blut und Übcrliftnng, wodurch man seiner habhaft wurde. Mitteu durch die bunte, lärmeude Menge auf dem Nyia Ku wandelt dummstumpf das heilige Rindvieh der Banianen, denn hier ist es noch nicht, wie in der Stadt Zanzibar, von dcr Straße verbannt. Friedlich lagert sein Mist neben anderm Unrat. Weiter führt der Weg an einer Mosteh vorbei. An der Schwelle des Heiligtums stehen die Sandalen, welche die Andächtigen vor dem Eintritt ablegen müssen. Es sind meist alte, verschlissene, denn, sagen die Leute, nimmt man gnte mit, so werden sie leicht von den Heranskummenden, die in heilige Gedanken versunken sind, verwechselt. *) AlleS waS diese Leute geiade in dem Augenblicke hören, setzen sie in ihre Musil über. So vernahm ich einst in eitlem sianzüsischen Handelshause Zanzibars folgcudcu Canun dci Neger: Que ce que cinq Que ce que qa. in unendlicher Wiederholung. 6* ß4 Straßenbildcr aus Mombassa und Feretown. Auf dem mattenbedeckten Bodell der weiten Halle verrichten die Frommen ihre Gebetsgymnastik; andere liegen im Schlafe des Gerechten versunken an dcn kühlsten Stellen. Am Fenster nach der Straße zu sitzt ein arabisches Schneiderlcin; er sitzt hier Tag für Tag nnd führt mit beschaulicher Andacht scine Nadel. Hinter seinem linken Ohr hängen die langen Nähfüdcn, Jeder Vorübergehende kennt ihn und tauscht Begrüßungen mit ihm aus. Ein halbes Dutzend jnnger Schriftgclchrten sitzt daneben mit untergeschlagenen Beinen und plappert mit rasender Geschwindigkeit uud Monotonie Kapitel nach Kapitel aus dem Koran her, jeder eine andere Sure, wodurch, wie leicht zu denken ist, ein heilloser Lärm entsteht. Aber er wird noch weit übertönt von dem gellenden Gesänge einer eben vorüberziehenden langen Reihe von Neger-Mädchen nnd -Knaben, welche, vom Strande kommend, Holzblöcke uud Korallenstcine auf dem Kopfe tragen, um damit einen Kalkufcn zu errichten. Sie haben mich bemerkt und mögen sich au einen Europäer erinnern, der sich einst in Mombassa häuslich niederließ uud dann nach Europa zurücklehrte, denn sie singen: 0 Mzungu inbaia Yenga yumbu U quenda uleia. Das heißt: O böser Europäer! Baust dir ein Haus (errichtest einen Hausstand) Und gehst (wieder) nach Europa (zurück). Vorüber zieht die lustige Schar. Gin anderes, wohl noch lebhafteres Bild zeigt sich. Ein Ileincr Knabe, der die Schule geschwänzt, wird von feiuem Vater zur herben Pflicht zurückgeführt, iudem seine Füße mit einer Schnur derart gefesselt sind, daß er nur kleine Schritte machen kaun. Er ist über und übcr mit Laub und Fcderu behängen und seine Schulkameraden tanzen um ihu uud lacheu ihu aus. Es ist das gewiß ein sehr probates Mittel gegen das Schwänzen. Zwischen dcn morschen Trümmern cincs alten Stadtthores hindurch uud durch cugc Gassen zwischen hohen Häusermassen, auf denen Schmutz und schwarze Algentünche den Glanz längst vergangener besserer Tage verhüllen, an einem Brunnen vorbei, erreicht man endlich das Ende der Stadt und tritt in die Plantage. Einige Straßenbilder aus Mombassa und Feretown. tz5 Vombaxbäume, behängen mit Fruchtkapseln, fallen zuerst auf. Ihre seidenweiche Baumwolle wird zum Stopfen von Kopfkissen gebraucht. Soviel ich mich auch bemühte, die Bewohner Ostafrikas zum Sammeln des Adansonicnbastes als Exportmittel für die Papierfabrikation anzuregen, sie sind fo in Faulheit versumpft, daß sie nicht zu ncnen Erwerbsquellen greifen. Was hat ein üppiges, aber ungesundes Klima aus den kräftigen Omlw-Arabcrn gemacht, die einst als Eroberer in Ostafrika einzogen^ Sie verleben ihre Tage schlafend, schwatzend und allenfalls betend. Ihre Kinder tragen alle Un-tugeuden ihrer schwarzen Mütter, oder sind, von Araberinncn geboren, schwächlich und sterben nicht selten am Fieber beim Zahnen. Die Sklaven dieser Araber sind wenn möglich noch fanler, als sie selbst. Ein Netto-Erlös von 4 Mar. Ther. Thaler im Jahre von jedem Sklaven gilt als sehr hoch, dabei dient der grüßte Teil der Felderzengnisse zur Speise dieser Leute. Was Wunder, daß die meisten Araber tief vcrschnldet sind', die Plantagen gehören ihnen nur nominell, in Wirklichkeit aber den schlauen indischen Kaufleuten. Ich bestieg mit meinen Leuten einen der Baumkähne, welche anscheinend pro dono Mdlico vom Zollhauspächter in Mombassa gehalten werden. Meine Diener Sadi und Mekanjira führten die Rnder (eine Stange mit anfgenagelter ruuder Brettscheibc), der kräftige Mabruki die lange Stoßstange, die zugleich zur Steuerung dient. Ich selber hockte auf dem nassen Boden des Kahnes, die Flintenricmen über die Brnst geschnallt, Uhr nnd Pedometer in einem Tuche auf dem Kopfe tragend, damit bei etwaigem Umschlagen nichts verloren gehe oder dnrchnäßt werde. Ohne Unfall erreichten wir das andere Ufer des breiten Meereöarmcs nnd befanden nns nun in Kisa-uni der Eingeborenen, iu Feretown der Engländer. Im Jahre 1K75, hat die ^lnii-cli, Ui88wn ^nowi,^ hier große Strecken Landes von den Arabern gelauft und mit bedeutenden Mitteln den Aufbau einer Stadt für befreite Sklaven begonnen. Prächtige Hänser von indisch-europäischer Bauart diencu den Missionarm zum angenehmsten Aufenthalte. Eine Schule, ein Hospital und eine Kirche sind dnrch milde Stiftungen philanthropischer Engländer errichtet. Ein kleiner Dampfer vermittelt monatlich den Verkehr mit Zanzibar, also mit Enropa. Den Negern sind niedliche kleine Häus-chen, meist mit Eisendach, oft auch mit eisernen Wänden, zu Familicnwohnnngen angewiesen. Eine durch Dampf getriebene Säge richtet die NdHmdii.koti Ot/olia «ua.u^6U8i8 ^Veiw.) und 86 Strahcublldcr niiS Mouibdssa und Fercwwn. andere Bannistämme, welche in dm wrecks wachsen, zu, und geschickte illdische Tischler verarbeiten die Bretter :c. weiter. Maurer, Schmiede und andere Handwerker find emsig beschäftigt; einige der befreiten Neger legen selbst mit Hand an; der größte Teil derselben wird aber — ob mit ihrem eigenen Willen und Nutzen? — geistig beschäftigt. Ich weiß nicht, ob es von Vorteil für das Emporblühen dieser Freistadt ist, daß der Kern der schwarzen Bevölkerung aus Indien hierher verpflanzt wurde. Gs sind dies vor Zeiten von englischen Kreuzern aufgebrachte ostafrikanische Sklaven. Viele dieser freien Sklaven dünken sich, auf ihr Christentum und ihre europäische Klciduug pochend, Europäer, und benehmen sich hosfärtig oder bestenfalls herablassend gegen die frifch zugebrachten Befreiten. Ihre durch hohe Löhne sanktionirte Faulheit bildet gewiß kein gutes Beispiel für Neulinge. Sehr zu bedauern ist ferner, daß das zu Ferctuwu gehörige Äckerland zu den sterilsten der doch sonst so fruchtbaren Zanzibar-Küste gehört. Übrigens wird Ferc-town, besonders wenn Ostafrika cnglifch werden follte, eine bedeutende Zntnnft haben, denn als Hafen ist die Bai von Mombassa und speciell der Ankerplatz vor der englischen Station wohl der vorzüglichste der ganzen Küste. Die Missionare Fcretowns haben mich cmfs freundlichste aufgenommen. Mögen ihre menfchenfreundlichen Arbeiten reiche Früchte zeitigen! I. M. Hildebrandt. Zeitschrift der Ges. für Erdkunde. Verlm. 1879. Die GMMlldcr. Produkte, Klima, beste Lebensweise der Europäer. Die sehr zahlreichen kriegerischen, grausameu Galla haben sich vom afrikanischen Hochland seit mehr als 3 Jahrhunderten nach Norden und Osten bis an den indischen Ocean verbreitet nnd sind auch in Hadesch eingedrungen, das viel von ihnen zu leiden hat. Sie find brann oder schwarz, oft ziemlich hell, mit langem, fast schlichtem Haar, gerader oder Adlernase, stolz uud wild und wnrdcn Die GaNaländer. 8? wie Mongolen und Kanantschen zu einem kühnen Ncitcrvolk, besitzen auch große Sä)af-, Rinder- uud Zicgenherdcn, siud sinulich und geschickt iu Verstellung und haben znm Teil den Islam angenommen. Ihre Sprache ist wohlklingend; die heidnischen Stämme werden demokratisch regiert, dic mohamedanischcn von Stammesältestcn. Wir lassen speciell das Galla-Borana-Gcliiet durch Claus von Änderten schildern. Das Galla-Borana-Gebiet zwischen Abcssinien und Harrar im Norden, dem Tana resp, kleinen unbedeutenden Völkerstämmen nördlich des Flusses im Südcu, dem Nil im Westen uud dem Sultanat Inssuf Alis und vielen anderen kleinen Somal- uud Galla-Snltanaten im Osten liegend, wird bewohnt von einem kriegerischen nomadisierenden Hirtcnvolke nnd ist seit Jahren das Ziel aller europäischen Mächte. Die Engländer versuchen seit Jahrzehnten, sich einen Eingang in das an allen afrikanischen Prodnkten reiche Hinterland zu verschaffen, um deu gesamten Handel nach Zeila und Bcrbera zu dirigieren. Die Franzosen haben, nachdem sie in Obock mit ihrer Kohlcnstation ein so unglückliches Ende genommen, znr Zeit anfgehört, Expeditionen nach dem reichen Sudan zu senden. Die Österreicher haben vor circa 4 bis 5 Jahren dnrch Expeditionen versncht, Harrar nebst Hinterland zu gewinnen; aber da ihnen die Geldmittel fehlten, haben sie nichts ausgerichtet und Harrar wieder verlassen. Die Italicner schicken jährlich viele Expeditionen südlich Schoa und Harrar, um hier zu rekognoszieren und eventnett festen Fnß zu fasscu. Nach Aussagen einiger italienischer Geographen und Offiziere (unter denen zwei sehr gut Kigalla sprachen) sind die Gallaläuder sehr reich an allen afrikanischen Produkten, u. a. auch Edclsteiucn. Das Galla-Borana-Gcbiet ist bis jetzt noch von keinem weißen Manne betreten nnd erforscht. Dasselbe, sagen die (Yatta-Barreta, von mir über ihre Stammesbrüder befragt, aus, sei ciu sehr wasserreiches Bergland und böte den großen Viehherden reiche Nahrung. Viel Wild, besonders Elefanten und Flußpferde, solle die Thäler bewohnen, während auf den Berghängcn die Bewohner mit ihren Herden hausen. Das Land scheint reich an Eisen und anderen Metallen zu sein, denn die Galla-Borana fertigen sich ihre Instrumente znr Bearbeitung des Elfenbeins selbst. Sie geben an ihre Stammesbrüder, nnsere Unterthanen, in Tanfchgeschäften sehr schön genau geschnitzte glatte Elfenbeinringe, welche von diesen mit Vorliebe an den Armen getragen werden. Selbst find diese aber nicht im stände, gg Die Gallalander. auch nur ähnliche schnitzen zu können, da ihre Messer hierzn in keiner Weise ausreichen. Auch die Somal behanpten, ihr Hinterland sei sehr reich an Elfenbein nnd Hallten. Beide Prodnfte gclaugen vielfach dnrch die Sonial über Kißinayn, Magdischu lnid in Zukunft gewiß anch über Obia in großen Quantitäten in den Handel. Myrrhen, Straußenfedern, Elfenbein, Häute, Honig nnd Sammcli (gekochte Butter, welche von allen füdlichen Völkern sehr geschätzt wird), sollen die Gallas in reichem Maße für etwas Zeug (Sackleinwand), Draht nnd andere Artikel in die Nähe der Küste bringen. Es kann der Deutsch-ostafrikanischen (Gesellschaft jetzt, wo sie in Obia einen schönen Hafen an einer verkehrsreichen Karawanenstraße besitzt, nicht schwer fallen, sich in den Gallaländcrn ein reiches Handelsgebiet zu erschließen. Das hiesige Klima mit seiner tropischen Hitze nnd seiner vielfach sehr feuchten, geraden dicken Luft verlangt vom Enropäer, befoilders aber von Neuangekommenen, einige sanitäre Vorsichtsmaßregeln, damit er nicht erkranke. Geschützte windstille Thäler soll der Europäer besonders in der ersten Zeit vermeiden, weil in diesen vielfach Fiebcr-miaömen sind, die in dem vielleicht angegriffenen oder prädisponirten Körper dann leicht die Oberhand gewinnen nnd das afrikanische Fieber, welches der Malaria sehr ähnelt, erzeugen. Chinin, weniger wirksam Salieyl, ist ein vorzügliches Mittel gegeu dasselbe. Wer keinen Kranken-Thermometer besitzt, nimmt am besten morgens, abends nnd am Tage oder bei Nacht, wenn er sich recht unwohl fühlt, je eine starke Dosis. Abends starkes Mafsieren des ganzen Körpers mit daranf folgendem warmen Fußbad ist ein vorzügliches Mittel, nm die Glieder- lind Nückensch merzen zn entfernen. Der Dentsche soll in Afrika alle Spiritnosen und fette Speisen auf das gewissenhafteste vermeiden nnd sich mit kräftiger Psianzcnnahrnng nnd magerem Fleisch begnügen, nm seine Gcsnndheit wohl zu erhalten. Viel Bewegung ist mit ein Hanpterfordernis, nm den Magen, welcher durch übermäßiges Trinken so leicht geschwächt wird, in guter Thätigkeit zn erhalten. — Das beste Getränk ist gekochtes, filtrirtcs Wasser mit (5itronensaft, dann leichter Wein oder Bier, Tabakrauchcn wird von allen Ärzten empfohlen, ebenso der Genuß der kleiueu roteu Pfcherschotcn (Zanzibar-Pfeffer), der die Speisen besser würzt und gesunder ist, als Äixoä Mle«, die durch Transport so leicht verderben. Die Gallalander. gg Bei der Beobachtung dieser einfachen Vorsichtsmaßregeln: viel Bewegung, nur gekochtes Wasser trinken, keine fetten Speisen nnd Spirituosen genießen, kann sich meines Erachtens hier jeder gesunde Europäer bald acclimatisicrcu und wohl sühlcu; doch andernfalls ist dic Existenz des Teutschen auf die Dauer hier sehr fraglich. Nnter freiem Himmel zu schlafen ist nicht gerade gesund, doch wenn es sein muß, bei sonst vernünftigem Leben uicht gesuudhcitsstörend. Auch kaun man die beiden schädlichen Morgenstunden mit den kalten, feuchten Niederschlägen von 4—6 Uhr ja leicht zum Marschieren :c. verwenden. Bei vernünftiger Lebensweise wird meines Erachtens der deutsche Kolonist hier bei billigeren: Unterhalt dieselbe Arbeit verrichten lernen, die er in der Heimat zu thun gewohnt war. Die heißen Stnnden kann er ja ebenso, wie er es in Deutschland thut, vermeiden. Alle Angriffe auf hiesiges Klima uud die sehr fragliche Zukunft unserer ncueu dcutscheu Kolonie sind meines Dafürhaltens unberechtigt. F. I. Graf Pfeil und andere Herren, die sich längere Zeit hindurch unuutcrbrocheu auf dem Kontinent aufgehalteu und sonnt sanitäre Beobachtungen gesammelt haben, werden mir Necht geben und mit mir auf eine glückliche Zukunft des neuen Deutsch-Ostafrika hoffen. Wer von den vielen Erkrankungen der Enropäcr im Kongo-Staate Schlüsse auf das Klima in Ostafrika ziehen will, für den würde es sich sehr empfehlen, zuvor Erkundigungen über die Lebensweise der Kongo - Staatsnnterthanen einzuziehen. Die Quantitäten geistiger Ketränke aller Art und die Konserven, welche dort verzehrt werden, würden wohl besser in eine Kolonie am Nordoder Südpol Passen, als in das tropische Klima. Claus von Änderten. KollmlabPulittschc Korrespondenz 1886. Nr. M 90 Die Sumal. Die Komi an der Ostspitze Afrikas.') I. Das Eomallaud (12 000 ü!M.) gehurt noch immer zu den am wenigsten bekannten Teilen Afrikas, da der Fanatismus, die verrufene Treulosigkeit, Ranblust und Mordgier etlicher Somalstämme, sowie die unwirtliche Natur der Seelüste bisher von dem Eindringen in das Hochland des Imieru abgeschreckt haben. Die wenigen Europäer, welche den Versuch wagten (Burton, Speke, Hildebrand, Haggemnacher nnd Revoil im Norden, von der Decken uud Breuner im Südeu) sind nicht weiter als höchstens 150 km von der Küste eingedrungen; noch ^,v> wurde der Italiener Sacioui zu Ogadcen im Herzen des Landes ermordet. Selbst die so kühnen arabischen Händler wagen diesen Versuch uicht. Mau weih, daß die Somal, welche östlich von den Galla nnd südlich vou dcu Dankali bis zum Flusse Dschub die gauze Ostspihe Afrikas bewohuen, iu drei von einander unabhängige Hauptstämme zerfallen: die Adschi von Zeila am Ools von Aden bis Kap Guar-dafui, die Hawijch au der Küste des Indischen Meeres bis zur Stadt Obbia (N"nördl. Br.) nnd die 3tahanwehn im Westen der Hawijeh zwischen den Flüssen Dschnb uud Wobbi. Es stud unzweifelhaft Verwandte der Vedja, Abessinier uud Galla. Als fanatische Mohamedaner rühmen sie sich ihrer Herkuuft aus Arabien. Die uördlicheu Somal bezeichnet Burton nach ihren eigenen Überlieferungen, ihren scharf bezeichneten physischen Eigentümlichkeiten, ihren Sitten und ihrer geographischen Lage gemäß als ein Misch-lingsvulk, einen Zweig der großen Gallarassc, welcher, gleich den weiland negro-ägyptischen Menschen viel vom kaukasischeu Typus *) Die anßerordcütliche Wichtigkeit, welche iu naher Auknnft das <^umal-land fiir die deutschen wlmimlen Äestrelniogen i>, Ostlifrilc, haben wird, die un-Uüissüüsslichc Notwendigkeit, Uor cillcin die Bevölkerung geuaucr kennen zn lernen, veranlaßt nns, hier drei sich ergmiMide, resp. verbessernde Darstellungen des VuMchcn'Mevs, der Sitten und ^ebensweisc der Sonial von Änrton, Hangen» luacher nnd Llmis von Änderten iiisliniuien.uistcllcn. 2ic schildern ,;wci Seiten deg cthnograpliischen Dieiectö: Burton nnd Hagss^'lunacher den Norden und Änderten den Südusten; das Iuuele desselben ist noch unerforscht. Die Somal. 91 in sich aufgenommen hat, weil fortwährend reines asiatisches Vlnt in seine Adern kam. Die Somal sind gerade nicht häßlich. Das Haupthaar ist hart und wie Traht; es wächst, wie bei den westindischen Mulatten, in steifen Locken, welche in Büscheln stehen, und eine mäßige Länge erreichen, über die sie nicht Hinansreichen. Diese hängen herab. Einige Häuptlinge, Gelehrte und Reiche lassen das Hanpt scheren und tragen einen Turban. Insgemein jedoch werden dic einzelnen Locken gekämmt und perückenartig frisiert. Die Locken der Beduinen triefen von ranziger Bnttcr. Das Haar ist von Natnr schwarz-blänlich; aber man färbt es mit einer Mischnng von ungelöschtem Kalk und Wasser, oder in der Wüste mit Aschenlauge. Dadurch wird es gelblich-weiß, und man färbt es dann rot mit Henna, oder bestrcicht es mit rotem Oker. Die Perücke von rotgcfärbtem Schafsfell stammt aus der Fremde nnd wird im Flachlande nicht mehr getragen; schwarz oder weiß kommt sie noch bei den Stämmen in der Nmgegcnd von Harrar vor. Der Kopf ist mehr lang als rund, steht recht gut auf den Schultern, und hat zngleich ctwas Arabisches und Afrikanisches. Ohne die Schönheit dcs Vordcrkopfes würde er schwach aussehen. Bis zum Mund herab ist das Gesicht, mit Ausnahme der vorstehenden Backenknochen, recht hübsch, nnd es wird durch dic Umrisse der Stirn veredelt; die Augen find groß und wohlgestaltet, aber der Kiefer ist prognath, steht vor, ist also wesentlich afrikanisch; auch die breiten, nach anßen gewandten Lippen zeugen von Ncgerblnt; das Kinn steht vor, zum Nachteil des Gesichtswinkels. Der Bart wird von zwei Büscheln gebildet nnd ist selten so entwickelt wie bei den Arabern, welche doch schon sehr schwach mit Haaren im Antlih versehen sind; das Lippcnhaar ist kurz nnd spärlich, der dicklippige Mund erscheint plnmp, die Zähne stehen selten so weit vor wie beim Neger, sind adcr auch nicht gut. Ohnehin leiden sie durch Kauen des schlechten Snratetabaks, zu welchem man obendrein Asche nimmt. Gerancht wird der Tabak nur von Stadtbewohnern. Bei den Stämmen im heißen Niederlande ist die Haut sanft, fchwarz und glänzend, höher hinauf wird sie etwas lichter, und in der Gegend von Harrar sieht sie aus wie Milchkaffee. Die Beduinen lieben Schönheitszcichcn im Gesichte, nämlich gräßliche Ginschnitte in das Gesicht, welche bei der dicken Oberhaut wulstartige Streifen bilden. Die Männer sind schlank und dabei etwas ungeschlacht; 92 Die Somal. die Schultern sind hoch, der Oberleib ist gerade, das Schienbein etwas nach vorne gebogen; Füße und Hände sind grob, breit und flach. Die Somal sind argwöhnisch, haben Abncignng gegen die Araber, fürchten und hassen die Türken, verabscheuen die Europäer und hegen Acrachtnng gegen alle Asiaten, welche sie unter dem Namen der Hindi, Indicr, zusammenfassen; denn sie gelten ihnen für Feiglinge. Der Somal hat die Leichtfertigkeit und Unbeständigkeit des Negers, ist leichtsinnig wie der Messinier, welcher, nach Bischof Gobats Ausfpruch, in nichts beständig ist als in der Unbeständigkeit; er ist sauft, fröhlich und znthnnlich, gerät aber, ohne allen Übergang, ill wilde Wnt uud verübt dann die gräßlichsten Handlungen. In Adcn befindet er sich viel wohler als in seiner Heimat. Ich habe dort oft gesehen, daß ein Mann in die Hände klatschte, tanzte, sich wie cm Kind gebärdete, nm seine Fröhlichkeit auszulasscn. Aber hier in Afrika sind die Somal, gleich den Mongolen und anderen Hirtenvölkern, trübsinnig, melancholisch. Sie können stuudenlang sitzen und den Mond anstarren. Stets sind sie von Gefahren nmgcben und selten des Lebens sicher nnd darum deukeu sie uicht an Singen und Tanzen. Viel Gelehrsamkeit macht ihnen die Köpfe verwirrt; wir wissen ja, daß die halbverrücktcu Fakihs in Nordafrika, die Widad, Priester, durchschnittlich für die (Geschäfte dieser Welt untauglich, uud viele Hafise, welche den Koran auswendig wissen, uahezu blödsinnig sind. In betreff des persönlichen Mutes gleichen sie anderen Wilden. (5inc Schlacht gilt schon für sehr bedeutend, wenn anderthalb Dutzend Mann fallen; gewöhnlich fliehcu sie, sobald ein halbes Dutzeud am Boden liegt. In einem Kraal, in welchem hundert Tapfere die Stranßfeder tragen uud sich also des Mordes rühmen können, gewahrt man vielleicht nicht einen einzigen verstümmelten oder verwundeten Mann, während in einem arabischen Beduincnlager mindestens die Hälfte Spnreu von VIci oder Stahl am Leibe aufzuweisen hat. Auch der Tapferste wird einem Kefecht auswcichcu, wenn er scinen Schild vergessen hat; daö Erscheinen eines Löwen oder der Knall eines Schießgewehrs preßt ihnen einen Schrei des Entsetzens ans, nnd bei ihren Kanins oder Naubzügeu in Rotten hüten sie sich wohl, dem Feiude offeu gegenüber zu treten. Freilich wcrdcu ihrer zwei oder drei eiuen nubewaffneten Menschen oder einen, der schläft, brav genug ermorden; indessen wird die gegenseitige Erbitterung Die Somal. 93 unter einzelnen Stämmen manchmal so heftig, daß Mann gegen Mann mit Speer nnd Dolch kämpft. Ich fand die Somalbednincu gutmütig und gastfrei; mit etwas Tabak gewann ich aller Gunst, und mit wenigen Wen groben Baumwollenzenges konnte ich nieinen Bedarf an Lebensrnitteln bestreiten. Sic behandelten mich wie ein Lieblingskind, ich mußte Milch trinken und Schöpfenfleifch essen, man bot mir Mädchen zum Heiraten, drang in mich beim Stamme zu bleiben, Häuptling zu werden, Löwen zu fchießen uud Elefanten zu töten. Man fragte mich: „Du bist doch klein; was hat dich bewogen, daß du dich bei diefer Kälte auf die Sticrhaut bei uns nntcr den Baum fetzest?" Freilich waren alle, gleichviel ob Häuptlinge oder Arme, arge Bettler, und die Araber nennen darum das Somalland Belad wa issi, das „Land gieb mir etwas". Aber sie sind mit wenigem zufrieden, nnd eine offene Hand machte mir überall gute Freunde. Die Somal halten sich zur Schafcischule des Islams. Es ist eine Eigentümlichkeit, daß sie, nicht einmal in den Städten, Gebete über einen Toten fprechen. Die Feierlichkeiten bei der Heirat sind einfach; mau bestimmt den Preis für die Braut, einigt sich über den Schmaus, nnd ein Priester oder Pilger fpricht das Gebet über das Paar. Ich bin oft zum Gebetsftrechen angegangen worden, und ich habe dann anch leider manchmal ein Paar mit dem Vorbeten des Fathat eingcfegnct, was ein Hohn war, und etwa fo viel fagen will, als wenn man eine Trauung in England mit dem Vorlesen eines Abfchnittes aus dem Katechismus vornehmen wollte. Daß unter eincm fo gemischten Volke noch manche Überbleibsel aus der heidnischen Zeit sich erhalten haben, darf nicht auffallen. So fchwört man noch jetzt bei den Steinen, verehrt Steinhügel und heilige Bäume, hat Feuer- und Wasserproben in der Art des bekannten wcstafrikanifchen Bolungo. Ein Mann wird des Mordes oder Diebstahls angefchuldigt und stellt die That in Abrede; er muß nun über eine Speereslänge glühender Holzkuhlen gehen, oder einen glühenden Amboö aus dem Feuer holen, oder auch vier bis fünf Mufchclu aus einem mit siedendem Wafser gefüllten Topfe hervor-laugen. Gleich nachher wird der Arm in ein eben geschlachtetes Schaf gesteckt und während der nächsten vicruudzwanzig Stunden nicht besehen oder angerührt. Sie habcu Seher und Zauberer, Ta-wuli, welche deu weftafrikanifchen Grigrimänncrn gleichen. Sie wahrsagen aus dem Fett und den Knochen geschlachteter Tiere, „thun 94 Die Somal. Medizin", verkünden Regen, Schlachten und Viehseuchen. Auch wahrsagende Frauen sind vorhanden; beide Geschlechter beten lind baden nicht und gelten deshalb immer für unrein; aber man fürchtet sie und sie stehen beim Volte in Ansehen. Die Verkündigung sprechen sie sozusagen iu ruhen Reimen ans, welche ihrer Angabe zufolge manchmal ans dem Munde eines verstorbenen Wahrsagers kommen. Während der drei Rajalo-Monate (gewisse Monate im Sonnenjahr; der dritte Najalu begann 1^54 cnn 21. Dezember) wird der Koran nicht über dem Grabe gelesen, und während dieser Zeit fiudeu Verheiratungen nicht statt; wahrscheinlich ist auch das ein Überbleibsel aus dem Heidentum, das glückliche uud unglückliche Monate annahm. II Zur Ergänzung uud Verglcichung fügen wir die Schilderung Haggenmachers bei, welcher die nördlich hausenden Stämme zwischen Berbera und Libaheli kcuucu lernte/") „Das Erste, was uns im Volkscharakter der Somal entgegentritt, ist ein großer, aber iu falsche Bahnen gelenkter Mut, Bis auf dm letzten Blutstropfen fich verteidigend, rächt der Somal das geringste Uurccht, die kleinste Schmähung. Freundschaftlicher Ausgleich gilt als Feigheit und Schande. Schmerzen nnd Tod haben für das blutdürstige uud grausame Volk keine Schrecken. Der Somal liebt die Ehre, d. h. die Ehrerbietung, die andere ihm zollen, doch hat er keinen Begriff davon, die ihm gezollte Ehre durch ehrliches Wefcu verdienen zu wollen. Der Wert ciues Mannes wird nach der Anzahl feiner Mordthaten bcmefscu. Besitzt schon der Somal als solcher einen exaltierten Natioualstolz. so steigert sich dieses Selbstbewußtsein bis zur Krankhaftigkeit bei dem Haupte der Familie, des Stammes. Der gekränkte Stammesgeuosse findet sicherlich seine Rächer. Witwen und Waisen haben ihre Beschützer gegen fremde Unbill. Geld und Gut sind allmächtig, aber Aufopferung und Dankbarkeit seltene Tugenden. Wirklich grenzenlos ist die gegenseitige Mißgunst der Eingeborenen; spricht man mit einem älteren Manne, so ärgert sich der jüngere Anwesende und erlaubt sich die rohcsten Bemerkungen. Ladet mau einen zu sich ins Haus, so folgen ihm alle gerade in der Nähe stehenden und fetzen sich mit ihm an den *) Mitteilungen miö I. Perthes Geogi. Anstalt von Petermmm, 1876. ErgütMnasheft Nr. 47. Die Somal. 95 Tisch. Jeder Somal dringt in das Innerste der Hütten ein, alles durchstöbernd; man mnß froh sein, wenn man wenigstens des Nachts vor dieser nichtswürdigen Nasse Nnhe hat. Was dcr Familienvater verdient, wird von den erwachsenen Sühnen nnd Vrudcrsöhnen geteilt, wenn letztere dem Alten über den Kopf gewachsen sind. Dcr kleinste Irrtum in der Verteilung kann dem Geber das Leben kosten. Dcr Somal ist fanatischer Mohammedaners); Mord nnd Dicbstahl sind nach seiner Anschauung keine Sünden, die ihm den Weg znm Paradiese verwehrten; Gefühl und Gedanken der Somals sind roh und sinnlich; in all seinein Thnn nnd Handeln ist er berechnender Spekulant. Ob er lieben kann möchte ich bezweifeln; vielleicht liebt er seine schöne Braut, vielleicht sein Pferd, aber gewiß nicht Vater und Mutter. Schwester- oder Bruderliebe scheiuen ihm geradezu lächerlich. Der Vater tötet den Sohn nnd nmgekehrt; der Somal mordet jeden, der ihn nnr im geringsten beleidigt oder übervorteilt. Die Stämme unter sich leben in beständiger Feindschaft und in fortwährendem Kampfe, und fugar kleine Stammfamilicn von 7—800 Mitgliedern reiben sich selbst dnrch alltägliche Zwistigteiten auf; es ist fast unmöglich, den fortwährenden Händeln auszuweichen. Lobenswert ist der Abscheu der Somal vor Trunksucht und Unsittlichkeit, obgleich die Männer allesamt fanllcnzende Tagediebe sind, deren einzige Beschäftigung das Häudclstiften und dcr Gcbranch der Waffen ist. Die Somal bekennen sich zum Islam, doch eristicren Moscheen im ganzen Lande nicht (Irrtum! B.), ebensowenig Schulen. Die Knaben lernen die notwendigsten Gebete, all! Abend nm ein mächtiges Fener sitzend. Bei den Ranii ist von Ncligion keine Spur zu finden. Non Gastfreundschaft will man im ganzen Somallaude nichts wiffeu; das Teilen von Brot nnd Salz unter gemeinschaftlichem Dache ist kein Schutzmittel gegen Feindschaft. Überhaupt kenne ich keine Sitte, kein Gesetz, das den Fremden oder selbst den Einheimischen vor der unverschämten Raubgier der Eingeborenen schütze. Bei den Alll Nahen nud deren Nachbarn kann nur der heiraten, dcr schou gemordet hat und eine Trophäe von dem Ermordeten aufweifen kann." III Das Volk der Somal, welches sich in seiner Abstammung ziemlich rein erhalten hat, gehört dcr hamitischen Völkerfamilie an. Seit undenklichen Zeiten bewohnen die Somal die Gebiete Ostafrikas 96 Die Somal. Zwischen Abessinien und dem Äquator, der Ostküste einerseits und dem Stromgebiet des oberm Nillanfes andererseits. Da das ganze Volk streng mohammedanischer Religion ist, hat es sich gegen die Nachbarvölker fast ganz abgeschlossen und nnr an den Landesgrenzeu etwaS vermischt. Nnr vorübergehend sind in einigen Küstcnplätzm Araber und Hindus als Kaufleute geduldet wurden. Da es niemals Reisenden außer dem Varon Clans v. d. Decken, der leider ein so rasches und unglückliches Ende nahm, geglückt ist, mit dem mivermischten Volke in Freundschaft zu leben, so haben sich bis in die neueste Zeit die unglaublichsten Fabeln von diesem Volksstammc erhalten. Wenn ich auch nur (» Wochen hier gelebt habe, also vielleicht kein kompetentes Urteil besitze, so kann ich doch versichern, daß alle diese Er-zähluugen wirkliche Fabeln sind. Die Somal sind durchweg ein sehr liebenswürdiger, ordentlicher, reinlicher Menschenschlag, der aber leider eine unbeschreibliche Habgier, die zu zügeln nicht immer ganz leicht ist, besitzt. Das Volk ist uach seiner Lebensweise in Hirten uud Städter eiuzutcilen. Die Hirteubevölkcrnng nomadisiert im ganzen Inneren mit ihren großen Herdeu und hat keine festen Wohnsitze, während sich die Städter in größeren und kleineren Ortschaften au der Küste niedergelassen haben. Jene ist sehr kriegerisch und unternimmt fast jährlich Raubzüge gegen die Nachbarvölker, um Menschen und Vieh zu rauben und diese Leute dann bei den Städtern gegen Geld, Kleider und andere Handelsgegcnständc einzutauschen. Die Städter dagegen treiben Handel uach Indien und Arabien, beschäftigen sich viel mit Haifischfang und Perlcufischcrei. Bei den Städtern hat sich die Sitte, alles Fremde zu plündern, dahin gemildert, daß sie zur Zeit nur uoch das Straudrecht an ihrer Küste ausüben und von allen ankommenden fremden Schiffen eine gewisse Steuer erheben, welche in Reis oder Matama (indisches Korn) besteht. Diese Abgabe (oder Geschenk) erbittet sehr bescheiden, aber bestimmt, einer der älteren auf das Schiff kommeuden Somal. Höchst interessant ist es, die Bevölkerung zu beobachten, wenn sich ein Schiff vor dem Hafen zeigt. Zuerst streitet Iuug uud Alt, ob es weiter geht oder einläuft, sobald letzteres klar ist, von welcher Station es ist, und was es wohl bringen mag. Nachdem alles hin und her erwogen, stürzt die Jugend in das Meer, um schwimmend das Schiff zu erreichen, während die Männer mit ihren Booten an dasselbe fahren. Auf dem Schiff Die Somal. 97 selbst wogt dann alles hin und her, die kleinen, durchweg schönen Gestalten der Frauen und die straffen, markigen Figuren der Männer; alles wird besehen, angefaßt und beschwatzt. Stehlen thut kein Somal. Nur die ihnen gegebenen Geschenke nehmen sie in ihren Booten mit. Einige Städter haben in der Nähe der Stadt Frucht-gärtcn, deren Bewirtschaftung den Sklaven obliegt. Der Typus des Somalhauses ist die kreisrunde, circa 3 Meter im Durchmesser und etwa manneöhohe Hütte ans Stangen, Zweigen und Matten. Diese Bauart ist sehr eiufach und schnell auszuführen, gewährt Schutz gegen Sonne und Regen nnd gestattet dem Winde freien Dnrchzug; denn die Matten unten am Boden lasfen sich leicht lüften. Bei der Hirtenbcvölkcrung findet sich eigentlich nur diese Bauart vor, während der Städter hohe und geräumige viereckige Häuser baut. Die Steinhäuser, die sich die Großen des Landes bauen, stehen unbenutzt, da sie wärmer sind und nicht so luftig. Ich ziehe auch das einfache Somalhaus in hiesigem Klima jedem Steinhausc vor. Die Kleidung ist sehr einfach, geschmackvoll und besteht fast durchweg aus Amerikauo, einem guten, weißen Baumwollenstoff. Der Somal liebt, sich recht phantastisch herauszuputzen, befonders zum Gebet. Geradezu reizend ist die Kleidung der Frauen. Der Kopfputz besteht aus den hübschen, langen, schwarzen Flechten, welche die Frauen in fast undurchsichtigen Netzen verstecken, während die jungen Mädchen die Haare frei tragen. Der meist sehr hübsche Hals, welchen eine Kette von Muschelu oder bunten Steinen Ziert (auch Bernsteinketten und andere indische Halsbänder finden sich viel), bleibt ebenso wie Schultern und Arme frei, während der ganze übrige Körper durch eine sehr faltenreich arrangirte Kleidung bedeckt ist. Die Kleidung beider Geschlechter erinnert sehr an die altgriechische. Die Nahrung der Somal besteht eigentlich nnr ans Milch und Fleisch. Das ganze Volk ist daher sehr gesund und kräftig. Aufgeschwemmte, dicke Gestalten sieht man gar nicht, sondern durchweg hübsche, schlanke Figuren mit vielfach edlen Gesichtern. Wäre die Bevölkerung nicht schwarz, so könnte sie geradezu schön gefunden werden. In den Städten scheren die Männer ihr Haupthaar oder tragen es kurzloctig, während die Hirtenbevülkerung es lang trägt. Da der Somal wenig oder gar nicht mit den Händen arbeitet, so hat er auffallend hübsche, kleine Hände. Die Sehnen und Muskeln Vaumgarten, Nfiika. 7 98 Die Somül. in Armen und Beinen sind gut ausgebildet, und ist der Somal sehr zähe und ausdauernd. Ich selbst sah die mich auf meinen Streifzügen begleitenden Somal von morgens .'l Uhr bis abends M Uhr, außer 4 Stunden Mittagsruhe, stets auf deu Beinen, immer vergnügt und lustig plaudernd und nicht müde, während meine Zanzibarneger kanm vorwärts zu bringen waren. Das innere häusliche Leben, in das ich mit der Zeit einen Einblick gewonnen habe, ist wie folgt: Der Somal, der streng nach den Vorschriften des Koran lebt, hat in hiesiger Gegend meist nnr cinc Fran, welche ihm den inneren Haushalt führt und die kleinen Kinder erzieht. Sie steht dem Manne vollständig ebenbürtig zur Seite. Wenn mehrere Franen im Haufe sind, so wechseln sie sich tage- oder wochenweise dergestalt ab, daß eine Frau dem Eheherrn Gesellschaft leistet, während die anderen das Hauswesen besorgen. Für alle Veschäftignngen außerhalb des Hanfes, wie Kochen, Brotbackcn, Holz und Nasser herbeischaffen, sind die Sklaven da, welche außer diefeu Arbeiten eiu sehr faules uud gutes Lebeu führeu. Die Tageseinteilung dcr Städter in hiesiger Gegend nnd jetziger Jahreszeit beginnt um .'> Uhr morgens. Nach dem Aufstehen wird gebadet resp. die im Koran vorgeschriebene körperliche Waschnng vorgenommen und dann gebetet. Das Frühstück, um <> Uhr ciugeuommen, besteht aus Milch, Kaffee oder Thee mit Brot. Den ganzen Morgen bis 11 Uhr verbringen besonders die Männer mit Besuchmachen nnd -empfangen. Da die wenigsten Geschäfte haben, so genieren sie sich gegenseitig nicht. Um 11 Uhr beten wiederum einige, andere lesen im Koran. Aon 12—1 Uhr speist der Somal, uud zwar Mäuuer allem und Frauen allein in einem großen Haushalt; in kleinen dagegen speist das Ehepaar znsammen, die Kinder zusammcu und ebenso die Sklaven. Nach dem Mahle wird eine zweistündige Siesta abgehalten. Da der Somal sehr gesellig ist, so liebt er cs, Freunde bei sich in feiner Häuslichkeit zu sehen und zu bewirten, welches zweifelhafte Vergnügen mir gar oft zn teil wurde. Nach dm landesüblichen Begrüßungsscenen erhält der Gast Thee oder Kaffee, dann Kettebettes mit Syrupsauce, ein recht schmackhaftes Gericht, ferner Pfannknchen von Mehl, Vutter nnd Zucker nnd zum Schluß wieder Kaffee oder Thee. Die ganze Mahlzeit nimmt man, auf dcr Erde liegend oder mit untergeschlagenen Beinen sitzend, mit den Händen ohne Messer und Gabeln oder Löffel aus Die Somal. 99 einer gemeinsamen Schüssel ein. In einzelnen Häusern erhält man nach jedem Gericht ein Gefäß mit Wasser zum Händewaschen, in andern nur Znm Schluß. DaS Gespräch dreht sich meist nm Deutschland oder nm Religion. Mit welcher Liebe und Ehrfurcht diese Mohamedancr von ihrem Gottc sprechen, ist Achtnng gebietend. Hier findet man wirkliche und wahre Frömmigkeit. Sehr gerne sprechen sie auch von der christlichen Religion, nnd sie haben vor Christus eine sehr große Ehrfurcht. Sucht man das Gespräch auf andere Sachen zu bringen, so stößt man auf Aberglauben oder sehr knriose Ansichten, welche man besser überhört, als Zu widerlegen versucht, denn diese Leute zu überzeugen, ist unendlich schwer. Wenn sie auch zum Schluß ja sagen, so beharren sie doch im Stillen auf ihrer Ansicht nnd handeln darnach. Zwischen 3 und 4 Uhr nachmittags ist ein abermaliges Gebet vorgeschrieben, welches jeder Einzelne für sich verrichtet. Nur wer Geschäfte hat, besorgt diese jetzt, alle übrigen Männer findet man gruppenweise vor ihren Hänsern im Sande sitzend, auch die Franen besuchen sich in den Häusern oder Hofräumeu. Kurz vor Souuen-untergang versammeln sich alle Männer nach den vorgeschriebenen Waschungen wieder in den Moscheeen und die Frauen in den Häusern zum Gebet. Nach dem Gebet wird die Abendmahlzeit eingenommen, und nach dieser gehen die Kinder schlafen, während die Erwachsenen bis gegen 9 Uhr aufbleiben. Die Erziehung der Kinder Mießt sich den Vorschriften deö Koran eng an. Die Somalsprachc ähnelt in ihrer Bildung sehr der arabischen, hat aber nur wenige .Worte mit dieser gemeinsam, und ich halte sie auch für bedeutend schwerer zu erlernen. Zum Schreiben bedient sich der Somal der arabischen Lettern. Der Somal erkennt außer Gott nur seinen Sultan als Herrn und letzteren auch nicht unbedingt an. Aus dem Frciheits- und Gleichheitsgefühl entspringt eine gewisse Eifersucht uud Habgier, welche keine Schranken kennt und sich bis auf die engste Verwandtschaft, fogar auf Brüder erstreckt. Wer einem Somal ein Geschenk macht, hat alle auf dem Halse, denn alle wollen dasselbe haben. Der Somal ist sehr stolz auf sich uud sein Volk nnd hat neben diesem Nationalstolze auch eine große Liebe für seine Stammes-genossen. Vergreift sich jemand an einem Somal, fo treten sofort 7' 100 Die Somal. alle Anwesenden für denselben ein. Gegen Fremde ist besonders die im Innern wohnende Hirtcnbcvölkerung scheu wie Kinder, aber gutmütig und freundlich. Der weiße Mann, wenigstens jeder Dentsche, kann hier ruhig ohne Waffcu umhergehen. Er lebt hier sicherer als vielleicht in der civilisiertesteu Stadt Europas. Der Sultan regiert, wenn man von einer Negierung sprechen kann, als Despot. Bei jedem wichtigen Schritte, oder jeder zu verhängenden Strafe versammelt er daS Volk, welches gerade in der Nähe ist. Der älteste und vornehmste Mann trägt der im Halbkreise um den Sultan sitzenden Menge mit lauter Stimme den betreffenden Fall vor. Nachdem dieser geendigt, geben einzelne alte Erfahrene oder Vornehme ihre Ansicht ab, und spricht der Sultan, beeinflußt oder unbeeinflnßt, dann fein Urteil, waö sofort vollstreckt wird, refp. als Gesetz gilt. — Die Sklaven der Somal führen, wie fchon erwähnt, ein sehr bequemes und gutes Leben. Da der Somal das Verhältnis von Herr und Diener nicht kennt, so steht der Sklave, besonders wenn Mohammedaner, seinem Herrn vollständig gleich, nnd ist eher Freund als Diener zn nennen. Der religionslose Neger dagegen steht in einem untergeordneten Verhältnis. Claus von Änderten. seine ganze Gestalt hinabgleiten, kauert nieder, mustert die Anwesenden, speit einige Male aus, legt die Waffen vor sich hin und nimmt einen Stecken. Mit diesem zieht er Streifen in den Sand, löscht sie aber sogleich wieder ans, weil Unglück folgen würde, wenn er es nicht thäte. Die Versammlung hockt in einem Halbkreise und macht ernste Mienen; jeder hat seinen Speer vor sich hingepflanzt, hält den Schild so, daß nur das Gesicht über denselben hinausblickt, und die Augen bleiben auf den Redner gerichtet. Zu diesem spricht nun der Häuptling des Kraals: Ein Palaver bei den Somal. 101 „Was bringst dn Neues?" Der Gefragte könnte einfach antworten, daß er einen Brunnen gefunden habe, der Brauch will es aber anders; er muß in alle möglichen Einzelnheitcn eingehen, den Ton heben und fenken, auch in Zwifchenräumcu heftig auf die Erde klopfen. Das Gespräch fpinnt sich in folgender Weife fort: „Das sind gute Nachrichten, wenn eZ Allah gefällt." „Wah Sidda! Jawohl!" — Diefe Worte spricht die ganze Versammlung im Tone einer Litanei. „Ich stieg heute früh auf mein Maultier." — „Wah Sidda! Ja!" „Dann machte ich mich auf dcu Weg. — „Ja." „Nach jeuer Seite hin." (Sie wird mit dem Finger angedeutet.) "„Dorthin bin ich geritten." — „Ja." „Ich kam an einem Gehölze vorüber." — „Ja." „Nachher ritt ich über den Sand." — „Ja." „Ich fürchtete mich gar nicht." - Ja." „Spuren von Tieren habe ich gefehcn." — „O, o, oh!" — Auf diese hochwichtige Mitteilung folgt eine längere Pause, dann geht es weiter: „Sie waren noch ganz frisch." — „Ja." „Ich sah auch Fußftapfcu von Frauen." — „Ja." „Aber Spuren von Kamelen sah ich nicht." — „Ja." „Endlich sah ich Pfähle." - „Ja." „Steine." - „Ja." „Wasser." - „Ja." „Einen Brunnen." — „Ja." In dieser Weise fährt der Redner wohl eine Stunde lang fort und erwähnt auch der geringfügigsten Umstände. Er will den Zuhörern die Hauptsache unter allen möglichen (Gesichtspunkten darstellen, damit sie alles erwägen und übersehen löuneu, um dann einen reiflichen Entschluß zu fassen. Burton. 102 Die Stadt Harrai. Die Ml sMU, das Paradies im Gschorn Afrikas. Harrar (30—40 000 Einwohner)/") der Hanfttindustrieplcch und der Nereinigungspnnkt aller Handelsstraßen der Galla- nnd Somal-läuder, worin sich 1^85 noch 13 europäische Handelshäuser befanden, ist im Januar 1«87 dnrch den halbbarbanschen abessinischen Unterkönig Menclik von Schoa besetzt und der Emir Abdallah Ibn Said vertrieben worden. Der Fall von Harrar ist, nach dem besten Kenner des Landes, Professor Paulitfchke, ein großer Gewinn fNr die Knltur, wenn auch anfangs nur die abessinischc Halbbarbarei herrschen wird. Der Verkehr nach Zcyla und Berbern an der Küste des Golfes von Aden wird sich wieder beleben, da Menelik sich europäischen Kaufleuten nnd Industriellen gewogen zeigt. Für Dentsch-Ostafrika wird Harrar ebenfalls von Bedeutung werden, da Barawa, Makdischu und Obia iu unserm Opcratiousfelde an der Bcnadirküste Eudpuukte alter Verkehrsadern sind, die von Harrar nach dem Indischen Ocean führcu. Die folgcude Schilderung ist ein Auszug aus einem Aufsatze in der Kolonial-Politischen Korrespondenz vom 12. März 1^87. Die Lage und Umgebung vou Harrar ist derart paradiesisch schöu, fruchtbar, klimatisch vorzüglich, kommerziell uud strategisch ausgesucht, daß uns daraus klar werden muh, daß wir uns hier sogar auf einer uralten Kulturstätte der Menschheit befinden. Die Folge des angenehmen, von jähem Wechsel freien Klimas ist, daß der Gefuudhcitszustand des Volkes zu allen Jahreszeiten ein sehr günstiger ist, und in der That zeugt von dem gesunden physischen Kern des Volkes das hohe Alter, welches die meisten Galla erreichen; es giebt viele 30- nnd 100jährige Greise, uud zu Bubasfa lebte zur Zeit der Anwesenheit vou Paulitschke ein Mann, der 112 Jahre zählte. Danach resumirt Paulitschke seine Ncisceindrücke über die die Stadt Harrar umgebenden (! Gallastämme dahin: „Die l! Stämme wohnen auf einem von der Natur sehr begünstigten Terrain, dessen ergiebiger Boden nnd reiche Vegetation hier ein in numerischer und physischer Beziehung starkes Volk sich entfalten ließ." ') Hcnmr hat diesen Namen uoin Flusse llrer oder ^,rkr, welches Wort schnell bedeutet. Man schreibt auch llersi-, Hür^r, H,rar. Die Stadt Harrar. 103 Ebenso an anderer Stelle: „Die Gebirgslandschaft, die an landschaftlichen Reizen mit Schweizer und Tiroler Landschaften wetteifern kann, wie das flache Land, ist dicht bewohnt, nnd das Vorhandensein so vieler Faktoren materieller Existenz znsammcn mit dem reichen Tier- nnd Pflanzenlebcn verleiht den Gallagebietcn den Charakter opulenter gesegneter Länderstrecken, welche berufen sind, eine Rolle im wirtschaftlichen Kulturleben der Menschheit zn spielen." Auch das Klima in der Stadt Harrar selbst wird von Panlitschke als äußerst angenehm geschildert. Nährend vier Wochen, im Februar und März, zeigte in der Regel der Thermometer morgens l> Uhr 17,5—19,20" C„ mittags 20,0—22,2" C.. abends Anblick zur Blütezeit. Doch zeigen auch die Waldpartieen ganze Komplexe wilder Kaffeebäumc. Der Kaffeebau wird von den Galla sehr rationell betrieben. Man setzt die Körner in feuchter Erde an, wenn die Neinen Bäumchcn hcrvorgewachsen sind, werden sie in den Handel gebracht. Im Monat Ramudan werden die Bäumchen auf Terrassen, denen Wasser zugeführt werden kaun, versetzt. Das Bäumchen entwickelt sich HU eiuer Höhe von 2—4 in und trägt im dritten Jahr bereits Früchte. Non Jahr zu Jahr steigert sich mit der Entwickelung des Geästes der Ertrag. Iu guter Erde liefert in den nördlichen Gallaläudern ein Kaffcebaum '/^ FarasscUch il 17'/« kx. Im Iauuar pflegt die erste Ernte stattzufinden. Im Februar und März sind die Kaffeebäume mit prachtvollen weißen Bliiteu bedeckt. Der Kaffeebau hat noch eine bedeutende Zukunft uor sich, da alle Bedingungen in physikalischer Beziehung im Lande vorhanden sind, insbesondere wanne, feuchte Luft, reichliche Niederschläge, genügender Wassern orrat. In Summa: die nordöstlichen Kallaländcr haben eine Überproduktion uon wertvollen Produktcu der Pflauzcuwelt aller Art! Ebeufo reich ist aber auch das Ticrlebeu. Die Viehzucht steht in dcu Gallaläudern von Harrar auf einer erfreulichen Stufe. Überall traf Paulitschkc die herrlichen mattenreichen Höhen uud Bcrgabhängc dicht besäet mit Herden aller Art, währeud weiter uuteu sich Dorf au Dorf reihte. Die Herden von Buckelrindern bilden den Hauptreichtum der Gallaläuder. Butter und Milch wird iu uugehcureu Quantitäten erzeugt. Groß ist der Reichtum au Kamelen. Dicse werden vor den Pflug gespannt uud dienen nicht minder dem großen Warcntransport. Das Pferd dient nur zum Neitcu und hat den gleichen Sattel wie bei den Somal. Esel, Fettschwanzschafe, Zicgeu, Hühuer werden in Masse gehalten. Die Bienenzucht ist cm vou den Galla vorzüglich kultivierter Zweig. Elefauten finden sich in gauzeu Herdeu vor, werden aber nicht gejagt. Elfenbein giebt eö in ungchcueru Meugen. Ebeuso verhalt es sich mit den Straußen. Auch die ganze sonstige Vogelwelt ist nnter den reichen Tierbcständen aller Art großartig vertreten. 106 Die Stadt Harrar. Die wasserreichen Gebirgsbäche sind mit Fischarten von wohlschmeckendem Fleische eingefüllt. Trotz alledem ist die Landwirtschaft in Harrar nur Nebensache, denn Harrar ist cin Handelsplatz. — Schon Burton nennt es das Timbuktu des Ostens. In der That ist Harrar infolge seiner für Handelszwecke so überans gunstia.cn geographischen Lage eine uralte Handelsmetropole, jeder Einwohner der Stadt ist cin Händler. Die Abwickelung des täglich um 3 Uhr mittags beginnenden Marktes ist das Hanpttagewerk der Stadt. In dieser Zeit ist Harrar, welches circa 27 000 Einwohner zählt, anßerdcm von etwa 15 WO handeltreibenden, von auswärts kommenden Galla überschwemmt, die abeuds 7 Uhr vor Thorschluß die Stadt wieder verlassen müssen. Der Warenaustausch ist enorm. Der Export besteht in Kaffee, Tierhäuten, Durra, Fett, Elfenbein, Gummi, Sklaven, Wars, Vieh, Honig. Harrar hat eine bedeutende eigene Industrie im Gebiete der Weberei, Töpferei, Holzschnitzerei, Flechterci, Seide- und Vanmwollen-stickerei, Eisen- und Messingarbciten, Gold- und Silvcrschmiedekunst, zum Teil anch in der Tischlerei, Ledermannfaktur und Gerberei, Färberei, Kcrzcnfabrikation, Bäckerei und selbst Buchbinderei. Man sieht, in dem sonst so fabelhaften Osthorn Afrikas sieht es in industrieller Hinsicht weniger barbarisch ans, als in manchen weiten Ländcrstrecken Europas. Lebensweise md ßlonkIMen in Gaflika. Unnötige Furcht. — Wirksamste Diät fi'ir Europäer. — Örtliche Einflüsse. — Gesunde Orte. — Neueste Erfahrungen. — Klima im Somallande. Nach Dr. G. A. Fischer, Kurt Toppen und Haggenmacher.*) Weun ich sagte, daß der Europäer ohne Schaden für seine Gesundheit eine Reihe von Jahren in den Tropenländern Afrikas aushalten könne, so wird das, abgesehen von den Verhältnissen, über *) Aus: Mehr Licht im dunkeln Weltteil. Bctrachtnnsscn über dic Kolonisation des tropischen Afriüib, unter besonderer Verücksichtissun^ des Zanzibar« Gebiets. Von Dr. <ß. A. Fifcher, praktischer Arzt in Zanzibar. Hamburg, Lebensweise und Krankheiten in Ostafrika. 107 die er keine Macht hat, nicht wenig von seiner Lebensweise abhängen. Sie muß eine rationellere sein, als wie man sie hierzulande meist zn führen Pflegt. Da aber gerade die in den Tropen sich aufhaltenden Europäer vielfach das Gegenteil von dem thun, was der Gesundheit dienlich ift, so kann man sich nicht wundern, daß so viele an den „Folgen des Klimas" zu leiden haben. Man mnß es gesehen haben, wie von einem großen Teile der europäischen Kaufleute in Indien gelebt wird, um zu vcrstcheu, daß so viele Leberkrauke nach Europa zurückkehren. Brandy, Bier, Brandy und noch einmal Brandy und eiue Neihe Fleischspeisen dreimal am Tage. Und worin bestehen die Ausgaben in geistigen oder körperlichen Leistungen gegenüber der Unsumme von eingeführten leistungsfähigen Stoffen? In dem unter Ächzen und Stöhnen erfolgten Ersteigen der Comptoir-trcppe, in der geringen Anstrengung weniger Gcschäftsstnndcn uud in einer Spazierfahrt vom und zum Geschäftslokal! Kann es da Wunder nehmen, daß man in jenem Klima an intensiveren Stoffwechselkrankheiten zn leiden hat, als in dem unsrigen, wo auch schon viele Lente an solchen laborieren? Hierzulande kann man aber schon manche Diätfehler ungestraft begehen, die sich in den Tropcngegenden in gefährlicher Weise rächen. Die in Bombay lebenden jungen Engländer treiben auch dort vielfach ihren Sport: Polo, Ballspiel, gymnastische Übnngen, und haben dieser Sitte zn verdanken, daß sie trotz des vielen Brandys verhältnismäßig wenig unter dem Klima leiden. In Zanzibar beteiligten sich in den letzten Jahren an diesen Spielen auch die deutschen Kanflente, die bei Mäßigkeit in alkoholischen Genüssen sich immer einer guten Gesnndheit erfrcnten und auch ssriederichsen, 1ß85. M. 2,50. — Diese gediegene, durchaus unentbehrliche Schrift kam gerade zur rechten Zeit als „Rezept, wie das Vorwort sagt, gegen das bedenkliche Afnkafieber, von dem viele Leute gegenwärtig ergriffen siud". — „Jedoch nicht nin denselben Afrika zu verleiden — Verfasser ist selbst ein eifriger Anhänger der Cultivation Afrikas —, sundern um ihneu die ss'cberdelirien zu vertreiben, die ein klares Denkeu und eine nüchterne Auffassnug nicht gestattet." — Der hochgeschätzte Afrikareisendc behandelt darin nach eigener Anschauung und Erfahrung: 1. HaudelsvcrlMtuisse, 2. Kultivatiunsfähisskeit afrikanischen Bodens. 3. Verwendnug des Europäers in Afrika. 4. Lebensweise nnd Krankheiten. 5>. Die Zieger nnd der Handel. <>. Die englische Sklaven-befrcinug und die kirchlichen Missionen. 7. Die Sklaverei. 8. Der Sultan von Zanzibar. 9. Erziehung des Negers zur Arbeit und seine Arbeitsleistung. 10. Charakter nud Sitten der Neger, 11. Der Europäer im Verkehr mit den verschiedenen Stämmen. Knlturmissiunen. 12. Die Dcutsch-ostafrikcmische Gesell« fchaft. 13. Afrikanische Tiere im Dienste des Menschen. 14. Der Kongostaat. 15. Deutsch-Afrika. 108 Lebensweise und Krankheiten in Ostafnka. bei längerem Aufenthalte noch eine frische europäische Gesichtsfarbe zeigten. Was mich persönlich anbetrifft, so habe ich während meines siebenjährigen Aufenthaltes so gnt wie gar keine geistigen Getränke zu mir genommen. Bei vorwiegend vegetabilischer Kost habe ich mich wohler gefühlt, als bei reichlicher Fleischnahrung. Früchte sind immer gesund, wenn sie gekocht genossen werden. Das Fleisch der noch vollkommen unreifen Mangofrncht giebt, mit starkem Zuckerzusatz gekocht, ein dem Apfelmus ähnliches, sehr angenehm sänerlich schineckendes Gericht, das auch Dysentcriekranken gut bekommt. Der Mangobaum scheint überall im tropischen Afrika gut fortzukommen und kann in Zukunft für die Einfassung der Landstraßen benutzt werden, während die Orange nur auf der I us el Zanzibar gut gedeiht. Bananen rufeu bei mauchen Personen Verdauungsstörungen hervor. Es scheint, daß die auf gewissem Boden wachsenden Früchte besonders zu solchen Veranlassung geben. So ertrug ich die ans Zanzibar wachfcndcn Ananas, auch iu Menge genossen, sehr gut, während die von der Küste stammenden häufig Darmkatarrhe hervorriefen. Was die Kleidung in den Tropen anbetrifft, so will ich hier nur so viel bemerken, daß die Wolle allen anderen Stoffen vorzuziehen ist. Verfasser ist in den Tropen von Baumwolle zu Wolle übergegangen, hat sich dabei wohler gefühlt und ist wcuigcr Erkältungen ausgesetzt gewesen. Bei sehr starker Transpiration bleibt die Nollenkleidung immer trockener, als die baumwollene. Für den Reisenden, der nicht stets in der Lage ist, seine Wäsche häufig wechseln zu können, hat die Wolle noch den großen Vorteil, daß sie nie den unangenehmen Geruch hat, der sich infolge der starken Transpiration bei Baumwolle bald einstellt. In dickeu, wollenen Strümpfen leiden die Füße bei angestrengten, Marsche am wenigsten. Daß die Wolle zur Übertragung von Infektionsstosfen geeigneter sei, ist weder be-wiescn, noch kommt das in Afrika in Betracht. Vci vielen, die an Vanmwolle gewöhnt sind, ruft die Wolle im Anfang eine Reizung der Hant hervor, die jedoch bald nachläßt. Bei Personen, besonders Nenlingcn in den Tropen, die an starker Rötung uud au stcchcudem Jucken der Hant leiden (krsaiclo Ksat), kann es vorübergehend notwendig sein, die Wolle fortzulassen. Übrigens wird man im Innern wohl nur felteu von diesem Hautlcidcn belästigt. — Man mache es sich zur Regel, auch die kleiustc Wunde an den Füßen (Wundlaufen, Wundkratzen bei Moskitoftichen) mit einem Stückchen Heftpflaster zu bekleben. Lebensweise und Krankheiten w Ostafnka. 109 In mancher Beziehung sind die Tropen, was Krankheiten anbetrifft, unferm Klima gegenüber im Vorteil. Dyphtheritis und Typhus, die bei uns fo viele Opfer fordern, nnd denen wir in therapeutischer Beziehung ziemlich machtlos gegenüberstehen, sind dort unbekannt. Dysenterie nnd Malaria sind die einzigen einheimischen Infektionskrankheiten Afrikas, welche dem Fremdling direkt gefährlich werden, gegen die wir aber so ausgezeichnete Mittel besitzen, daß wir sie mit dem besten Erfolge zn bekämpfen im stände sind. Die Dysenterie hat ferner in Afrika im allgemeinen keinen bösartigen Charakter nnd tritt weniger epidemisch auf; selbst in einem verhältnismäßig unreinen Orte wie Zanzibar, in dem die Dysenterie nie ausstirbt, sind niemals Epidemieen beobachtet worden. Anch besitzen wir in der Brcchwnrzel (lp^acuanl^), gegen die afrikanischen Dys-enterieen ein ausgczeichuetes Mittel, dessen Wirkung kaum weniger sicher ist, wie die des Chinin bei Malaria. Auf Zanzibar finden die meisten Erkrankungen an Dysenterie während des Negens statt. Was die sogenannten Malaria-Affektiouen anbetrifft, anf die wir hier näher eingehen wollen, fu sind die Reisenden mehr oder weniger geneigt, die Sonne als Übelthätcrin anzuklagen oder sie doch als solche mitwirken zn lassen. Da hat man einmal zwei Stunden im Sonnenbrande gestanden oder auf der Jagd in der Sonne sich stark erhitzt oder in einem Zelte zugebracht, welches von der Sonne beschienen war. Gleich darauf oder bald darauf bekommt man Fieber und, da ein jeder sich bemüht, einen Grund dafür zn finden und die Sonne das Nächstliegendste nnd Sichtbarste ist, so beschuldigt man Nach dem Grundsatz „plM Iioo, er^a proMr noo" natürlicherweise die Sonne. Und doch ist gerade diese durch ihre austrocknenden und sogar tötenden Strahlen im stände, diejenigen Stoffe unschädlich zn machen, welche die eigentliche Ursache deS Fiebers abgeben. Die halbdunteln, feuchten Orte, wo die Sonne nicht hindringt, sind dem menschlichen Organismus gefährlich. Wenn man freilich geradezu die Sonne herausfordert, wie z. B. jener belgische Reisende, welcher als erster der von der internationalen Gesellschaft ausgefandten Pioniere in Zanzibar sein Leben lassen mußte, so kann man sich nicht wundern, daß man auch einmal von der Sonne getötet wird. Dieser Unglückliche war eben in Zanzibar eingetroffen, hatte sich weder an die Sonne gewöhnt, noch überhaupt dnrch Mustelbewcgnng und Marfchieren in dem warmen Klima sich eingelebt, da fällt ihm eines Tages nach einem opulenten Frühstück mit dem üblichen Sherry ein, 110 Lebensweise und Krankheiten in Ostasrika. mittags 1 Uhr das Gewehr auf den Rücken zu nehmen und znr Nogeljagd an den Strand zu laufen. Wenige Stuuden darauf war er eine Leiche, Ich möchte im (Gegenteil behaupten, daß Hitzschlag uud Sonnenstich in Afrika weniger häufig vorkommen wic bei uns in manchen nnserer großen Städte und bei den Märschen des Militärs während der heißenZeit. Mir ist bei meinem langjährigen Aufenthalte in dcuTropen-gebietcn Oftafrikas nicht ein einziger Fall vorgekommen oder bekannt geworden. Es kommen hierbei jedenfalls noch ganz andere Momente in Betracht, wie der bloße Souneuschein. Einen Sonnenschirm kann man nicht bloß in, westlichen Hochlande, wic Stanley meint, sondern anch an der Ostküste entbehren, ohne sich irgend einer Gefahr auszusetzen; und um eine Mütze, ans doppeltem Baumwollcnzeug gefahrlos tragen zu können, braucht man nicht nach dem oberen Kongo zn gehen. Man sehe sich nur einmal die Matrosen auf den europäischen Schiffen im Hafen von Zanzibar an. Sogar ohne jede Kopfbekleidung arbeiten sie den ganzen Tag auf Deck des Schiffes; ja ich habe uuscre deutschen Matrosen stundcnlaug am Strande thätig gesehen, ohne auf dem Kopfe etwas anderes zn tragen alS ein durchlöchertes Strohhütchen. Es ist niemals ein Unglncksfall oder anch nur ein Unwohlfein danach zn konstatieren gewesen! Dnrch einen englischen Korkhelm geschützt, ist der Europäer immer im stände, sich den ganzen Tag laug der Sonne ohne üble, Folgen auszusetzen. Die Kaufleute müssen oft stuudculang iu der brennendsten Sonnenhitze am Strande stehen. Ich selbst und manche andere Europäer siud von morgens bis abends umhergestreift uud der Jagd nach-gegangcn, den Kopf nur mit einem leichten Hute bedeckt; ich habe mit solcher Kopfbedeckung stundenlang an der Küste sowohl wie im Innern in der Sonne zugebracht, ohne die geringsten üblen Folgen. ES versteht sich von selbst, daß der Neuangekommene sich nicht sofort in derselben Weise der Sonne und den Strapatzm aussetzen kaun, wie das derjenige zu thun vermag, der längere Zeit dort gewesen ist. Man muß sich eben einleben und einüben, bis man sonueufest geworden ist. Wer die Sonne nicht ertragen kann oder immer einen Schirm nötig hat, der paßt nicht für Afrika. Ebeufowcnig wie die Sonne rufen auch Überanstrengungen, schlechte Nahrung, sogenannte Erkältungen, Mangel an Schlaf n. s. w. Fieber hervor. Diese Einflüsse können als befördernde Momente vielleicht mit in Rechnung gezogen werden, nach der Annahme, daß Lebensweise und Krankheiten in Ostafrika. 111 in einem gesunden nnd kräftigen Körper die Infektionsstoffe weniger leicht Eingang finden oder sich entwickeln können, als in einem kranken und schwächlichen; aber auch das ist nur in beschränktem Maße oder für gewisse Infektionskrankheiten der Fall, bei der Malaria ist das von geringer Bedeutung, häufig genug habe ich das Gegenteil beobachtet. Bei mir selbst habe ich nie einen Zusammenhang nachweisen köuuen. Was speciell Anstrengung nnd Aufregung betrifft, so ist es eine allen Reisenden bekannte Thatsache, daß man bei anstrengendem Marschicren meist vom Fieber verschont bleibt oder duch nur wenig belästigt wird; daß man aber, sobald man an einem Platze in Nuhe kommt, ertrankt. Hierher gehört auch — obwohl dabei noch andere Umstände zu berücksichtigen fiud — die in mauchcr Beziehung rätselhafte Erscheiuuug, daß mau sich wochenlang in notorisch höchst ungesunden Flußniederungen anf der Flußpferdjagd umhcrtreibcn kann, ohne krank zu werden. Sobald man aber den Platz verläßt, sei es nach einigen Tagen oder erst nach Wochen, so kann man sicher sein, von dem heftigsten Fiebcraufall heimgesucht zu werdeu. Soviel ist aber gewiß, daß eine regelmäßige Muskel-beweguug die damit verbundene energische Transpiration und überhaupt der energischere Stoffwechsel gerade für die Tropen ein sehr wichtiges Mittel ist, die Gesundheit zu erhalten. Ebenso giebt das Wasser in den seltensten Fällen die Veranlassung zu einem Ficberausbruche. Ich selbst habe viel und fast nur Wasser getruukcn der verschiedensten Art und von den verschiedensten Lokalitäten: aus Teicheu, Bächen, Flüssen, Regeutiimpeln, Wasserlöchern ic., ohne daß ich jemals Fieber danach bekommeu hätte. Ich habe auch bei andern niemals das Wasser als Ursache des Fiebers nachweisen können. Anders verhält cs sich mit Darmkatarrhcu und Dysenterie. Die Eingeborenen wissen recht gut das schlechte und vielleicht schädliche Wasser von dem zuträglichen zn unterscheiden. Zncrst hat man eine gewisse Schen. Wenn man aber nach starkem Marsche nnd energischer Transpiration an einen Wasscrplatz kommt und den Neger mit Wohlbehagen trinken sieht, so denkt man nicht erst ans Filtrieren, sondern schlürft gierig uud mit Genuß das köstliche Naß, welcher Art es auch sein möge. Es versteht sich von selbst, daß man auf einer Station immer nur filtriertes Wasser genießen wird. Das Medinm, welches die verderbenbringenden Keime birgt, ist die Luft, die wir atmen, und sehr häufig nur die Luft in den Näumen, in welchen wir leben. Die Infektionsherde sind in vielen 112 Lebensweise und Krankheiten in Ostafrila. Fällen mehr oder weniger engbegrenzte Lokalitäten. Das ist von der grüßten praktischen Wichtigkeit sowohl für den Kaufmann, Beamten-und Plantagcnbesitzer, wie für den Reifenden, der Afrika besncht Man darf sich nicht vorstellen, daß die ganze Luft in den fieberschwangeren Tropengebieten infektionsfähig fei. Es sind nnr immer gewiffe Örtlichkciten, wo sich dcr giftige Stoss in folcher Dichtigkeit oder solcher Beschaffenheit vorfindet, daß man dnrch die Einatmung von der Krankheit befallen wird. Das beweifcn die verschiedensten Thatsachen, Die Insel Zanzibar hat im allgemeinen in sanitärer Beziehung einen sehr schlechten Ruf. Die alten englischen Berichte schildern das Klima als geradezu mörderisch. Ich hörte sogar, daß Lebensversicherungen früher niemanden aufgenommen hätten, der nach Zanzibar gewollt. Aber man mnß wohl unterscheiden zwischen der Stadt und dem Lande. Die Stadt bietet jetzt einen so günstigen Aufenthaltsort für die Europäer, wie ihn vielleicht wenige Troven-städte in der Lage nnd unter den Verhältnissen auszuweisen haben. Die Europäer habeu verhältnismäßig weniger von dem Fieber zu leiden wie die Eingeborenen, befundcrs die Indier. Und worin ist der Grund zu suchen? Einzig und allein darin, daß die Europäer trockene, reinliche, geräumige, gut ventilierte und freier gelegene Wohnungen besitzen. Eine gesunde Wohnung nnd speciell ein gesunder Schlafraum ist das wichtigste, worauf dcr Europäer iu deu Tropen zu achten hat. Die am Stanley-Pool für Europäer errichteten Hütten aus Felsstücken, die mit Erde übcrworfen smd, müssen in der Regenzeit als durchaus ungesund bezeichnet werden. In den dunstigen, schmutzigen, feuchten und halbdnnkeln Wohnungen der Indier herrscht ein dem Europäer sofort auffallender eigentümlicher widriger Geruch, dcu man am besten mit dem von alter Wäsche oder Kinderzimmergernch vergleichen lann. Auch in diesen, auf den ersten Blick nicht ungesund erscheinenden schlechtvcntilierten Wohnungen finden die das Fieber erzeugenden niederen Organismen ihre Existenz- und Eutwickclnngsbedingungen. Leute, welche in solchen Räumen schlafen, werden immer von Fieberanfällen heimgesucht, sie nehmen Chinin über Chinin ohne Erfolg, aber das Fieber ist verschwunden, fobald sie einen andern Schlafraum aufsuchen. Es giebt Europäer, die Jahre lang auf Zanzibar zubringen, ohne Fieber gehabt zu haben. Ich felbst habe, obwohl ich in der ersten Zeit meines Aufenthaltes täglich mehrere Stunden auf den Plantagen mich aufhielt und an den Teichen der Vogcljagd nachging, niemals Fieber Lebensweise lind Krankheiten in Ostafiila. 113 bekommen. Andererseits konnte ich später bei den meisten Europäern, welche am Fieber zu leiden hatten, den InfekliouZort nachweisen. So hatte ein Kaufmann 2 Stunden in einein dnmpfia.cn, lange verschlossen gewesenen Lagerraum arbeitende Neger beaufsichtigt — nach ^ Tagen hatte er das heftigste Fieber. Enropäer, welche einen Ausflug auf die Insel gemacht und in einem arabischen Hause übernachtet hatten, lagen nach k Tagen alle am Fieber danieder. Ich selbst holte nur mein erstes Fieber in einer feuchten Lehmhütte, nachdem ich 2^2 Monate auf Zanzibar und 7 Monate auf den verschiedensten Küstenplätzen zugebracht hatte. Bei mir selbst wie auch bci anderen habe ich die Beobachtung gemacht, daß ein Anfenthalt von einer halben Stunde in gewissen Ränmen gelingt, nm sich anzustecken. Die niederen Organismen, welche die Malariakrankheit hervorrufen, sind in ihrer Entwickelung nicht an den Boden allein gebunden, sondern vermögen auch au allen möglichen anderen Orten zu existieren. Die Keime sind allgegenwärtig, überallhin werden sie durch den Wind verbreitet, aber es bedarf noch besonderer Verhältnisse, um sie für den Menschen gefährlich zu machen. In der trockenen Zeit sind gewisse Kebiete so gesund, daß man ans dem Boden schlafen kann, ohne nachteilige Folgen zu vcrfpüreu. In der Regenzeit, wo die Keime überall zur Entwickelung kommen, anf den Hochebenen des Innern fowohl, wie an der Küste, ist man auch in sonst gesunden Gebieten mehr oder weniger einer Ansteckung ausgesetzt. Herrschen doch auch an den Hochlandöseeen, wie dem Naiwascha, i!Mi Meter (<»M<> Fnß) über dem Meere, sehr bösartige Fieber. Besonders gefährlich sind in diesen Gebieten die Bambuswälder, in denen die Karawanen zahlreiche Träger verlieren. Folgende Bedingungen sind für die Entwickelung der Keime von Wichtigkeit: die nötige Wärme, welche in den Tropen immer vorhanden ist; eine gewisse Feuchtigkeit; Stagnation der Luft; vielleicht auch Abwesenheit des direkten Sonnenlichts. Diese Bedingnngen werden in vielen kleinen, nicht regendichten, schlechtventiliertcn Häusern erfüllt, in den fenchten Zelten der Reisenden, in gewissen Stadtteilen, z. B. in sehr engen, unreiulichen Gassen, in den Mündungsgebieten der Flüsse, im Urwaldc, in feuchten, engen Thälern, in sumpfigen Niederungen, in feuchten Wäldcru. So lange sich die am Etanley-Pool stationierten Europäer auf einer gut gelegenen Station aufhalten, bleiben sie gewöhnlich gesund; wenn sie aber in dem Urwalde sich Zu schaffen machen oder auf die Wasserjagd gehen, werden sie Naumgarten. Afrika. 8 114 Lebensweise nnd Krankheiten in Ostafrika, von Fieber befallen. Wir finden in der Zeit die meisten Fieberkranken, wenn Sonnenschein und Regengüsse abwechseln nnd zugleich Windstillen vorhanden sind. Ans Zanzibar trat in den letzten Jahren regelmäßig im Verlaufe der heißen Zeit, im Dezember, Januar, Februar, wu sich Gewitterschauer und Windstillen einstellten, eine starke Epidemie auf. Diese Monate sollen früher trockener und daher gesunder gewesen sein, während jetzt Juli, August nnd September die gcsnndesten sind. In den letzten Jahren gab die Regenzeit im Monat April, weil sie nnr kurz und zngleich von starken Winden begleitet war, zn Fieber nicht so sehr Veranlassung wie früher. Gin starker nnd anhaltender Regen ruft besonders nnter den Bewohnern dcr Lehmhütten Epidemiecn hervor, die vorzüglich nach dem eigentlichen Regen auftreten, wenn die durchfeuchteten Wohnungen wieder austrocknen. Gewisse Gebiete im Iuucru der Insel und an der Küste sind sehr gefährlich, besondere wcnu man die Nacht dort znbringt. Berichtet doch dcr englische Reisende Vurtun von einen: Boot mit Matrosen, die, um Wasser ans einem kleinen Flnsse zu holen, eine Nacht im Boote schlafend zubrachten uud infolge dessen alle am Fieber zu Grunde gingen. Rindvieh nnd Pferde sterben im Innern dcr Insel bald dahin. Die Fieber, welche man sich in derartigen, mit üppigem Pflauzcuwuchs versehenen Niederungen holt, sind gewöhnlich sehr heftig nnd bösartig; sie bestehen meist in den sogenannten Gallcu-fiebcrn, die ich in der Stadt Zanzibar unter den Europäern niemals beobachtet habe. Es geht niemand ungestraft ans die Flußpferdjagd. Von allen Enropäcrn, die in den Niederungen des Kiugaui- oder Wami-Flnsfes gegenüber Zanzibar auch nur wenige Tage der Jagd obliegen, ist nicht ein einziger, der frei vom Fieber bleibt. Die Feuchtigkeit, welche die Fieber erregendcu Orgauismcu znr Entwickelung bringt, braucht t'eiuc sehr große zn sein. Bei häufigem Regen ist die Luft schon so mit Wasserdampf gesättigt, daß diese Feuchtigkeit schou genügt, einen gewissen Wohnraum zu einem Infektionsherd zu machen. Man hält es oft kanm für möglich, daß in einem Schlafraume, der auf den ersten Blick gar keiueu ungesunden Eindruck macht, Ansteckung erfolgen könne. Aber wcuu man den Kranken das Schlafzimmer wechfelu läßt, fu wird das sofort klar. Der oft große Raum, der sich iu maucheu arabischen, von Europäern bewohnten Hänsern Zanzibar's an die Küche anschließt, giebt nicht feiten zur Miasmeubildung Veranlassung, weil in demselbeu das Lebensweise und Krankheiten in Ostafrilci. 115 Spülwasser ausgegosscn wird. Die in solchen Räumen schlafenden Portugiesischen Küche werden das Fieber nicht los. Es bedarf keiner weiteren Erwähnung, daß ein jedes fruchtbare Gebiet des tropischen Afrika, mag es hoch oder niedrig gelegen sein, Dutzende von Lokalitäten aufzuwciscu hat, in denen der Europäer sich unfehlbar infizieren muß, wenn er dort reist, dort wohnt oder gar den Boden bearbeiten will. Die auf den Bergen von Nsagara und Assegua wohnenden französischen Missionare haben mehr vom Fieber zn leiden, als die in der Stadt Zanzibar Ansässigen. Sie steigen nach einiger Zeit von ihren „kühlen" und „gesunden" Hohen herab, um sich auf Zauzibar zu crholeu. Alle Flußgebiete, besouders die des Lufidschi, Kiugaui uud Wann, bieten auch in ihrem Obcr-lanfe solche der Gesundheit des Europäers sehr gefährliche Lokalitäten iu Meuge. Ic größer der Infektionsherd, um so größer die Wahrscheinlichkeit sich anch in der nähern Umgcbnng desselben zu infizieren. Doch ist die Gefahr durch den Wind, welcher die Keime znsührt, infiziert zu werden, sehr gering. Im andern Falle müßten zn gewissen Zeiten, wo der Wind von dem Innern der Insel Zanzibar znr Stadt weht, mehr oder weniger alle Bewohner, nnd besonders die Europäer, am Fieber erkranken. Aber zu der Zeit ist der Gesundheitszustand gewöhnlich ein günstiger. Den besten Beweis dafür, daß nicht der Wind die Krankheit direkt znwcht, daß nicht der Boden allein die Keime sich entwickeln läßt, sondern menschliche Wohnräume häufig die Iufcktionsstä'tten abgcbeu, liefern vor allem die Schiffscpidemieen, die ich in Zanzibar zn beobachten Gelegenheit hatte. Ein gewaltiges englisches Wachtschiff, eine alte feeuntnchtige Fregatte, lag ',« englische Meile vom Strande entfernt im Hafen verankert. In den Wohnrämnen dieses alten baufälligen Holzkastcns entstanden in jedem Jahre bösartige Fiebcrepidcmiccn, und zwar in einer Zeit, wo in der Stadt das Fieber nicht stärker wie gewöhnlich herrschte. Der dritte Teil der über 200 Mann betragenden Besatzung lag zuweilen am Fieber krank darnieder. In einem Jahre, wo die Erkrankungen besonders heftig nnd zahlreich waren, legte man das Schiff an einen andern Platz, weil man der Ansicht war, daß der Wind, welcher von der Infcl Zanzibar wehte, die Infcktionsftoffc vom Lande herbeitrage. Das Verlegen des Schiffes hatte nicht den geringsten Erfolg. Dann meinte man wieder, die Mannschaft müsfe sich das Fieber beim Urlaub vom Lande geholt haben, aber in der Stadt sowohl wie 8' 116 Lebensweise und Krankheiten in Ostafrika. außerhalb derselben litten weder Europäer noch Eingeborene in außergewöhnlichem Maße. Ich hatte schon damals meine Ansicht dahin geäußert, daß in den Schiffsräumen selbst die Ursache gesucht werden müsse, und man überzeugte sich auch schließlich davon. Die Epidemiecn traten nämlich währeud des starken Negcus auf, wo die Fenster des Schiffes geschlossen bleiben mußten. Da das Fahrzeug nicht mehr dicht war, so waren die Holzwändc der Schlafräumc wie mit kleinen Thautröpfchen übersät; dabei ungenügende Ventilation und viele Menschen in einem Naume zusammen. In den Schlaf-rämncu der Mannschaften waren die Erkrankungen am zahlreichsten^ aber auch iu deu Einzelzellen der Offiziere stellten sich dieselben ein. Ich habe ferner auch noch Gelcgcuheit gehabt, auf französischen Kriegsschiffen ähnliche, zum Teil uoch auffallendere Malaria-Epide-miecu zu beobachten. Welche Nntzanwendnngen ergeben sich hieraus für den Kaufmann, Kolonisten und Reisenden? Man achte vor allem auf den Platz, auf dem man sein Hans, seine Hütte oder seiu Zelt errichten will. Man spare nicht ans Kosten einer gesundheitsgemäßen Einrichtung; denn das zweckmäßige Haus uud besouders das gesunde Schlafgemach ist das wichtigste, um gesuud zu bleiben. Der Reisende sehe vor allein darauf, ein zweckentsprechendes Zelt mitzunehmen, auch wenn er einige Träger deshalb mehr engagieren muß. Unter einem gesunden Zelte verstehe ich ein solches mit doppeltem Dach; das obere muß aus regendichtem Stoff befteheu uud weit über die Zeltwäude vorfpriugeu. Das Zelttuch ist bei nassem Wetter in einem regendichten Sacke zu tragen, an schönen Tagen soll man es frei von der Sonne bescheincn lassen. In der Regenzeit meide man es, unter Väumeu oder doch unter dichterem Laubwerk zu lagern; der Aufenthalt in Wind und Negen ist gesunder, als der an dunstigen Stelleu, wo die Lnft sich weniger eruenert. In der trockenen Zeit mag man das Zelt unter Bäumen aufschlagen, wenn zugleich der Boden trocken und ohne modernde Substanzen ist; aber hat man nur die Wahl zwischen baumlosem Terrain uud feuchtem Wald, so wähle man das erstere. Es ist besser im ärgsten Sonnenbrände und Sande als in der dumpfigen Waldlnft. Bei Tage kaun man sich allerdings in cinem solchen freistehenden Zelte nicht aufhalteu, wenigstens nicht in den Stunden von 9—4. Dann läßt man sich eine auf Stangen ruhende Überdachung von Gras oder Laubwerk herrichten, welche die Neger in der kürzesten Zeit herzustellen wissen. Lebensweise und Krankheiten in Ostaftila. 117 Man kann sicher sein, daß man in cincm solchen anf trockenem Boden stehenden Zelte, das den Tag über von der Sonne beschienen ist nnd in dessen Innerem sich eine Temperatur bis KO" (5. entwickelt hat, dcs Nachts nicht mehr von Fieberkeimcu infiziert wird. Die trockenen nnd heißen Gebiete Afrikas sind dem Europäer zuträglicher als die fenchtcn nnd kühleren. WaS die Hütte oder das Hans betrifft, so errichte man sie wo möglich anf einem freien, von der Sonne beschienenen Plcche, den der Wind beftreichen kann. Viele große, schattengebcnde Bäume, welche die Feuchtigkeit zurückhalten uud die Lufterueuerung erschweren, dnlde man nicht in nächster Nähe. Man lasse die schnell austrocknende und daunt desinfizierende Kraft der Tropensonne ungefchwächt wirteu, was bcsoudcrs bei Strohdächern vou Wichtigkeit ist. Im Innern eiuer mit Strohdach bedeckten Lehmhütte ist es sehr kühl, Wenn das Dach nur geuügend hoch ist und man einen seitlichen Spielraum zum Durchstreichen dcs Windes läßt (scheuncnartig). Den Fußbodeu bilde eine halbfnßdicke, ans Asche nnd Lehm zusammengemengte Schicht, welche festgestampft wird. Man achte darauf, das Inuere so einzurichten, daß der Schlaframn nicht nach der Regenseite zu liegeu kommt. Die Fenster sollen so angebracht sein, daß möglichst viel Luftzug eutsteht. Die Strohdächer der Lehmbauten oder Blockhäuser sollen weit vorsftriugen, damit die Wände möglichst von Feuchtigkeit vcrschout bleiben. In der Regenzeit hat man die Windseite durch eine ans Gras oder Palmblätteru geflochtene Wand zu schützen, die bei Sonnenschein weggesetzt wird. Aus dein Schlaf-ranm lasse man alles, was nicht uubedingt notwendig ist, fort. Das Waschen und Baden nehme mau nicht im Schlafranm vor, auch die schmutzige Wäsche hebe man nicht in diesem anf. Wenn möglich, kalke man die Wände. Der Neifeude ist natürlich nicht immer in der Lage, allen diesen Anforderungen gerecht zn werden. Wohnt er während der Regenzeit in einem Zelte, so ist eine Durchfcnchtung der Wände kaum zn vermeiden. Anf einer Station kann mau aber die wefeutlicheu Bcdiugnngeu — Auswahl eiues guten Platzes für das Haus, Trockcuheit, Ventilation, Reinlichkeit — in der Regel erfüllen. Was die Schiffe anlangt, welche nicht fclten in den Flußmündungen oder Flüssen selbst veraukert werden, so sind alte, undichte Holzschiffc dnrchauö ungeeignet, nm eine größere Anzahl Europäer unterzubriugcu. Hier sind die oben angeführten Bedingungen 118 Lebensweise und Krankheiten in Dstafrika. kaum zu erfüllen. Bei joden: Fieber, von dein man befallen wird, achte mau vor allem auf die Orte, iu denen man sich tags aufhält oder nachts schläft. Hat mau Chinin frühzeitig uud iu richtiger Weise augewandt uud wird trotzdem von Nückfällcn heimgcsncht, so ist die Gewißheit vorhanden, daß man sich iu eiuer bestimmten Lokalität immer wieder von neuem infiziert, sei es nun in der eigenen Wohuuug oder au dem Ort, wo man während des Tages beschäftigt ist. Was daöFieber selbst anbetrifft, so will ich hier nur zur Beruhigung aller derer, welche afrikanische Tropengebietc besucheu, anführen, daß, wenn mau versteht das (.ihinin richtig anzuwenden, dasselbe ein fast uufehlbares Mittel ist. Die zweckentsprechende Anwendung ist aber in manchen Fällen nur dem Arzt möglich, zumal in deu Tropeu-gegeudcu uicht uur die eiuem ^edeu, der dort gelebt hat, wohlbekannten charakteristischen Fieberaufälle, souderu auch uoch eine Menge anderer versteckter Malaria-Krankheiten sich finden, welche uutcr dem Bilde verschiedeuer Orgauerkrankuugen verlaufen uud, wenn sie nicht rechtzeitig erkcmut werdcu, uicht miudcr gefährlich sind wie jene. 2050 Personen, welche außer -M>) Europäern meist Iudier und Goanesen waren, habe ich während meines Aufeuthalteö auf Zanzibar als Malarialranke behandelt. Einer unter diesen ist ge-storbeu, ein Europäer, der lange Zeit iu Südamerika gelebt hatte und uoch mit ciuem cmderu Leidcu behaftet war. Vier andere Fälle, welche tötlich verliefen, muß ich besonders crwähueu; sie betrafcu Europäer, welche, bereits auf Madagaskar erkraukt, die ganze Seefahrt über ohue Vehaudlnng gewesen waren uud iu bewußtlosem Znstande in daö französische Hospital auf Zanzibar gebracht wurden. Ein fünfter Todesfall betraf einen französischen Coutre-Admiral, der lieber stcrbeu, als sich entschließen mochte, eine, wie er meinte, für dcu Körper so schädliche Substanz wie Ehiuin zu sich zn nehmcu. Nuter jeueu 2050 Patienten befanden sich viele Reisende und Kaufleute, welche sich uicht auf Zanzibar infiziert hatten, souderu von deu verschicdcusteu Teilen der Küste vuu Mozambique, Madagaot'ar und ans dem Innern Afrikas — uicht wenige aus Nfagara — die Kraukheit mitgebracht hatteu. Es muß feruer eiue große Beruhigung für den in Afrika lebenden Enropäer sein, zu wisseu, daß der erste Anfall niemals mit deut Tode endet, nud daß, weuu man sofort bei dem ersteu Uuwohlseiu die uötigeu Maßregeln ergreift, selten Gefahr für das Leben vorhanden ist. Ich habe sehr bösartige Fieber Lebensweise und Krankheiten in Ostafrika. 119 beobachten können, in denen — und das ist schon eine grosse Ausnahme — mit dein Beginn des ersten Anfalles der Kranke bewußtlos zusammenbrach, aber anch bei so heftigem ersten Anfalle trat niemals der Tod ein. Besonders die französischen Arzte habcn die Gewohnheit, alle Fieberkranke zunächst mit Brechmitteln und Abführmitteln zn behandeln. Der Organismus erträgt allerdings eine solche Behandlnng in vielen Fällen, in vielen Fällen aber auch nicht. Tie Mittel schwächen den Patienten nnd verursachen oft einen nachteiligen Zeitverlust für die Anwendung des Chinin. Dieses Medikament, zn rechter Zeit nnd in der richtigen Weise und Stärke gegeben, führt fast in allen Fällen sicher nnd schnell die Genesung herbei. Fassen wir noch ciumal kurz die Puuktc zusammen, welche für alle Gebiete des tropischen Afrika in Vezng anf die sanitären Verhältnisse maßgebend sind, so ergeben sich folgende: 1. Ficbermiasmcn finden sich in allen niedrigen wie hochgelegenen Lokalitäten, welche die znr Entwickelung notwendigen Bedingungen erfüllen. 2. In den fruchtbaren, feuchten, wasserreichen, eine üppige Vegetation und viel vegetabilische Zerschungsprodukte führenden Gebieten ist das Malariagift immer in Gefahr bringender Weise vorhanden. 3. In der Regenzeit ist jeder Boden mehr oder weniger für die Gntwickelnng des Malariagiftcö geeignet. 4. Gefnnde und ungesunde Lokalitäten befinden sich oft nnweit nebeneinander. 5. Anch die Wohnnngcn können Infektionsorte für die Malaria bilden. <» Mann gebracht werden, von deueu aber uur etwa l<) mit Fliuteu, die ubrigeu mit Lauzeu, Schild uud Schwert bewaffuet n>areu. Die Mehrzahl der Schoaucr bckeltnt fich znni Christeutuni, nach der Form der toptischen Kirche in Ägypten, von welcher die abessi-nische Kirche eine Abteilung bildet. Im östlichen Teile sind viele Das Reich Schoa und dessen Bewohner. 123 Mohammedaner, im Süden heidnische Galla. Die Kirchenverfassung ist bischöflich. Den obersten Bischof, den Abuua, d. h. unser Vater, ernennt seit etwa 12>U' der koptische Patriarch in Ägypten. Der Abuna ordiniert die Priester und Diakonen, salbt den König nnd regiert dic Kirche in Gemeinschaft mit dem Etschegc, Oberhaupte der zahlreichen Mönche. Der zn Ordinierende muß lesen nnd das uicä-uische Glanbcnsbckenntniö hersagen können; dcr Abnna bläst ihn an, legt ihm die Hände auf, segnet und bekreuzigt ihn, uud bekommt dann als Gebühr zwei Salzstücke. Mch der Einweihung dürfen die Priester nicht mehr heiraten, behalten aber die Fran, welche sie einmal haben. Sie lesen lange Litaneien und müssen ucbeu dem Gesangbuch alle Psalmen auswendig lernen. Die Dcbtera, welche die gelehrte Klasse bilden, Schulunterricht erteilen, Bücher abschreiben und wohl auch beim Kirchendienst behilflich sind, werden nicht ordiniert; ebensowenig die Kirchenvorsteher, Alatas, welche zwischen Staat und Kirche vermitteln. Tie Litteratur der Abcssinier nmfaßt etwa andcrthalbhnndert Bücher, wovon manche unr Übersetzungen griechischer Kirchenväter sind. Sie werden in vier Teile oder Gubaiotsch geteilt; die beiden ersten nmfassen das alte und neue Testament; dcr dritte umfaßt die Bücher der Likö, d. h. vollkommenen Meister, z. B. die Werke des Chrysostomns; dcr vierte die Schriften dcr Heiligcu und Mönche. Nichtig ist, daß die Abcssinier die Bibel in der alten äthiopischen (Ghcez-) Sprachc nnd jcht anch im Amharischcn besitzen. Sie stcllcn die Apokryphen den tauonischeu Büchern gleich und halten überhaupt die Tradition dcr Kirchenlehrer für gleichberechtigt mit dem geschriebenen Worte der Apostel uud Propheten, Sie habcu sehr viele Heiligen; die Maria spielt eine große Nolle; der Aberglaube ist so dick wie nnr möglich, nnd kindische Spitzfindigkeiten, von welchen überhaupt die Dogmengeschichte der Jahrhunderte wimmelt, uud mit denen so viele Menschen sich Kopf und Zeit verdorben haben, sind in Habcsch sehr arg im Schwange. Die Maria ist z. B. für die Sünden der Welt gcstorben uud hat wohlgezählt 144 000 Seelen gerettet. Die Kinder werden weiß geboren wie Milch. Der Mensch hat schon vor der Gebnrt Erkenntnis nnd Thätigkeit. Die Priester können, freilich nur wenn sie sehr gnt dafür bezahlt werden, andere von ihren Sünden durch Vetcn nnd Fasten befreien. In dem langen uud argen Zank dcr Kirche über das Dogma vom Ausgaug des „heiligen Geistes" haben sich die Abessinier für den Ansgang 124 Das Reich Schoa und dessen Bewohner, vom Vater entschieden, auch sind sie Monophysiteu, d. h, sic nehmen nur eine Natur und einen Willen in Christo an. Lächerlich sind anch die Zänkereien über die Lehre von den drei Geburten, welche seit langer als sechzig Jahren dauern. Ein Mönch in Goudar behauptete, die Taufe oder Salbung Christi mit dem heiligcu Geist im Jordan sei eine dritte Geburt gewesen. Der Sohn Gottes, geboreu vom Vater lion Ewigkeit — erste Geburt, — wurde Meusch in der Zeit, — Zweite Geburt, — uud getauft im Jordan, — dritte Geburt. Diese Lehre wurde in Schoa, nach langem Kampfe mit deu Anhängern zweier Geburten in Christo, durch die Entscheidung deö Königs Sahela Selassi zur Kirchcnlehrc crhobcu, alle Priester, welche nicht an die ncudekretierte Lehre von, dcu drei Gedurtcu glauben wollten, wurdeu 1,^0 abgefetzt; nuter Saug und Klang zogen die Eiferer in die Kirche, reinigten sie von den Ketzern, d. h. hier den Altgläubigen, und drangen auch aus eine noch gesteigertere Verehrung der Maria und der Heiligcu. Die besiegte Partei waudte sich an den Abnna in Gondar, welcher sie in Schuh nahm uud dem Könige von Schoa mit Krieg drohte. Durch Kaiser Thcoduroö vou Äthiopien, der das Land eroberte, ist nun wieder der alte Glaube vou den zwei Geburten herrschend geworden, aber seine Gegner brandmarken ihn als „Messerglauben", weil er die dritte Geburt abgeschnitten habe! — Überhaupt leben die christlichen Messinicr in einer kläglichen Versumpfung. Sie haben ueun Monate im Jahre Aasten, und dazu kommen die vielen Festtage der „Heiligen", an denen lediglich gefaulenzt und wild gelebt wird. Unverheiratete Leute dürfen nicht zum Abendmahl gehen, wohl aber Kinder. Bei der Kommunion wird Weizenbrot mit Traubenfaft vermischt uud in einem Löffel dargereicht. Für reiche Speuden an deu Priester kauu mau Seelen der Verstorbenen aus der Hölle erlösen; bei der darauf bezüglicheu Feierlichkeit wird viel Bier und Honigwein getrunken. Je mehr dein Priester gegeben wird, umsmuchr preist er dcu Verstorbeueu selig, uud betet ihu aus der Qual heraus. DaS abessuüsche Christentum übt auf seine Bekenner kanm eine moralische Wirkung; alle Reisenden stimmen darin überein, daß die Mohammedaner viel ehrenwertere Lente seien. Grobe Unsittlichkcit ist auch bei Priestern nnd Möucheu an der Tagesordnung; selten ist jemand frei vou ciucr gewissen schlechten Krankheit. Die Kirche gebietet Einwciberei, aber der fromme König, welcher das Dogma vou den drei Geburten Christi dekretierte, hatte DaS Reich Schoa und dessen Bewohner. 125 bloß — 500 Frauen! Doch scine Priester lobten ihn, obwohl er jede schöne Frau im Lande als fein Eigentum betrachtete. Der Aberglauben hat anch seine ergötzlichen Seiten. Der heilige Aragawi wurde am Schwanz einer Schlange auf den Felsen Danw in Tigre hinaufgezogen. Der heilige Samuel ritt nnr anf Löwen; ein anderer wunderlicher Reisender schwamm anf einer Hant über das Rote Meer. Wenn es beim Sonnenschein regnet, dann wird ein Tiger oder eine Hyäne geboren; ein bnnter Leopard entsteht, wenn die Wolken buntfarbig ansfchen. Eine das Haus umflatternde Nachtcnle deutet an, daß eine Frau bald gebären werde; die Fledermaus crzcngt Kopfschmerzen. Das Küssen der Kirche, das Tragen einer blcmseidencn Schnnr am Halse, Fasten nnd Almoscngeben sind Hauptsachen des abcssinischcn Christentums. Karl Andree. Die Expeditionen Vurtonö und Spckcö. ll. A. Dcr MWschc Badeort WOge. Unser Weg führte über Wansage, einem der bedeutendsten Badeorte Abessiniens am Gumara-Fluß gelegen. Die heiße Quelle entspringt anf dein linken Ufer des genannten Flusses in einer Höhe von 2—3 m aus der Erde, uud füllt ein vom Ncgus Theodor errichtetes Bassin mit seinem -^ 37" C. warmen Wasser. Über dem Bassin ist eine Hütte errichtet, nnd die hier ihre „Kur" abmachenden Abessinier tummeln sich den gauzen Tag laug im Wasser herum. Oft kommt es zwischen den Kurgästen zu Streitigkeiten, znmal wenn einer länger, als ihm erlaubt ist, Bäder genommen haben soll. So hört man von früh bis spät die brüllenden Töne der Streitenden nnd die Klagelieder der Weiber nnd Kinder, die häufig bei dieser Gelegenheit Prügel bekommen. Vs gehen nach Wansage Kranke aller Art, und da es wenige Abessinier giebt, die nicht an einer gewissen galanten Krankheit litten, so sieht man meistens nnr Patienten, die gegen diese nnd ihre Folgen hier Heilung zu finden glauben. Gewöhnlich bleiben die Kranken sieben Stunden lang im Wasser. Die Kurgäste wohnen in kleincu, konischen Hütten, welche, aus Stroh erbaut, sehr an Fischreusen 126 Der abessinischc Vadeurt Wansage. erinnern. Auf einein Hüssel ist die königliche Villa erbaut, ans Zwei bis drei größeren Toknls bestehend. Der Negns Johannes liebt es sehr, nach Art der curopäischcu Fürsten hier Bäder zu nehmen. Außer der in einer Höhe von zwei bis drei Metern entspringenden heißen Quelle, namens Tschertos, ist hier noch eine andere, unmittelbar am Gnmara-Flusse, die dem heiligen Tekla Haimanot geweiht ist, nnd deren Temperatur nur -^ 32" C. beträgt. Hier baden nur die schwer Erkrankten. Wansagc ist der einzige Ort Abessiniens, wo ich öffentliche Gasthäuser, eigentlich Gasthüttcn, zu fchen Gelegenheit fand. Gewöhnlich bleibt der Abessinier zn Hanfe nnd bereitet sich fein Getränk, fei es Meriffa oder Tetsch felbft. Wansagc dagegen erinnert anch in dieser Hinsicht an nnfcre Bäder. Nachts herrscht ein teuflischer Lärm, der mit Franengefang, Händeklatfcheu :c. untermischt die eigentliche Bademnsik ausmacht. Die im Gumara häufenden Niefenfröfche for-gcn für eine harmonische Vegleitnng, welche mit dem I a-Geschrei der Esel und Maultiere erst spät nach Mitternacht endet. Stecker. (Bericht über sciuc Expedition nach Abessinien. Mitteilungen der Afrikanischen Gesellschaft, Berlin, 1861. III. I. Heft.) Maffull. (5haraltcr nnd Lebensart der Vewohncr. — Klima. — Handelsgewohnheiten der Abessinier, — Vurzuge der hiesigen Mohammedaner. Masfua (dies ist die richtige Aussprache, nicht Massaua, in der Landessprache Bas>'>) hat die gleiche Lage anf einer Insel wie Snakyn nnd Agig, und verdankt wie diese seinen Ursprung den fremden Handelslcntcn aus allcll Weltteilen, die von diesem sichern Anhalts-pnnttc anö den Handel mit dem Fcstlande verfnchten. Die Bevölkerung, obgleich nnt eingeloanderten Hindi, Mogrebi, Gallaö u. s. w. vermifcht, hat den Grnndton der Beduy immer beibehalten, deren Sprache, dnrch daS Arabische viel bereichert, in Massna stets herrschend geblieben ist, wie ihre Sitten uud ihr Charakter in den Grnndzngen auf der Iuscl im ganzen immer bewahrt blieben. Wic Massua. 127 überall, glauben sich auch hier die Stadtleute von Massua den Land-lcuteu durch feine Sitte überlegen, nud Bedny ist bei ihnen fast ein Schimpfname. Der Familienstolz ist so groß, daß erst die Verarmung der letzten Zeiten cm Mitglied einer alten hiesigen Familie nötigen konnte, um Lohn zu arbeiten, während sonst immer die ganze Stadt für die Schulden eines eiuzclncu ciustand. Der Adel ist kein Privilegium der Europäer; dio Nerwaudteu des Naib uud die Bclau überhaupt, so elend sie geworden sind, glauben sich duch immer besser als andere Menschenkinder. Der Volksstamm hat im ganzen durch die vielfache Nässen-Vermischung an Schönheit gewonnen; er besitzt ein edles Profil uud ist in der Farbe vicl heller als die Beduan; die Physiognomie ist, wie bei dem Abessmicr, gauz kaukasisch. Dic Mäuuer habeu in ihrem Gesicht einen Ausdruck vou Weichlichkeit, Friedfertigkeit, der ihrem Charakter vollständig entspricht; wirklich haben die Türken vou den Eingeborenen der Stadt nichts zu fürchten, sie sind vielmehr die Wölfe uuter den Schafen, Eine Fliute in die Hand zu nehmen, ist bei den Stadtbewohnern schon eine große Sache; sie sind Friedensfreunde, in allen ihren Verhältnissen mäßig, ruhig, von einem feinen Ton; es fehlt ihnen nichts als Energie. Mau fiudet hier gute Handwerker, besonders von indischer Abstammung; sie lerneu den Europäern mit Leichtigkeit ihre Kunst ab, denken aber nie an eigene Erfindung. Es werden hier sehr schöne, solide Barken gebaut, die Maurer und Zimmcrlcutc arbeiteu mit vieler GeschicklichtVit und Schnelligkeit; mau drechselt sehr hübsche Gefäße aus Büffelhörneru und arbeitet nicht übel in Elfenbein, die Frauen flechten die uiedlichstcu Körbe und Gefäße, die oft wasserdicht sind. An Kunsttalent mangelt es nicht, doch bleibt mau beim Hergebrachten stehcu. Die Hauptbeschäftigung der Stadt ist der Haudel, bcsouders mit den Karawanen, für welche die Stadtleute als Kommissionäre fungieren. Es soll hicr früher sehr reiche Kanflente gegeben haben; aber durch die Habfucht der Paschas, durch eigcue Großthuerei nnd Verschwendung find sie hcrabgekommcn. An Habsucht und Schacher-gcist fehlt cs nicht, und in dieser Bczichuug vcrlcugucn sie den semitischen Charakter nicht; aber der Familienstolz, der auch iu der jetzigen Armut rege bleibt, verhindert die Leute, sich wieder empor-zuraffcu. Der alte Reichtum ist fort, aber die schöueu Seideu-gewäuder werden uicht abgelegt, uud die Hausfrau wird noch immer 128 Massua. als eine Prinzessin betrachtet, für welche cine Sklavin arbeiten mnß. Urteilt man nach den: änßern Anschein, so glaubt man sich nntcr großen Kaufleuten, die Stolz und Verschwendung, nicht aber Thätigkeit von ihren Vätern geerbt haben. Die Gesänge der Stadtbewohner sind fast nnr religiös nnd haben einen eigentümlichen Reiz. Ihre Gebete sind die des Islam, doch sehr lang, besonders das Gebet der Aescha, das fast gesnngen wird nnd nnr zn sehr an den Rosenkranz erinnert, dessen Stelle es seit 3W Jahren vertritt. Außerdem sind für alle Gelegenheiten, Feste, Hochzeiten ?c. Gesänge üblich, in feierlichen, erhabenen Tönen von wohllautenden Stimmen vorgetragen: ein Chor, der mir oft das Herz erschütterte. Die Religion erscheint hier viel liebenswürdiger als im übrigen Orient, und der arabische Fanatismus ist fast unbekannt. Schimpfwörter verbietet der gntc Ton, der hier herrscht, das tägliche Brot von Ägypten wird hier nicht gegessen, nnd die arabische Nohhcit habe ich zu meinem Troste in Massua nicht gefunden. Alles ist ästhetisch, friedlich, fast weichlich, in allem mäßig, ohne Grzeß im guten noch bösen; der schlechte Charakter blcibt verhüllt nnd bricht nur selten vollkommen hervor. Aber auch männliche Offenheit ist selten, schmeichlerische Falschheit ein Grnndzng des hiesigen Volkscharakters. Hingcbnng nnd Aufopferung für den Nächsten, Trene bis znm Tode muß man hier nicht erwarten: der Mangel an energischer Männlichkeit läßt ebensowenig Tugenden als Laster auf-tommeu uud wird zu einem vorsichtigen, gemäßigten Egoismus. Dic Bewohner leben von Fleisch, Reis, Durra, Milch nnd Kaffee. Geistige Getränke sind meist uur unter den Soldaten beliebt. Die Kleidnng besteht in einem gefärbten Futta um die Lenden, einer seideuen Weste und einem langen weißen Hemde; den Tarbnsch tragen nnr die Türken; dagegen setzt man eine Takkiü auf, ein festes buutgewcbtcs Käpftchen, um das man die Monsselinc wickelt. Die Bewohner Mafsuas habe ich auf kaum 5l><>() geschäht, vou denen viele die Nacht in ihren Häusern anf dem Festlande Zubringen. Doch wird diese Zahl im Sommer durch die Karawanen wohl verdoppelt. Da der Haudcl die Stadt eruährt, ist die Zahl der steinernen Magazine groß; sie sind aber meist sehr eng nnd klein und bestehen mit wenig Ausnahmen uur aus einem Erdgeschoß. Als Wohnungen dienen fast nnr Strohhanser, die von denen der Vednan kaum verschieden sind. Massua. 129 Das Urteil, welches Bruce über das Klima fällt, ist bekanntlich gar nicht schmeichelhaft; doch ist mir sein Kranlheitsregister nach eincm einjährigen Aufenthalte nachgerade komisch vorgekommen. Dysenteriem nnd Ophthalmiecn sind selten, Fieber kommen nur in der Regenzeit uor und sind nie sehr ernstlich. Ich hatte einmal ein Landesfieber, das nach drei Tagen ohne alles Znthnn der Kunst aufhörte. Die Hitze des Sommers ist nicht ungesund, wenn sie auch schwächt und den Appetit raubt. Die Sommerzeit dauert wie in Europa von März bis Oktober, wird aber fast jedes Jahr dnrch einen starken Augustregen unterbrochen. Im Sommer habe ich im Schatten bis -^ 40" N, beobachtet und -^ 35" sind ganz gewöhnlich, in der Nacht wie am Tage. Doch wird die Hitze durch die herrschenden Seewinde gemildert. Die Nächte sind nicht fu feucht wie in Ägypten, und ich habe nie nachteilige Folgen verspürt, wenn ich im Freien schlief. Der Beginn der Regenzeit verzögert sich jenseits der Küstenkette, je weiter man nordwärts geht. Sie tritt in Abcssinien schon im April ein und dauert bis zum Juli; bei deu Bogos dauert sie vom Juni bis September; bei den Habab vom August bis Oktober; dagegen beginllt sie in den Vorbergen Massuas erst im September und dauert bis zum Januar, und in Massua selbst tritt sie im November ein. Hier regnet es gewöhnlich in der Nacht nnd sehr stark. Was für unZ nicht sehr angenehm ist, wird für die Eingeborenen ein Fest; alles eilt ins Freie, nm die erste Kühle nach heißen Sommertagen zn genießen und freut sich der frischen neuen Luft. Das Festland, das im Sommer dürr und wüst liegt, bedeckt sich plötzlich mit reichlichem Grün; die Herden, die im Sommer in den Bergen bleiben, steigen mit dem ersten Regen in die Ebene hinab, die nach kurzer Frist dem Ange das Bild einer vcgetationsreichen, von Tauscudeu von Kamelen, Kühen und Ziegen durchzogeueu belebten Prairie bietet. Ein Blick auf die Karte schon zeigt, daß Massna eine sehr wichtige Stellung im Handel des südlichen Roten Meeres einnehmen muß. Es ist der natürliche Nordhafen von Abessinien, und liegt dem Jemen, dem Lande des Kaffees, gegenüber, kaum zwei Tagereisen davon entfernt. Auch voll Djidda ist der Weg nicht weit; er führt über die Inseln von Dahalak, die natürlich einen großen Teil ihrer Mecrprodukte auf den Markt von Massua abgeben. Die Ebene zwischen dem Meere und dem Plateau Messiniens, die unter dem Vaumaarten. Afrika. 9 130 Mllssua, Namen Sanchar bekannt ist, hat auch Erzeugnisse (Gummi, Sema, Butter, Schmalz und Häute), die für dcu Zwischenhandel des Roten Meeres nicht ohne Wichtigkeit sind. Endlich besteht eine sichere nnd angenehme Karawanenstraße vom Sennaar und Takka nach Massua, so daß es im stände ist, einen großen Teil der Prodnkte jener Länder, das Elfenbein, die Hippopotamuszähne, die Tamarinde zu empfangen. Die Waren, die von den Abessiniern nach Massna gebracht werden, sind meistens Produkte der Gallaländcr, so dcr gute Kaffee, das Gold, das weiße Wachs :c. Die Gallas bringen ihre Waren gewöhnlich nnr bis ins Gotscham, wo der große Stapelplatz, besonders für den Kaffee, ist. Jeder abessinische Kaufmann (X^ssk'iul^) hat in Massua seinen Kommissionär (XeZil), der sein Sicherheitöbürgc ist (da Abessinien mit dcr Türkei keinen offiziellen Verkehr unterhält), ihm ein Haus, Feuer nnd Wasser liefert und alle seine Geschäfte während feines Aufenthalts besorgt. Dafür nimmt der Nesil von allen Käufen und Verkäufen eine mehr oder minder bedcutcude Kommissionsgebühr. Dieser Tribnt, der zwischen 5 nnd I«) Prozent beträgt, ist so fest in den Landesgebräuchcn gewurzelt, daß es eine Thorheit wäre, ihn umgehen zu wollen, umsomchr, da es die Nesile sind, welche jedes Geschäft in Händen haben nnd es, nach ihrer Laune, zu Gunsten ihrer Freunde abmachen. Geschäfte mit den Abessiniern sind einfach uud fchucll abgethan. Die erstcu Tage nach ihrer Ankunft zögern sie sehr mit dem Verkauf der mitgebrachten Waren, keiner will der erste sein, aus Furcht, den Markt zu verderbeu. Doch sobald ein großer Kaufmaun das Beispiel gegeben und den ersten Verkanf gemacht hat, wird der ganze Vorrat von gleichen Waren in einem Augenblick ohne weiteres Markten losgeschlagen. Tauschhandel ist nicht beliebt. Man muß mit guten Maria-Thcresia-Thalern (Edri) verfchen fein, um vorteilhaft kaufcu zu können; erst später erhält man bei dem Verkauf der eigenen Waren einen Teil feines Geldes wieder zurück, aber die Abcsstnier nehmen doch nur ein Drittel oder Viertel des realisierten Geldes in Waren zurück. Der Imftort ist dem Export bei weitem nicht gleich. Bringen die Abessinier z. V. für 200 000 Thaler Waren nach Massna, so nehmen sie dafür wohl eine Summe von 130 000 Thaler in barcm Gelde zurück, und von den 70 00« Thalern, die sie für ihre Einkäufe zahlen, fallen wohl 60 000 auf die Massua. 1Z1 indischen Waren der Banianen, so daß auf den europäischen Verkehr nur eine Summe von 10 OM Thalern kommt. Dieser ist demnach nur ein Detailhandel, welcher nicht schwer in die Wagschale fällt. Ehrlichkeit und Rechtlichkeit sind die erste Bedingung für den, der mit den Abessinicrn zu thun haben will. Sie sind sehr mißtrauisch, wittern sofort Betrug, wo sie Schlauheit bemerken, wissen dagegen Offenheit in Geschäften sehr Zu schätzen. Die großen Karawanen kommen, wie gesagt, nur einmal des Jahres nach Massua; doch giebt es viele kleine Kaufleute vonTigrö und Hamazen, die während des ganzen Jahres aus- und eingehen und den Markt stets in einiger Thätigkeit erhalten. Die eigentliche Geschäftsfaifon sind die Sommermonate. Die bösen Zeiten haben es mit sich gebracht, daß eine Karawane einer kleinen Armee nicht unähnlich sieht. Die großen Nöggadüö bringen nur wenige Diener nach Massua, da sie eine Unzahl Dienst-Icute auf der Grenze bei ihren Maultieren zurücklassen. Die Tracht des reisenden Abesstniers besteht in kurzen engen Beinkleidern und einer sehr langen dichten weißen Schärpe, die um die Hüfte gewickelt ist; darüber trägt er die ungcuähte viereckige Toga (ttuu,ri), von der er ein Ende über die eine Schulter wirft. An seiner Rechten hängt das lange krumme Schwert (Schote!) und außerdem trägt er einen großen runden, buckligen Schild ans Büffelhaut und eine lang-spitzige Lanze. Aber auch Fenergewehre, mit denen besonders Europäer einen einträglichen Handel treiben, sind von jeher sehr verbreitet gewesen. Die mohammedanischen Abessinier sind (ohne Zweifel) bedeutendere und bessere Handelsleute, als ihre christlichen Landslcnte; ihr Hauptgeschäft ist der Sklavenhandel, der sie oft nach Djidda führt. Ich habe nie ein Voll gesehen, das sich seine Religion so wahrhaft innig zu Herzen nimmt, wie diese Mohammedaner, die neben ihren Glanbensbrüdern, den Arabern, in Zucht und Rechtlichkeit wie Engel dastehen und wahre Früchte deö Glaubens tragen. Ohne Zweifel wirkt darauf der Umstand ein, daß sie in Abessinien die Minorität bilden, die stets mehr auf sich achtet, als die Majorität, wie es auch in den paritätischen Ländern Europas sichtbar ist. Die abessinischen Muslimin sind ihrem Glauben sehr zugethan, oft sogar etwas fanatisch, was aber nie offen hervortritt. Sie dienen in Abessinien als Zöllner, wie die Kopten in Ägypten, sind durchschnittlich gebildeter, als die Christen und bessere Rechner und Diplomaten, 9' 132 Nbesfinischc Knegöbilder. weswegen sie oft zu Gesandtschaften zwischen christlichen Fürsten gebraucht werden. Sie find in der Welt des Islam sehr gnt angesehen, und es gehen ans ihrer Mitte oft Scheichs hervor, die man auch in Djidda und dem übrigen Arabien sehr hoch verehrt und eines näheren Umgangs mit Gott teilhaftig glaubt. Die Wahl der Waren, die ein Mggad« nach Mafsua bringt, ist durch alte Gewohnheit geregelt; es würde einem kleinen Handelsmanne sehr übel genommen werden, wenn er Elfenbein und Gold mit sich brächte, was nur den großen Kaufleuten gestattet ist. Der christliche Mggad« ist listig und interessiert, aber nicht sehr intelligent und eiu ziemlich schlechter Rechner, daher ihn sein Geschäftsfreund in Massua, der mohammedanische Nesil. mit guteu Worten nach seinem Wunsche, aber natürlich nicht immer zum Vorteil des Christen zu behandeln versteht. Aber der Krug geht eben nur so lange zum Brunnen, bis er bricht, und Rechtlichkeit bewährt sich auch in Massua als die einzig dauerbare Gruudlage des Verkehrs. W. Muuziuger. AWnW ßmgMldtt. Erlebnisse des Mssiunars Th. Waldmeier.") I Gründ unnerstag 18(i8 in Magdala. — Anrücken der Engländer. — Nieder« metzelung der Gefangenen. Am früheu Morgen schon begann der Tag zu traucru, schwere Wolken fingen an, die kaum aufgegangene Sonne wieder zu verschleiern. Die englischen Truppen rückten immer näher; den König, der dies wohl wußte, befiel eine große Unruhe, die ihn unstät von einem Ort an den andern trieb; statt des gewohnten Mutes und der Thatkraft, wodurch er sich stets ausgezeichnet hatte, wandelte ihn mm eine auffallende Verzagtheit an, die seinem ganzen Benehmen cineu niedrigen Anstrich gab und auf die Soldaten einen entmutigenden Einfluß ausübte. Der düstere Wolkenhimmel fpiegelte ganz die *) Theophil Waldmeter. Erlebnisse in Abessinim. Basel, 18W. Abefftnische Kriegsbilder. Igg melancholische Stimmung ab, die sich des Heeres bemächtigt hatte. Auch uns war bange. Daß die entscheidende Stnnde der Erlösung nahe war, wußten wir wohl; aber sollte es eine Erlösung durch Leben oder durch Tod werden? Todesfurcht und Lebenshoffnung, Finsternis uud Licht raugen iu unseren Seelen. — Wir Misstonare waren alle zusammen auf einem Platz mit unseren Familien. Auch Herr Rassam und seine Gefährten waren bei uns, ganz nahe am königlichen Zelt. Wir suchten einander zu trösten und zu ermutigen. Nachmittags um 4 Uhr hörte man ein wehmütiges Schreien aus dem abessimscheu Gefängnis: „I^'si«! k^i«».' (Hott erbarme dich uuser!)" — „Was ist das?" fragte der Köuig aufgeregt. — „Dic Gefangenen", sagte man, „schreien llsssiu!" — „Warum schreien sie? Wer ist ihr Vater? (abessiuischer Ausdruck der Verachtung). Laßt uns hinuntergehen, ich werde sie fragen, warnm sie schreien". Er fragte sie, uud sie erwiederten: „Ihre Majestät, wir haben zu Gott geschrieen, weil wir schon einige Tage nichts mehr zu essen haben." Der König, zitternd vor Wut, zog seinen Säbel und schrie: „Hättet ihr mir nicht eure Not anzeigen können? warum macht ihr Spitzbuben ein öffentliches Geschrei, um mich mit der Not, die mich umgiebt, zu vcrhöhuen? Eure Bosheit will ich strafen." Nuu ging ein schreckliches Gemetzel an. Ohne Verhör wurden die Leute ins Freie gebracht, wo sie zum Teil mit Spießen nnd Säbeln, hauptsächlich aber mit Flintenschüssen getötet wurden. Schrecklich hallten uns die Schüsse ins Ohr, dnrch welche den ganzen Abend hindurch die Unglücklichen niedergestreckt wurden. Wir dachten nichts Anderes, als der König werde jetzt bei den Abessiniern anfangen, nnd wenn er mit ihnen fertig sei, auch uns auf grausame Weise töten. — Als die armen Schlachtopfer tot oder halbtot an: Boden herumlagen, ließ sie der König über einen ganz nahen, senkrecht abfallenden Felsen von etwa 150' Tiefe hinabwcrfen, wo ihre zerschmetterten und verstümmelten Leichen als ein Raub der Hyänen liegen blieben Es waren gegen 5^N Gefangene, die so umgebracht wnrdeu. Erst gcgeu Abend, als sich die Wut des Königs etwas gelegt hatte, fing er an, die Leute zu verhöret«, und einige wurden begnadigt, besonders Weiber und Kinder. — Oben auf der Festung Magdala selbst wurde niemand hingerichtet, mit Ansnahme der Frau eines Deserteurs, um dcssentwilleu sein Bruder mit Frau und Kind lebendig Verbrannt worden war. Sie hatte ein Kind und lebte ruhig auf 134 Abessinijche Kriegsbilder. der Festung, ohne etwas zu ahnen. Auf einmal kamen einige Soldaten, die vom Könige abgesandt waren, und sagten zu ihr: „Unsere Schwester, nimm dein Kind auf den Nucken, mache dick) bereit zur letzten Stunde und komm mit uns." Die arme Fran war standhaft, nahm ruhig, wie gewohnt, ihr Kind auf den Rücken, und folgte den Soldaten hinaus auf einen Felsen, der vom westlichen Rande von Magdala 3(X^ tief senkrecht abfällt. Über denselben wurde sie auf Befehl des Königs rücklings mit ihrem Kinde hinabgestürzt, und in der nächsten Minnte lagen die beiden Leichen grausam zerschmettert unten. So verging der Donnerstag. Wir gedachten mit Wehmut des treuen Debtera Sahelu, dem ein Jahr vorher an demselben Tag Hände und Füße abgeschnitten worden waren. Das Gemetzel des heutigen Tageö machte auch aufs neue den ängstlichen Gedanken in uns rege: „Morgen wird es wohl auch uns ebenso ergehen." Die Nacht brach an, und wir übergaben uns in die Hände des barmherzigen Gottes. II. Die Schlacht am Charfreitag. — Sicg der Engländer. — Verzweiflung des Köinssö. — Sein Selbstmord. Morgens ^> Uhr kamen königliche Boten eilig in unsere Zelte gelanfen und befahlen uns, so schnell als möglich zum König zu kommen. Wir erschraken zuerst über das unruhige geheimnisvolle Benehmcu der Boten, faßten uns aber und folgten ihnen. Der König, der auch heute in seiner innern Unruhe stets hin- nnd herlief, grüßte uns kalt und befahl uns, den Wagen zur Abfahrt bereit zu halteu. Dann ging er in fein Zelt zurück, während die Arbeiter Kanonen und Wagen mobil machten. Nach einiger Zeit kam er in: königlichen Schmuck, in einem von Gold und Silber glänzenden Gewände wieder heraus, in seiner Hand die drohende üanze und in feinem Gürtel zwei Dopftelpistolcn, die schon manchem Menschenleben ein Ende gemacht hatten. Mit der rechten Hand ließ er die Lanze vibrieren, und die linke hatte er auf deu Griff der einen Pistole gelegt. So stand er lange Zeit auf einer kleinen Anhöhe still und schaute trüb uud finster hinauf nach Magdala uud wieder herab auf uus uud die vielen Soldaten. „Heute ficht es uicht gut aus," sagten wir untereinander, „der Herr stehe uns bei, denn sonst haben Abessimsche Kriegsbttder. 135 wir keine Hoffnung". Herr Rassam und feine Genossen wurden wieder auf die Festung hinaufgeschickt, was uns ein böses Zeichen war. Zu gleicher Zeit kam merkwürdiger Weise von dem englischen Oberbefehlshaber Sir Robert Napier ein Brief an den König. Diefer aber nahm ihn gar nicht an, sondern schickte den Überbringer zurück mit den Worten: „Zu was soll der Brief dienen? ich will keine Versöhnung," Wir mußten nun die verschiedenen Wagen, während sie in ihre Positionen gebracht wurden, beaufsichtigen, Zauder, Moritz, Mayer und Flad mnßten die Kanonen auf die Vorfcstnng Fala begleiten. Auf dem Wege durthiu fiel ihnen ein Mörferwagcn und ein Kanonenwagen um, und sie hatten mit den ungefchickten und zugleich abgematteten Soldaten große Mühe, diese Geschütze wieder zurecht zu bringen. Br. Saalmüller und ich mußteu mit dem König den großen Mörser auf die Vorfestung Selasie transportieren. Dort übergab der König fämtliche Geschütze feinen abessimschen Artilleristen. „Den Europäern", sagte er, „können wir sie uicht anvertrauen, denn erstens könnten sie dieselben durch Verrat dcu Engländern übergeben, und zweitens werden sie nie auf ihre Brüder schießen, soudcru durch ihre Geschicklichkeit den Kugeln eine unschädliche Richtung geben". Uns war das ganz willkommen, denn wir hatten schon lange nur mit Furcht daran gedacht, die Geschütze gegen die Engländer bedienen zu müssen. Nm so größer aber schien uns die Gefahr einer grausamen Hinrichtung; denn der König war fortwährend in sehr schlechter Laune. — Er setzte sich auf einen Stein, verlangte fein Teleskop und schaute hiuübcr auf die von uns angelegte Straße, welche von der Ebene von Dalanta herunter in das Thal des Befchclu uud von da nach Magdala hinaufführte. Plötzlich rief er mir zu: „Komm und sieh dort deine Brüder, welche gekommen sind, mich zu töten," Ich empfing zitternd das Fernrohr aus seiner Hand, sah hinüber und erblickte bald die von der Höhe hcrabsteigcnden englischen Truppen. Ich wußte nicht, wag ich dem Könige antworten sollte, und gab ihm das Teleskop schweigend zurück. Er fuhr fort? „Es ist mir wirklich wunderbar, daß Gott die Eugläuder hierher gebracht hat. Hätte ich meine frühere Macht noch in Händen, so wäre ich ihnen schon lange entgegen gegangen und hätte sie gefragt, was sie wollen. Aber jetzt kann ich mit meinen uugetrcucn Soldaten nichts thun. Die Engländer haben wohl gewußt, daß sie mich früher nicht angreifen konnten, und daß eine Expedition vor einigen Jahren, als IZss Abessimsche Kriegsbilder. ich Konsul Cameron binden ließ, gescheitert fein würde; deshalb haben sie gewartet, bis ich sehr schwach geworden bin," — „Ihre Majestät," sagte NaS Gngcda, „wir fürchten uus nicht, denn bei Ihrem Gott und bei Ihrem Glück! wir werden den Sieg über die Engländer davontragen." — „Mein Freund," erwiederte der König, „wenn Wir Gott nicht anf unserer Seite haben, und wenn Er nicht für uns streitet, so sind wir verloren. Denn Macht, Kunst nnd Wissenschaft hat Gott jenen allein gegeben". Aber der König konnte kein rechtes lebendiges Vertrauen auf Gott und seine Hilfe gewinnen; die Ungerechtigkeiten nnd das viele unschuldig vergossene Blut, wodurch er so unsäglichen Jammer über das Land gebracht hatte, ließen keinen Glanben in seinem Herzen aufkommen. Sein Benehmen verriet ein Gemisch von Verzagtheit, Stolz und Zorn. Nnstät begab er sich bald da-, bald dorthin, setzte sich wieder einen Augenblick anf einen Stein, schaute durch sein Fernrohr stieß Verwunderungen und Drohungen ans und führte immer Gott im Muude, Von dem er doch im Herzen sich verlassen fühlte. Auf einmal sah er die englischen Truppen eine Schlucht heraufkommen. Er fragte mich, ob die Engländer wohl hente noch den Krieg eröffnen würden, „Ich denke nicht," sagte ich, „denn es ist Charfreitag, Übrigens weiß ich nicht, was sie thun werden, denn ich bin kein Soldat." Saalmüller nnd ich mnßtcn ihn nach der Vorfestung Fala begleiten, während Flad nnd die Übrigen mit der Anfrichtnng des umgeworfenen Wagens zu thun hatteu. Unterwegs gab uns der König noch den leidigen Trost, daß wir nns nicht zu fürchtcu brauchten, indem wir ja mit ihm sterben würden. In Fala angekommen, setzte er sich wieder auf einen Stein und schaute durch das Fernrohr hinunter auf die englifchcn Trnppcn, welche schon ziemlich nähergerückt waren. „Ja, ja," sagte er, „hellte haben wir Krieg," schwang sich dann, ohne den Steigbügel zu berühren, aufs Pferd, ritt im Galopp vor den ungeregelten Linien seiner Krieger auf und ab nnd rief ihnen zn: „Fürchtet ench nicht vor denen, die dort unten gekommen sind; sie sind schwache Menschen, wie wir, nnd können ohne Gottes Willen nichts thuu; freut euch, sie haben euch Tribut, sie haben euch Mittagessen gebracht; alles, was sie gebracht, Gold und Silber, Kanonen nnd Flinten u. s. w. ist euer. O Übermut, o Übermut der Engländer! Der Diener einer Fran soil nach Äthiopien kommen, um mit einem König daselbst zu streiteu. Heute ist der Tag, an dem die Äthiopier mit den Engländern kämpfen, Abessinische Kriegsbildei,-. 1I7 und sagt mir, ich sei ein Weib, ein Mohammedaner, wenn ich nicht heute noch durch Gottes Kraft den Sieg über sie feiern darf." Nachdem der König so den Mut feines Heeres anzufeuern ge« sncht hatte, stieg er vom Pferde, fetzte sich anf der westlichen Seite dun Fala nnd befahl seinen abeffinischen Artilleristen, die Kanonen zu laden. Einer lud eine große Kanone, einen Fünfnnddreißig-pfünder, und als er damit fertig war, sprang er zu eiuer andern. Gin Zweiter kam nnn hinzu, nnd ohne es zu wisseu und es zu merken, daß die Kanone fchon geladen sei, lnd er sie nochmals. Wir standen ganz nahe dabei nnd wollten den König daranf aufmerksam machen, aber in dem allgemeinen Getümmel fanden wir keine Gelegenheit und mußten das Geschütz und die gefährliche Doppelladung ihren: Schicksal überlassen. Die Engländer unten ihm Thale ordneten ihre wenigen Truppen, dachten aber an keinen Angriff. Nnn kamen die Generale und Offiziere des Königs und sagten ihm: „Ihre Majestät, wir dürfen den Engländern keine Zeit lassen, sich zn sammeln nnd zu ordnen; jetzt müssen wir hinuntergehen nnd sie überfallen." — „Überlassen sie die Sache mir," sagte der Fitaurari Gebrie. Der König wollte anfangs nicht einwilligen, gab aber zuletzt den Bitten feiner Leute nach nnd ließ sie mit den Worten ziehen: „Gut, geht hinunter, Gott stehe cnch bei nnd vergebe euch eure Sünden," und nnn ging es mit fnrchtoarem Lärm den Berg hinunter. Der König selbst blieb zurück und kommandierte, obwohl anf höchst mangelhafte Art, feine hoffnungsvolle Artillerie. Die doppelt geladene Kanone wnrde zur Eröffnung der Schlacht auf Befehl des Köuigs losgeschossen. Ein fnrchtbarer Knall, und Kanone, Räder und Lafette lagen in Stücken neben uns am Boden. Das war der erste verhängnisvolle Schuß. Die anderen Kanonen, etwa zwölf an der Zahl, wnrden schnell hintereinander abgefeuert, Eiu entsetzliches Durcheinander entstand: der eine der Artilleristen hatte keine Kugeln, der andere kein Pulver mehr, der dritte hatte die Lnntc verloren, der vierte hatte in der Eile zuerst die Kugel und dann das Pulver in den Lauf gefchoben und konnte nun den Schnß nicht mehr her-ansbringen. Die übrigen schössen gerade wie es kam, und dachten, wenn es nur recht lustig knalle, so werden die Engländer schon Angst bekommen. Nach zweistündiger Kanonade hatten die Abessinicr mit etwa Wl> Schüffen noch keinen einzigen Mann getötet. Unten im Thale hörte man indes ein lebhaftes Gcwchrfeuer. Etwa 7000 138 Abesswische Kricgöbildcr. Abefsinier waren gegen 790 Mann englischer Truppen im Kampf begriffen. Das Gros der Armee war noch nicht angekommen, sondern noch im Anmarsch begriffen und jenseits des Befchelo. Jene Siebenhundert, die Pioniere aus dem Pundjab, nnter Major Chamberlain, ließen die Abefsinier so nahe als möglich herankommen und empfingen sie dann mit einem fo mörderischen Fcner aus ihren Snider Rifles (Hintcrladnngsgewehren), daß sie, ohne zum Handgemenge zu kommen, es bald für geraten fanden, das Hasenpanier zu ergreifen. Die Flüchtlinge versteckten fich teils auf dem Begräbnis-Platz der Mohammedaner, wo viele Vänme und Gestrüpp vorhanden waren, teils in Felsenritzen und Schluchten, teils in ausgetrocknete Flußbette. Aus diesen Schlupfwinkeln heraus feuerten sie auf die Engländer, bis diese, die indes auch Verstärkung durch Artillerie bekommen hatten, sie mit Raketen, Kanonen- und Flintenkugcln so versorgten, daß sie an keinen weitern Widerstand mehr denken konnten. Oben in Fala, wo wir mit dem König waren, fingen viele an, Siegeslicder zu singen. Die Artilleristen besonders waren ganz enthusiastisch und wähnten, den Sieg errungen zu haben, während sie doch nicht einen Mann getroffen hatten. Wir dagegen hatten schon gesehen, daß die Sache für die Abefsinier fchief gegangen war. Anf einmal sausten englische Raketen und Kauoueukngelu zwischen und über uns hin, nnd töteten hinter nns auf dem Berge Leute, welche am allcrficherften Orte zu sein geglaubt hatteu. Vor diesem unheimlichen Vcsnch hatten wir Respekt und suchten uns zu ver-stcckcu, so gut wir konnten. Auch die abcssiuischen Artilleristen, auf welcheu eigentlich die meiste Siegeshoffnung bernht hatte, fingen an, ihre harmlosen Geschütze zu verlassen uud sich unter dieselben zu verkriechen, und der Kanonendonner verstummte. Ein kalter Regen kam noch dazn, nnd diejenigen, welche Sicgeslicdcr gesungen hatten, hüllten sich in ihre Kleider ein und kauerten schweigend am Boden. Auch der König schwieg uud schaute finster drein, denn er wußte wohl, daß alle Sicgeshoffnung dahin war. Zwischen den traurigeu und schwarzen Regenwolken blickte auf einmal noch die goldene Abendsonne hervor, uud wehmütig, aber doch tröstend war uns ihr Abschied anf einen schönen Anferftchnugsmorgen. Die Nacht brach herein und gebot allenthalben Ruhe uud Stille; unten im Thal, wo das eigentliche Gefecht stattgefunden hatte, hörte man noch vereinzelte Flintcnfchüfse, und hier und da fuhr eiue Rakete wie ein Blitz über die Bergklüfte von Arogie hin. Abeffinische Kriegsbilder. 139 Am folgenden Tage sandte der König Boten zu Lord Napier, um über den Friedensschluß zu verhandeln. Während ihrer Abwesenheit beobachtete er mit feinem Fernrohre das englische Lager nnd verwunderte sich besonders über die gezähmten Elefanten. „Hier in Abessinicn", sagte er, „wollen nicht einmal die Menschen sich unterrichten nnd bilden lassen. Habe ich nicht schon oft gesagt, das; ich lieber ein gewöhnlicher Arbeiter in Europa wäre, als hier in Abcs-sinien König? Kott thue uach seiuem Willen; wir müssen ja doch alle sterben, bevor unsere Wünsche erfüllt find." Als von Lord Napier ein Brief eintraf, welcher die Tapferkeit des Königs rühmte und ihm eine ehrenvolle Behandlung im Falle der Unterwerfung unter die Befehle und den Willen der Königin von England zusicherte, sah er darin eine Beleidigung und saudte eiueu fürchterlichen Schmähbrief an den englischen Oderbefehlshaber. Als die Boten fort waren, saß der König still am Boden, stand dann plötzlich auf, fing au zu beten, machte das Zeichen des Krenzes auf Gesicht und Brust, zog dann die Pistole nnd richtete die Mnn-dnng in seinen Muud; einer seiner Großen ris; die Hand weg, so daß der Schuß au dem Ohre des Königs vorbeifuhr. Aber nun wandte sich die Wnt der Messinier gegen die Missionare, die mit den übrigen auweseuden Europäern niedergemetzelt worden wären, wenn der wieder rnhig gewordene König sie nicht beschuht hätte. Er schenkte allen Europäern, 48 an der Zahl, die Freiheit und schickte sie herunter in das englische Lager. Tags darauf ergab sich der größte Teil des abessinischm Heeres den Engländern und ließ den König in Magdala allein. Nur 12 Manu blieben ihm treu. Am Ostermontag bombardierten die Engländer deu Berg und fchritten dann zum Sturme. Der Köuig staud oben auf dem Berg hinter dem zweiten nnd letzten Thor, das den Zngang zur Festung bildet, und übersah das gauze Schauspiel. AIs er nuu sah, daß die Engländer bereits das erste, weiter unteu liegende Thor passiert hatten, gab er alle Hoffnung anf. Sein Waffenträger sagte ihm: „Ihre Majestät, wir wollen hier uufere Waffen strecken und uns ergeben." Er aber erwiederte: „Du weiß nicht, was David von I-Naschid. Tennyson. In meine Reisen auf dem äthiopischen Nil verwebte sich cm romantischer Faden, der bei der orientalischen Stimmung, die mir nun eigen geworden war, zur Verschönerung der Reise wesentlich beitrug. Meine Abendmiterhaltuna.cn waren besser als die arabischen. Es war Vollmond, und wiewohl den Tag über ein leichter Nordwind meine Segel füllte, so trat doch regelmäßig mit Sonnenuntergang Windstille ein uud dauerte zwei oder drei Stunden. Den Nachmittag über lag ich auf dem Verdeck auf meinem Teppich ausgestreckt und blickte durch halbgeschlossene Augen auf den fchimmernden Fluß und feine Ufer. Das westliche Gestade war eine lange paradiesische Laube — so grün, fu glänzend, so voll des tiefdunkeln kühlen Laubes majestätischer Sykomoreu und endloser Palmengrnppen. Ich hatte fo schöne Palmen nicht mehr gesehen, seit ich Minyeh in Untcrä'gypten verließ. Dort waren sie schlanker, hatten aber nicht den außerordentlichen Reichtum und die Herrlichkeit dieser Palmen. Die Sonne schien heiß an dem wolkenlosen blauen Himmel; die Luft war von einer glasigen brennenden Klarheit, wie die, welche in dem innersten Feuerherden wohnt. Die Farben der Landschaft waren wie auf Gold emailliert, fo dunkel, so glühend in ihrer bezaubernden Tiefe und ihrem Glänze. Wenn sich endlich der Wind legte, mit Ansnahme einer Brife, die grade stark genng war, um den süßen Geruch aus den purpurnen Bohncnblütcn zu locken, und die Sonne in ein Bett von blaßorangem Lichte uicderftieg, dann kam auf der andern Seite des Himmels der Mond herauf, eine breite Scheibe von gelbem Feuer, und überbrückte den dnrchsichtigen Nil mit seinen Strahlen. Bei solchen Gelegenheiten suchte ich mir einen anmutigen Ort am westlichen Nfer des Flnsses aus, wo die Palmen am höchsten Äthiopische Bilder. 141 und am dicksten zusammenstanden und ließ das Boot am Nser vor Anker gehen. Achmct breitete dann meinen Teppich aus und legte meine Kissen ans das abhängige Gestade von weißem Sand an den Fuß der Bänme, wo ich im Liegen die fedrigen Blätter hoch über meinem Haupte sehen und zu gleicher Zeit die breite Bahn des Mondes betrachten konnte, wie er sich jenseits des Nils erhob. Der Sand war so fein und weich, wie ein Daunenbett und hatte eine angenehme Wärme von der Sonne, die den ganzen Tag darauf geschienen hatte. Da wir selten bei einem Dorfe Halt machten, so störte kein Ton die balsamische Nuhe der Scene, außer dann und wann das Heulen eines Schakals, der längs des Wüstenraudcs umhcr-streifte. Achmct faß mit gekreuzten Beinen neben mir in: Sande, und Ali, der bei solchen Gelegenheiten meine Pfeife in besonderer Obhut hatte, saß zu mciuen Füßen, um dieselbe zu füllen, so oft es nötig war. Meine Bootsleute zündeten, nachdem sie trockene Palmblätter und die harzigen Äste der Mimose gesammelt, neben einem benachbarten Dukhnfelde ein Feuer an, und ringsumher gelagert rauchten sie und schwatzten leise, um durch ihre Unterhaltung nicht meine Betrachtungen zn stören. Ihre weißen Turbane und mageren Gesichter wurden durch das rote Licht des Feuers stark hervorgehoben und vollendeten die Naturwahrheit eines Gemäldes, welches schöner war als Träume. Am ersten diefer Abende, uachdem meine Pfeife zum dritten Male gefüllt worden war, redete Achmet, da er fand, daß ich keine Neigung zeigte, das Schweigen zu brechen, und ganz richtig urteilte, daß ich eher hören als sprechen würde, mich au, wie folgt: „Herr," sagte er, „ich weih viele Geschichten, wie sie die Märchenerzähler in den Kaffeehäusern von Kairo erzählen, welche Sie unterhalteud finden werden, wie ich denke". „Vortrefflich," sagte ich, „nichts wird mir besser gefallen, vorausgesetzt, daß du sie arabisch erzählst. Dies Wird uns beiden angenehmer fein, und so oft ich deine Worte nicht verstehen kann, werde ich dich unterbrechen, und bn wirft mir sie, so gut du kannst, englisch erklären." Er begann sofort, und fo lange diese abendlichen Windstillen dauerten, glaubte ich, die Märchen von Tauseud und eiue Nacht in natürlicher Weise zu erleben. Tort in meiner afrikanischen Stimmung schienen mir die wunderbarsten Einzelnhcitcn ganz natürlich uud wirklich, und ich fand an diesen Blüten nwrgenländischer Romantik einen mir bisher unbekannten Geschmack. Nach meinem nculichcn Empfange 142 Äthiopische Bilder. als König der Franken in dcr Hauptstadt Berber war es mir nicht schwer, mich als Schahriar, den Sultan von Indien, zu denken, besonders da der Mond mir mcinen beturbanten Schatten im Sande Zeigte. Die Geschichten hatten Ähnlichkeit mit denen des arabischen Märchens, indem sie bisweilen von einem Tage zum andern fortgesetzt wurden. Eine derselben war völlig „Gancm, der Sklave der Liebe", aber wie sie Achmct erzählte, unterschied sie sich ein wenig von dcr bekannten Lesart. Die Hanptgeschichtc indes war mir neu, und da ich nicht weih, daß sie jemals übersetzt worden wäre, so bitte ich um (Entschuldigung, daß ich sie erzähle wie sie mir erzählt wnrdc, und daß ich mir die Freiheit nehme, meine Worte an die Stelle von Achmets Mischung von Arabisch und Englisch zu setzen. „Sie wissen bereits, Herr," begann Achmet, „daß vor vielen hundert Jahren alles Volk des Islams von einem Kalifen beherrscht wurde, dessen Hauptstadt Bagdad war, und ich zweifle nicht, daß Sie von dem großen Harun-al-Raschid gehört haben, der in der That nicht nur der weiseste Mann seiner Zeit, sondern der Weiseste überhaupt war, deu man seit den Tagen uuseres Propheten Mohammed, dessen Name gepriesen sei, gekannt hat. Es kommt selten vor, daß ein weiser und großer Mann ein Weib findet, dessen Weisheit der seinigcu gleichkommt; denn wie der weisen Männer, die Allah auf die Erde sendet, wenige sind, so giebt es der weisen Frauen noch weniger. Aber hierin war der Kalif vom Himmel begünstigt. Seit den Tagen der Königin Ballis von Scheba, die selbst dcr Prophet Salomo ehren mußte, gab es kein Weib, das an Tugend oder Weisheit der Sultanin Zubcydeh (Zobcide) gleichkam. Der Kalif unterließ es nie, sie bei wichtigen Angelegenheiten zu Rate zu ziehen, und ihre Klngheit und ihr Verstand vereinigten sich mit dem scinigen in der Negierung seines großen Reiches, wie die Sonne uud der Moud zuweilen znr selben Zeit am Himmel scheinen. Aber denkt nicht, daß Harun-al-Raschid und die Sultanin Zu-beydeh ohne Fehler waren. Niemand als die Propheten Gottes — ihre Namen seien gepriesen ewiglich! — war immer völlig gerecht, klug und weise, der Kalif war eifersüchtig nnd mißtrauisch, was ihn häufig zu Handlungen veranlaßte, die ihn nachher von der bit- ' tern Frucht der Reue zu essen nötigten; und Zubeydch hatte bei all ihrer Weisheit eine spitze Zunge im Kopfe und war oft so wenig Äthiopische Vllder. 143 vorsichtig, daß sie Dinge sagte, die ihr das Mißvergnügen dcs Beherrschers der Gläubigen zuzogen. Eines schönen Tages saßen sie beide an einem Fenster dcs Harems, welches eine der Straßen von Bagdad überschaute. Der Kalif war übler Laune, denn eine schöne georgische Sklavin, die ihm sein VeZicr vor kurzem gebracht hatte, war aus dem Harem verschwunden, und er sah darin das Wert Zubeydehs, die auf eine Nebenbuhlerin ihrer Schönheit immer eifersüchtig war. Während sie nun da saßen und auf die Straße hinabblickten, kam ein armer Holzhauer mit einem Reisigbündel auf dein Kopfe des Weges. Er war magern Körpers vor großer Armut, uud seine ganze Kleidung bestand in eitlem zerlnmptcn Schurze, den er um den Leib trug. Aber das Wunderbarste war, daß, als er durch den Wald gegangen, wo er sein Bündel gesammelt, eine Schlange ihn an der Ferse gepackt hatte, aber seine Füße waren von den Strapazen so abgehärtet, daß sie den Hufen eines Kamels glichen, und er fühlte weder die Zähne der Schlange, noch wnßte er, daß er sie immer noch nach sich zog, indem er seines Weges ging. Der Kalif wuuderte sich, als er dies sah, aber Zubeydeh rief aus: „Sieh, o Beherrscher der Gläubigen, dort ist des Maunes Weib!" „Wie," rief Harun jähzornig aus, „ist das Weib also eine Schlange dcs Mannes, die ihn sticht, trotzdem daß er es nicht fühlt? Du Schlange, weil dn mich gestochen hast, und weil du über die ehrliche Armut dieses Menschen gespottet hast, sollst dn die Stelle der Schlange einnehmen." Zubeydeh erwiederte nicht ein Wort, denn sie wußte, daß Sprechen nur den Zorn des Kalifen vergrößern würde. Harun klatschte dreimal in die Hände, und gleich erschien Mesrur, sein oberster Eunuch, „Hier, Mesrur," sagte er, „nimm dieses Weib mit dir, gehe jenem Holzhauer nach und gieb sie ihm zum Weibe; der Kalif hat befohlen, daß er sie nehme." Mesrur legte seine Hände auf die Brust und beugte sein Haupt zum Zeichen des Gehorsams; dann winkte er Znbeydeh, die aufstand, sich mit einem Schleier und einem Feridschi bedeckte, wie sie die Frauen der Armen tragen, nnd folgte ihm. Als sie den Holzhauer eingeholt, verkündete ihm Mesrur die Botschaft des Kalifen und übergab ihm die verschleierte Zubeydeh. „Es ist kein Gott als Gott!" sagte der arme Mann; „aber wie kann ich ein Weib ernähren, ich, der ich von meiner Hände Arbeit kaum allein leben kann?" „Wagst du, dem Beherrscher der Gläubigen den Gehorsam zu verweigern?" 144 Äthiopische Bilder. sagte Mesrur iu so wildem Tune, daß der Manu vom Kopf bis zu den Füßeu zitterte; aber Zubeydeh sprach zum ersten Male und sagte: „Nimm mich mit dir, o Manu, da es des Kalifen Wille ist; ich will dir treulich dicucn und vielleicht wird dir die Last der Armut durch mich erleichtert wcrdcu." Der Mann gehorchte hierauf uud sie giugcu miteinander nach seinem Hause, welches in einem entlegenen Teile der Stadt lag. Es hatte nur zwei elende Zimmer und ein Dach, welches vor Alter einzufallen begann. Nachdem der Holzhauer sein Bündel abgeworfen, ging er auf den Vazar, kaufte etwas Reis uud eiu wenig Salz nnd brachte einen Krng mit Wasser vom Brunnen. Tics war alles, was er zu bieteu hatte, und Zubcydch, die iuzwischcu ein Feuer angezündet hatte, kochte den Ncis nnd fetzte ihm denselben vor. Als er aber begehrte, daß sie ihren Schleier heben sollte, da lehnte sie es ab uud sagte: „Ich habe versprochen, die Last deiner Armnt nicht vermchreu zu wolleu. Versprich du mir dagegen, daß du niemals dieses Gesicht zn sehen, noch dieses Zimmer, welches ich zu meiner Wohnnng erwählt habe, zu betreten suchen willst. Ich bin nicht ohne Kenutnis, u Manu, uud wcuu du meine Wünsche beachten willst, wird es gut für dich seiu." Der Holzhauer, dem es von Natnr nicht an Verstand fehlte, ersah ans den Worten Zubcydehs, daß sie eiu vornehmes Weib sei, uud da er dachte, daß er uicht besser thun könnte, als wenn er ihrem Rate folgte, so versprach er sogleich alles, was sie wünschte. Sie erklärte dann, daß, da sie die Wirtschaft besorgen wolle, er ihr jeden Abend alles Geld geben müsse, das er den Tag über für sein Holz erhalte. Der Mann willigte auch darein uud brachte eiue Handvoll Kupfermünzen heraus, die zusammen nur einen Piaster ausmachen — aber Sie müssen wissen, Herr, daß ein Piaster iu den Tagcu Haruu-al-Raschidö vier- oder fünfmal so viel war, wie heutiges Tages. So lebten sie mehrere Wochen miteinander, der Hulzhauer ging alle Tage in den Wald nnd zählte alle Abende seinen Verdienst in die Hände Zubcydehö, die sein elendes Haus rein und behaglich hielt, nnd sein Essen bereitete. Sie wußte so sparsam hauszuhalten, daß sie im stände war, von dem Piaster, den er ihr gab, zwei Paraö zn sparen. AIs sie auf dicfe Weise 20 Piaster gesammelt, gab sie dieselben dem Holzhauer und sagte: „Gehe nuu auf den Markt uud kaufe dir für dieses Geld cineu Esel. Auf diese Art kannst du dreimal soviel Holz nach Hause bringen als Äthiopische Bilder. 145 bisher, und der Esel kann von dcm Grase leben, welches er im Walde findet und welches dich nichts kostet." - „Bei Allah," rief der Holzhancr aus, „du bist ein wunderbares Weib und ich will dir in allein ssehorchen." Er that sofort, wie Zubeydeh befohlen, und war nun alle Abende im stände, ihr drei oder liier Piaster zu geben. Sie besorgte ihm anständigere Kleidung und that Butter an seinen Reis-Pillaf, beobachtete aber immer noch cine so strenge Sparsamkeit, daß er in knrzcr Zeit drei Esel statt des einen besaß, und einen Manu dingen mußte, der ihm beim Holzhauen half. Eines Abends, als die Esel mit ihrer Ladnng nach Hause kamen, bemerkte Zubeydeh, daß das Holz einen angenehmen Duft uon sich gab, wie Moschus oder grauer Ambra; und als sic eg näher untersuchte, fand sie, daß cs etwas höchst kostbares war. nämlich Holz von einem der Ge-würzbäume, welche an der Stelle hervorsproßten, wo die Thränen Adams ans die Erdc gefallen waren, als er seine Vertreibuug aus dem Paradiese beweinte. Denn damals waren noch die Säfte von den Früchten des Paradieses in seinem Körper und feine Thränen waren von ihnen gewürzt — was dic Ursache von all den Gewürzen war, die in don Ländern Serendib und Indien wachfen. Zubcydch fragte den Holzhauer: „An wen verkaufst du dies Holz?" und aus seiner Antwort erfuhr sie. daß einige jüdische Kanflcnte es kauften, die ihm nicht mehr dafür gäben, als für das gewöhnliche Holz. womit fie seinen Nciö kochte. „Die verwünschten Juden!" rief sie aus; „gehe sogleich zu ihncu und drohe, sie bei dem Kadi des Betruges eines Gläubigen anzuklagen, wenn sie sich nicht dazu verstehen, dir für diefcö Holz hinfort zwölfmal so viel zu bezahlen, als sie dir bisher bezahlt haben." Der Mann säumte nicht, die jüdischen Kaufleute zu besuchen, die, als sie sahen, daß ihr Betrug entdeckt sei, sehr unruhig waren und sich auf der Stelle dazu verstanden, ihm alles zn bezahlen, was er verlangte. Der Holzhauer brachte nun alle Abende drei Esel-laduugcn des kostbaren Holzes und zahlte Zubcydeh ein- bis zweihundert Piaster. Sie war bald im stände, ein besseres Haus zu kaufen, wo sie dem Manne nicht nnr bessere Nahrung gab, sondern auch uach einem Lehrer schickte, der ihn im Lesen und Schreiben uuterrichten sollte. Er hatte sich iuzwischen iu seinem Äußern so gebessert, und hatte sich die weisen Unterhaltungen Zubcydchs so zu nutze gemacht, daß er cm ganz anderer war, uud diejenigen, die ihn Baumgarten, Afrika. 10 146 Äthiopische Bilder. in seiner Armut gekannt hatten, ihn nicht wieder erkannten. Ans diesem Grnnde war der Kalif, der seinen Zorn gegen Znbeydeh bald bereute nnd alles Mögliche that, sie wieder zu erlangen, anßer stände, eine Spur von ihr gn finden. Mesrnr snchte Tag nnd Nacht anf den Straßen von Bagdad, aber da Zubcydeh nie des Holzhauers Haus verließ, so war all sein Suchen vergebens, uud der Kalif war wie wahnsinnig. Eines Tages, als der Holzhauer auf dem Wege nach dem Walde war, begegneten ihm drei Leute, die seine Esel für den Tag mieten wollten. „Aber", sagte er, „ich verdiene meinen Lebensnnterhalt mit dem Holz, das die Esel nach der Stadt bringen". „Welchen Gewinn hat dn von jeder Ladung?" fragte einer der Männer. „Wenn es eine gnte Ladung ist, verdiene ich oft 50 Piaster," antwortete der Holzhaner. „Nnn," erwiederten die Männer, „wir wollen dir 200 Piaster als Miete für jeden Esel anf den Tag geben". Der Holz-haner, der ein so außerordentliches Anerbieten nicht erwartet hatte, stand im Begriff, es anznnehmen, als er bedachte, daß er in allen Dingen dem Nate Zubcydehs gehorcht habe nnd einen solchen Schritt nicht ohne ihre Einwilligung thnn dürfe. Er bat daher die Männer, zu warten, während er nach Hanse zurückkehrte uud feine Frau zu Rate zog. „Ihr habt Recht gehandelt, Herr," sagte Zubcydch; „ich lobe eure Klugheit uud bin ganz damit einverstanden, daß ihr das Anerbieten der Männer annehmt, da ihr von dem Gelde andere Esel kaufen nnd euch für den Verlust des eintägigen Gewinnes bezahlt machen könnt, wenn die Männer nicht zurücklehren sollten." Die drei Männer waren drei berüchtigte Räuber, die einen un-gehcnren Schatz aufgehäuft hatteu, deu sie in einer Höhle in einem der benachbarten Berge verborgen hielten. Sie mieteten die Esel, um diesen Schatz in eine Barke zu bringen, in der sie sich nach Bas-sora verdungen hatten, wo sie sich als reiche fremde Kanflente niederlassen wollten. Aber Allah, der alles leitet, läßt die Entwürfe der Gottlosen glücken, bloß damit er sie zuletzt in desto größeres Verderben stürzen kann. Die Ränber begaben sich nach ihrer geheimen Höhle mit den Eseln nnd bcluden dieselben mit all ihrem Naube — großeu Säcken voll Gold, Nubincu, Diamanten und Smaragden, welche zu tragen die Tiere kaun, stark genug waren. Äuf dem Wege nach dem Flusse unterhalb Bagdad, wo das Boot ihrer wartete, blieben Zwei von ihnen an cincm Brunnen stehen, nm zn trinken, während der dritte mit den Eseln weiter ging. Ta sagte einer von Äthiopische Bilder. 147 den zwei zu dem andern: „Laß uns unsern Kameraden töten, damit wir einen grüßern Schatz haben." Dieser stimmte sogleich bei, und kaum hatten sie den dritten Räuber eingeholt, als der erste mit einem Streiche seines Säbels ihm den Kopf vom Nnmpfe hieb. Die Beiden gingen dann eine kurze Strecke miteinander. Da sagte der Mörder: „Ich muß mehr als die Hälfte des Schatzes haben, weil ich unsern Kameraden tötete." „Wenn du damit anfängst, mehr als die Hälfte in Anspruch zu nehmen, dann wirst du schließlich das Ganze haben wollen," sagte der andere Räuber, welcher uicht darauf eingehen wollte. Da gingen sie mit ihren Schwertern auf einander los, und nachdem sie eine Zeit lang gefochten, hatten sie beide so viel Wnndcn empfangen, daß sie tot auf die Straße niederfielen. AIs die drei Esel fanden, daß niemand sie mehr trieb, schlngen sie aus Gewohnheit den Weg nach des Holzhauers Haufe ein, wo sie mit dem Schatze auf dem Nucken glücklich anlangten. Groß war daö Erstannen ihres Herrn, der auf Zubeydchs Befehl die fchweren Säcke in das Haus schaffte, AIs er aber einen derselben öffnete und der Glanz der Juwelen das ganze Zimmer erfüllte, rief Zubeydeh aus: „Gott ist groß! Nuu sehe ich, daß mein Benehmen ihm angenehm ist uud daß sciue Hand meine Absicht rasch zum Ziele führt." T)a sie aber nicht wußte, was den Räubern zugestoßen war, und da sie dachte, daß der Eigentümer des Schatzes seinen Verlust iu den Bazars verkündigen lassen würde, so beschloß sie, die Säcke einen Monat lang nncröffnct zn lafsen, worauf sie nach dem Gesetze ihr Eigentum wurden, wenn sie nicht inzwischen zurückverlangt worden waren. Natürlich erfolgte kein Ansrnf des Nerlnstes, nnd nach Ablauf des Monats war sie der Ansicht, dah sie volles Recht auf den Schatz habe, der nach ihrem Anfchlage selbst größer war, als der des Kalifen Harun-al-Raschid. Sie befahl dem Holzhauer, ihr sogleich den berühmtesten Baumeister von Bagdad zn senden, von dem sie gerade dem Palaste des Kalifen gegenüber einen andern Palast bauen ließ, der an Klanz alleS übcrtreffeu sollte, was man jemals gesehen, Zmn Ankanf der Baumaterialien und zur Auszahlung der Arbeiter gab sie ihm U)()0N0 Goldstücke. „Wenn die Leute fragen," sagte sie, „für wen ihr den Palast baut, so sagt ihnen, für den Sohn eines fremden Königs". Der Baumeister dingte alle Arbeiter in Bagdad und folgte ihren Anordnungen so gut, daß in zwei Monaten der Palast vollendet war. Seinesgleichen war nie gesehen worden nnd der 10" 148 Äthiopische Bilder. Palast des Kalifen verschwand vor seiner Pracht, wie dag Antlitz des Mondes verschwindet, wenn die Sonne sich über den Horizont erhoben hat. Die Mauern waren von Marmor, weiß wie Schnee, die Thore von Elfenbein mit Perlen eingelegt; die Kuppeln vergoldet, so daß, wenn die Sonne schien, das Auge sie nicht anblicken konnte; nnd ans einem großen silbernen Springbrunnen im Hofe sprang ein Strahl roscnfarbigen Wassers, welches einen angenehmen Dnft verbreitete, in die Luft. Von diesem Palaste konnte man mit den Worten des Dichters sprechen: „Er gleicht wahrhaft dem Paradiese; oder ist es das verlorene Haus von Ircm, das von den Schätzen des Königs Scheddad gebaut winde? Möge Freundlichkeit wohnen auf den Lippen des Herrn dieses Palastes und Mitleid eine Zufluchtsstätte in seinem Herzen finden, damit er für würdig gehalten werde, solchen Glanz zn genießen!" Während der Palast gebaut wurde, ließ Zubeydeh den Holzhauer von den besten Lehrern in allein unterrichten, was seine gegenwärtige Stellung von ihm verlangte. In kurzer Zeit war er ein wahres Muster von Artigkeit; seine Worte waren gewählt und er sprach mit Würde und Austand, nnd sein Venchmcn war das eines Mannes, der nicht zum Gehorchen, sondern znm Befehlen geboren ist. Als er ihren Wünschen vollkommen entsprach, sing sie an, ihm Schach spielen zu lehren, und brachte mehrere Stunden täglich damit zu, bis er endlich ebenso gut wie sie spielte. Inzwischen war der Palast fertig geworden, und nachdem sie Pferde uud Sklaven und alles Nötige für ciueu fürstlichen Haushalt gekauft, bezogen Zubeydeh und der Holzhauer denselben bei Nacht, um nicht von dem Kalifen bemerkt zu werden. Zubeydeh bat den Holzhauer, sich an das Versprechen zu erinnern, das er ihr gegeben. Sie behielt ihre besonderen Gemächer nebst einer Anzahl von Sklavinnen zn ihrer Bedicnuug, und schenkte ihm, da ein Harem sich für einen Fürsten ziemt, 20 Circassierinnen, deren jede schöner war, als der Morgenstern. Am nächsten Morgen ließ sie den Holzhauer rufen nnd redete ihn folgendermaßen an: „Ihr seht, Herr, was ich für ench gethan habe. Ihr erinnert euch, in welchem Elende ich ench fand, und wie sich alles verändert hat, indem ihr meinem Nate gefolgt seid. Ich beabsichtige, ench noch höher zu erheben, und damit meine Pläne nicht vereitelt werden, bitte ich euch nun, mir zu versprechen, daß ihr mir auf einen Monat von heute ab in allen Dingen gehorchen Äthiopische Bilder. 149 WM." Zubeydeh stellte diese Forderung, denn sie wußte, wie rasch ein Glückswechscl den Charakter des Menschen verändern kann und wie bald er als ein Recht betrachtet, was Allah ihm als Gnade gewährte. Aber der Holzhauer warf sich ihr zu Füßen und sagte: „O Königin, ihr dürft nur befehlen und ich muß gehorchen. Ihr habt mir Weisheit und Verstand gelehrt, ihr habt mir königlichen Reichtum gegeben, und Allah vergesse mich, wenn ich cö vergesse, euch dagegen Dankbarkeit und Gehorsam zu zollen." — „So geht denn," fuhr Zubeydeh fort, „besteigt dieses Pferd und besucht, von 2>» Sklaven zu Pferde begleitet, das Kaffeehaus auf dem großen Bazar. Nehmt eine Börse von ."000 Goldstücken mit euch und unterwegs streut gelegentlich eine Handvoll uuter die Bettler. Setzt euch in das Kaffeehaus, wo ihr des Veziers Sohn finden werdet, der ein geschickter Schachspieler ist. Er wird die Lcntc herausfordern, mit ihm zu spielen, und wenn niemand es annimmt, spielt mit ihm um 1000 Goldstücke. Ihr werdet gewinnen, aber bezahlt ihm die 1000 Goldstücke, als wenn ihr verloren hättet, gebt 200 (Goldstücke dem Herrn des Hauses, verteilt 300 Goldstücke unter die Dienerschaft und streut den Rest unter die Bettler aus". Der Holzhauer that alles, was Zubcydeh befohlen. Er uahm die Herausforderung des Vezierssohncs an, gewann das Spiel, bezahlte ihm aber 1000 Goldstücke, als wenn er verloren hätte, und ritt dann zurück nach dem Palaste, von den Beifallsrufen der Menge gefolgt, die laut das Lob seiner Schönheit, die Artigkeit seiner Rede, seine unbegrenzte Freigebigkeit und den Glanz seines Gefolges pries. Alle Tage besuchte er das Kaffeehaus, gab 200 Goldstücke dem Herru, 200 der Dienerschaft nnd verteilte l) Fuß über dem Spiegel des Flnsses, schweift der Blick über ein wogendes Meer kastenförmig gebauter Häuser und Moschceen, deren zierliche Minarets mit dem Halbmond auf der Spitze in zahlloser Menge wie Krystalluadeln in die Höhe schießen, 156 Scenen aus dem Volksleben in Ägypten, Während zahllose Molkofs odcr offene Lnftgänge, welche den frischen Nordwind in die Wohnungen dcr Menschen hineinlciten, wie Souffleurkasten ans den platten Dächern dcr Hänser in gemeinsamer Richtnng nach Norden schanen. Von hohen Mancrn eingeschlossen, ragen hier die nickenden Häupter schlanker Palmeu nnd dickbelanbtc, schattige Sykomoren, an deren Fnße der Büffel mit verbundenem Angenpaar Jahr ans, Jahr ein das knarrende Wasserrad dreht, ans den lnstigcn Anlagen eines großen Gartens hervor, in dessen Gängen, wohl bewacht nnd behütet, die Franen eines Paschas lustwandeln. Indem wir dort an den weißgctünchten Gräbern und ihren anfrecht stehenden Leichensteinen zwischen Zypressen und Aloi^-pflanzen einen Ort dcr ewigen Nnhe für dahingeschiedene Muslin erkennen, schallen die Höhe hinauf an unser Ohr die ernsten Lieder blinder Sänger, welche einer Leiche vorangehen, während das wilde Geschrei der Klageweiber, die den» Zuge folgen, Mark nnd Vein erschütternd, oftmals ihre sanftern Klagen unterbricht. Im Uebermaß des Schmerzes tanzend nnd hcnlend schreit die Witwe dein dahingeschiedenen Gatten oder Sohne die seltsamen Worte nach: „O du Kamel meines Hanfes!" Das Kamel, nnstreitig das nützlichste Tier des Orients, wird so zu einem ernstgemeinten rührenden Bilde der Sorge des Mannes für das Haus. Auf einer langen Neihe von Bögen rnhend, dehnt sich dort in nicht zn weiter Ferne die alte Wasserleitung dcr Kalifcn bis nach dcr Vorstadt Alt-Kairos aus, wo dcr Nil, dicht vorbeifließend, feine silbernen Pfade dahinzieht, und die liebliche Infcl Nodah mit ihren Gärten nnd Palästen, mit ihrem weltberühmten Nilmesser, der fagen-reichen Stelle der Mosesfindnng, bald mit sanftem Wellenschlage, bald mit ranschendcm Getöse umspielt. Weiterhin breiten sich anf dem jenfeitigcn Ufcr des Flnsses grünende Felder ans, denen Palmenwaldnngcn mit rotschimmernden Früchten, spiegelnde Wasserflächen und die schwarzen Hütten dcr Dörfer arabischer Fellah in den Reiz landschaftlichen Wechsels verleihen. Ein schmaler gclblenchtcndcr Streifen, der sich am äußersten Horizonte entlang zieht, zeigt nns die Grenze an, wo das Ncich der großen libyschen Wüste beginnt und wo die sichtbare Kunde der ältesten Geschichte des Menschengeschlechts aufhört. In wundcrfamcr Beleuchtung, vom zartesten, magischen Farbcndnft umhüllt, streckeu da die Marksteiue der Gefchichte, die Pyramiden, ihre Hänptcr in die Luft die kein Wölkchen trübt, ein ewig blaues, klares Lichtmeer. <3m Tag und eine Nacht in Kairo. 157 Das Leben in den engen Gassen der Stadt, welche zum Schutze gegen die brennenden Strahlen der Sonne meistenteils mit einem Schirme ansgesftanntcr Tücher und Holzdecken überdacht sind, die alle Gegenstände in ein seltsames Halbdunkel hüllen, beginnt allmählich jenen Anstrich zu gewinnen, der auf den reisenden Abendländer den unüberwindlichsten Reiz ausübt. Die Läden, eigentlich große, viereckige, kasteuartigc Löcher, die an den Wänden der Häuser in dichten Reihen nebeneinander fortlaufen, öffnen sich; der Kanf-mann, seine glimmende Pfeife rauchend, hockt anf einem Kissen am vordersten Estrich seiner Bnde. Seine Waren, die im buntem Wirrwarr im Hintergrnndc derselben aufgestellt find, müssen den Käufer selber locken. Der Besitzer preist sie weder an, noch fordert er den Vorübergehenden anf. Eifrig arbeiten in den engen Räumen ihrer Werkstätte die Handwerker, sich der einfachsten Instrumente bedienend, wobei die Füße nnd Zehen ebenso flink und geschickt mitarbeiten, als die Hände und Finger, die bei dem Orientalen von einer anffallenden Geschicklichlcit nnd Beweglichkeit sind. Da ist den ganzen Tag ein Hämmern uud Klopfen, ein Klappern und Knarren, ein Pfeifen und Schnurren, ein Wackeln der Köpfe nnd der Körper, daß man meinen möchte, die Heinzelmännchen seien von Köln nach Kairo übers Meer gewandert, und arbeiteten nunmehr an dem Hanptorte des Islams. Hier steigt in die Bude eines Barbiers der Kunde hinauf oder hinein (wie man sagen muß, weiß man nicht recht), den rechten Fuß voranfetzend, denn er ift der geehrtere, gerade so wie die rechte Hand. „Friede fei über dir," sagt er zum Gruße dem Meister, der ihm sein „Und über dir der Friede" schnell nnd zuvorkommend als Gegen-grnß erwiedert. Der schön gewnndeuc Turban wird vom Haupte genommen. Kopf und Gesicht eingeseift, und beides fo rein gefchorcn, daß außer dem langen Zopfe anf der Mitte des Scheitels kein Här-lein fichtbar ist. Mit beinahe geckenhaftem Wohlgefallen betrachtet der Geschorene in dein runden Metall- oder Glasspicgel mit Perlmutter-Einfassung seinen weißlcuchtenden Schädel nnd verläßt mit derselben Befriedigung die schmutzige Stube des noch schmutzigeren Barbiers, als der feine Pariser Stntzer das Boudoir eines renommierten Pariser Haarkünstlers. Nnn kommt jener Andere an die Reihe, welcher dem Vorigen in die Bnde nachgestiegen nnd durch seinen papageigrünen Turban als ein Nachkomme des Propheten, als ein Scherif gekennzeichnet ist. Die kalte Morgenluft hat ihu zum Niesen 158 Scenen cms dem Volksleben in Ägypten. gereizt. „Gott Lob!" ruft er aus, „Gott erbarme sich eurer!" rufcn ihm dic Anwesenden zu. „Gott führe uus und führe euch!" erwiedert der Augeredete nach herkömmlicher Weife. Der Kaireuscr ist von eiucr auffallend fast lästigen Höflichkeit uud Aufmerksamkeit, dic bei der geringsten Veranlassung in hergebrachter Weise ihren wortreichen Ausdruck findet. Mali könnte Seiten eines dicken Vnches mit derartigen höflichen Formeln füllen, die sich wie Schlag und Gegenschlag zu ciuaudcr verhalten, uud höchstens durch die Seltsamkeit des Gedankens im Anfange auziehen. Später werden sie eine höchst lästige Beigabe einer jeden Unterhaltung, die ohne sie vom Gruß bis zum Abschied hin gar uicht denkbar wäre. Dort, uicht fcru von der Bnde des Barbiers, tauft cm Armer ein Gericht gekochter Bohnen nnd hockt sich nieder, um feine Mahlzeit im Namen Gottes, des Allerbarmcrö uud des Barmherzigen zu beginnen, mit einem Gott sei Lob und Preis zu schließen; hier cr-haudeln verschleierte Frauen das Kohcl und Henna, um sich die Augenränder schwarz und Hände und Füße braunrot zu färben. Vor jener Schreibebudc läßt sich ein reicher Araber Amulette gegen den bösen Blick für sich oder fein Pferd oder seinen Esel schreiben, und die ernste Miene des Schreibers giebt ein Zeugnis, daß es inhaltsschwere Worte sind, die er zu Papier bringt. Das Kaufen ist ein ebenso umständliches, als laugweiliges Geschäft. Der Kaireufer fordert zehnmal mehr, als die Sache, deren Echtheit oftmals zweifelhafter Natur ist, wert ist. Er ladet den Kaufenden zum Sihcn ein, reicht ihm scine Pfeife, präsentiert den unvermeidlichen Kaffee, der von seinem Knaben aus dem nächsten Kaffeehause herbeigeholt wird, uud mit einer Fülle blumenreicher Redensarten beginnt das eigentliche Geschäft, das im glücklichsten Falle eine halbe Stnnde danert. Nach langem Hin- und Herreden, wobci ganz andere Gespräche, als der Kauf, in die Unterhaltuug mit hineingezogen werden, nm die Aufmerksamkeit des Kaufenden abzulenken, einigt man sich endlich, nachdem sehr oft ein Vorübergehender als Vermittler eingetreten ist. Znr schlimmsten Art der Verkäufer gehören diejenigen, welche dem Kauflustigen dcu verlangten Gegenstand sogleich mit den Worten anbieten: „Nimm ihn als ein Geschenk!" Mau ist sicher, eine übcrtriebcuc Forderuug hinterher zu hörcu. Ist der Kauf abgeschlossen und das Geld gezahlt, fo erhält der begleitende Diener des Känfers vom Kaufmann ein kleines Geschenk an Geld. Ein Tag und eine Nacht in Kairo. 159 Den Mittelpunkt des geschäftlichen Lebens in Kairo bildet der sogenannte Khan Khalil, ein besonderes Viertel mit einer Hauptstraße und vielen engen Nebengassen, die von langen Reihen nebeneinander liegender Bnden der Kaufleute und Handwerker gebildet sind. Die Handwerker sitzen gildenwcise zusammen. Da giebt es einen Schustermarkt, wo die Schuster emsig an den gelben und roten Schuhen mit dcn gekrümmten Spitzen arbeiten, einen Markt der Schneider, der Schreiner, der Drechsler, der Frnchthändler, der Zuckerbäcker, der Pfeifenhändler, der Steinschneider und Schleifer, der Juweliere, der Seifenhändler und Waffenschmiede, der Teppich-Händler uud wie sie alle heißen mögen. Das angenehmste Kaufviertel ist der 8lik-6i-i-ie1l oder der Markt des Duftes, woselbst alle WohlgerNche Arabiens und des Südens echt und verfälscht zum Kaufe ausgcboten werden. Selbst ein Blinder findet diesen Markt des Tnftcs leicht, da der starke Geruch straßenweit zu merken ist. Die Handwerker arbeiten emsig, die Kaufleute dagcgeu verrauchen deu ganzen langen Tag, sprechen mit ihren Nachbarn und dcnKäu-fern und erheben sich nur von ihrem Sitze, nm die üblichen Gebete an den bestimmten Tageszeiten zu verrichten. Verlassen sie ans einige Zeit ihren Laden, so hängen sie ein Netz, ans dünnen Fäden gestrickt, davor auf, und kein loser Vogel wird es wagen, die verbotenen Tranben dahinter anzntasten. Die Inschriften auf Papier, mit welchen die Läden der meisten Kairenser Bndcn versehen sind, enthalten nicht etwa, wie zu vermuten stände, die Firma des Kauf-mauns, sondern nur fromme Sprüche oder das mohammedanische Glaubensbekenntnis. Hier liest man: „Wahrlich, wir haben dir einen offenbaren Sieg gewährt," dort: „Beistand von Gott und ein schneller Sieg," „Bringe dn gnte Nachrichten den Gläubigeu," dort wiederum die Aurufung an Gott: „O du Offner, o dn Weiser, o du Vlbhelfer unserer Bedürfnisse, o dn Gütiger." Dieselben Worte werden von den Kaufleuten wiederholt, wenn sie des Morgens, nach dem ersten Gebete, ihre Bnden öffnen. Die Häuser, welche hier uud da zwischen dcn Läden hervor-tauchcn, haben denselben Anstrich, wie die übrigen der Stadt, wenn sie nicht ans der Zeit des schönen, an Arabesken nnd Verzierungen reichen, älteren Baustiles herrühren, deu kein Gebäude heutzutage mehr erreicht. An der großen Thür des Hanscs stehen gemeiniglich die Worte: „Er (nämlich Gott) ist der Schöpfer, der Ewige," um 160 Scenen aus dem Volksleben in Ägypten. den Besitzer des Hauses bei seinem Eintritt au seine Sterblichkeit zu erinnern. Gehört das Hans einem Haggi oder Mekkapilger, so befinden sich über der Thür roh ausgeführte farbige Malereien, ein Schiff, ein Kamel, ein Banm, an dem ein Löwe angebunden ist und fechtende Personen darstellend. Diese nenägyptischcn Hieroglyphen sollen Anspielungen anf die Ncise nach Mekka zn Wasser und Lande nnd auf den Mut des Pilgers sein, der weder vor den wilden Tieren, noch vor Räubern zurückgeschreckt ist. Über der Thür jenes neuen Hanfes dort hängt eine AloiPaude oder, wie die Ägypter diese Pflanze benennen, die Geduld, Sie soll den Bewohnern ein langes, glückliches Leben bringen und sie vor allem Übel und Unglück behüten, während der hohle Panzer eines getöteten Krokodils vor dem bösen Blicke schützeu soll. Da, wo die Thüren niedrig sind und offen stehen, dürfen wir ein arabisches Bad voraussetzen, aber wehe dem Manne, welcher eintreten wollte, wäre die Thür durch ein weißes Tuch, nicht größer als eine Serviette, verhängt. Das ist ein Zeichen, daß ein Harem im Bade ist; jedes Eindringen wäre dann lebensgefährlich. Um das bunte Treiben in den belebtesten Straßen, wo die Menge hin- und herwogt, näher zu prüfen, ist es notwendig und zugleich nach Kairenser Auschaunng wohlanständig, eine ägyptische Droschke zn mieten, d, h. einen Esel samt dein zugehörigen Führer, welcher bald in langsamem, bald in schnellem Schritte seinem Tiere nachläuft. Die Eselbuben Kairos, dem Lebensalter vom 4. bis 20. Jahre angehörig, bilden ohne Zweifel den intelligentesten Teil der niederen Bevölkernng der Stadt. Der stete Umgang mit den Fremden, welche sie auf allen Ausflügen in nnd außerhalb Kairos zn begleiten Pflegen, giebt ihnen Gelegenheit, sich einzelne Brocken aller europäischen Sprachen anzueignen, deren sie sich geschickt genug bedienen, um deu Neuangekommenen Fremdling die ersten Sprach-stunden im Kaircnfer Arabisch zn geben, ihm die Merkwürdigkeiten der Stadt zn erklären, oder im schlimmsten Falle sich über ihn lustig zu machen. Sie haben eine auffallende Geläufigkeit dariu, aus einer großen Masse anlangender Reisenden sofort die Nationalität der einzelnen heranszucrkennen, indem sie denselben, einem jeden in seiner Muttersprache, die Esel zu Gebote stellen. Die letzteren nehmen unter dcu übrigen vierfüßigcn Bewohnern Ägyptens einen Rang ein, der dein der Eseljuugcu uuter der niederen arabischen Bevölkernng gewissermaßen entspricht. Sie sind größer als die unsrigcn, weniger Vin Tag und eine Nacht in Kairo. 161 kopfhängerisch, mutiger und, was die Hauptsache ist, von erstaunlicher Schnelligkeit. Rottenweise lagern fic samt ihren Führern auf den Hauptplätzen und an den Hauptccken Kairos. Naht sich ein eselbedürftiger Reiter, so stürzt der ganze Haufe auf ihn zn, und nnr Mit Hilfe wohl ausgeteilter Prügel bricht cr sich endlich Bahn zum Steigbügel seines gewählten Tieres. So beritten geht's lustig in die engen belebten Straßen hinein. Das Drängen und Treiben in denselben ist so bedeutend, daß wir nach altherkömmlicher Sitte der Kairenser einem jeden vor uns Gehenden und den Rücken uns Zuwendenden zurufen müssen. Der Araber kümmert sich wenig um das, was hinter ihm vorgeht; die Begebenheiten des Straßcnlebens vor ihm ziehen ihn an, das Schicksal seiner Person bleibt somit der zeitige», Fürsorge seines Hintermannes überlassen, der ihm in drohenden Fällen zuschreicu mnß: „Mein Herr, geh' rechts, geh' links, Nimm dciucu Fuß in Acht! nimm deinen Rücken iu Acht!" In diesen« Falle weicht er ans, doch ohne sich nmznsehcn, und vermeidet so den unausbleiblichen Zusammenstoß. Die Anrufungen variieren N! den Anreden je nach den: Alter und dem Stande der Person. Einer Frau, die verschleiert ist. rnft mau zu „Meine Gebieterin!", scheint sie noch jung zu sein „O mein Auge!". Eine Frau ans den niederen Ständen, ist sie selbst alt, hält es für eine Beleidigung, anders betitelt zu werden, als „O du Mädchen!" oder „O meine Schwester!". Den Alten ruft man zu „O Schech!" oder auch „O niein Onkel!", der anständig gekleidete Araber und der Türke erhalten den Ehrennamen „O Effendi!", der Europäer seine specielle Benennung „>u Ii^w»,F6li!" „O Kanfmann!". Dem entsprechend find auch die ctwanigen Erwiederungen. AlS ich einst einer arabischen jüngeren Dame von 14—15 Jahren zurief „Weiche rechts aus, Meine Gebieterin!", erwiederte sie „ZuBefehl, mein Sohn!" nnd so Passierte denn ihr doppelt so alter europäischer Sohn zu Esel getrost vorbei. Den Wagen, die den Paschas uud dcu vornehmen Europäern gehören, obgleich deren nicht viele in Kairo vorhanden sind, sowie den Reitern zu Pferde laufen hochaufgeschürzte Araber, welche in der einen Hand eiuen geschmeidigen Kurbatsch halten, dic ans der Haut des Hippopotamus geschnittene Peitsche, in schnellstem Tempo voran. Hilft ihr Zuruf nicht, wobei es nicht zn viel höfliche Redensarten giebt, so hilft der Hieb, und schleunigst weicht der säumige Pilger auf dem Wege auS. Schlimmer ist es, wenn ein mit langen Balken, Nau ma arten, Aftita. 11 162 Scenen aus dem Volksleben in Ägypten. großen Steinblöcken oder einer sonstigen schweren Last beladenes Kamel gravitätisch durch die Menge cinhergefchritten kommt. Da heißt es vorsichtig vorbeiweichen, widrigenfalls die Reiter oder Fnß-gänger bedeutende unfreiwillige Abweichungen von ihrer Linie nehmen müssen. Der größere Teil der Pflastertreter Kairos, obwohl ich diesen Ausdruck nncigcntlich gebrauche, da der Boden keiner Stadt in ganz Ägypten regelrecht geebnet, geschweige denn gepflastert wäre, gehört der ärmeren arabischen Klasse Kairos an. Die einen verrichten ihre Hantierungen als Boten, Lastträger, Diener oder Verkäufer, die letzteren erfüllen die Straßen mit ihrem durchdringenden näselnden Gesänge, der den Zweck haben soll, die Vorübergehenden auf ihre Ware aufmerksam zu machen, obgleich der Inhalt des Gesanges scheinbar in gar keinem Zusammenhange steht mit der Natur der ansgeboteuen Waren. Vor einem Korbe süßer Apfelsinen sitzt da cine arme, mit einem einzigen blauen Kattunkleide bedeckte Frau, das Gesicht ist mit Dat grün bemalt, und die Angenräuder mit Kohel schwarz gefärbt, dabei trägt sie einen großen Ring in der Nase, bnnte Ketten nm den Hals, uud mehrere große silberne Ringe au den rotbraun tättowierteu Fingern. Kokett zieht sie bei unserem Anblick den Kopfzipfel ihres Kleides über das halbe Gesicht, aus züchtiger Schamhaftigkeit oder den dösen Blick nnscres fränkischen Auges fürchtend, ruft uns aber dennoch mit lantem Schrei die Worte des Oraugenvcrkäufers zu: „Honig, o ApfelsinencHonig!" Dort schleppt sich in gebückter Stellung uud mit eiuem Rocke bekleidet, der aus einigen Ziegeuhäuten zusammengenäht ist uud auf den Schultern eiuen schweren Ziegen-schlanch uoll Wasser tragend, der arme Wasserträger einher. Er bietet das Wafser mit den Worten: „Möge Gott mir Ersatz geben!" zum Kauf an. Da werden uns Rosensträußchen mit dem Rufe hingehalten: „Die Rose war ein Dorn; vom Schweiße des Propheten ist er aufgeblüht!" Dort steht eine ägyptische Dame in ihrem schwarzseideuen Überwurfe, den weißen Schleier vor dem Gesicht, aus dem die schwarzen feurigen Angen cnch bald aulachen, bald verächtlich zu durchbohren scheinen. Ihre schwarze Dienerin begleitet sie; sie ist schneeweiß gekleidet wie ihre Herrin schwarz. Da nähert sich ihnen ein kleines Mädchen, Hennablumen anbietend mit dem Zurufe: „O meine Gebieterin! Düfte des Paradieses, o Blnmen der Henna!", und beide kanfcn von den wohlriechenden Blumen. Der Ein Tag und eme Nacht in Kairo. 103 Mann dort mit seinem Korbe voll Zuckerwerk ruft euch zu: „Für einen Nagel! o Zuckerwerk!" Das ist ein schlimmer (Gesell, da er die Kinder und Dienstboten veranlaßt, Nägel nnd andere Kleinigkeiten aus dem Hause zu stehlen, um dieselben gegen scine Ware umzusetzen. Eine Art von Gemüse, ^irinus genannt, bieten sie mit den Worten aus: „O wie süß das kleine Söhnchcn des Flusses!", die Citroucu dagegen mit dem Rufe: „Gott mache sie leicht, o Citronen!" nnd die gerösteten Kerne einer Art Wassermelone mit dem Schrei: „O Tröster dessen, der in Not, o Kerne!" Leute aller Trachten nnd aller Znngcn, in rnhiger uud in lebhafter Stimmung, geben das vollständige Bild eines Karnevals, der tagtäglich die Hauptstraßen Kairos durchwogt. Dort kommt gravitätisch, seinen langen, weißen Bart behäbig streichend, ein türkischer Bey geritten, während der neben ihm laufende Diener, die Pfeife tragend, den Arm auf deu Nucken des Tieres gelegt hat. Der Schritt seines Pferdes, das ein blntrotes, mit Oold gesticktes und mit Troddeln behängtes Zaum und Sattelzeug bedeckt, ist ebenso langsam wie der Gedanke feines Herrn. Schnell zu reiten hält der vornehme Türle für unziemlich und seinem Nange unangemessen. „O du Sohn des Hundes!" donnert er einem armen Araber entgegen, der im Vorbeigehen fein Kleid gestreift hat nnd fchen uud schüchtern in der Menge verschwindet. Da taucht neben ihm ein Geist, ein lang-gelockter, hagerer Mensch auf; sein Kleid ist aus taufend bunten Flicken zusammengesetzt, sein Kopf ist von einer Art Schellenkappe bedeckt, sein Auge ist irre, scine mageren Hände erhebend, bettelt er um ein Almosen. Das ist ein Verrückter oder Heiliger der geehrten Stadt Kairo. Die Verrückten werden nämlich von den Anhängern des Propheten sür heilige Persoucu angesehen, da, ihrer Meinung nach, dieselben von Gott dadurch besonders bevorzugt feien, daß ihr Geist bereits im Himmel weile, während ihr gröberer Teil sich hier auf Erden unter sterblichen Menschen befinde. Sie dürfen die ärgsten Handinngen ungestraft begehen und werden mit der bewunderungswürdigsten Geduld geführt und geleitet. Der feine arabische Effendi in feiner kleidfamen Mamclnkcntracht bildet hier in Kairo den Lion der arabifchen Gefellfchaft. (5r kleidet sich mit einer gewissen Eleganz, die freilich darin nie etwas Anstößiges findet, daß aus einer goldgestickten roten Jacke der Ellenbogen hervorsteht oder die Schuhe ziemlich sichtbar zerplatzt sind. Er begrüßt den koptischen Moallim oder Schreiber der Regierung, dessen bleiches, rundes Gesicht, noch 11' 164 Scenen aus dem Volksleben in Ägypten. mehr aber der lauge Kaftan von blauem Tuche, der dichtgewundene schwarze Tnrbau und das messingene Schreibzeug im Gürtel, einen echten Nachkommen der alten Ägypter verrät. Nicht den besten Teil der Kairenscr Bevölkerung bildet jener türkische Polizcifuldat, den seinc Tracht: die griechische Fustauella und die griechische, gestickte Jacke, sofort als den Arnauten kennzeichnet. Ein wahres Arsenal silberbeschlageuer Pistolen, Dolche nnd Messer steckt in seinem Gürtel, über der Schulter hängt das lange Gewehr und in der Hand schwingt er drohend den Knrbatsch. Ein uugchcurcr Schnurrbart giebt seinem verschmitzten Gesichte den vollendeten Ausdruck eines Helden ans irgend welcher renommierten Ränberschar. Diese furchtbaren Kon-stabler Kairos haben die saubere Lebcnsregel, jeden rechtmäßig oder unrechtmäßig erworbenen Piaster sofort an den Mann zu bringen, da mail nicht wissen könne, ob man und wie man die folgende Stunde erlebe. Dem frommen Derwisch dort, mit dem grünen Kaftan, bezeugt die hohe Pelzmütze auf dem Kopfe, welche er kokettierend wie Boden-stcdtö Mirza Schaffy hin- und herbcwegt, deu persischen Ursprung; sein ägyptischer Kollege dagegen schreitet in dem lumpigsten Kostüm hinter ihm her und schwingt die hölzerne Eßschüssel nnd den Löffel als die besonderen Zeichen seiner Würde. Ihm zunächst wandelt ein deutscher Handwcrksbursch, den roten türkischen Fez schräg auf das blonde Haar gesetzt, um jene Ecke in die enge Straße einbiegend, wo er nm ein weniges Geld in einer italienischen Locanda sein Zelt aufgeschlagen hat. Henlcnd und bellend stürzen die Huude des Viertels auf ihn, den Fremdling, los, als wollten sie nach seiner Paßkarte fragen. Ein Wnrf mit Steinen vertreibt aber die ungehobelten Gäste. Da kommen ein paar sonncngebrännte Bcdnineu auf ihren hageren Pferden aligeritten. In malcrifchcr Weise schlingt sich das lamelhärcne Gewand nm ihren Leib und um dcu Kopf, uud kaum sichtbar lugen die kleinen Augen in die Menge hinein, durch welche sich die Pferde sicher hindurchznwinden wissen. Zwei arabische Frauen folgen ihnen anf ihrer Fährte. Die eine trägt einen hohen Krng auf dem Kopfe, die andere das kleine Kind anf der Schulter, das, rittliugs sitzend, nach orientalischer Weise sich an den Kopf der Mutter stützend, das Gleichgewicht selber zu halten weiß. Beide Weiber reden mit aufgehobcuden Händen, die sie häufig zusammenschlagen, auf das Eifrigste miteinander. Sie gehören dem Harem jener edlen Ritter an, denen sie als getreue Ehefrauen den weiten Ein Tag und eine Nacht in Kairo. 165 Weg nach der Stadt Zu Fuße folgen müssen. Hier, gegenüber dem kleinen schlechten Hanse, in welchem eine Araberin mit lantcm Geräusche die Handmühle dreht, verstopft plötzlich ein Hänfen von Balken nnd Steinen den Weg. Man baut ein Haus, die Kinder und Franen müssen dabei Handlangerdienste leisten, während die Männer das eigentliche Geschäft der Maurer verrichten. Im Takte singend, trägt das schwache Geschlecht die Steine, den Mörtel, das Holz zum Ban herbei; der Aufseher, welcher gemächlich seine Pfeife raucht, treibt sie zeitweife mit Stockschlägen zmn schnelleren Lanfen an. Scherzweise rnft der vornehme Türke, dessen Maultier von einem großen, zentnerschweren Blocke im Lanfe gehemmt ist, einem Mädchen zu: „O meine Tochter, trage mir diesen Stein fort!" Als geborene Kairenserin erwiedert sie mit schnellem Witze: „Zu Befehl, o mein Onkel, nnr sei so gütig, mir den Stein anf den Rücken zu legen!" Da kommt uns ein langer Zug verhüllter berittener Frauen entgegen. Rittlings anf ihren hochgesattclten Eseln sitzend, folgen sie eine nach der andern. Diener begleiten sie, die Kinder tragend, nnd ein schwarzer, fettleibiger, wohlbcwaffneter Eunuch in reichem, gesticktem Kostüm reitet zu Pferde voran. Der ganze Harem eines vornehmen Kairensers wird ausgeführt, um irgendwo einen mehrtägigen Vesnch abznstatten, die einzige Unterhaltung, welche den Frauen gegenseitig gestattet wird. Malteser, Griechen, Armenier, Knrden, Inden, Syrer, Araber aus Mekka, dazwischen Europäer aus aller Herren Länder drängen sich in bnntem Gemisch durcheinander, jeder feinem Geschäfte nachgehend, das er sicher mit dem landesüblichen Stoßseufzer eines „So Gott will!" beginnt. Welch prächtiges Marmordenkmal unterbricht dort Plötzlich die Wände schmutziger Hänser? Nm ein Gitterfenster hernm, das von weißem Marmor eingefaßt ist, ziehen sich schön geschriebene und vergoldete arabische Buchstaben, Verse aus dem Koran enthaltend, und darunter befinden sich zwei messingene kleine Sangröhren. Da tritt ein Araber heran, legt den Mnnd an die Nöhre nnd saugt das kühlende Wasser zur Stillung seines Dnrstes ein. Wir befinden uns vor einem jener öffentlichen Brunnen, die ein Werk frommer Stiftungen sind. Über ihm ist die Moschee und die Schule. Die letztere, frei nach der Straße zu liegend, besteht aus einem großen Zimmer, auf dessen Boden ordnungslos die jnngm Schüler hocken, während der Schulmeister, nebenbei häufig ein 166 Scene» aus dem Volksleben in Ägypten. Handwert verrichtend, in einer Ecke sitzt. Die Kinder haben beschriebene Vlechtafeln vor sich nnd lesen, den Kopf nnd die Kniee hin- nnd herncigcnd, ihre Koranlcktioncn so nnrr und wild durcheinander, daß man meinen möchte, Lehrer und Schüler seien insgesamt zu Narren geworden. Den Schulmeister vermag nichts in seinem Phlegma zn stören; wird er beobachtet, so geifert er sein „Schmutz auf dein Haupt!" oder inhaltsvoller „Gott verfluche deinen Vater!" dem unberufenen Beobachter zu. Die brennende Sonne mahnt nns daran, daß der Mittag genaht sei. In der That sehen wir die frommen Gläubigen in die offene Halle der Moschee eintreten, ihre Schuhe am Gingange ausziehen und ans die Matten zum Gebete uicderknieen. Der Sänger ruft von der Galeric des Minaret die Leute zum zweiten Gebete herbei. „Gott ist sehr groß," singt er, „ich bekenne, daß Mohammed der Gesandte Gottes ist. Kommt zum Gebet, kommt zum Heil, Gott ist sehr groß, es giebt keinen Gott anßer Gott!" Wir benntzen die Zeit bis znm Äser, etwa gegen 4 Uhr nachmittags, wann der Türmer vom Minaret die Anhänger des Propheten zum dritten Tagcsgebete auffordert, um in das Hntel oriental an der Esbekieh einzutreten, nnd au der langen Tafel im großen Empfangssaal, in Gesellschaft europäischer Reisender, das Dejeuner einzunehmen. Das Phlegma des Engländers, der Witz des Franzosen, das Gemüt des Dentschcn, die Galantcriccn des Polen, das Feuer des Italieucrs lassen sofort verraten, welchen Ländern jene geselligen Kreise angehören, die hier an Herrn Colombo Tafelrunde ans persönlicher Neigung und landsmannschaftlicher Anhänglichkeit zusammengerückt sind, im frohen Genusse der Gegenwart, während dienstfertige Araber, nnbeholfen genng, den enropäischen Emigrös, die meistens als Kellner dienen, Hilfe leisten. Die Tafel ist aufgehoben, man verläßt das Hotel, in dessen luftigen: und gcränmigem Hofe arabische Kaufleute Waffeu aus der Mamelnkenzeit znm Kauf anbieteu. Wir schlendern dem Platze der Esbekieh zu, uehmen hier an einem der zahlreichen Tische Platz, die in langen Ncihen vor einem Dutzend von Kaffeehäusern aufgestellt sind. Die Esbetieh ist das Eldorado Kairos, ohne sie wäre der Aufeuthalt in der Kalifenstadt nicht halb so prächtig. Man denke sich einen großen, schöllen Garten mit Bäumen aller Art bepflanzt, dessen Gänge mit grünenden Gebüschen bekränzt sind. Da geht Jung und Alt spazieren. Die Kinder liegen spielend und sich neckend ans dem Voden, die Ein Tag und eine Nacht in Kairo. 167 europäischen Fremdlinge, die hohen nnd niederen Beamten der Regierung, die armen und reichen Kanfleute der Stadt gehen hier auf und ab oder trinken ihren Kaffee. Wenn bei uns in Norddcutfchland der Sturm hcnlt und die Schneeflocken Stadt und Feld mit einem Leichentuche überdecken, auf dem nur die Boten des Winters, die Naben nnd Krähen, lnstig hin- und herhüftfen, wenn die Mntter mit den Kindern in warmer Stube vor dem traulichen Kamin sitzt und ihres lieben Sohnes in weiter Ferne gedenkt: da bleibt wühl der Heißerfehnte anf den Gängen der Esbekieh gedankenvoll stehen, bricht eine Rose oder Myrte vom blühenden Stranch und denkt mit tanfend innigen Wünfchen an die Lieben in der Heimat, die jetzt im warmen Zimmer vor dem rauhen Boreas Schutz suchen muffen. Er steckt die Rose und die Myrte ein, nnd ist er zurückgekehrt, so giebt er der Mutter die verwelkten getrockneten Blnmen mit den Worten: Nimm, Mutter, die Januar-Rose und -Myrte der Esbekieh in Kairo. Die Gäste, welche an der Hauvtpromenadc dcr Esbekieh vor ihren Tischen fitzen, gemächlich ihren Kaffee oder liososslia oder 8^-lops, lU ssomm^ einfchlürfen, nud dazu den fcharfen Nanch dcr persischen Wasserpfeife in dic Luft blasen, haben das Vergnügen, die ganze vornehme Welt Kairos, Damen und Herren, Orientalen, Levantincr nnd Europäer an sich vorübergehen zn sehen. Zahllose Bettler, meistens bejahrte blinde Frauen uud Männer, die von Kindern geleitet werden, bitten um Gottes und des Propheten willen um ein Bakfchisch. „Geh' einmal zu deinen Landsleuten," erwiederte ich eines Tages einem Bettler, der mich täglich auf das Zudringlichste um eiu Almosen gequält hatte, und schnell nnd witzig antwortete er: „O mein Gebieter, Gott lasse dich zu unserm Heile lange leben, gehörst du nicht zn den Sühnen Adams!" Mit treffendem Witze wies er anf meine Abstammung als Meufch hin, nnd lächelnd reichte ich als Urenkel Adams meinem Brnder vom selben Stamme das Almosen. Zu den mannigfachen Zerstreuungen, welche den Aufenthalt auf dcr Esbekieh verkürzen, gehört vur allen die wunderliche Ticrfamilie des herumziehenden Xnro^ti, die ans eincm oder mehreren Affen, einem Esel, eincm Hnnde, einer Ziege uud einigen Schlangen besteht. Der Affe tanzt, schlägt daö Tambourin, reitet den Hund und Esel und sammelt zuletzt Geld von den Zuschauern ein. Fortwährend 168 Scenen ans den, Vollölebcn m Ägypten. mit ^H waiiä 8U6N' „o kleiner Knabe" angerufen, mnß er die Schlangen aus dem Sacke ziehen, in welchem sie zusammengerollt daliegen, und der Ziege kleine Klötze unter die Beine schieden, so daß ihre vier Füße wie zusammengebunden auf ciuem kleinen Nanmc dicht beieinander stehen. Auf der breiten Straße für Wagen und Reiter, neben dem Platze der Esbekich, zieht eine Abteilung kriegerisch aussehender Baschi-Bozuks vorbei, an ihrer Spitze zwei Paukenschläger, welche unaufhörlich und taktlos auf einige Panken losschlagen. Die Lente der kleinen Abteilnng sind bis ans ein buutrot gekleidetes Mitglied grün uniformiert. Einer trägt, offenbar zum Staat, einen englischen Negenrock, andere tragen statt der Reitstiefeln rote Pantoffeln uud haben die Stiefeln ansgezogen nnd an den Sattclknopf gehängt. Der Offizier an der Spitze kaut behaglich au einem Stück Zuckerrohr, ein Soldat hinter ihm ißt einen großen Ziegenkäse, und ein anderer steckt sich an der brennenden Pfeife eines vorübergehenden Arabers eine Cigarre an. So reiten die Truppen des Vieekönigs zu irgend einer Udnng aus Kairo hinaus, über die Stelle hiuwcg, wo eiust ein Thor stand. Der verstorbene Vicckönig Ägyptens hat nämlich die neueren Stadtthore Kairos, aus eiucr sonderbaren Antipathie gegen Stadtthore, sämtlich schleifen lassen. Die Schatten der Abendsonne, welche mit blntrotem Scheine hinter den Gebüschen der reizenden Nilinsel Nodah verschwindet, werden immer länger und die Finsternis breitet sich plötzlich wie ein Schleier über das unruhige Kairo ans. In leuchtender Pracht tauchen die ewigen Lichter am nächtlichen Himmel auf. Nur noch in dunkeln, kaum erkennbaren Formen zeichnen sich die Umrisse der Hänser am Himmel ab, während das Rau-scheu der Palmenwipfel allmählich verstummt. Der kühlende Nordwind legt sich des Abends zur Ruh, nm mit erneuerter Kraft am Morgen lustig in die Segel der Nilbarken zu blascu, welche fttzt müßig an den hohen Ufern des Nils hin- nnd herschankeln. Der Gesang des Mneddins von den Minarets herab fordert die frommen Anhänger des Propheten beim Anbruch der Nacht znm Gebet auf, dem vorletzten von den fünf, welche der Koran vorschreibt. Die großen, schweren, mit Eisen beschlagenen Thüren, welche die einzelnen Viertel der Stadt von einander trennen, schlagen die Wächter zn, schieben den mächtigen Riegelbalken vor und geben sich uud ihr Viertel in deu Schutz Gottes nnd feines Propheten. Dann hocken Ein Tag und eine Nacht iu Kairo. 169 sie sich, ihre Pfeife schmauchend, auf den Boden hin, um auf den Ruf und das Klopfen eines späten Bewohners gegen das unvermeidliche Bakschisch Einlaß zu gewähren. Wie Leuchttürme tauchen in der Finsternis hin- und hcrwaudelndc Lichter auf. Wir gehen näher und überzeugen uns, daß jeder Bewohner Kairos nach Sonnen-Untergang nnr mit einer Papierlaterne gehen darf, die ihn vor der Nachtwache schützt, welche eifrig nach dem Gcsindel nmhersväht, daS nur im Schntze der Finsternis, mit Diebslaternen versehen, seinen Geschäften nachschleicht. Wir gehen die lange Straße des Kopten-Viertels entlang, steigen über die Leiber schlafeudcr Hunde und schnarchender Wächter hinweg und gelangen zu jenem Cafö, woselbst, von wenigen Öllämpchen erleuchtet, der eifrige Wirt und sein Knabe den betnrbauten Kästen, die ringshernm ans Ankarebs fitzen, den Mokka verabreicht. Auf dem Feuerherde steht die große Vlech-kanne, die von Holzkohlen erwärmt wird, welche dcr Knabe, den Flederwisch hin- und herbcwegend, in steter Glut erhält. Das Gemach des Cafes ist nur klein, von Nanch nud Schwel erfüllt, die nach der Straße gekehrte Holzwand ist von durchbrochenem Holzwerk mit Bögen versehen. Die größte Hälfte der Gäste, die nur den niederen Stäudeu Kairos, aber dem Ägypter von echtem Geblüt, angehören, sitzt auf dcr Straße, forgfam sich umschauend, ob uicht ciu schlafender Huud ihr Gewand berühre nnd es dadnrch verunreinige. Sie schlürfen ihren Kaffee, rufen den Wirt, wenn das Täßchen ausgetruuken, mit dcn Worten in«lium „er ist voll", um augenscheinlich gerade das Gegenteil anszndrücken, ziehen den Dampf aus der kollernden Wasser-Pfeife oder dem gewöhnlichen Schibnk ein, während jener in der Ecke dort sich aus der Goseh das unerlaubte Vergnügen des Hafchisch-ranchens bereitet. Auf das Höchlichste ergötzt, mit dcn Angen wohlgefällig blickend und den Kopf wie im Takte neigend, hören fie den Erzählungen eines Bänkelsängers zu, der ihnen die Abenteuer alter arabischer Helden, Antar an der Spitze, in gereimter Prosa recitiert und mit der Dichterviole die herzstärkendsten Verse begleitet. Allgemeines Seufzen, das sonderbare Zeichen des ungeteiltesten Beifalls, das hier nnd da ein lauggedehntcs Allah! (Gott) unterbricht, belohnt den Erzähler und Sänger nach jedem Abschnitte. Endlich steigt der Sänger vom Estrich hernieder, nimmt die Viole unter dcn Arm, zündet das Licht seiner Laterne an, und wandert uach Hause, während der Wirt die Lämpchen seiner Bude auslöscht, sich in seiu Gewaud hüllt und znm Schlafe auf dcn Estrich 170 Scenen aus dem Volksleben m Ägypten. streckt. Einer nach dem andern verlassen dic Gäste das Kaffeehaus. Durch die engen, dunkeln Gassen, deren Häuserwändc matt vom Lichte der Laterne erhellt sind, wanken sie schlürfenden Fußes nach Hause. Jedes Geräusch, jede plötzliche Erscheinung, mag ein Stein-chen vom Dache fallen, oder cm Hund oder eine Katze ihnen in den Weg treten, oder eine Sternschnuppe am Himmel aufblitzen, macht sie zusammenschrecken. Gin kräftiges Stoßgebet gegen die bösen Geister oder die Ginm und ihren Obersten, den Iblis oder Teufel, murmclu sie unverständlich zwischen den Zähnen, indem sie kaum hörbar die Worte über die Lippen pressen: „Gott schütze uns vor ihren Bosheiten! Konnte nicht der Stein von dem bösen Geist herabgcworfen sein, und ist nicht die Sternschnuppe ein böser Pfeil, den Gott gegen den bösen Ginni schleudert? Möge Allah den Feind des Glaubens damit durchbohren!" Unter solchen Gesprächen, welche Zeugnis ablegen von dem krassen Aberglanben der Ägypter, erreichen sie ihr Haus, klopfen mit dem eisernen Schlägel mehrmals an die Thür, um Einlaß zu begehren. Sie verschwinden endlich hinter der geschlossenen Pforte, und mit ihnen ist die Gasse öde und leer. Der Kairenser geht früh zur Nuh, etwa um « oder 9 Uhr uu-serer Zeit uach. So sehr er in seinen dichterischen Phantasieen für die Nacht eine fast schwärmerische Begeisterung zeigt, so wenig entspricht er dent Worte dnrch die That. Nur da, wo besondere „Phau-tasicen" oder Lustbarkeiten seiner harren, verschmäht er es nicht, bis zur Mitternacht aufzubleiben. Wir ziehen uuserc Straße weiter. Hier und da tönen die rasselnden Klänge der Darabuke, welche den Gesang der ägyptischen Tänzerinnen begleiten, die in dem Hanfe irgend eines ägyptischen Wüstlings oder vor einem Harem ihre lüsternen Tänze aufführen. Bei dem türkischen Karaul oder Wachtposten vorbei, der uns sein Ximimll'i'0 „Wer da?" znruft und mit unserer Antwort üm vi dkileä „ein Sohn der Stadt" zufrieden gestellt ist, biegen wir in die Nebenstraße ein, wo die sonore Stimme des Wächters den Ewigen mit den schönen, durch die Nacht hinhaltenden Worten besingt: „Ich preise die Vollkommenheiten des lebeudigeu Königs, der nicht schläft und nicht stirbt." Gespenftcrhaft glänzen im bleichen Mondscheine die weiß angestrichenen Häuser der Eöbekieh mit ihrem durchbrochenen Feusterwerk und ihren hervorspringenden Erkern; in zitternden Umrissen zeichnen Eine arabische Schenke. — Die heulenden Derwische. 171 stch die nickenden Giftfei der Dattelpalmen an den« dnnkeln Nacht-Himmel ab, während fnrchtsam flatternde Nachtvögel mitunter die Stille der heiligen Nacht unterbrechen. Wir haben endlich unser Ziel erreicht, klopfen mit dem eifcrnen Schlägel an die wohlvcrschlosscne Hausthür, welche schlaftrunken der arabische Pförtner öffnet, um uns einzulassen. Müde legen wir das Haupt auf die Kiffen, um von Kairo nud Tausend und eine Nacht zu träumen. 2. Gine arabische Schenke. — Die heulenden Derwische.*) Abends unternahm der Herzog, von einem der Dolmetscher und anderen Herren der Gesellschaft begleitet, einen Ausflug durch die Straßen der Stadt, welche das nächtliche Leben des Ramadhan doppelt phantastisch erscheinen ließ. Man besuchte verschiedene Kaffeehäuser, die mit Laternen uud lodernden Herdfenern die Vorübergehenden zur Einkehr eiuludeu und ein interessantes Bild arabischer Schenken boten. Es sind meist sehr enge, stark verräucherte nnd nur Mit ciuer Lchmbank nnd einigen niedrigen, aus Palmenstäben zusammengefügten Sesseln, ein paar großen Wasserkrügen, Kochgeschirr uud Tassen ausgestattete Gemächer, deren einziger Schmuck in einem hübsch verzierten Thürbogen oder einem Gitter am Eingang, sowie in einer Anzahl von Nargilehs, d. i. Wasserpfeifen mit Glasurnen und biegsamen roten Röhren besteht, ans denen persischer Tabak geraucht wird, und die der beturbaute Wirt seineu Gästen gegen eine kleine Entschädigung für die Füllung vermietet. Die Tassen, durch-geheuds sehr klein, stehen statt auf Untertassen in Metallgcfäßen von der Form und Größe uuferer Eierbecher. Die Gesellschaft in diesen Näumcn rancht, träumt und meditiert. Einige spielen Domino, andere ein Spiel mit kleinen Mctallbechern, die mit der Wölbnng nach oben ans einem ruuden Brette steheu. Der Bankhalter versteckt unter eilten dieser Becher eincu Ring, schiebt die Becher dnrch-einander nnd läßt nun raten, wo sich der Ring befindet. Bisweilen erscheint im Kreise der Tnrbane nnd Kaftane ein Märchenerzähler oder ein wandernder Straßensänger, welcher in der Weise der alt-griechischen Rhapsoden, bald singend, bald deklamierend, Stücke ans der Geschichte Antars, des „Vaters der Ritter", oder aus dem ') Neise des Herzogs Ernst von Sachscn-Coblirg-Gotha nach Ä^ftten und den Ländern des Habab. Leipzig, 1864. 172 Scenen aus dem Volksleben in Ägypten. berühmten Roman Dnlhammeh vorträgt, wo dann alles Ohr ist, der Wirt das Kaffecbrcnnen vergißt, die Spiele ruhen und selbst die Wasserpfeifen ihr Gnrgcln mäßigen. Die Haltung der bärtigen Herren in diesen Lokalen war dnrch-gehendö eine höchst anständige. Wir trafen nnter ihnen sehr würdevolle nnd edelgcbildete Gesichter, nnd die Art, wie sie sprachen und sich gebcrdeten, hatte einen vornehmen Zng. Man empfing uns freundlich, bot nnö Sitze an nnd gab bereitwillig anf unsere Fragen Antwort. Dazn die duukeln Angen dieser Gruppen, die bunten Farben nnd der malerische Schnitt der KIcidnng, die matte Veleuch-tnng, die sarazenische Architektur der Häuser draußen — in der That unser Gang durch die Stadt glich eiuem Tranme aus Tausend nnd einer Nacht. Gelegentlich ging man an einer beleuchteteu Moschee vorüber, deren anmntige Fenstergitter, Portalnischen, Sänlenbündel und Rosetten den reinsten, altarabischen Stil zeigten. Dann wieder schmale, dnnlle Gassen mit überhängenden Erkern, nnter denen nur hier und dort eine einsame Laterne hingankelte, oder die Schatten eines Rudels jener herrenlosen Straßenhunde hiuhnschten, welche Kairo zu Tausenden bewohnen. Plötzlich ein kleiner, freier Platz und darauf eine Moschee im Nundbogcnstil, vor welcher eine Anzahl duukler Gestalten, ein wildes Geschrei ansstoßcnd, sich in den seltsamsten Verrenkungen bewegte, es war ein sogenannter ttliiki-, einer der Tänze, mit denen die Orden der heulenden Derwische sich in Verzückung zu versehen Pflegen. Nm ihren Schech versammelt und einen Kreis bildend, bückten sich, warfen sich, schlenkerten sich die unheimlichen Gestalten schon seit mehr als einer Stunde unablässig taktmäßig anf und nieder. Jedes Bücken begleitete lauter Allahruf, währeud der Vorsteher Gebetformcln mnrmelte. Eine einzige, düster brennende Ampel beleuchtete die Scene dieses wüsten Gottesdienstes, der von Minnte zn Minnte an dämonischer Anfregnng znnahm. Einzelne Ansrnfe Verzückter ließen sich hören. Giner und der andere der Betergesellschaft, schwächer als die übrigen, schien von der nngehcnren Anstrengung der Luugen und Nückenmnskeln zusammenbrechen zu wollen. Manchem stand der Schanm vor dem Mnnde, andere rollten die Augen wie Verzweifelte. Ein großer, corpnlenter Neger ge-värdetc sich wie besessen, und es hatte den Anschein, als wäre er wirklich in Wahnsinn gefallen. Das Allahgebrnll des schwarzen Derwisch wurde zu einem kurzen, Eine ägyptische Elementarschule. 173 heiseren Bellen, sein Bücken zu einem rasenden Auf- nnd Nieder-schnellen, bei dem der Kopf beinahe den Boden berührte. Er hatte den höchsten Grad der andächtigen Brunst erreicht, welche das Ziel der Dcrwischtänze ist, er taumelte, raffte sich auf und taumelte wieder; die innere Glnt hatte, fo schien es, das Gehirn des Unglücklichen versengt — er war ,,um1du8" betrunken von Allah, verloren in der Flamme des Ewigen. Man faßte ihn. Er wand sich brüllend nnd schäumend, nm seine Verbengnngcn fortzusetzen. Aber wan hielt ihn fest, bis seine Kraft erschöpft war, und legte ihn dann auf den Steinboden der Vorhalle dcr Moschee nieder, nm über ihn zu beten. Wir entfernten uns in einer Stimmung, in der sich Staunen, Ekel uud Granen mischten. Aber mit Necht ist hervorgehoben worden, daß ein amerikanischer Methodisten-Kamp-Meeting keine würde-und sinnvollere Art der Gottesverehrung ist, als ein Shikr ägyptischer Derwische. 3. Eine ägyptische Elementarschule. Ein ägyptisches Schulhaus (RnMb) sieht von anßen manchmal recht hübsch aus, das einzige Schnlzimmer zeigt jedoch uichts als die kahlen Wände. Wozu sollen anch Bänke und Tische dienen, die Echulmöbel barbarischer Nationen! Der Schulmeister (Figi) sitzt mit seinen Zöglingen ans dem Boden. Ersterer gewöhnlich auf der Thürschwelle, die kleinsten Kinder in seiner Nähe, die anderen im Hintergrnnde mit oder ohne Koran in dcr Hand; denn es handelt sich ja hauptsächlich um die Erlernung dieser heiligen Schrift, welche meistens auch das gesamte Wissen des Lehrers enthält. Es ist ein interessantes, auch schon von Malern dargestelltes Genrebild: im Vordergrunde der bärtige Figi uud dahinter eine Sammlung von Weißen, brannen nnd schwarzen jugendlichen Gesichtern mit glänzenden Augen, roten Lippen, die oft Reihen weißer Zähne zeigen, nnd runde Schädel, die znm Teil mit kurzen Haaren bedeckt oder frisch rasiert, alle aber mit den vorschriftsmäßigen, wohl erhaltenen Zwei Locken versehen sind; die weiten, dunkelblauen Hemden, ans denen die bloßen Arme uud Beine hervorblicken; als Rahmen die originelle arabische Vanart des Hanseö nnd schließlich jene halbdnnklc Beleuchtung, welche in Ägypten als Gegensatz zu dem grellen versengenden 174 Scenen ans dem Volksleben in Ägypten. Sonnenlicht allen Gegenständen im eifrig aufgesuchten kühlenden Schatten eine eigentümliche Färbung giebt. Sobald das Kind lefen kann, beginnt es das Auswendiglernen des Koraus: eine reine Gedächtnisnbnng, da der Lehrer keine Er-läntcrnngeu dazu giebt. Dieses bescheidene Lehrpensnm wird dnrch den Schreibunterricht, sowie durch einige geographische Begriffe und die Anfangsgründc dcr Arithmetik erweitert. Natürlich ist die arabische Geographie und Wcltkunde in der rechtgläubigsten Weise dem unfehlbaren Koran entnommen oder augepaßt: „Der Vien muß!" So wird denn in den türkischen Schnlen folgendes gelehrt, und wehe dem, der als Schüler oder gar als ausgewachsener Moslem auch nur an einer Silbe zweifeln würde: „Es giebt siebcu Erden und sieben Himmel; von der bewohnbaren ersten Erde ist Mekka das Centruni. (Welcher Giaur oder Kafir wird es wagcu, den Nabel dcr Erde besitzen zu wollend) Die zweite Erde uuter uns wird von den Winden bewohnt, die dritte und vierte von den Steinen und dem Schwefel der Unterwelt, die fünfte von den Schlaugen, die sechste von den schwarzen Skorpionen, so groß wie Manlesel und mit Krallen wie Lanzenspitzen, die siebente ist der Aufenthaltsort des Ibliö. des Gottseibeinns, nnd seiner Heerscharen. Man weih nicht genau, was diese Erden zusammenhält, indessen glanbt man, daß die unsrige von einem Felsen getragen wird, den Adern und Wurzeln mit dem Verge Mf verbinden, und daß Gott zuweilen dem Felsen gebietet, eine oder mehrere dieser Wurzeln zn schütteln, wodurch die Erdbeben entstehen. Ibn-esch-SclMwh, den Allah segneu möge, sagt, Gott habe nach der Schöpfung der sieben Erden gewahrt, daß sie nicht fest gcnng waren. Er schuf also einen Engel von ungeheurer Größe uud Stärke uud befahl ihm, sich unter die unterste Erde als Stütze zu stclleu. Aber der Engel fand selbst keinen Stützpnnkt für seine Füße. Da macht Gott einen Rubiufelseu mit 7(100 Löchern, nnd aus jedem dieser Löcher brach ein Meer hervor. Das half jedoch dem Felsen auch nicht, und Gott war gcuötigt, um ihn gu stützen, einen uugehcuren Stier zn erschaffe!,, der 400(1 Augen, 4000 Ohren, ebensoviele Nasenlöcher, Mundössnnngen, Znngcn uud Füße hatte, und jeder dieser Füße ist von dem andern 500 Iahresreisen entfernt und der Name dieses Ochsen ist Kontoulia. Zweimal täglich atmet er und erzeugt dadurch Ebbe nnd Flnt. Allerdings »vagen einige arabische Schriftgelehrten, die runde Gestalt der Erde und das Ptolomäischc Weltsystem Eine ägyptische Elementarschule. 175 anzunehmen. Sie geben der Erde einen Umfang von 2400 Meilen, jede Meile hat .^000 Ellen, die Elle .'5 Spannen, die Spanne zwölf Fingerbreiten, die Fingerbreite fünf Gerstenkörner und das Gerstenkorn endlich fechs Manleselhaare. Allah Kebir!" Bei solchen Anfchannngen über das Weltsystem ist cS nicht zu verwundern, daß noch die alte türkisch-arabische Zeitrechnung festgehalten und die Kalender die wunderlichsten Dinge enthalten. So steht in einem Kalender des Jahres 1^5: dieses Jahr ist seit der Schöpfung das 1«5 A;2., seit dem Sturze des Satans daS 31 884. :c. Nenn auch die Sonnen- und Mondfinsternisse im Kalender stehen, so hindert das keinen Araber und Türken, an dein Glauben festzuhalten, das; der Wclttörpcr verfinstert werde, weil sich ein Drache nahe, nm ihn zu verschlingen; daher hört mau auch bei jeder Finsternis überall Flinten- und Nevolverschüsse knallen, weil die Gläubigeu dadurch deu bösen Drachen zu verscheuchen wähnen. Namen von Heiligen enthält der Kalender nicht, wohl aber Angaben, wie folgende: 1. April: gnt zum Nägelschneiden; 2. April: günstiger Tag, um Schulden einzukassieren; !>. April: gut zum Nasieren; 4. April: ungünstig für alle Geschäfte; 5. April: gut zum Heiraten :c. In deu Städten genießen ziemlich viele türkische Kinder den oben geschilderten Elementarunterricht; auf dem Laude stud die Schulen, wo sie ctwa vorhanden sein sollten, wenig besucht. Mädchenschulen existieren nicht. Wozu auch die armen eingesperrten Wesen mit Vildnngsstuffcn füttern, die sie nur auf Emancivations-gedaulen bringen und mit ihrer Lage noch unzufriedener machen, als sie es in den größeren Städten bereits zu sein beginnen. Der Koran hat einen Satz, der eigentlich unserer zahllosen alten Inng-fern und unserer neuen Tüchterverforgnngsanstalten wegen in der Bibel stehen müßte: „Verheiratet diejenigen, welche es noch nicht sind, uud wenn Armut sie daran hindert, so gebt ihnen ein wenig von der Habe, welche Gott ench gegeben hat, ihr Reichen, und thut sie zusammen." Aber die Übervölkerung!! Nach Ednard Dor (vom Herausgeber). L'Iustructiou publique ea Egypte. P. 1872. 175 Scenen aus dem Volksleben in Ägypten. 5. Gebet eines mohammedanischen Knaben. Mein Freund Vnrton, erzählt Lane, der während seines langen Aufenthaltes in Ägypten einen grüßen Schatz wcrtuollcr Kenntnisse über das Leben der heutigen Einwohner erlangt hat, ist so gefällig gewesen, mir eine arabische Abhandlung mitzuteilen, welche das II>!xd oder Gebet mit dm Vcrwiiuschuugsformelu enthält, das die muslimischen Knaben iu mauchcu Schulcu Kairos täglich zur Zeit des ^«r (nachmittags) hersagen, ehe sie wieder nach Hanfe gehen, außer Donnerstags, wo sie es zu Mittag sagen, weil sie an diesem Tage wegen des folgenden Freitags, ihres Sabbath nnd Ruhetages, die Schule früher, iu der erstcu Stunde des Iluln- (mittags) verlassen dürfen. Iu deu Moscheecufchuleu wird jedoch dieses Gebet uicht recitiert. Ich gebe hier eine Übersetzung: „Ich suche Zuflucht bei Gott vor Satan dem Verstuchtcu. Im Namcu Gottes des Alloarmhcrzigcn, des Erbarmers! O Gott! unterstütze den Islkm und erhöhe das Wort der Wahrheit, nnd den Glauben, durch die Bewahrung deiues Dieners, des Sultan der beiden Weltteile*) und KlMw*'), der beiden Meere"**), des Sul-tän, Sohnes des Snlü'm Mahmuds Kl>w. O Gott! stehe ihn: bei und stehe seinen Heeren bei, und allen Heeren der Muslimen! O Herr aller Geschöpfe! O Gott! vernichte die Uugläubigcu uud Götzendiener, deine Feiude, die Fciudc der Neligiou! O Gott, mache ihre Kiudcr zu Waiseu, uud verdirb ihre Wohuuugcn, uud laß ihre Füße strauchelu, und gieb sie, nnd ihre Familien und ihr Gesinde und ihre Frauen uud ihre Kiuder uud ihre Verwandten dnrch Heirat nnd ihre Brüder nnd ihre Frcnnde nnd ihren Besitz und ihren Staunn und ihren Ncichtnm und ihre Länder den Muslimen zur Beute! O Herr aller Geschöpfe!" Es mnß jedoch hiuzugcfiigt werden, daß trotz dieses Fluch-gebetes, dem noch ähnliche, z. V. die Xwitdet, -) Der regierende Sultan zur Zeit als dieses geschrieben wurde. Der Ramadan'Taumel. 177 5. Der Namadan-Taumel. Scenen aus dem mohammedanischen Leben. Wenn am ersten Tage des neunten Monats des arabischen Mondjahres ein Moslem, ans der Wüste zurückkehrend, vor dem Kadi beschworen hat, daß er am Himmel dcu ersten Streifen des Neumonds sah, so nimmt der dreißigtägige Ramadan (d. h. der Iastcnmonat, welchem noch das Bairamsfest folgt) feinen Anfang. Kanonendonner verkündet der Stadt das freudige Ereignis und schreiende Kinder ziehen mit dem jubelnden Rufe: Aüim! Aiüm! Ailwi! (Fasten! Fasten! Fasten!) dnrch die belebten Straßen. Die Nacht wird durchjubelt, es beginnt die Laternenfreiheit, d. h. es ist jedem gestattet, ohne Laterne des Nachts in den Straßen herum zu gehen, was sonst streng verboten ist; die Verkaufsläden bleiben geöffnet, Und jeder Moslem ißt nnd trinkt, so lange nur Geldbeutel und Magen aushalten will. Zwei Stunden bevor die Morgenröte heraufdämmert, rollt der Donner eines einzigen Kanonenschusses über die noch lebendige Stadt, nnd jeder gute Mnselmauu winde es für eiue Todsünde halten, von jetzt ab bis dahin, wo man am Abend einen Weißen von einem schwarzen Faden unterscheiden kann, uud wo man auf der hochgelegenen Citadclle Kairos abermals eine Kanone abfeuert, anch nur das Geringste zu genießen. Nicht Ranch noch Nasser darf cr trinken (der Orientale fagt: „lmrm 08eln-ub", ich trinke Rauch und Wasser), noch irgend eine Speise zn sich nehmen; Kinder und Kraute unterliegen jedoch diesem Gebote nicht. Die Genauigkeit, womit der Mohammedaner diese, einc seiner vornehmsten Religionsvorschriften befolgt, ist ganz bewunderungswürdig, und selbst Kinder uud Kranke schließen sich davon nicht auö, wenn es ihnen irgend von Eltern oder Wärtern gestattet wird. Ich habe mit Arabern zur Namadanzcit die Wüste durchzogen und es mit eigenen Augen gesehen, wie Weiber nnd Männer, wovon letztere noch zu Fuß in der Glut der Augustsonue dcu Kamelen nachzogen, es über sich brachten, am Tage so wenig Speise als Trank zu sich zu nehmen. Sie begnügten sich, die dürren Lippen mit Wasser zu benetzen und den trockenen Muud auszuspülen, worauf sie das Wasser fortspieen. Diese Erfrischung ist ebenso wie die Waschungen mit Sand, wenn in der Wttstc Wassermangel vorherrscht, erlaubt. Der Monat Ramadan durchläuft in dem Zeitraum von :« Jahren alle Jahreszeiten, und so kommt es, daß derselbe in die glühenden Baumgarten, Nsnka. 12 178 Scenen aus dem Volksleben in Ägypten. Sommermonate, in die unangenehmen feuchtkalteu Nintertage, in die ägyptische blütenrciche Frühlingszeit, oder in die entsetzlichen fünfzig heißen Windtage fällt, die Khamsin heißen. Wenn die klimatischen Verhältnisse in Ägypten schon den normal lebenden Enropäer sehr unangenehm berühren, wie viel mehr den armen hungernden Araber in der Ramadanzeit! Im Sommer arbeitet er hnngernd im Schweiße seines Angesichts, im Winter durchschüttelt ungewohnter Frost die halbnackten Glieder, der Frühling erweckt Appetit und Lebenslust, was beides unterdrückt werden muß, und der nervcnerregende fünfzig-tägigc Khamsin lann auch keinen guteu Eindruck cmf den leeren Magen machen. Müde, unzufrieden, huugrig erblickt er uun um sich die Andersgläubigen, welche essen und trinken, weniger arbeiten als er und satt uud zufrieden mit hellen Angen in die Welt hineinschauen. Waö ist natürlicher, als daß uns der Mohammedaner dieserhalb gleichzeitig verachtet uud beneidet — der Haß ist da! — Der Ramadan ist eme Schule, eiue Säczcit des Fanatismus, und ohne die Fasten, welche den Islam gleichsam wieder aufrütteln, welche die Nacht zum Tage macheu und das Innerste nach außen kehren, wäre der MohammedamsmnS vielleicht längst eingeschlafen und vergessen. Will man dieses Volk recht kcnucu lernen in seinem Ramadan-Taumel, so muß man es sich nicht verdrießen lassen, einen arabischen Anzug anzulegen, einen Umzug durch die volksbelcbten Straßen zu machen und dabei einen sogenannten Haifisch (ein Kaffeehaus, wo Häuf geraucht wird) zu bcfuchen. Dort kann mau diese Mohnköpfe des Ostens recht kennen lernen. Wir haben oft stundenlang in der Esbekieh (dem öffentlichen Vulksgarten Kairos) in einer von buut blühenden Windearteu umraulten, halb hinter riesigen Platanen versteckten Schilfrohrhütte gesessen und umdmnpft von den ätherischen, feiueu Wohlgerücheu des Haschisch, udor vielleicht selbst einige Züge aus eiuer von brauner Hand freundlich gereichten Ta-mire (Kokosnuß-Wasserpfeife) thuend, ein märchenhaftes Nachtbild beobachtet. Zwei wahnfinnige Pilger, d. h. Männer, die in Mekka waren, und die deshalb vom Volke heilig gesprochen sind, weil sie mit merkwürdiger Virtuosität eine Art dumpfen, ruhigen Wahnsinns affektieren, der ihnen dnrch Vetteln so viel einbringt, daß sie mit ihren geringen Ansprüchen in diesem schönen Klima leben können, zwei dieser wahnsinnigen Heiligen saßen regelmäßig des Abends in der erwähnten Hütte, uud der eine von ihnen entlockte einer einfachen Der RamadaN'Taumel. 179 Rohrflöte so klagende, liebliche Töne, daß es fast wie Geisterhauch durch die Hütte wehte. Dennoch waren wir wohl die einzigen, welche diesen Tonen lauschten, Gelächter, Witze, welche nicht allzu ästhetisch waren, und das Gluckern der Wasserpfeifen, verbunden mit dem Brodeln der riesigen Kaffeckannen, erfüllte das enge, gemütliche Gemach. Welch buntes Bild! — Da sitzen und liegen die farbigen Kinder des Islams, weiß, braun und schwarz; die dunkeln Augen glühend und blitzend im Hafchischrausche, die Brust wogend; die ruhige, sternhelle Nacht und der bleiche Mond, welcher lächelud durch dic Windenranken schaut uud die romautischen, bunten Kostüme des Volkes beleuchtet, welches sich freiwillig unter seine Embleme gestellt hat. Hier ist der heimliche Ort, wo Poesie in der Luft liegt; man betrachte das Volt, welches frei, einig, ungcknechtet in diesen Nachtstunden beisammen hockt, umrauscht von den Tönen der wollüstigen arabischen Mnsik, umwallt von dem süßen, nervcnerregenden Duft des Haschisch, aufgeregt durch den starken, schwarzen Motlatrank, und man wird es natürlich finden, daß Hafiz und andere oricntalifche Dichter so schöne, volle Lieder sangen, welche das Abendland erglühen machen durch den warmen Hauch des Morgeulandes! Hier in diesem Haschisch rauscht der Lieder- und Märchenquell; hier verschwärmen Dichter und Bummler ihre Nächte, wenn sie den Tag über vielleicht in einem verhaßten Berufe gearbeitet haben; hier ist die Burnette (der europäische Hut) verpönt und nur der geachtet und gern gesehen, der mitlacht und mitmacht. Dieses aber sind nicht die einzigen Orte, wo es lebendig hergeht — allüberall, in den Hütten der Armen sowohl, wie in den Palästen der Reichen, in Frauen- und Männergcmächcrn ist der Ramadan mit seinen tollen Nachtfreudeu eingekehrt. Der Reiche versündigt sich bei Wein und ganmcnkitzelnden Speisen, der Arme raucht sein Pfeifchen mit oder ohne Haschisch, trinkt verschiedene Tassen Kaffee und verzehrt daS, was er sonst am Tage genießt, in der Nacht. Ein toller Jubel scheint nun in die sonst so ernst und ehrbar thnenden Mohammedaner gefahren zu sein, und es ist mir oft vorgekommen, als liege der Ton des Oberonschen Zanberhorns in der Luft, welcher die Orientalen aus moralischen Grüuden zu so inert-Würdigen, außergewöhnlichen Bewegungen zwingt. Unzufrieden und mürrisch erwacht der Islam nach einem kurzen Schlaf, das ganze Voll sieht übernüchtigt aus und geht langsam mit 12* 180 Scenen aus dem Nollsleben in Ägypten. Ekel an feinc verschiedenen Beschäftigungen; tausendmaliges Gähnen scheint die Minnten bis zum Abende zn zählen, bis dahin, wo der tolle Nachtjubcl wieder angehen soll. Der Orientale fastet ungern, ja viele brechen sogar bei wohlvcrschlossenen Thüren das Verbot. Andere halten eö mit Pietät bis znr Minute des Kanonenschusses; ich habe es oft gesehen, wie gegen Abend die Diener viertelstundenlang mit der brennenden Pfeife oder mit einein Glase Wasser vor ihrem Herrn stehen, und wie eilig derselbe zugreift, sobald der Schuß über die Stadt hinrollt; er holt darauf alles reichlich nach, was er am Tage versäumte. Eine Hyäne kann nicht gieriger essen, als der als nüchtern und genügsam gerühmte Orientale, und eine Folge davon ist die vergrößerte Sterblichkeit der Rcchtglänbigcn während der Na-madanzeit; öfter, besonders in den heißen Monaten, übersteigt die Mortalität der islamitischen Bevölkerung von Kairo die gewöhnliche Höhe nm das Doppelte. Dem Orientalen fällt es bei seiner zur andern Natur gewordenen Bequemlichkeitsliebe gar nicht ein, sich eine kleine Bewcgnug im Freien oder nur im Zimmer zu machen, wenn cr sich nachts den Magen überfüllt hat; der Prophet, der das wußte, gebot deshalb, daß in den Ramadan-Nächten das Niederwerfen der Rechtgläubigen beim Gebet vierundzwauzig Mal wiederholt werden müsse: eine gewiß sehr naive Verordnung, um die in Unordnung geratenen Bauchmuskeln wieder zur Naisou zn bringen. Der Ramadan ist mit allen seinen Mängeln, die ja der Orientale, sobald cr nur cinc Stufe höher steht in der Bildung als der Pöbel, auch einsieht, dennoch eine ersehnte Freudcnzeit fiir Inng nnd Alt, für Reich und Arm. Die öffentlichen Gebäude sind geschlossen, die Beamten arbeiten nnr wenige Stnndcn, das Militär hat Ruhezeit, am Abend legt jeder seine Festkleider an, und selbst die Diener bei Enropäern und die kleinen Arbeiter werden von ihren Herren nachsichtig behandelt, wenn sie lässig, unzufrieden und müde an die Arbeit gehen nnd im halben Schlafe alles schlecht machen oder verderben. Die Vornehmen jagen nachmittags, nachdem sie sich ans-geschlafen haben, hinaus auf die Straße von Schubra und tnmmeln sich dort hermn auf ihren prächtigen Pferden; oft treiben sie ein kriegerisches, von den alten Mameluken ererbtes Spiel, das sogenannte Gcridwerfen, welches auf den Beschmier einen angenehmen Eindruck macht. Die Reiter werfen im vollen Jagen schwere Gerids (Palmzweigstöcke) nach dem Fliehenden, welcher dem Stock auszu-bicgeu oder ihn abzufangen sucht, wobei er genug Gelegenheit hat, Die Krolodilengrotte von Maabdeh. 181 seine und femes arabischen Pferdes schöne Formen und Gelenkigkeit zu zeigen. Abends und die halbe Nacht hindurch sind die sonst um diese Zeit toten und menfchenleeren Straßen Kairos mit Hunderten von Spaziergängern belebt, welche nach der Gsbekieh strömen, sich frei fühlend von dem lästigen Laternengesetz und von den beobachtenden Blicken der türkischen Polizeisoldaten, welche selbst in umfangreicher Weise Ramadan feiern. Die Kaffeehäuser in der Stadt sind geöffnet und lange bis nach Mitternacht besncht. (Nach W. Winkler.) 6. Tie Krokodilcngrotte von Maabdch. Die Windstille hielt uns feit drei Tagen vor Anker beiAmabdi fest. Der Aufenthalt in der Kajüte wurde unter dein glühenden Sonnenbrande immer unerträglicher; wir waren des ewigen Rauchens und FaulcnzenZ müde uud fehuteu den Khamstu herbei, dessen Staubwolken seit mehreren Tagen am westlichen Horizonte zu drohen schienen. Da schlug uus Hasfan, unser Dragoman, vor, die einige Meilen von unserem Ankerplätze entfernten Grotten von Maabdeh zn besucheu. Ich erinnerte mich des schrecklichen Abenteuers, welches das Parlamentsmitglied Herr Leigh dort bestanden hatte, und nahm trotzdem den Vorschlag an, ja ich beschloß sogar, ungeachtet der dringenden Mahnungen Hassans, in das Innere der Grotten einzu-' dringen. Es gelang uns, in Amabdi einige Gsel und zwei junge Bursche als Führer aufzutreibcn. Bei Tagesanbrnch sollten wir (ich und mein Bruder) aufbrechen. Der Mund war untergegangen, uud der dichte ägyptische Nebel umhüllte die Landschaft, als wir geräufchlos über dcu Strom fuhren und auf dem Sande des andern Ufers ans Laud sticgeu. Die Luft war inzwifchm erstickend heiß geworden, denn der Khamsin näherte sich und verfchlcierte bereits dcu Horizont. Vor uus erhobcu sich Granathügcl, die sich unter dcu Staubwirbeln wellenförmig Zu bewegen schienen; hinter uns, zwischen nahen Ufern eingezwängt, wälzte der Nil braufend und reißend schnell seine gelben Wellen. Die Führer erschienen, als eben die Sonne aufging. Der Wcg führte uns zwei Stnnden lang dnrch reiche Getreide-, Hanf- und 182 Scenen aus dem Volksleben in Ägypten. Zuckerrohrfelder bis an den Fuß der Grauitfelfen; zu so früher Stunde sahen wir kcin menschliches Wesen, selbst nicht in dem von Dattelpalmen umgebenen Fcllahdorfe, an welchem wir vorbeikamen. Vor unseren Äugen öffnete sich nun ein enges Thal, dessen trostloses Aussehen aller Beschreibung spottet: kein Baum, kein Gras-hälmchen, nicht die geringste Spur von Graswuchs, nichts als Sand und kahle Felsen, welche die Strahlen der höher steigenden Sonne so glühend heiß auf nus zurückwarfen, daß unsere vertrockneten Lippen barsten und bluteten. Immer tiefer drangen wir in diese Feueresse hinein, und erreichten endlich eine Hochfläche, von welcher wir auf den Strom mit seinen grünen Ufern hinabblicktcn. Die Hitzeausstrahlung war oben noch schlimmer. So ging es einige Stunden lang bergauf und bergab bis an den Kamm der Bergkette. Hier stiegen wir in eine von steilen Felsen eingefaßte runde Schlucht hiuab, in deren Mitte sich ein längliches Loch zeigte. Wir waren an unserem Bestimmungsorte angekommen. Wir sprangen von uusereu Eseln herab und untersuchten den Eingang, einen weiten horizontalen Einschnitt in dem Felsen, fast wie eine Brmmenöffuung, 10 bis 12 Fuß tief. Vom Rande aus konnten wir einen niedrigen, düstern Gang erkennen, der in das Innere des Berges führte. Einer der beiden arabischen Führer war bereit, mit hineinzusteigen; der andere hielt es für klüger, obeu zu bleiben. Wir organisierten demnach unsere Forschuugslolonne dergestalt, daß ein Araber voranging, dann mein Bruder, hierauf Hassan und ich zuletzt folgten. — Wir ließen uuö ohne Schaden auf den Boden des Loches gleiten und legten dort die zur unterirdischen Neife überflüssigen Röcke ab. Hierauf schlüpften wir hintereinander unter einen ungeheuren Felsquader, der jeden Augenblick zu falleu und den allzu neugierigen Reifenden den Rückweg für immer verschließen zu wollen schien. „Und nun," sagte mein Bruder, indem er sich ruhig an den Eingang des Ganges setzte, „was werden wir hier finden? Einen von den Piraten des Kapitäns Kitt (schrecklichen Andenkens) verborgenen Schatz? Etwas auf ai oder 11? Petrol oder irgend ein urweltliches Fossil?" „In der That." antwortete Hassan; „es ist wirklich etwas auf il, meiu Herr, nämlich Krokodile". Die Krolodilengrotte von Maabdeh. 193 Und der spaßhafte Dragoman lehnte sich gegen die Felsenwand, Um sein Gesicht zu einem vergnügten Lachen zu verziehen. Wir zündeten einige der mitgebrachten Wachslichter an nnd drangen « bis 10 Fuß in die Höhle vor, dann zwang uns die Plötzliche Senkung des Gewölbes auf Händen und Füßen weiter zu gehen. Allmählich wurde der Gang noch enger, so daß wir schließlich, auf dem Bauche liegend, uns mit Händen und Ellenbogen vorwärts arbeiten mußten. Gerade als ich darüber ungednldig uud besorgt zu werden begann, hob sich die Decke nnd wir traten in einen mit schönen Stalaktiten geschmückten Saal; doch war der Raum kaum 30 Fuß breit. Am entgegengesetzten Ende öffnete sich ein Gang, in den: wir noch einige Schritte aufrecht machten, dann aber von neuem auf den Knieen und zuletzt auf dem Bauche kriechen mnßten. Die Hitze wurde immer erstickender; der allen Nilfahrern wohlbekannte ekelhafte Geruch der Fledermäuse vermischte sich mit dumpfem Moderduft und den erdharzigen Auödüustuugen der Mumien. Wie lange wir in diesem zwei Fuß breiten Loche weiterruschten, lann ich nicht sagen; vielleicht !M1 Meter, jedenfalls nicht weniger als 10<). Schließlich bereuten wir unsere Verwegenheit. Dazu kam noch, daß, je weiter wir kameu, die infernalische Hitze über alle Beschreibung stieg. Ich weiß aus Erfahrung, was die Hitze in allen Tropen zn bcdentcn hat, ich kenne die der Wüste und die des Roten Meeres im Mouat Mai, allein niemals habe ich eine Brustbeklemmung wie in diesen scheußlichen Höhlcngängeu empfunden. Wir erreichten endlich einen langen und niedrigen Saal, in dem wir wenigstens unsere schmerzhaften, fast steifgcwordenen Glieder ausrecken konnten. Das Zimmer war von Steinblöcken überfüllt, über welche wir hinwcgklettern mußten. Kaum hatten wir damit begonnen, als plötzlich ein ungeheurer Schwärm von Fledermäusen über uns herfiel, die uns mit den Flügelu ins Gesicht fchlugen nnd sich an unsere Köpfe und Bärte klammerten. Es läßt sich lein größerer Schrecken denken! Mein Bruder schlug wie verzweifelt mit den Armen um sich und tötete sicherlich manchen Angreifer, Hassan blieb unbeweglich auf einem Steinblocke fitzen nnd rief alle Heiligen des mohammedanischen Paradieses zu Hilfe; ich riß mir die Haare mit den daran hängenden Tieren vom Kopfe. Unsere Feinde verschwanden jedoch ebenso plötzlich, wie sie 184 Scene» aus dem Volksleben in Ägypten. gekommen waren. Sie stürmten wie ein schwarzes Unwetter aus der Höhle heraus, so daß, wie wir nachher hörten, der Araber am Eingänge, von Glitschen ergriffen, sich anf die Kniee warf nnd Allah nm Hilfe anrief. Nach dieser Unterbrechung kletterten wir über die Steinblöcke weiter und gelangten an einen, einige Fuß über dem Boden in den Felsen eingehancnen Eingang, worin, nach den Löchern an der einen Seite zn schließen, früher eine Thüre gewesen war. Zuerst mußten wir nnö bücken, nachher jedoch, während die Hitze und der eigentümliche Mnmicngeruch noch intensiver wurden, mit den Knieen nnd den Händen nnd zuletzt auf dem Bauche uns weiterarbeiten wie Reptilien. Bei unserer überreizten Stimmung schien uns der Weg unendlich laug. Es trat mir die Gefährlichkeit unserer Unternehmung vor die Augen. Wenn Fledermäuse in diesen unterirdischen Gängen leben tonnten, weshalb nicht auch Schlaugen. Es tonnte in dem engen Raume keiner an dem andern vorbei; wenn mir, dem Hintersten, etwas zustieß, ein tötlicher Schlangenbiß oder ein Herzschlag infolge der übermäßigen Hitze, fo waren meine drei Vordermänner unrettbar verloren, denn sie konnten mich nicht wegschaffen, noch an mir vorbeikommen. Dasselbe meinten meine Gefährten, allein wir waren nun einmal im Zuge nnd keiner wollte zurück. Bald darauf, als wir wenigstens auf deu Kuiecu vorwärts kommen konnten, machte ich eine Entdeckung. Ich fühlte unter meiner Hand etwas Schlüpfriges, und warf meinen Kopf mit folcher Heftigkeit zurück, daß ich mir fast den Schädel am Kcwölbe zerschmettert hätte, doch hielt ich rafch mein Wachslicht hin, um zn sehen, was es wäre. Ich sah alsdann, daß der Boden, auf welchem wir krochen, mit menschlichen Überresten bedeckt war und daß ich foebcn mit deu Fingern über das lange, braune Haar eiucr Frau gefahren war. Neben meinem Knie lag das Bein eines Kindes; überall lagen Köpfe, Skalpe und Gliedmaßen, einige noch znm Teil mit ihren Mumien-bänderu umwickelt z sie bildeten mit Sargstücken, Haarbüscheln und dergl. die Bedeckung des Bodens. Hier leuchtete bei dem Scheine unserer Lichter das gelbe Gesicht irgend eines Priesters oder vornehmen Mannes aus der staubigcu Masse hervor; dort lehnte sich aufrecht an die Mauer der Leib einer Frau, deren Brust in scheußlicher Weise aufgerissen war. Die Krolodilengrotte vmi Maabdeh. 185 Ich sah eine Scene so abscheulicher Grabesschändnng vor Augen, daß selbst Hassan, der an die Achtung gegen Tote, welche nicht dem Geschlechte der Rechtgläubigen angehören, wenig gewohnt war, im Namen feiner Landsleute jede Beteiligung an diesem Frevel zurückweisen zu müsseu glaubte. „Es sind englische Reisende, die das gethan haben!" rief er aus. Und ich habe Gründe, an die Wahrheit seiner Aussage zu glaubet». Ist es jedoch möglich? Ich erzähle leine erfnndene Geschichte und sehe meine Phantasie keiner empörenden Scene wegen in Unkosten. Irgend ein Mensch, Muselmann oder Christ, hat diese armen Leichname von Maabdeh auf cine, für seinen Glauben nnd sein Volk, ja für die gauze Menschheit schändliche Weise mißhandelt, und, was die rohesten Wilden nicht thun wnrdcn, weder Alter noch Gefchlccht geschont. Ohne irgend einen Zweck waren die Körper auseinander gerissen, die Glieder auf dem Boden ausgestreut, die Schädel ihrer Haare beraubt worden. Nnr ein Tollhänslcr oder Fanatiker konnte diese Schandthat gethan haben. Wir drangen nun weiter vor und erreichten eine jener ungeheuren Höhleu, die vor Jahrhunderten als Grabstätten der heiligen Krokodile dienten. Es bot sich uns ein wahrhaft merkwürdiges Schauspiel dar. Die Tiere lagen ans dem Boden, so dicht als möglich nebeneinander, jedes den Kopf zu Füßen des anderen nnd ebenso, durch Palmblätter getrennt, schichtweise übereinander. Bis wie weit sich diese Grüfte in den Berg hinein erstrecken, kann niemand sagen; wir konnten nur zwei besuchen. Die Höhlen sind durchaus nicht das Werk von Menschen, auch müssen sie einen anderen, den Haupteiugaug habcu — da es vollständig uumöglich ist, Krokodile, dereu viele von kolossaler Größe waren, auf dem von uns eingeschlagenen Wege hineinzubringen. Wie es scheint, wurdeu die Krokodile zuerst reihenweise anfein-ander geschichtet, bis die Höhle gänzlich damit angefüllt war; darauf ging man zur Grotte daneben nnd füllte sie auf dieselbe Weise. Es war uns also nnmöglich, die Länge uud Ausdehuuug der Gruft abzuschätzen, uud uiemand wird dieses vor Ausleerung derselben thun können. Besonders bemerkenswert bei diesen sonderbaren Bestattungen ist die außerordentlich große Zahl jnnger Krokodile, selbst solcher, die noch im Ei, oder tauiu demselben entschlüpft find. Sie sind zu je zwanzig mit Mumienlinnen in Packeten zusammengerollt, die zu 196 Scenen aus dein Volksleben in Ägypten. Taufenden dic Zwischenräume ausfüllen. Nach einer annähernden Berechnung liegen um jedes erwachsene Krokodil fünfhundert dieser jungen Götter; und in den beiden Höhlen, die man, dnrch die Mumien kriechend, besuchen kann, sind nach meiner Schätzung wenigstens eine halbe Million, vielleicht sogar befinden sich zehnmal mehr darin, da man das Ende der zweiten Höhle nicht erreichen kann. Man kann sich, wie ich schon sagte, keinen Begriff von der Ausdehnung dieser Höhlen machen, welche bis zur Decke wie Heringsfässer vollgestopft sind. Eine so ungeheure Menge von Mumien setzt entweder eine gleich große Sterblichkeit unter den Eiern uud jungen Krokodilen vorans, oder den Gebrauch der Ägypter, die Familien ihrer heiligen Tiere so frühzeitig wie möglich dem Totenreiche zu übergeben. Nachdem wir alle zugänglichen Stellen der Höhleu untersucht und einige Spccimina ihres Inhalts ausgewählt hatten, beeilten wir uns, den Rückweg anzutreten. Das unheimliche Schauspiel dieser von uusern Lichtern phantastisch beleuchteten Höhlen, diese wirr durcheinander liegenden Krokodilmumien und menschlichen Glieder kamen mir zuletzt schauerlich vor. Aus eiuer Felsenspalte ragten starr, schwarz und wie in Todeözuckuugen zusammengezogen, ein Bein und ein Fuß hervor. Seltsam davon angezogen, trat ich näher, um das Glied wieder anständig zu bedecken. Als ich es anfaßte, brach dieser ganze menschliche Überrest, indem er sich wie ins Leben zurückgekehrt emporhob, zusammen; ich fuhr schaudernd zurück. Wir baudeu nun mit unsern Gürteln und mitgebrachten Stricken die Bentc zusammen, welche wir mit hinansfchlevpen wollten und legten dann wie früher kriechend den größten Teil des Rückweges zurück. Unsere Nerven waren durch die Hitze, die schlechte Luft und die Geheimnisse der Höhlen so angegriffen, daß wir, nach knrzer Ruhe in dem zweiten Saale, nur mit Mühe den Ausgang uud die freic Luft erreichten. Das Tageslicht schien uns unbeschreiblich glänzend; wir atmeten mit Wonne die brennend heiße Luft, welche uns jetzt im Vergleich zu der nntcrirdifchen Feueresse, die wir hiuter uns ließen, erfrischend vorkam. Ich will nicht weiter beschreiben, wie der Himmel mehr und mehr eine schmutzig gelbe Färbung annahm, während die Feuerröte am Rande des Horizonts immer höher stieg, je näher wir dem Ufer des Nils kamen; auch nicht, in welcher Weise jenes Sturmwetter von Saud uud Feuer, welches die Araber mit dein Namen In der Moschee. 187 „Khamsin" bezeichnen, uns noch in den Bergen überraschte und bis Kairo begleitete. Auch muß ich unsern Streit mit dein Scheik von Maabdeh übergehen, der durchaus ohne Prozeß unsere beiden jungen Araber aufhängen lassen wollte. Später habe ich noch immer lachen müssen, wenn ich mich an die Grimasse erinnerte, die der würdige Beamte schnitt, als ich ihm meinen Revolver auf die Stirne setzte. Ich habe einfach zeigeu wollen, daß es am Nil interessante Dinge giebt, die gewöhnliche Reisende nicht sehen. Für Nachfolger will ich hier eine Bemerkung machen. Trifft man die nötigen Vorsichtsmaßregeln, so ist der Besuch der Krokodilengrotten von Maabdeh nicht gefährlich; man lasse sich von den Dragomans nicht abraten; aber zwei Dinge sind zu beobachten: die schwächste Person muß zuerst ; die kräftigste zuletzt kommen; dann aber gebe man acht auf das Licht! Gin Funken, der auf diese Masse von Zündstoffen in den Gängen und Höhlen fiele, würde im Nu einen Brand entzünden, aus dem es keine Nettnng gäbe. Wenn auch die Höhleu Werke der Natur siud, fo müssen doch am wahreu Eingänge, der noch aufzufinden ist, Bauwerke der Pharaonen sich befinden, die vielleicht höchst interessante Altertümer enthalten. Die unter den Reptilien liegenden Menschenmnmien sind wahrscheinlich die der Wächter der heiligen Krokodile, die sicherlich einer tiefstehenden Klasse angehört haben, da sie nicht den geringsten Lcichcnschmuck tragen; doch bleibt eine Beraubung durch frevelhafte Hand nicht ausgeschlossen. Nach Octave Sachot, 1877. vom Herausgeber, 7. In der Moschee. Verwaltung und Beamte dn Moschee. — Die Stellung deS Imam. — Öffnung der Moscheeen. — Der Muöddin und sein Selam. — Feierliche Andacht.beim Gottesdienst. — Daö MittagSgebet am Freitag. — Eine mohammedanische Predigt. Jede Moschee hat einen Vorsteher (Xi^ii-), der das Vermögen an Ländereien, Hänsern u. s. w., die der Moschee von dein Gründer oder anderen vermacht siud, verwaltet und die Geistlichen und Unter-beamtcn besoldet, Zwei „Im5m8" sind angestellt, die in jeder größeren Moschee das Amt verwalten. Einer derselben, welcher der „XliÄtib" 188 Scenen aus dem Volksleben in Ägypten. heißt, predigt und betet des Freitags vor der Gemeinde; der andere ist ein „Imlmi IKUid^, oder ordentlicher Im^m, welcher die fünf alltäglichen Gebete denen vorrcciticrt, die sich genau znr Gebetszeit hier cinfmden. In den meisten kleinen Mofchceen aber ruhen beide Ämter auf einem und demselben Inu'lm. Ferner sind an jeder Moschee ein oder mehrere „Mnüddin" (die dm Nuf zum Gebete singen), und „Ii0>v>vüd" (oder Thürsteher), je nachdem die Moschee einen oder mehrere „Hi^ä'n^Ii" (oder Mcnaret) und Eingänge hat; und verschiedene andere Diener sind angestellt, um die Moschee zu kehren, Matten zu legen, die Lampen anzuzünden, bei der „!8KI<^oIl" (oder Wasserrad) zu stehen, durch welche der Teich oder Brunucn oder andere Wasserbehälter, die zu den Abwaschungen nötig sind, mit Wasser versorgt werden. Die Imü.1113 und diejenigen, welche die niederen Dienste verrichten, werden aus dem Vermögen der Moschee besoldet, nicht aus Beisteuern, die vom Volke erhoben werden. Die Stellung des lmiuu ist in den meisteu Stücken sehr vou der der christlichen Priester verschieden. Sie haben keine Macht über andere und genießen keine andere Achtung, als die, welche sie sich durch den Nuf der Frömmigkeit uud Gelehrsamkeit crwerbcu; sie bilden keinen besonderen Stand wie uusere Geistlichkeit, oder eine unauflösliche Verbrüderung, denn ein Manu, der als 1mä,m in einer Moschee fungiert, kann von dem Vorsteher derselben abgesetzt werden; er verliert mit seiner Anstellung und Be-solduug zugleich den Titel des InuUn und hat tcine bessere Aussicht, wieder Zu dem Amte eines Geistlichen gewählt zu werden, als jeder audcre, der ini stände ist, dem Amte vorzustehen. Die Besoldung eines Im^in ist sehr gering, nnd er muß seineu Lebensunterhalt hauptsächlich durch andere Mittel erwerben, als durch den Dienst in der Moschee. Der Ivlmttb erhält in der Regel monatlich etwa einen Piaster (2-^ ä englisch, gleich '^ Ngr,), ein ordentlicher Imüm etwa fünf Piaster. Manche derselben treiben Haudel, viele sind „'^wv'»" (Drognisten und Parfümeurs), andere Schulmeister. Diejenigen, welche kein regelmäßiges Geschäft dieser Art haben, recitieren oft den Xllui'-iw gegen Bezahlung in Privathäuseru. Sie werden meist unter den armen Studcutcu der großen Moschee ki-^ii^i- gewählt. Die großen Moscheeen sind von Tagesanbruch bis kurz nach dem 'I^Iio oder ziemlich zwei Stundcu nach Sonnenuntergang geöffnet. Die übrigen werden in den Stunden zwischen dem Morgen-und Mittagsgebet geschlossen, und die meisten Moscheeen sind auch In der Moschee. 189 bei schlechter Witterung außer den Gebetözcitcu geschlossen, damit nicht jemand mit den Schuhen eintrete und das Pflaster oder die Matten beschmutze. Gewöhnlich tritt man dnrch das Thor ein, Welches sich dem Teiche oder dem Brnnncn znnächst befindet (wenn nämlich mehr als ein Thor da ist), um sich zn waschen, bevor man die Stelle betritt, wo das Gebet gehalten wird; nnd in der Negel wird bei schmutzigem Wetter dieses Thor allein offen gelassen. Die große Moschee IÄ-^IiÄr bleibt die ganze Nacht über offen, mit Ausnahme der eigentlichen GebetZstelle, welche „U^sur^i" genannt wird nnd die von dem übrigen Gebäude abgetrennt ist. In manchen der größeren Moscheeen sieht man, namentlich nachmittags, viele, die müßig herumliegen, miteinander plaudern, essen, schlafen, zuweilen spinnen oder nähen, oder sonst eine einfache Arbeit verrichten; aber ungeachtet dieses Mißbranchs, der dcu Vorschriften der Propheten ganz znwider ist, achten die Muslimen ihre Moscheccn doch sehr hoch. Es giebt Moscheecn in Kairo (wie die ^nai-, I1a83,n(M u. a.), an denen, bis zur französischen Invasion vor wenigen Jahren, kein Franke oder anderer Christ oder Jude vorn vorübergehen durfte. Am Freitag steigen die Mui^ddin eine halbe Stuude vor „I)u1n>" (oder Mittag) auf die Galeriecn der Älü.cl'n«d nnd singen den „AMm", einen Grnß an den Propheten, der nicht überall gleich, in der Negel aber in Worten folgenden Inhalts besteht: „Segen nnd Friede sei über dich, o dn, der du von großer Würde bist! O Gesandter Gottes! Segen nnd Friede sei über dich, zn dem der Wahrhaftige gesagt hat: Ich bin Gott! Segen und Friede sei über dich, du erster unter den Geschöpfen Gottes und Siegel der Gesandten Gottes! Von mir sei Friede über dich, über dich nnd deine Familie nnd alle deine Genossen!" Hierauf faugen die Leute an, sich in der Moschee zu versammeln. Bei dem öffentlichen Gottesdienst der Muslimen herrscht die größte Feierlichkeit und der größte Anstand. Ihre Blicke und Ge-bürden in der Moschee drücken nicht eine enthusiastische Andacht aus. sondern eine ruhige und bescheidene Frömmigkeit. Während des Gebets lassen sie sich nie ein falsches Wort oder eine unrichtige Handlnng zu Schulden kommen. Den Stolz und Fanatiömns, welchen sie im gewöhnlichen Leben beim Verkehr mit Personen anderen Glaubens zeigen, scheinen sie mit dem Eintritt in die Moschee 190 Scenen aus dem Volksleben in Ägypten. abgelegt zu haben und ganz in die Anbetung ihres Schöpfers versunken zu sein, demütig und niedergeschlagen, aber ohne affektierte Demut oder einen erzwungenen Ausdruck des Gesichts. Der Muslim zieht am Thür der Moschee seine Schuhe aus, legt sie Sohle an Sohle zusammen, nimmt sic in die linke Hand und schreitet mit dem rechten Fuße zuerst über die Schwelle. Wenn er nicht schon zu Hause die vorbereitende Abwaschung vorgenommen, so verfügt er sich sogleich an den Wasserbehälter oder Brunnen, um sich dieser Pflicht zu entledigen. Ehe er sein Gebet beginnt, legt er seine Schuhe (und sein Schwert oder Pistolen, wenn er solche Waffen trägt) auf die Matte, ein wenig vor der Stelle, wo er bei der Niederwerfung mit dem Kopfe den Boden zu berühren gedenkt; dic Schuhe werden, Sohle an Sohle, einer anf den andern gestellt. Die, welche sich zum Mittagsgcbet des Freitags versammeln, stellen sich in Reihen, der Seite der Moschee parallel, an welcher sich die Nische befindet und das Gesicht uach dieser Seite zu gewendet. Viele begeben sich erst wenn der Mittags-Adän ertönt, oder knrz vorher, in die Moschee. Wenn jemand mit oder gleich uach dem Selkm geht, so betet er, sobald er feinen Platz in den Reihen eigenommen, zwei 1i«K'iUi, und bleibt dauu auf den Knieen liegen oder mit gekreuzten Beinen sitzen, während ein Vorleser, der gleich uach dem Sclüm an dein Lescstuhl seiucn Platz genommen hat, die ,MnU «1-X^b.f" (das lx. Kapitel des X1iui>ä.i>), oder einen Teil derselben, vorliest; denn gewöhnlich ist er noch nicht fertig, wenn der ^.älw ertönt, wo er aufhört. Die ganze Gemeinde läht sich, sobald sie den ^.äkn hört (welcher derselbe ist wie an den anderen Tagen), anf die Kniee und Füße nieder. Wenn der ^ään beendigt ist, stehen sie auf und beten, jeder für sich, zwei*) Ilsk'lüi, „8uiiu6t, vi-FUm'ali" (oder die für den Freitag vorgefchriebcne 8min6li), welche sie, wie die gewöhnlichen Gebete, mit zwei Begrüßungen beschließen. Dann öffnet ein Diener der Moschee, der „Hllnlikkl" genannt, die Flügelthüren der Kanzeltreftpe, nimmt hinter denselben ein gerades hölzernes Schwert hervor und stellt sich ein wenig rechts vom Thorweg, seine rechte Seite gegen die Xib1«Il gewandt, das Schwert in der rechten Hand mit der Spitze auf den Boden haltend. In dieser Stellung sagt er: „Wahrlich Gott begünstigt, und seine Engel segnen den Pro- ') Nämlich die Loli^lo'i, zu denen die meisten Bewohn« von Kairo ge« hören. Die Hanafi aber beten vier Nel'ah. In der Moschee. 191 Pheten. O ihr Gläubigen, segnet ihn und grüßt ihn mit einem Gruße!"') Dann singt einer oder einige nUubaiiiFil'8", die auf der Dikkeh (Plattform) stehen, folgende oder ähnliche Worte: „O Gott begünstige und bewahre und segne den trefflichsten der Araber und '^Fg,m (oder Fremden), den I»>^m von N^KI^n und Ni-^ieäwub, und (Imü,m) des Tempels, ihn, dem die Spinne günstig war, indem sie ihr Netz vor die Höhle spann; ihn, den der Dabb**') grüßte nnd vor dcm der Mond sich in zwei Teile spaltete, nnscrn Herrn Mohammed nnd seine Familie und Genossen!" Der Murcckkl recitiert dann den ^ään, (den die Mni^ddinZ bereits gesnngcn.haben), wobei er jedesmal nach einigen Worten innehält, nnd die Mnballighs auf der Dikkeh wiederholen dieselben Worte in einem volltönenden Gesang.***) Ehe der ^.ään beendigt ist, kommt der Xkatid oder Imä,ui an den Fuß der Kanzel, nimmt das hölzerne Schwert aus der Hand der Mnrakki, besteigt die Kanzel und fetzt sich anf der obersten Stnfe oder der Plattform nieder. Die Kanzeln der großen Moscheeen sind an diesem Tage mit zwei Fahnen geschmückt, anf denen das Glaubensbekenntnis oder die Namen Gottes nnd Mohammeds eingewirkt sind. Diese sind oben an der Treppe befestigt und hängen zu beiden Seiten herab. Nachdem der Murakki und die Muballighs deu ^ään beendigt, wiederholt ersterer eine Tradition vom Propheten und sagt: „Der Prophet (über den Segen und Friede sei) hat gesagt, wenn du Zu deinem Genossen sagst, während der 1mä,m des Freitags predigt, sei still, so sprichst du uubesounen. Seid still, es soll euch vergolten werden; Gott wird es euch vergelten." Dann setzt er sich nieder. Jetzt steht der XlmUb auf, der das hölzerne Schwert t) in der Hand hält, ebenfo wie vorher der Murat'li, und hält eine Er-mahnnng, ,.Xlmtb(;t Li^VÄ22" genannt. Der Leser wird auf eine mnslimifche Predigt neugierig sein, ich lasse deshalb hier die ') Khurän XXXIII 5«. **) Gine Art Eidechse, die I^aosrl» I^I'ica. "*) In der großen Moschee AI-H^lmr stehen mehrere Muballighs an ver> fchledenen Platzen, damit die ganze Versannnlnng den ^cli'm huren könne. ->-) Zum Andenken daran, dasj Ägypten dnrch das Schwert erworben wurde. Es wird nie von dein Knatid in einem Lande oder einer Stadt aebrancht, die nicht anf diese Weise den Ungläubigen von den Mnölimcn entrissen wurden. 192 Scenen aus dem Volksleben in Ägypten. Übersetzung ciucr solchen folgen, die am ersten Freitag des arabischen Jahres gehalten wird. (Während meines ersten Aufenthaltes in Ägypten ging ich in die große Muschce ki-^nai-, nm das Frcitagsgebct von der größten Gemeinde in Kairo verrichten zu sehen. Die Predigt des XluUib der Moschee, (^«.ä-N-HIÄiila, gefiel mir, und später Herschaffte ich mir sein Predigtbnch („Oi^il-XInitad"), welches Predigten für alle Freitage des Jahres und die beiden 'Iä oder großen Feste enthält. Ich übersetze hier die erste Predigt. Das Original ist wie gewöhnlich iu gereimter Prosa.) „Preis sei Gott, dem Erneuerer der Jahre und dein Vervielfältiger dcr Gnaden, und dem Schöpfer der Monate und Tage, nach der vollkommensten Weisheit und der wunderbarsten Ordnung; dcr erhöhet hat die Monate der Araber über alle anderen Monate und verordnet, daß unter dcn ausgezeichneteren derselben L1')1<,!lai'i'6m, dcr Heilige fei, und mit diesem das Jahr begonnen hat, wie er es be° schlössen hat mit dem Ln-I-Hs^^ll. Wie günstig ist dcr Anfang und wie gnt ist das Ende!*) Ich preise seiue Vollkommenheit, die ihn der Genossenschaft mit jeder andern Gottheit neben Ihm enthebt. Er hat wohl bedacht, waö Er gemacht und fest gemacht, was Er erdacht, er hat allein Zum Schaffen nnd zum Vernichten die Macht. Ihn preise ich, seine Vollkommenheit erhebend uud seiucn Namen erhöhend, für die Kenntnis uud Iufpiratiou, die er huldvoll gewährt; und ich bekenne, daß es keinen Gott giebt, als Gott allein; er hat keinen Genossen; er ist der heiligste König; der Friede (d. i. der Gott des Friedens) uud ich bckeune, daß unser Herr nnd uuser Prophet und unser Frennd Mohammed feiu Diener uud seiu Ge-saudter und sein Erwählter und sein Freund ist, der Führer des Weges und die Leuchte der Finsternis. O Gott! begünstige uud bewahre und segne diesen herrlichen Propheten, uud oberstcu uud ausgezeichneten Gesandten, den vouHcrzen Barmherzigen, unsern Herrn Mohammed und seine Familie, und feine Genossen, und feine Frauen, uud seine Nachkommen, nnd das Volk seines Hauses, die Edlen, und erhalte sie in Fülle! — O ihr Dieuer Gottes! Euer Leben wird Schritt *) Das Iah« beginnt und schließt mit cinem heiligen Monat. Es giebt vier heilige Monate: der erste, siebente, elfte nnd Zwölfte, In diesen Monaten war der Krieg mit denen verboten, welche dieselben für heilig anerkennen, wurde aber später erlaubt. Der erste Monat wird auch noch besonders wegen des Tages der ^'«cdur», und der letzte wegen dei Wallfahrt in Ehren gehalten. In der Moschee. 193 für Schritt kürzer, und ein Jahr nach dem andern vergeht; und ihr schlaft auf dem Bette der Sorglosigkeit und dem Pfühl der Ungerechtigkeit, Ihr geht an den Gräbern enrer Vorgänger vorbei und fürchtet nicht den Angriff des Schicksals und der Vernichtung, als ob andere von der Welt weggegangen wären, ihr aber darin bleiben müßtet. Ihr front ench über die Ankunft der neuen Jahre, als ob sic eurem Leben Verlängerung brächten, und schwimmt in den Meeren dcs Verlangens, nnd mehrt cnre Huffnnngcn nnd fcid allerwege größer, als andere (an Dünkel), und fcid träge Gutes zu thun. O welch großes Unglück ist dies! Gott lehrt dnrch ein Gleichnis. Wißt ihr nicht, daß die Verkürzung der Zeit durch Sorglosigkeit und Schlaf ein großes Unglück ist'? Wißt ihr nicht, daß in dem Abbrechen der Leben durch die Beendigung der Jahre eine große Warnung ist? Wißt ihr nicht, daß Tag und Nacht das Leben vieler Seelen teilen? Wißt ihr nicht, daß Gefnndheit und Kraft Segnungen sind, die von vielen Menschen begehrt werden? Ader die Wahrheit ist offenbar geworden dem, welcher Augen hat. Ihr steht jetzt zwischen zwei Tagen! Ein Jahr ist vergangen, und zu Ende gekommen, mit feinen Übeln, und ihr feid eingetreten in ein anderes Jahr, in welchem, so Gott will, die Menschheit Hilfe finden wird. Ist einer von euch, der sich zum Fleiß (Gutes zu thun) in dem kommenden Jahre entschließt? oder der feine Fehler bereut, die er in den vergangenen Zeiten sich hat zu Schulden kommen lassen? Glücklich ist, wer Bnße thut für die vergangene Zcit, in der Zeit, so da kommt; und elend ist, dessen Tage entschwinden uud der sich nicht bekümmert um seine Zeit. Dieses neue Jahr ist angetreten, und der heilige Monat Gottes ist gekommen mit Segnungen für euch, — der erste Monat des Jahres nnd der vier heiligen Monate, wie gesagt worden ist, und der würdigste des Vorzugs nnd der Ehre nnd der Verehrung. Sein Fasten ist daS trefflichste Fasten nächst dem, welches auferlegt ist,*) nnd in demselben Gutes zu thun, gehört zn den trefflichsten Gegenständen des Verlangens. Wer irgend von demselben Vorteil zu ziehen wünscht, der mag fasten den nennten und zehnten Tag, und auf Hilfe warten. Enthaltet euch nicht diefes Fastens ans Sorglosigkeit nnd weil ihr es für eine Vefchwerde haltet; sondern haltet es nach der besten Weise, und ehret es mit den besten Ehren, nnd wendet enre Zeit gnt an mit Anbetung Gottes *) Dc>s des Monats Namadcm. Baum garten, Amka, 13 194 Arabische Erzählungen. des Morgens und des Abends. Wendet ench zu Gott in Reue, vor dem Angriffe des Todes: Er ist der Gott, welcher die Rene seiner Diener annimmt nnd ihre Sünden vergiebt. — Tie Tradition. — *) Der Gesandte Gottes (Gott sei ihm gnädig nnd bewahre ihn!) hat gesagt: „Das trefflichste Gebet, nächst dem vorgeschriebenen/*) ist das Gebet, welches im letzten Drittel! der Nacht gesagt wird, und das trefflichste Fasten, nach dem Ramadan, ist das des Monates Gottes. ^I^IowriÄiu." Wenn der Xl^tib mit dieser Ermahnung zn Ende ist, sagt er zn der Gemeinde: „Bctct zn Gott!" Dann setzt er sich nieder nnd betet still für sich, wie nach den gewöhnlichen Gebeten, indem sie ihre Hände (das Innere der Hand betrachtend) vor sich halten nnd dann mit derselben über das Gesicht abwärts fahren. Wenn dies geschehen, sagen die Mnballighs: ,,/Vmin! ^/min! (Amen! Amen!) O Herr aller Geschöpfe!" (5. W. Lane. (Sitten ll»d Gebräuche der heutigen Ägypter. Aus d. Vngl. v. Dr. Zenker.) AlMschc Wljlmgcll.' "j 1. Ibrahims Gottvcrtrauen. „Es giebt nur einen Gott nnd Mohammed ist sein Prophet; derjenige, welcher sein ganzes Vertrauen auf Gott setzt, hat nichts zn fürchten, denn das hüchftc Wesen kann, wenn es will, ihn in demselben Augenblicke retten, wo der menschliche Geist zn verzweifeln glanbt. Folgendes begegnete buchstäblich dem Ibrahim, einem Sohne des Sega. Ibrahim war ein weiser Mann nnd glanbte an Gott, indem er nie einen einzigen Neligionsgebranch vernachlässigte; obgleich er schon alt war, so hatte ihn doch noch nie die eiserne Hand des Unglücks *) Der Lbktib schließt seine Gnnahnmig immer mit einer oder zwei Tra> ditioncn des Propheten. ") Die fünf täglichen Gebete, die ün kur-än cicbotcn sind. ***) II. llecquard. Voyage sur la cote et dans l'intdrieur de l'Afrique occidentals Ibrahims Gottvertrauen. 195 berührt. Er besaß drci Frauen, welche er liebte, sic waren einsichtsvoll, gut, arbeitsam und hatten ihn jede mit zwei Kindern beschenkt. Obgleich diese Kinder noch sehr jung waren, so kannten sic doch schon mehrere Kapitel des Koran, nnd während ihn alle Leute deshalb beglückwünschten, schrieb er alles Gott zu, dem er unablässig dankte nnd zn ihm betete, cr möge ihn nie verlassen. Eines Tages jedoch überfielen die Mauren plötzlich das Dorf, und nach mutiger Gegenwehr sah er seine Franen und Kinder wegführen' er selbst wnrdc gefangen genommen nnd weit fortgeschleppt. Gefesselt an einen Bewohner seines Dorfes, welcher verzweifelte nnd Unablässig Gott lästerte, snchte er diesen zu trösten, und im Ver-trancn anf die Vorsehnng wiederholte er ihm wie in glücklichen Tagen jeden Angenblick die Worte: „Verzweifle nicht, Gott ist groß, und seine Macht ist unendlich." So vergingen einige Tage. Da die Manren ihn so ergeben nnd gehorsam sahen, ließen sie in ihrer Wachsamkeit nach, obgleich sie noch nicht weit vom Flusse entfernt waren. Als einst des Nachts alle schliefen, weckte Ibrahim seinen Unglücksgefährten nnd entfloh mit ihm. Nachdem sie bis zum An-brnch des Tages gegangen waren, verbargen sie sich in den mächtigen Pflanzen der Wüste nnd hörten, wie die Mauren, welche sie suchten, ihnen näher kamen und sich wieder entfernten. Sobald sie fort waren, war es Ibrahims erste Sorge, Gott für die vollbrachte Rettung zu danken; sein Gefährte dagegen beklagte sich darüber, daß er ihn nicht in der Gefangenschaft gelassen, sondern ihn in Gegenden geführt habe, wo sie verhungern müßten. Ibrahim versnchte ihm Mnt einzuflößen, und sie erhoben sich, um einen Ort zu snchen, wo sie sich der Fesseln entledigen könnten, mit denen sie an einander geschmiedet waren, als sich ein ungeheurer Löwe auf den Gotteslästerer stürzte, ihn erwürgte nnd ihn zn verzehren begann. Bedeckt mit dem Blntc feines unglücklichen Gefährten nnd den glühenden Atem deö Löwen anf seinem Körper fühlend, glaubte Ibrahim, seine letzte Stnnde sei gekommen, nnd schon empfahl er sich Gott, als der gesättigte Löwe sich auf einmal entfernte und sich, die Augen stets anf seine künftige Beute gerichtet, in einiger Entfernung niederlegte. In einer solchen Lage, rief der Griot, würdet ihr Muselmänner alle, die ihr mich hört, ergriffen von Entsetzen, euch für verloren gehalten haben; gefesselt von dem Blicke des Löwen hättet ihr nichts 13* 196 Arabische Erzählungen. zu eurer Nettnng gethan. Aber Ibrahim, welchen Gott beschützte, verlor den Mut nicht, ml!) indem er seinen Dolch hervorzog, befreite er sich von den Überbleibseln des Leichnams seines unglücklichen Genossen, dessen noch durch die Fesseln festgehaltenes Bein er abschnitt; dann entfernte er sich rückwärts, die Augen stets fest auf die des Löwen gerichtet uud vermied jedes Geräusch, sowie er auch bc-müht war, die Aufmerksamkeit des Tieres von sich abzulenken. Eine halbe Stunde später war er weit geung entfernt, um sich aufrichtcu zu können nnd sich in der Nichtnng nach feinem Dorfe zu rcttcu. Am folgenden Tage erblickte er die Fluten des Senegal und glaubte sich gerettet; er stieg iu den Fluß, um sich vor dem Gebete zu wascheu, aber iu demselben Augenblicke, wo er sich aufrichtete, ergriff ihn ein ungeheurer Kaiman uud führte ihn mit sich hinab in die Tiefe, wo ihn das Ungeheuer eben verschlingen wollte, als ein anderer Kaiman kam uud ihm seine Beute streitig machte. Der Räuber des Ibrahim war uahe au seiuer Höhle, er legte ihn dort nieder uud entfernte fich znm Kampfe. Alles dieses geschah in kürzerer Zeit, als mau braucht, um es zu crzähleu. Ihr wißt, daß die Höhleu der Kannaus aufwärts geheu, so daß das Wasser nicht ihre gauze Tiefe erreicht. So war auch diejenige beschaffen, in welcher Ibrahim, schwer verletzt und kaum im stände, sich über einen Haufen Kuucheu zu bewegen, gelegt worden war, und er glaubte, diesmal umkommeu zu müsseu, unterließ aber nicht, aus vollem Herzen zn Gott zu beten, als er in der Tiefe der Höhlc einen Lichtstrahl bemerkte; dieser geringe Schein belebte seinen Mut, er fing sogleich an zn graben, indem er die Erde hinter sich warf, um einen Wall zwischen sich und dem Feinde zu macheu; nach einer Stnnde war er außerhalb des Abgrundes. Als er die Sonne wieder erblickte, war es seine erste Sorge, ficht das Gesicht gegen Morgen gerichtet, anf die Erde zu werfen und ein langes uud heißes Gebet an Gott zu richten. Ein Hirt, welcher sich vor Schrecken verborgen hatte, als er einen Menschen aus der Erde hervorkommen sah, näherte sich dem Ibrahim, sobald er bemerkte, daß er es mit eiuem Muselmaune zu thuu habe, und nach den gewöhnlichen Begrüßungen vernähn: der Gerettete, daß er seinem Wohnorte nahe sei, wohin jener sich erbot, ihn zu führen. Noch an demselben Abend sah Ibrahim sein Dorf wieder, und ich überlasse es euch selbst, zu empfinden, wie groß seilt Erstauuen und feine Freude war, als er dort seine Frauen uud Kinder wieder- Schwielige Wahl. 197 fand, welche ein Haufe Tukuleurs (Peulhs), die dem Dorfe zu spät zu Hilfe gekommen waren, den besiegten Mauren entrissen hatte. Der glückliche und von denen, welche seine Schicksale erfuhren, mit Geschenken überhäufte Ibrahim erreichte nun ein ziemlich hohes Alter, um die Kinder seiner Enkel zu scheu, welche er gottes-fürchtig erzog. Dies begegnete Ibrahim, dem Sohne des Sega, Und beweist, daß Gott groß ist und für die ihm Vertrauenden alles vermag, was er will." 2. Schwierige Wahl. EZ hatte ein Mann seinen Vater verloren nnd es blieb ihm nun feine alte schwache Mnttcr übrig, die ihn, den einzigen Sohn, fast vergötterte. Seine junge Frau war dem Manne lurz nach der Entbindung von einem Sohue gestorbcu. Der Sohu, ein Wunderlind, konnte, kanm acht Jahre alt, schon den Koran lesen; er fürchtete sich vor nichts und schoß mit seinem Pfeile dic Vögel im Fluge. Derselbe Mann besaß anch einen Hahn, der, indem er die Erde aufwühlte, ihm täglich 100 Goldkörner brachte; er hatte ferner eine Kuh, welche ihm jeden Morgen ein Kalb gab, und endlich eine Baumwollenstaude, welche anstatt der Blumen jede Nacht 30 gewebte Schnrzc trug, von denen der eine immer schöner war, als der andere. Nun trug es sich eines Tages zu, daß sein Sohn in den Brunnen fiel und hätte umkommen muffen, wenn mau ihm nicht zu Hilfe gekommen wäre; aber zu gleicher Zeit bedrohten eine gefräßige Ziege feine Baumwollenstaude, ein Löwe feine Kuh, ein Schakal seinen Hahn und ein böser Räuber seine alte Mutter, welche er totschlagen wollte. Nuu war die Frage, ob diefcr Mann zuerst seiuem Sohne, feiner Baumwollenstaude, feiner Knh, seinem Hahne, oder seiner alten Mnttcr helfen sollc. Jeder sprach darüber seinc Meinung aus, und zu Ehren dieser, edler Gefühlsregungen für unfähig gchalteuen, Schwarzen muß man fageu, daß fast alle riefen: Er muß zuerst feiuem alten Mütterchen helfen! Die Minderzahl entschied sich für die Rcttnng des Kindes und nur zwei oder drei, welche merkwürdiger Weise Gefangene waren, sprachen sich zu Gunsten der Tiere aus. 198 Das Klmm von Ägypten, Das KlilN von Ägypten. Seitdem in den letzten Jahren die Zahl der Europäer, welche Ägypten seines heilsamen Klimas wegen zum längeren Aufenthaltsorte wählen, sich bedeutend gesteigert hat, haben wir von den dort ansässigen Ärzten nnd Naturforschern genauere Berichte über die Nitternngsverhältnissc des Landes erhalten. Ägypten zeichnet sich durch eine große Einfachheit seiner meteorologischen Verhältnisse ans, indem sich in der Temperatur, im Lnft-druck und in dem Feuchtigkeitsgrade der Atmosphäre nur geringe Differenzen in den verschiedenen Jahreszeiten zeigen. Diese Regelmäßigkeit und die fast noch wichtigere Gleichförmigkeit der Witternng für längere Zeit nimmt nach dem Süden hin zu nnd tritt in Theben und Assuau noch weit schärfer hervor. Am wenigsten teilen sie die Küstengcgenden: die Städte Alerandrien, Damiettc nnd Rosette, denen cmch die besonderen eigentümlichen Eigenschaften des ägyptischen Klimas fehlen, die constante Heiterkeit und Reinheit des Himmels, die trockene Wärme der Luft und deren Frische. Am ungetrübtesten sind diese Eigenschaften wahrzunehmen an der Lnft der Wüste, welche ebenso belebend uud kräftigend wirkt, wie die Alpen-lnft, trotz der hohen Temperatur. Die in Kairo ansässigen Europäer ziehen zu ihrer Erholung nnd Era.nicknng nicht selten hinaus uach den Pyramidenfeldern von Gizeh, um, unter Zelten lagernd oder in den Königskammcrn der Cheops-Pyramide für die Nacht Schutz suchend, dort einige Tage zuzubringen. Prof. Reycr in Kairo verdanken wir ausführliche Beobachtungen über die Temperatur nnd Witternng in den einzelnen Monaten. Die mittlere Jahrestemperatur von Kairo ist ^- 17,9" N., die mittlere des Winters -!- N,7«;" N. Der Monat Oktober, dessen mittlere Temperatur ^ 1?,s," R. beträgt, gleicht unserem Hochsommer, die Monate November und Dezember, deren mittlere Temperaturen sich ans resp. 15,4 nnd 12,!)" belaufen, sind die schönsten des Jahres nnd gleichen nnserm Herbst und Frühlinge. Die Morgennebel widerstehen der Sonne nicht lange, Negcn fällt nnr selten einige Stunden hindurch, nnd Winde wehen nur ausnahmsweise einige Tage hintereinander. Mit dem Monat Januar beginnt der eigentliche Winter, der bis zur Mitte des Februar andauert; die mittlere Temperatur des ersteren ist -> w," N. herab, jedoch nur während heftiger Südstürme bei bewölktem Himmel, und die Abende werden nach Sonnenuntergang feucht. In der zweiten Hälfte des Februar, wo abermals ein paar regnerische Tage einzutreten pflegen, beginnt die Temperatur wieder zu steigen, zumal wenn Südwind eintritt; da dieser in deu Mouatcn März und April häusiger zu wehcu pflegt, so hebt sich die Temperatur, und die zweite Hälfte des April gleicht unserem Hochsummer, die mittlere Tempe-ratnr ist 17,7". Am unangenehmsten ist der Monat Mai, indem die heftigen Südwiude (Kamsein), die über die arabische und lybische Wüste streichen, häufiger werden nnd drei bis vier Tage andauern; die mittlere Temperatur ist -i- 1^,5»", Ihren Höhepunkt erreichen diese Winde im Inui, wo sie dann den Nordwinden dauernd Platz machen. Die mittlere Temperatur im Juni beträgt ^- 22,i<", im Juli ^ 24", im August -^ 23.2" und im September -^ 22/>", wo die Luft wegen der gleichzeitigen Nilüberschwemmnugeu und des beginnenden Zurücktrctens des Flnsscs feucht uud schwül ist. Nach Destoucheö, Mitglied der wissenschaftlichen Kommission der französischen Expedition, war der mittlere Barometerstand während fünf Jahren 74 Millim.; der höchste Stand fällt auf die Wiutcrmouatc. Die Prozeute der Dunstsättigung der Atmosphäre während der fünf Jahre im Mittel 54". Der geringste Prozentgehalt der Dunst-fättignng, welcher beobachtet wurde, fiel anf die Monate Mai und Juni mit 3«". Während fünf Jahren hat Destouchcs täglich dreimal die Beschaffenheit des Himmels aufgezeichnet, nnd als durchschnittliches Resultat seiner Beobachtungen stellt sich heraus, daß in U)l>7 Beob-achtuugszeiten eiucs Jahres 720 mal der Himmel heiter war, 245mal Wolkenbilduug stattfand, '^5 mal bedeckter Himmel, 25 mal Nebel, 12 mal Ncgen war. Der Winter hat die wenigsten heiteren Tage; von den 720 heiteren müßten ixi» auf die Wiutermonate kommen; es kamen aber durchschuittlich nur 145 auf die Wintcrmonate; immerhin bedeutend mehr als in Italien. 'Der Winter in Kairo besitzt also die Vorzüge des heiteren 200 Mohammedanische Lebensbilder aus Algerien. Himmels und trockener Luft, weniger als die übrigen Jahreszeiten, dennoch sind sie ihm im Vergleich mit anderen Gegenden in hohem Grade eigen. In Theben sind die Morgen oft noch empfindlich kühl nnd die Abende noch ein wenig fcncht, während in Assncm dic Frische des Morgens schon mehr angenehm ist nnd bei der dem Gefühle nach absoluten Trockenheit der Luft die herrlichen sternenhellen Abende den Gennß der freien Luft bis in die Nacht hinein auch zarteren Konstitutionen gestatten. In den Mittagsstunden war im Monat Januar, den I>i>. Nihsch dort verlebte, die durchschnittliche Temperatur ^- !?,zcli oder Hammelfcst. — ä. Das Begräbnis eineö Marabnt. — 3. Daö Verhältnis der Eingeborenen zn der christlichen Einwanderung. — 4. Straßenbilder aus Tlemcen: Die ambische Stadt. Gine Karawane r. Hermann Haas. Dresden, 1878. Das äit ei Lob^k uder Hammelsest. 201 guten Teil jüdischer Religion verehrt und darmn anch den großen Vätern des alten Testaments seine Anerkennnng nicht versagt. Erklärt doch Muhammed ausdrücklich, daß seine Religion die Abrahams sei, welche den Götzen nicht opfern wollte und daß sie sich stütze auf den Glauben von Ismail, Jakob, Moses, Hiod, von David, Sa-loino und der Propheten. Zu den letzteren zählte er Jesum und gestattete in bunter Reihenfolge den Legenden des alten und neuen Testaments Eingang in den Koran. An dem Feste N Xowoll sucht auch die ärmste muselmännische Familie ein Gericht von Hammelfleisch aufzutischen, und verfällt an diesem Tage daher mancher Woü-träger dem Gnrgelschnitte. Es hängt dies mit einer zweiten Legende zusammen: Mohammed, der ja selbst unter einem Zeltdache lebte, Pflegte anch dcnHimmel mit einemZelte zn vergleichen, welches mit dünnen, aber dauerhaften, unsichtbaren Schnüren an die Erdenden befestigt sei. Nnr au dieseu letztereu vermag die Seele nach dem Tode zum Himmelöranme aufzusteigen. Da der nene Körper, in den sie aber sofort gefahren, noch zu unfertig, gewissermaßen noch nicht erstarkt genug ist, so würde dieser beim Aufsteigen sich leicht au Händen und Füßeu verletzen. Er bedient sich deshalb des Schafes, welches dem lieben Herrgott schon seit Abrahams Zeiten angenehm war und Welches mit seineu gespaltenen Hufen leichter das Himmelszelt erklimmen kann, mn auf seinem Nucken, ist doch seine Kürperlast nicht groß, dem Himmel zuzureiten. Auch seitens der frauzösifchen Regierung wird dieses Fest in Algier mit 21 Kanonenschüssen des Morgens begrüßt. Ich wurde au demselben zn einem befreundeten, doch unvermählten Manren zur Diffah, Abendessen, mit ein Paar seiner Glaubensgenossen gebeten und bekam einen delikaten Kuskussuh mit reichlichem Hammelfleisch, sowie spater arabisches Gebäck vorgesetzt, als Getränk Limonade. Als wir nach beendigter Mahlzeit in behaglicher Beschaulichkeit die duftende Nargileh schmauchten, ergriff ein juuger Manu die zwcisaitige primitive Laute uud, sie mit eiuem Stäbchen schlagend, entlockte cr ihr eine sauftsnnnnende Melodie, dazn sang er einige Strophen, in welche die andern einfielen. 2. Das Begräbnis eines Marabut. Die Marabute zählen zu einem priesterlichen Erbadel uud zu den einflußreichsten Personen im mohammedanischen Staats- und Gemeindewescn Algeriens. Ihr Rat wird in allen erdenklichen 202 Mohammedanische Lebensbilder auS Algerien. Fällen eingeholt, ihre, zumeist dem Koran entlehnten Aus- oderWahr-sprnche, werden als Amulette in kleine Ledersäckchcn eingenäht nnd solleil, anf dcm Körper getragen, Schnhnnttel sein vor möglichen Fährlichkeitcn. Jedes ihrer Gebote, das dem bekümmerten Frager auferlegt wird, erfreut sich gewiß striktester Ausführung. Vei Dürre vermitteln sie durch Bittprozessionen den Ncgen. Ja es gelten diese Männer nicht allein im Leben als gottinspirierte Heilige, selbst nach ihrem Tode sollen sie noch die Macht besitzen, mu ein Gebet, an ihrem Sarkophage verrichtet, bei Allah annehmbar zu machen. In Algier selbst und vor der Stadt sind die Orabkapellen 5!i
  • Bildei aus der Sahara. verirrt sich der Araber; aber die Vorsehung hat ihm wunderbare Naturanlagen gegeben. Er bückt sich und hebt in der Dunkelheit eine Hand voll Gras »der Erde ans, er bcriccht sie, führt sie an seine Zunge, und fmdct dadurch sciucu Weg wieder. Die Hauptschwierigkeit der Reise licgt anderswo. Man muß den Weg nach gewissen Merkmalen nehmen, zum Nachtlager Brunnen finden können, die nur auf der Landkarte des Gedächtnisses stehen. Diese Brnnnen sind häufig Gruben im Bette ausgetrockneter Bäche, sie dienen zur Tränke der Tiere und gelten den Arabern als heilige Orte. Erreicht die Karawane eine solche Pfütze, so laden die Reisenden das Gepäck ab, welches kreisförmig nebeneinander gelegt wird; die Kamele lagern sich in der Mitte. Hieranf legt man sich, in den Bnrnns gewickelt, schlafen, während einige Lentc rings nm die Karawane Wache halten. Zuweilen bleibt auch die ganze Gesellschaft bei hellem Sternenlicht auf, und es werden die Pfeifen angezündet, jedoch nnr wenn kein räuberischer Stamm in der Nähe haust, denn der Ranch könnte sie verraten. Die Nacht gehört dem Armen, sagt der Araber, und meint damit euphemistisch dcu Banditen. Bei diesen Nachtwachen erzählt der Marabut seine zahlreichen Volkssagen uud Legenden, die, mystisch nnd ironisch zugleich, die entzückten Zuhörer bis zum dämmernden Morgen iu Spannung halten. « II. Folgende Parabel, welche Chancel am Brunnen Sidi-Moham-medö hörte und aufschrieb, ist eine Probe dieser Poesie. Eines Tages begegnete Sidna Ayssa — so nennen die Araber dort Jesus Christus — dcm Chitann, d. h. Satan, welcher vier schwer beladenc Esel vor sich her trieb. „Ehitann," sagte er zu ihm, „bist dn Kaufmann geworden?" „Jawohl, Herr, ich habe mehr Kunden als Waren zu ihrer Bedienung." „Womit handelst dn denn?" „O Herr, ich habe einen ganz vortrefflichen Handel. Sieh nur einmal zu: Von den vier Eseln hier, den stärksten, die ich in Syrien habe finden können, ist der eine mit Ungerechtigkeiten beladen. Wer wird sie mir abkaufend Die Sultane. — Der andere ist mit Neid Wilder aus der Sahara. 217 belastet. Wer wird dessen Käufer scin? Die Gelehrten. — Der dritte trägt Dicbstähle. Und wer wird sie mir abnehmen? Die Kaufleute. — Der vierte endlich trägt außer Treulosigkeiten und Listen aller Art eine ganze Auswahl von Verführnngskünstcn, die allen Lastern entnummen sind. Wer wird sie kaufen? Die Frauen." „Du Boshafter," versetzte Sidna. „Möge Gott dich verfluchen!" Am folgenden Tage verrichtete Sidna Ayssa fein Gebet an derselben Stelle, als er die Verwünschungen eines Eseltreibers hörte, dessen vier Esel, unter der Last kcuchcud, nicht mehr weiter gehen wollten. Er erkannte Ehitann wieder. „Gott sei gelobt," sagte er zu ihm, „du hast nichts verkanft." „Im Gegenteil, Herr," erwiederte Chitann; „eine Stunde nachdem ich dich verlassen hatte, waren alle meine Körbe ausverkauft; allein ich habe wie immer Schwierigkeiten mit der Bezahlung gehabt. Der Sultan hat mich durch feinen Khalifa bezahlen lassen nud dieser wollte mir betrügerischer Weise von der Summe noch abfeilschen. Die Gelehrten sagten, sie wären arm. Die Kaufleute und ich, wir schimpften uns gegenseitig Diebe. Die Frauen allein haben mich, ohne zn feilschen, bezahlt." „Ich sehe jedoch," warf Sidna Aussa ein, „daß deine Körbe noch voll sind". „Sie sind mit Geld gefüllt," erwiederte Chitcmn, indem er die Esel peitschte. „Fort daunt znm Kadi!" So scheint selbst in der Sahara die Justiz der Araber einen satyrifchen Hieb zu verdienen, weil sie nicht selten Kläger und Beklagte ruiniert. So kommt von Cisterne zu Cistcrne, von Legende zu Legende die Karawane langsam uud mühsam weiter, quer durch glühend heiße Einödcu nnter brennender Sonne. Aber Kamel nnd Araber sind geduldig und ausdauernd. Kamel nnd Araber bilden ein Individuum in zwei Personen. Man hat den Araber einen beweglichen Höcker deö Kamels, das Kamel eine Verlängerung des Arabers genannt, den stupiden feierlichen Erust im Ansdruck deö Gesichts haben beide geineinfam. Sie leben von derselben Nahrung; nur ißt der Araber das Kamel, während letzteres keine Wiedervergeltnng übt, So erreicht die Karawane durch zahllose Gefahren, tausend Stunden weit von ihrem Ausgangspunkt ihren Bestimmungsort im 218 Der arabische Adel in der Wüste. Sudan. Unterwegs hat man von den Sitten und Gebräuchen der Araber vollständig Einsicht nehmen können. Die Unterhaltung mit Arabern ist mit Sprichwörtern gewürzt, die, wie bei allen Völkern, einen Schah nationaler Weisheit enthalten. Einige charakteristische derselben mögen hier eine Stelle finden: Iß in der Oase nnd faste in der Wüste. Verachte nicht den Armen. Auch der gemeine Kiesel enthält die warmen Funken, welche die Nacht dir crlenchten. Sei du, Reicher, der Stahl zu dem Steine, welcher den Fnnkcn hervorlockt. Nenn du den Pfeil der Wahrheit abschießen willst, tauche seine Spitze vorher in Honig. Die Sorge ist ein Pfeil; berühre du nicht die Sehne des Bogens. Neiße den Finger nicht, der dir Honig in den Mund streicht. Schieße deine Pfeile nicht nach dem Himmel, denn das Haupt Allahs erreichst du nie. Die Klut des Eiseuö allein ist nichts; du mnßt es anch auf den Amboß bringen. Natf) Ausone s st88^). i. Gahruiiss in der mohammedanischen Welt. — Die Bevölkerung Marolkos. — Die Ruwafah. — Die Landessprachen, — Fanatismus der Marokkaner, In der ganzen mohammedanischen Welt Nord-Afrikas gährt es, man fühlt das Engerwerden dcs Ringes, den die abendländische Kultur mn den verrotteten Islaiu legt, der nun seine ganze Kraft zusammenzunehmen scheint, um sich der verhaßten Europäer zu erwehren. In Chartum ist ein fanatischer Prophet entstanden, der alles, was die letzten Deccunien mühsam hergestellt haben, vernichten will, und ciue ähnliche Rolle zu spielen scheint, wie in den Fünfziger Jahren der berüchtigte Hadschi Omar im westlichen Sudan; dort aber wehrt sich sein Sohn Ahmada, Sultan vou Segu, vergeblich gegen die Franzosen, die mit bewunderuswcrtcr Energie ihre Militärposten vorschicbeu und Eisenbahnschienen uud Telegraphcndrähtc bis in die Nähe des Niger schaffen. In Ägypten treten plötzlich einige ehr- und geldsüchtigc Aventuriers auf, die den harmlosen und fleißigen Fellahs eiureden wollen, sie seien eiuc große Nation, uud Ägypten müsse den Ägyptern gehören, und die frei in der Sahara hernmschweifeuden Tuarik schlageu die Mitglieder einer großen französischen wissenschaftlichen Expedition tot (Mission Flatters), worin sie neuerdings uutersti'cht werdcu von Bu-Amena, Si-SIiman und Genossen, die an der algerisch-marokkanischen Grenze ihr Wesen treiben. Ans Marokko hörte mau bisher nichts, und erst vor einigen Tagen kam die dcu Spaniern jedenfalls hochwillkommene Nachricht, daß einige Nifioteu auf eiu fpanisches Schiff gefeuert haben. Marokko, oder Maghrib-el-Akfa, das entfernte Abendland (tns t'ai- >V?»t), wie es vou den Arabern genannt wird, diefcr alte Piratenstaat, vor dem die mediterranen Seemächte Iahrhuuderte hindurch gezittert habcu, und dem noch biö tief in unser Iahrhuudert hinein die europäischen Großmächte Tribut zahlten, hat es meisterhaft verstanden, sich sowohl dein abendländischen Einflüsse, als auch der Türkeuherrschaft zu entziehen. Noch heute herrscht zu Marokko eiue ganze Reihe unnatürlicher Zustände: die Vertreter der fremden Mächte wohnen nicht in der Residenz des Snltans, sondern in Tanger uud verkehren durch eiuen marokkanischen Minister mit der Die Bevölkerung Marokkos. 227 Regierung; die Europäer dürfen nicht im Innern des Landes wohnen uud Grundbesitz erwerben. Tie letzte Madrider Konferenz hat das allerdings beseitigt, in Wirklichkeit sind die Verhältnisse aber derart, daß sich schwerlich jemand finden wird, der Lnst hätte, im Innern Marokkos zu wohnen. Der Export von wichtigen und wertvollen Landesprodnkten ist verboten, und nur einige wenige Artikel dürfen anßer Landes kommen; die Erlaubnis dazu wird aber immer speciell (gewöhnlich dem Konsul eines Landes) und nur für bestimmte Zeit gegeben. Aber auch von osmanischen Einflüssen ist das Land völlig verschont geblieben. Tie von der Lehre des Propheten fanatificrten Araber, welche in ihrem raschen Erobcrungszuge über Nord-Afrika hin schon bald nach der Hedfchra das Volk des alten Mauritanien unterwarfen und bekehrten, Spanien mit dem Schwert gewannen und erst nach mehr als siebenhuudcrljährigcr Herrschaft wieder uach Marokko zurückgedrängt wurden, das sie bis anf den heutigen Tag beherrschen, halten sich für die echten legitimen Erben der ersten Bekenner des Propheten und betrachten den Anspruch der Türken darauf für eine unberechtigte Usurpation. Für sie ist der Sultan in F-'ch der wahre Aalif, das ist Stellvertreter des Propheten; er ist weltlicher und geistlicher Herr, und die jetzige Familie des Herrschers, die Filali, sind Schurafa (Plural von Schcrif"); im diplomatischen Verkehr mit den Europäern wird der Sultan Mnlcy Hassan auch als „8«. Ukj68te »Köi-itionno" angeredet. Die Bevölkerung des heutigen Marokko ist eine außerordentlich gemischte, dcnn Mauritania und Römer, Westgoten und Vandalcn, Byzantiner nnd Araber sind im Lanfc der Jahrhunderte über dieses Land hinweggegangen uud habcu mehr oder weniger tiefe Spuren zurückgelassen. Andererseits bildet heutzutage diese Vevölkcruug insofern eine einheitliche Masfe, als alle Unterthauen des Sultans Mohammedaner sind; die geringe Menge christlicher Bewohner in den Küsteustüdten und die im Lande zerstreuten hispanischen Juden sind nur geduldete Schutzgcuosscn. Im allgemeiuen kann man, abgesehen von einigen wenigen Renegaten in der marokkanischen Armee, sechs verschiedene Elemente *) Ein Schenf ist cm Mann, der einer Familie angehört, welche direlt von ssatima und dem Schwiegersohne Muhammeds abzustammen vorgiebt; also eine Art geistlicher Adel. Ein Marabut dagegen ist ein Mann, der sich durch besondere Flümnnglcit und Gelehrsamkeit ein hervorragend^ Ansehen ver« schafft hat. 15' 228 Die Bevölkerung Marokkos. unter der heutigen Bevölkerung dieses Landes unterscheiden: die Berber, die nomadisierenden Araber, die städtebewohnenden Mauren (ein Gemisch ans den beiden Vorhergehenden), Negersklaven, hispanische Juden und Christen. Im Norden von Marokko, schon wenige Meilen östlich von Tanger, beginnt ein langer, sich weit nach Osten, bis Tunis, erstreckender, steil nach dein Mittclmeer zu abfallender Gebirgszug, der unter dem Namen 6r rit' bekannt ist (das dentsche Wort Riff hat damit nichts zu thun und der Ausdruck „Riffpiraten" ist falsch). Im Süden des Landes bilden die Parallelletten des hohen Atlas die Grenze zwischen Marokko und der Sahara, zwischen beiden Gebirgen aber dehnt sich, das ganze westliche Marokko umfassend, die fruchtbare Ebene El-Gharb (der Westen) aus, während das östliche Marokko, nach der algerischen Grenze hin, wieder von zahlreichen kleineren Gebirgsketten durchzogen ist. Als nun vor Jahrhunderten die Araber anstürmten und die Nachkommen der alten Mauritcmicr, die heutigen Berber, unterwarfen, zogen sich dieselben in die unwegsamen und rauhen Gebirge zurück, den Eindringlingen die schönen, fruchtbaren Ebenen überlassend. Der Nnabhängigkeitskampf der Berber gegen die Araber danert seit jener Zeit bis auf den heutigen Tag fort; der Sultan von Marokko liegt in der That in permanenter Fehde mit diefcn wilden und tapfereu Bergbewohnern, und fast jedes Jahr ist iu einem Teile Marokkos eine Berber Ka-byM)*) im Aufstande. Diese bergbewohnendeu Berber zerfallen uun in zwei ziemlich scharf von einander getrennte Gruppen: die Berber des Nordens, die sich Am-Iziah (anch Amkzirgh geschrieben) nennen, und die im Süden wohnenden, dic Scheluh; erstere find die sogenannten Ru-wafah, Bewohner des Rifgebirgcs, die gewöhnlich als Kabylen bezeichnet werden. Berber und Araber uutcrfcheidcn sich schon äußerlich: der erstere, der nicht selten blond und blau- oder grauäugig ist, hat eine große, kräftige Gestalt, ist kriegerisch und freihcitliebend, aber anch wild nnd gransam. Durch seine mehr europäischen Ge-ftchtszüge und seine weißere Hautfarbe unterscheidet er sich wesentlich von dem dunkleren, schöneren, meistens weniger kräftig gebauten, *) Es ist Sprachgebrauch geworden, die Bergbewohner Nord'Asrikas einfach als Kabylen zu bezeichnen. 'Nichtiger ist, den 3tamrn der betreffenden Knbyle (Stmmn), z. N. Kabyle bcni Madn'cm A'., hinzufügen. Die Bevölkerung Marokkos. 229 aber intelligenteren und schlaueren Araber, der übrigens ebenso roh und grausam ist, als jener. Der vorzugsweise die Städte bewohnende Maure, also ein Gemisch der seinerseits von den Spaniern vertriebenen Araber mit den Nachkommen der Mauritauier, hat vom Berber die weiße Hautfarbe und vom Araber die höhere Intelligenz, die er jedoch als Kaufmann, Handwerker und Beamter oft zum Nachteil seines Nächsten verweudet. Es ist gewiß auffallend, daß sich unter den Berbern, also einem hamitischcn Volt'östamme, nicht so selten blonde und helläugige Leute finden; man hat wohl mit Recht diese Erscheinung anf das Eindringen germanischer Völker, Vaudalen und Westgoten zurückgeführt, von denen ein großer Teil in dem eroberten Lande geblieben und in der einheimischen Bevölkerung aufgegangen ist. Es gilt dies übrigens mehr von den im Norden wohnenden Anckzigh, wozu also die Rifbewohucr gehören, als von den Scheluh im Süden. Die Landessprache in Marokko ist das Arabische, und zwar der sogenannte maghribinifchc Dialekt, der als der am wenigsten reine gilt. In der That ist derselbe mit vielen berberischen Worten vermischt; die Berber selbst, obgleich die Mehrzahl das Arabische spricht, haben ihre eigene Sprache. Sie treiben Viehzucht und Ackerbau, soweit wie dies in den gebirgigen Gegenden möglich ist, uud es ist erstaunlich, zu sehcu, mit welchem Fleiß diese Bergbewohner dem Undankbaren Boden jedes Fleckchen Erde abzugewinnen wissen, um ein kleines Gerstcnfeld anzulegen. Die Berber des Nordens, also die Rifioten, trieben früher auch eine lebhafte Schiffahrt, und waren als kühne Piraten sehr gefürchtet; bei den Scheluh im Atlasgebirge und den Ländern südlich davon, in Wad-Sus, Tafilalet 2c., findet man eine hocheutwickclte Industrie in Leder- und Mctallwaren. Diese Berber, besonders aber die Rifiuten, find es, die seit den ältesten Zcitrn den aufeinander folgenden Regierungen in ihren schwer zugänglichen Gebirgen meist mit Erfolg Widerstand geleistet haben. Auch jetzt sind, namentlich die Ruwafah, fast unabhängig und zahlen nur dann in Form von Geschenken Stencrn an den Sultan, wenn er oder seine Generale mit überlegener Hceresmacht in ihr Gebiet eindringen. Gefährlich würden sie nur dann dem bestehenden Staatswesen werdeu, wenn sie sich unter einander verbänden, um gemeinsam der Regierung die Spitze zu bieteu. So weit gehen sie aber nicht. Ihr Zweck ist nur, möglichst weuig Abgabeu an den 230 Die Bevölkerung Maroltos. Sultan zu leisten, dem sie als Stellvertreter des Propheten (Kalif) übrigens zugethan sind. Die Bevölkerung Marokkos, Berber sowohl wie Araber, gelten dem Europäer gegenüber als ungemcin fanatisch. Ein gewisser religiöser Fanatismus existiert allerdings, das ist wahr. Der rnmi (Römer), wie hente noch jeder Europäer genannt wird, ist im allgemeinen nicht gern gesehen; das Innere des Wohnhanses, die Mo-scheeen und die verschiedenen heiligen Plätze sind ihm verschlossen; es giebt zahlreiche Mitglieder von religiösen Sekten nnd Orden, die sich an Fanatismus überbieten, nnd in keinem mohammedanischen Staate sind an den großen Festzügen die öffentlichen Umzüge unter der Leitung irgend eines Heiligen so grauenhaft und für NichtMohammedaner gefährlich wie in Marokko, Trotzdem ist es aber der religiöse Fanatismus nicht allein, der dem Europäer das Reifen in Marokko erschwert, es hat einen politischen Grund. Man fürchtet in jedem Europäer eiuen Spion, der imr in das Land kommt, um dasselbe für seine Negierung kennen zu lernen, und besonders mißtrauisch werden Spanier nnd Franzosen angesehen. Bei den Rifioten kommt dann dazu, daß sie sowohl von den Euroftäeru, als auch von den Vertretern des Sultans befreit fein wollen, nnd daher schließen sie sich in ihren Bergen vollständig ab. Die Gebirge Marokkos, speciell das Rif, gehören mit zn den unbekanntesten Teilen Afrikas, noch nie find enropäifche Reifende in diese unzugänglichen Gebirgsgegenden gekommen, wo hinter jedem Felsen eines mißtrauischen Rifioten droht. Ähnlich, wenn anch nicht ganz fo schlimm, ist es im Atlasgebirge, uno meine Dnrchqncrnng desselben glich eigentlich mehr einer Flucht, als einer Reise. Es ist in Marokko Sitte, daß jeder europäische Reifende vom Tultan einen (Mcitsbrief und eine Eskorte von M'chazini, das ist Landgensdarmen, erhält. Man ist aber genötigt, sich an eine ganz bestimmte Route zn halten, die alle Berbcr-landfchaftcn vermeidet. Ich kam wiederholt in Berbcrgegenden, wo man mich nbcr meinen Brief des Snltans auslachte und sich nicht im mindesten darnin kümmerte. Wenn man mich beherbergt und ungcplündcrt weiter ziehen lasse, so geschehe es um Allahs willen, aber nicht, weil es Mnley Hassan wünscht. Die Rufawah, wie überhaupt die Mehrzahl der Berber, sind dnrchaus nicht so strenge nnd fanatische Moslemin wie die Araber, und ihre Feindseligkeit gegen die inmi ist vielmehr auf die Furcht Die Bevölkerung Marokkos. 231 zurückzuführen, ihre Selbständigkeit zu verlieren. Die Mehrzahl der Reisenden schildert diese Leute, sowohl die in Marokko, wie die in Algier und Tunis, als zuverlässiger und anständiger in ihrem Benehmen, als die Araber. Letztere sind in der That das lügnerischeste und treuloseste Voll, das mir je vorgekommen. I)r. Oskar Lenz. II. Die Bewohner des Nlf. Das Atlasgebirgc entsendet an den Quellen der Mulvia nach NO. einen Zweig, den sogenannten kleinen Atlas, der sich ctwas nördlich von Teza wieder gabelt und mit seinen Armen das Littoral umspannt. Der eine derselben zieht nordoftwärts, begleitet das linke Ufer der Mulvia und entsendet eine Abzweigung nach Norden, die mit dem Kap Tres ForcaS endet, der andere wendet sich zunächst nach NW., und folgt dann der Küste bis Ceuta und zum Kap Spartel. Die nördlich von diesem Küstengebirge gelegenen Landschaften, aus Bergknppen und kurzen Thälern bestehend, werden von den Bewohnern das R,f, Er-Rif, genannt, welcher Name, wie man gewöhnlich annimmt, zu den wenigen, in der Sprache der Berbern erhaltenen lateinischen Worten gehören nnd „Uferland" (i-izm) bezeichueu soll. In: engeren Sinne bildete das R'f eine der alten 20 Provinzen des marokkanischen Reiches, und stieß im Westen on El Gharb, die atlantische Küstenprovinz von der Mündung des Sebn nordwärts bis Ceuta, während sie im Osten durch den Fluß Necour von der Provinz Gart geschieden wurde, die an Algerien grenzt. Die Bewohner dieser gebirgigen Küste gehören der Urbevölkerung der Berbern oder Amazirghcn an, welche sich, unerachtet aller Invasionen, denen das Land im Laufe der Jahrhunderte dnrch Miner, Vandalcn, Araber ausgesetzt war, namentlich in den Gebirgsgegenden sowohl an der Küste, wic auf der Hauptkctte des Atlas, ziemlich unvermischt erhalten hat und noch jetzt etwa die Hälfte der Bevölkerung Marokkos bildet. Das Rif ist so wenig bekannt, daß selbst Renou, Verfasser des über Marokko handelnden BandeS der kx,.1n. nUiun 8eiLnM Meter; einige Gipfel 232 Die Bevölkerung Marokkos. sollen 1000—1200 Meter hoch sein; auch Dr. Lenz giebt nur eine kurze Notiz darüber (s. Seite 227). Ueber den Charakter der Bewohner des Rif, die in viele kleine Stämme zerfallen, und ihre Stellung zum marokkanischen Reiche äußcrt sich Graberg di Hemsö, der sechs Jahre als Konsul in Tanger gelebt hat, folgendermaßen: Im allgemeinen ist die Zahl der Amäzirghen, welche dem Sultan Uon Marokko vollständig gehorchen und es nicht etwa bloß aus Handelsrücksichtcn thuu oder um sich die notwendigsten Lebensbedürfnisse zu verschaffen, sehr gering; der größere Teil, fast ^ Millionen Individuen, lebt nnabhängig unter seinen Omzargheu (Herren), Amucranen (Edeln), Amrgaren (Altesten), oder unter erblichen Fürsten seines Stammes. Das Volk wohnt unter Zelten, zuweilen auch in Höhlen an hohen und unzugänglichen Orten, wo es seine Unabhängigkeit behauptet uud uoch im Jahre Ittl!) unter dem Amrgar M'hansche einen blutigen Kampf gegen den Kaiser von Marokko geführt hat, der mehrere Jahre dauerte. Die Anmzirghcn sind von weißer Hautfarbe, mittlerer Statur, schöuen athletischen Formen, rüstig, stark, thätig, lebhaft und meist schlank. Sie unterscheiden sich vornehmlich durch ihrcu spärlichen Bart vor allen anderen Bewohnern Marokkos; wie der Rif-Bcwohner sich wieder durch einen grimmige«, boshaften uud trotzigen Blick vor allen anderen Amazirghen und besonders vor den Schilluchs auszeichnet. Von Temperament sind sie lebhaft nnd aufgeweckt. Ihre Hautfarbe ist weißlich, das Haar nicht selten blond, daß man sie bisweilen eher für Landleute des nördlichen Europa, als für Bewohner Afrikas halten sollte. Sie tragen ein einfaches Hemd ohne Ärmel, und Beinkleider; den Kopf scheren sie und lassen nur auf dem Hinterhaupte die Haare stehen, tragen auch keinen Bart mit Ausnahme eines Knebel- und Kinnbartes. Anf den Berggipfeln bewohnen sie Hütten und bisweilen Höhlen wie die alten Troglodytcu; in der Ebene bauen sie sich Häuser von Stein und Holz, dereu Mauern mit vielen Schießscharten versehen sind. Sie sind trotzig, voller Verwegenheit, wenn sie gereizt werden, unversöhnlich in ihrem Hasse, und treffliche Schwimmer. Ihr Hanptvergnügen ist die Jagd; sie liebeu ihre Muten leidenschaftlich uud sparen kein Geld, um sie mit Elfenbein oder Silber zu verziere«. Sie nähren sich hauptsächlich von der Viehzucht. Ihre Lebensart macht sie zn äußerst kräftigen und unruhigen Menschen; sie sind die erbittertsten Feinde der Christen und übertreffen an FanatismnS und Intoleranz selbst die Maureu. Bilder marokkanischen Aberglaubens. 233 Ganz ähnlich schilderte schon im Jahre 152l> Leo Africanus die Am^zirghen. Sie sind, sagt er, schreckliche nnd gewaltige Menschen, die weder Kälte noch Schnee achten. Ihre Kleidung besteht aus einem wollenen Hemde anf dem bloßen Leibe, und einem Mantel darüber. Um ihre Beine wickeln sie Lappen als Strümpfe. Auf dem Haupte tragen sie nichts, zn allen Jahreszeiten. Sie haben viele Schafe, Maultiere nnd Esel, da ihre Berge wenig bewaldet sind. Sie sind die größten Diebe uud ruchlosesten Verräter auf der Welt. Den Arabern sind sie sehr feindlich gesinnt und berauben sie des Nachts. . . . Die Wände ihrer Häuser bestehen aus Pfählen, die mit Kalk bcworfen sind nnd ein Strohdach tragen. . . . Diese Gebirgsbewohner sind lräftig nnd mutig, und im Kampfe ergeben sie sich nicht lebendig. Sie kämpfen zu Fuß und sind unüberwindlich, wenn sie nicht eine zahlreiche Reiterei gegen sich haben. Sie tragen Säbel und Dolche. Nach Grab erg di Hemsü. Older WMllllischcn AlmgllllldellS. l. Der rettende Wahn. Nichts konnte dem Erstaunen gleichen, das mein spanischer Freund uud ich iu dem wilden Dorfe hervorbrachten, dnrch welches unsere Reise führte. An jeder Thür standen ganze Familien, uns mit glotzeudeu Augeu anstarrend, während die jüngeren Kinder voll Schreck über eine so seltene Erscheinung zurückwichen. Gin Jüngling, der kühner als die andcrcu war, näherte sich unserer Gesellschaft uud fragte den Hadschi, waö wir für Geschöpfe wären? Der Hadschi erwiederte gravitätisch, daß wir Dschins oder böse Geister feien, die er eingcfangen habe und nach Larache führe, nm sie von dort nach dem Lande der Nazarener zn verschiffen; worauf der Bursche heulend nach seiner Hütte entfloh. Wie mir der englische Reisende Davidson, welcher, im Begriff nach Timbuktu vorzudriugeu, im Innern Marokkos ermordet wurde, erzählt hat, herrscht in den Teilen Marokkos, die nur selten von Reisenden besucht werden, der allgemeine Glaube, daß die Frauken in Verbindung mit Heren, Dänionen und über- 234 Bilder marokkanischen Aberglaubens. irdischen Wesen stehen. (Kr hatte mehr als einmal dieses Vorurteil benutzt, um sich aus der Lebensgefahr zu retten, in der er sich unter den wilden Stämmen jener Gegenden befand. Davidson war kahl und trug ein Tuupet. Als er einst von einem Haufen Araber umringt wurde, die seine Habseligkeitcn zu plündern begannen und ihm mit dem Tode drohten, rief er ihnen plötzlich zu, die Macht der Christen zu fürchten, und warf seine Perücke mit den Worten zur Erde: „Da ist mein Haar; eure Bärte werden folgen." Die Araber flohen, indem sie ihre Beute im Stiche ließen. Bei einer andern Gelegenheit, als er astronomische Beobachtungen machte, wurde er von einem Haufen zndringlichcr Araber so eingeengt, daß er seine Arbeit nicht fortsehen konnte. „Ihr Thoren! Sucht ihr deu Untergang?" sagte er endlich, indem er sich zu ihnen wandte. „Erkennt die Macht des Nazarcnen!" Hieranf winkte er einen der Scheichs zu sich und ließ ihn durch den Sextanten blicken, während er den Index langsam bewegte und den Barbaren merken ließ, wie die Sonne ihre Bahn verlasse und sich der (5rde nähere. Blaß vor Schrecken warf der Araber nach einem einzigen Blicke sich ihm zu Füßen und bat um Gnade, indem er ihn anflehte, ihre Herden und Ernten zn verschonen und sie nicht, wic es seiner Überzeugung uach in der Macht des Nazarenen stand, mit Seuche und Mißwachs heimzusuchen. 2. Die bezauberte Turmuhr. Auf dein Minaret der Dschamaa-Kebir, der Hanvtmoschce in Tanger, befindet sich eine grüße Uhr, deren Werke einst in Unordnung geraten waren und der Reparatur bedurften. Keiner von dcn Gläubigen wagte jedoch, sich dieser Aufgabe zu unterziehen, da sio nicht einmal entdecken konnten, wo der Fehler eigentlich stecke, obgleich manche vou ihnen mit großer Würde und Feierlichkeit ihr Urteil darübcr aufsprachen. Unter anderem behauptete einer, daß höchst wahrscheinlich ein Dschin oder böser Geist seinen Wohnsitz in der Uhr anfgefchlagen habe, und man versuchte demzufolge verschiedene Beschwörungsmittel, die, wie jeder wahre Gläubige voraussetzen mußte, vollkommen dazn hinreichten, eine ganze Legion von Teufeln auszutreibcn — aber vergebens! die Uhr war und blieb stumm. Es blieb uichts übrig, als sich an einen christlichen Uhrmacher, „einen verfluchten Nazarener", zn wenden, der znm Glück in der Die bezaubeite Tunmihi. 235 „von Gott beschützten Stadt Tanger" wohnte. Er war aus Genua gebürtig und natürlicherweise ein frommer Christ, weshalb es auch den getreuen Anhängern des Propheten schwer wurde, ihm einen solchen Dienst anzuvertrauen. Die Uhr war in der Mauer des Turmes befestigt, nnd man konnte unmöglich dem Kaffir erlauben, das Bethaus Allahs mit seinen gottlosen Fußstapfen zu bestecken. Der eine schlng vor, die Reparatur lieber ganz auszugeben; ein anderer wollte Bretter über deu heiligen Fußboden legen, damit der Ungläubige ihn nicht berühren möchte; aber man hielt dieses nicht für eine hinlängliche Sicherheit, nnd es ward endlich beschlossen, einen Teil des Pflasters anfzureißen, auf den der Kaffir treten würde, und die Mauern anznweißen, an denen er vorüberging. Man schickte also jetzt nach dem Ehriston nnd sagte ihm, was von ihm verlangt werde, indem man ihm vor allem einschärfte, die Schuhe uud Strümpfe beim Eintritt in den Tempel abzunehmen. „Das thn' ich nicht," erwiederte der tapfere kleine Uhrmacher; „ich habe sie nie abgenommen, als ich die Kapelle der heiligen Inngfrau betrat" — hier bekreuzte er sich mit großer Alidacht -^ „und werde sic gewiß nicht im Hanse eures Propheten abziehen." Die Mauren verfluchten in ihrem Herzen den Uhrmacher nnd fein ganzes Geschlecht und gingen bestürzt nnd verlegen auseinander. Die weisen Ulemas versammelten sich am andern Morgen; aber weit entfernt zn einem Entschluß zu kommen, waren sie am Mittag auf eben dem Punkte wie vor dem Frühstück, bis endlich ein graubärtiger Mneddin, der seither geschwiegen hatte, das Wort verlangte. Der Kaid nnd der Kadi nickten ihre Einwilligung. „Wenn," begann der ehrwürdige Priester, „die Moschee banfällig ist und Kalk und Ziegelsteine nach dem Innern derselben geschafft werden, läßt man diese Bürden dann nicht dnrch Esel hineintragen, nnd sind diese Esel nicht beschicht (d. h. mit Hufeisen beschlagen)'!?" „Allerdings!" war die einstimmige Antwort. ^ „Und glanbt der Esel", fuhr der Mueddin fort, „an Einen Gott oder an Mohammed, den Propheten Gottes?" — „Freilich nicht," erwiederten alle. — „Nun denn." versetzte der Mneddin, „laßt den Christen beschuht wie ein Esel hineingehen nnd wie ein Esel herauskommen". — Die Gründe dcö Mncddin fanden allgemeinen Beifall und in dcr Eigcnfchaft eines Esels betrat der Ehrist die Moschee von Tanger. Drumond Hay. (Western Barbary. L.) Nach 236 Kulturfeinblichleit des Mohammedamslimö. Kultulftindlichkeit des WolMmdamsnM. i Die marokkanische Frage. — Der Mohammcdaniömlis fremd lind feindlich der Kultur imd ohne Vaterlands^efühl. Mag man nun sagen, was man will, mag man es leugnen oder verheimlichen wollen: es giebt eine marokkanische Frage. Vielleicht bemüht man sich, sie zu ersticken, zu vertuschen: für lange Zeit wird es nicht gehen. Noch weniger aber wird man der Lösung der nordwestafrikanischen Angelegenheit für immer ans dem Wege gehen können. Ebensowenig wie die Türkei im Frieden sich hat entwickeln und auch nur annähernd auf die Kulturstufe der christlichen Länder Europas hat schwingen können, ebensowenig wird Marokko friedlich sein Geschick und seiue Bestimmung erreichen. Hat doch selbst das Land, welches man von allen mohammedanischen Ländern das bestcivilisierte nennen konnte, das alte Pharaonen-Reich, auf regelrechte Weise sich zu einem Staate nicht Zusammenschließen können. Es liegt das im innersten Wesen aller mohammedanischen Länder. Wir sehen wohl, wie in den dem Islam unterstehenden Ländern die Elite der Bevölkerung den civilisatorischcn Ideeen huldigt; aber überall bleibt das Volk davon unberührt. Nud selbst wenn die vornehme Bevülkcrnng mohammedanischer Länder Sinn zeigt für Kultur und höhere Gesittung, so beschränkt sich die Regierung dafür mehr auf die damit verbundenen Äußerlichkeiten, als auf das ernste Wesen der Sache. Dazu kommt noch, daß in allen mohammedanischen Ländern dem Volke das Vatcrlandsgefühl abgeht. Den Anhängern einer Religion, wie der mohammedanifchen, geht eben ihre Religion über alles. Der Türke so gut wie der Marokkaner kennt wohl einen Mislim, er sagt wohl, „ich bin Miölim und du bist ein Deutscher" (auch dies erst in neuerer Zeit, sonst stets „Christ" für alle Europäer), aber er sagt uie, „ich bin ein Türke, odcr ich bin ein Marokkaner". Der Mohammedaner unterscheidet nnr „Gläubige" und solche, die ein „Buch" haben (Juden und Christen), und endlich „Ungläubige". Für gewöhnlich nennen die Mohammedaner aber alle Andersgläubige einfach „Ungläubige", also auch Juden lind Christen. Daß es in mohammedanischen Ländern aus religiösen Kulturfeindilchkeit des Mohammedanismus, 23? Gründen nicht zur Entwickelung des Vaterlandsgcfühls kommen konnte, war ein Grund der Schwäche. Ja, wenn die europäischen Staaten in richtiger Erkenntnis dieser Thatsache schon früher die mohammedanischen Länder hätten befreien wollen, nichts würde sie daran verhindert haben. So mächtig auch die Wirkung sein mag, die in der Verteidigung seines Glaubens liegt, bei denkenden Völkern ist die Verteidigung des Vaterlandes ein viel mächtigerer Hebel. Seinen Glauben kann man am letzten Ende mit sich hinwegtragen, aber niemand trägt sein Vaterland mit hinweg. Vor wenig hundert Jahren verließen allerdings noch Franzosen des Glaubens wegen ihr schönes Frankreich; aber man wird zugestehen, daß um diese Zeit das Nationalbewußtsein auch in den christlichen Ländern noch nicht geweckt war. Dazu kommt noch, daß in Ländern die Völker leine aus ihuen Herriorgegangene Negierung, keine nationalen Fürsten haben, sondern von einer fremden Dynastie beherrscht werden. In der europäischen Türkei herrscht bei überwiegend christlicher Bevölkerung ein Osmanli. In Ägypten herrscht die Dynastie dcr Mehemed Aliden, ausMace-donien stammend, welche nichts mit den Kopten und den Fellahs, den UreinwohnernvonÄgypten zu thuuhat. IuMarokko regiert die Dynastie dcr Schürfa (Schurafa, Plur. vou Scherif), also Abkömmlinge von Mohammed, welche aber miudestens zwei Drittel der Bewohner, den Berbern, welche man als die Ureinwohner des Landes betrachten darf, durchaus fremd ist. Bis auf dcu jetzigen Herrscher des Landes waren stets die Sultane von Marokko die größten Christenhasscr, die vollendetsten Tyrannen, viele von ihnen die unmenschlichstell Wüteriche und alle jeder Civilisation abgeneigt. Dabei waren die Sultane von Marokko von einem religiösen Fanatismus beseelt, der an Wahnsinn grenzte und zugleich von einer Verachtung für Andersgläubige begleitet war, welche nur noch durch ihre Unwissenheit übertroffen wurde. Gerhard Rohlfs. II. Islam und Afnlaforschung. Von Dr. Oskar Lenz. Jeder christliche Neisende in der Nordhälfte des Kontinents hat neben dem Kampf mit Klima und räuberischer Bevölkerung auch 2Z8 Kulturfemdllchkeü des AiohaunnedanismuZ. noch den Kampf mit dem Islam aufzunehmen, und hieran sind eben mehr Forscher gescheitert, als an anderen ungünstigen Verhältnissen der Zu bereisenden Länder. ES ist leicht begreiflich, daß ein Reisender, der wegen seiner Eigenschaft als Christ von den Tnarik totgeschlagen worden ist, eine allgemeinere Teilnahme erregt, als eiu anderer, der dem Tropeuficbcr erlag, und da die Zahl derer, die dem mohammedanischen Fanatismus zum Oftfcr ficlcu, gar nicht so unbedeutend ist, so begleiten den in mohammedanische Länder ziehenden Forscher neben den allgemein menschlichen Sympathiecn noch speciell diejenigen des Christen. Zwar zeigt fast jede Religion das Bestreben, die wcltherrschendc zu werden, nnd nur die Mittel dazu sind verschieden, aber keine hat sich dieser Aufgabe in rücksichtsloserer Weise zn entledigen gefncht, als der Islam. Er ist die einzig privilegierte Religion von Gottes Gnaden und darf keine andere als ebenbürtig anerkennen; wo aber der Islam nntcr der Bevölkerung Gingang findet, soll anch gleichzeitig das Land in den Besitz der streitbaren Missionare übergehen. Der Islam verlangt die Weltherrschaft und war zweimal nahe daran, etwas derartiges zu erreichen: einmal im achten Jahrhundert nnd dann im sechzehnten. Er wurde über die Pyrenäen und die Donau zurückgedrängt und gegenwärtig, wohl schon seit Anfang dieses Jahrhunderts, führt er in Europa wenigstens nur eiue klägliche Scheineristenz. Wohl breiten sich die Bekenner Mohammeds in Afrika nnd Indien gewaltig ans, aber die rohen Negerstämme Inner-Afrikas, die mühselig ihr Allah Kcbir plappern können, werden wohl nie so gewaltige Allahstrcitcr werden, wie Araber nnd Türken. Für Europa kann also der Islam nie wieder eine Gefahr werden; die Drohung der Entfaltung der „grünen Fahne des Propheten" nnd die „Erklärung des heiligen Krieges" hat ihre Bedentnng verloren, nnd höchstens in Asien oder Afrika könnte damit eine vorübergehende Hemmung in der allgemeinen Entwickelung eintreten. Der Islam hat scheinbar etwas Imposantes, wenn er in seiner ganzen Größe uud Reinheit dasteht, aber sowie er sich nur Zu irgend einer Konzession gegenüber der modernen europäischen Kultur hergiebt, wird er zu lächerlicher Karrikatur. Derselbe muß sich prinzipiell völlig ablehnend gegenüber dieser Kultur verhalten, er will nnd darf dieselbe nicht acccpticrcn nnd von diesem Gesichtspunkte aus verschließen sich die Mohammedaner — mögen es Araber oder Türken, Berber oder Neger sein — dem Eindringen abendländischer Kultuifeindüchkeit des Mllhammedcmiömus. 239 Emissäre. Die echten Gläubigen fühlen, daß, sowie das Volk sich mit europäischen Anschauungen vertrauter macht, das Reich des Islam zu Ende ist; ein so starres, konservatives, jeden Fortschritt absolut ausschließendes Rcligionssystem kann nur bestehen, wenn es völlig intakt gelassen wird, und für den frommen Muslim darf es nichts weiter auf Erden geben, als den Koran und dessen Ausleger. Die Folge ist also in Afrika uud einem Teile Asiens die religiöse Unduldsamkeit, die dann beim gemeiuen Mike oft ill der rohcstcn Weife zum Ausdrnck kommt, und unter der die eurupäifchcn Pioniere der Wiffeufchaft in erster Linie zu leiden haben. Mit diesem Fanatismus paart sich eine im Charakter aller Morgenländer liegende unbegrenzte Habgier, die gemeiniglich noch größer ist, als die religiöse Unduldsamkeit und der die Religion oft genug nur als Vorwand für systematisch ausgeführte Räubereien, Mord und Totschlag dienen muß. Der Zahlreichen Europäer, die jetzt als Touristen den sogenannten Orient besuchen, bringen vielfach eine falsche Meiuuug vom Islam und den Mohammedanern mit. Sie reisen unter dem Schuhe Europas und sehen nur das dem Neuling sicherlich Interessante des mohammedanischen Lebens; ihnen imponieren die ruhigen, würdigen Gestalten der Araber und Türken, die gläubig auf den Ruf des Muezzin hin zur Moschee schreiten, nm sich vor Allah in den Staub zu werfen. Dabei wissen sie nicht, das; in diesen Ge-beten zur Vertilgung der Ungläubigen aufgefordert, wird und daß den Gläubigen, der sich besonders im Kampf für die einzige uud heilige Religion Mohammeds ausgezeichnet hat, unaussprechliche Freuden dereinst erwarten. Harrt doch seiner ein Paradies mit blumenreichen Gärten, kühleudcu Quelleu, köstlichem Wasser und schönen Houris. Aber diese Vorliebe für die Mohammedaner haben nicht bloß die flüchtig durchreifenden Touristen; auch zahlreiche Geschäftsleute erklären, viel lieber mit Türleu und Araber verkehren zu wollen, als mit den im Orient ansässigen Christen. Es kann nicht geleugnet werden, daß diese letzteren infolge dcs Jahrhunderte langen Druckes jenes Gefühl für Rechtlichkeit verloren haben, das als Basis eines gcsnnden Handels angesehen werden muß. Der Islam erzieht seine Vekeuner direkt zur Heuchelei uud Lüge gegenüber dem Ungläubigen, und jeder, der längere Zeit mit Mohammedanern zu thun gehabt hat, wird sich gewiß bitter beklagen 240 Kulturfeindlich lcit deö Mohülnmedaniömus. über die Lügenhaftigkeit und Treulosigkeit derselben; dic wenigen Ausnahmen beweisen eben nur die Regel. Daß es kein zu scharfes Urteil ist, wenn man den Mohammedanern Raubsucht und religiöse Unduldsamkeit vorwirft, dafür giebt es Belege genug. Mau sehe nur einmal die Liste der Opfer au, die in den letzten fünf oder sechs Decennien, seit Beginn der modernen Afrikaforschung der Habgier und dem Fanatismus in Nord-Afrika erlegen find: Der englische Major Gordon Laing, ermordet im Jahre 1>>2'', ermordet im Jahre 18(!!> im Wad Aberdschudsch zwischen Murzuqu und Rhat; die französischen Reisenden Dorneanx-Duperr« und Ioubert, im Jahre 1872 ermordet vier Tagereisen südöstlich von Rhadames; Bouchart, Paul-mier und M«'uoret, 1^75 ermordet in Metlili, auf dem Wege zum Tuat; die beideu eingeborenen Führer des Reisenden Largeau, 1876 ermordet auf dem Wege nach Rhat; die Ermordung des österreichischen Malers Ladein im Jahre 1,^<> in Marokko; die Verbrennung eines Iudeu in Füs, der Hauptstadt Marokkos, während meiner Anwesenheit daselbst im Iannar desselben Jahres; der Überfall der Gallienischeu Expedition nach Scgu seitens mohammedanischer Vam-boraneger im Jahre 1«kl; das furchtbare Gemetzel unter den Mitgliedern der Expedition Flatters; dic Ermordung dreier nigerianischer Missionare, des P. Richard und feiner Begleiter bei Rhadames im Dezember 16«I; Karl Sollcr, ermordet I,^l am Schott Debaia im Wad Draa; die Nernichtnng der italienischen Expedition Giulietti auf dem Wege von Assabbai uach dem Qalima; die Ermordung des österreichischen Reisenden l)i'. Langer durch Araber (auf asiatischer Seite); ferner die Gefangenschaft Barths in Timbuktu und die Gefangenschaft Nachtigals bei den Tubu; die lebensgefährliche Verwundung von Gerhard Rohlfs im Jahre 1864; die Plünderung der Rohlfoschen Expedition nach Knfrah 1879 durch Leute der Sekte Es Sennsi; die Plünderung Soleillets auf dem Wege von Senegal nach Adran 18?!», fowie den Angriff auf mich und mcine Begleitung durch die Ulad cl Alasch bei Timbuctu, die geplante Massakrierung meiner Expedition durch Sidi Hussein in Ilerh und der Angriff des Pöbels auf mein Haus in Tarudam im Jahre 18«<». Die Aufstände in den letzten Jahren in Algerien, Tunis und Ägypten sind reich an Berber und Araber in Marolko. 241 Gräuelthaten gegen Andersgläubige. Die Ermordung von Hunderten friedlicher spanischer Kolonisten durch die Horden Bu-Amenas in Algier und das Massacre von Alexandrien zeigen, daß eine Kafir-hche. wie sie seinerzeit in Syrien stattfand, durchaus kein unmögliches Ereignis heutzutage noch ist, Die Art und Weise, wie im Vorigen Jahre der hochgelehrte Professur Palmer und seine Begleiter Lieutenant Charrington nnd Kapitän Gill auf der Sinaihalbinsel ermordet wurden, zeugt von einer bestialischen Grausamkeit der dortigen Araberhorden. Und auf was anderes läßt sich der neueste Aufstand des Mahdi. des falschen Propheten im ägyptischen Sudan zurückführen, als auf einen neuen Versuch des Islam, sich der modernen Kultur und damit seines Zusammensturzes zu erwehren. Kerbet und Araber in Marokko. Gegensätze ihrer Charaktereigenschaften und Lebensweise. Nach Friedrich Müller und Schwejger»Lerchenfeld. Die Berber bilden mit den Ägyptern, Bedschas, Somal, Dankal und Gallas den hamitischen Stamm der sogenannten mittelländischen Rasse. Die heutige Sprachforschung hat nachgewiesen, daß die Sprachen aller dieser Völker aufs innigste miteinander verwandt sind und daß sie sich vermöge der ursprünglichen Einheit ihrer Form nur als Abkömmlinge einer in ihnen aufgegangenen Ursprache begreifen lassen. Die Sprachforschung hat ebenfalls die genaue Verwandtschaft der hamitischcn Sprachen mit den semitischen nachgewiesen, sodaß eine ursprüngliche Eiuheit der Semiten und Hamiten bestanden hat und beide Stämme in grauer Vorzeit sich von einander abgetrennt, und gesondert sich gauz eigentümlich entwickelt haben. Ticse Stämme sind alle aus Asten eingewandert. Im Laufe der Zeit haben die Berber, die heute unter dem Na-wen Imoscharh (auch Imnharh, Anu>.zirghen, Mazig, Tuarik) zusammengefaßt werden, sich mit fremdem Blute bedeutend vermischt; als direkte Nachkommen der alten Libyer, Numidier und Gantuler bilden sie eine weit ausgebreitete, zum teil nomadisierende Nation, welche das ganze westliche Nordafrika bewohnt und namentlich alle Baum garten, Afnla. 16 242 Berber und Araber in Marokko. Oasen der Sahara inne hat. Die einzelnen von einander unabhängigen Staaten führen besondere Namen: die in den Gebirgen von Algier und Tunis wohnenden heißen Kabylen (arab. Hkdeul, d. i. Stämme), die Gebirgsbewohner im südlichen Marokko Schulluh (He!iM'»o1l6n) u. s. w. Die Einwanderung der Vandaleu, welche helle Hautfarbe, rotblondes Haar und blaue Augen hatten, hat bewirkt, daß einige nordafrikanischc Berberstämme andere Raffen-lennzeichen haben, als die von der Vandalen-Einwanderung nicht berührten Stämme, namentlich die der Sahara. In Marokko brachte die Verschmelzung mit den Arabern in dem altberbcrischen Urstamme der Mauruser jene typischen Veränderungen hervor, welche die heutigen Maurcu von den übrigen, eigentlichen Berbern unterscheiden. Die Verber nahmen zwar nach der islamitischen Invasion die Lehre Mohammeds an, aber sie blieben in ihren Charaktereigenschaften, ihren Sitten und physischen Eigentümlichkeiten die Alten. Schweiger-Lerchenfeld schildert (Österreich. Monatsschrift für den Orient 1^82. Nr. !) die Gegensätze zwischen Arabern und Berbern in folgender meisterhafter Weise: Schon das Äußere unterscheidet den Berber vom Araber. Während er, der Araber, schwarze Augen und schwarzes Haar, ovales Gesicht auf langem Halse hat, erscheint der Berber mit viereckigem Kopf, mehr in den Schultern steckend, und meist blauäugig und rothaarig; der Araber bedeckt den Kopf und womöglich die Füße; der Berber hat Kopf und Füße nackt, trägt ein langes, wollenes Hemd, Gamafchcn, Schurzfell nnd einen Hmk — alles schmutzig und zerlumpt, vom Großvater auf den Vater und von diefem auf den Sohn vererbt. Der Araber lebt unter den: Zelte, das er weiter trägt; der Berber in fester Niederlassung und haftet am Boden. Der Araber ist arbeitsscheu, der Berber fleißig und anstellig. Wenn jener nur notgedrungen sich zum Ackerbau versteht und am liebsten seine Herden weidet, baut dieser seine Thäler gartenmäßig uud ergiebt sich mit gleichem Eifer dem Handwerke als Bergmann, als Schmied, und von Alters her als Falschmünzer. Doch scheint dcr letztere Betrug der allein landesübliche; denn während der Araber sich sehr aufs Lügen versteht und auch im Kriege den Verrat liebt, wäre die Lüge für den Berber (wenigstens für den berberifchcn Kabylen) eine Schmach, und seinem Angriff schickt er die Kriegserklärung voraus. Der Araber läßt sich den Mord abkaufen, unter den Berbern muß Gegensätze ihrer Charaktereigenschaften und Lebensweise. 243 der Mörder sterben und giebt es überhaupt das Rccht der Blutrache. Der Berber ist stolz, seiucn Schutz auch über Unbekannte zu üben; er liebt die Freiheit über alles und hat sich nie unter einen Sultan gebeugt, wie die Araber. Dennoch wird nicht zu leugnen sein, daß das berberisch-arabische Mischlingsvoll der Mauren das Berbertum weit überragt, und daß es einst der Träger einer Kultur war, die im moslemischen Orient weder früher noch später ihres Gleichen hatte. Es war dies das klassische Zeitalter des spanischen Maurentmns. Aus den Trümmern des Ommejaden-Reiches ging eine ganze Menge berberisch-maurischer Dynastieen hervor, die aber arabischen Kunststil, arabische Wissenschaft uud Dichtkunst sich angeeignet hatte. Zumal die Dichtkuust fand begeisterte Pflege. Ein rasch und treffend erdachter Vers konnte ein Dorf eintragen oder die Kette des Gefangenen sprengen. Der Ackersmann dichtete hinter dem Pfluge, und die Staatskanzlei schickte diplomatische Noten in Kassidenform. Wir treffen eine Lyrik des Weines und der Liebe, die auf eine nicht-moslemische Freihaltung der Frauen schließen läßt, wie sie sonst im Orient unbekannt ist. . . . Cs «ersteht sich von selbst, daß an Höfen, wo man den Weintrunk statt des Frühgebetes eingeführt, wo man den trockenen Gaumen der Derwische verhöhnt, gazellenschlanke Mädchen für die wahren Muezzins, deren Augen für die beste Lampe zum Erleuchten der Klause erklärt — daß dort auch keine Spur von Glaubenszwang gegenüber den Nicht-Moslemen vorhanden war. Damals war es jedem Christen unbenommen, sich einer Handelskarawane, die von den nordafritani-schen Küsten nach dem Innern des Kontinents abging, anzuschließen, was heute selbst Reisenden, die unter den Fittichen einer offiziellen Persönlichkeit oder in der Maske als Moslem reisen, allemal schwer wird. ... Ueber das gegenwärtige Verhältnis zwischen den Mauren und den Berbern läßt sich in Kürze sagen, daß es ein schlechtes ist. Heiraten zwischen beiden Völkern kommen so viel wie gar nicht vor, und der gegenseitige Verkehr ist auf ein Minimuni beschränkt. Der Schlüssel zu diesem Verhältnisse findet sich leicht, wenn man die eigentümliche Stellung der Berber unter allen Völkern des afrikanischen Nordrandcs und ihre Vergangenheit in Betracht zieht. Die berberisch-arabische Blut- und Rafsenmischung, wozu noch spanische und italienische Elemente kommen, steht zu dem reinblutigen Berbertum oder zu der berberisch-vandalischen Blutmischung im strengsten 1«' 244 Berber und Araber in Marokko. Gegensatze. Dazu kommt noch, daß die Machthaber nicht der Berberrasse angehören und sich sonach von vornherein in einem nationalen und politischen Gegensatze zu der Urbevölkerung befinden. Auch Lebensweise und Sitten entscheiden mit. Dennoch dominiert beispielsweise in Marokko das borberische Element ganz bedeutend. Von der Gesamtbevölkerung des Gebietes sollen dic Berber mindestens zwei Drittteile ausmachen. Hinsichtlich der räumlichen Verteilung gestaltet sich das Verhältnis für die Berber in uoch höherem Grade günstiger; denn da sie die eigentliche Landbevölkerung repräsentieren und alle Gebirgsstriche occupiert halten, während die Mauren nur die Städte oder dcrcn engern Bereich einnehmen, fallen auf jeuc ein Fünftel, auf diese vier Fünftel des Gesamtarcals. Die Berberstämme Marokkos sind, wenn man sich ihr Verhältnis zu den Machthabern Vergegenwärtigt, nur nominelle Unterthanen des Sultans. Sie selber dünken sich vollkommen frei, und jede Abgabe an den Staat lann ihnen nur durch List uud Gewalt abgerungen werden. So oft der Snltan zu dem Entschlüsse gelangt, von den Berbcrstämmcn Abgaben zn erpressen — was häufiger als billig zu geschehen pflegt —, so läßt er sich durch die betreffenden Statthalter der Provinzen einen beiläufigen Überschlag des Ertrages der Ernten und Herdm gcben und bestimmt darnach seine Forderung. Hierauf wird diese den verschiedenen Tribus durch ihre Marabuts verkündet und die Mahnung beigefügt, der Abgabcnleistung gutwillig nachzukommen. Allein selten wird dieser Forderung Folge geleistet, ja die Marabuts selber sind diejenigen, die die Abgabcnverweigerung in erster Linie verursachen und den Widerstand nach Kräften schüreil. Ist dieser zum offeuen Ausbruchc gelangt, fo bietet der Sultan feine Streitkräfte auf, und aus der Abgabcnverweigerung entwickelt sich ein regelrechter Krieg — natürlich ein solcher nach einheimischen Begriffen, mit Mord und Totschlag, Plünderung und Raub. Man nennt dieses Verfahren „eine Provinz auffressen", uud man muß gestehen, daß der marotlanifchc Staat „einen guten Magen hat"___Natürlich bleiben die Repressalien seitens der Berber nicht aus. Ihre Einfälle in die Thalgebicte, die immcr elementar hereinbrechen uud ihren Zweck vollständig erfüllen, richten ganze Provinzen zu Grunde nnd verwandeln blühende Anwesen in cinc Wüste, weuu nicht in cincn mit Leichen besäetcn Kirchhof. . . . Die Westküste von Afrila. 245 Die Westküste von Afrika. Die Küste uon Goree bis zum AWKalabai.Strom. — Schilderung uon Tule-Town. — Der Negeikünig. — Die Eingeborenen. Die afrikanische Westküste ist, ihre Nähe zu Europa in Betracht gezogen, von allen zu Wasser erreichbaren Ländergcbieten das verhältnismäßig von Reisenden am wenigsten besuchte, und obwohl die englischen Postboote jetzt allmonatlich cine regelmäßige Verbindung zwischen ihren wichtigsten Punkten unterhalten, werden die gefürch-teten Klimafieber für immer Jeden abschrecken, den nicht sein Geschäft, Beruf oder die Nissenschaft dahinführm. Die Dampfschiffe, dic auf den canarischen Inseln anlaufen, berühren die afrikanische Küste zuerst in der französischen Niederlassung Goree südlich am Senegal, in einer Bucht des dort nur mit spärlicher Vegetation bedeckten Festlandes. Die nächste Station bildet das englische Bathnrst, au der Mündung des Gambia gelegen und Sitz des dortigen Gouverneurs. Der Pflanzenwuchs wird reicher und üppiger, besonders wenn man die Region der Mangrovebüfchc passiert hat, doch bleibt die Küste ein einförmig flacher Streif, bis sie sich in den malerischen Kuppen der Bucht von Sicrra-Leone zu heben beginnt. Liberia liegt am Fuße des dichtbelaubten Kap Mount, und dann nimmt die sorgfältig angebaute Kornküste ihren Anfang, wo überall Dörfer und weiße Türme aus den duukcln Vüfchen hervorschauen, und Hundertc von Booten, gcfchäftig vom Lande stoßend, das Meer bedecken, sobald das Dampfschiff in Sicht ist. Kühn springt im Süden das Kap der Palmen vor, welches das Gebiet der Manou- oder Krufamilic durchschneidet, und dann tritt die Küste in die weite Bucht von Gninea zurück; der Name Guinea hat sich aus dem Mittelalter, von dem goldrcichen Guinauha her vererbt, und scheidet sich in Nord- und Süd-Guinea, als deren Grenze das Kamerun-Gebirge, Fernando-Po gegenüber, angenommen wird. Östlich vom Kap Palmas beginnt das wellenförmige Hügelland der (Holdküste, vielfach auf den Höhen uoch mit den Kastellen jener Zeit des Faustrcchts gekrönt, wo dort die seefahrenden Nationen Europas, Niederländer, Engländer, Franzosen, Dänen, mit Blut und Leben um Gold und Sklaven feilschten. Einige derselben dienen 246 Die Westlüste von Aftila. noch jetzt zu Handelscomfttoiren und Garnisonen, haben aber vielfach ihre Herren gewechselt, und das alte El-Mina, die erste portugiesische Niederlassung in Guinea, ist jetzt in den Händen der Holländer. Das sogenannte Cap-Eoast-Castle, wenige Stunden von El-Mina gelegen, bildet einen Aulegeplatz der Dampfschiffe, und über die Berge sieht man die Heerstraße hinziehen nach Eoomassie, der Hauptstadt des mächtigen und schrecklichen Aschantireichs. Auf ihr stiegen verschiedene Male die Legionen seiner gefürchtcten Kricgs-scharen nach dein Meere hinab, und mehr als einmal hing der Bestand der englischen Niederlassung an einem schwachen Faden. Doch gelang es, sie zu behaupten, und dadurch bleibt der König von Aschauti vum Meere abgeschnitten, wogegen sein nebcubuhlerischer Nachbar, der König von Dahomey, gleich im ersten Anlauf der Eroberung die europäischen Forts von Wyhdah zerstörte, uud so sich einen offenen Ervmtatiousmarkt für seine Sklaven schuf. Weiter südlich beginnen die Flüsse, auf denen der jedes Jahr an Bedeutung zunehmende Palmölhaudel getriebeu wird, die lange bekannt, aber kaum beachtet waren, deren Mündungen aber jetzt der Reisende in andächtiger Beschauung hiuaussegelt, denn er weiß, daß in ihnen die Wellen des viel gesuchten Niger rollen. DaS Dampf-boot läuft gewöhnlich in Bonny an, besucht dann später noch den Alt-Kalabar uud Kameruu, uud schließt seine Fahrt in Fernando-Po, von wo es nach England zurückkehrt, dieselbe Stationsroute iu umgekehrter Richtung durchlaufend. Wir befinden uus vor der Münduug des Alt-Kalabar, eines in einer imposauteu Wasscrmasse, deren Breite auf zwölf bis füuf-zehn (eugl.) Meilen gefchätzt werden mag, ausströmenden Flusses. Bis zur Papageien-Insel (Parrot-Islaud auf den Karteu), wo ein dichter Wald vou Rhizophoren täglich neues Land bildet, kann die Einfahrt als ein 'Arm der See oder eil« Astuarium betrachtet werden, der noch verschiedene andere Zuflüsse aufnimmt. Die Küste Afrikas blickt niedrig uud trüb aus dem trüben Wasser iu einen grauen Nebel hinein, der dem spähenden Auge jeden Anblick des mächtigen Kamerun-Gebirges, das seitlich aufsteigen muß, entzieht. Etwa fünfzig Meilen aufwärts erreicht man Duke-Town (4" 57< 6b" nördl. Br.), dcu Haupt-Stapclort dieses Flusses, auf einem freien, ansteigenden Terrain, dessen frischere Vegetation angenehm gegen die dunkeln Mangrovebüsche absticht, die vorher die Ufer bedeckten. Die Die Westliche vui, Afrila. 247 Lehmhäuser der Neger stehen unter und an dem Hügel, von dem die freundlichen Wohnungen einer englischen Misftonsstation, im europäischen Stile gebaut, herabschauen. Der Kalabar war lange Zeit ein bedeutender Ausfuhrhafen für Sklaven, aber in einem 1842 auf Verlangen der englischen Kreuzer unterzeichneten Vertrag machten sich die damaligen Häuptlinge Eyo und Eyamba, verbindlich, dem Menschenhandel zu entsagen, und seitdem hat die Kultur des Palmöls und seine Ausfuhr bedeutend zugenommen. Sie ist fast ganz in den Händen der Engländer, und mehrere Ölschisfe, die in ihrem abgetakelten Zustande, mit Strohdächern überbaut, schwimmenden Häusermassen glichen, lagen auf dem Fluß vor Anker. Die Hütten des von den Engländern Duke-Town genannten Fleckens, der bei den Gingeborenen Atarpah heißt und gegen tausend Familien enthalten mag, stehen ordnungslos auf dem unebenen Terrain umher, so daß von Straßen, deren Reihen zwar angedeutet, aber nicht eingehalten sind, kaum eine Rede sein kann, zumal jeder die Straße zugleich als Hof benutzt, um allen Unrat dorthin zu werfen. Der Boden ist ein roter Lehm, der bei Rcgeuwetter sich in einen schlüpfrigen Morast verwandelt, und macht es oft bedenklich, die Abhänge hiuabzuspriugen, die meistens ein Haus von dem andern trenueu. Die Häufer selbst sind aus leichtem Fachwerk aufgeführt, das von außen mit Thou befchmiert und von innen durch Matten und Abteilungen getrennt ist. Viele derfelben standen zer-falleu oder wenigstens uubcmcht, da der Sohn beim Tode seines Vaters die Wohuuug sür ein ganzes Jahr leer stehen läßt, nm die Ruhe der Seele, die solange darin fortlebt, nicht zu stören. Ehe er aufs neue einzuziehen wagt, errichtet er ein sogenanntes Teusels-h aus für die jetzt heimatlose Seele, wo sie von den uekromantischen Eeremonieen-Kuudigen beschworen uud zu den gewünschten Aussprüchen gezwungen werden kann. Die Häuser dcr Ncichcu schließen freie Plätze ein, um welche Veranden laufen, und tragen mitunter einen balkonartigcn Aufsatz als zweiten Stock, zn welchem Treppen hinaufführen. Man könnte leicht versucht sein, viele derselben für Möbelmagazine oder die Bude eiucs antiquarischen Trödlers zu uehmeu, da der gute Ton unter der Ncgcraristokratie verlangt, ihre Wohnuugen möglichst mit alleu Arten europäischer Luxusartikel vollzupfropfen, obwohl niemand an ihre Benutzung denkt, oder sie auch nur verstünde. Einen der Matadore 248 Die Westlüste von Afrika. des Kaufmannsstandes, der uns zu sich einlud, fanden wir in seinem Prunkgemach fo eingepfercht zwischen zerbrechlichen Porzellan-, Glas-Spielsachen, die auf dein Boden umherstanden, daß er weder Hand noch Fuß zu rühren wagen durfte — eine Verurteilung zum Stillsitzen, die ihm auscheiuend sehr behagte. Noch überfüllter war ein Saal in der obern Galerie, der die sonderbarste Rumpelkammer der ihm von den Kapitänen gemachten Geschenke bildete, nnd wo es der Mühe wert gewesen wäre, die Veränderungen der Mode in den letzten fünfzig Jahren zu studieren, von dem Roccoco-Armsessel an bis zum amerikanischen Schaulclstuhl. Da waren Fortepianos, Tische, Stühle, verschiedene Tafcluhrcn mit und ohne Getriebe, Alabastervasen, Trinkbecher, Seidel nnd Schoppen, Kronleuchter und Lampenglocken, Teller, Suppenterrinen und Bratschüsseln, alles in der barocksten Manier aufeinander gestapelt. Die Wände waren bedeckt mit Ziertöpfen, Spiegeln und Bildern in solchem Überfluß, daß es oft nötig war, zwei oder drei übereinander zu hängen, um Platz zu finden. In einem Nebeuhof standen die Hänser für die Frauen des Harems, die am Kalabar schwere, messingene Trichter an den Veinen tragen, so daß sie sich nur in einem langsamen, schleppenden Gange bewegen können. Die Reicheren besitzen eine große Zahl derselben, besonders der König, mit dessen Frauen nur zu reden schon als ein Kapitalverbrechen betrachtet wird. Der mittlere Hof enthielt einen Holzpfeiler, um dessen Mitte ein eiserner Ring genagelt war, als schützender Fetisch, und zu gleichem Zweck hingeu oberhalb jeder Thür Fischknochcu herab. In dem benachbarten Kamerun legt man auf eineu solchen Fetischstock die Knochen eines Vogels, der innerhalb des Hauses gestorben sein muß. Eine andere Form dieses Fetisches (Ekponyong genannt) ist ein mit Zeug umwickelter Pfeiler, auf den ein Schädel gestellt wird. Daneben findet sich häufig ein Iujubaum gepflanzt, an dem eine parasitische Pflanze wächst nnd dessen Wurzeln mit Blut begossen werden. Vor der Schwelle wird ein menschlicher Schädel cingegraben, fo daß jeder Eintretende ihn mit feinem Fuß berühren muß. Das Haus des Königs zeichnete sich vor den übrigen nur durch seine Größe ans und war in ähnlicher Weise eingerichtet; doch zeigten die mit gelben und schwarzen Streifen bemalten Wände eine pyramidale Neigung, die ich bei den übrigen Häusern nicht bemerkt habe. Die Decke des Zimmers war vollgesteckt mit Fetischen von Die Westküste von Afrika. 249 Knochen, Federn, Zeuglaftpen, Eierschalen u. dgl. m. Der Hof, in dem verschiedene, aus Palmfasern gefertigte Schirme standen, enthielt ein niedriges Fetischhaus, um welches halb mit Wasser gefüllte Blumentöpfe gesetzt waren, und vor der Thür lagen verschiedene Schädel von Menschen und Tieren neben dem eisernen Laufe einer Kanone, die größtenteils in den weichen Voden eingesunken war. Der Regukis, eine schwerfällige, ungelenke Gestalt, der, wie sein Hofstaat, nur mit einem Lendentuche bekleidet war, empfing uns, indem er mit dem Daumen und Mittelfinger ein Schnippchen schlug, die gewöhnliche Weise der dortigen Landcsbegrüßung. Er faß, trotz aller Throusessel und Divane, die seine Schatzkammer einschloß, auf einer niedrigen Lchmbank, und war eben erst aus dem Schlaf erwacht oder gerade im Begriff, sich dazu niederzulegen, obwohl dieser glückliche Übergangszustand bei ihm, wie bei allen afrikanischen Potentaten, seit der Bekanntschaft mit dem Num der Sklavenhändler, als der normale angesehen werden darf. Der verstorbene König Eyamba soll ein eisernes Haus bewohnt haben, das fertig von England verschrieben war, aber nach seinem Tode unter feierlichen Cercmonieen zerstört wurde, damit er sich desselben im Jenseits bedienen könne. Alle znm Lebensunterhalte nötigen Gerätschaften werden aus demselben Grunde, in absichtlich beschädigtem Zustande, mit ins Grab gegeben, auf dem früher auch Sklaven und Weiber geschlachtet wurden. Jetzt wird meistens nur ein Hahn geopfert, der in dem Grabe aufgehängt wird, um darin abzusterben. Außer dem erwähnten Hause ließ sich dieser durch europäische Civilifationsideeen angesteckte Monarch auch ein paar Pferde und eine Kutsche kommen, obwohl ein Weg, auf dem dieselben gehen konnten, erst gemacht werden mnßte. Bei dem Mangel eines Ausdruckes für Pferd in der Wt-Sprache nannten es die Eingeborenen Guang makara (des großen Mannes Kuh), und die Kutsche Ufut unang makara (des weißen Mannes Kuhhaus), So bezeich-neteu die Tahitier das erste Pferd, das sie sahen, als „des weißen Mannes Schwein", und die Odjibbcways als „das Tier mit unge-spaltenem Huf". Da die importierten Pferde bald am Klimafieber litten, so Pflegte Eyamba in vollem Ornat und unter ein paar mächtigen Sonnenschirmen gravitätisch hinter seiner Kutsche hcrzu-fpazicren, die von einem Haufen Sklaven auf der mit vieler Mühe angelegten Fahrstraße hin- nnd hergezogen wurde. Gegenwärtig ist 250 Die Westtüste von Afrila. von dieser nichts mehr zu sehen, doch lagen auf den am Flusse hinlaufenden Gassen, die dnrch Faschinen gegen die Überschwemmungen desselben geschützt waren, Sandhaufen aufgeschüttet, mit denen eine Nivellierung des Terrains versucht zu sein schien. Die Außenwände der besser erhaltenen Häuser zeigten bunte Malereien, deren genane Regelmäßigkeit anzuerkennen war, da sie mit freier Hand ausgeführt sein sollen. Diese Kunst wird nur von Frauen geübt, die auch Figuren in Calabassen schneiden und chirurgische Operationen ausführen. Die freien Bürger, die nie eine Handwerksarbeit unternehmen würden, tragen gewöhnlich ihr Haar in ein steifes Horn aufgedreht, das über der Stirn hervorsteht. Viele hattm runde Brandnarben auf Arm und Stirne gedrückt, und wie der Dolmetscher erklärte, bedeutete jede derselbeu den Wert eines Thalers, der auf Erden in dieser Weise durch Ertragung des Schmerzgefühls angelegt und später im Himmel mit Zinsen zurückerstattet werden würde. Sie würden nach Art der Moxas, durch Baumwolle, die in Spiritus getränkt ist, eingebrannt. In der Nähe des königlichen Palastes stand auf einer niedrigen Erhöhung das große Palaverhaus des Egboeö, eilte von Sänlen-gängen umzogene Halle, die im Innern von zwei Metallpfeilcrn getragen wurde. Nor der Thür stand die heilige Egboetrommel, aus eiuem hohlen Baumstamm gefertigt, und daneben lag ein mächtiger Basaltbluck, der von Fernando-Po oder, wie andere behaupteten, von der Prinzcninsel gebracht sein soll. Alte Bäume im Umkreis, mit aufrechten Eiscnstangcn abwechselnd, waren mit Zeugfetzen behängt, und an dem Stamm des dicksten derselben lehnten Elefanten- und Manatiknochen, zum Teil in Zeug gewickelt. Der Eintritt in die inneren Gemächer des Egbuehauscs ist niemandem außer den in die höheren Grade des Ordens Eingeweihten gestattet.*) Weiterhin kommt man zum Marktplatz, wo jeden andern Tag Franen ihre Produkte zum Verkauf bringen. Am besuchtesten ist er an dem ersten Tage der Woche, die hier ans acht Tagen besteht, dem Chop-Day oder Aqua-e-dere, au dem jeder sein Hans mit Knhuiistwasscr reinigt, nnd der König gewöhnlich den Kapitänen und *) S. weiter nntcn gcnancro Nachrichten iiber den merkwürdigen Geheim» bund deS Egboe-Ordelis, dein selbst manche europäische ^aufteilte genötigt sind beizutreten. B. Die Westküste von Afrila. 251 Supercargos der im Hafen liegenden Schiffe ein festliches Mahl giebt. Der Kalabar oder Bongo heißt in der Sprache der Neger Akva-Wk oder Wasser von Efik. Der Ursprung ist noch nicht mit Bestimmtheit ermittelt, doch scheint die früher vermutete Verbindung mit dem Niger mittels des sogenannten Croß-River jetzt widerlegt. Der Reisende Colthurst, der im Jahre 1K32 von hier in das Innere vordringen wollte, behauptete von der Existenz derselben gehört zu haben, starb aber, ehe er die beabsichtigte Beschiffung hat ins Werk setzen können. Schätzbare Beiträge zur Kenntnis dieses Flusses habeu Oldfield, (Cummins und zuletzt Beecroft, der frühere Kouverueur von Fernando-Po, geliefert. Die jetzigen Bewohner von Duke-Town, Old-Town und (itu-ntunko oder (5reek-Town kommen aus dem Egbo-Shary-Gcbiet an dem Croßflusse. Sie ließen sich unter den Aborigincrn, deu Kwa, nieder und trateu nominell zu ihnen in eine Art Tributpflichtigkeit, wie auch jetzt noch die Oberhcrrlichkeit von dem König von Kwa-Town oder Abakpa, einige Stunden oberhalb Dukc-Town, in An-sprnch genommen wird. Früher wurde die Abgabe der europäischen Schiffe an den Kwa-König bezahlt, aber vor einigen dreißig Jahren machte sich Duke Ephraim, der in der nach ihm benannten Dule-Town wohnte, von ihm unabhängig, indem er die Ablieferung unterließ und die Gebühr für sich selbst erhob. Viele Ländereicn an beiden Ufern des Flusses gehören noch dem Kwa-Volkc, aber eine nach der andern werden dieselben von den Kalabaresen erworben, und die Kwa verschwinden mehr nnd mehr, so daß ihre Nationalität zum Teil schon in die unbestimmteste Bezeichnung von Buschmännern aufgegangen ist. Fast alle handeltreibenden Stämme längs der Westküste sind aus dem Innern dahin gewandert, indem die ursprünglichen Besitzer des Bodens entweder unterjocht, verdrängt oder ausgerottet wurden. Der Handel ist das absorbierende Interesse von Kalabar, und jeder ist Kaufmauu, meistens Palmölhändlcr, groß oder klein, je nach seinen Mitteln, der König selbst an der Spitze. Prof. Dr. Bastian, Geogv. ii. cthnol. Bilder. 252 Die Kruneger. Die ßnmegel/) Im Süden von Liberia schließt sich die sogenannte Krutüste an, die von einer zahlreichen Negerbevölkerung bewohnt wird. Was für Ostasien nnd Amerika die Kuli, das sind — mutatis mntan<1i8 — für die afrikanische Westküste die Krnnegcr. Ihre Heimat sind die noch unabhängigen Gebiete im Süden von Monrovia, der Hauptstadt der Negerrepublik Liberia, bis zum Kap Palmas, zwischen dem 4. nnd 6. Grad nördlicher Breite; dort wohnen die freien Kruneger iu zahlreichen Dörfern und Gemeinden nnd unternehmen von da ans ihre Nanbzügc in das Innere, um Sklaven zu fangen; eine ordentliche Beschäftigung, Handel oder Ackerbau, kennen diese Lente ebensowenig wie alle anderen Stämme. Tie zahlreichen Faktoreien, welche längs der westafrikanischen Küste vom Senegal an bis hinunter nach Bengnela zerstreut sind. wären übel daran, wenn es keine Krunegcr gäbe. Die in den Faktoreien vorkommenden schweren Arbeiten, das Laden nnd Löschen der großen Kanffahrer, die ans Mangel an Wegen hänfig zu unternehmenden Kanoefahrten, das Reinigen und Ordnen der für den Ervort bestimmten Naturprodukte — Palmöl. Kantschnk, Rot- und Ebenholz, Elfenbein, Erdnüsse :c. —, kurz alles, was in diesen Handelsniederlassungen an schwerer Arbeit zu thun ist, wird von den „ei-oo-do?«" besorgt. Die Trägheit der Gingeborenen an den meisten Küstcnpläßcn ist derart, daß dieselben gn solchen Verrichtungen sich nie hergeben, nnd selbst da, wo die Eingeborenen in wohlverstandenem Interesse die Anlage einer Faktorei wünschen, können die Enropäer doch nicht daranf rechnen, Arbeiter zu bekommen, sondern müssen sich <'.!'<><).b.>^ verschaffen. Selbst die regelmäßig verkehrenden englischen Passagierdampfer Versehen sich, sobald sie jene Küsten erreicht haben, mit einigen *) Das Auftreten von Kruö bessinut, Liberia bedeutend überschreitend, in Sierra Leone, im Aordwesten Libei'ias, geht die Zahnküste entlang und leicht etwas mehr als 15 (yrade weit gegen Osten. Die Krus halicn, ähnlich den indischen Kastenzeichen, bläuliche oder schwarze Streifen in der Mitte der Stirne. Ihr Charakter als Menschenrasse ist „Negertypus der höheren Stufe", nameiitlich zeigt die Vorderansicht deö Kopfes bei den Krug die Stirne gut ge» staltet und groß, und sie differieren darin günstig vun vielen der anderen Neger» rassen. (Vgl. uon Schlagintweit. Zur Charakteristik der Kruneger. Sitzung der mathcm.'phys. Klasse vom 5. Inni 1875,) Naumgarten. Die Kruneger. 253 Dutzend dieser schwarzen Arbeiter für die Dauer ihrer Reise; die Fahrt derselben geht bis St. Paul de Luanda, und bei der Heimreise werden dann die Neger wieder abgesetzt. Hänfig bekommen diese Dampfer auch von Faktoreien den Auftrag, eine größere Anzahl dieser «i-oo-do?» mitzubringen oder nach abgelaufener Dienstzeit wieder in ihre Heimat zu befördern, so daß ein solches Schiff oft mit Hunderten dieser lärmenden Passagiere besetzt ist. Die Kruneger sind brauchbare Arbeiter und als Küstenbewohner besonders gut als Matrosen verwendbar. Ich bin wiederholt auf größeren Küstenfahrzeugen gefahren, auf welchen nur ein einziger Europäer war, als Kapitän, während die ganze Mannschaft aus Krus bestand. Für das Innere des Landes aber find sie nicht zu gebrauchen; sie fürchten, von den übrigen Stämmen als Sklaven abgefangen zu werden, nnd diefe Furcht ist um so mehr begründet, als sie selbst in ihrem Lande analog verfahren. Wie weit die auf Fahrzeugen dienenden Kruneger manchmal zerstreut werden, geht darans hervor, daß der von seiner asiatischen Reise zurückkehrende v. Schlagintweit-Sakünlünsli einige von diesen Negern auf einem Schiff in Aden traf; selbst bis nach Deutschland sind sie gekommen, nnd während meiner Anwesenheit in Gabuu ging ein großer Schoner mit Krudcmannung und einem Europäer als Kapitän nach Hamburg ab. Ebenso bleiben einzelne als Diener auf den englischen Dampfern und kommen bis Liverpool. Bei meiner Reise von Hamburg nach Gabun wurde auch die Kruküste berührt, und so waren dies die ersten Neger, mit denen ich überhaupt zusammengetroffen bin. Unser Kapitän war beauftragt, für die Faktoreien in Gabun Kruleute aufzunehmen, lind fu warfen wir in der Nähe eines Grand Ceß genannten Pnnktes die Anker aus. Die langgestreckte flache Küste bietet nirgends einen Hafen, und das Schiff mußte in bedeutender Entfernung vom Lande in offener See liegen bleiben, so daß wir nnr mit bewaffnetem Auge das ferne Land mit den zwischen Palmen und Baumwollbäumen versteckten Negerdörfern genauer sehen konnten. Bald bemerkten wir denn auch zahlreiche kleine Kanoes mit Negern auf unö zukommen, nnd sobald sie das Schiff erreicht hatten, waren sie auch schon mit affenartiger Geschicklichkeit am Deck. Sie frugen und schwatzten sehr viel, waren überhaupt nugemein lustig und wünschten für Gabun engagiert zu werden. Ginige brachten in 254 Dle Krilncger. Blechkapfeln Zeugnisse von Kapitänen und Faktorei-Agenten mit über ihr Verhalten, ja einer dieser Neger, der U) Jahre zur größten Zufriedenheit seines Herrn in Monrovia gedient hatte, trug eine vergoldete Kette um den Hals mit einem großen silbernen Schild, worauf Name, Dienstzeit u. s. w. eingraviert war. Nicht nur er, sondern auch seine engeren Landöleute waren natürlich sehr stolz auf dieses Arbeitszeugnis. Die Kleidung der Kruneger ist außerordentlich einfach; sie besteht meistens nur aus einem Lendenschnrz von Baumwollenzeug; alte, von Europäern abgelegte Hüte, oft von der verwegensten Fa«^on, wurden vielfach getragen; am Hals und an den Armen sah man häusig Schnüre von blauen und schwarzen Glasperlen, auch dicke Elfenbein- und Messingringe an den Fuß- und Handgelenken sind beliebt, Gesicht und Arme sind gewöhnlich bemalt und tättowiert; besonders charakteristisch für Krnneger ist ein breiter, schwarzer Streifen, der von der Stirn abwärts bis zur Nasenspitze reicht und die Physiognomie sehr entstellt. Die Vorderzähne sind häufig spitz gefeilt, das kurze, wollige Haupthaar wird an einigen Stellen des Kopfes nicht selten wcggeschoren, so daß lichte Streifen, von der Stirn nach dem Hinterhaupt zu, hervortreten; ältere Leute hatten einen dünnen Bart. Sehr sonderbar, eigentlich sehr häßlich sah einer dieser Neger aus, der rotes Haar und einen roten Vollbart hatte. Die Hautfarbe ist durchgängig chocoladcbraun in verschiedenen Nüan-cierungen. Nachdem wir fast zwei Tage gewartet hatten, kam endlich der Häuptling, von dem wir die Kru-Arbeiter engagieren wollten, an; er führt den stolzen Titel König Grando. Es war eine nicht große, aber sehr kräftige Gestalt mit sehr energischen Gesichtszügen und von echtem Negertypus. Er trug ein Stück rotes Baumwollzeug um den Leib, darüber ein weißes Hemd, worüber noch ein mit roten, weißen und blauen Streifen verzierter, sehr weiter, aber kurzer Mantel ohne Ärmel geworfen war, ein Kleidungsstück, wie es bei den Arabern am Senegal allgemein verbreitet ist; bis zu Hosen aber hatte er sich nicht aufschwingen können. Als Kopfbedeckung diente ein neuer schwarzer Filzhut; am Gürtel trug er einige prachtvolle, große Eckzähnc von Leoparden, eine Art Fetischzeichcn, nach welchem die «rno-Iw)^ ungemein begierig sind. Man kann den letzteren keine größere Freude bereiten und sie nicht besser zur Arbeit anspornen, als durch Versprechen von Die Kruneger, 255 Tigerzähnen. (An der ganzen Westküste wird der Leopard fälschlich als Tiger bezeichnet; letzterer kommt daselbst natürlich nicht vor.) König Grando spricht leidlich englisch, d. h. jenes Neger-englisch, das auch Engländer erst lernen müssen, wenn sie an die Westküste kommen, und weiß sich auch sonst recht gut zu benehmen, besonders bei Tisch aß er mit allem Anstand und wußte sehr wohl zur großen Genugthuung der anwesenden Engländer die Gabel mit der linken Hand und das Messer mit der rechten zu haudhaben! Jede Speise teilte er mit seinem Bruder, einem baumlangen, starken Burschen, der ihm nicht von der Seite wich, sich aber nicht mit zu Tisch sehte, sonderu an der Erde aß. Grando trank sehr gern Bier; Rum war natürlich auch seine schwache Seite, und beim Anblick des großen Fasses Branntwein, das ihm als Geschenk verehrt wurde, konnte er seine Freude kaum verbergen, obgleich das nil ^ännr^ii bei den Negerfürsten außerordentlich iu Gebrauch ist. Ehe er übrigens das Faß Rum annahm, mußte es geöffnet werden, und sowohl einige Kruleute, als auch die Matrosen unseres Schiffes mußten vor seinen Augen den Num kosten, da er fürchtete, vergiftet zu werden! Wie berechtigt diese Vorsicht bei den Negerhänptlingcn ist, geht unter anderem daraus hervor, daß König Grando von Grand Ceß wirklich wenige Monate später an Gift gestorben ist, das ihm ein Rivale beigebracht hatte! Nach langem Hin- und Herreden hatten wir endlich vierzig N00-do^8 als Arbeiter engagiert; dieselben verdingen sich gewöhnlich auf zwei bis drei Jahre für einen Monatsgehalt von 4 bis <> Dollars, welche Summe aber nicht in Geld, sondern in europäischen Waren ausgezahlt wird, deren Wertbestimmung allerdings meistens in den Händen des Europäers liegt. Indes haben sich doch schon an vielen Orten, besonders da, wo verhältnismäßig geordnete Zustände herrschen, im Laufe der Zeit für europäische Güter (Zeuge, Gewehre, Pulver, Rum, Salz u. s, w.) bestimmte und von beiden Parteien anerkannte Werte bei Bezahlung für geleistete Dienste oder beim Einkauf von Naturprodukten entwickelt. Veim Aufnehmen der «-«obo^ ist es Sitte, daß für jeden derselben zwei Monatsgehalte vorausbezahlt werden, und zwar an den Häuptling des betreffenden Stammes, der seine jungen Anverwandten und Unterthanen, sowie seine Sklaven an Europäer vermietet. Ein Trupp solcher Kru-Arbeiter wird in Abteilungen von 7—w Mann 256 Die Kruneger. eingeteilt, deren jede einen, gewöhnlich etwas älteren Ileaä-mkii besitzt, der dem Faltoristen gegenüber verantwortlich ist für das Treiben seiner Untergebenen, diese Macht anch durch häufiges Prügeln im weitesten Umfange znr Geltung bringt. Sobald ein Trupp cron-do)-» in einer Faktorei angelangt ist, werden den einzelnen Abteilungen ihre Hütten zum Wohnen angewiesen, den Aufsehern die nötigen Arbeiten übertragen und ein oraodo? als Wachmann ausgewählt. Derselbe ist von aller Arbeit befreit, hat aber dafür alle Nächte die Faktorei zu bewacheu uud durch häufiges Rufcu und Pfeifen zu beweisen, daß er nicht schlaft. Gewöhnlich übernimmt dieser Wachmaun auch das Amt eines Koches für seine Landsleute. Iu den meisten Fällen geschieht es, und viele Krus wünschen es sogar selbst, daß sie nicht regelmäßig alle Wochen oder Monate ihren Lohn ausgezahlt bekommeu, sondern erst am Ende ihrer Dienstzeit und während derselben nur hin und wieder eine Kleinigkeit, was sie für die Erledigung ihrer „wnm^n zilU^v^l-" brauchen. (I^iavei' ist ein an der Ostküste überall gehörter Ausdruck uud bedeutet alles Mögliche; jeder Streit, jeder Auftrag, oder irgend eine Vereinbarung, alles heißt Mlilver.) (5s kommt auf diese Weife, daß viele «>io-d0^8, wenn sie nach zwei» bis dreijähriger Arbeit in ihre Heimat zurückkehren, oft ganze Koffer voll europäischer Waren mitbringen und so eine Zeit lang den reichen Faulcuzer spielen können. Sehr oft verdingen sie sich ein zweites und drittes Mal für eine Faktorei, bis sie schließlich sich einige Frauen uud Sklaven kaufen und einen eigenen Herd gründen können. Freilich kummt es auch oft geuug vor, daß die eroo-bu.^ ihren ganzeu Lohu verlumpen uud ebenfo arm in dic Heimat zurückkehren, als sic weggegangen sind. So nützlich nun auch die Krus als Arbeiter sind, fo besitzen sie doch auch, und zwar im ausgesprochensten Maße, einen National-fehler aller Neger, deu stark entwickelten Dicbssinu. Es bedarf der größten Vorsicht und einer änßcrst strengen Behandluug seitens der Europäer, um ihre Lagerhäuser vor den Einbrüchen sowohl einzelner cr Jahre alten oi'oo-bo^ als Diener aus. Derselbe hat sich geradezn musterhaft betragen. Während weiner ganzen dreijährigen Reise hat mich William, wie ich ihn nannte, nicht verlassen, in den schwierigsten Situationen verlor er nicht den Mnt, uud ich konnte ihm alles anvertrauen. Freilich muß oer Umstand berücksichtigt werden, daß er nnter meiner Begleitung oer einzige seines Stammes war und daß ihn« alle übrigen mehr oder weniger feindlich entgegentraten und ihn um seine Stelluug beneideten. Übrigens wäre derselbe gewiß nicht mit mir in das Innere des Kontinentes gereist, wenn er meinen Plan vorher gewußt hätte; aber ich wnrde von dem Häuptling auch für einen Fakturcibesitzer an: Ogowe gehalten, uud so ging er arglos mit nur; sobald ich ein Stück im Innern war, konnte er nicht fort von mir Nnd war gewissermaßen auf meinen Schuh angewiesen. Nachdem seit einigen Jahren auf den portugiesische« Inseln St. Thoinü und Prineifte die Sklaverei aufgehoben ist, nnd die früher blühcuden Kaffee- und Eacao-Plantagen infolge defsen verwüstet sind, hat mau es versucht, Kruncger für die Plantagemmrt-schaft zu gewinnen. Aber bisher ohne Erfolg. Trotz guter Behandlung, hoher Bezahlung nnd viel weniger schwerer Arbeit, als in den Faktoreien, sind die Neger freiwillig Zu solcher Arbeit nicht zn bringen. Mit großen Kosten hat man Hunderte von onm.do^ auf bicse Inseln geschafft, aber mit der ersten besten (Gelegenheit find sie entflohen. Wo sie irgend ein Kcnwe auftrciben konnten, wagten ste selbst die gefährliche Meerfahrt, um nur von diefer ihnen verhaßten Baumgarten, Afrika. 17 258 Das Klima in Scncgambim. Arbeit fortzukommen. Vielleicht wird sich das mit der Zeit ändern, und das wäre cin Glück für die Westküste. Die Wälder in der Nähe des Meeres sind schon vollständig ausgebeutet, und die Produkte müssen weit cms dem Innern gebracht werden, wobei sie infolge eines verderblichen Zwischcnhandels-Systems enorm verteuert werden; man wird also früher oder später daran denken müssen, Plantagen anznlcgcn. In dem Neger-Freistaat Liberia ist dies bereits mit (Erfolg geschehen nnd der liberianische Kaffee hat auf den betreffenden europäischen Märkten bereits einen sehr gnten Namen. Freilich haben die „eoloureä ^LiitlLMLn" dieses Staates einen großen Vorteil gegcuüber dem Europäer in dem Verkehr mit ei-co-bo)^ und können dieselben leichter zur Plantagenarbcit abrichten. Zum Schluß mag eine an der Westküste sehr verbreitete Anekdote von einem Kruneger Plcch finden, die für ein ganzes System charakteristisch ist. Dieser Vnrsche war als Arbeiter in einer anglikanischen Mission beschäftigt; er hatte es daselbst gnt, nicht zn viele Arbeit, und so blieb er 15 Jahre daselbst. Er hatte sogar in der Schnle gesessen und war schließlich getauft worden, galt also als „Christ". Einmal wurde er von einem Reisenden über Verschiedenes ausgefragt und schließlich au ihn auch die Frage gerichtet, was er von Gott halte. „Oh!" antwortete Frennd Vim, „Gott ist ganz außerordentlich gut; er hat zwei Dinge geschaffen, für welche ihm die (;i-oo-bn)'g nicht geuug danken können: den Schlaf nnd den Sonntag", (an welchem in den meisten Faktoreien nicht gearbeitet wird). Oscar Lenz. Skizzen cms Wostasrika, 1878. Das Aim in ZcmMllMt. Ein Tag wahrend der Negenzeit am Senegal. Dr. Borius*) giebt folgende charakteristische Beschreibung eines Tages während der Regenzeit, welche zugleich die meteorologischen Erscheinungen, sowie deren Einfluß auf die Europäer uns lebendig vor Augeu führt. Diese Beschreibung, obgleich zunächst sich auf *) Borius. Les maladies du Süuögal. Paris, 1882. Vin Tag wahrend der Ncgcnzcit am Senegal. 259 St. Louis beziehend, kann man für ganz Senegambieu gelten lassen und in weiterem Sinne für dcn Zustand des Enroftäcrö während der Regenzeit überhaupt. Während der Nacht ist die Luft durch eiu Gewitter abgekühlt lvordcu, dem eiu kurzer, aber ausgiebiger Regen folgte. Tie Soune erhebt sich am Morgcu iumitteu von Wolken, die aber bald unter ihren Strahlen sich auflöseu. (5s machen sich au dem frifchen und Angenehmen Morgen kanm einige Windstöße ans SW. fühlbar, dcu Himmel durchlaufen ciuige leichte, weißc Wolkeuflockeu, die fächerartig vom Horizout ausstrahleu uud laugsam ihre Form ändern. Einige Augenblicke nach Sonnenaufgang zeigt das Thermometer im Schatten 27' (5. Uutcr dem Einfluß der Windstille steigt die Wärme langsam, uud schon nm !» Uhr morgens ist trotz Benützung eines Sonnenschirmes eiu Gang eine höchst lästige Leistung. Der Boden, der noch vom nächtlichen Regen benetzt ist, ermüdet indessen die Augen noch nicht mit jeueu lästigen Lichtreflexcu, welche im Verein mit der Luftwärme, der hohen Feuchtigkeit und dcu Sumpf-Nttaömeu eine der Ursacheu ist, welche die Iusolation zn dieser Jahreszeit so gefährlich machen. Um M Uhr ist trotz eiuer Tcmpcratnrzuuahme nm 2" die Hitze Noch ganz erträglich uud gestattet, eine gewisse Thätigkeit zu entwickeln. Tie Brise von SW. ist etwas stärker, aber unregelmäßig, Und sie scheint jeden Moment einschlafe,: zu wollen. Es ist Mittag, das Thermometer fährt fort zu steigeu. Um 1 Uhr erreicht es .'50", die Souuc verhüllt sich zeitweilig, ciuige Nimbnswolken durcheilen dm Himmel vou S. nach ^i., während die Richtnng des uuteren Windes zwischeu W. uud SW. oscilliert, aber diese Winde sind sehr schwach, zeitweilig herrscht vollkommcue Windstille. Unterdes steigt die Hitze noch laugsam und um 4 Uhr zeigt das Thermometer 31". Der Himmel ist zu drei Viertel mit Wolken bedeckt, die sich am Horizont anhäufen, die Luftruhe wird vollkommeu. Tie Temperatur ^ jetzt außerordentlich peinlich, uud obgleich uach 4 Uhr das Thermo-nieter kaum noch um 0,5" steigt, so scheint sich die Hitze doch verächtlich zu stcigeru; mau ist erstauut, wcnu man anf das Thermometer sieht, daß eine so geringe Temperatunnrändernng einen solche» Einfluß hat. Der Körper bedeckt sich bei der geringsten Bewegung wit Schweiß. Es ist 6 Uhr, die Sonne verschwindet in den dichten Wolken, welche am Horizont angehäuft sind. Sie taucht bald unter in dercn 17' 260 Das Klmm in Tenegambien. Mitte und färbt sie mit sehr auffallenden kupferroten Tinten. Die Windstille hält an. Die Temperatur bleibt hoch. Einige Windstöße nus W. oder SW. gewähren kaum eine Erfrischung und dringen nicht in das Innere der Wohnungen. Mau muß ausgehen oder die Terrassen besteigen, welche sich über den Wohnungen befinden, um freier zu atmen und einige Erfrischung zu verspüren von dem leichten Lufthauch, der immer seltener wird. Ginc kleine schwarze Wolke zieht über uns von SW. her, aber sie läßt bloß einige Tropfen fallen, gu wenig zahlreich, um den Vodeu zu benetzen. Wir kehren zurück. Tic Hitze iu dcu Wohnuugeu ist erstickend, wir suchen vergebens nach einem Luftzug. Das Wasser, das wir, um es kühl zu halten, in porösen Thongefäßen haben, und das am Morgen frisch schien, scheint nun lauwarm, die Temperatur desselben ist gleich der des Wassers in gewöhnlichen Gefäßen. Man brancht nicht mehr das Hygrometer anzusehen, um zu konstatieren, daß die Luft mit Wasserdampf gesättigt ist. Der Dampfdruck ist 23 mm, und es ist diese Sättigung der Luft mit Wasserdampf, welche die an sich nicht außerordentliche hohe Temperatur so erstickend macht. Nichts läßt sich vergleichen mit dem trankhaften Angstgefühl, iu dem sich die Europäer befiudeu. Unbeweglich in einem Fautcuil ruheud ist der Körper fo in Schweiß gebadet, wie nach einer heftigen Anstrengung. Die Ermüduug, die man fühlt, ist aber durchaus uicht dieselbe wie nach einer Arbeit, es ist eine Schwäche in den Gliedern und namentlich in den Beinen, ein unbeschreibliches Gefühl des Unbehagens, welches jede Vewegnng, jede physische oder geistige Arbeit von sich ablehnt, aber doch keinen Schlaf znläßt. Umschwärmt von Wolken von Moskitos, denen man kanm entgehen kann, fncht man Vergeblich nach Luft, die zu fehlen scheint. In solchen Momenten ist es, wo der träge Gang der müßigen Stnndcn nnö den Übcrdrnß und die Leiden des Exils fühlen läßt, uud wo nach den: Ausdruck unserer Kollegen „die Seele ihr Gefängnis verlassen uud es der ersten herrschenden Kraukhcit überlassen will". Es ist w Uhr, die Windstille ist vollkommen, die Temperatur bleibt noch immer hoch, das Gefühl der Ermüdung macht einer noch peinlicheren Empfindung Platz, der Kopf ist wie iu eiueu eisernen Reifen eingeklemmt, weder Arbeit noch Lektüre ist möglich, fie würden eine Willensanstrengung benötigen, die uns entschwunden, die intellektuellen Kräfte sind noch mehr deprimiert, als die physischen. Bilder von der Goldlnste. 261 So vergeht langsam die Nacht in diesem peinlichen nnd krankhaften Zustande, oder es entladet sich ein Gewitter und ein reichlicher Negen, unter dessen Einfluß das Thermometer langsam sinkt und UNS schließlich doch noch das Gefühl einer wohlthätigen Erfrischung gewährt. Man kann sich eine beiläufige Vorstellung machen von dem Peinlichen Znstand, in dem man sich während der Regenzeit am Senegal befindet, wenn man sich das Gefühl des Unbehagens, welches man in Europa kurz vor Ausbruch eines Sommergewitters empfindet, verzehnfacht denkt. Dr. Julius Hann. Handbuch der Klimatologie. Stuttgart, 1883. Wtl lm dtl GgldMc.1 i. Anblick der Goldküste liom Meere aus, — Die Wälder. — Fischerflotte!,. — Cape°Coast°l5astle. Die Goldküste Afrikas, die sich vom Flusse Assini bis zum Flusse (Rio) Volta erstreckt, bietet ein weites Feld für anziehende und Mannigfaltige Betrachtuug dar. Ihr sonnenstrahlender Himmel, nur feiten durch Trübe oder Ungewitter entstellt; ihr lieblicher Wechsel von Berg und Thal; ihre tiefen, undurchdringlichen Dickichte; ihre Majestätischen Waldbäume und die cwiggrüne Frische ihrer üppig wuchernden Pflanzenwelt; ihr Mineralrcichtum, der noch verschlossen nn geheimnisvollen Schoße ihrer Berge oder in der Tiefe ihrer schwarzen und schlammführendcn Ströme ruht; ihre köstlich-süßeu ') Aus (5rnicksha„d. Ein achtzehnjähriger Aufenthalt auf der Goldtüste Afrikas. Leipzig, 1856. Die genaue Übereinstimmung der cthno-lN'aphischen Neobachtimgcn des Dr. Oskar Lenz (Skizzen ans Westafrika, 1878) »nt der überaus wcrtlwllen mid iu betreff der Goldküstc noch weit ausführlicheren Darstellung von Cruickshand giebt den folgenden Auszügen aus letztere,» Nerlc ganz daä Interesse der Aktualität, besonders auch, da wir nur das herausgenommen haben, was fich fcitdem fast gar nicht in den Sitten und Au« fchauungen der Neger verändert hat. 262 Bilder von der Guldlüsle. Früchte; das prachtvolle Gefieder ihrer Vögel; die unendliche Mannigfaltigkeit des Tierlebens, das in ihrcu wilden Dschuugle-Strichen haust: — dies alles umkleidet sie mit cincm unbeschreiblichen Zander, der ein unbestimmtes nnd wunderbares Interesse in uns erweckt. Wenn der Fremdling ihr vom Atlantischen Ocean aus nahet und ihren Küstensanm duftig und verschwommen in der Ferne zum ersten Male erblickt, zeigt sie sich ihm mit einem Ncbelmantel überdeckt und bietet der Phantasie solch ein traumglcichcs Bild dar, daß cs geringer Anstrengung bedarf, um ihre Odnisse mit sclbstgeschaffcuen Wesen zu bevölkeru. Rückt man ihr näher, so nimmt sie einen melancholischen, monotonen Anblick an, der auf das Gemüt einen un-augeuehmcn, trüben und beklemmenden Eindruck macht, welcher durch den Gedanken noch verstärkt wird, daß man hier die Wohn-stätteu eines wilden Lebens vor sich sieht. Ein duukleo, undurchdringliches Geheimnis scheint im Schatten der düstern Wälder zu schweben, die so recht geeignet siud, als Stätten für wilden Götzendienst nnd gransameu Aberglauben Zu dienen. Wenn er aber dem Ufer näher kommt nnd die verschiedenen Züge der Physiognomie der Landschaft deutlich und markiert herauszutreten beginnen, rnft er natürlich seine Gedanken hinweg aus dem Reiche der Phantasie, um feine Aufmerksamkeit dem nenen. sich vor ihm aufrollenden Schauspiel znznweudcn. Der sanfte Seewind, der mit ziemlicher Regelmäßigkeit weht, hat die Segel seines Schiffes geschwellt, nnd dieses gleitet durch die kräuselnden, leise anschlagenden Wellchen der See hindurch, die glitzernd daliegt im Strahlen eines blanen und wolkenlosen Himmels. Er ist betroffen von dem pittoresken Anblick einer ganzen Flotte wirr durcheinander nach dem Strande zusteuernder Fischerkähnc mit ihren Matteusegeln nnd ihren uackteu Fischern, nachlässig hingestreckt in ihren gebrechlichen Barken, die schlecht geeignet scheinen, den Gefahren des Meeres zn trotzen. Er vernimmt die fernen Töne ihrer ranhen Gefänge oder mehr in der Nähe das wilde Gcgurgel einer unverständlichen Sprache. Er sieht ihnen nach, wie sie dem Strande nahen, an welchem sich die Brandung mit ihrem ewigeu Wogenschwalle bricht, dnrch den die Nachen fnrchtlos nach dem Lande schießen. Er gewahrt geschäftige Grnppcu nackter, schwarzbranncr, glänzender, nnstät sich hin- uud herbewegender Gestalten, die ihnen beim Landen entgegenkommen und ihre Kauoes ans Ufer heraufziehe«. Er läßt seiu Auge die Richtung der Küste verfolgen nnd auf Bilder uon der Goldküste. 263 ihre verschiedenen Vaien und Vorsprünge achten. Er steht den l>>-waltigen Ocean, über den er so manchen langweiligen Tag gesegclt ist, von einem Streifen weißen blinkenden Sandes eingesäumt, der ihm das Ansehen eines nngehenern, mit Silber ansgelegten Spiegels giebt, während das dunkle Laubwerk der Bäume einen passenden Hintergrund bildet. Näher dem Ufer kann er in rascher Folge die Lehmmauern nnd Schilfdächer der zerstreut gebauten Dörfer der Eingeborenen unterscheiden, die zum grüßteu Teile inmitten von Wäldchen graziöser Kokospalmen nisten, während er weiter einwärts hier und da vereinzelt einen Seidenbaumwolleubaum seinen mächtigen 3eib zum Himmel strecken sieht, gleich einer riesigen, zur Bewachung des Landes postierten Schildwache. Bei jeder Fortbewegung des Schiffes bietet das Panorama einen immer und immer wechselnden Anblick dar, aber stets trägt es dasselbe individuelle Tropeugcpräge der Pflanzenwelt, das für die meisten Europäer bei ihrer ersten Ankunft eine wilde, Nobiuson-Erusoesche Art vou Zauber hat. Alsbald entdeckt er in der Ferne einen weißen Fleck, der sich mit Hilfe des Fernrohrs als Eafte-Eoast-Eastle mit der anf dessen Zinnen flatternden britischen Flagge anöwcist. Seine Seefahrt geht unter einem Sturm gemischter, nicht leicht zu beschreibender Gefühle Zu Ende. Die Leichtigkeit nnd Elastizität der klaren, durchsichtigen Luft; die lachende Lust im sanften Wellenwurf des Meeres; die Idee des Wildromantischen, die sich an das ncnc, nnbetretene, in seiner Schöne vor ihm liegende Land knüpft; dazu das selige Bewußtsein, deö Meeres Gefahren überstanden zu haben: — dies alles wirkt belebend und erheiternd anf seinen Geist ein und erweckt eine bunte Mannigfaltigkeit angenehmer Empfindungen. Das Eavc-Eoast-Castle, die Hauptniederlassung der Engläuder, Ward von den Portugiesen erbaut, die es an die Holländer verloren, denen es wicdermn von den Engländern entrissen wnrde. Dein ur-sprüuglicheu Bau siud gemäß den wachsenden Bedürfnifsen unfcrer dortigen Stelluug viele Aubaue hinzugefügt worden. Gegenwärtig ist es ein großes, unregelmäßiges Gebäude, das zu Vertcidiguugs-Zwecken fchlccht geeignet ist, aber innerhalb seiner Mauern sowohl gute ilnd beqneme Gemächer für den Guuvernenr nnd die Offiziere, als auch eine Menge Kasernenräume und Warenhäuser vou sehr mittelmüßiger Art enthält. Es liegt am Rande des Meeres nud Wird vor seiner rascheu Brauduug durch einen ungeheuren Felsen geschützt, gegen welchen die schwerrollenden Wogen mit unablässigem 264 Aildcr von der Goldküste. Brausen anschlagen, die ihren wilden Schaum über die nächst« gelegenen Bastionen schlendern. Auf der nördlichen Seite dieses Kastells liegt die Stadt Eape-Eoast, die auo Hänsern teils der Europäer, teils der Eingeborenen besteht, welche letztere in gedrängtester Weise und ohne die geringste Rücksichtnahme auf Licht, Lnft oder Zugänglichkeit beisammen hocken. So oft es die Umstände gestatteten, z. B. beim Einstürzen von Hänsern oder lici einen: gelegentlichen Feuer, haben die Gouverneure sich bemüht, durch Öffnnng einiger guten Gassen hier ein bischen Regelmäßigkeit herzustellen. Auf diese Weise ist dein Hanpteingcmg Zum Kastell gegenüber ein großer, freier Platz entstanden, der als Paradcftlatz für die Truppen dieut. Von dieser Esplanade ans, dem Schloßthore gegenüber, zieht sich eine breite, zu beiden Seiten mit Sonncnschirmbäumcn eingefaßte Gasse von Süd nach Nord, welche die Stadt in zwei beinahe gleiche Teile teilt, vom genannten Thore bis an ihr Ende ununterbrochen sanft aufsteigt, und an ihrem obern Ende mit einer sehr bescheidenen, alles architektonischen Schmuckes entbehrenden, aber kräftig und massiv gebauten Kapelle der Weslcyaner schließt. Die gesamten europäischeu Hänser liegen auf der westlichen Seite der Hauptgasse. Ihre unregelmäßige Lage auf der Höhe und am Abhang eines sanft aufsteigenden Terrains, ihre reinlichen, weißen Mauern mit ihren grünen Sommcrläden, ihre bunte Nntermischnng mit den Lehmmauern uud Nohrdächeru der Häuser der Eingeborenen — alles dies macht, vom Meere aus gesehen, einen angenehmen und malerischen Effekt. Auf der Ostseite dcr uämlichen Gasse laufen die Häuser der Eingeborenen, eng zusammengepreßt, einen leichtgeneigten Abhang hinab, ziehen sich dann durch cine unebene nud felsige Schlucht hin uud klettern hierauf unregelmäßig die Seite ciues kleinen Hügels, welcher dort die Stadt einschließt, hinan. Die nördliche Seite der Stadt wird von einer andern kleinen, rundlichen Anhöhe überragt, die jäh aus dem Thale aufsteigt und sich zweihundert Fuß erhebt. Ein auf dieser Auhöhe errichteter, mit zwölf Kauoncn besetzter Lärmtnrm beherrscht die an deren Fnh liegende Stadt uud das Kastell vollstäudig, uud bietet die ausgedehnteste Fernsicht längs der Küste dar. Aus einer andern kleinen Höhe im Westen der Stadt bildet die Wcslcyanische Anstalt mit ihrem Vethans und ihren Schulgebüudeu, die unter den Vän-men vergraben, sich fast dem Vlick entziehen, eine schöne und au-ziehcnde Partie in der Landschaft, während das Fort Victoria, ein Die Neger der Goldinste. 265 anderer kleiner Turm auf der nordwestlichen Seite und weiter landeinwärts liegend, das Bild recht passend abschließt. Der Süden Wird vom Kastell nnd von: Meere begrenzt. So sieht Cape-Coast anö. Es mag etwa sechstansend Einwohner Zählen; aber von kleinen Höhen halbmondförmig eingeschlossen und unmittelbar an seinen Mauern von dichtem Wald Umfangen, bietet es in seiner nächsten Nähe nur wenig Spuren von Anbau. Auch ist es mit angenehmen Sftazicrgängen und anderen Orten zur Erholung nicht besonders ausgestattet. Wenn die Sonne sich zu neigen beginnt, sieht man die Europäer durch die obenerwähnte Baumallee uach der fast einzigen Straße im Lande schlendern, die nach einem Salzteiche oder kleinen Salzwassersee, etwa eine Viertelmeile von der Stadt entfernt und an ihrer westlichen Seite gelegen, führt. Hier finden sie sich ein, um eineil Schluck der kühlen Abendluft cinzuschlürfen. Einige strecken sich auf dcu Rafen an des Scees Nande nieder und plaudern über die Ereignisse des Tages, glücklich, wenn ihnen ein jüngst aus England angelangtes Schiff etwas Interessantes über ihr Heimatsland gebracht hat. Andere von rührigcrem Wesen, Besitzer einiger Mchtkanocs von aller Art von Takelwerk, reden sich ein, daß sie die Freuden einer Regatta genießen, und streiten bei Wettfahrten mit Fener um die Gewinnung bes Sieges. Und offen gesagt, bietet eine solche Partie wirklich des Reizenden genug dar, um eine oder zwei Stunden eines einförmigen Lebens zu verkürzen. II. Die Neger der Goldlüste. Grundzüge des afrikanischen Charakters. — Ähnlichkeiten der Fanti mit Nationen beK Altertums. — Keine geschriebene Grammatik, — Schwierigkeit, das Fantische lu grammatische Neqeln zn bringen. — Nasche Fortschritte der jungen Nester im Englischen. — Verbreitung des Englischen. — Musik nnd musikalische Instru« Mente. — Goldarbeiten. — Töpfer«!. — Weberei und Färberei. — Produkte des Bodens. — Exporte und Importe, — Tracht. — Häuser. — Luxus, — Gastfreundschaft. Geboren unter einer tropischen Sonne, mit einem klaren und heitern Himmel über sich, der selten nur von dräuenden Unwettern verdüstert und durchtobt wird, hat die Gemütsart des Negers der 266 Bilder von der Ouldlüste. Goldküste viel mit der Heiterkeit dcr ihn umgebenden Natur gemein, und scine übersprudelnden Lebensgeister stehen in Einklang lnit ihrer verschwenderischen Güte. So freigebig die Erde seinen Bedürfnissen dient, indem sic ihm beinahe ohnc Ätühc der 'Arbeit mit dem notwendigen Lcbcnsbedarf versorgt, einen so gcdanken- und schrankenlosen Gebrauch macht er von ihren Gaben. Seiner Bequemlichkeit fröhnend nnd gern einem rnhigcn, üppigen Nichtsthun uud Nichts-dcnkcn sich hingebend, vermag er nur selten zu großer körperlicher Anstrengung angetrieben zu werden, es sei denn, daß er durch die Aussicht dazu verlockt wird, die Mittel zu einer Schwelgcrci zu erlangen, der er sich mit Leib nud Seele hiugiebt. Begabt mit ausgezeichneten physischen Eigenschaften und geduldig in der Verfolgung seines Ziels, wenn er einmal mit ganzer Seele daranf gerichtet ist, ist er fähig, die härteste Anstrengung und die grüßten Entbehrungen zu ertragen; sind aber scine Neignngeu und Begierden nicht dabei beteiligt, so sinkt er bald in Lässigkeit uud Gleichgiltigkeit zurück und läßt scine Arbeit unvollendet. Eo zeigt er sich in seinem rein natürlichen Zustande. Kommt er aber mit Euroväern in Bcrührnng uud wird er mit einem Denken und Handeln bekannt, das sich in so vielen Beziehungen von der natürlichen Unbedachtfamkeit seines Gemüts uutcrschcidet, so lerut er bald seine Gefühle verbergen, seine wahren Gesinnungen verhüllen und endet damit, daß er ein vollendeter Heuchler wird. Es fehlt ihm keineswegs au geistigen Fähigkeiten, aber sie werden durch die starke abergläubige Richtung seiner Seele eingeschnürt nnd gelähmt, nnd wir sehen bei viclen wichtigen Gelegenheiten die ganze Kraft seiner Vernunft gerade in dcm Augenblicke, wo sie sich siegreich behaupten könnte, durch dieses nachteilige Agens zu Boden geworfen. Scine Ansichten von der Natur, von seiner Lage nnd allen sie berührenden Verhältnissen sind infolge dessen engherzig nnd beschränkt und halten sich innerhalb des Krciscs scincr Vorurteile, die nichts als das handgreiflichste Vorangcnliegen seines Vorteils zu sprengen im staude ist. Sein Gedächtnis ist stark uud treu, uud er verweilt uiit geschwätziger Umständlichkeit bei den Erinnernngen aus seiner Jugendzeit. Seine lebhafte Einbildungskraft ergeht sich gern in angenehmen Träumereien, aber sie ist roh, sinnlich und ungeläntert. Er ist von Natnr beredt, spricht mit Leichtigkeit, fticßcndcr Anmut und cntsprcchender Gcstiknlation und tlcidet scine Gedanken in einfache und natürliche Bilder ein. Er macht häufigen Gebrauch von Die Neger der Goldkilste. 267 Gleichnissen und dnnkeln und rätselhaften Redeweisen, die er nicht einmal zu erklären sich herbeiläßt, indem er ein augenscheinliches Vergnügen daran findet, feine Zuhörer den verborgenen Sinn enträtseln zn lassen. Er ist ein großer Frennd rascher nnd schlagender Antworten, liebt sehr den Scherz nnd nm so mehr, je derber er ist, und hat einen lebhaften Sinn für das Lächerliche. Er hat sein Vergnügen an roher nnd barbarischer Lustbarkeit und an lärmenden und ungestümen Saufgelagen. Von Temperament ist er lebhaft und jähzornig, wird aber leicht bernhigt, wenn die Beleidigung unabsichtlich nnd gering war; wird er aber tief verletzt, so ist es unmöglich, seine Gnnst wieder zn gewinnen, wenn man nicht ein Sühnopfer, z. V. ein Geschenk an Rum oder ein Schaf, bringt, womit er seinem Fetisch eine Libation oder ein Opfer darbringt, „um ihm ein gutes Herz zn geben". In der Aufregung des Augenblicks wird er manchmal von seiner Leidenschaft vollkommen verblendet nnd begeht Handlungen, die er tief bereut und die er im nächsten Angenblicke ungeschehen machen möchte. Bei alledcm ist er im gewöhnlichen Leben ein ganz strenger Beobachter der konventionellen Höflichkeiten, wird nicht leicht beleidigend, ist oft in feinem Betragen würdevoll, voll Achtnng für anderer Ansehen nnd mit Zähigkeit ans sein eigenes haltend. Unwürdige uud geringschätzige Behandlung frißt sich tief in sein Herz ein nnd wird selten vergeben. Seine Gcfühlöcrregungen sind heftig, aber nicht von Dauer uud die Eindrücke des Schmerzes bald verwischt. Freude und Leid macht sich bei ihm im Singen Luft, und Morgens, mittags nnd abends wiederhallen die Gassen von dem lanten Gesänge des Zechbruders, den leidenschaftlichen Liedern des Liebenden und den klagenden Weisen des Trauernden. Er geht schwer auf Freuudschaftcu eiu, hält sie aber fest nnd treu, nnd wird oft, um seinem Freuudc zu helfen, sein Geld nnd seine Veqncmlich-keit zum Opfer briugeu. Nicht leicht gewährt er einem Europäer sein Vertranen, obwohl er ihn mit der größten äußerlichen Ehrerbietung und Achtung behandelt. Er entdeckt mit raschem Blick die einzelnen Züge nnd Eigenheiten im Gemüt und Benehmen und sncht sich mit Hilfe von Worten und Handlnngcn, die er in sich znsammen-faßt, ein wahres Urteil von Charakter zu bilden. Einmal überzeugt von des weißen Mannes Wahrhaftigkeit, Ehre und Gerechtigkeit, vun seinen günstigen Gesinnnngen gegen die Schwarzen im allgemeinen und von seinen einsichtigen und verständigen Absichten, kann nichts 268 Vilder von der Goldküste. über den kindlichen Gehorsam gehen, mit welchem er sich seiner Leitung hingiebt. Dieser Ginfluß des Europäers beruht nur erst auf einer kurzen Bekanntschaft mit dcm Eingeborenen, wenn er aber dnrch die Zeit und durch ein gleichförmiges, konsequentes Benehmen dauernd geworden sein wird, dann ist der Europäer in der Lage, die starke Schranke seiner Vorurteile niederzureißen. Er ist mit Einem Worte sowohl in seinen verderbten, als in vielen seiner guten Eigenschaften ein wahrer Naturmensch und gerade so wie wir selbst für jene langsame und allmähliche Gutwickelung feiner sittlichen und geistigen Fähigkeiten organisiert, wie sie die Verfassung uuserer gemeinsamen Mcnscheunatnr allein gestattet. Betrachten wir ihre Sitten nnd Gebräuche und ihren geistigen Organismus im allgemeinen, so können wir nicht umhin, unwillkürlich von ihrer in vielen Beziehungen bestehenden großen Ähnlichkeit mit demjenigen Zustande der Gesellschaft, wie er uns durch die frühesten Urkunden des Menschengeschlechts überliefert ist, überrascht zu werden. Alles in ihren Vorstellungen, in den Eigenheiten ihrer Sprache, in ihren, Gottesdienste nnd in der nackten Einfachheit ihrer Sitten verrät ihren Urzustand nnd überzeugt den aufmerksamen Beobachter, daß er eine Menschcnart vor sich hat, die, obgleich alt in ihren Generationen, doch in den meisten ihrer wesentlichen charakteristischen Züge das unverkennbare Gepräge eines früheren Stadiums der Gesellschaft noch an sich trägt. Es ist, als ob wir in das patriarchalifche Zeitalter zurückversetzt wären nnd unter einem Volke in demselben einfachen Naturzustande lebten, und es bedarf keiner Anstrengung unserer Phantasie, um dcm Auge des Geistes die Art nnd Weise vorzuführen, wie die in der heiligen Schrift uns überkommenen Persönlichkeiten dachten, sprachen nud handelten, da wir täglich vor unseren Augen lebendige Abbilder menschlicher Wesen von ähnlichen Antrieben, die in ähnlichen Weifen des Ausdrucks und Handelns sich offenbaren, geleitet werden sehen. Das merkwürdige Zusammentreffen der Afrikaner in vielen Eigentümlichkeiten ihrer Sitten und Gebräuche mit denen der Hebräer und anderer morgenländischen Nationen muß uns zu dem Schlüsse führen, daß wir in Afrika eine Kopie derselben erblicken, die nnr dnrch das ungewisse Licht der Tradition gelitten hat, oder daß der menschliche Geist in gewissen Stadien feiner Entwickelung und unter dem Einflnssc ähnlicher prädisponierenden Ursachen cine Die Neger der Goldlüfte. 269 solche wahrhaft wunderbare Gleichförmigkeit in dcr Richtung und Entwickelnngsart zeigt, daß dieselbe als hinreichender Beweisgrund dienen kann, um die Sophistereien der Philosophen über die ursprüngliche Inferiority der Rasse für immer zum Schweigen zn bringen. Obwohl in den Regierungsformen, in den Gesetzen, im Fetischdienst nnd in den gesellschaftlichen Formen der Fanti eine gewisse Drdnnng herrscht, so daß es den Anschein hat, als hätten sie einen gewissen Grad der Civilisation lange vor dem Beginn ihres Verkehrs mit den Europäern erreicht, so können wir, wenn wir sie als Ganzes ins Auge fassen, doch nicht zngebcn, daß sie über jenen Instand, den die Europäer als barbarisch zn bezeichnen Pflegen, hinansgeschritten feien. Es findet sich bei ihnen keine Spur einer geschriebenen Sprache vor, keine Hieroglyphe, kein Symbol, nichts was den gemalten Geschichten Mejicos oder den verschlungenen QuipoZ PernZ entspräche. Ihre Mitteilungen geschehen durchaus mündlich, nnd lhre Geschichte ist ein weißes Blatt. Es ist den Europäern nicht gelungen, ihre Sprache nntcr grammatische Negcln zu bringen, Was notwendig sein würde, wenn sie mit römischer Schrift geschrieben werden sollte. Eingeborenen, welche Schulunterricht genossen hatten, ist es häufig mißlungen, sich in schriftlichen Mitteilungen in ihrer Muttersprache verständlich zn machen, weil sie in betreff der Lante der Wörter nicht übereinstimmen nnd daher zur Darstellung der Lante verschiedene Buchstaben anwenden. Wir wissen nicht einmal, ob es Zu wünschen sein dürfte, daß man sich znr Beseitigung dieses Mangels große Mühe gebe, da, je eher ihre Sprache der englischen, die unter ihnen rasche Ausbreitung gewinnt, Platz macht, es nm so besser wn ihren Fortschritt im Wissen nnd in der Sittung stehen wird. Es wird dem Afrikaner nicht schwerer werden, sich eine Kenntnis der englischen Sprache zn erwerben und sie zu schreiben, als es für ihn sein würde, die Grammatik seiner eigenen Sprache zu erlernen und sie beim Schreiben anzuwenden. Die Lehrer finden wenig Schwierigkeit, das Lesen und Schreiben des Englischen beizubringen, und die afrikanischen Knaben, die frühzeitig in die Schnle geschickt Werden, dürften in Vczng anf ihre Fortfchritte einen Vergleich mit englischen Kindern in derselben Stellnng und bei gleicher Daner des Unterrichts aushalten. Ihr Talent zum Nachahmen ist sehr groß. Sie erlernen mit Leichtigkeit die Schönschreibkunst und scheinen im 270 ' Vilder von der Goldküste. stände zu sein, die Art der Schrift je nach den ihnen vorgelegten Kopien willkürlich Zu ändern. Ein einheimischer Schreiber wird im i^aufc einer Woche fähig sein, die Hand seines Herrn so geuau nachbilden zu lernen, daß es den letzteren verlegen machen wird, zu sagen, ob es seine cigene oder seines Schreibers Hand sei. Nahe an tausend Kinder erhalten Unterricht in den Schulen der Wesleyauischeu Missionsgescllschaft, die jährlich einige Hunderte junger Leute recht leidlich gebildet entlassen. Die nnnntcrrichtcten Eingeborenen bedienen sich ihrer als Nechnnngsfnhrer und zur Besor-gnng der Korrespondenz, nnd sie sind jetzt so weit und breit über das Land zerstreut, daß jede Stadt, selbst im ferncu Innern, einen oder mehrere dieser Schreiber besitzt, die den Einwohnern als Vermittler ihrer Verbindung mit ihren Freunden in der Ferne dienen. Tagtäglich empfangen der Gouverneur nnd die Behörden Briefe aus Aschanti, Akim, Wassah, Min, Apollouia nnd allen Städten der Fanti. Viele Häuptlinge haben einen Sekretär in beständigem Dienste bei sich, sehr hänsig ihre eigenen Sühne, die in den Schulen ihre Erziehung erhalten haben. Anch die Kanflcntc bekommen von Handelskorrefpondenten im Innern schriftliche Warenbestellungen. Kurz, das Volk genießt jetzt znm größten Teile alle die Vorteile, welche die schriftliche Mitteilung seiner Bedürfnisse nnd feiner Em-pfindnngen mit sich führt. Insbesondere sucheil die prozessierenden Parteien vor unseren Gerichtshöfen sich dieses Mittel zu Nutze zu machen, um ihre Rechtssachen an die Behörde zu bringen. Sie halten dafür, und ganz mit Nccht, daß dasselbe der Untreue der Dolmetscher Einhalt thne. Ihre Rechtssachen werden daher mit Sorgfalt niedergeschrieben nnd an den Gerichtstagen eingereicht. Viele dieser Schriften sind wegen der Einfachheit ihrer Ansführnngen und der ehrlichen, ungeschminkten Angabe ihrer Klagepunkte von ganz merkwürdiger Art. Manche Schreiber verlangen für ihre Dienste einen hohen Preis, der, je nachdem sie deren Wichtigkeit taxieren, verschieden ist. Die gewöhnliche Summe, die für die Ab-fassnng eines Briefes gegeben wird, beträgt etwa zehn Pence i es ist uns aber ein Fall znr Kenntnis gekommen, daß vier Pfuud bezahlt worden sind, und als der betreffende Schreiber später wegen dieser maßlosen Forderung znr Rede gestellt ward, war die einzige Entschnl-dignng, die er für eine solche Erpressung zu geben für nötig befand, „daß er es für notwendig erachte, diesen unwissenden Menschen den Wert der Gelehrsamkeit (ltt^i-atui-o) recht eindringlich zn lehren". Die Neger dcr Goldküste. 271 Bci solchen bequemen, vcrkehrfördcrndcn Mitteln wird der Betreibung des Handels im Lande und den Plänen des Gouvernements die größte Erleichterung geboten. Wenn der Leser diesen Zustand der Dinge nnd die allgemeine Rnhe und Sicherheit, die er in sich schließt, dem zerrissenen Znstande des Landes, wie er noch vor fünfundzwanzig Jahren war, gegenüberstellt, so kann er wohl kaum nm-hin, über die Naschheit des gemachteu Fortschritts zn erstaunen. Tie Afrikaner sind leidenschaftlich für Musik eingenommen und haben ein ausgezeichnetes Ohr für sie. Die einheimischen Lieder sind sehr einfach und bestehen nur aus abgerisseueu Takten. Ihre Gesänge sind vorzugsweise eine Art Recitativ oder Kirchengesang Mit kurzem (5hor, Sie sind oft improvisiert, wobei der Hauptsänger einen Vers anstimmt und eine Anzahl Chorsänger in den Ncfrain unt einfallen. Der erstere steht, während die anderen um ihn sitzen, und verläßt ihn seine Erfindungskraft, so nimmt ein anderer seinen Platz ein und setzt die Unterhaltnng, die häufig Stnndeu lang dauert, fort. Sie besitzen viel Geschick, den Inhalt dieser Lieder den Tagesereignissen zu entuehmen, uud gefalleu sich im Verspotten von Lächerlichkeiten, in beißenden Sarkasmen, in widerlicher Schmeichelei oder in gerechtem Lobe von Menschen nnd Dingen, je nachdem es die Umstände zn verlangen scheinen. Die Tapferkeit eines Häuptlings, die Schönheit eines juugen Mädchens, die Freigebigkeit eines Freundes, die Habsucht eines Knickers, die Feigheit einer Memme, die Zärtlichkeit einer Mutter und die getäuschte Hoffnung eines liebenden Herzens bilden bunt durcheinander die Themata dieser Stegreifs-ergießnngcn. Wenn ein Weißer vor diesen Sängern, während sie so beschäf-^3t sind, vorübergehen müßte, würden sie rasch eine Eigentümlichkeit seines Charakters, ob gnt oder schlecht, erfassen nnd sie unter der ungezügelten Lust der Umstehenden laut besiugen. Selbst ein vorübergehender Fremder, den sie nie znvor gesehen, würde ihrer Aufmerksamkeit nicht ganz entgehen nnd etwas Auffallendes in seinem Aussehen, in seinem Gange oder in seinem Anzüge schnell ein Gegenstand des Lobes oder Spottes werden (f. auch S. 84). Diese Gewohnheit, Lob oder Tadel der Personen in freiem Gesänge öffentlich zn machen, übt emeu nicht geringen Einfluß auf daö Benehmen ans, denn der Afrikaner ist für die öffentliche Meiuuug sehr empfindlich und fürchtet sich, dem Spotte preisgegeben zu werden, während der Weihrauch der Schmeichelei ihn zu Handlungen reizt, die ihm die Bewunderung 272 Bilder von der Goldlüste. seiner Landsleute gewinnen. Auf diese Weife werden die Sänger und Sängerinnen die Organe der öffentlichen Meinung nnd vertreten die Stelle nnferer Journale nnd Zcitnngen. Die Schärfe ihrer Kritik ist bisweilen so groß, daß sie zn Zwistigkeiten führt, namentlich wenn eine ganze Compagnie oder das Viertel einer Stadt den Gegenstand dcö verhöhnenden Angriffs bildet. Ihre musikalischen Instrumente sind weder Zahlreich, noch von großem Tonumfänge. Sie haben eine Trommel, die ans einem ausgehöhlten und an dem einen Ende mit einem straffen Felle überspannten Baumstämme gebildet ist. Die größere Art wird von einem Träger auf dem Kopfe getragen, während der Trommelschläger nachfolgt und mit seinen Stöcken dranfschlägt. Tic kleineren Trommeln werden um den Hals gehäugt nnd entweder mit kleinen Schlegeln oder mit den Fingern geschlagen. Diese Trommeln oder Tamtams sind sehr beliebt. Keine Lustbarkeit kann ohne sie stattfinden. Sie scheinen auf den Fanti dieselbe aufregende Wirknng zn haben, welche der Dudelsack auf deu schottischen Hochländer ausübt. Er tanzt wie ein Wahusinniger nach ihrem Klänge nnd hält selbst in den rasendsten Bewcgnngen mit erstaunlicher Genauigkeit Takt. Es ist possierlich, die Wirkung dieser rohen Musik auf alle Klassen, auf Imig und Alt, auf Männer, Weiber nnd Kinder zu beobachten. Mögen sie beschäftigt sein wie sie wollen: mögen sie ruhig durch die Straße gehen, Wasser aus dem Teiche holen oder einer ernsten Prozession beiwohnen — kaum hören sie die raschen Schläge einer ferneu Trommel, als sie anch im Nn unwillkürlich zu hüpfen uud zu tanzen anfangen. Der Maurer wirft auf eiuc Minute seiue Kelle hm, der Zimmermanu verläßt seine Hobelbank, die Kornmahleriu ihrcu Mühlstciu nud der Träger seine Ladung, mn zu den« begeisternden Klänge den Takt zu schlagen. Selbst der Böttcher vernietet fein Faß nnd keilt seine Neifen nach dem Takte eines Liedes, während die Lcnte um ihn in Ermangelung anderer Musik nach seinen Schlägen tanzen. Sie haben anch ciue Art Guitarre, ^nclio genannt. Sie besteht aus einem viereckigen hohlen Kasten mit emem Halse daran und mit acht in zwei Reihen stehenden und von einem Stege emporgehaltenen Saiten. Sie wird mit den Fingern gespielt und macht eine saufte, einschmeichelnde Wirtnlig. Dieses Instrument dient vorzugsweise dem Ausdrucke weicher uud ernster Stimmungen der Seele, Der Liebende wie der Trauernde finden Trost in ihren Tönen, die Die Neger der Goldküste. 273 sie mit ihren Stimmen begleiten. Die Mondschcinnächte sind es vornehmlich, wo man den leisen Klang ihrer Klagcmelodic vernehmen kann. Sie besitzen ferner eine lange Flöte, deren Töne einen sehr angenehmen Eindruck auf das Ohr machen nnd unaussprechlich süß find. Wenn man ihr lauscht, befällt einen unwillkürlich der Wunsch, niehr zn huren, als die Musiker ihr entlocken, da ihre Mnsik nur abgebrochene Melodiefragmente, keine vollständige Komposition ist. Sie fpielen dieses Instrument meistens zu fünf bis fechs Personen und behaupten, daß sie anf ihm sich miteinander zu unterhalten fähig feien. Ihr kriegerischstes Instrument ist das Horn, das aus dem kleinen Fangzahn des Elefanten gemacht wird. Es hat bloß ein Loch an der Seite in der Nähe des dünnen Endes und verlangt zum Spielen eine tüchtige Lunge. Jeder Häuptling besitzt einen Hornbläfcr und feine eigene besondere Melodie. Das Horn hat einen lecken, lauten, herausfordernden Ton und schart das Gefolge um seinen Herrn. Ein Häuptling reist niemals ohne ein bewaffnetes Gefolge, feinen Trommler und Hornbläser. Er kündet seine Ankunft in einer Stadt dnrch den martialischen Klang seines Hornes an, und noch ehe er selbst gesehen wird, wiffen die Einwohner schon an den eigentümlichen Tönen zn unterscheiden, wer es ist. Diefe Töne sprechen stets einen kurzen Gedanken aus, der des Häuptlings Tapferkeit oder feine Verachtung gegen andere ausdrückt. Von einem Hänptling aus Auamabu ward einmal dnrch den Sinn, der in den Tönen feiner Trompete lag, den Bewohnern einer Stadt, die er passierte, großes Ärgernis gegeben, denn sie schienen zu sagen: „Was seid ihr im Vergleich zu mir?" nämlich mit des Hornbläsers Gebieter. Sie haben weiter noch Handtrommeln, Schnarren und Castagnetten, die bloß dieuen, den Lärm. au dem sie großes Ncrguügcn finden, zu vermehren. Viele haben auf englifcheu Querpfeifen, Flöten, Flageoletts und Waldhörnern fpielcn gelernt. Sie fafscn unfere Melodieen mit der größten Leichtigkeit auf und spielen sie, nachdem sie sie einige Male gehört, recht erträglich. Die Künste und Gewerbe haben in dicfem Teile der Welt keine bedeutenden Fortschritte gemacht. Die Eingeborenen sind indessen erfinderische Arbeiter in Gold, und fertigen Ninge, Ketten und Spangen, die einem europäischen Künstler nicht zur Unehre gereichen Va unzarten, Afrika. lg 274 Bilder von der Golblüste. würden. Sie formen das Gold in alle Arten von Gestalten, in vicr-füßige Tiere, in Vögel und kriechendes Gewürm, und schmücken ihren Körper mit diesen Zierraten. Sie verstehen auch etwas vom Gerben des Lcders, die Fantis stehen aber in der Kunst seiner Zurichtung vielen ihrer Nachbarn nach. Sie sind ferner in der Töpferei zu einiger Vollkommenheit gelangt, denn ihre irdenen Gefäße sind gut und als Wasserbehälter und Kochgeschirre branchbar. Auch formen sie Bilder aus Thon und brennen sie, wovon wir in einigen Ge-gcndeu des Landes merkwürdige Grnftpeu gesehen haben. So stellen sie beim Tode eines Großen diesen dar, wie er im Staate dasitzt, umgeben von seinen ihn umgebenden Weibern und Dieueru. Eine solche Gruppe, die viel Natürlichkeit zeigte, erblickten wir einmal nnter einem großen Banmc in Adschnmakon. Von den Figuren waren einige pechschwarz, einige rotbraun, andere hatten alle Farben-schattiernngen zwischen Schwarz und Not an sich, wie mm eben die Hautfarbe der Originale, die sie darstellen sollten, gewesen war. Sie hatten beinahe Lebensgröße, und die Proportionen zwischen den Männern und Frauen, Knaben nnd Mädchen waren recht gut beobachtet. Selbst die wcicheu und zarten Züge im weiblichen Gesicht waren deutlich wiedergegeben. Der Kabossir und seine Vornehmen warm, ihre langen Pfeifen rauchend, dargestellt. Mit diesen Darstellungen wird keine Apotheose des Toten beabsichtigt; sie sind nur Denkmäler zu ihrem Gedächtnis, gleich den Statncn unserer großen Männer. Ihrer Erhaltung wird, nachdem sie aufgestellt worden, keine Sorgsalt gewidmet, denn sie bleiben so lange stehen, bis sie in Stücke zerfallen. Mit Modellierung dieser Fignren beschäftigen sich hauptsächlich die Fraueu. Sie betreiben auch Webereien und bedienen sich dabei eines kleinen Webswhls, der nach demselben Prinzip wie der englische Handstnhl eingerichtet ist. Sie spinnen den Faden aus der im Lande wachsenden Baumwolle, gewöhnlich aber verwenden sie den Faden aus englischen Tüchern dazn, die sie zu diesem Ende zerzupfen. Das Gewebe ist selten mehr als 4 Zoll breit, nnd mit einer großen Menge von Farben durchwebt. Mauche ihrer Tücher sind mit vieler Sorgfalt gearbeitet und werden bei ihnen zu hohen Preisen verkauft. Die Apollonier fertigen schöne Tücher aus Gras, welche stark und dauerhaft sind, und aus den Fasern des Pisangs und Kokos-nußbcmms Schnüre, Netze und Seile. Sie sind mit dem Färben bekannt nnd wenden Not, Blau uud Gelb und ein ans einem Gemisch Die Neger der Golkküste. 275 Von Blau und Gelb gebildetes Grün MI. Ihre blaue Farbe ist insbesondere sehr schön und dauerhaft. Grobschmicde, Zimmcrlcute, Maurer, Böttcher, Schneider und Schnhmachcr betreiben jetzt ihre blühenden (bewerbe durch das gauze Land. Ihr Ackerbau befindet sich noch in einem sehr urtümlicheu Zustande. Sie gebrauchen bei ihreu Feldarbeiten weder einen Pflug, Noch Zugtiere. Ihre Hauptprodukte sind Koru, Aamswnrzelu, Ca-sada, Erdnüsse, Pisangfrüchtc und Banaucu. Außer dieseu haben sie uoch ciue große Mannigfaltigkeit au Früchten, die ohne viel Aufmerksamkeit auf ihre Pflege von selbst zu wachsen scheinen, z. B. Ananas, Guaveu, Limoueu, Citronen, Orangen, Melonen, Flaschen-bamnfrüchte, saure Bissell (aiwua murioatÄ) und eine Menge Äftfel-arten, genannt der Kaschuapfcl, der Kormantiner Apfel, der süße Apfel, danu Pumpelnüsse, Ocras, eine Art Muskatellerkirsche uud viele Pfefferarten. Sie haben auch die Kokosnuß uud die Palmfrucht, aus dcueu sie Öl prcsseu, welches den Stapelartikel des Exporthandels bildet. Sie bancn eine Art Kürbis an, der zu ansehnlicher Größe wächst und ihnen sehr nützlich ist. Sie werden als Flaschen, als Triukschalcu, als Wasscrkrüge uud Tröge gebraucht. Die Ausfuhrartikel der Goldküste siud Goldstaub, Elfeubeiu, Palmöl, Mais, Erduüsse, Malagetta-Pfeffer uud Kopalgummi. Die drei crstgcuaunteu Artikel bilden ihre Stapelwaren. Das meiste Gold wird von den aschautischen Handelsleuten geliefert. Es findet sich überall im Voden des Landes als Goldstanb vor, die größten Mengen geben aber die Betten der Flüsse her. Man hat auch Bergwerke, wo man es mit rotem Lehm und Grus vermischt und in Stücken weißen Granits erhält. Viele Sklaven sind durch das ganze aschautische Land mit dem Einsammeln desselben beschäftigt. Die grüßte Menge soll man ans dem FInsse Barra nnd ans der Provinz Gaman erhalten; aber die Politik der Könige von Aschanti setzt uus infolge ihrer Behinderung des Verkehrs mit dem Iunern außer Stand, mit großer Gewißheit über diesen Punkt zu sprechen. Es findet sich anch in großer Menge in einigen Teilen des Akimlandes, Welches ebenso reich daran zu sein scheint wie Aschanti. In Wassah und Denkern giebt es Gruben. Das holländische Gouvernement nahm sich die Mühe, eine Grnbe im crstcrn Lande zu bearbeiten, aber infolge der schlechten Wahl der Örtlichkcit, der Krankheiten der Verglcnte nnd der Untauglichkcit ihrer Apparate war das Unternehmen von wenig Erfolg begleitet nnd ist gegenwärtig ganz auf- 18* 276 Vilder von der Goldlüste. gegeben. In den meisten Gegenden des Fantilandes ist der Boden leicht mit Gold geschwängert, aber das unvollkommene Verfahren der Gingeborenen bei der Schcidnng desselben macht die Mühe kanm bezahlt. Sic füllen einen Kürbis zn einem Teile mit Erde an, mischen diese mit Nasser und schütteln sie. Die Goldteilchen sinken zu Boden und die Erde wird herausgeworfen. Durch dieses fortgesetzte Verfahren wird das Gold vollständig von derErde geschieden und in ganz kleinen Körnchen auf den: Bodeu des Kürbisses liegend gefunden, Anch bei Winncbah findet sich Gold in Granitstücken ver-larvt, welche zerstoßen nnd ans dieselbe Weife gesichtet werden. Es läßt sich kaum bezweifeln, dah es anch noch in Teilen deö Innern in großer Menge und in reichen Adern sich finden werde. Wir selbst haben ein Stück von elf Unzen gesehen, nnd Dupnis sagt, er habe in Kumassi Stücke von einem Gewichte von vier Pfnnd ge-sehcn. Es scheint nicht, daß die von der Goldküste ausgeführte Quantität des Goldes sich in den nencrn Jahren vermehrt habe; im Gegenteil ist sie, wenn wir dic hierüber gemachten Angaben als genau ansehen dürfen, bedeutend gcsnnken, Mr. Swanzy spricht es in seinem, vor dem Komitee deö Parlaments im I. 1816 gegebenen Berichte als seine Meinnng ans, daß jährlich hnnderttansend Unzen Gold erzielt werden. Dies ist beinahe doppelt so viel, als gegenwärtig ansgcführt wird. Die Importen sind Baumwollen-, Seiden-, Sammet- nnd Wollenwarcn, Spiritnosen, Wein, Tabak, Eisen, Messing, Knpfer, Blei, knrze Waren, Töpfcrzeug, Mcsserschneidcwaren, Flinten, Pnlvcr, Flintensteine, Eingefalzencs, Hansgerät, Kügelchcn zn Schnüren, Muschelschalen (Kauris), Thee, Zucker, Bier und eine unendliche Menge gewöhnlicher Verbranchsartikel. Der Handelsgcist ist im Afrikaner sehr stark. Gewissermaßen besteht die ganze Bevölkerung aus Handelsleuten. Auch die afrikanischen Francn haben ihre Lust daran, auf den Marktplätzen nnter den Bänmen zn sitzen nnd hier ihre Waren znm Verkaufe ansznlegen oder sie durch die Straßen der Stadt nnd von Dorf zn Dorf Hansieren zn tragen. Ihr Handel ist indes bislang noch wenig mehr als dcr Austausch einer Ware gegen eine andere. Die Häuser der Goldküstenbewohner zeigen nicht viel architektonischen Schmuck oder eine große Mannigfaltigkeit und Menge von Gelassen nnd Bequemlichkeiten; aber selbst die armseligsten bieten ihren einfachen Bedürfnissen ein gerännüges Obdach dar. Die Die Neger der Goldlüste. 277 niedrigste Art von Wohnungen, die wir gesehen, sind in dcr Nähe des Flusses Sakküm bei Akkra nnd in einigen Fischerdörfchen zwischen Axim und Dircove zu finden. Diese bestehen cms kleinen, henschoberähnlichcn Hütten, die mit Gras überdeckt sind, nnr eine kleine Öffnung haben, durch welche der Bewohner auf Händen und Füßen aus- und eintriccht, und die ohne alle Ordnung beisammenstehen. Das Aussehen dieser jämmerlichen Hütten verrät auf den ersten Blick die Armut, den Schmutz, die Dummheit nnd das faule Leben nnd Treiben dieser tiefgefuukenen Geschöpfe, die hauptsächlich vom Einsammeln von Muscheln zum Kalkbrennen leben. Ihnen zunächst folgen die kleiueu Weiler im Innern des Landes, deren Hänser zum grüßten Teile Wände von Bambus nnd anderm Rohrgeflecht haben, mit Mörtel bekleidet und mit Pisang und Palmblätteru überdeckt sind. Diese Hütten enthalten ein, zwei oder mehr Gemächer und haben viereckige Löcher, welche zu Fenstern und Thüren dienen, die des Nachts durch eine Schntzwehr von Bambus, welche über die Öffnungen herabgelassen wird, geschlossen und inwendig zugemacht werden, um die wilden Tiere abzuhalten. Manche dieser Hütten, die höhere Ansprüche machen, haben Fensterläden nnd Thüren mit Bändern und Riegeln. Die kleineren Städte bestehen durchweg aus solcherlei Hütten. Sie liegen meistens in der Nähe der bedeutendsten Landgüter und Plantagen und sind znr Bequemlichkeit der auf diefen beschäftigten Arbeiter gcbant worden, die vielleicht in einer der Hauptstädte des Distrikts Wohnhäuser besserer Art besitzen. Das Land Fanti zeigt gegenwärtig in dein allgemeinen Anblicke seiner Städte uud Weiler die Spuren dicfer fortschreitenden Änderung. Die vornehmsten Städte werden dnrch die große Menge dachloser Mauern in allen möglichen Stadien des Verfalls entstellt, während massive Häuser vou höheren Ansprüchen auf neucu Stätten w unbewohnten Gegenden des Landes sich erheben. Die Häuser werdcu aus Lehm erbaut oder aus „Swisch", wie er genannt wird, wenn er zum Gebrauche fertig ist, zn welchem Ende man die Erde Nlit Wasser mischt uud mit den Füßeu tritt, daun die Masse zu einem Haufen sammelt, mit Stroh überdeckt und einige Tage gähren laßt, wodurch sie eine große Zähigkeit erlangt. Darauf wird sie in Schichten — jede zu etwa achtzehn Zoll Höhe — gelegt, der Sonne ausgesetzt, deren heiße Strahlen das Geschäft des Verbrenueus s» kräftig verrichten, wie es nnr ein Ofen vermöchte, und ihr die Dauerhaftigkeit, Gedrungenheit und Härte des Backsteins geben. Die 279 Wider von der Goldkiistc. gewöhnliche Form ihrer Häuser ist das Niereck, seine Seiten bilden dic Gemächer, die einen viereckigen Ranm einschließen, dessen Verhältnisse der Grüße der seitlichen Gemächer entsprechen. Man tritt durch cine Thür oder ein Portal ein, und zwar znnächst in eins dieser Zimmer, das meistens als offene Loge oder Empfangssaal dient, dnrch welches man in den viereckigen Ranm gelangt und worin der Hünptling oder Kabossir seine Trommeln zu haben Pflegt. Zur Seite des Vierecks, der Loge gegenüber, ist die Flnr der Zimmer um ein paar Fuß über dem Boden erhöht und nach dem Viereck oder Hofe zn dnrchaus offen. Bisweilen ist nnr ein Teil davon offen, indem ein kleiner Ranm an beiden Enden zu Zimmern verwendet ist. Die anderen zwei Seiten des Vierecks bestehen aus Gemächern mit Thüren und Fenstern, deren Flnrc im Niveau mit dem Erdboden liegen; oder sie bestehen, wie bei der niedern Klasse, aus erhöhten und offenen Schupften. Diese Hänser haben feiten Fenster nach vorn zu, so daß der Eingang dnrch das Portal das einzige Verbindungsmittel nach außen ist. Daher genießt jede Familie, selbst im Mittelpunkte der Stadt, die größte Abgeschiedenheit nnd kann ihre häuslichen Geschäfte im Freien, entweder in dem mcreckigeu Raume oder unter den seine Seiten bildenden offenen Schuppen oder Gemächern besorgen, ohne von den Nachbarn gesehen zu werden. Natürlich herrscht je nach dein Geschmacke der Bewohner einige Mannigfaltigkeit in der Einrichtung der Häuser, aber der herrschende uud, wie er genannt werden kaun, eigentliche Landcsstil ist so wie wir ihn beschrieben haben. In Hänsern, die ncncrdings erbaut wordeu, weichen die offenen Gemächer jetzt Zimmern mit Thüren und Fenstern, indem man selten mehr als ein nach dem Hofe offenes Geniach findet. Sie bestehen hänfig ans einer Reihe vierseitiger Gebäude und Höfe, deren Zahl von dein Ansehen nnd Reichtum des Besitzers und der Größe seiner Familie abhängt. Eine kleine ver-biudeude Thür iu eiuer der Eckeu führt aus einem Hofe in den andern. Die Franen des Hanfes bewohnen eine dieser inneren Zimmerreihen, wo sie ihren hänslichen Geschäften, dem Kornmahlen, obliegen. Der Kochherd befindet sich in der Mitte des Hofes und besteht aus drei kleiucu Kegelu von Thon, die in der Form eines Dreifnßes dicht beisammenstehen; die Kochgerätschaften stehen zwischen ihnen, und das Brennholz liegt unter ihnen auf dem Boden; der Rauch steigt frei in die Luft, und da der Hof von deu Mauern des Die Neger der GoldlWe. 279 Hauses eingeschlossen ist und selten starker Wind weht, so ist die Luft während des Kochens oft mit dickem Qualm erfüllt. Häufig hat die eine Seite des Hofes und bisweilen alle Seiten noch ein zweites Geschoß. Dies gilt für notwendig, nm dcr Idee eines Hauses des weißen Mannes zu entsprechen, dem sie ja so gern in allem nachzuahmen Pflegen. Wir haben oben bemerkt, daß diese Hänscr von Lehm oder Swisch gebaut sind. Sie haben ein starkes Dach von Balken und Stroh, das meistenteils über die Mauern des Hauses um zwei bis drei Fuß vorsteht und den Bewohnern einen angenehmen Schatten bietet, nntcr welchem sie auf einer niedern Bank oder einem Sihc von Erde, der an den sämtlichen Seiten des Hofes hinläuft, sitzen. Diese niedrige Bank, die mit einer roteu Erde eingeriebenen und davon glänzenden Fußböden, die weißangestrichenen Manern, kurz die ganze äußere imd innere Einrichtung — alles trägt das Gepräge der Reinlichkeit, Nettigkeit und eines gewissen Glanzes an sich, und fein malerischer Anblick wird noch mehr erhöht dnrch Musketen nnd andere kriegerische Werkzeuge, die an den Wänden des offenen Hanpt-zimmers, das der Herr des Hanfes als Empfangszimmer und Andienz-saal gebraucht, in Parade aufgehängt sind. In anderen Teilen des Hanfes finden wir die Wände mit einer Menge Porträts nnd Kupferstichen, hauptsächlich französisches Fabrikat nnd gemeine Sudelei, behängen. Die Afrikaner sind ganz toll darauf, ihre Zimmer mit Bildern auszuschmücken, uud diesen Hang zu befriedigen, muß alles herhalten, was ihnen gerade in die Hände fällt. Hier kann man Napoleon in feinem dreieckigen Hute zu Fuße nud zu Rosse, entweder schreicndbnnt gemalt oder einfach in Holzschnitt, und Georg I V. (jeht K. Victoria) im Krönnngsornate um den Platz streiten sehen mit Punch und feinem Huude Toby, wie sie an der Spitze seines Blattes (des „Punch") erscheinen, ferner mit den Krugen, Thee- und Kaffeekannen von (5ox, Savony ^ Comp,, wic sie in ihren Ankündigungen zu sehen sind, oder anch mit dem königlichen Wappen von England, strahlend im ganzen Glänze einer Anzeige eines Krämers Ihrer Majestät. Dieses Modewerden von Bildern ist weit entfernt, die einzige europäische Neneruug zu sein, die unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht. Bis dahin, wo ihnen die Sncht nach Ändernng eingeimpft ward, die ihr Verkehr mit Enropäcrn täglich mehr nnd mehr entwickelt, waren ihrer häuslichen Bedürfnisse äußerst wenige und diese von dcr 280 Bilder von dcr Goldkkste. einfachsten Art, und bei vielen Leuten im Lande hat darin auch bis heute, noch wenig Veränderung stattgefunden. Mit einem Stück Zeug, um sich damit zu bedecken, einer Matte, um darauf zu schlafen, einem Kürbis zum Trinken, zwei Steinen zum MaiSmahlen, einem Zuber zum Zerstoßen der Pisangfrüchte und einer Schippc und Hacke znr Bearbeitung seiner Pflanzung ist der Fanti in der Lage, einen Haushalt zu begründen, und besitzt hierin alles zur häuslichen Einrichtung Nötige. Allgemach aber nmgicbt er sich, den Gewohnheiten des weißen Mannes folgend, mit überflüssigen Luxusartikeln. Es ist Possierlich, in vielen Häusern aus deren mannigfachen Einrichtungen den Fortschritt der Idecen nnter ihren Bewohnern und die ver-schiedeueu Stufeu der Verbesserung zn ersehen, während sich doch ihr alter Aberglaube noch in dcr Flasche oder der Schnur kuudgiebt, die über der Thür hängen, sowie in dem Fetischbanme im Hofe und in den Pfählen, die in den Ecken nnd hinter den Thüren errichtet sind, um Gefäße mit Fetischsnbstanzen zn tragen. Den bejahrten Lenten kommt es nicht in den Sinn, den Brauch ihrer Väter zu ändern, und beschränken sie sich auf die eiufachcu Lebensbedürfnisse, nicht sowohl darnm, weil sie die Annehmlichkeiten eines civilisierten Zustandes nicht vorzögen, als vielmehr, weil sie sich nicht die Mühe nehmen mögen und können, sich die Mittel zu deren Herbeifchaffung zu erwerben. Die nackten Wände ihres Zimmers, ihre Matten und Schemel, ihre irdenen Töpfe uud Kürbisgefäße — alles zengt von starrem Stehenbleiben ihrer Begriffe. In einem andern Zimmer des nämlichen Hauses finden wir vielleicht Schüsseln von Zinn nnd Steingnt, einen Löffel, ein Mcfser und eine Gabel, einen Tisch, einen Lehnstllhl, ein Bett uud eiuc Truhe uud weiß-gctünchte und mit Bildern und der Patronentasche des Herrn be-hangene Wände. Weiter finden wir in dem nämlichen Hanse ein nach nnseren europäischen Begriffen von Komfort schön ausgestattetes Zinnner uud seiuen Bewohner gleich einem Engländer gelleidet nnd fähig zu leseu uud zu schreiben, und sehen auf seiuem Tische oder Sofa die Bibel, Bnnyans „Pilgerreise" und andere religiöse Bücher liegen. Dieses wunderliche Gemisch giebt ihrer ganzen häuslichen Ein-richtnng ein groteskes nnd komisches Gepräge. Es giebt indes jetzt in dcr Nähe von Eapc-Coast und anderen Hauptstädten nnr noch wenige Hänser, in denen viele von den Annehmlichkeiten nnd den Luxusgegenständen des civilisicrtcn Lebens nicht zu finden wären; Die Neger der Goldtliste. 281 und viele Eingeborene lebcn in einem behaglichen Ubcrflnfsc nnd führen ein üppiges Leben, wie wir es nimmermehr in der nackten Einfachheit ihrer Kleidung suchen würden, wenn uns nicht unser Umgang mit ihnen thatsächlich davon unterrichtete; denn nicht bei denjenigen allein, welche die europäische Kleidertracht nachahmen, finden wir die Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten des Lebeus. Überhaupt herrscht unter allen Klassen eine weit allgemeinere Verbreitung eines mäßigen uud hinreichenden Auslommens, als vielleicht W irgend einem andern Lande der Welt zu finden ist, vollständiger Mangel aber ist geradezu unbekannt. Indessen Zeigt sich gegenwärtig ein starker Hang, an die Gegenstände ihres Strcbens einen höhern Maßstab anzulegen, ein Hang, der hauptsächlich in der Sucht, europäische Lebcnsgewohnheiten nachzuahmen seinen Grund hat; und diese Nachahmung, insbesondere in äußerlichen Vorzügen, möchte jetzt das große Ziel und Streben des jungen Afrika sein. Der Wetteifer in dieser Beziehung ist so groß, daß er viele zu Grunde richtet; denn nicht zufriedeu, den langsamen Prozeß, durch Fleiß und Genügsamkeit sich die Mittel zur Vermehrung ihrer Genüsse zu verschaffen, abzuwarten, welches der allen offen liegende Weg zum Reichtum ist, Pflegen sie sich in unmäßige Ansgaben zu stürzen, ohne irgendwie darüber nachzudenken, ob sie auch fähig sind, sie auszuhalten. So ist es gar nichts Ungewöhnliches, einen Menschen sich in tollem Leichtsinn tief in Schulden stürzen zu sehen, während er dabei ein Haus baut, das vielleicht von seinen Gläubigern, noch ehe es der Bauunternehmer bis zum Bewohnen fertig gemacht hat, verkauft wird. Andere stecken mit gleicher Unbesonnenheit ihr ganzes Vermögen in den Van eines kostspieligen, in keinem Verhältnis zu ihrcu Mitteln stehenden Hauses, das sie halbvollcudet, als ein bloßes Stückwerk liegen lassen müssen, ein Denkmal der Thorheit und des Übermutes seines Besitzers, das endlich die Ncgcnflnten aus Erbarmen Zerstören. Aber allerwegen gewahren wir das Streben, Gebände von weit höheren Anforderungen aufzuführen, als die vorhergehende Generation für ihre Bedürfnisse für nötig hielt, und keineswegs ist das Mißlingen die jedesmalige Folge sulchen ehrgeizigen Strcbcns, im Gegenteil sind jetzt viele zu finden, deren Wohnungen und Lebensweise in jeglicher Beziehnng unseren europäischen Begriffen entsprechen. Aus diesen Bemerkungen wird der Leser wenig Mühe haben, sich die unendliche Mannigfaltigkeit von Abstufungen in der Nach- 282 Vildci von der Goldliistc. ahmnng dcr Gewohnheiten eines höhern Grades von Civilisation vorzustellen. Er wird sich ebenso leicht die seltsamen Widersprüche denken können, auf die er stößt, wenn er die gegenwärtigen Znstände des Volkes gcnan betrachtet; denn er wnd in einem afrikanischen Hanse vergebens jene nette (Hinrichtung, Behaglichkeit und Anständigfeit snchen, die in einem wohlbestellten Hause zu finden ist und mit Recht als Zeichen eines richtigen Geschmackes betrachtet wird. Tic Tugend der Gastfreundschaft ist allgemein und so sich ganz von selbst zn verstehen, daß jeder von ihnen, wenn anch noch so fremd, zu denken scheint, er habe ein Recht, diese Gastfreundschaft anf die Probe zn stellen, indem er sein Quartier da aufschlägt, wo es ihm gerade dünkt. Bereitwillig wird dem Einsprechenden ein Zimmer gewährt, ohne daß man dafür Bezahlung erwartet, nnd bei Gelegenheit eines Vefnches von Freunden wird der Gast ohne Ausnahme mit Geschenken bewillkommt, Gegen Europäer bezeigen sie sich dergestalt gefällig, daß sie nicht zögern, ihre eigenen Hänser anf eine Zeit lang zu räumen, um sie nur recht anständig zu beherbergen, und wenn sie sie auch nicht mit einer Mahlzeit versorgen, zn deren gehöriger Vereitung sie sich das Geschick nicht zntrancn, so bringen sie ihnen doch Schafe, Geflügel, Yamswurzeln, Pisangfrüchte und Palmwein als Geschenk herbei, auf daß ihre eigenen Diener das Mahl davon bereiten mögen. Der Verfafser hat in der anspruchslosen Art, mit welcher wahre Gefälligkeiten erwiesen wurden, die größte Zartheit beobachtet, und er selbst hat während eines langen Aufeuthaltes bei ihnen so viele Beweise ihrer Achtung nnd Zuneigung empfaugen, daß er ihnen für alle Zeit ein liebevolles und dankbares Andenken bewahren wird. III. Ein ssctischhaus ans dcr Goldli'lstc. In Pramgram, einer bedeutenden Stadt anf der Goldküstc, östlich von Christiansborg, erhebt sich eine Fetischhütte, wie alle Heiligtümer jener Gegend, und wie ursprünglich vor dem Bekanntwerden mit den Europäern vielleicht überhaupt alle NegerlMten, ein rnnder Ban mit Binsengras gedeckt, ohne Fenster, mit niedriger Thüröffnung. Im Innern einer solchen Fetischhütte sieht es recht armselig aus. Da liegt etwa ein Holzklotz oder ein Stein oder ein Fischgerippe, vielleicht auch eine Trommel auf dem Boden oder irgend Ein Fetischhauö auf der Goldlüste, 283 etwas Derartiges, das weder Wert noch Sinn hat. Aber es sind bedeutungsvolle Dinge für den Neger, denn in ihnen hanst der Fetisch oder „Wong", dem das Heiligtum geweiht ist. Allerlei Thongeschirr liegt am Boden aufgestapelt, daneben Büffel- und Zicgcnhörner. Muscheln und Vogclfedern, die als Zaubermittel oder zum Schutz gegen Zauber als Amulette dienen. An den Wänden hängcu allerhand Firlefanz und Fetischschellen. Zahllose Spinnen spinnen hier ihr Gewebe, und widerliches Geschmeiß durchschwirrt den dumpfen, fiusteru Nanm. welcher zugleich die Schlafstätte des Priesters ist, der den Dienst am Heiligtum versieht. Unter dem Grasdache nistende Fledermäuse und sonstige dem Fetisch geheiligte geflügelte Nachttiere Umkreisen des Abends die heilige Stätte und beleben dic tiefschattigen Laubbäume, welche die Hütte umschließen. In diesem heiligen Ncmme waltet dcr Oberpriestcr. Sein Haupt ist mit einem hohen Amtsbarret von Strohgeflecht bedeckt; wie's die Würde erheischt, schmückt ihn ein sorgfältig gepflegter Bart, dcr ihm vom Kinn bis auf die Brust reicht. Aus dem dunklen Negergesicht spricht die dem Fetisch-Priester eigene Verschmitztheit. Nm den Hals hängen ihm weiße Korallcnschnüre als pricstcrlichcr Schmuck; au ihueu steigt bei der Beschwörung der Fetisch herab. Gin seidenes, phantastisch geknotetes, bnutfarbcues Tuch, au dem allerhand Zaubcrmittel ihren Plah finden, wallt über das Priesterkleid herab. Die Hand hält einen Binsen-Wisch als Fetischwedcl, der, je und je mit einem Knh- oder Büffelschwanz vertauscht, stets bei den Fctischmänncru als Abzeichen pricster-lichen Amtes gesehen wird. Bei den Zercmoniecn wird er wie ein Wop gehaudhabt. Notledcrne Sandalen zieren die bloßen Füße. Die Fußgelenke sind von Korallenketten umschlossen. Ihm stehen zur Seite zwei Priesterinuen, gleich ihm mit Korallenschnürcn und allerlei Amuletten geschmückt. Stirn, Armc, Brust und Füße sind mit weißer Erde höchst kunstlos — überall mit zwei gleichlaufenden Linien — bemalt. Dieses Bemalen wird an den Fetifchweibern aus Anlaß von religiöseu Zeremouieen vorgenommen, nnd wer bei einer solchen Gelegenheit die konvnlsivischen Tänze nud Sprünge dieser Weiber je geseheu hat, der glaubt sich Besessenen gegenüber, die, von Dämonen inspiriert, im Solde des Satans stehen. Heidcnbotc 1884. S. 4. 284 Das unbekannte Land zwischen der Goldküste und dem oberen Niger. Das unbekannte land zwischm >rr GMiijlt und dem «btttn Zligtl. Neue Noute durch die aroßc Wüste zwischen den Flüssen Afra und Volta. — Das Mefcmtcnparadieö. — Die Etadt Karakye nnd dcr Fetisch Odcnte. — Bagyamso a,n Volta. — Tic gruhe Handels« und Fetischstadt Salaqa. — Der Missionar BnsZ iu Kaiakyc und Salaga. — Konnnerzielle Wichtigkeit der neuen Route. Bis in die ncucste Zeit hat man das Herz Wcstafrikas, Timbuktu am oberen Niger, cmf drei Wegen erreichen können: von den französischen Niederlassungen am Senegal nnd Gambia ans, ans dem Wasserwege den Niger hinauf oder von Nordafrika aus durch die Wüste (Barth, Lenz). Das unbekannte weite Gebiet zwischen dem Niger und den Negerrcichen von Aschanti nnd Dahomey ist erst vor einigen Jahren durch das nmtige Vordringen der Baseler Missionare erschlossen worden. Da das Hinterland der Goldknste vom deutschen Togogebictc aus, welches von der Mündung des Volta-flusscs kaum 30 Kilometer entfernt ist, in naher Znkunft das Ziel größerer Haudclsunternehmnngcn werden wird, so bieten die Ergebnisse dieser ersten Forschungsreisen, die wir in einem Ansznge aus einer Mitteilung dcö vi. O. Beck in der Sitzung der Geogr. Gesellschaft zu Vern (25. November 1880) folgen lassen, das höchste Interesse. Salaga, unter 8" 2O nördlicher Breite und 40' westlich vom Meridian von Greenwich gelegen, wnrde in den letzten Jahren, d. h. 1877 nnd 1876, dreimal von Missionaren der Baseler Stationen befucht. H. A. Kranse war 1,^«! nnd 1.^7 dort. Schon früher hatten Kaufleute Berichte über eiue im Innern liegende große Handelsstadt in die im britischen Protektorat gelegenen Stationen gebracht. Doch war sowohl die allzn große Entfernung dieser Stationen, als auch die Zugehörigkeit der zu durchreisenden Strecken zum Aschantireich ein absolntcs Hindernis einer längst projektierten Reise. Als nun aber nach dem Kriege mit England die im Herzen des Aschantireiches liegende Station Abctisi gegründet wnrde und die Berichte aus dem Innern über den Vichrcichtnm nnd dcn lebhaften Handel, der dort herrschen sollte, deutlicher nnd sicherer wurden, da beschloß der in Basel gebildete schwarze Missionar David Das lmbekmmtc Land zwischen dci Goldliiste und dem ubercu Niger. Zß5 Afchantc, der auch ini Kriege eine Nolle gespielt, auf eigene Faust den sagenhaften Ort aufzusuchen und dort Milchkühe, dercn Mangel an der ganzen Küste so schwer empfunden wird, auch Pferde und Schafe einzuhandeln. Sobald sein Projekt bekannt wurde, riet man ihm von allen Seiten ab, das Unternehmen zu wagen, da die Gin-wohner im höchsten Grade unduldsam und räuberisch, uud die Gegenden, die zu durchschreite,: seien, teils uuwirtbar, teils voll von Elefauten, Löwen uud Leoparden seien. Anch müsse mau ganze Tagereisen durch eine menschenleere Wüste ziehen. Blieb Aschante uun anch fest, so war es um so schwerer, die nötigen Träger uud Begleiter zn finden und mußte er dann auch mit nur wenig Getreuen die monatelange Neise am 1«. Januar von der Station Kjebi aus antreteu. Als Mundvorrat hatte er hauptsächlich Chokolade, Brot, Mais und Bodennnsse bei sich, ferner Cognac und Chinin, das notwendige Übel anf einer Afrikarcise. Nach drei Tagen erreichte die kleine Karawane dic nördlichste Baseler Station Abctifi, Nordöstlich von Knmassi gelegen, nnd Pflegte da einige Tage der Nnhe; ucue Schwierigkeiten erhoben sich hier, da sich keine Träger nach Salaga engagieren lassen wollten und die finanzielle Ansrüstnng unseres Reisenden 20 1^. nicht viel überstieg. Doch regelten sich diese Sachen endlich zu leidlicher Befriedigung, und nuu wurde dic Neise durch die ehemals zn Aschauti gehörige Provinz Olwau in Nordöstlicher Nichtung fortgesetzt. Die erste Tagereise brachte die Nciseuden nach Nkwantanau, dem letzten Okwaudurf, nnd die nächstfolgende an den wegen seines Fischrcichtums berühmten FInß Afram, den schon i«0li die gefangcneu Missiouarc Ramseyer und Kühne mit den Aschanti zu Fuß passiert hatten. Derselbe ist etwa 80 Schritte breit und kann in der nassen Jahreszeit nur auf Booten Passiert werden, da er sehr reißend ist. Derselbe ist jedenfalls ein Nebenfluß des Volta. Jenseits deS Afram beginnt eine weite, ganz unbewohnte Grasebene, eben jene Wüste, vor der man David Aschantc gewarnt hatte. Dieselbe mutz aber die letztere Bezcichuuug jedenfalls mit Unrecht tragen. Denn nach Aschanteö Schilderung ist diese Ebene nicht allein mit hohem Gras uud Gebüsch bewachsen, sondern überaus reich an Wasser und deshalb auch eiu wahres Paradies für Elefanten, Antilopen und Gewild aller Art, aber natürlich anch für Lüwcn und Leoparden. Aschante vergleicht diese Gegend mit der Äk kr a-Ebene zwischen Akuapem und der Küste; nur findet cr sie 286 Das unbekannte Land zwischen der Goldküste und dein oberen Niger. viel fruchtbarer. Wilder Hams, dcr sich häufig vorfand, bildete auf dem 5i Tage laugen Marsch iu nordöstlicher Richtung die Hauptnahrung der Karawane. Die Nächte waren in dieser wasserreichen Gegend so kalt, daß daS Thermometer fast bis auf den Gefrierpunkt sank. Endlich war der Volta und damit wieder die bewohnten Gegenden erreicht. Die Ufer des Stromes sind an der Stelle, die von Aschaute berührt wurde, von dem Pae-Völklein bewohnt, Leute, die in mehrfacher Beziehung unfere Beachtuug verdienen. Ihr Wohnsitz war früher rechts des Vulta; doch wurden sie dnrch die fortwährenden Naubzügc der Aschanti gezwungen, sich auf dem jenseitigen Ufer anzusiedeln, wo sich ihre Hauptstadt Ahen-Kuro befindet. Diesseits besitzen sie nur noch 4 Dörfer. Die Pae, sprechen Tschi nud sind Unterthanen des Okwau-Königs von Abetisi. Sie sind einfache Leute von mittlerer Größe und tragen noch Zöpfe, was an der Küste ein schon längst überwundener Standpunkt ist. Ihre Hänser sind klein, rund und fallen durch ihre spihcu Dächer uud ihre kleineu Hausciugänge auf, die uur 5' hoch und 2" breit sind. Die Landwirtschaft liefert Baumwolle uud einen feinen Tabak, der aber nur zum Schnupfen verweudet wird. In der Töpferei sind die Pae schr erfahren und produzieren vorzüglich schöne Geschirre, die unserem Stcingnte nahe kommen sollen. Die Viehzucht dagegen liegt ganz im Argen, da nur wenige Zwergziegen, Enten, Hühner und Perlhühner gehalten werden. Jagd uud Fischerei wird eifrig betrieben, und die Knnst des Vierbraueus aus Guincakorn erfreut sich ebenfalls einer eifrigen Pflege. Nachdem der Volta überschritten war, erreichten die Reisenden in 2',2 Stunden den Nebenfluß Oti, der viel tiefer als der Volta ist uud von Krokodilen und Flußpfcrden wimmelt. Nach l> Stnnden kamen die Reisenden iu das Gebiet eines andern Stammes, nämlich der Karakyeer, die ebenfalls Tschi sprechen. Neben dieser Sprache wird aber noch der sogenannte Kycrepougdialekt gesprochen, der sich auch näher der Küste um Mropong, Date ?c. herum noch findet. Die Karalyeer find nämlich ans ihren ehemaligen Wohnsitzen in der Datcgegcnd zur Zeit der Akwamuherrschaft ausgcwaudert und haben den heimatlichen Dialekt noch bewahrt. Diefcs Land ist weit uud breit bei allen Fetischdienern berühmt und gefürchtet, weil sich dort der größte Fetisch Odente aufhält und eine wahre Schreckensherrschaft über die leichtgläubigen Schwarzen ausübt. Auch die Begleiter Aschcmtes betraten dieses Gebiet mit Zittern und Zagen, nud ein Das linbelmmte Lcind zwischen der Goldküste und dem oberen Nisser. 287 energisches Auftreten war nötiger als je. Das Volk ist zahlreicher als die Pae, schmutzig und bigott im höchsten Krade. Ihre runden Häuser besitzen weder Gehöfte noch Schattcnbäume, noch Zäune, weil der Fetisch dieselben nicht leiden will. Ter König hat fast gar keinen Einfluß, nmsomehr aber der Fetischpricstcr, der das ganze Volk in Sklaverei hält. Weder Pferde noch Esel werden in der Gegend geduldet, auch ist es streng verboten, nachts ein Licht anzuzünden, da das vom Fetisch ebenfalls ungern gesehen wird. Zwillinge werden über einen bestimmten Felsen in den Volta geworfen und selbst die Bezeichnung derselben — Ata — darf nie ausge-fftrucheu werden. Zeigt sich der Fetischpriestcr, so schreit alles aus Leibeskräften — der große Vater kommt, er kommt —, denn es Würde auf ein wenig lanteö und eifriges Schreien eine arge Strafe folgen. Man kann sich daher vorstellen, was es für eine Grreguug gab, als Aschaute uachts ciu Licht auzündcte und trotz aller königlichen Votschaften nicht löschte, und als er gar am andern Tage vor dein Hause des Fetisches predigte. Sogar feine Leute gaben ihn verloren nnd waren überaus erstaunt, als sich an feinem ruhigen und festen Auftreten die Wellen deö Volksauflaufes bracheu. Die Hauptstadt Karakyc liegt am Volta auf felsigem Boden nnd ist ein fehr besuchter Wallfahrtsort. Handel nnd Viehzucht werdeu weuig betrieben, obschon in Karakyc alle Schiffe, die den Volta hiuauf nach Salaga Waren bringen, wegen der großen Strom-schnellen, deren Brausen man in Karakye beständig hört, umgeladen werden müssen. Die Händler beladen oberhalb des Falles die Schiffe wieder und führen dieselben dann den Volta hinanf, bis 2 Tagereisen vor Salaga, das etwas abseits vom Volta liegt; oder sie führen die Waren auf dem Landweg in 5 Tagereisen nach Salaga. Am 5. Februar marfchierte Aschante, nachdem er in Karakye seinen Leuten eine Ruhezeit gegönnt, wieder in nördlicher Richtung weiter und kam nach 2 Tagen in das Gebiet der Ndschumuru. Dieses Volk ist weniger zahlreich als die Karakycer, diesen aber in Sprache und Beschäftigung fast ganz ähnlich. Auch hier wird der Küstendialekt Kyerepoug noch dann und wann gesprochen. Die Ndschumuru tätowieren sich sorgfältig. Ihrc Toten begraben sie vor den Häusern, was die Karakycer nie thun, die besondere Begräbnisstätten haben. Die Hauptstadt ist Bagyamso, die wahrscheinlich identisch ist mit dem Orte Bcdiamcfso der ncucu Andrce-schcn Karte nach den Angaben des französischen Händlers Bonnat, 288 Das unbekannte Land zwischen der Goldküste und dem oberen Niger. dcm die Ehre gebührt, als erster Europäer die Stadt Salaga betreten zu haben. Derselbe besuchte bald uach dcm Aschautikriege, während welchem er in Kumassi mit den Missionaren gefangen war, zu Schiff dcn Nulta hinauf jene Gegenden. Vagyamfo, am Volta gelegen, ist noch größer und schöner als Karatye und zeichnet sich, wie das ganze umliegende Land, durch wohlgcpflegte Straßen aus. Die 6000 (Anwohner fallen durch ihre bedeutende Größe und ernste, kriegerische Haltung vorteilhaft auf. Ein Gefühl beseelt alle und kam im Gespräch mit den Neifendcu stets zum Vorschein — ein tiefer, glühender Haß gegen ihre früheren Bedrücker, die Aschanti. Non hier bezog der König von Kumassi zur Zeit seiner Herrschaft alljährlich große Steuern an Menscheu und Pulver, und man kann sich deshalb vorstellen, wie schr die Engländer, von denen hier freilich noch niemand welche gesehen hatte, in Achtnng stehen. Man hatte in Bagyamso noch währeud des Krieges ein deutliches Gefühl, es gehe mit der Kumassiherrschaft zu Eude, und wie das bei allen despotischen Herrschaften der Fall ist, beeilte man sich, so rasch als möglich die lästigen Ketten zn zerbrechen. Wer es wagte, über die gesperrten Grenzen nach Aschante Pulver zu schmuggeln, fiel der Volkswut zum Opfer, und an einem Tage wurden alle im Lande angesessenen Aschanti niedergemetzelt. In der Gegend von Sareu, westlich von Bagyamso, wurden die Boote der Aschanti, die dort Pulver Holm sollten, an einen unterminierten Ort gelockt, uud uutcr dem Vorgeben, man wolle mit ihnen unterhandeln, in die Luft gesprengt. AIs die Wenigen, die dabei mit dem Leben davon gekommen, wieder in Knmassi angelangt waren, so erzählt Namscycr in sciucu Tagebüchern, habe sich dort ein großes Wehcgcschrei erhoben, und einer der Geretteten habe ihm gesagt, es seien die meisten der Verunglücktet! nach der Katastrophe so rot gewesen, so rot wie — Meister Vouuat. Alle Länder bis 14 Tagereisen nördlich von Salaga haben jetzt das Aschantijoch abgeschüttelt und haben die Macht Englands, d. h. des weißen Mannes, kennen gelernt. Iu dem Lande der Ndschu-muru habeu die Priester des großen Fetisch Odentc den Glauben verbreitet, der Fetisch habe sich mit der Königin Viktoria gegen die Aschauti vcrbüudet. Ja, diese Verbindung sei eiue so enge, daß sie gar nicht mehr aufgehoben werden könne uud niemand sei im stände, in dem engen Bunde zu entscheiden, welches Odente nnd welches die Königin Viktoria sei, als diese beiden selber. Ein ganz nettes Müsterchcn afrikanischer Mystik. Das unbelannte Land Mischen der Goldlüste und dem oberen Niger. 299 In Vagyamso erwartete David Ashante seinen Netter Op oku, der sich ihm auf dieser Reise hatte anschließen wollen, ihn aber nicht mehr erreicht hatte. Oftokn hatte mit seinen Begleitern den ganz gleichen Weg eingeschlagen, nnd aus seinem Berichte haben Wir denn auch manche Lücke bei Ashante ergänzen können. In Bagyamso verfehlten sich die Beiden abermals, da von dort zwei Wege nach Ealaga führen, einer nordwestlich und einer direkt nach Norden. Als Ashante wieder von Salaga abreiste, kam Oftoku erst dort an, und werden wir denn auch weiterhin beide Schilderungen verweben. Nach 5 stündigem nördlichen Marsch von Bagyamso aus erreicht man den kleinen Fluß Data und damit die Grenze zwischen der heidnischen und mohammedanischen Welt. Freilich spielt das Fetisch-Wesen in den Grenzgebieten noch unter der Hand seine Rolle fort, wird aber wohl alljährlich mehr seine Gewalt au den Islam verlieren. Die Grenzbewohner sprechen alle noch Tschi uud Kyerepoug-Tialekte und tättowieren sich stark. Nachdem noch eitle Reihe von Dörfern in wuhlbebauten Gefilden passiert waren, erreichte Ashante am 10. Februar das Reiseziel Salaga, die Fetischstadt. Mit Begeisterung sprechen die wackeren Männer von dem herrlichen Anblick, den die von 50 0iw Menschen bewohnte Stadt aus der Entfernung gewährt. Mitten in üppigem Grün, in langgestrecktem, reizendem Thale gelegen, nimmt sich die Stadt mit ihren runden uud spitzen Türmchen wie ein mächtiges Fort aus. Alle Häuser siud rund und tragen mehr oder minder hohe, spitze Dächer, und noch bevor mau die Stadt betritt, bemerkt man das rege Leben, das hier pulsiert. Dem Fremden werden schon vor den Thoren in gastfreundlichster Weise Quartiere angeboten, was sich dann freilich als ein gar nicht übles Geschäft der Eiuwohuer eutvuppt, indem der Gast dem Hausherrn von allen auf dem Markte verkauften Waren Prozente lassen muß. Dafür wird man dann aber aufs beste uud zuvorkommendste von der wohlhabenden mohammedanischen Bevölkerung verpflegt. Die Straßen sind sehr unregelmäßig gebaut und häufig eng uud schmutzig. Die Bewohner sind eifrige Anhänger des Islam, in hohem Grade freiheitsliebend, unabhängig, fleißig und intelligent, dabei freilich oft roh uud grausam. Salaga besitzt zwei große Hauptmarktplätze uebcu einer Anzahl kleinerer. Alle Morgen früh wird ein Gemüse- uud Eßwareumarkt abgehalten; besonders findet man da Yams, Guineakoru, Mais, Ge-Banmu arten. Afnkci. 19 290 Daö imbcwmitc Land zwischen dcr Goldlüste und dcin oberen Mc,er. würze, Weihrauch, schwarze europäische Kartoffeln, frisches Ochsen-, Schaf- und Ziegenfleisch in großer Menge vor. Das Pfund Ochseu-fleisch wird mit wo Kauri -^ ^. Penny bezahlt, ebenso viel kostet ein Schoppen Milch und Z—8 Stücke ?wns. Butter wird ebenfalls verkauft, aber merkwürdigerweise nicht gegessen, sondern findet als Lederschmiere und Pomade eine nach nnscren Begriffen unpassende Verwendung. Znr Zeit der großen Märkte werden von den einheimischen Schlächtern 40 bis 50 Ochsen täglich geschlachtet. Dann sind aber auch Händler aller umliegenden Volksstämme in Salaga versammelt, besonders liefern Vornn, Iornba, Hanssa, Mossi, Timbuktu und Marokko sogar starte Karawanen. Man erzählte Ashante, es seien aus dem Norden schon weiße Leute auf den Markt gekommen, die aber Mohammedaner gewesen seien. Der Nachmittag-martt ist aber noch bedeutender als der Morgenmarkt. Da werden alle Arten einheimischer, nordafrikanischer, ägyptischer, arabischer und sogar europäischer Artikel geführt, Seide, Baumwolle, Leder, Waffen ?c. Salaga besitzt auch förmliche Bazars, worin den ganzen Tag verkauft wird; auch eine Menge Varbierbuden, Nagelschmiedwerkstätten :c. Die Haupthandelsleute sind die Hanssas, welche den Markt mit Elfenbein, wollenen Mänteln, Teppichen, Seiden-Zeugen, Korallen, Pferden, Eseln, Mauleseln, Ochsen, Schafen, anch hornlosen Schafen verschen. Die Mossi liefern neben den Hanssas das Hauptkontingent der Kaufleute. Zieht eine große Mossikarawane in die Stadt, so läuft alles znfammcn, schreit und jubelt den Ankommenden entgegen, Freudenschüsse werden gethan, so baß dem guten Ashaute der Wnnsch entschlüpfte: wenn's nur bei uus an der Goldküste anch schon so wäre. Die Mossis bringen anßcr selbst fabrizierten Baumwollenzcngen hauptsächlich Sklaven, Rinder, Gsel, Hühner, sowie eine Art Psianzenbntter, die selbst bei großer Hitze fest bleibt uud massenhaft in die Küstengegcnden ausgeführt wird, wo sie als Salbe Verwendung findet. Neben Kanris dient Silbcr-geld als Verkehrsmittel uud fanden die Reisenden Ocldstücke aus allen europäischen Ländern, sogar preußische Thaler. Die aus dem Innern kommenden Händler nehmen als Rückfracht außer Salz und einigen curopäifchen Stoffen fast ausschließlich sog. Kola- oder Kau-nüsfe (stsrouliu, acuminate) mit, welche in Aschanti gepflanzt und bis tief ins Innere des Kontinents als ein vorzügliches Gcnnß-uud Toilettenmittel von den Negern gesucht sind. Gekaut schmecken dieselben angenehm bitter und färben sich die Lippen bei fortgesetztem Das unbekannte Land zwischen der Goldliiste und dem oberen Niger. 291 Gebrauch schün rot. Die Last Kolanüsse wird mit 6—20 Schilling bezahlt, je nach der Jahreszeit. Zur Zeit der Aschantiherrschaft war Salaga Centrum des Sklavenhandels, der zwar auch jetzt noch in hoher Blüte steht. Traurig lauten die Schilderungen Opokns über die Leiden der armen Opfer, dic meistens Kriegsgefangene sind. Mr wenige Schilling, ja für ein Stück Tuch kann man die halbverhungerten Geschöpfe schon erstehen. Die Bevölkerung von Salaga besteht aus Eingewanderten aller obeugenannten Stämme und aus deu Eingeborenen, welche einen allerdings stark gemischten Kyercpong-Dialekt sprechen. Die Salagas leben besser als alle ihre Stammesgenossen nnd sind deshalb auch schöner nud besser gebaut. Jeder ordcutliche Mann besitzt ein gnt gebantes Hans mit gemancrtcm Brunnen, Hof- und Nebengebäuden für die Dienstleute nnd (haste. Das Wasser dieser Brunnen schmeckt leicht salzig. Fast holländische Reinlichkeit herrscht überall, darf man doch nicht einmal auf dem Hofe ausspucken, dafür steheu überall mit Sand gefüllte Kalebassen. In der streng mohammedanischen Stadt finden sich viele Bethänser, private und öffentliche Cchnlen, die sich Schulgelder zahlen lasseu. Deshalb kann auch fast jeder Salagamauu arabisch schreiben uud lesen. Neben deni ans Gnineakorn gebranten Bier trinkt man dann und wann auch cinen starken, ans Honig bereiteten Branntwein, in welchem Stück es mithin mit dem Koran nicht gerade sehr genau genommen wird. Die Salagas beschäftigen sich ansschlicßlich mit Kommissionsgeschäften. Die fremden Händler übergeben ihrcm Hausherrn ihre sämtlichen Waren uud bestimmen deu Preis derselben. Der Verkauf wird dann von dem Hansherrn besorgt, der auch alle Zahluugen für den Fremden in Empfang nimmt. Anch die Einkänfe besorgt der Hansherr anf Ncchnuug des Händlers uud erhalt auch davon seiue Prozente. Es ist deshalb begreiflich, daß die Salagas Muster von Zuvorkommenheit uud Höflichkeit sind und daß man sich den Anfenthalt in jener Stadt sehr angenehm machen kann. Neben diesen Börsengeschäften blüht aber in Salaga eine weit ansgcbreitete Industrie. Kupfer-, Silber- uud Eisenschnncde haben stets vollauf zn thun, und zwar sind deren Erzengnisse, g. B. Rasiermesser, geschmiedete Kessel :e., den europäischen nicht uutergeorduet. Selbst Bliudc suchen sich dnrch Korbstechterei nnd andere leichtere Thätigkeiten ihren Lebcnsnnterhalt zn verdienen, eine in Afrika gewiß unerhörte Thatsache. 19' 292 Dciö unbekannte Land zwischen dcl Goldkliste und dem obcien Niger. Salaga ist merkwürdigerweise nicht Hauptstadt des Landes, sondern der kleine Flecken Pami, eine Stunde östlich von der Stadt; dort wohnt der König und die Großen des Reiches nnd dort hat kein Niedrigstehender Zntritt. Die Stadt Salaga wird von Qnartier-vorstehern regiert, die von den fremden Händlern für den König eine Markttaxe erheben. Auch sind in Salaga eine Art Konsuln sämtlicher handeltreibenden Völkerschaften des Umkreises stationiert, welche den ihrigen beizusteheu haben. Nachdem die mitgebrachten Waren günstig verlauft nnd dafür Pferde, Esel, Kühe, Schafe x. in großer Menge eingehandelt waren, trat Ashante am 20. Februar wieder den Heimweg an, der aber natürlich in solcher Begleitung viel mühsamer war und viel mehr Zeit erforderte, als die Herreise. Der in Abetisi stationierte Missionar Buß, angeregt dnrch AshanteS Schilderungen und voll Eifer, seiner Station ebenfalls Milchkühe zu verschaffen und jene große Handelsstadt im Innern zu sehen, entschloß sich im Januar 1878, die Reise ebenfalls zu unternehmen. Auch ihm wnrdeu zuerst die lebhaftesten Schreckbilder vou all den Gefahren, die ihm zumal als weißem Mauu widerfahre»! sollten, vor Augen gestellt, so daß er Mühe hatte, nur 15 Träger für seiuc Waren zu erhalten. Er reiste am ZI. Januar 1578 von Abctisi ab, überschiffte den Afram am 2. Februar und begann gleich am folgenden Tage den 7tägigen Marsch dnrch die Wüste. Er schildert dieselbe ebenfalls in einer Weise, daß man das herrlichste Jagdgebiet vor sich sehen mnß, wenn anch das hänfige Vorkummen von Elefanten, Löwen und Leoparden für eine so friedliche Karawane nicht augenehm sein mag. Die Flüsse, die die Ebene durchziehen, sind überaus fischreich, besouders der Waa in der östlichen Hälfte derselben. Dort fand Vuß anf einer Strecke von 12 Stunden rote und weiße Sandsteine, welche Felsen vou 2000' Länge und 10(V Höhe bilden. Der rote ist sehr weich, der weiße dagegen überaus hart. Am Volta angekommen, wollten die Pac den Weißen nicht übersetzen, nnd sandte Bnß deshalb einen seiner Leute schwimmend hinüber, der dort einfach ein Boot wegnahm. Das Pferd, welches Bnß mitgeuommcn, wurde nun an das Boot gespannt und zog dasselbe samt den Insassen hinüber. Dort erhielt Bnß dann sofort anstatt Schcltworte für sein eigenmächtiges Verfahren ein reiches Geschenk in Lebcnsmitteln. Der Empfang, der dem Reifenden in der Fetischstadt Karakye zn teil ward. war aber noch ungleich abschreckender uud gefahrdrohender. Das unbekannte Land zwischen der Goldküste lmd dem oberen Niger. 293 Er erzählt die kleine Episode folgendermaßen: „Beim Einreiten in die Stadt tanzte das Weibervolk wie wahnfinnig nm mein Pferd herum, und schrie, als wollte cS mich samt meinem Pferde aufessen. Ich bezog nun bei einem Kaufmann ein Logis und hatte mich kanm gefetzt, als auch schon Künigöboten mit einem Gruß vom König kamen, er freue sich, daß ich sie seines Besuches wert gehalten habe, aber er müsse mich ersuchen, noch hente mein Pferd ans der Stadt zu thun, denn die Fetischweiber samt allem Weibervolk hätten ihm sein Haus gestürmt und würden dasselbe nicht eher verlassen, bis der Weiße sein Pferd ans der Stadt gebracht habe. Ich erwiederte feinen Grnß, aber mein Pferd könne ich nicht von mir weg thun laffcu. — Ich glaubte nuu meiuen Fnfn mit Ruhe essen zu können, aber ich täuschte mich. Kanin waren die Boten fort, so kam der König mit seinen Altesten nnd hinterher ein ganzer Zng Weiber, welche fchriecn uud tobten, daß einem die Ohren gellten. Nun erklärte mir der König rund heraus, daß mein Pferd auf der Stelle aus der Stadt müsse, denn der Fetisch habe schon gedroht, er werde wegen des Pferdes ein großes Unglück über die Stadt bringen. Er wolle mein Pferd anf dem nächsten Plantagendorf gut verpflegen lafsen. Ich erklärte dem König nun, vor allem wünsche ich, daß das Weibervolk sein Geschrei und Tanzen gänzlich unterlasse, oder ich werde ihm kein Wort auf seine Fragen antworten, und so lange ich fpreche, wünsche ich ungestört zu sprechen. — Alle waren nun still und schauten einander verdutzt an. Ich zündete mir dann zuerst eine Cigarre an und setzte dann dein König kurz auseiuander, warum ich nach Salaga reise und daß er wohl wisse, wir Missionare machten nns aus dem Fetischgeschwätze nichts, daß der Fetischdienst nnr ein scheußlicher Betrug sei! Er solle mich nur ganz allein das Pferde-Palaver mit dem Fetisch Odente ausmachen lassen, ich werde schon mit ihm fertig werden — könne ihm auch «nein Wort darauf geben, daß kein Unglück über die Stadt komme, auch wenn mein Pferd hier bleibe. Endlich zog der König ruhig ab und ich ließ mein Pferd sogar 4 Tage in Karakyc frei herumlaufen, ohne daß ihm jemand was gethan hätte." Anf seinen kleinen Touren fand Bnß ili dem Hügel, auf dem Karakye liegt, bedeutende Lager von Eisenerzen, die sich längs des Volta etwa eine Tagereise hinziehen sollen. Ans diesen Erzen bereiten die umliegenden Stämme ihr Eisen seit langer Zeit selber. Nach 4tägigem Aufenthalt in dieser Fetischstadt erreichte Butz 294 Dci6 unbckamite Lund zN'ischci, der Goldki'istc und dem obcrc» Niger, am 15. Februar die lchte Stadt des Karakycrciches, Altareso, Ort mit 5()W Einwohnern. Er wurde freundlich bewirtet nnd beschenkt, zog aber schon den folgenden Tag weiter ins Neich der Ndschnmurn, deren Hanptstadt Vagyalnso er ebenfalls wea.cn der dort herrschenden Reinlichkeit rühmend erwähnt. Unterdessen war das Gerücht von dem Anrücken des weißen Mannes schon nach Salaga vorausgeeilt nnd als Vnß mit seiner kleinen Karawane am 19. Fcbrnar bald nach Sonnenaufgang in die mächtige Stadt einritt, umschwärmten ihn Tanscnde von Menschen, die alle schrieen: „Der Europäer kommt, der Weiße kommt!" Er nahm sein Absteigequartier bei dem Mohammedaner, der schon Opoku und Ashante beherbergt hatte nnd der sich dnrch diesen Vorzng hoch geehrt fühlte. Als Vcwillkommnnngs-trnnk wurde frische Knhmilch gebracht, über welches seit Jahren entbehrte Labsal der gute Mann sich kindlich frcnte. Dann kamen Mchgerbnrschen, die Ochsen- nnd Kalbfleisch anboten, Francn mit Milch nnd Vntter, Mädchen, die Honig nnd Biscuit anpriesen. Bald erscholl dranßeu aber lautes Geigen- nnd PfeifenspicI. Es waren Boten des Königs, die in Liedcrform den Gruß des Königs brachten. Er lautete: 1. Nir find Königöboten und bringen dir, dem weihen Mann, nnsereö Herrn Gruß. 2. Du, weißer Mann, kommst von einer großen Nation, welche uus von unseren Fciuden befreit hat. :5. Jedes Jahr mnßten wir 1<)<>9 unferer Brüder für das Kumassimcsser liefern und dem Knmassikönig all uuser Geld ohne Murren. 4. Ihr weißen Lente sollt alles haben ^ alles Geld — weil ihr uns befreit habt :c. Gleich am folgenden Tage besnchtc nun Buß mit seiuem Hansherrn dic Märkte der Stadt. Zuerst betrat er den Hanptmartt für die ausländischen Waren, der eine Länge von etwa '/2 Stunde hat und wohl mit Waren gefüllt, aber leer von Känfcrn war. Es waren alle Handelslente ans dem Innern ausgeblieben nud besonders die Moravas und Mosees fehlten gänzlich. Der Pferde- uud Gselmarkt war ganz leer. AIs der Reisende aber den Sklavenmarkt betrat, da sah er, daß wenigstens dieser Zweig des Handels unter der Krisis nicht gelitten hatte, Seine Schildernng erinnert an bekannte Kapitel ans Onkel Toms Hütte, nnd ist die unmenschliche Grausamkeit, womit diese armen Geschöpfe behandelt werden, auch wirklich schanderhast. Da in der Namadanzeit das Trinkwasser weit her nach Salaga gebracht werden muß und dort verkauft wivd, fo ist es begreiflich, daß die Sklaven, die doch ohne Obdach der Dns unbekannte Land zwischen der Goldküste und dem oberen Niger. 295 brennenden Sonne ausgesetzt sind, davon wenig erhalten. Aber auch die Nahrung wird ihnen nnr sehr spärlich gereicht nnd dazu von eincr Qualität, daß Vuß sagt, europäische Schweine würden dieselbe verachten. Interessant ist auch der Besuch, den Buß beim Könige von Salaga machte, dem er als Geschenk eine Wanduhr und einen Teppich überbrachte, worüber derselbe eine große Freude bekundete. Es entspann sich bei dieser Gelegenheit ein Gespräch zwischen dem Kronprinzen und Buß, worin ersterer mit hohem Wortschwall seine Genugthuung darüber ausdrückte, daß nuu auch Europäer zu ihnen kämen. Besonders sei er den Weißen zu Tank verpflichtet, daß sie dic Macht der Afchantier gebrochen, dieselben besähen jetzt nichts mehr als Kumassi uud ein paar Dörfer rings herum, während sie vor dem Kriege bis 14 starke Tagereisen nördlich von Salaga hinein geschaltet nud gewaltet hätteu. — Während eines lang andauernden Fiebers wurde Buß von Mohammedanern und seinem Hauswirte aufs beste verpflegt. lKiner ließ ihm sugar l V^ Stunden weit ausgezeichnetes Quellwasser holen. Daß mit der Küste denn anch noch gar kein nennenswerter Handelsverkehr besteht, geht schon darans hervor, daß Buß in Salaga große Elefautcuzähne das Pfnnd ü. 1 Schilling angeboten wurden, von denen an der Küste das Pfund mit i! Schilling bezahlt wird. Er behauptet, wenn er noch Geld gehabt hätte, so wärc es ihm möglich gewesen, mit dem Gewinn an ein paar Zähnen die ganze Reise herauszuschlagen. Seine Schilderung des Volles stimmt genau mit deu Angaben Ashantcs nnd Opotns übereiu; ja er be-zeichuet das Salagavolk geradezu als das begabteste und bedeutendste Volk von ganz Westafrika. Am 8. März trat Buß seine Rückreise nach Abetisi wieder au. nw er nach glücklich vollbrachter Reise (eiu Pferd war ihm uutcr-wegs gefallen) am 27. März ankam. In Aheukuro am Oti war er geuötigt gewesen, die Boote zur Überfahrt mit Gewalt zu nehmen, da der Schiffer eine unverschämte Forderung gestellt hatte, die Buß nicht erfüllen konnte. In Karakyc hingegen blieb beim Einzug der fünf Pferde alles still — der große Fetisch Odente hatte sich ins Unvermeidliche gefügt. Sowohl fiir die wissenschaftliche Ausschließung Afrikas, als auch namentlich für die Eröffnung ueuer Handelsbeziehnngen können diese Reisen nun ohne Zweifel die günstigsten Folgen haben, besonders 296 Das unbekannte ^'aud zwischen der Goldküste und dem oberen Niger. wcmi man noch in Berücksichtigung zieht, daß der Volta, nach den Angaben Bonnats, auf großen Strecken stets und zur Zeit des Hoch-wasserstaudes in seinem ganzen Laufe für Dampfer fahrbar ist. Die Barre an der Mündung ist für flachere Fahrzeuge kein Hindernis, da nach allen Angaben das Fahrwasser an der schwierigsten Stelle doch noch 2 Faden (12") und darüber beträgt. Die ersten tiefgehenden Schiffe, die die Voltabarre forcierten, waren eine amerikanische Brigg und ein dänischer Schoner, diesem folgte 1861 im November Lieutenant Dolben, der «0 englische Meilen aufwärts gelangte. Im Jahre 1k6!> befuhr dann der englische Gonverneur Kennedy den Strom 14 Tage lang anf einem kleineren Kolonial-damftfer. Er sagt in seinem Berichte: „Der Volta ist ein stattlicher Strom, frei von Schlamm, und erschließt eine reiche und wertvolle Gegend." Kapitän James Croft befuhr 1«?2 den Volta mit einem eigens dafür erbauten Dampfer. Er kam bis Batto, wo er die Reise in Booten fortsehte. Nach Bonnat soll bei Hochwasser im September und Oktober der Fluß weit hinauf für Dampfer schiffbar sein. Hat man die armen Küstenländer hinter sich, so findet man nach allen Reiseberichten im Innern Vülkerstämme, deren hohe Bildung und Wohlstand dem Handel um so bessere Aussichten eröffnen, da diese Völker mit den Produkten arabischer Knltur bekannt sind und Salaga seit langer Zeit besonders in regem Handelsverkehr mit Timbuktu und dem ganzen Sndan steht. Im Jahre ll-^2 durchzog Mauricio Buoufanti das ganz unbekannte Gebiet von Timbuktu nach Lagos an der Sklavenküste, jedoch verlor derfelbe durch einen Üeberfall der Maritu nördlich von Aschanti alle seine Aufzeichnungen über diese Reise. Der Afrikareifende Gottlob Adolf Krause erreichte im I. 1886 Salaga und drang im Oktober bis Woghodogho, der Hauptstadt von Mofsi vor, in der Absicht, durch Dahomey und das Togogebiet nach der Sklavenküste zurückzukehren. Er unternahm diese Reise von Akra an der Goldküstc aus, und zwar unbewaffnct uud ohne jene Massen von Tauschartikelu, Lebensmitteln, Munition nnd Reiseeffekten, welche einen Troß von Trägern und Begleitmannschaften erfordern und jede Reise so sehr verlangsamen. In Akra knüpfte er freundschaftliche Beziehungen mit der zahlreichen Kolonie der Mohammedaner an, zu welcher auch die englischen Mietstrupven gehören, und welche, obschon meistens dem Hanssastamme angehörend, ein Abeoluta. 2^7 geistliches und weltliches Oberhaupt in der Person eines geborenen Arabers haben. Seine Kenntnis des Arabischen und des Haussa, der lingua t>aii0^ im ganzen Sudan bis Ägypten Hin, verschafften ihm Empfehlungen an alle einflußreichen Araber auf den Etappenstraßen, sowie die wertvollsten Nachrichten über die zu durchwandernden Gebiete. Seine Reise dürfte für die von unserm Togogebiete aus zu unternehmenden Handelsoperationen von großer Bedeutung Werden. (S. Paul Steiner in der Kolon.-Z., 1. März 1887.) B. Abeokut«. Bild einer sieben Jahre lang sich selbst überlassenen Christengemeinde in einer westafrikanischen Stadt. Der um die Afrikaforschung Hochverdieute Dr. Pcchuöl-Lösche hat in einem Aufsatze über das centralafrikanische Problem die Behauptung aufgestellt, daß die „Wilden" nie echte Christen würden, daß sie die hohen Lehren einer ganz außerhalb ihres Daseins schwebenden Religion nur formal begriffen. „Selbst der günstigste Fall ist nicht ausgenommen, wenn eine kleine, allezeit unter den Augen der Lehrer befindliche Gemeinde auf abgeschlossener Insel lebt. Der Gegenbeweis wäre zu liefern, indem man die dem Christen-tume gewonnenen Heiden ein halbes Menschenalter sich selbst überließe. Wer hegt nicht die Überzeugung, daß sie der unbegriffenen Lehre recht bald den Rücken kehren und Zu ihren Göttern zurückkehren würde." — Di-. N. Grundemann widerlegt diese Behauptung in höchst praktischer Weife (Allgem.Misstons-Zeitschrift1865,S.353ff.), indem er an dem Beispiele von Abeokuta den Gegenbeweis liefert, daß hcidenchristliche Gemeinden, längere Zeit sich selbst überlassen, nicht ins Heidentum zurückgefallen sind, sondern sich vielmehr in markierter Opposition gegen dasselbe halten und in den Hauptzügen sich als Christen charakterisieren. Wir teilen Dr. Gruudemanns Darstellung nachstehend im Auszuge mit. Die Scenerie der großen Stadt von 100—150 000 Einwohnern an dem breiten Ogunflufse mit den vereinzelten schroffen Porphyrfelsen ist bekannt genug, als daß wir hier näher darauf einzugehen 298 Abeokuta. hätten. Tic dicht bevölkerten niedrigen Häuser, jedes init vier Flügeln einen Hof umgebend, mit Grasdächern und Lehmwändcn ohne Fenster, stud sehr unregelmäßig znsammengehänft. Der erste Eindruck, den wir erhalten, ist der, daß hier alle Banpolizei fehlt. Jeder bant nach Bequemlichkeit, selbst wenn er den öffentlichen Weg versperren sollte. Die einzelnen Stadtteile sind dnrch weite Strecken verwilderten Landes getrennt. Hier und da wächst Gebüsch, dort eine Baumgrnpve, sonst grobes Gras in Büscheln. Der Negen hat tiefe Fnrchen ausgespült, die den Weg gefährden. Noch mehr geschieht dies dnrch tiefe Lehmgrubcu, um deren Zuschüttung sich uie-mand kümmert; das in ihnen stagnierende Wasser verpestet monatelang die Lnft. ^on Sanitätsmahregeln keine Spnr. Überall Misthaufen. Ja, wenn die Pocken herrschen, so finden wir dort ins Gebüsch oder zwischen die Felsen hingeworfene Leichname, um die sich Aaövögcl sammeln, denn die an jener Krankheit Gestorbenen werden nach der Landcssitte nicht begraben. Ich kann nicht sagen, ob sich etwa auch einer oder der andere von den christlichen Hausvätern solchen Greuels schuldig macht. Ich glanbe es nicht, jedenfalls dürfte es bei ihnen nur vereinzelt vorkommen. Auffallend ist der Mangel an Wasser. (Wahrscheinlich muß der Bedarf größtenteils vom Ogun geholt werden, von dem doch die meisten Stadtteile weit entfernt liegen.) Die fchlechte Einrichtung der Wohnungen befördert ansteckende Krankheiten. Manche Hänser der Christen zeugen bereits von etwas mehr Verständnis für Licht und Luft. Das von befreiten Sklaven (unter Lcitnng der Missionare) angelegte Dorf Wasimi bildet mit seinen geraden und reinlicheren Straßen einen auffallenden Gegensatz gegen die übrigen Stadtteile. Anch sonst zeigen die Christenhänser etwas mehr Ebenmaß nnd Regelmäßigkeit. Die von den Missionaren eingeführten Handwerke, Ziegclbrennen, Brettschneiden u. s. w., scheinen aber immer noch nicht in großer Ausdehnung angewendet zu werden. Sehen wir nun die Lente selber an. Lant schwatzend nnd lebhaft gestikulierend stehen oder sitzen sie grnppenweise nntcr einem Baume. Händler schleudern laugsam mit allerlei Waren einher, die sie mit übertreibenden Ausdrücken anpreisen. Dort siht eine Hökerin mit einem großen Gefäß, ans dem fie Snppc vcrkanft, Männer und Franen mit eigentümlichen Hacken gehen hinaus nach den Plantagen. Zuweilen kommt ein Vornehmer daher, hoch zn Noß sitzend, oder ein Mohammedaner mit Tnrban nnd weitem Kaftan. Die Meoktttci. 299 Bekleidung der Christen ist fast ausnahmslos anständiger, als die ihrer heidnischen Nachbarn. Letztere haben aus Nachahmung hänfig anch vollständigere Kleidung angenommen, ein Hemd oder ein Leibchen nnd Beinkleider bis znm Knie, die Frauen Nucke und Shawl-tncher; das krause Haar wird meist mit bnntcn Tüchern verdeckt. Manche Spnrcn von Eitelkeit und Modethorheit sind an der Kleidung, die oft noch mangelhaft bleibt, zu bemerken, nnd anch manche Christen sind davon nicht freizusprechen. Eines aber unterscheidet die christlichen Egbas von den heidnischen auf den ersten Blick. Diese tragen ihre Amulette meist nm den Hals, und würden es nicht wagen, ohne solche zu sein, während die Christen diesen heidnischen Greuel verabscheuen. Vor den meisten Häusern der Heiden steht ein kleines Hüttchen in Znckerhutfurm, das dem Tenfel (Eschn) ,-;nr Wohnung dient, dem allerlei Kleinigkeiten geopfert werden, damit er nur ja nicht ins Haus komme. In dem letzteren aber hat jeder Heide seinen Ifa, Fetisch, lächerliche Sachen, Nnffe, Muscheln, Scherben, die oft in einem kunstvoll gefchnitzten Behälter aufbewahrt werden. Bei jeder wichtigen Gelegenheit läßt er den Babalawo (Priester) kommen, damit er dente, was der Ifa dazn kundgiebt. Anch Stätten des öffentlichen Götzendienstes giebt eö genug. Früher wurden den Fetischen (unter denen der Kricgsgott eine Hauptrolle spielt) nicht selten Menschen, sehr häufig aber Tiere geopfert. Die ersteren Opfer sind durch den Einflnß des Christentums bis auf vereinzelte Fälle ganz abgestellt, die letzteren wenigstens viel feltcner geworden. Die Christen haben mit diesem heidnischen Unwesen gründlich gebrochen und sind vou der Nichtigkeit der Fetische überzeugt, dagegen von der festen Zuversicht erfüllt, daß der Christengott, zu dem sie beten, der rechte Helfer ist. Dann und wann wird einer von ihnen vielleicht in lang anhaltender Krankheit verleitet, znr Zauberei seine Znflncht zu nehmen. Aber wenn es herauskommt, schließt man ihn deshalb von der christlichen Gemeinschaft aus. Auch in anderen Fällen wird die Kirchenzucht gchaudhabt. Der christliche Egba hat in seinem Hause keinen Ifa, wohl aber haben die meisten die Bibel oder einen Teil derselben in ihrer Muttersprache. Viele können darin recht fließend lesen und manche mit dem Verständnis eines gläubigen Herzens. Etliche, die etwas von der englischen Sprache aufgeschnappt haben, ziehen es vor, das englische Nenc Testament zn benutzen. Das Kokettieren mit der 300 Abeoluta. fremden Sprache wird zuweilen recht unangenehm. Andere haben die Bibel, aber lesen sie nicht — wie sie ja auch in unserm Nater-lande in manchem Haufe unbenutzt liegt. Und wenn sie oder das Gesangbuch auch hier zuweilen noch zur Wahrfagerei und Zauberei benutzt werden, fu können wir uns nicht wundern, wenn es unter den Egbachristcn solche giebt, denen die Bibel an die Stelle des alten Ifa getreten ist. Die treue Feier des Sonntags ist ebenfalls ein Zug markierten Unterschiedes zwischen Christen und Heiden. Die letzteren leben alle Tage in gleicher Weise dahin. Die Christen haben ihren Rnhetag, den sie selbst in bedrohlichen Kricgszeiten nicht fallen lassen. Sie sind steißige Kirchengänger. Aber etwas mehr Ehrerbietung vor dem Gotteshanse möchte man ihnen wünschen. Vor Beginn uud nach dem Schlnsse des Gottesdienstes ist die Unterhaltung mit lebhaften Gestikulationen sehr laut. Die Christen in Abeokuta sind meist arme Leute i nur zu einen« kleineren Teil gehören sie den vermögenden und einflußreichen Klassen an. Dennoch erreichen ihre Beiträge für kirchliche Zwecke meist eine sehr anerkennenswerte Höhe. Wir erwähnten schon die Kollekte von 1400 Mark bei dem Eröffnungsgottesdienst in der Akc-Kirche. Ich greife aus einem Jahresberichte der C. M. S. (1879) dic Angabe heraus, daß die betreffenden Gemeinden K400 Mark freiwillig für christliche Zwecke beigetragen hatten. Es ist ein Fonds gegründet, aus dem allmählich das Gehalt der Pastoren bcstritten werden soll. Einige von den Schriftvorlesern werden schon vollständig von den Gemeinden uuterhalten, sowie die Kosten für die weiteren Missionsarbeiten auf cinigen Außenstationen (Ofojupupa uud Ofada) getragen. Wenn wir der Feier des heil. Abendmahls beiwohnten, so würde uns das Mißverhältnis zwischen der Zahl der Männer uud der Fraueu auffallen. Erstere bilden oft nicht den vierten Teil der Kommunikanten. In Abeokuta hat die Erscheinung einen andern Grund als bei uns, und damit kommen wir auf einen dcr Hauptschäden der dortigen Gemeinde. Manche dcr jungen Männer, die dem Gottesdienste mit beiwohnten, entfernen sich vor der Feier des Sakraments. Sie sind ausgeschlossen, weil sie den Versuchungen znr Polygamie nicht widerstanden haben. Die soziale Stellung wird im Volksbewußtsein noch immer nach dcr Zahl der Weiber geschätzt, die ein Mann sein nennt. Ein Dienstmädchen zn halten, oder zn Zeiten eine Meoluta. 301 bezahlte Pflegerin, das ist ihm etwas ganz Fremdartiges. Mau darf sich nicht verhehlen, daß eine völlige Umänderung solcher Grundelementc des socialen Lebens sich nicht in einigen Jahrzehnten bewirken läßt. Mancher schwarze Christ versucht es, der Forderung der christlichen Sittenlehre zu folgen, Er sieht vielleicht auch an dem Pastor den Segen eines christlichen Familienlebens nnd hat den guten Vorsatz, dem Vorbilde Zu folgen. Da kommen die Versuchungen: Gespött oder gutes Zureden von heidnischen Verwandten. Es kommen Zeiten, wo die eine Frau den freilich ziemlich einfachen Haushalt nicht gut besorgen kann; der Maun wird verstimmt, weil er nicht seine Bequemlichkeit hat. (Kr fängt an zu grübeln und nimmt ein zweites Weib. wobei er sich durch die heilige Schrift gedeckt glaubt. Deu Christenglauben will cr nicht verleugnen und zu den eitlen Götzen nicht zurückkehren. Er meint, es könne doch nichts schaden, zwei christliche Frauen zn haben. Es kommt vor die Altesten der Gemeinde; die Ermahnung fruchtet nichts — nnd er wird ausgeschlossen vom heil. Abendmahl. So ist es mit Hunderten in Abeokuta gegaugen. Aber bis jetzt ist die Kircheuzucht aufrecht er-halteu worden. Der Schaden, den wir soeben berührt, ist gewiß schwer. Aber daß die Gemeinde trotz ihrer langen Isolierung einen Kern in sich bewahrt hat, welcher die Aufrechterhaltung der Kirchenzucht ermöglicht, ist ein erfreuliches Zeicheu von der Echtheit des christlichen Lebens, mag anch an ihrer Peripherie der Schaden eine sehr bedauerliche Ausdehnung erreicht haben. Ein anderer, in der Christengemeinde zu Abeokuta tief eingewurzelter Schade ist das Sklavenhalteu. Auch hier steheu wir einer socialeu Institution gcgeuüber, deren Beseitigung dem Neger ganz unmöglich erscheint. Der Begriff der freien Arbeit ist ihm ganz fremd. Arbeiter für Lohu fiudet er nicht. Wer frei ist, arbeitet höchstens für sich, soviel die Not des Lebeus erfordert. So entschuldigen sich denn anch jene Christen, die Sklaven kauften, um ihre Plantagen bearbeiten zn lassen: sie konnten keine anderen Arbeiter finden. Ncnerdings ist jedoch von der Missionsgesellschaft der Kampf gegen die Sklaverei wieder energisch aufgenommen worden. Gin weiterer Schaden ist der Gebrauch europäischer Spirituosen, deren Import seit 1«77 ganz außerordentlich gestiegen ist, znm Teil auch bei den Mitgliedern der Gemeinde recht nachteilig wirkt. Man W2 Abeoluta. inacht die leider allgemein gewordene Sitte mit, jedem Besucher Schnaps vorzusehen nnd selbst mitzutrinken. Dagegen finden sich nach dem Zeugnis der Missionare in fast allen Gemeinden eine Anzahl treuer Mitglieder, die in manchen Ve-ziehnngen als Mnstcr christlichen Lebens gelten können, nnd die fich auch der Achtnng ihrer heidnischen Landöleute erfreuen. Sehr charakteristisch ist diese Anerkennung von heidnischer Ecite, obwohl die Feindschaft gegen dic vun den väterlichen Sitten abgefallenen Volksgenossen keineswegs erloschen ist, wenn sie auch nicht mehr in solchen Ausbrüchcn wie I8t!> sich offenbart. Die Heiden begnügen sich die ^!,u1c pLoplu (Buchleute, so werden die Christen genannt) dnrch ein Wortspiel zu necken und zu verspotten, denn Kukn heißt: verschmäht, verachtet. Doch können sie sich des Einflusses der Verachteten nicht entziehen. Selbst in solchen politischen Angelegenheiten, wie eine Häuptlingswahl, haben sie ihre Stimme znr Keltung gebracht, wo nicht den Anoschlag gegeben. Bei einer andern Gelegenheit waren es die Christen, an die sich dic auch aus Christen bestehende Gesandtschaft von Ibadan wandte, um den langjährigen Krieg zwischen den beiden Städten zu beenden, nnd wenigstens für eine Zeit lang wurde durch diese Vcrmittlnng der Frieden herbeigeführt. Aber der Einfluß geht noch tiefer. Die Heiden müssen z. B. von der Ehrlichkeit der Christen einen tiefen Eindruck empfangen haben. Einer der Zolleinnchmcr, die wie weiland im jüdischen Lande als Voltsauösauger uud Betrüger bekannt sind, antwortete auf die Ermahuuug des Missionars, sich doch anch den Christen anzuschließen, dah er dies doch nicht könne, weil er sonst seine schöne Einnahme drangeben müsse; denn als Christ dürfe er doch niemand betrügen. In einem sonst ganz von Heiden bewohnten Dorfe Ascse lebt ein schlichter Mann samt seiner Frau dou dcu Erträgen ihrer Pflanzungen, die sie fleißig bearbeiten. Jahrelang hat sich kein Missionar um sie bekümmert. Als nun ein solcher schließlich hinkommt, findet er die Familie dem christlichen Glauben trcn geblieben. Sie haben deu Sonntag gefeiert nnd sich ans ihrer Bibel regelmäßig erbaut. Nicht aber das allein; sie haben dnrch ihre Ermahnungen und durch ihr Vorbild eine Anzahl ihrer heidnischen Landsleute nm sich gesammelt, die anch entschlossen sind, Christen zu werden. Dies Beispiel an sich schon ist eine Widerlegung der oben angeführten Behauptung und ein Beweis für die Echtheit des Christen- tnms, wie sie bei den durch die Mission Bekehrten also doch vorkommt. Der christliche Kricgshäuptling John Okenla war ein interessanter Charakter, den seine Energie den spöttelnden Vorbereitungen znr Polygamie gegenüber zu einer trenen christlichen Ehe leitete, welche die oberflächliche Behauptung, daß ein Neger nicht in Monogamie leben könne, wirksam widerlegt. In der Kirche finden wir diesen christlichen General immer auf sciuem Platze, und er schämt sich des Wortes Gottes nicht. Im Kriege mit den Dahomiern wurde er durch einen kühnen Handstreich der Befreier seiner Vaterstadt, so daß ihm auch die Herzen der Heiden zufielen. Als treuer Kirchen-ältester hat er in den Versammlungen des Kirchcnrats manche treffliche Rede gehalten. Besonders nachdrücklich trat er gegen den verderblichen Gennß des Branntweins anf. Bei Gründung einer neuen Kirche weiß er die Christen in praktischer Weise zur Mithilfe anzuleiten. Als reicher Plantagenbesiher sorgt er dafür, daß seine Leute neben äußerlichen Wohlthaten reichlich Unterweisung in Gottes Wort erhalten, so daß sein Dorf eine blühende Anhenstation der Mission geworden ist. Für kirchliche Zwecke hat er stets eine offene Hand, und der Greis läßt es sich nicht nehmen, beim Erntefest selbst seinen Beutel mit ^0 000 Kauris in die Kirche zur Kollekte zu tragen. Er starb am 7. Sept. 1882 hochgeachtet nnd viel beweint nicht bloß von den Christen, sondern anch von vielen Heiden nnd Mohammedanern. Im Vorstehenden sind nicht die Lichtfeiten einseitig hervorgehoben und der Leser erhält ein objektiv richtiges Bild, worin er erkennen wird, daß die so lange isolierte christliche Gemeinde allerdings Schä-dignngen erlitten hat, daß sie jedoch anch gesunde Elemente genug bewahrt hat, um jetzt bei besserer Pflege erfreulich gedeihen zu können. Das Beispiel von Abeokuta widerlegt also die Behauptung von dem Unvermögen des Christentums, den Negervölkern neues Leben einzuflößen, dauernd anf sie einzuwirken uud sie Zu festen Überzeugungen von der Wahrheit christlicher Lehren zu bringen. Allerdings ist eine längere Zeit nötig, um dcreu ganzes Leben und Denken definitiv umzugestalteu und zu bestimmen, was ja anch den christlichen Missionaren mit den germanischen Völkern nicht in kurzer Zeit gelungen ist. Zeutsch -Aquatorial-Zfrika. ?lotwendigleit des Ncichsschntzes in Westafrika. — Umfang deS Togolandes (1887). — Beschreibung der Küste und des Binnenlandes. — Die Hauptortschaften. — Ein afrikanischer Nero. — Kulturzustände. Der deutsche Handelsverkehr im tropischen Westafrika übersteigt hente weit den Wert von 100 Millionen Mark, worunter allein für mehr als 35 Millionen Mark Palmkerne und 40 Millionen für Palmöle; ein Verkehr, der noch weit riesenhaftere Verhältnisse annehmen wird, wenn einmal, was in nächster Znknnft sicher zn erwarten steht, die dichte Negerbevölkerung der Hinterländer dem Handel in weitcrem Unifange als bisher zugänglich geworden sein wird. An der Küste von Guinea haben zahlreiche Hambnrger und Bremer Häuser Niederlassungen und Handelsfaktoreien, n. a. Woermann 74, und die Thatkraft der Deutschen beginnt sogar an mehreren Punkten, z. B. in Lagos, die Engländer vom Markte zu verdrängen. Bis zum Jahre 18^4 war dieser ganze Verkehr der Willkür der Negerbevölkerung ausgesetzt, und bei den häufigen Streitigleiten anf die nicht immer zuverlässige Hilfe der Engländer oder Franzosen angewiesen, welche sich nicht selten des Landes mit den blühenden Niederlassungen der Deutschen bemächtigten und als neue Kolonie unter ihre eigene Schutzhcrrschaft stellten. Allen diesen Benachteiligungen des deutschen Handels in Äqnatorial-Westafrika wurde im Sommer 1884 dadurch ein Ende gemacht, daß der Forschungsreifende Dr. Nachtigal als Kaiserlicher Generalkonsnl auf der Küste des Togolandcs und des Kamernngebietcs die deutsche Schutzherrschaft proklamierte. Togoland. Z05 Togoland, um dessen genauere Kenntnis sich dcr Forschnngs-reisende Hngo Zöller besonders verdient gemacht hat,*) umfaßte anfangs einen Flächenraum von 1300 HI Kilonietern mit 40 000 Einwohnern, vergrößerte sich dann, nachdem dcr Kaiserliche Kommissar Falkenthal die kleinen Königreiche Towe, Kewe und Agotime unter kaiserlichen Schntz genommen hatte, auf 4l»0l» ü> Kilometer mit 50 bis 100 000 Einwohnern und besitzt heute nach dem Krenzabkommen mit Frankreich (Februar 1887) einen Flächcnraum von 18 l!76 llKilo-metcr (beinahe so viel wie das Königreich Württemberg) mit wenigstens 575 000 Einwohnern (nach Zöller, Köln. Ztg., 2!). April 18^7). Zufolge des deutsch-französischen Übereinkommens erstreckt sich heute das dem deutschen Einflüsse gesicherte Gebiet von der nur W Kilometer langen Küste 322 Kilometer (ungefähr die Entfernung von Köln bis Basel) weit landeinwärts und umfaßt nicht bloß Atal-ftame, das große Handelscentrum des Binnenlandes, für uns so bedcntend wie Salaga (100—150 000 E.) für die englische Gold-tüstc und Timbuktu für das französische Senegambien, sondern auch das uördlich von dieser großen Stadt bis beinahe zn Alpenhöhe sich auftürmende Gebirge, das noch von keines Weißen Fuß betreten worden ist. Togoland ist ein Kronschutzgebiet, ebenso wie Kameruu uud Südwestafrika; es steht uuter einem von: Kaiserlichen Gouverneur iu Kamerun eingesetzten Verwaltungsrat, der ans drei europäischen Mitgliedern nebst einigen Eingeborenen zusammengesetzt ist. Die Beziehungen zu den Eingeborenen haben sich so freundlich gestaltet, daß einer der kleinen Könige sogar als deutscher Beamter fungiert. Der Handel ist Tauschhandel und wird mit dem stark bevölkerten Hinterlande ausschließlich durch Vermittelung der Eingeborenen betrieben, welche durchans keine Zwischenhändler zulassen; doch werden in Lome jährlich für eiue Million Mark Waren gegen Geld verkauft. Hauptausfuhrartikel siud Palmöl und Palmkerne; Einfuhrartikel Gewehre, Eisen- uud Manufaktnrwaren, Rum n. s. w. In Togoland wie in den übrigen deutschen Schutzgebieten liegen die Verhältnisse noch so, daß man keinem auswanderungslustigen Kauf- -) Das Togoland und die Sllcwenküstc von H. Zoller. Berlin und Stuttgart, 1885. Zö'ller vollführte diese Neise im Auftrage der Kölnischen Zeitung. Wir werden ihn weiter unten als Durchfmschcr des KamerungcbickS kennen lernen. Das frisch und spannend a.cschricbene Werl Zollers über Tugoland und Kamerun (II. n, lll,) kann allen, die sich für diese Kolonieen interessieren, nicht dringend ssenug empfohlen werden. Vaumgalten, Afnla. 20 306 Deutsch.Äquatonal'Afrika. manne raten kann, auf eigene Faust hinzuziehen. Er muß sich vorher genau nach allem erkundigen, besonders beim Auskunftsbureau des Kolonialvereins in Berlin, und thut am besten, wenn er sich den bereits bestehenden Handels- oder Kolonialgcsellschaften anschließt. Än Plantagcnbau ist in Togoland uoch lauge nicht zu denken; ub die hier arbeitenden deutschen Firmen Viktor Söhne, (Äüdelt. Wölber und Brohm geneigt wären, sich Konkurrenten heranzuziehen, ist zweifelhaft, zumal zu einer raschen Anodehnnng der Handelsoperationen uach dem Innern die Bedingungen uoch uicht vorhanden sind. Hier wie in Kamerun wird die umfangreichere Ausschließung der Hinterländer allein eine Änderung schaffen. Die nngefähr :!«', Kilometer lange Togoküste ist ein kaum 1 bis 3 Kilometer breiter, sandiger Uferstreifeu, hinter welchem sich in der ganzen Länge eine fast ebenso schmale Lagune erstreckt, die sich ostwärts zu dem fast l<> Kilometer langen und ebenso breiten Togosee erweitert, dessen Nfer dnrch undurchdringliches Schilf und Buschwerk uur schwer zu erreichen sind. Gewaltige Affenbrotfrnchtbänme oder Baobabs und Mlkkabäume ragen ano diesem Dickicht hervor, anch zeigen sich überall bei den zahlreichen Ortschaften Kokospalmen, Öl-palmeu, Bananen, Fächerpalmen, Papayabänme, allein die prachtvollen tropischen Landschaften mit großen Palmenwäldern und Affcn-brotfrnchtbänmen oft von über 12 Fuß Durchmefser beginnen erst weiter in dem allmählich ansteigenden Innern, namentlich an dem in den Togosce mündenden Hahoflusse. Die Hauptortschaften des Togolandes sind: Togo (^5<)0—3c)0l» Einwohner), Hauptstadt, besteht aus fünf äußerst sanber gehaltenen Dörfern, nur von Negern bewohnt, nm-gebeu von Kokospalmen- nnd Bananenwäldern, sowie von gnt bebauten Kassafeldern der Eingeborenen. Der Vnschmarkt Wo, großer Markt für Palmöl, wo jeden füustcn Tag bis zu (>ul»> Neger zusammenströmen. Porto Seguro, ein äußerst schmutziger Ort von 1200 Gin-wohnern,, jetzt ohne Faktorei, die Händler sind Farbige. Hier haust ein ehemaliger Nuderknecht als König Mensa, unter dessen Bedrückungen der Handel immer mehr zurückgeht. Höchst charakteristisch ist die Schilderung von Zöllers Zusammentreffen mit diesem afrikanischen Nero, „Der Königssitz bestand aus einer Zusammenwürfelnng anspruchsvoll in grellen Farben angetünchter, aber baufälliger Hütten, vor Togoland. 307 deren Thoreingang zwei alte Kanonen umgestürzt im Sande lagen. Wir wurden von einem unnatürlich keck auftretenden farbigen Kom-mis mit Stiefeln und rosarot geblümter Hose zum ersten Stockwerk eines links gelegenen halbeuropäischen Hauses hineingeführt. Das Empfangszimmer war mit einem Tisch, einem Nohrsofa, mehreren Stühlen, einem längst erblindeten veuetianischeu Spiegel und — einem Christusbild ausgestattet. Alles dies erinnerte ein wenig an den Orient, wo anch bei äußerster Barbarei bisweilen gerade solche Anklänge an europäische Kultur auftauchen, wic mau sie am wenigsten erwarten sollte. Nachdem man etwa fünf bis zehn Minutcu lang hatte warten lassen (auch diese Herreu verstehen sich aufs Antichambriercnlassen), erschien König Mensa mit affektierter Würde in einem wahrhaft verblüffenden Anfzng. Seine Füße waren ebenso wie diejenigen seines Ministers unbekleidet, seine Schultcru umflatterte eine buntgeblümte Toga, das ehrwürdige Haupt des alteu Sünders aber umschloß — oh, daß ich hätte zeichnen können! — eine weiße europäische Frauen-Nachtmi'che und darüber ein schon wenigstens zehnmal eingetriebener Cylinder, ein in dieser Vollcudung nie wieder zu erreichendes Vorbild für alle zukünftigen Aufführungen der „Fledermaus". Meusas Alter schätzte ich nach seinen Zügen und dem geringen Ansinge von grauem Bart auf etwa .'>l» Jahre. Seinen wundervollen Cylinder abnehmend, schritt Mensa mit einiger Zurückhaltung auf mich zu und reichte mir, während ich rnhig auf meinem Platze sitzen blieb, behufs zweimaligen Knipsens mit dem Mittelfinger seine würdige Rechte. Alsdanu ließ er die Toga vou den Schultern bis zum Gürtel herunterfallen uud nahm in einiger Cntfcrnnng von mir auf dem Rohrsofa Platz. Der rothosige Kommis machte den Dolmctfcher, überfetzte dem Könige meine Komplimente, wiederholte dann, obwohl Mensa selbst ganz gut Englisch versteht, dessen endlose Höftichkeits-phrasen, und fragte schließlich in meinem Namen, wie viel Weiber uud PickcnmS (Kinder) Mensa besitze. Die Antwort lantete: 20 Weiber nnd >j? männliche Kinder. Als ich schon wieder gehen wollte, wurden noch zwei Flaschen Bier herbeigebracht uud nach einigem Zögern anch geöffnet, nicht aber ohne daß Mensa mich ersncht hätte, ihm bci Gelegenheit ein, wenn auch bloß in wenigen Flaschen Bier bestehendes Geschenk zn machen. Man hatte mich, da Vergiftungen hier zu den tagtäglichcn Dingen gehören, vor etwaigen, von Mensa verabreichten Speisen 308 Dcutsch-Äqucüorial-Afrila. oder Getränken ssewarnt, da aber der Hals der Flaschen noch unversehrt mit Staniol umkleidet war, so glaubte ich, um der Höflichkeit nullen, die Vorsicht hier außer acht lassen zu dürfeu. Schon aus der nur zu Teil gewordenen Warnung wird mau erseheu, daß Mcusa sich keines allzu guten Rufes erfreut. Um nur einiges aus dem langen Sündenregister dieser netten Pflanze anzuführen, sei erwähnt, daß er sich mehrfach als Seeräuber oder vielmehr Strandräuber hervorgethan und seinen leiblichen Bruder durch Pfählung vom Leben vom Tode gebracht hat. Mensa begleitete mich beim Abschied mit ausgesuchter Höflichkeit bis zum Thore seiucs Gehöftes, ich aber hatte, als ich die 2 1 Faktoreien (2 deutsche) in „Bagidc'l Strand"; die IV2 km weiter liegende „Bagidü. Stadt" mit kaum 200 Einwohnern ist der Sitz eines schwachen, trunksüchtigen Häuptlings, der trotzdem in solchem Ansehen steht, daß, als Zöller mit dem Bremer Kaufmauue einen Ausflug in das Innere nach dem großen Dorfe Abobba am Togusec machte, „ein als Empfehlung uud als Kennzeichen seiner Würde mitgegebener, in alte Lumpen gewickelter Ochscuschwanz allerwärts mit Ehrfurcht entgegengenommen wurde". L«!>me, der bedeutendste deutsche Handelsplatz mit 7 Faktoreien und eincm Handelsumsatz von jährlich 720—s>U 5ll!ltott> z»l tropischen Westllftilill. Bau u„d Anösehcn einer Faktorei. — Lebensgewohnheiten und tägliche Arbeiten. — Die Kllmeger, ihre Titten und Sprache. — Haushalt der Weihen. Alle Faktoreien, die deutschen sowohl wie die französischen, sind nach einer nnd derselben Schablone angelegt; bei der nachstehenden Beschreibnng habe ich besonders die Bremer Faktoreien von Bagida und Klcin-Povo, deren Gast ich für längere Zeit gewesen bin, im Auge. Zur Anlage einer Faktorei gehört ein sehr umfangreiches Grundstück; das deutsche Wort „Gehöft" kommt dem Begriff einer Faktorei noch am nächsten. Schon vor dem Beginne der Bauteu umgicbt man das Grundstück, welches die Faktorei darstellen soll, mit eincm soliden Bretterzaun und pflanzt hänsig anch noch eine Kaktushccke rund herum. Es wird besonderer Wert darauf gelegt, daß die zahlreichen Gebäude rings hernm am Zannc liegen, damit dcr Hof frei bleibe nnd leicht übersehen werden könne. Besondere Schwierigkeiten verursacht sowohl beim Banen wie beim spätern Verkehr in der Faktorei jener knietiefe Sand, der überall an dcr Küste zu finden ist. Man hat versucht, mit Benutzung des ans dem Innern bezogenen roten Thons wenigstens quer über die Höfe der Faktoreien hinüber solidere Fußpfade anzulegen; die Ergebnisse habeil aber dcr aufgewandten Mühe uicht entfprochen. Doppelt unangenehm ist der Sand in den Höfen der Faktoreien, weil er, wenn nicht völlig von Stroh- und Holzabfällen rein gehalten, überall dort, wo der Einfluß des salzhaltigen Meereswasscrs nicht mehr zu verspüren ist, von Sandstöhen wimmelt. Diese unangenehmen Insekten, die im vorigen Jahrzehnt von Brasilien her eingeschleppt worden sein sollen und sich immer weiter an dieser Küste verbreiten, werden Chikas oder Mamitossus genannt. Sie bohren sich mit besonderer Vorliebe unter die Nägel der Zehen, aber anch an anderen Stellen des Fnßes ein und verraten sich dann dnrch einen schwarzen Punkt nud ein leichtes Gefühl des Juckens, Sobald man dergleichen merkt, wird einer der schwarzen Hausknaben herbeigerufen, um mit einer Nadel das gar nicht schmerzhafte Werk des Heransziehcns zu beginnen; später reibt man, um etwa zurückgebliebeuc Eier der Infekten zu zerstören, Tabalsafche in die kleine Wnnde hinein. Eine ssaktorei im tropischen Wcstafrikci. IH Zu den Außengebäudcn einer Faktorei gehören dic Magazine für Öl, Kerne, Salz u, s. w,, cin besonderes, gewöhnlich aus Nellenblech mit Holzverschalung gebautes Pulvermagazin, eine unter freiem Himmel angebrachte, von einem Dach aus Palmblättern überschattete Einrichtung znm Ölkochcn, eine ccmcnticrte Tenne zum Trocknen der Palmkerne, eine der Feuersgefahr wegen abseits vom Wohnhaus liegende Küche, sowie ciue beliebige Anzahl von Taubcn-fchlägen, Affenhäusern, Hühnerstiegen u. s. w. In allen mir bekannten Faktoreihüfen sind Kokospalmen angepflanzt worden, auch wimmeln dieselben von Hühnern, Riefenenten, Tanben, Perlhühnern, Zibetkatzen, Huuden, Affen und anderem Ketier. Am häufigsten sieht man die in keinem zoologischen Garten (Kuropas fehleudcu Hunds-llffeu, etwas seltener sind jene schwarzen Affen, deren langhaariges Fell für die Muffe von Damen, die in Trauer find, sehr gesucht wird. Die Nachtruhe störendes Ungeziefer ist, mit Ausnahme der Moskitos, hierzulande sehr selten, und zwar deshalb, weil die in keinem Hause fehlenden Kakerlaken das Auskommen von Flöhen oder Wanzen verhindern. Anch die Moskitos nnd sonstigen fliegenden Insekten haben einen erbitterten Feind in jenen Possierlichen und ganz harmlosen Eidechsen, die zu Dutzenden und Hunderten in jeder Faktorei zu fiudeu sind. Wenn irgend möglich, erbaut mau aus Gesundheitsrücksichten die Wohnhäuser der Faktoreien zweistöckig. Das Material znm Bau dieser größtenteils ans Holz bestehenden Häuser wird fertig zugeschnitten aus Europa herübergesandt; nur die schweren Balken entnimmt man dem „Agobim" genannten und sehr dauerhaften Holze der Fächerpaltne. Die Möblierung der westafrikanischen Häuser ist mit Ausnahme der Rohrmöbel uud Moskitonetze vollkommen europäisch. Obwohl man behauptet, daß unter allen Küsteuplätzen besonders Bagida seiner Moskitos wegen berüchtigt sei, so habe ich selbst mich doch niemals eines Moskitonetzes bedient, sondern jeden Abend diese beengende, nnsern Himmelbetten ähnelnde Einrichtung recht sorgsam entfernt. Und doch speisen zur Regenzeit, wenn die Mookitenplage am schlimmsten ist, manche ^cute sogar unter dem Netze zn Mittag. Die Krujuugeu, die ihre nackteu Glieder viel weniger gut gegen Insektenstiche schützen können, schlafen, wenn es gar zn arg wird, am Strande, wo die Seebrise alle Mustitos verscheucht. Klein-Pouo hat, obwohl dicht an der Lagune gelegen, die wenigsten Moskitos; 312 Dmtsch-Äqlilltorial'Afiika. am schlimmsten fand ich die Plage in der Nähe der Schilfdickichte von Lebbe, Gbome und Seva. Mit Ausnahme der Sonntage verkündet jeden Morgen nm 5V° Uhr, d. h. kurz vor Sonnenaufgang, ein Glockenschlag, daß die Zeit des Arbeitenö gekommen sei. Man nimmt dann bloß cinc Tasse Kaffee, weist den Krulcuten ihre Arbeit an nnd seht sich gegen >! Uhr zum gemeinsamen Frühstück nieder. Um 1'2 Uhr folgt das zweite Frühstück und hinterdrein eine kleine Siesta, Aber schon um 2 Uhr sind die Kaufleute wieder vollauf in Thätigkeit, fei es im Hofe, wo Ol und Kerne gemefsen werden, fei eö im Laden, wo vom Anker bis znr Stecknadel alles und jedes zu finden ist, wonach das Herz eines Eingeborenen sich sehnen mag. In einigen Faktoreien wird um 5 Uhr, in anderen erst um l! Uhr geschlossen. Es folgt, falls nicht die Bücher abgeschlossen oder Briefe nach Nuropa geschrieben werden müssen, die Zeit der Erholung und des Vergnügens. Man nimmt gegen 6V> Uhr die Hauptmahlzeit ein und macht dann Besuche in anderen Faktoreien, um bei einem Glafe Bier, Rotwein, Sherry oder Cognac mit Wasser den Gang der Geschäfte, persönliche Angelegenheiten nnd die neuesten Kunststücke des Kochs (d. h. Kunststücke nach der negativen Seite hin) zu besprechen. Die äußerste Beschränktheit des zur Verfügung stehenden Gesprächsstoffes ist für zwei oder drei gebildete Leute, die Woche um Woche und Monat um Monat, außer dein Umgang mit Schwarzen, bloß auf sich fcldst augewiesen und außerdem sogar uoch Konkurrenteu siud, eine wahre Kalamität. Das Leben pulsiert hier an der Stlavenküste in volleren Schlägen als in Liberia, aber leider wirft auch die sehr stark entwickelte Koukurreuz viel dunkle Schatten rings um sich her. Hierin liegt eine Gefahr, von der ich meine lieben und wackeren Landsleute warnen möchte. Von dieser Küste Abschied nehmend, möchte ich ihnen uoch zurufen: „Haltet stets so brav wie bisher zusammen, vergeßt nie, daß legitime Koukurrenz euch nimmermehr verhindern darf, in allen nichtgeschäftlichen Dingen Hand in Hand zu gehen." Je nachdem sie sich müde gearbeitet haben oder etwa einen Gast bewirten, suchen die iu Wcstafrika lebeudcn Europäer entweder recht früh oder ziemlich spät ihr Lager auf. Aber unausgefetzt wird mau darau erinnert, daß das hiesige Leben sich doch einzig und allein nm Handel. Geschäft nnd Sicherheit der Faktorei dreht. Kurz uach Dunkelwerden wird in einigen Faktoreien cinc große, den ganzen Hof beleuchtende Lampe augezündet, und in allen Faktoreien Eine Fatturei im tropischen Westafrika. Z1Z ohne Ausnahme sind die nächtlichen Wächter angewiesen, bei ihren Rundgängen beständig auf eine leere Flasche oder Blechkiste zn klopfen. Stockt dieses für den Neuling recht fremdartige Geräusch auch nur wenige Minuten, so kann man gewiß sein, das; der alsdann aus dem Schlaf aufwachende Verwalter der Faktorei hinauseilen wird, um die Ursache der Unterbrechung zu ergründen. Es ist im höchsten Grade bedauerlich, daß die meisten Firmen beinahe gar nicht auf die Ausrüstung ihrer Faktoreien mit guten und modernen Waffen bedacht gewesen sind. Den Agenten nnd jungen Leuten kann das füglich Nicht zugemutet werden. Und doch hängt die Sicherheit einer Faktorei häufig gcuug von dem bloßen Vorhandensein von Waffen ab, ohne daß dieselben benutzt zu werden brauchten. Die zu jeder Faktorei gehörigen Krutrupps schlafen meistens innerhalb und bloß in sehr seltenen Fällen außerhalb der Umzäunung. Falls einmal besonders viel Arbeit vorliegt, werden auch einheimische Arbeiter, und zwar Männer und Weiber untermischt zu einem Lohne von Mk. 0,75 bis Mk. 1,— gemietet, aber da diese Leute sowohl träger als unbescheidener sind, so giebt man in jeder Hinsicht den Krus deu Vorzug. Die einzelnen Trupps, von denen jede Faktorei einen, wenn nicht zwei hat, bestehen aus 10 bis 12 Ruderern nud je eiucm ersten und einem zweiten Hauptmann. Als Schlafstätte dient irgend ein leeres Magazin, welches alsbald durch die in keiner Krukascrne fehlenden Zeichnungen von Dampfschiffen und jene täglich gemachten Striche, welche als Kalender und Zeitmaß dienen, bemerkbar wird. Obwohl die Krus im Dienste der Europäer sehr schuell alle möglichen Dinge (nur nicht das Christentum) auffassen und erlernen, so ist doch von dem Augenblicke an, wo sie ihre geliebte Heimat betreten, dieser Firniß völlig verschwunden. In gleichem Umfange findet sich diese Anhänglichkeit an die Heimat und ihre Sitten bei keinem andern Ncgerstamme. Auch wenn ein Krutrupp sich einmal ausnahmsweise auf länger als em Jahr verdingen sollte, so kehrt er in der Zwischenzeit doch stets Wieder einmal in die Heimat zurück. Und wie sie sich auf diese Heimreise freuen! In Lome sah ich das am Abend vor der Abreise gefeierte Abschiedsfcst eineg heimkehrenden Trupps. Währeud auf einer leeren Kiste der Takt dazu gefchlagen wurde, tanzten die schwarzen Teufel bei magischen« Moudlichte einen cancanartigen und gliedcr-verrenkenden, aber doch ganz rhythmischen Tanz. Der kleine Koch, einer der fröhlichsten unter allen, machte dic tollsten Sprünge. War 314 Dcntsch°Äqucüarml-Afri?a. er jemals müde, so legte er sich platt alls die Erde, um schon nach wenigen Augenblicken wieder aufzuspringen und sich dem allgemeinen Neigen wieder anzuschließen. Der zweite Hauvtmaun dieses Trupps war schon vorher in die Heimat entsandt worden, nm — fernerhin selbst als erster Hanfttmann — eine nene Mannschaft anzuwerben und hinauszubringen. Als diese Lente anlangten, war daö erste, was nmn mit ihnen vornahm, die Aufzeichnung der schon vorhandenen oder die Verleihung neuer Namen. Alle Krulcnte, dereu wahre Namen zu schwer ausznsprechen sind, haben außerdem noch englische „nam8 äk tt'n^'re". Bei dieser seltsamen Art von Taufe geht es etwa wie folgt zu: „Wie heißt du denn?" fragt der Weiße. — „Erbsensuppe!" antwortet der Schwarze. — „Und du?" — „Seebrise." — „Und du'?" — „Affcuschwanz." Der vierte in der Reihenfolge hat noch keinen Hamen, nnd mein Landsmann schlägt, mich lächelnd ansehend, den Namen „Schmetterling" vor. „^.11 rl^Ilt, Hlk8t«i-," erwiedert der Schwarze, „m^ uams dß dntwil^ (sehr schöu, Herr, ich werde Schmetterling heißen). In dieser Weise geht es weiter fort, ich notierte mir die Namen Pfaunkucheu, Sonntag, Weinglas, Papagei, Theetopf, Napoleon, Bratpfanne, Fünfgrofchen, Fliegende Wolke, Bismarck nnd Moltke. Mit den zwei lehten, meinte der Verwalter der Faktorei, könne ich es schon wagen, dnrch die schlimmste Brandung zn gehen. Da die Krns der Togo- und Povo-Sprachc nicht mächtig sind, so unterhalten sie sich mit den „gebildeteren" Eingeborenen in einem Englisch, dessen Stil der obigen Namengebung ziemlich nahe steht. Man wird dabei häufig genug solche Dinge wie 1i«n; d« ni)s 1i-. A. Neichcnau in seinem, „nach eigener Anschauung" geschriebenen schönen Wcrkchen (Die deutsche Kolonie Kamerun. Berlin, 1«.^l), „treten wir endlich in die Reihe derjenigen Völker ein, welche schon seit Jahrhunderten die in nnkultiuicrten Ländern ruhen-dcu Schätze zu heben beschäftigt find uud dem überseeischen Handel zum größten Teil ihren nationalen Wohlstand verdanken. Noch in letzter Stunde ist, Dank dem energischen Eingreifen nnseres großen Reichskanzlers, eines der bedeuteudsten Gingangsthore zum ccntralen Afrika für Deutfchland gesichert worden". Das Verdienst, Deutschland zuerst auf das Kamerungebiet, als für deutsche Kolonisten im huheu Krade geeignet, anfmerksam gemacht zn haben, gehört dem Entdecker der Benuequcllen, Ed. Robert Flegel, bei dem wir einen Augenblick verweilen wollen. Für den Kaufmaunsberuf erzogen, wurde er durch die Erfolge der Afrikareiscnden Barth und Nogel für die Durchforfchung des „unbekannten Innern des dunklen Erdteils" begeistert, trat 1875 von Hamburg aus seine erste Reise als Kaufmauu an und verweilte A Jahre in Lagos, um sich an das heiße Klima zu gewöhnen. „Die Hauptfrage für mich uud die Realisicruug meiner Pläne", sagte er,*) war die, ob mein Körper auch fähig sei, dem mit Recht verrufenen Klima für eine Reihe von Jahren Trotz zn bieten. Die Geschichte der Entdeckungen in Afrika beweist, daß, wie jedes Handwerk, jede Wissenschaft uud Kunst ihre Lehrzeit fordern, auch der Rcifeude, namentlich in Afrika eine solche durchzumachen hat. Wer ohne Vorbereitung, ohne sich selbst nnd seinen Körper genau zu kenueu, in das Innere Afrikas einzudringen versuchte, hat diese Übereilung meist mit dem Tode gebüßt. Welch' herrliche Resultate siud dagegen von Männern wie Barth, Schweinfurth, Nachtigal und ') Vortrag in der Sitzung der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin vom «. Mürz 1380. Bilder aus der Kolonie am Kamerun. 317 Nohlfg erzielt worden, die alle ihre Vorschule in Afrika durchgemacht hatten, bevor sie ihre epochemachenden Reisen antraten. „Über die ersten 3 Jahre, die ich in Lagos und dessen nächster Umgebung zubrachte, will ich uur so viel sagen, daß sie für meine eigentlichen Ansichten in mehr als einer Hinsicht fördernd waren. Dieser Ausenthalt an der Küste klärte meine Anschauungen nnd festigte meine Entschlüsse. Ich suchte meiuen Körper durch Reiten, häufige Spaziergänge nnd kleine Anstrengungen aller Art an Strapazen in diesem abnormen Klima zu gewöhnen und gewann bald die frohe Überzeugung, daß, wenn auch mein Körper unter dem Eiu-sluß des Klimas litt, ich doch manches mehr wagen und ertragen konnte, als andere. Anch lernte ich meine Kräfte bcnrtcilcn und wußte bald genau, wie viel ich mir physisch zumuten dnrftc nnd was vom Übel war. „Zwei weitere große Vorteile, die diese Zeit mir brachte, waren die Erwerbung einiger Kenntnis afrikanischer Sprachen nnd dieEr-fcchruugen über den Charakter des Negers uud die Art des Umganges mit demselben, die zu sammeln ich in stetem Verkehr mit ben verschiedensten Stämmen dieser Rasse so reichlich Gelegenheit fand." Nach längerem Warten gelang es Flegel endlich im Jahre 1879 als Clerk eines Handelsagenten, auf dem der Olmrob Ni88il>l) oder «UM» Fuß Höhe, festgestellt, ein geeigneter Nah zur Erbauung eines Sanatoriums aufgesucht uud der Kostenanschlag gemacht werden. Schon vor W Jahren ist dieser Vorschlag der Errichtung einer Gcsnndheitsstation auf dem Kamernn von dem ersten Durchforscher seiues Gebietes, Vurton, und später von fast allen Besuchern des Gebirges gemacht worden. Es ist bekannt, daß die Engländer ohne ihre Sanatorien im Himalaya und in Central-Indien nicht im stände wären, Hindostan durch europäische Beamte zu verwalten, daß die Holländer dnrch Verlegung der Beamten- und Kaufhcrruwohuungen ans dem ungesunden Batavia nach einem höher gelegenen Platze bedeutende Erfolge erzielt haben. Warnm sollten sich in einem 10—I5(»w Fuß hohen Gebirge von mehr als 111» km Ansdchnuug und verschiedenartigster Bodengestaltung nicht Stellen finden, die sich zu Gesundheits- 318 Deutsch-Äquatorial'Afrlka, stations eignen. Allerdings haben sich 'Autoritäten, wie Vr. Max Buchner (Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte. SpezialHeft d. Deutscheu Kolon.-Zeitung, 18«r. Beruhard Schwarz constatiert, daß cine Höhenlage voll 70«» m noch nicht gegen Fieber schützt, denn in Mapanja, wo in dieser Höhe die Hitze bei Tage kaum über 20" R. steigt uud das Thermometer bei Nacht nicht unter 12—1^' R. sinkt, litten die dort ansässigen schwedischen Kautschukhäudler au Rheumatismen nnd Fieber. Aber die Hoffnung, passende Stellen zu finden, scheint nicht aufgegeben zn werden, denn die im Inli 1N87 abgegangene Expedition des Premierlieutenants Kund hat u.a. die Aufgabe, eine wisseuschaftlichc Station zu errichten, von wo aus auch die Gesundhcitsvcrhältuifse studiert wcrdeu sollcu. Wir lasscu jetzt Robert Flegels kurze Schilderung der großartigen Natur des herrlichen Gebirgslaudes folgeu: „Am Fuße der mecrumwogten vielgestaltigen Felsen bis zur Höhe von 2509—Z(X»<>"<)' hiuauf Hort der Wald auf. Nur Büschelgras und vereiuzelt stcheudes Gesträuch (gelbblühende Papiliona-ceen) deckt die Lava. Häufig ist auch dieser Nest der Vegetation von den Eingeborenen durch Feuer zerstört, zu Iagdzweckeu uud um Honig einzufammclu, uud daun sieht das Auge nichts als die asche-bedeckteu. wild durcheinander liegenden Lavastücke, ausgebrannte Krateröffnnngen, tiefe Erdrisse, was den Reisenden glaubeu machen kaun, cr sei der Erde entrückt nnd durchwandere eine Landschaft des Mondes. Hier, wo vor Iahrtaufenden glühende Lavaströme sich von diesen gewaltigen Höhen unter furchtbaren! Getöse ius Meer hiuabstürzteu, herrscht jetzt tiefernstes Schweigen. Nnr der heisere Schrei eines Adlers unterbricht von Zeit zu Zeit die feierliche Stille, bis, auf dem Gipfel angelangt, jede Spur pflanzlichen wie tierischen Lebens aufgehört hat uud uur jähe Abgründe und Kraterschlüude den Wanderer umgeben. Die Mühe des Steigeus lohnt vom Gipfel ein Bild von mächtig die Seele packender Großartigkeit. Im Westen senkt sich eine ziegelrote Wand lothrecht in die Tiefe, ihr gegenüber, wie von dieser losgerissen, liegt schräge und nach 320 Deutsch.Äquatoiml-Afrila. Nurdwest eine andere, aus der zwei gewaltige Kraterschlüude emvor-gähncn. Der Krater zur Linken ist kreisrund, sein rechter Nachbar nach uuteu zu spitz anslanfend, beide sind von schwarzer Lava-Asche auf weite Strecken hin umgeben, die etwa wie Steinkuhlengrus aussieht. Über weite Felder solcher Asche, an deren äußerstem Rande der Fuß knöcheltief einsank, klommen wir zum Giftfei empor. Rechts nach Norden zu liegen nahebei noch zwei Kuppen, welche die freie Aussicht nach dieser Richtung verhindern. Nach Nordost und Ost senkten sich die erkalteten Lavaströme zu Thal. Im Südost und Süden begrenzten mächtige Bergrücken den Horizont und im Westen lag eine Welt von Kraterschlünden mitteu nnter Lavagerüll, ebenfalls begrenzt dnrch hohe, viel- und schöugezackte Bergrücken. Die beiden großen Kraterschlündc mit ihrer Umgebung würden unter Künstlerhand ein Gemälde werden, wie es von der reichsten Phantasie nicht tiefernster und großartiger ersonnen werden könnte. Dieses herrliche Land mit seinem überaus fruchtbaren Boden, der nicht allein alle tropischen Gewächse, sondern anch die der gemäßigten Zone hervorbringen könnte, würde die fleißige Hand, die ihn bebauen wollte, überreich für die Mühe belohnen. Es erweckte in mir den Gedanken und lebhaften Wnnsch, hier eine deutsche Kolonie gegründet zu sehen, mit dem Zwecke, in die gleichfalls gefunden, sehr fruchtbaren nnd volkreichen Gegenden südlich vom Benue herabznsteigen, um diese der Kultur zu gewinnen. Diese reichen Gebiete auszubeuten, dem Vordringen der Fellatas ein Ziel zn setzen nnd die volkreichen Gegenden vor allmählicher Entvölkerung dnrch blntige Kriege zn bewahren, die Menschen hier zur Arbeit heranzuziehen, daß sie den Wert und Nutzen derselben für sich nnd die Welt kennen lernen nnd dieses alles nicht aus rein philanthropischer Absicht, sondern zum eigenen Nutzen nicht minder, wie zu dem des Vaterlandes, das wäre eine Anfgabe, würdig für Männer unserer Tage, deren Inangriffnahme wenigstens nicht dem kommenden Geschlechte im kommenden Jahrhundert überlassen zu werden brauchte. Ein solches Unternehmen könnte freilich nnr von einem Nolke durchgeführt werden, welches feste Rückhalte in blühenden Kolonieen an der Westküste besäße. Als geeignetster Ort für diese, uud um Fnß zn fassen in Wcstafrika, erscheint mir das Kamerungebirge." Robert Flegel ist zwar mit dem schmerzlichen Bewußtsein gestorben, durch seine Forschungsreisen am Benue für Deutschland nichts Bilder aus der Kolonie am Kamerun. ZZ1 nzielt zu haben, die Engländer haben den unteren und mittleren Flnßlauf in Beschlag geuommcn, aber nns bleibt noch immer ein weites, prodnktcnreiches Hinterland und ein offener Zugang zum Dnellengebiet des Bcnne und zum mittleren Sudan. Durch seine so bedeutsame letzte Neise hat Flegel der deutschen Kolonie am Ka-mernn das Ziel aller künftigen Bestrebungen gezeigt: die Eröffnung einer Handelsstraße nach Nordosten nnd Norden. Die ganze Haudels-bewegnng am Kamerun würde dadurch einen kolossalen Aufschwung nehmen. Ein anerkannter Kenner afrikanischer Dinge, Brix Förster, wies sofort auf die Tragweite der Flegclschen Arbeiten nnd Bestrebungen hin.") „Die Erforschungen Flegels", sagt dieser scharfblickende Forscher, „in den Ländern am Venne erhalten dnrch die Gründung der Ka-Mcrunlolonie eine außerordentliche Bedeutung; denn da er auf die günstigen Verhältnisse zur Ausbreitung des deutschen Handels und gur Gründung von Niederlassungen in jenen Gegenden hingewiesen, hat er den Anstoß zur Kolonisiernng des Vcnncthales gegeben nnd damit die Verschiebung der Begrenznng der Kamcrnnkolonie um vier Breitengrade nach Norden zur ausführbaren Tendenz erhoben. Der Blick haftet nicht mehr am schmalen Küstensanm, er irrt nicht mehr in unbekannte endlose Territorien: er sieht ein in den änßeren Linien abgeschlossenes Ganzes vor sich, das znm fruchtbaren Arbeitsfeld dentscher Handelsthätigkeit ansgebreitct liegt. Eine Verbindung des mittleren Beuuc und des unteren Kamerun durch eine Furschnngs-erveditiou ist also das erste unumstößliche Bedürfnis. Mit der Zeit, und wenn es auch lange währt, werden die Handelsstationen von beiden Grenzlinien etappenweise vorrücken, bis sie sich endlich berühren. Was der internationalen afrikanischen Gesellschaft ans der kolossalen Entfernung zwifchen Zanzibar und Boma nahezn vollständig gelnngen ist, dürfte anf der verhältnismäßig kurzen Strecke Zwischen Adamana nnd der Biafra-Bai eine lösbare Aufgabe der deutschen Nation sein."*") *) Bereits jcht belauft sich der Export aus dem Kamerimgeliiet jährlich auf wehr «lg yoo (XX) Gallonen Palmöl, 12—15 WO Pfd. Elfenbein. «(XX» Zentner Valmkcrnc 7c. '*) Geographische Unwersal-Niblwthck Nr. 2. Die deutscheu Niederlassungen an der Gumeatustc. Weimar. Geogr. Institut, ^> Pf. Das Uortrcffliche Schiiftchen lann nicht genug empfohlen weiden. Baum garten, Afrika. 21 322 Deutsch-Äquawrial-Afrika. II Die Ersteigung des Götterbergcs (Tezember 1884). Hugo Zöller hat in seiner eigentümlich fesselnden, durch scharfe Objektivität sich auszeichnenden Darstellungsweise eilte Beschreibung feines Grsteigeus des Kamerun gegeben,*) aus welcher wir das Interessanteste im Auszuge folgeu lassen: Nachdem Zöller mit seineu beiden europäischen Begleitern und den Kruuegeru den gewaltigen, den drei Haufttknpftcu („Schwestern") des Kamerun vorliegenden, mit zahllosen Lavaströmen bedeckten Bcrgwall bis über 29Ol) m Höhe erstiegen hatte, begann die Tcm-peratnr von I8V2" C. im Schatten rasch zn sinken, sodaß die darunter arg leidenden Schwarzen sich mühsam fortschleppen konnten. „AIs ein dichter Nebel", erzählte er, „über uns hinwegzog, wurde die Kälte so groß, daß unsere Krulcute zu heulen begannen und dicke Thränen aus ihren Augcu hervorquollen. Wir wickelten sie, so gut es eben ging, in Decken ein. Wir befanden uns auf dem Kamm einer ersten Kette, aber dahinter türmten sich viele Berge uud Krater und anch einc noch höhere Bergkette auf. Hinter jener zweiten Bergkette glaubte unser Führer durch den Nebel hindurch in nordöstlicher Nichtuug abermals den Gipfel des großen Kamernn-berges zu entdecken. Geradeaus vor uns, aber ein wenig nach links, lag dicht iu der Nähe der mit Lavablöcken, wie der Pudding mit Mandeln, gespickte (5alvo-Krater. Auch hicr wäre noch, wenn wir das vorher gewußt hätten, von verdorrten Ginsterbüschcu herrührendes Brennholz in einer für unsere Bedürfnisse ansreichenden Mcngc zu finden gewesen. Zukünftigen Bcsnchcrn des Kamcrungcbirges werden vielleicht meine Mitteilungen das Knacken der sehr harten Nuß ein wenig erleichtern. Um 10 Uhr stellte sich die Temperatur im Winde auf 10" C. Wir kamen an zwei kleinen Kratern vorüber, von denen der eine von einem Gewirr tiefschwarzer uud noch gar nicht verwitterter Lavablöckc nmgebcn war. Der Boden, über den wir hinwegschritten, bestand weiterhin aus grauem, vulkanischem Sand, aus dem bloß stellenweise die schwarze Lava hervorragte. Und immer noch uud unaufhörlich ging es bergauf, bald über zackige Felsrückcn, bald durch Thäler uud ausgedehnte Bergkessel. Um 11 Uhr wurde vor *) Forschungsreisen in der deutschen Kolonie Kamerun. Berlin und Stuttgart. Spcmann, 1885. Bilder aus der Kolonie am Kamerun. ZIZ einem ungeheuren, einem sturmbewegten See gleichenden Lavafelde Halt gemacht. Ich habe selten etwas fremdartigeres gesehen, als dieses Gewirr von schwarzen Eiszapfen und ebenso schwarzen, aber an der Oderfläche mit einer dünnen Moosschicht überzogenen Lava-blücken. Der Führer riet, die Träger hier zurückzulassen, da dieselben Mit ihren nackten Füßen nicht über die spitzigen Nadeln des Lava-feldes würden hiuübcrgelcmgen können. Hinter einem ungeheuren, das Lavafeld an einigen Stellen einschließenden Lavawalle fanden Wir Schutz vor dem eisigen Winde nnd beschlossen, an einem ziemlich tief gelegenen, gntgeschützten nnd deshalb anch mit Gras bestandenen Plätzchen unser Lager aufzuschlagen. (5s ist merkwürdig, wie überall an der geschützten Seite der Berge selbst hier noch Gras, Moose, Blumen und sogar einzelne Sträucher Vorwärtskummen, während die dem Winde ausgesetzte Seite der Berge vollkommen kahl ist. Das Aufstellen des Zeltes nahm diesmal längere Zeit in Anspruch. Da der Härte des Bodens wegen keine Pflöcke eingeschlagen werden kounten, so trugen wir schwere Lavastücke herbei, welche die Zclt-leimvand am Boden festhalten sollten. Unsere Kruleute ermangelten in dieser Höhe nud bei dieser Tempcratnr der Energie und mußten öfters ermutigt werden. Es ist überhaupt schon schwer genug, Schwarze, die an das Gebirgsklima nicht gewöhnt sind, bis zu solcher Hohe mit hiuauf zu bringen. Obwohl der Götterberg jetzt bloß halb verdeckt von einem andern Berge geradeaus vor uns liegen Mußte, so ließ sich doch des starken Nebels wegen die genaue Rich-tuug uoch uicht feststellen. Als aber uach andcrthalbstüudigcr Rast der Nebel zerriß, traten wir sofort, bloß von Silva begleitet, den letzten entscheidenden Marsch an. Zunächst mnßten wir das etwa drei Kilometer lange und ebenso breite, einen flachen Bergkessel ausfüllende Lcwameer passieren, welches, wie wir später zu beobachten Gelegenheit hatten, von zwei großen Lavaströmeu gebildet worden ist, die sich aus dem seitdem erloschenen uud zusammengestürzten Krater des Götterbcrges ergossen haben. Die Lava ist in unzählige große uud kleiue Blöcke zerspalten, auf denen eine eisgraue, in einzelueu Gegenden vou Angola als Geld dienende Moosart wnchcrt. Es war schon wieder sehr neblig geworden, und unser Führer mnßte aufmerksam ausschauen, um den wahren nnd wirklichen aus drei Kuppen bestehenden Ka-meruuberg nicht zn verfehlen. Dem englischen Missionar Thomson ist es iu Begleitung desselben Führers Silva wiedcrfahreu, daß er 21' 324 Deutsch-Äamiwrial-Afiikci. einen viel niedrigeren Bern bestieg und anfänglich (d. h. bis der Nebel sich lichtete) fest überzeugt war, auf den« dicht dahinter sich erhebenden großen Kamernubcrgc gewesen zn sein. Als wir das Ende des Lavafeldcs erreicht hatten, befanden wir nns vor einem niedrigen, jenen Berg, den Thomson fälschlich für den Göttcrberg gehaltcNs mit einem hübsch geformten Krater verbindenden Gebirgssattel, über den vor Zeiten zwei mächtige Lavastrüme heruntergestürzt sind. Diese sahen in ihrer (Hrstarrnng ähnlich, mir unendlich viel großartiger ans, als der Rhonegletscher. Auf dem Kamme des erwähnten Gebirgssattels, den wir, nm Min Fnße des (Mterbcrgcs zu gelangen, überschreiten mußten, entdeckten wir eine Anzahl hübscher, kleilter, vor dem Wind geschützter Kessel, die sich vortrefflich zum Aufschlagen des Lagers geeignet haben würden. Wir waren bereits 1'/4 Stunde von der Zuerst gewählten Lagerstätte her unterwegs und bereuten jetzt (da es unmöglich schien, am gleichen Tag den Göttcrberg zn besteigen und wieder zum ersten Lager zurückzugelangen), die Krn-träger nicht mit uns bis hierher gebracht zn haben. Wir sandten daher den Führer znrück, nm das Zelt abbrechen zn lassen und die Träger nebst dem Gepäck zn den kleinen Höhlen anf den: Kamme des obenerwähnten Gebirgssattelö zu geleiten. Eine halbe Stunde lang waren wir, nnd zwar jetzt, da über die Richtung kein Zweifel mehr bestehen konnte, so schnell als nnr irgend möglich über vulkanischen Sand und verwitterte Lavaströme dahingcschritten, als wir den von Thomson fälschlicherweise für den Götterberg angesehenen, in seiner Form dem Vesuv nnd der Summa gleichenden Gipfel hinter uns lassend am Fnße der höchsten Erhebnng des ganzen Kamernn-gcbirges standen. (5s war 1 Uhr 45 Minuten. Vor nns türmte sich in nnheimlicher Steilheit (aber ausgenommen den höchsten Kamm ohne senkrechte Abstürze) eine <»>») Meter hohe Bcrgmaffe emvor. Sollten nnr, so freuudlich auch die drei Schwestern herunterzuwinken schienen, noch zu so später Stnnde das Wagnis unternehmen? Die Überlegung dauerte bloß wenige Minnten, dann hieß es „vorwärts, vorwärts!" (Kine fliehende Antilope, deren Fnßsvuren wir noch weit bergaufwärts verfolgen konnten, schien uns den Weg zeigen zu wollen. Aber welche Niesenarbeit hatten wir ohnehin schon Ermüdete unternommen! War man, auf Händen nnd Füßen vorwärts-strcbend, zn einem Absaß odcr Haltevnnkt gelangt, so entsank beinahe der Mnt, wenn man zurückblickend die zurückgelegte Entfernung mit der noch übrigbleibenden verglich. Nm 3'/2 Uhr stand ich in der Bilder aus der Kolonie am Kamerun. 325) Mitte eines Bergrutsches von vulkanischen: Sand auf eüicm daraus hervorragenden hohen Felsen, dessen Erwähnung, da er auch von unten her ssesehen werden kann, meinen ctwanigen Nachfolgern als Richtschnur für den einzuschlageudcn Weg dienen mag. Bald mußten wir über Lavalilöcke, bald über vulkanischen Sand dahiukletteru. ächterer war am unangenehmsten, weil mcm, indem man drei Schritte wachte, stets wieder zwei zurückrutschte. Allmählich wnrde ich heiser Und immer heiserer, bis ich schließlich gar nicht mehr sprechen konnte; erst nach knrzcin Ansruhen ans dem Gipfel kehrte mir die Stimme Zurück. Die Steilheit des Berges nnd die Schwierigkeit des Steigenö wurden, je weiter wir gelangten, immer größer. Ab und zu machte wan anch wohl eine unfreiwillige und nicht sehr sanfte Rutschpartie. Db die Seite, die wir zum Aufstieg gewählt hatten, die günstigste ist, vcrmag ich nicht anzugeben; mir scheint es, als ob man vermittelst eines mehrstündigen Umweges auf bequemere Art zum Gipfel gelangen könnte. Glücklicherweise erwies sich meine Besorgnis, von der Bergkrankheit befallen zn werden, als unbegründet. Um o Nhr 4') Minuten standen wir drei Weiße ans jener stolzen, erst zweimal vorher bestiegenen Höhe, von der aus wir, trotz der undurchsichtigen ^ttft, doch noch immer ein kleines Königreich zu übcrblickeu ver-mochteu. Leider fehlte jedes, auch das kleinste zum Rasteu uud Ausruhen einladeudc Plateau. Die drei Kuppen, von denen die Mittlere — der eigentliche Oöttcrberg — die höchste ist, liegen in einer Linie, und da von dem ehemaligen Krater des Göttcrbcrgcs, nachdem die ganze Nordhälfte abgesprengt wurde uud hinunterstürzte, bloß ein zackiger Nand stehen blieb, so gleicht der ganze Gipfel mehr einem Kamm, als einer Fläche. Auf der einen Seite (Nord) ein grauenhafter senkrechter Absturz von rotem Gestein, auf der audern ein steiles, mit kümmerlichen Moosen bestandenes Gehänge, auf dem Man mit großer Vorsicht einherschreiten muß, weun man nicht von dem rasenden Sturmwinde über jenen Kamm geschlendert werden will, hinter dem sich der Abgrnnd eröffnet. Es schauderte nur, als ^h, vorsichtig auf Häudeu und Füßen mich fortbewegend, hinunterblickte. Zu unsereu Füßen fchien jene ganze Fabrik des alten Zens Zu liegen, in der zur Bcuuruhiguug der armen Sterblichen Wolken und Wetter, Donner nnd Blitz gemacht werden. Wenn ich ein Maler wäre, so würde ich mir diefe abcntenerlichen und riesenhaften, an ^ie Fignren der nordischen Mythologie erinnernden Wolkcngebilde Zum Gegenstande eines Bildes gewählt haben. Leider schienen 326 Deutsch.Äquatorial'Asrika. dieselben Wolken, deren Majestät wir bewnndern mußten, neidisch alles übrige verhüllen zn wollen. Als aber endlich, vom Stnrme gerüttelt, der dichte Schleier sich cin wenig lichtete, da war der Blick auf diese Krater, diese Lnvaströmc mid Lcwamccre unbeschreiblich, unnennbar, namenlos großartig. Vom Sturmwind nnchcult, legten wir uns nieder, um, obwohl unsere erstarrten Hände kaum die Feder zn halten vermochten, eine Urkunde über unsere erfolgreiche Besteigung abznfasfen. Dieses Papier wnrde dann in eine Flasche gesteckt und mit derselben zwischen hcrbcigctragcnen Steinblücken vor der Gewalt des Windes geschützt. Die Temperatur betrug oben nm 4 Uhr nachmittags, wenn Wolken vorüberzogen, 4" C., wenn die Sonne schien, 5," C. und beim Auflegen des Thermometers ans den Erdboden l>° C. Stieg ich aber auf der andern, vor dem Winde geschützten Seite des Berges bloß ein klein wenig abwärts, fo zeigte das Thermometer beim Auflegen auf den Erdboden N" C. Es ist eine Ehrensache, wenn man einmal im Kamernngebirge nmhcrrcist, alsdann auch die höchste Spitze erklommen zn haben, aber bis hierher vorzudringen ist, solange keine Drahtseilbahn ans den Göttcrbcrg führt, ganz gewiß kein Vergnügen. Die eingeborenen Bakwiri sind der Ansicht, die weißen Männer stiegen auf deu Götterberg, um dort eine Medizin zu holen, die sie noch stärker und klüger mache, als sie ohnehin schon seien. Die schon etwas mehr gewitzigten Krnlcute, denen der Sinn nnd Nntzen aller dieser Anstrcngnngen natürlich ebenso unbegreiflich ist, sagen, es sei „dook-Miliver" (eine Vüchcrsachc), Schwarze Jäger sollen ihre Streifzüge ab nnd zu bis znm Fnße des großen Kamcrnnverges ausdehnen; wenigstens will man nächtlicher Weile ihre Lagcrfcner dort bemerkt haben. Zum Gipfel selbst scheint aber des Aberglaubens wegen niemals cin Eingeborener gelangt zu sein. Iu der Sprache der Eingeborenen lantet der Name des Berges „UonssuinH-I.ud^", d. h. „Götterberg". Da einesteils die Kälte (die auch durch das Auffinden eines erfrorenen Vogels veranschanlicht wnrde), andentteils die Notwendigkeit, vor Einbrnch der Nacht wieder mit nnsercn Lcntcn zusammenzutreffen, znm Anfbrnch drängten, so verbrachten wir bloß ^» Minuten auf der stnrnmmsausten Höhe, Beim Abwärtsstcigcn waren wir sehr besorgt, ob wir auch uuserc Schwarzeu fiuden und nicht etwa einem der zahlreichen Abstürze allzu uahe kommen würden. Glücklicherweise zerriß der Nebel, während wir noch mehr herunter- Bilder aus der Kolonie am Kamerun. 327 rutschten als stiegen, nnd von jeht ab dienten uns die bekannten Vergformcu als Richtschnur. Mit großer Freude sahen wir von der Stelle ans, wo wir uns von dem Führer getrennt hatten. Rauch aufsteigen. Unsere Schwarzen, obwohl vor Kälte zitternd, begrüßten Uns, als wir l V. Stunde nach dem Aufbruch vom Gipfel bei ihnen eintrafen, mit aufrichtiger Freude. III. Kamerun und die Küste bis Kap St. John. Bodenbeschaffelcheit. — Handelshäuser. — Acwohner. — Dic Küste südlich vun Kamerun. Die Ufer des Kamerunflusscs bestehen bis kurz nntcrhalb King Bells Town aus Mangrovensumpf. Hier steigt das Terrain schnell an, so daß sich hinter einem schmalen Saudufer eiue Terrasse findet, auf welcher sich die Ortschaften der Eingeborenen in fast nuunter-brochencr Reihenfolge hinziehen. Der Boden besteht aus gelbein, weiter oberhalb rötlichem Lehm. Das Land ist mit üppiger Vegetation bedeckt, zwischen welcher die gelben Wege nnd Plätze vor den Häusern aus der Entfernung einen sehr freundlichen Eindrnck machen. Man ist daher bei der Annäherung von See aus geneigt, hier ein wohl kultiviertes Land mit parkähnlichen Aulagen zu vermuten, während in Wirklichkeit es an gangbaren Wegen, namentlich in der Regenzeit, gänzlich mangelt. Von europäischcu Handelshäusern finden sich zwei dentschc und sieben englische, meist kleine Firmen, vertreten. Die Deutschen haben angeblich mehr als die Hälfte des Landes iu der Hand. Die Onro-Paer leben zum größereu Teil auf den im Fluß veraukerten Hulks, so daß nur drei deutsche uud zwei englische Faktoreien uud zwei Misfionsstationen an» Lande den Ort bilden, welchen man Kamernn nennen könnte, der in Wirtlichkeit aber noch durch die Eifersucht der beiden Oberhäupter King Bell und King Aqua so scharf iu zwei Teile geteilt ist, daß das Haus Woermann für jeden derselben eine Faktorei uud die Baptist-Mission je eine Station haben errichten müssen. Die Bewohner des Landes, dem Stamme der Dualla angchörig, leben ausschließlich von dem lebhaften Tauschverkehr, welcheu sie zwischen den Europäern und den Bewohnern des Innern vermitteln. 328 Delltsch-Äquatorial.Afrika. Sie wachen streng darüber, daß ein direkter Handelsverkehr zwischen Europäern mid dem Hinterlande unterbleibt und finden dabei ziemlich mühelos reichen Erwerb. Infolge dessen sind alle Leliensmittel, wenn überhaupt zu haben, außerordentlich teuer. Geldeswert ist ein sehr unbestimmter Begriff, fast alles muß durch Vermittelung der Faktoreien im Tauschhandel erworben werden. Selbst diese waren nicht im stände, regelmäßige Lieferungen von frischem Fleisch zu übernehmen, weil die Preise zu hoch und die Quantitäten zn gering waren. Ebenso waren Früchte, Eier u. dergl. kaum zu erlangen. Eine staatliche Ordnung existiert hier wie fast an der ganzen Guincalüstc, Tahomc ausgenommen, nicht. Die Oberhäupter King Veil, King Aqna :c, haben über die anderen Häuptlinge sehr wenig (Gewalt und thun nichts Wichtiges ohne deren Zustimmnng. Ihr Ansehen ist begründet in ihren starken Familien nnd ihrem Neichtnm an Sklaven. King Bell gab an, daß er etwa 3,>u Franen habe, einschließlich solcher, welche er seinen erwachsenen Söhnen gegeben. Unter diesen Franen werden Sklavinnen nicht mitgerechnet, sie sind alle ans freien Familien gekauft. Diefc Oberhäupter sind eifrige Händler mit entsprechend höherem Kredit, als die kleineren Leute. Sie begeben sich mit ihren Kanoes cmf Wochen in das Innere, um Landcoprodnkte cinzntanschen, gegen die Tanschartikel, welche ihnen von den Faktoreien auf Kredit übergeben sind. Unter solchen Verhältnissen sind Arbeitskräfte aus dem Lande felbst gar nicht zn haben. Dic Faktoreien verfügen über zahlreiche Kruneger als Arbeiter, welche von Liberia kommen und nach ein bis zwei Jahren wieder in ihre Heimat znrnckgehcn. Die Küste südlich von Kamernn bis Kap St. John talin nach den Bewohnern eingeteilt werden in drei Abschnitte: 1. Der nördliche Teil von Kamcrnn bis circa 3" nördl. Br., bewohnt von demselben Stamme, welcher am Kamerun ansässig ist, den Dnallas. In demselben befinden sich die Handelsplätze Ma-limba, Small Vatonga (3' W,6" nördl. Vr,) nnd Plantation (3" 3,.^ nördl. Br.). 2. Der mittlere Teil von 3" nördl. Br. bis znm Eampofluß (2° 22,7' nördl. Br,), bewohnt von den Stämmen der Banoko und Wavnko, mit den Handelsplätzen Kribby, Batonga (2" 53^ nördl. Br.) und Camposinß (2' 22,7' nördl. Vr.). 3. Der südliche Teil vom Campofluß bis Kap St. John, bewohnt von den Kumbestämmen mit den Handelsplätzen Campoland Bilder aus der Kolonie ani Kamerun. 329 (Bird Nock 2" l,^"), Awumi, Bata (1° 52,7'), Benito. Südlich von Benito finden sich vereinzelt wieder Wapuko-Ortschaften. Europäische Agenten sind nnr vorhanden in Malimba, Small Vatonga, Bata nnd Benito. Anßer den dcntschcn finden sich noch englische Faktoreien in Batonga nnd Bata. Die ganze Küste hat ein sehr gleichartiges, aber nicht einförmiges, sondern waldiges und hügeliges Anssehcn. lKbenso unterscheiden sich die Bewohner in Sprache nnd Sitten nicht wesentlich von einander. Staatliche Verbände existieren kaum; im Norden giebt es noch erbliche Könige, deren Machtbcreich aber räumlich und effektiv ein sehr unsicher begrenzter ist; im Süden lockern sich die Verbände noch mehr. Unter oen Häuptern einer Anzahl Dörfer wird zwar oft einer als King bezeichnet; derselbe wird aber abgesetzt, wenn cr etwas thut, was den anderen nicht richtig scheint. Der Besitz des Landes, soweit dasselbe nicht mit Hänsern bebaut oder kultiviert ist, hat infolge defscn wenig Interesse für die Leute. Alle sind Händler und begierig, Handelsvorteile zu erlangen. Das höchste Streben ist eine Faktorei im eigenen Bezirk zu haben; cö erscheint erniedrigend, in das Nachbarland gehen zn müssen, um seine Waren zu verhandeln. Die Handelshäuser, welche die Faktoreien verteilen, haben daher schon allein dadurch die Gewalt, das Ansehen eines Häuptlings zu vermehren oder zn vermindern, nnd alle Verträge, welche an der Küste abgeschlossen sind, drehen sich nm die lHinsetznng neuer oder Vergrößerung bestehender Faktoreien. Die einsam gelegenen Faktoreien erfreuen sich einer ziemlichen Sicherheit. Sie zahlen cm einen der Häuptlinge eine bestimmte Abgabe, wogegen sich dieser für jeden Diebstahl n. s. w. verbürgt, so daß der Agent sein Haus Tage lang verlassen kann, ohne eine Beraubung zu befürchteu. Soll aber eine Faktorei verlegt oder aufgehoben werden, so kann das nur allmählich und heimlich geschehen, die Eingeborenen würden sonst offenen Widerstand leisten. Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, XU.. Heft l), 488 ff. (Vencht dcs Kowettenüipitmis Hoffmann.) 330 Deutsch-Äquatoiial-Afrila. IV. Kulturbilder aus den Anfängen der Kamcriliimission.*) Gräuel des Heidentums. — Der Missionar Saker und seine heldeniuütisse Aus» dauer und Wirksamleit. — Nie er die Duallasprache lernt. — Verfolgungen. Bis in die neueste Zeit hat im Kamcrnngebiete die grauenhafteste Barbarei geherrscht und der Handel, auf der untersten Stnfe, der des Tausches stehend, für die soziale und sittliche Hebung der Negcrbevölkcrung noch sehr weuig leisten können. Vor dein Jahre 1650 bauten die Neger nicht einmal in hinreichender Menge die Nahrungspsianzen, von Knlwren.für den Export kounte also keine Rede sein; Handeltreiben, Betrügen nnd Stehlen gaben ihnen die Mittel, ihre Bedürfnisse an Branntwein, Banmwollengewebe, Tabak n. s. w. zn befriedigen, Truuksucht nnd Blutrache »varen an der Tagesordnung. Der Aberglaube veranlaßte viele Mordthaten. Nicht selten wnrdc der Tod eines Negers der Zauberei zugeschrieben, nnd der Tschudschn-Mann spürte den Missethäter anf, der getötet nnd in den Fluß geworfen wurde; ebenso wnrde bei Gpidemicen für jeden Gestorbenen ein zweites Opfer geschlachtet; der gestorbenen Wöchnerin wurde das Kind mit ins Grab gegeben. Wenn auch hierin in nenestcr Zeit einige Besserung einzutreten scheint, so dauert das Unwesen der Kehcimbündclci (S. weiter nuten: Der Egbuebnnd von Prof. Hr. Bastian) noch fort. Jeder Stamm, ja jede Klasse eines Stammes (Freie, Halbfreie und Sklaven) hat seine besondern Mysterien, die von den Mitgliedern eines Geheim-bundcs betrieben werden, die eine wahre Schreckensherrschaft ausüben. Die Gegner der Bestrebungen des Bundes, der auch politisch auftritt, werden durch Gift beseitigt, so daß das ganze Volk iu beständiger Furcht schwebt. Daneben herrscht, dem Negercharaktcr entsprechend, das entgegengesetzte Extrem: der ausgelassenste Leichtsinn, aus allen Negerdörfern erschallt in der Nacht der Lärm der Tanzenden. Obige Zustände fand der Missionar Saker, als er im Jahre 1«5l) nach achtjähriger Arbeit anf Fernando Po die erste christliche Missionsstation am Kamcrnn gründete. Nur selten hat ein Missionar nnter so vielen Schwierigkeiten *) Gründen, a nn. Das Hiamenmgebiet lind die Mission daselbst. Allg. Miss.'Zeitschr,, 1885. Bilder aus der Kolonie cmi Kamerun. ZZ1 den Grund aufzubrechen gehabt wie Mr. Saker. Nachdem es ihm gelungen war, sich eiuigermaßen dic Freundschaft des Königs Aqua (eines Großvaters des Häuptlings, der jetzt diesen Namen trägt) zn sichern, wmde es ihm nach langen Palavern (Natsvcrsammluugen) gewährt, sich mit Frau und Kind in nächster Nähe der Königsstadt niederzulassen. Damals wohnte noch kein einziger Europäer am Kamernn. Die Anfänge waren sehr bescheiden. Die Missiunsfamilie mußte sich zuerst mit einer landesüblichen Hütte als Wohnung begnügen. Der unumgängliche Ban eines besseren Hauses, ohne welchen die Gesundheit leichtsinnig anfö Spiel gesetzt worden wäre, führte zn den einfachsten Kulturarbeiten. Mit großer Geduld unterwies Saler einige jnngc Leute i^n Gebranch der Axt, der Säge und des Hobels. Bis dahin waren die Werkzeuge dort ganz unbekannt gewesen. Die Neuheit der Sache hatte etwas Anziehendes, nnd bei einem Teile der Dualla wurden Zinnnermannsarbeitcn zn einer Art Sport, besonders da man mit denselben allerlei viel begehrte Artikel europäischer Indnstrie als Zahlnng erlangen konnte. Damals waren solche Sachen noch wenig im Volke verbreitet und meist auf dic Hänser der Häuptlinge beschränkt. Der Missionar sorgte selbst mit persönlichen Opfern dafür, die Einführung guter Werkzengc zn fördern. Er ließ ein paar Blocksägen kommen nnd arbeitete mit seinen schwarzen Lehrlingen nnermüdlich, bis sie selbständig branchbare Bretter herzustellen gelernt hatten. Auch die Unterweisung in der Böttcherei hatte ciuc weittragende Bedentnng, da früher alle znr zur Verpackung des Öls nötigen Fäfser hatten importiert werden müssen; nun aber wurden sie an Ort nnd Stelle verfertigt. Es bedürfte natürlich langer, unermüdlicher Anlcitnng zur erfolgreichen Einfi'chrnng dieser Handwerke. Das zncrst erbaute Hänschen, sowie die später daneben errichtete kleine Kapelle ließen noch viel zu wüuschen übrig. Doch genügten sie znnächst dem Bedürfnis. Saker aber betrieb die Sache nicht bloß mit Rücksicht auf die eigenen Bedürfnisse, sundern znr Hebung des Knltnrstandes der Gingeborenen. So führte er denn weiter die Ziegelbrenncrei ein — zn der der dortige Boden vorzügliches Material liefert, und bildete Maurer aus. Ihm ist es zu danken, daß jetzt am Kamerun schon manches rote Vacksteingebäude zwischen den Bananen hervorschimmert, das nicht bloß haltbarer ist, als die vom Wetter nnd den weißen Ameisen bald zerstörten Holz- und Bambnshänser, sondern anch der Gesundheit zuträglicher und überhaupt einenKultnrfurtschritt bezeichnet. 332 Deutsch-Äquawrial-Afrila, Fügen wir hier sogleich hinzu, wie sich Mr. Saker auch um die Hebung des Landbaucs bemühte. Er selbst schreibt einmal darüber in ciuem Privatbricfe: „Ich Ichrtc sie cm besseres Kulturverfahren und bebaute selbst Stücke als Muster. Ich führte Saaten vou anderen Teilen der Küste mit beträchtlichen Kosten ein — die Gegend wurde wohl versorgt mit der süßen Kartoffel, und ich hatte die Freude, zn scheu, wie sich die Kultur allmählich ausbreitete und dadurch dem Nahrungsmangel abgeholfen wurde. Alo wir znerst hierher kamen, überstieg die ganze Laudcsprodnktion uicht den jährlichen Bedarf der Bevölkerung für drei Monate. Tic übrige Zeit herrschte halbe Hungersnot; man lief hier und dort hin, um Nahrnngsmittcl zu hohen Preisen Zu kaufen. Im Lanfe der Jahre sind wir nnn soweit gekommen, daß an einigen Früchten sogar Überflnß ist." In demselben Briefe deutet Saker noch den bemerkenswerten Umstand an, daß er alle Handwerkszenge, Materialien u. s. w. für die genannten Arbeiten der Eingeborenen leihen mnßte. Anfänglich war dies „Leihen" identisch mit „Schenken". Nach und nach, als die Arbeiten Ertrag lieferten, gewöhnte er sie daran, wenigstens einen Teil der Kosten zurückzuzahlen nnd brachte es schließlich dahiu, daß alle solche Gegenstände sogleich beim Empfang zn vollen Preisen bezahlt wnrdcn. Um nicht die Missionokasse mit derartigen Aus-gabcn zn belasten, was ihm durchaus unzulässig erschien, legte er (und seine gleichgesinnte Gattin mit ihm) lange Zeit sich die größten Entbehrungen auf. Nur wer das Leben der Europäer im Tropenklima kennt, versteht, was es bedeutet, daß Sakers jahrelang auf gleichem Nivean mit den Eingeborenen lebten. „Wir aßen so ziemlich die gleichen Speisen und lebten wie sie — nnr wir waren gekleidet — sie nicht." Saker brannte vor Verlangen, den Schwarzen das Evangelinm zu verkündigen. Aber die wenigen Brocken aus der englischen Sprache, die sich dnrch den Handel bereits am Kamernn eingebürgert hatten (wahrscheinlich mich mit portugiesischen Wörtern aus früherer Zeit zu einem schlimmen Kanderwälsch vermischt) waren zu nichts weniger als znr Verkündigung des Evangeliums geeignet. Anf die immer zweifelhafte Hilfe eines Dolmetschers scheint sich Saler nicht viel verlassen zu haben. Mit aller Energie ging er daran, selbst die Duallasprache zu lernen — ein schwieriges Unternehmen bei diesen Leuten, die noch keine Ahuung hatten vou der Kunst des Schreibens Bilder aus der Kolonie cm Kamcmn. 333 und jedesmal, wenn der Missionar einen von ihnen erfragten Ans-drurk in sein Notizbuch eintrug, eine Zauberei vermuteten. In blinder Furcht snchten sie sich vor Behexung zn schuhen, indem sie die Gossenstände, über die sie befragt wnrden, mit falschen Wörtern bezeichneten. Anch als der Vtissionar nicht mehr sofort aufschrieb, war doch das Mißtranen nicht beseitigt; man führte ihn in eine heillose Sprachverwirrung. Nnn mnßte er, ohne zn fragen, nnr lauschen. Am meisten gelang es ihm, indem er sich an dem harmlosen Spiel der Knaben beteiligte. Nach und nach wnchs das Vo-kabnlar; die grammatischen Elemente der Sprache wurden fixiert, tägliche Übungen angestellt, und nach nicht langer Zeit hörten die Eingeborenen mit Staunen, wie der weiße Mann anfing, in ihrer Sprache zu reden. Zu jener Zeit bot die Missionsstation, die den Namen Bethel (Betheltown) trägt, einen sehr bescheidenen Anblick dar. Ans einem der Ufcrberge stand das Fachwerkhauöchen mit dem flachen Palmblattdache, nicht weit davon die ähnliche provisorische Kapelle, die wohl auch als Schnle bcnnht wurde. Ringsumher gcdiehcn die üppigen Vanancn nnd die von Taker eingeführten Mangobäume, die jetzt schou über die ganze Gegend verbreitet sind. Die schlichte Verkündigung des Gvangelinms fand viele taube Ohren, aber doch brachte sie einige der (Eingeborenen dem Missionar näher. Schon wnrdc mit einem kleinen Häufleiu Gottesdienst gehalten. Tort oben erklangen dic ersten christlichen Dnallalieder ill rechtem Gegensatz zu dem Heidenlärm, der unten auf dem Flusse die häufigen Gra'nelfcenen begleitete. Zuerst kümmerte sich niemand nm die Anhänger des Missionars; ja, manche andere kamen anch wohl ans Nengicrde zum Gottesdienste. Sobald aber einige, die tiefer vom Evangelium ergriffen waren, sich weigerten, die heidnischen Gebräuche mitzumachen, begaun die Verfolgung. Gin Abfall von der väterlichen Sitte sollte nicht geduldet werden. Der Haß aber wandte sich nicht bloß auf die abtrünnigen Landslente, sondern auch ans deu Weißen, den man als Verführer betrachtete. Es wnrden Zanbermittel gegen ihn angewendet, die ihn zwingen sollten, das Land zu verlassen, manchmal drohte man ihm deu Tod; es werden Versuche erwähnt, ihn zn vergiften, nnd einmal war das Missionsgehöft von rnchloser Hand angezündet. Das Fener wnrde glücklicherweise rechtzeitig entdeckt und die Gebände gerettet. Einige Jahre später erhielt Saker einige Mitarbeiter aus Eng- 334 Deutsch-Äquatorial-Afrila. lcmd und Ianmika und dic Mission kouutc nun ihr Arbeitsfeld erweitern, (im großes Hindernis war das Klimaficber, welches Sccker öfters heimsuchte, trotzdem arbeitete er 33 Jahre laug am Kamerun mit Unterbrechung von eiuigcu kurzcu Erholuugsrcifcu nach Europa. Seine wackere Gattin scheint etwas von scinein Heldcnmutc und seiner zähen Natur besessen zu haben: sie hielt standhaft bei ihm aus, ja als er 1.^60 eine der erwähnten Erholungsreisen machen mußte und kein Vertreter für ihn auf der Statiou sich befand, blieb sie allein am Kamerun zurück, eine einzelne weiße Frau unter dem barbarischen Volke. V. Tie Negervölker am Kamerun. Nach eigen« Anschmmnff dun Ncichcnuw') und Bnchholz.**) In südlicher und südwestlicher Nichtuug, das fast ausschließlich mit Urwald bedeckte Laud durchbrechend, münden in der Bucht vou Viafra, au deu östlichen Abhängen des Kameruugebirgcs, zwei Flüsse, der Kameruu- und der Djamur- oder Bimbiafluß, welche an der Küste eiu ungeheures, etwa 40 Quadratmeilen großes gemeinsames Delta bilden. Die Kameruugcgcud ist Vou Stännneu bevölkert, welche die Duallasprache reden, ein Zweig der (5afirsprache, die sich weit über Südafrika verbreitet. Es sind diese Stämme jedoch nicht die ursprünglichen Bewohner jener Gegenden. Vielmehr sind dieselben von Nordwesten, von den Kamcrnubergen her ciugewaudert, also Abkömmlinge der Vat'wiri, die noch jetzt die Berge bewohuen; sie haben die ursprünglicheu Bewohner, die Quaqua, zurückgedrängt. Wie es scheint, haben mehrere solcher Einwanderungen zu verschiedenen Zeiten stattgefunden. So sind die jetzigen Wuri zu eiuer frühereu *) Vortrag iu der Berliner Gesellschaft für Anthropologie ?c. vom 15. November 1878. Ncichenow stellte die wissenschaftliche Nutcrsuchuna, des Kamerun-«Metes nlit H. Lühder an, welcher dnrch zu landen Aufenthalt in den Smupf-niedcrun^cu den Tod fand. Höchst lesenswert ist die Schrift: Die deutsche )tl)lonic Kamerun. Mch eigener Anschauung geschildert oun Or. A. Neichenuw. Äiit l Karte. Berlin, l88Ü. M. l,,'i0. **) Reiuhold Äuchholz' Neise in Westafrika. Herausgesscben von Hcinerö-dorff. Leipzig, Vrockhans, I88U. !Hin uortrefflicheS, nicht genug zn empfehlen^ des Werk. Bilder ans der Kolonie am Kamerun. 335 Zeit an den Fluß gekommen und durch die später nachrückenden jetzigen Kamerunneger den Flnß hinauf, tiefer in das Innere gedrängt, wo sie nun die Landschaft Wnri inne haben. Andere Zweige, die Iabjang und Abo, von den Bergen sich nach Osten ausdehnend, setzten sich an dem Nebenflüsse oder zweiten Quellflusse des Kamerun, dem Abo, fest. Alle diese, den Flnß umwohnenden Stämme haben einen schönen, kräftigen Körperbau und unterscheiden sich hierdnrch vorteilhaft von ihren Stammeltern, den Bakwiri, welche hager nnd schwächlich, ich möchte sagen, oft wahre Jammergestalten sind. Ihre Oesichtsznge dagegen sind häßlich, was besonders beim weiblichen Geschlecht auffällt. Auch hinsichtlich der geistigen Fähigkeiten stehen sie weit hinter anderen Stämmen, die ich kennen lernte, Zurück. Es ist ein stumpfes, der Bildung wenig zugängliches Volk; daher anch die dort stationierten englischen Missionare geringe Fortschritte machen. Die Hautfarbe der Dnalla ist hell, wie die der Bnbi auf Fernando Po. Das Tättowieren der Haut ist wenig verbreitet, und man bemerkt nicht dergleichen Zeichnungen im Gesicht, wie sie bei vielen Stämmen als charakteristische Erkennnngsmcrkmale im Gebranch sind. So zeichnen sich die G» durch drei, über die Schläfe zum Auge laufende und ebensolche über die Backen znm Mundwinkel gerichtete Schnitte ans, während inan bei den Frauen derselben meistens einen Kreuzschnitt auf dem Backenknochen bemerkt; die Kruneger charakterisieren sich durch einen breiten, über Stirn nnd Nase lanfcnden Strich; die Bubi entstellen das Gesicht förmlich durch zahlreiche Schnitte anf Stirn und Backen. Bei den Kamerunnegern aber fand ich nur bisweilen Zeichnungen anf der Brust, welche oft eine bestimmte Bedeutung haben. Farbige Tättowiernngen, die auch bei vielen Negern Wcstafrikas in Gebrauch sind, z. B. bei den Bnbi, die häusig das ganze Gesicht gelb oder rot bemalen, kommen am Kamerun gar nicht vor. Staatliche Einrichtungen fehlen bei den Dnalla, wie in vielen Gegenden Westafrikas, fast vollständig. Die einzelnen Orte haben ihre Häuptlinge, welche dnrchans unabhängig einander gegenüberstehen, deren Macht im eigenen Gebiete aber anch mir beschränkt ist, da ihnen in der Ncgel ein Rat der Altesten zur Seite steht. Ausnahmsweise kommt es vor, daß einige Orte, gewöhnlich durch Verwandtschaftsbande verknüpft, zusammenhalten und in ein abhängiges Verhältnis zu einander treten, oder daß ein Häuptliug durch 336 Delitsch.Äquatonal'Afrila. hervorragendes Alter, Reichtum oder Bedeutung semes Fleckens einen Einfluß auf die umliegenden Ortschaften gewinnt. Beständiger Hader und Streit ist natürlich die Folge einer solchen Zerrüttung, so daß anch die Städte demselben Stammes in dauernder Fehde mit einander liegen; da der Tod eines freien Mannes auch im Kriege eine Blutrache fordert, solche aber wieder einc neue vou Seiten der Gegenpartei nach sich zieht, so können die Kämpfe niemals beigelegt werden. Auch bei meiner Ankunft am Kamernn traf ich einen Krieg zwischen den beiden bedeutendsten Häuptlingen jener Gegenden, Bell und Aqua, au dem fast alle Orte des Kamerundeltas teilnahmen. Derselbe hat mir manche interessante Episode aus der Gesechtsweise der Kameruner geboten, wovon ich einiges hervorheben möchte, da es dazu beiträgt, diese Neger zu charakterisieren. Die große Einfuhr von Schußwaffen aller Art durch die Europäer hat die einheimischen Waffenarteu, Lanzen, Speere nnd Pfeile, vollständig verdrängt. Meistens sind Fcuerschloßgcwehrc im Gebrauch, natürlich ganz elende Schießprügel, die, kaum begreiflich, die ungeheure Pulvcrladung aushaltcu, welche die Neger hineinstecken; neben diesen aber auch Büchsen, sogar auch Hiuterlader. Trotz solcher Bewaffnung bleiben die Kämpfe doch fehr gefahrlos, da die Neger mit deu Gewehreu nicht umgehen lernen. Das Aufblitzen des Pnl-vero in der Pfanne fürchtend, wendet der Schütze beim Losdrücken den Kopf weg; an ciu Treffen ist da natürlich nicht zu denken. So werden denn in den Gefechten nur weuigc Leute verwundet, uud zwar in der Ncgel nicht solche, welche in der Schlachtreihe stehen, fondern Unbeteiligte, die eine fehlgegangene Kugel znfällig erreicht. Die religiösen Anschauungen der Duallastämme sind sehr einfach, auch tritt das Fctischpriestcrtnm nicht in solchem Grade hervor, wie an der Goldküstc. Der große Haufe hat und macht sich gar keiuc Vorstellung über dic Wirkung der Natnrkräfte, die Religion ist Privilegium der Vornehmen. Unter den wenigen Gottheiten, über welche sie anch nur ganz nnklare Begriffe haben, ist der höchste der Elmig. Ihm zu Ehren werden in moudhelleu Nächten Feste gefeiert, um durch Saug nnd Klang den Herrn bei gnter Laune zn erhalten, der mit Geheul durch die Wälder nnd nm die Ortschaften Ziehen soll. Auch Umzüge werden des Nachts nnter großem Lärmeu und Schießen veranstaltet, wobei die Gottheit in Gestalt eines Götzen Bilder aus der Kolonie c»n Kamerun. IZ7 herumgetragen wird. Nur Freie nehmen an diesen Ziigen teil. Den Weibern, Kindern und Sklaven ist es bei Todesstrafe verboten, denselben zuzuschauen und den Götzen zu sehen. Sie werden während der Zeit in die Häuser eingesperrt. Auch dem Europäer verheimlicht man diese Umzüge. Während meines Aufenthaltes in Acqua-town, einem bedentenden Orte, fanden oft derartige Feste statt, aber dennoch hatte ich keine Gelegenheit, denselben beizuwohnen. Man bewachte mich in meiner Hütte uud mein Wirt bat mich dringend, mich nicht der Gefahr auszusetzen, da der aufgeregte Haufen mich sofort niedermachen würde. Ein anderer Gott ist der Mungi, der böse Gott: wem, auftretende Seuchen viele Menschen wegraffen, glaubt man, der Muugi hole sie, um eine Mahlzeit zu halten. Ferner der Donnergott, welcher auf dem Kamcruupik seinen Sitz hat und nachdem letzterer auch „munxo ma lodali", Berg des Donnerers, benannt ist. Über die Lebcnserschcinuugeu haben Einige ganz gesunde Ansichten, die freilich auf Unwissenheit bernhen. Anf meine Frage, Was sie glaubten, daß nach dem Tode mit ihnen geschähe, wurde mir in dem famosen Regcrenglisch geantwortet: sn^w^ m-in tt. L., weiter cmer Wocrmaimschcn Faltorci. D. Kolon.-Ztg., 1886. S. 721. Bilder cms der Kolonie ain Kmncrim. '^45 seiner eigenen Sklaven sehr ärgerlich war: „Wenn dn meinen Sklaven iin Buschwald zufällig triffst, so schieße ihn nieder." Inba traf den Sklaven nnd führte den ihm gewordenen Auftrag aus. Ader nicht genug damit, er zerschnitt den Krieger in kleine Stücke nnd warf sie im Walde mnhcr. Nach einiger Zeit vernahm der König der Könige, Ognla Wanje, gleichzeitig aber oberster Gerichtsherr über alle am Flusse wohnenden Kolter, den Vorfall und schiffte sich mit allen seinen Familienangehörigen und Sklaven ein, um sich nahe bei meiner Faktorei eine Art Feldlager einzurichten; da in ganz Wcstafrika die Blutrache herrscht, so hatte Inba selbstverständlich das Leben verwirkt. König Ogula Wanje berief die Einwohner sämtlicher umliegenden Dörfer zum Palaver und ließ anch den rnhig im Dorfe verweilenden Iuba rufen. Nach der Sitte der Bakellc hat ein Mörder ungefähr eiueu Monat Zeit, sich freiwillig zn stellen, überschreitet er dann diesen Zcitranm, so wird ganz kurzer Prozeß gemacht, er wird festgenommen uud verurteilt. Jeden Tag läßt nun Ognlll Wanje den König Iuba rnfcn, letzterer vertröstet des Königs Abgesandte mit: m^ue mia di«, (morgen komme ich). Ende August, eines Nachmittags, kommt er auch mit seiuer Familie, ruhig seine aus einem Bambnsstielc bestehende Pfeife ranchend. Es wird von sämtlichen Negern ein loser Kreis gebildet, wobei viele am Boden liegen oder sitzen. Iuba wird hineingeführt und die Verhandlung beginnt; es wird viel gesprochen und noch mehr getrunken. Sechs Uhr abends, bei Dunkelheit, bcgicbt man sich, ohne Bewachung des Delinquenten, nach Einnahme der Abendmahlzeit znr Nnhe, nm am frühen Morgen mit Sonnenaufgang die Verhandlung wieder aufzunehmen. Da, am dritten Tage des Palavers, sitzen wieder König Ogula Wanje und drei minder mächtige Könige, mit hellroten Zipfelmützen auf den: Kopfe, in der Mitte des ans etwa -Mi Personen beiderlei Geschlechts bestehenden Kreifes. Der Oberste geht mit ausgestreckten Armen auf Iuba zu und spricht: ,Au« or.wi biu lulin" (Dn König mußt sterben). Iubas Frage, ob er nicht noch etwas essen könne, wird durch seine Niederwerfung rückwärts in den weißen Flußsand beantwortet. (Hin etwa 25 om dicker und 4 m langer Prügel wird ihm über den Hals gelegt, und anf beiden Seiten treten des Königs Sklaven so lange auf das Stämmchcn, bis der Tod durch Erstickung eingetreten ist. Sodann wird mit einer Axt der Kopf abgehauen, derselbe auf ciuen zngefpitzten Pfahl gesteckt, samt Kleid und dcm verhängnisvollen Messer. Die Stelle, wo der Pfahl als 346 Deutsch.ÄquatoriaI«Aftila. warnendes Beispiel für dic Zukunft aufgepflanzt wurde, ist am Zusammenfluß der Flüsse Comi und Ofuwn. An der gleichen Stelle war auch unsere, Handelsniederlassung erbaut, und uoch bei meinem Weggänge im vorigen Jahre war der Kopf an Ort und Stelle. Den kopflosen Körper nahmen die Angehörigen weg und bestatteten ihn beim Heimatdorfe. Bei Iuba war der Fall klar, daß er der Schuldige gewesen, aber meistenteils bekennt sich ein Neger nicht zur That, und man schreitet dann zn Fetisch- oder Zaubcrmitteln oder auch zum Sachewood-Trank. Dieser Art von Zauberei hatte ich oft Gelegenheit beizuwohnen. Der König mit seinen Söhnen, deu Freuuden und Anverwandten der Angeklagten war stets zur Stelle, etwas weiter innen in dem geformten Kreise saßen auf der Erde in gleichen Abständen von einander drei Sklaven, welche unter Gesang fortwährend mit einem Bündel Neisig auf die Erde schlngcn. Tie eines Mordes Angeschuldigten stehen in der Mitte, ein jeder einen langen Stab in den Händen, nm nach dem Genusse des Hcxentrankes nnter Umständen eine Stütze zu finden, jeder der Delinquenten mit einem Becher ill der Hand, welcher gefüllt ist mit einer dickrotcn Flüssigkeit, dem sogenannten Sachewood-Extrakt. Sachcwuod ist eine im Urwalde wachsende Holzart. Die Angeklagten trinken den Becher Iccr, und es gilt derjenige als der wirtliche Schuldige, der auf den Genuß des Getränkes unwohl resp. krank niederfällt. Da mm das Getränk für jeden gleichmäßig bereitet erscheinen sollte, so müßten auch die Folgen die gleichen für jeden sein. Aber gerade in dieser Weise ist die Verschmitztheit der Könige eine sehr große. Der als oberster Richter fungierende König läßt sämtliche Vertrauten, Anverwandten :e. der vermutlichen Attentäter insgeheim zn sich rufen und erfährt nach mancherlei Fragen doch den richtigen Missethäter. Diesem wurde nnn in einem knrz vor meiner Abreise erlebten Falle ein scharfes Pflanzengift in das Getränk gegofsen, so daß seine Schuld vor aller Augen klar war. Entsetzlich ist es anznfchcn, wie sich die Wirkung des GifteS in kurzer Zeit bemerkbar macht, Znerst den Kopf fest auf deu obersten Teil des Stockes gestützt, sinkt der Körper allmählich unter konvulsivischen Bewegungen am Stocke nieder. Es ist nnn höchste Zeit, dem Schuldigen Gegenmittel zn geben, die den Eingeborenen vermöge ihrer großen Kenntnis der Natnr anch reichlich und mit Erfolg znr Verfügung stehen. Der weitere Verlauf der Verhandlung ist wie der früher erzählte beim König Iuba. Bilder aus der Kolonie am Kamerun. 34? Aber mich von manchen gnten Eigenschaften der Neger in jenem Teile Westafrikas kann ich berichten. Der Europäer, t'urzweg ^m-^lmi" genannt, ist bei ihnen im allgemeinen geehrt und geachtet, so lange er nicht durch Täuschungen oder durch Rohheit das Vertrauen der Wilden verscherzt. Kommt eiu Weißer in cm Negerdorf, so ist er Gast des Königs und genießt feinen Schutz. Es wird ihm dessen Haus oder ein daran stoßendcZ zur Verfügung gestellt, ein Bett, Feuerholz, Promant fowuhl für sich als dic stets mit dein Europäer kommenden Ruderer und Bedienung. Eine Uusitic ist's allerdings, daß der König, wcuu er auch für sich selbst nur etwaS Rum, einige Pfeifen nebst Tabak fordert, dic gewöhnlich große Schar seiner Ehegemahlinnen schickt, und zwar jede mit einem anderen Wunsche. „Xsl'Ii« iiauFl! win. ^in^u, t,«c1,kvvc), anamb^, l'Mlc,, c>86^v6, 86dmä6." (K. gieb mit Rum, Seife, Kleider, Teller, Löffel, Töpfe.) Am besten ist's, man giebt ihnen ein Paar Pfeifen, etwas Tabak uud eiuige Flafcheu Rum uud macht sich mit seinen Kaiwes anf und davon. Lang wird vom Ufer uoch uachgeschriecu, aber das schnell uuter dem Gesänge feiner Ruderer die Wogcu durchschneidende Kanoc läßt bald das Dorf hinter sich. Der Neger ist der Meinung, daß der Weiße nordwestlich von ihm wohne. Der (Kugländer heißt bei ihnen „6U365i", der Franzose ,,t'n^", 5,^ Portugiese „«Mk", der Deutsche „oompim". Als Sprachprobe will ich den Anfaug eines der Lieder geben, welches ich von meinen uugcfähr . ^ Centigrade keine Seltenheit, in Loando unter 5 Gr. südlicher Breite ist innerhalb dreier Jahre, auö denen exakte Aufzeichnungen vorliegen, kein höherer Thermometerstand beobachtet worden, als l!5 Centigrade oder 2^ Gr. R,, was auch zu Hause in Deutschland fast jeden Sommer an einem oder zwei Tagen vorkommt. Nicht viel anders dürfte auch in Kamerun die Tcmveraturbcwegung sich herausstellen, und wahrscheinlich ist es hier weniger heiß als an der Kongomüudung. Dazn kommt noch als lokaler Vorzug der eigentlichen Kamerunortschaft die täglich in den Pormittagsstnnden mit großer Pünktlichkeit auftretende Seebrise, ans Südweft, die so wild und ungestüm zu Fenstern und Thüren hereinweht, daß die Gardinen sich gleich Flaggen anfbänmcn und alle nicht mit der peinlichsten Sorgfalt beschwerten Papiere anf- nnd davonfliegen. In der ersten Nachthälste schläft die Seebrise ein und wird dann von einem viel schwächeren, oft kaum bemerkbaren Landwinde aus Nord abgelöst, der bis etwa ü Uhr morgens anhält. Ab nnd zu, namentlich des Morgens nach regnerischen Nächten, kann man sogar ordentlich frieren. Tas Regcnwasser hat gewöhnlich 2^; Centigrad und wirkt dann, getrunken, als köstliche Erfrischung. Allerdings lernt man anch hier die Sonne hassen, wenn sie einmal ordentlich durchbricht, und bald wird man eine gleichförmige graue Bewölkung des Himmels, wie sie zum Glück bisher Regel war, als das angenehmste Wetter schätzen. Noch viel weniger als hier in dem eigentlichen Kamerun hat man in den herrlichen Naldrcgionen der Nachbarschaft, welche uns nicht bloß im Norden, gegen den Berg zn, sondern ziemlich allseitig 352 Deutfch.Hquatorial'Afrila. zu umgeben scheinen, von Hitze zn leiden. Dort kann man im tiefen Schatten riesiger Bäume zu jeglicher Tagesstunde spazieren gehen, ohne selbst von der brennendsten Sonne Unangenehmes zu empfinden. Man kann Kamernn als einen klimatischen Knrort ersten Ranges betrachten. Allerdings fehlt es nntcr den Enrupäcrn nicht an Fiederanfällen, dieser allgemeinen tropischen Plage, ja es kommen zuweilen sogar perniciöse, mit Tod endende Fälle vor. Im großen Ganzen aber scheint sich das Miasma nicht öfter nnd nicht heftiger geltend zu machen, als an hnndcrt anderen tropischen Küstenstrichen der Erde, obgleich die hygienischen Verhältnisse, nnter denen man hier zu leben gezwungen ist, viel zu wünschen übrig lassen. Um übrigens auf den tröstlichen Begriff „Knrort" zurückzukommen, so liegt offenbar eine Verwechslung vor mit dem seit vielen Jahren geplanten nnd vielfach erwähnten Sanatorium, das die englischen Missionare von Victoria oben auf dem Kamernnberge, in einer mittleren Höhe errichten sollten oder, wenn man null, errichtet haben. Es existiert nämlich uuter diesem Namen dort oben bei Mans Spring eine kleine Holzhütte, die gegenwärtig von zwei ent-sagnngsfrohen schwedischen Natnrforschcrn bewohnt nnd erhalten wird, was indes nicht verhindert, daß die beiden Herren auch oft genng am Fieber leiden. Gewiß lassen sich an den schönen Kamernnberg, dessen Spitze erst neulich, am 1ä. September, in weitem Umfange mit Schnee bedeckt war, so daß wir durch das Fernrohr einen Anblick aus den Hochalpcn genießen konnten, die schönstcu Hoffnungen sanitärer Art knüpfen (s. oben S. 315). Aber bis auf jeucu unwirtlichen Hängen wirklich ein richtiges Sanatorium, d. h. doch mindestens ein komfortables Hotel, zu stände kommt, darüber möchte noch manches Jahr vergehen, und anßerdcm ist zn bedenken, daß das Fieber, wenn es sich einmal festgesetzt hat, auch im besten Sanatorium nicht sofort weicht, daß sogar daS Sanatorium selber ein Fieberhcrd werden kann, falls es dem höhnischen Bacillus wieder einmal behagt, menschlicher Voraussicht zn spotten, nnd daß man sicbersieche Europäer uicht ohue weiteres einem schroffen Klimawechsel aussetzen darf. Viel mehr in dieser Beziehung scheinen mir die sauftercu Hügel von Bimbia, da wo sie der Seebrise ansgesetzt sind, zn versprechen. Wir befinden uns gegenwärtig, I.'i. Oktober, am Ende der Regenzeit nnd im Beginn der Gewitter nnd sogenannten Tornados. Bilder aus dcr Kolonie am Kamcum. Z53 Die Regen während der eigentlichen Regenmouate Juli, August treten näinlich immer ohne Donner uud Vlitz auf, ganz im Gegensatz zum Süden. Nur in deu ÜbergangSnionaten Mai, Juni, September, Oktober kommt der Regen zuweilen mit Gewitter, und im März, April, November, Dezember steigern sich diese ab und zn bis zu den sogenannten Tornados, worunter Gewitter mit Sturmböen, aus der Osthälfte des Horizontes zu verstehen siud. Die gewöhnlichen Regen kommen dagegen ans Südwest. Die reine Trockenheit mit dichten Nebeln ist Iannar uud Februar, entspricht also auch hier dem Winter der Hemisphäre. Die jährlich niederfallenden Regenmengen scheinen reichlich zu sein. So fielen im Angnst 575,0 Millimeter, davon am ^7. nicht weniger als 12^,5 Millimeter. (Alldem. Zeitmia Uum Jan. 1884.) 9. Die wirklichen Gefahren. Es darf nicht verschwiegen werden, daß von anderer Seite Klima uud Gesuudheitsvcrhältuisse Kameruus nicht so günstig dargestellt werden. Die Waruuugen Woermanns vor Auswaudcrung nach Kameruu bcruheu auf der, anch von den meisten Forschern geteilten Überzeugung, daß hier Ackerbaukulonieen für deutsche Auswanderer ganz unmöglich feien uud man sich auf Plantagenwirtschaft und Faktoreien beschränken müsse. „In der Vodcnbeschaffenheit", sagt Dr. Reichen an"), „wie in dcu Witterungsvcrhältnissen sind die hier denkbar günstigsten Vorbedingungen für eine wenig Mühe erfordernde und die reichsten Erträge versprechende Landwirtschaft gegeben, aber der Europäer kanu hier keiue Bodenarbeit vornehmen, sich nicht körperlichen Anstrengungen unterziehen; Malariafieber, Dysenterie uud Lebcrkrankhciteu raffeu ihn weg. Wenn sich nun auch in neuerer Zeit durch richtigere Behandlung des Fiebers, mancherlei Erfahrnngcn hinsichtlich der Lebensweise und eine gesündere, dem Europäer zusagendere Ernährung, wie sie die Konserven gestatten, diese Verhältnisse etwas günstiger gestaltet haben, so ist doch immer die Sterblichkeit unter den in Kamerun weilenden Kanf-leuten eine erschreckende." — Letzteres jedenfalls nnter denjenigen, welche länger als 2 Jahre dort verweilen. Die große Sterblichkeit der Engländer (mehr als 40 Proz.) kann hier nicht absolut maßgebend sein, da sie, wie in Indien uud überall, ihre Lebeusgcwohnheiten *) Die deutsche Kolonie Kamenin, Nach eigener Anschauung geschildert. Berlin, 1884. Vanmgarten, Afrika. 23 354 Deutsch«ÄquatoriaI°Afrila. nicht ändern und unter dem Äquator cssen — und trinken, wie es höchstens unter den kalten Nebeln Englands eine Zeitlang ungestraft geschehen fann. Doch ist, hiervon abgesehen, das Klima noch gefährlich gcnng, um die (Engländer zu veranlassen, die Mannschaften ihrer in der Vennebncht stationierten Schiffe jährlich ablösen zu lassen. (S. Vastiail, Geogr, u, ethnogr. Bilder. S. 142. — Europäische Kolonicen in Afrika. S. 2tt u. -i2.) — Man hat feit 18^3 mehrmals Fahrten mit Dampfschiffen auf den: Niger unternommen, anfangs mit großen Verlusten (1842 von 300 Mann 295), fpäter, seit derExpedition der Plejade 1854 hat man mit Erfolg Vorsichtsmaßregeln angewandt; nicht zu langes Verweilen an demselben Platze, Vermeidung der miasmatischen Anödüustungcu durch Auffuchuug von gesündereu Standpunkten, prophylaktischer Gebrauch von Arzneimitteln, strenge Beobachtung aller sonstigen hygienischen Vorsichtsmaßregeln. Da auf Kriegsschiffe!! und bei wisseiischaftlichcu Erpcdi-tioueu die Mannschaften strenge hierzu angehalten werden können, so erleiden diese auch viel weniger Verluste, als die Palmölschiffe. V. FmmM P. Der Clarence Pik, dem >lamcimi ge^cnilbcr, — Tie spanische Stadt St. Isabel. — Tropische Scenerieen. — Dic Aevollermig. Über den Waldgürtel, der den Fnß der Insel umschließt, hin-wegschweifcnd, traf der Vlick, höher an den Bcrgstrahlen, die alle dem Clarence-Pik zulanfcu, eiucn so großartigen Palmenreichtnm, wie ich ihn später nie wieder iu solcher Fülle gesehen habe. Wipfel neben Wipfel, ein Fiederblatt ucbcn dem andern; von fern fah ich Tausende und Abertausende prächtig grüner Wcdelsterne, die sich förmlich durchciuanderschobcn und unr selten von alten, weißrindigcn Baumricsen überragt wurdeu. Die dichten Olpalmenwälder, die die Insel zn einein der reichsten Plätze Westafritas machen, umgürten den Riesenleib des Piks im ersten Drittel seiner Höhe, die dann weiter hinauf bis zum Gipfel mit dichter Laubwaldvcgetatiou bedeckt ist. Bis '!:M> m hoch bildet er mit dem auf dem Festlaudc gegenüber lagernden, noch gegenwärtig thätigen Kamcrnnvnlkan von 4620 m Höhe ein mächtiges Thor, das an die Säulen des Herknies erinnert. Fernando Po. Z55 Um 9' 2 Uhr dampften wir auf der Nhede von St. Isabel (Clarence-(5ovc) zu; schon von weitem sah ich die Hänser der Stadt als weiße Pünktchen ans dem dnnkcln Grün von Palmen und Wullbänmcn (5>ioa<',ull'<)n, ^M<-ont,wnti-<'>. .!nw^) hatten Wnrzeln geschlagen, Zweige mit Blättern nnd Blüten getrieben und bildeten nnn stellenweise hübsche, schattcnspendende Alleeen. Nur in ihren ersten Anfängen von der i)la<>^ ä'll8Mü:>. ans gerade lanfend, verzweigen sich die Straßen bald nach dem Gefallen der Neger, die die kleinen, aus Baumstämmen nnd größeren ((5annaceen- und Zingibcraccen) Blättern gebantcn Häuschen im Norwalde zcrstrent bewohnen. Neben den schon erwähnten Kokospalmen, Bananen- nnd Brotfruchtbäumen, spenden auch mächtige Wollbäume, Mango-, Orangen-, Gnaven-, Limonenbänme, Ol- und Fächcrpalmen den niedrigeren Maniok-, Maiö- und Batatcnfeldern, die neben den Negerhüttchen in kleinen Lichtungen angelegt sind, Schatten. Überall verwildert und gehegt stehen mächtige Änanaöbüsche umher; die stachliche Opnntia, die von Hause aus uur zn Einzäumnngen angepflanzt wnrde, hat sich überall festgesetzt nnd hindert den nach einem flüchtigen Schmetterling Jagenden in oft für Kleider nnd Hant sehr empfindlicher Weise; über-hanpt sind der Dornen, Stacheln gar viele, und oft, wenn ich die Hand nach einer sammctbranncn, glänzenden Bohnenfrncht ausstreckte, zog ich sie, mit Hunderten glasharter, feiner Brennhärcheu besetzt nnd glühend wieder zurück. Die Stadt, die mit der Insel zugleich als Deportationsort dient, zeugt im ganzen von früherem Feuereifer bei ihrer Anlage und von jetziger großer Vernachläfsignng, wie ich sie auch in allen Besitzungen Portngals an der Westküste Afrikas fand. Die stattlichen Gebände der Spanier werden nicht erhalten, sondern mangelhaft ausgeflickt, und im Walde, schon voll schönen Bäumen überwuchert, fand ich die Fundamentinauern von Lazarcthen, Kasernen, sowie in den weichen Boden tief eingesunkene Kanonenrohre. Die Cacao- nnd Kasfecpflanzungcn der Regierung, die ich im Laufe der 358 Deutsch'Äquatorial'Afnla. nächsten Tage flüchtig besnchte, waren halb verwildert, das Unkrant stand üppiger, als die mühevoll angepflanzten Frnchtbäuinc: nnd die Ananas, die zur Abteilung zwischen die Banmreihen gepflanzt waren, hatten sich des größten Teils des Bodens bemächtigt; nnr die hohen Mangopflanmenbänme (^nxitoi-H inäioa), die Zlprikofe der Tropen, welche größere Feldabteilnngen umrahmten, ließen sich vorlänfig noch nicht dnrch das kleinere Pftanzcngclichter da unten stören nnd zeigten prachtvolle, kugelförmige Kronen, deren Blätter die Länge des Oleandcrblattes mit der Breite und Farbe des edlen Lorbcrblattes verbinden. Noch hingen hier nnd da an den Stielen, die an die unserer herbstlichen, becrenlosen Weintranben erinnern, Überreste verfaulter oder überreifer, braungoldiger Früchte. Die Bewohner der Stadt: Spanier, Engländer nnd Neger, unterscheiden sich in vieler Hinsicht von einander. Obenan steht natürlich der spekulative, fleißige nnd nüchterne Sohn Albions, der anf der Insel die besten Geschäfte, hauptsächlich in Palmöl, macht. Ihm fühle ich mich versucht, den Neger anzureihen, d, h. den Neger in der Stadt, der an Mäßigkeit, Ansdaner nnd Fleiß über dem gewöhnlichen Spanier der Insel steht. Die Stadtnegcr sind Kolonisten ans Sierra Leoua und Kruneger, die, verhältnismäßig wohlhabend nnd bcdürfuislos, sich als Pflanzer, Handwerker, Wäscher, Fischer und dergl. ernähren. Viele von ihnen, die in den Missionen die Künste des Schreibens und Lesens erlernten, sind Handlnngs-diener oder Anfseher bei den spanischen nnd englischen Kanflentcn und Plantagenbesihern, erlernten die Sprache der Waldbewohner von Fernando Po und vermitteln den Geschäftsverkehr zwischen diesen nnd ihren Herren. Die Spanier sielen nur dnrch ihre krankhaft grangelbe Gesichtsfarbe, die matten, ausdruckslosen Züge und die schlaffe, kraftlose Haltnug des Körpers anf. Zusammengesunken huscht solch ciu erbärmliches Menschcngestell, wenn es sich überhanpt einmal anf die sonnige Straße wagt, in: Schutze eines Sonnenschirms dahiu und wirft sich dann, im kühlerm Hause augekommen, erschöpft und fast aufgelöst dnrch diese außerordentliche Anstrengung, auf das vielbcmchte Lager. Die Hanptbcschäftignng dieser verkommenen, unwürdigen Söhne einer kraftvollen Nation, die einst eine neue Welt vor sich zittern machte, in Fernando Po ist Schlafen, Essen, Trinken nnd Kartenspiel, oder die Nächte hiudurch das Billard, das auch dorthin seinen Weg in früheren, besseren Zeiten ge-fnnden hat. — Achtnngswerter, weil ernst nnd redlich an der Fernando Po, Is><) Erfüllung ihrer großen Aufgabe arbeitend, sind die spanischen Missionare von dcr Gesellschaft Jesu, die mehr im Innern der Insel, hauptsächlich in Bauebari und an anderen kleineren Orten, ihr mühevolles, opferreiches und an Erfolgen armes Leben uuverdrossen verbringen. Ihre Bemühnngcn, die Adiyas — nach Bastians „Dorfbewohner" — Zur Annahme des Christentums und enroftäischer Oe-sittnng zn bewegen, sind mit verhältnismäßig geringen, kaum in einigen nichtssagenden Äußerlichkeiten bestehenden Erfolgen beluhnt. Die Adiyas, bekannter unter dem Namen „Vnbis", der ihnen von den Europäern gegeben ist, weil sie jeden mit „Bnbi", d. h. Freund, anreden, kamen erst nach der Entdeckung deS damals, wie alle atlantischen Inseln, uubewohnten Eilands durch den Portugiesen Ferniw do Po, aus dem Kabunlande vun den aus dem Innern herandrängenden M-pongwes verjagt, auf die Insel hinüber. Sie find nnr in den Wäldern ansässig, und in St. Isabel wohnen keine Adiyas, denn trotz einer ungewöhnlichen Sanftmnt in ihrem Eha-raltcr fühlen sie sich von den Europäern nnd deren Lebensgewohnheiten nicht angezogen. Frei nnd höchstens nnr von Misstonaren aufgesucht, leben sie in kleinen Dörfern, die sich dem an den Ufern der Insel entlang Fahrenden dnrch zahlreiche Ranchsänlen verraten, mitten im Walde uud kommen nnr in die Faktoreien der Weißen und die Stadt, nm die Erzeugnisse ihres Landes — dieselben wie die ganz Westafrikas — zum Anstansch gegen cnropäische Waren anzubieten. Zenge werden von ihnen, im Gegensatz zn allen anderen Negern jener Länder, fast gar nicht verlaugt, denn sie gehen, mit Ausnahme eines schmalen Schamtnchcs, das häufig aber auch uicht einmal vorhanden ist, nackt. Ihr einziges Kleidungsstück, das nie fehlt, ist ein breitrandiger, oder besser, nur aus einer mächtigen Krampe bestehender Hut, aus den zersvaltenen Blättern der Fächerpalme geflochten; derselbe wird aus dem dichten Haar dnrch lange, dünne Stäbchen oder Knochen, die wie kleine Spieße aus dem Flechtwert hcrvorsehen, festgehalten. Das Haar, meist künstlich zu großen Tonftets aufgedonnert, wird gewöhnlich mit gelber Erde, wohl Ocker, eingerieben, und zwar so, daß die einzelnen Haarstränge mit der fenchten Erde zn kleinen Kugeln geballt sind. Nm den Hals und die Handgelenke tragen sie aneinandergereihte Knochen oder Steine, anch wohl Fellstreifen oder reiche Schnüre europäischer Stickperlen. Ihre Bewaffnung besteht häufig in einem Feuersteingewehr, sonst in einer Lanze, seltener einer ZßO Deutsch.Äquatorial'Afnka. Keule. Am linken Oberarm trägt jeder Mann an einer Schlinge ein großes Messer in einer Holz- oder Hantscheide; die Francn tragen an derselben Stelle eine Tabakspfeife. Die Adiyas sind ein großer, stark nnd kräftig gcbanter Voltsstamm von ticf-dnnkclbrauner Farbe, leider aber, besonders bei Frauen, häßlichen Gesichtszügen. Ihr Wesen ist sanftmütig nnd ruhig, und im wohlthuendstcn Gegensatz Zu dem Schreien und Lärmen aller anderen I^egcr Hort man von ihnen, selbst beim Handel mit dcn Europäern, kaum einen heftigen Wortwechsel. Hermann Soyaux. *) Am Amu. Neiscbildcr Umi Kcrhard Nohlfs. Wir verließen nachts um W Uhr die Stadt Udüni, wo der Fetischdienst von den Negern am ausgeprägtesten betrieben wird. An demselben Tage noch, als ich nachmittags Abschiedsandieuz beim Sultan hatte, kountc ich mich davon überzeugen, welche eigentümlichen Opfer diese Stämme ihren Götzen darbringen. War es ein wirkliches Fest, oder war es, um den Zorn der aus Thon geformten Götter zu versöhnen, weil ein Weißer mehrere Tage in den Maueru der Stadt geweilt hatte, das konnte ich nicht erfahrcu. Die Götter sind meist ans Erde, oft auch ans Holz geformt, und bewohnen eigene kleine Hütten. In den Gegenden am Nenne sind es hauptsächlich Dodo nnd Mnssa, denen man allgemeine Verehrung nnd Anbetung zollt. Es giebt nämlich Götter, die allgemein sind, und Prwatfctische; jeder hat z. B. seinen cigeucu Hausgötzen, außerdem hat man Stadtgötter, Thorgötter, Feld- und Gartcngöttcr, Flußgötter:c. Als ich abends mit meinen Lenten die schmale Brücke überschritt, die uns aus dieser Hexenstadt mit ihren Blntopfern wieder ") Dieser bedeutende Botaniker, Teilnehmer au deu afrikanischen Erpcdi» tioneu van Homeyer und Pogsse, dann Direktor der Wucrmcmuschcu, uon ihm selbst angelegten .«assccplaiitageii am Gaboon schrieb mcher zahlreichen Aufsähen in Zeitschriften das für das Studium Afrikas unentbehrliche Werk: Aus West. afrika, 1879. ^ Vde. Or hat handgreiflich die hohe nationale Bedeutung des botanischen Studiums bewiesen. N. Am Vcnuc. Zgi ins Freie brachte, dauerte es lange Zeit, trotz dcr herrlichen Nacht, trotz der lieblichen Gegenden, bis mir die Opfer, die ich nachmittags im Hause des Snltans mit angesehen hatte, wieder ans dem Sinne kamen. Immer schwebten mir im Geiste die Bilder vor, wie unter Pauken- und Trommelschlag nackte Sklaven Schafe, Hühner nnd Tanben abstachen, die irdenen Bilder mit Blnt beschmierten nnd dann Federn daran klebten. Aber endlich riefen die Stille dcr Natur und die üppige Pflanzenwelt andere Gedanken hervor. Man sah, daß die Nähe des Bcnne hier schmi einen mächtigen Einflnß auf die Entwickelung dcr Vegetation ansiibte. Schweigend durchzogen wir die Ebene'; denn nachts vermeidet man gern jedes Geräusch. Waren wir doch überdies in einer Gegend, wo fortwährend Krieg und Überfälle an dcr Tagesordnung sind, auf dcr äußersten Grenze der Macht dcr Fellata oder Pullo (Fulbe) nach Süden zu. Voran gingen zwei riesige Neger aus Xsln-Hdä-os-ALux«.; jeder trug auf seinem Kopfe einen .; Ellen langen, an 80 Pfund schweren Elefantenzahn, Ich hatte das Elfenbein gegen meine Pferde ausgetauscht, Dauu kam einer mit mehreren kleinen Zähnen, dann drei Sklaven, die unser Gepäck trugen, und den Schluß machten wir selbst. Die Stille der Naiur wurde fast durch nichts unterbrochen, nur zuweilen hurte man von fern das Krachen dcr Zweige im Gebüsch, durch welches ein unförmliches Flnßpfcrd weidend sich den Weg brach, oder aufgescheuchte Vögel, welche ciue andere Schlafstelle suchten, flogcu kreischend davon. Mehrere Male wurde Rast gemacht, denn die Elfcnbcinträger, obwohl es schien, als ob sie nichts zu tragen hätten, weil sic so rüstigen Schrittes vorwärts eilten, hatten doch von Zeit zu Zeit eine Erholuug nötig. Nach ciucm vierstündigen raschen Dahiueilen gelangten wir Plötzlich in eiueu dichten, hohen Wald; nur tastend konnten wir vorwärts kommen, denn die Kronen dcr Bäume bildeten ein so dichtes Dach, daß kein Steru durchfunfelte. Indes war der Pfad ziemlich breit, aber vielc im Wege liegende Baumstämme nnd große Wurzeln machten das Neitermarschicren sehr beschwerlich. Dann wehte uns plötzlich eine kühlere Luft au, der Weg wurde frei uud vor uns lag eine weite Ebene. Unsere Träger hielten an und legten, sich gegenseitig helfend, das Elfenbein anf den Boden; ein GIciches thaten die Gepäckträger. Schon glaubten loir, es handle sich nm eine bloße Nast; als ich weiter vorwärts ging, sah ich, daß ein weiter, blanker Sec zu nnscren Füßen sich ausdehnte. 362 Deutsch-Äquatorial'Afrita. Alier nein, es war kein See, es »var dcr Benne. Nach rechts und links dehnte sich das Wasser, so weit man sehen konnte, ans, doch gegenüber sah man an einzelnen Lichtern nnd Wachtfeuern die Grenze des majestätischen Stromes. „Ist dies das andere Ufer?" fragte ich die Neger. — „Nein, das ist bloß eine Insel, Loko, von Bassanegern bewohnt, nnd hier werden wir bei Tagesanbruch übersehen," war die Antwort. Sodann lndcn sie nns ein, nns ans den Sand niederzustrecken, da bei Tagesanbruch, sobald die Bassa nns sähen, sie mit ihreu Kähnen herüber kommen würden, um uns ab-znholen. Wir labten nns mit einem Trnnke Wassers; seit wir abends die Stadt verließen, hatten wir trotz des schnellen Marsches nichts getrunken, weil niemand Wasser mit sich führte. Tann legten wir uns ruhig nieder und erwarteten, halb wachend, halb schlafend, den Morgen. Venn ersten Grauen des Tages hörten wir sofort Geschrei nnd Lärmen nnd sahen, wie von der mit Olpalmen bewachsenen Insel, auf deren nördlichem Ufer zahlreiche kleinere Hütten standen, eine Menge Kahne ins Wasser stießen nnd von nackten Negern auf die Stelle zn hingeschaufelt wurden, an dcr wir nns befanden. Wir stiegen nnn anch den Strand hinab, der jeht beim niedrigsten Wasserstande des Benue sehr breit war, und bald waren wir den Bassa gegenüber. Diese schienen sehr erstaunt, ein paar Weiße vor sich zn sehen, denn hatten sie jemals welche gesehen, so waren diese den Venue heranf in eigenen Schiffen gekommen. Anfangs schienen sie uns sogar für Fnlbe, die ihre erbittertsten Feinde sind, zn halten. Nachdem aber die uns begleitenden Neger ihnen die Versicherung gegeben hatten, daß wir diesem Stamme nicht angehörten, überdies keine Mohammedaner wären, sondern Nassara (Christen, mein mohammedanischer Diener Hammed ließ es sich ganz gern gefallen, hier als (5hrist mit zn passieren), wollten sie sich sogleich ohne weiteres nnseres Elfenbeins bemächtigen, fowic des Gepäckes, um dieses und nns in die ausgehöhlten Baumstämme (ihre Kähne) zu werfen. So, dachte ich indes, geht das nicht. Tie Menschen sind überall dieselben, nnd wenn man in Italien oder im Oriente nicht wohl daran thut, sich, ohue zn parlamenticren, in die Hände des dienenden Publikums zn geben, so glanbte ich anch hier vorerst dingen zu müssen. Wir rissen ihnen also nnsere Habe wieder ans den Händen, und ich machte ihnen begreiflich, daß sie mir zunächst den Preis für das Übersetzen sagen müßten, Zn dem Zwecke legte ich Am Benue. Z63 1lX) Muscheln (Kauris) auf dcu Voden und fragte durch Zeichen, Wie viel sie solcher hundert haben wollten? Nach laugcm Streiten und Handeln wurden wir daun handelseins über 4000 Muscheln, was allerdings tener genug war, wenn man bedenkt, daß es sich bloß ums Übersetzen handelte, 4000 Muscheln aber den Wert von cincm Maria-Theresia-Thaler repräsentieren. Die anderen Neger, welche, wie ich gehofft hatte, uus bis nach Loko begleiten würden, erklärten dann, daß sie zurück müßten, um noch vor der großen Hitze Ud«'>ni zu erreichen. Nachdem sie nnö dann in die Banmstämme geholfen, die so klein waren, daß kaum zwei Mann darin Platz hatten, und wir deshalb mehrerer bednrften, nahmen wir Abschied, wir stießen vom Lande und wurdeu von den Vassa rasch uach ihrer Insel hinüber geschaufelt. Tie Ankunft von Fremden ist auf solchen Plätzen immer ein Ereignis, wenigstens des Morgens früh, wu alles eben vom Schlafe erwacht und noch nicht der Arbeit nachgegangen ist. Als wir landeten, hatte sich ein zahlreiches Publikum versammelt, das vielleicht noch außergewöhnlich vergrößert war, weil mau längst gesehen hatte, daß zwei Weiße die Fremden seien. Wie besorgt ich nun anfangs war, mich so ganz ohne irgend eine Stütze unter den Bassa zu bc-fiudcn, von denen die anderen dem Fnlbe des Reiches Sokoto unterworfenen Negerftämme mir nicht schlecht genng zu sprechen wnßten, so legte sich doch meine Besorgnis, da ich bald sah, daß alles Böse, was man von ihnen gesagt hatte, Übertreibnng sei. Obgleich von Hunderten dieser Leute umringt, die sich so dicht wie möglich an uns herandrängten, uns befühlten nnd befragten, und sich dann wunderten, daß wir nicht in ihrer Sprache zu antworten vermochten, that man uns nichts zu Leide, sondern wir wurden einfach in einen von mehreren Hütten gebildeten Hofranm gedrängt. Mau gab uns zu verstehen, daß wir uns setzen möchten. Nachdem uns dann eine recht nett aussehende alte Negerin ein Gefäß voll warmer Snpfte gebracht hatte, fragte man uns durch Zeichen und Laute, ob wir denn gar keine der dort üblichen Sprachen verständen, und nacheinander nannten sie eine Menge Sprachen, als: Fnlfulde, Berbertji, Arabtji, Haussa, Nupe ?e. Ich glaubte nnn zn verstehen, daß unter ihnen Individnm wären, die eine dieser Sprachen verständen, uud erwiederte sogleich Arabtji, Berbertji. Unter letzterein Worte bezeichnen nämlich alle diese Negerstämme die Bewohner und Sprache von Bornu (das Kanuri). Die Bassa schienen ebenso froh zn sein wie 364 Deutsch.Äquawrial-Nflika. ich, als ich Berbcrtji antwortete; es wurde ssleich darauf cincr fortgeschickt, dcr dann mit einein anderen zurückkam, welcher uus schon von weitem sein I^i-I^o-I^-I^o, Xo 1aäa-i6 nä«. t6^n eto.: „Sei gegrüßt; Friede; wie befindet sich deine Hant" :c. entgegenrief. Fand er sich im Anfange etwas getänscht, daß ich nicht fo fließend zn antworten vermochte, als er sich wohl gedacht hatte, so sah er doch schnell ein, daß cs sein vorteil sei, uns zu Frennden zu behalten, nnd ich meine gar, cr sagte den Bafsa, daß wir wirkliche Kannri vom Tsad-See seien, was sie indes nicht glauben wollten, sondern ihm cntgcgueten, wir wären lii^^- und Vettern von den beiden weißen Christen in Lokoja (dcr bekannten, von Dr. Baikie gegründeten Station an der Mündnng des Benue in den Niger). Er selbst war gerade nicht von Bornn, sondern von einer im Reiche Sokoto gegründeten Kolonie Namens Lafia-Berc-Bere. (5r sagte mir dann, daß man cine Hütte für uuö in Stand setze, und das; der König der Insel mir einen Besuch macheu würde, den ich später zn erwiedern hätte. Unterdessen nahm ich die Gelegenheit wahr, mich etwas umzu-sehcu. Uuser Kamm erzählte mir, daß die Vassa auf Loko hauptsächlich vou der Fähre lebten, da hier eiu Hanptübcrgaug sei; bei Hochwasscr sei die gauze Insel, welche jetzt etwa 1L Fuß über dem Wasserspiegel lag, überschwemmt, nud die meisten Lcnte zögen sich dauu aufs liuke Ufer zurück, währeud uur die zur Besorgung der Fähre unumgänglich notwendigen jungen Leute in hohen, anf Pfählen ruhenden Hütten znrückblicben. Die Bassaucger wohnteu früher alle anf dem rechten Bcnue-Ufer. »vnrden aber von den Fellata, ihren fanatischen Feinden, zurück-gedrängt, so daß nnr noch einige wenige Plätze von ihnen am rechten Ufer bchanptet werden. Die Bassa sind mit den Afo- und Kotouegeru eug verwaudt uud scheiueu sanfter Natnr zu sein; sie uährcu sich hauptsächlich von Fischen, die der Benue ausgezeichnet uud in nnglaublicher Menge liefert. Dcm Äußereu nach siud sie echte Neger, ohue doch dabei häßlich zu sein. In dcr Jugend geheu beide Geschlechter uackt, uud unter den Erwachsenen haben die ärmeren Leute höchstens ein Schurzfell um die Hüften geschlagen. Eigentümlich ist die Art ihrer Begrüßung, indem sie den Vorderarm der Länge nach aneinander legen, derart, daß einer dcm andern den Ellenbogen umfaßt. Sie sind wie die Afoneger Fetischdiener, ohne jedoch einen so ausgeprägten Penateudicnst wie jene zu habeu. Am Venue. 365 Endlich war die kleine, runde Hütte, welche man provisorisch aus Matten aufgeführt hatte, fertig, so daß wir einziehen konnten. Kaum hatten wir uns niedergelassen, als der (-l^äiina. oder König der Insel kam. Er besah alles, that viele Fragen mittels des Ka-nuri und sagte, er würde nach einem Araber als Dolmetscher senden. Im ganzen benahm er sich recht anständig. Als er sich entfernt hatte, war meine erste Sorge, ein Schiff zu mieten nach Imaha (wird auch von den Arabern und Sokutonegern Um-Aifcha genannt), einem Orte, der drei Tagereisen unterhalb am Benue liegt und wohin wir zunächst mußten. Das war keineswegs leicht, nicht etwa deshalb, weil die Leute zu hohe Preise forderteu — sie verlangten, ich glaube 10 000 Muscheln, was mit den 4000 für's bloße Übersetzen also in gar keinem Verhältnis stand —, sondern weil wir gar kein bares Geld, d. h. Muscheln, mehr hatten. Ich versprach ihueu, in Imaha zu zahlen, wo ich cincn Vurnus, das letzte Stück, was mir vou meineu Wareu geblieben war, zu verkaufen gedachte. Aber kein Mensch wollte Kredit geben; es blieb uns also uichts anderes übrig, als alle Kleiduugsstücke, die wir cutbehreu kountcn, zu ver-kanfen, nm so die Summe zu staude zu briugen. Indem wir uus auf das notweudigstc beschräutteu, gelaug es uus, 5000 Muscheln zusammen zn bekommen, uud iudem wir gleich im voraus bar bezahlten, konnten wir von den 10 000 Muschelu 2000 abdiugeu. Nachdem dies in Ordnung war, machte ich dem Könige meine Aufwartung. Er mochte wohl ein hübsches Gescheut erwartet habeu, ich konnte ihm aber bloß eiuige kleiue einheimische Banmwollentücher gebeu, mit denen sich in Haussa die Weiber bekleiden. Damit gab er sich zufrieden, weil er selbst vorher gesehen hatte, daß wir gar uichts mehr besaßeu. Er machte dauu die freundschaftlichsten Versicherungen, uud meiute, er wünsche nichts so sehr, als mit den Engländern direkt in Handelsverbindung zu treten. Ja, als ich zu Hause ankam, sandte er mir sogar eiu Gegeugescheuk: ciu Huhu, trockeue Fische, ZIiM<1i, d. h, eiue Art Kleister iu Vauancublätter genuckelt, und 1500 Mnscheln bar. Denselben Tag konnten wir natürlich nicht an die Abreise denken, und es war auch gut, daß wir bliebeu. Denn am Abend kündigte sich die Regenzeit mit einem solchen Tornado (Orkan) an, daß ich fest glaubte, es sei ein Erdbebeu damit verbuudeu. Da das Unwetter gegen Souueuuutergang hereinbrach, also um eine Stuude, da alle Leute ihren Topf auf dem Fener hatten, so kann man sich Zß6 Dcutsch'Äquatm'ilil-Asnta. denken, wie sehr die Weiber sich beeilten, die Feucrstelleu zuzudecken. Die Windstöße waren so heftig, daß ill einem Nn mehrere Hütten weggeführt nnd Gott weiß wohin geweht wurden. Glücklicherweise lag nnsere Hütte zwischen anderen so geschützt, daß wir nicht zn fürchten brauchten, fortgeweht zu werden, Das hinderte aber nicht, daß, als die Wolken an zu brechen fingen, Ströme Wassers von oben nnd unten hereinfluteten, so daß wir in einem Augenblicke dnrchnäßt waren. Es ist gut, daß dergleichen Unwetter in dcr heißen Zone nie lange anhalten; nach einigen Stnnden hatten wir einen vollkommen sternhellen uud unumwöltteu Himmel, und am andern Murgen tauchte die Sonne wie nen aus dem Bcnue, dessen früher staubige, dunkelbnschige Ufer jetzt durch den Negcn rein gewaschen waren und wie im Fruhliugögrnn prangten. Bei uns in Europa hat man keine Idee davon, wie rasch belebend der erste Regen auf die tote Natur einwirkt. Schon nach einigen Tagen sproßt alles neu nnd frisch aus dem Boden, welcher sich wie dnrch Zauber in einen grünen Teppich voll bunter Vlumcu umwandelt. Und sobald die Pflanzenwelt erwacht, thnt es nicht minder die kleine Tierwelt; Schmetterlinge und Käfer, die man fönst nur in Thälern, wo immer fließende Bäche uud Niunsäle rieseln, bemerkt, treiben sich überall herum. Am andern Morgen endlich nahmen wir von nnsereu Bassa-freunden in Loko Abschied nnd bestiegen unsern hohlen Baum. Dieser Kahu war gerade groß geuug, um unö beherbergen zu können; nur ein Neger stand anf dem Hinterteile, um mit einer Schaufel das fchncll stromabwärts treibende Schiffchen zu lenken. In feinem Munde hatte er eine lange Pfeife, die bis auf den Boden ging nnd nnr von Zeit zu Zeit fortgelegt wurde, wenn die Lenkuug des Schiffcheus vielleicht mehr Aufmerksamkeit wie gewöhnlich erheischte. Wenn uus cm anderer Kahn begegnete, dann wurde sicher beigelegt, um einige Züge gcmciuschaftlich zu fchmaucheu. Die meisten hatten sogar eilt kleines Fencr in einem irdenen Topfe auf dem Vorderteile des Kahnes brennen, teils um Fische im Ranche des Fencrs vor Fäulnis zu bewahren, teils um die Pfeifen anzünden Zn können. Es ist die Sitte des Nanchcns hier bemerkenswert genng; während z. B. in ganz Nord-Ccntral-Afrika, Uadai, Vornu, Hansfa, Bambara )c., überall Tabak gezogen wird, verwenden die dortigen Einwohner dies Kraut nur zum Kauen, indem sie es pulverisiert Tel Kongostaat. 367 mit Natron mischen, znwcilen auch zum Schnupfen; erst in der Nähc des Benue wird das Rauchen allgemein. An Abwechslung fehlt es bei diefer Fahrt natürlich nicht; Zahlreiche Herden von Flußvferdcn, Haufen fauler Kaimans, die sich auf den Sandbänken sonnten, fliegende Fische, die unser Fahrzeug nmgaukelten, in den dichtbelaubten Bäumeu am Ufer Herden von Affen aller Art, die neugierig auf uns heruntcrschielten, — hier nnd da, und dies nieist am linken Ufer, ein Ncgerdurf. Anch sah ich die mannigfaltigste:: Vorkehrungen zum Fischfange; sie nahmen sich wie große Vogelbauer aus nnd standen überall an seichten Stellen im Benue. Die Zeit wurde mir nicht lang. Nachts legten wir bei einer Sandbank inmitten im Strome bei, unterhielten aber immer Feuer, damit die gefräßigen Kaimans nicht zu nahe herankämen. Am dritten Tage endlich waren wir im Angesichte Amahas, wo wir bei Sultan Schimmeg>>, einem Freunde des verstorbenen I)i'. Baikie, die freundlichste Aufnahme fanden. Ml KülWstM. i. Umfang des Kongostaates. -^ Ergebnisse deutscher Durchforschungen oes Landes. — Das eigentliche Königreich Kongo. — Die eingeborenen Könige »nd Häuptlinge. — Die internationale Gesellschaft. Der Kongostaat, d. h. das Areal, worin dnrch den Berliner Kongreß dem König der Belgier die Ausübung der Souveränität als ausschließliches Recht vertragsmäßig verbürgt worden ist, umfaßt einen Länderkomuler, der fünf- bis sechsmal so groß wie Deutschland ist. aber weder 50 Millionen Einwohner, nach Stanley, noch ^5 Millionen, nach Hübner, sondern, nach Pr. L. Kuud, höchstens 10 Millionen G. Zählt, von denen "/,„ noch keinen Weißen gesehen haben. So erfreulich es auch ist, daß der neue Staat, dem der hochherzige Köuig der Belgier seine Fürsorge zuweudet, die Ausbreitung europäischer Kultur in; Herzen von Afrika mächtig 368 Dcutsch'Ä^liatorml-Afrika. fördern und dem Vordringen der niohammedanischen Barbarei einen dauerhaften Damm entgegenstellen wird, so wenig ermunternd für deutsche Kaufleute und Plantagenbaucrn sind die Anssichten, welche dieses Land noch anf Jahrzehnte bieten kann. Die Afrikanische Gesellschaft in Verlin, welche der Wissenschaft und dem Handel schon so viele und wichtige Dienste geleistet hat, sandte I8K4 im wohlverstandenen Interesse Deutschlands eine (Expedition nach dem Kongo, die ans den Herren Premierlientcnant Kund, den Lieutenants Schulze nnd Tappcnbeck, Di'. Büttner nnd Di'. Wulf bestand, zn dem Zwecke, daö westliche Kongogebiet gcnancr zu studieren nnd namentlich die hygienischen und klimatischen Zustände, die Produktionsfähigkeit des Bodens, sowie die für Deutschland maßgebenden Handclsverhältnisse mit unbefangenen^ kritischem Ange — gegenüber den pomphaften Schilderungen Stanleys und der Belgier — zu uutersuchen. Das Ergebnis dieser gewissenhaften, fast zwei Jahre, l884— Unterschriften vcrfehcne Verträge mit den Häuptlingen auf beiden Ufern des Kongo abgeschlossen haben, mußten sich notwendigerweise mit diesen Thatsachen bekannt machen und bei der Verteilung der von ihnen zu leistenden Zahlungen demgemäß verfahren. An der Spitze dieser seltsamen Krnppen von Häuptlingen steht stets ein von allen anerkannter Altester, indes hat derselbe, wenn sein Nang auch unbestritten ist, nur das Privilegium, für sich einc größere Entschädigung, die hänfig genug nur höchst unbedeutend ist, zu verlangen; aber selbst der kleinste Häuptling hat oft die Macht, den Abschlnß eines Vertrages zn verhindern, wenn er glaubt, daß seine Ansprüche nicht berücksichtigt oder vernachlässigt worden sind." Soweit Stanley. Das Voranstehcnde gilt nur von dem nnteren Kongo und einzelnen Pnnktcn weiter finßanfwärts; am mittleren und oberen Kongo nnd an zahlreichen Nebenflüssen, die in das Innere des Kontinents führen, uud welche, uachdcm Grcnfell den Ilbangi, Wißmann den Kassai, v. Francois den Uriki und L. Wolf den Sankuru und Lumani befahren haben, schiffbare Wasserstraßen von mehr als 24* 372 Der Kongostaat. 8000 Kilometer Länge bieten, sind erst an wenigen Stellen geregelte Beziehungen zu den Eingeborenen vorhanden, und es dürfte zweifelhaft erscheinen, ob von dem kleinen Belgien aus dieser ungeheure Länderkomplex genügend bewirtschaftet und geschützt werden kann. Dr. I. Falkcnstein (1. e. 34) wies schon vor zwei Jahren darauf hin: „Kein mit den Verhältnissen Vertrauter wird sich darüber täuschen, daß wir an einen genügenden Schutz einzelner Stationen längs des ganzen Laufes dauernd nicht denken können. Auch hier wird, wie am Nil, die Zeit kommen, wo die wilde Bevölkerung von allen Seiten herandrängt, um die Fremdlinge wieder zu verjagen, und die Behauptung der Plätze würde, wenn sie überhaupt möglich wäre, unendliche Summen von Kraft und Geld erfordern. Mir würde daher nur die Sicherung des Kongo bis zur Stelle, wo er schiffbar wird, uötig erscheinen, was ohne große Opfer zu bewerkstelligen ist. Da also, etwa am Stanley-Pool, oder an irgend einer Stelle zwischen der Alima- und Quangomündung soll ein großer uud „fester" europäischer Handelsplatz entstehen, von dem aus die Dampfschiffe den gcmzen Strom befahren und aus dem „freien" Negerlande die Produkte holen. — So gut wie dort schon große Märkte bestehen, so gut wie au anderen Orten, z. B. der Samoa-gruppe, die Gingeborenen sich daran gewöhnen, zu deu Ankunftstagen der Dampfer an den Laudungsstellen zu kommen, so gut werden auch hier die Neger zu dem regelmäßigen Stations-hand el zu erziehen sein." Nach den Entdeckungen des Dr. Ludwig Wolf, der 188l> den Kassai uud dessen Nebeufiuß Sankuru, sowie des letzteren Zufluß Lomani hinauffuhr und dadurch das durch seine Kupferminen berühmte Katangegebiet uud das bereits von Livingstone feiner Fruchtbarkeit und seines Reichtums wegen gepriesene Maugcmagebiet als für Dampfschiffe zugänglich nachwies, wird in Zukunft der Hafen von Leopoldvillc am oberen Kongo in den Vordergrund treten, denn er bildet den Ausgangspunkt ciues Wasscrstraßennctzcs, wie es im Gebiete des Amazonas oder des Mississippi kaum in gleicher Ausdehnung vorhanden ist. Wenn I>r. Falkenstein und alle anderen Forschungrcisenden das westliche Äquatorial-Afrika vom Niger bis Bengucla für durchaus ungeeignet zu Ackcrbaukoloniccn mit europäischcu Arbeitern halten und die Thätigkeit der Europäer uur auf Handelöunteruehmungen beschränkt wifsen wollen, so macht doch dieser zuverlässige Forscher Der Kongostaat. 373 eine Ausnahme mit Mossamedes und dem bis zum Cuene gehenden Küstenstrich, sowie mit dem Hochplateau jenseits des Randgebirges, wo das Land nach allen Berichten gleichmäßig gesund und zuträglich sei. Hierzn treten die Schilderungen des !>»'. Pogge, welcher 18A3 mit Lieutenant Wißmann den oberen Kongo bereiste. Sie sanden u. a. im Lande der Baschilange (22" 28' üstl. L.-Gr. und 6° 6' südl. Br.) einen außerordentlich fruchtbaren Buden, so daß die Eingeborenen eine „reine Brachwirtschaft treiben nnd jedes Jahr neue Urbarmachungen für ihre Pflanzungen von Maniok. Büffelhirse, Bohnen, Pfcrdezahnmais, Erdnüsse u. s. w. vornehmen. Bataten, Aams, Baumwolle, Hanf, Tabak, Ricinus kommen vorzüglich fort, denn während der Regenzeit findet reichlicher Rcgenfall statt, während Kassandsche und Malandfche öfters durch Dürre heimgesucht wird. Dazu kommt die unerschöpfliche Menge des prächtigsten Nutzholzes für Ban- und Luruözwcckc in den Wäldern, die auch Harze, Kautschuk und Baumöl in Fülle liefern. Die Station ist bereits in raschein Aufblühen begriffen und vergrößert immer mehr ihre Felder und Herden". Jedenfalls sind über diese und andere Gebiete des oberen Kongo, welche vielversprechend fruchtbar und scheinbar gesund gefunden worden sind, die Untersuchungen und Knltivationsversuche noch nicht abgeschlossen, aber wie sie auch schließlich ausfallen mögen, ohne die oben erwähnte Eisenbahn durch das Kataraktcngebiet des Kongo werden sie wegen der Kosten und Schwierigkeiten des Warentrans-portcs dem Handel niemals ein so ergiebiges Feld der Thätigkeiten bieten können, wie das Stromgebiet des Niger und des Benue, dessen sich die klugen Engländer — fast durch Überrumpelung — bemächtigt haben. Baumgarten. II. Charakteristik der Bevölkerung. — Die Neger am unteren Konsso. Die Menschen der Gegend, sagt Pechuel-Lösche, gehören alle einem Stamme an, dem der Bantuneger; sie scheiden sich aber in eine Reihe von Völkerschaften mit verschiedenen Dialekten und unzähligen kleinen Staaten. Der Häuptling herrscht oft nicht weiter als bis znm letzten Haufe seines Dorfes; dennoch hält sich jeder von ihnen für den mächtigsten Fürsten. Je weiter man von der Küste 374 Del Kongostaat. in das Innere vordringt, umfomehr verschwinden die Spuren der Ginwirknng europäischcr Kllltnr, umsomehr treten aber auch die Eigentümlichkeiten der einzelnen Völkerschaften hervor. Im Innern hat jedes Volk seine besondere Tracht, besondere Abzeichen, auch besondere Vernnstaltnng des Körpers. Durchgängig sind die Männer mehr betleidet, als die Weiber. Seitdem Stanley durch die Gegend gezogen ist, findet man anch da schon vereinzelt Stücke europäischer Kleidung; so sieht man zuweilen einen Neger mit einem alteu (5ylinderhnt, oder in einem abgefetzten bnntcn Uniformrock einherstolzieren. Die liebenswürdigste dieser Völkerschaften sind die Basnnti, nördlich vom Kongo, die viele Dörfer haben nnd starken Ackerban, auch Fischfang treiben. Bei ihnen haben namentlich die jnngen Mädchen eine eigentümliche Mode angenommen. Sie kneten ans Kohle, Nuß nnd Erdnnßöl eine ölige, klebrige Masse zusammen, mit welcher sie ihr Haar zu einzelnen kleinen Knäncln zusammenballen. Wenn die Mädchen schwitzen, länft das Fett vom Kopf hcrnnter, löst die Afchenkrnste, mit welcher der Körper fast immer überdeckt ist, anf, nnd versieht so den ganzen Körper mit vielen lotrechten parallelen Strichen. Die jnngen Männer lieben es, deu ganzen Körper mit einer oder mehreren farbigen Massen einzusalben. So sieht man znweilm Basuntis, deren rechte Körpcrhälfte schwarz ist, während die übrige im schönsten Hochrot prangt. Sie lieben ferner, den ganzen Körper mit roten und blanen Perlen zn schmücken, Die Valwcnden haben weniger gutes Land, sind anch magerer und häßlicher als die Ba-sunti. Die Batcken, die sich weiter nach Osten anschließen, schneiden sich eine Menge Narben in die Wangen nnd stechten ihr Haar in einen Zopf, welcher steif gemacht nnd nach vorne gebogen wird nnd so wie ein Horn voransragt. Anch bei diesen Völkern zeigen sich schon gewisse dürftige Anfänge einer Knust. An solchen Stellen, wo der Boden ganz kahl ist, macht man Nitzcn in den letzteren, die einfach die Gestalt von Kreisen haben oder bestimmte Dinge, z. B. Näder, Wagen, Schiffe, die sie bei Stanleys Dnrchzng kennen gelernt haben, darstellen. In diese Ritzen legt man Steine, die man oft weit herbeiholen mnß, weil da die Felsen meist mit der mürben Masse des Laterits überdeckt sind. Die Wohnungen find da überall ziemlich gleich. Weil man nicht, wic an der Küste, Palmenblätter hat, bedeckt man sie mit Gras. Auf dem gekrümmten Dach ist ein gewöhnlicher Aufenthaltsort der Der Kongostaat. I?b Hühner, Katzen und Ziegen. Die Dörfer sind ziemlich reinlich, halten allerdings den Vergleich mit den Dörfern an der Küste fchon deshalb nicht ans, weil das Wasser fehlt. Aus demselben Grunde baden die Stämme im Innern nie, während die Küstenstämme dies sehr hänfig thnn. Der Hauptverkehr bei den Stämmen deö Innern findet bei Gelegenheit der Wochenmärkte statt. Die Woche hat da vier Tage. An jedem Tag ist in einem bestimmten Bezirk an einem bestimmten Punkte Markt, der nach den Tagen der Woche benannt wird. Zu diesen Märkten kommen die Leute mit ihren Nahrungsmitteln, einfachen Geräten und Hanstieren, besonders Ziegen und Hunden und sehr kleinen Hühnern von weitem herbeigezogen. Sie tauschen dieselben einfach ans oder benntzen blaue Bruchperlcn als Zahlmittel. Gegen Fremde sind die Leute durchweg liebenswürdig. Sie kaufen von ihnen mit Vorliebe bnnten Flittcrkram. Für ein ganz leichtes, aber recht bnntes Taschentnch bringen sie mehrere ihrer kleinen Hühner oder zehn bis zwölf entfvrechend kleine (Hier. Die Weiber bestellen das Feld, die Männer sorgen für Fleisch und Palmwein, hüten die Ziegen und treiben Fischfang. Am Kongo werden die Fische vielfach geräuchert, um verschickt zu werden. Daß die Leute der Gegend Kannibalen sind, ist vielfach behauptet, aber nie bewiefen worden; daß es weiter im Innern Afrikas noch Menschenfresser giebt, ist nach den Anösagen der Leute allerdings sicher." Die vorstehende Schilderung von Pechuel-Lösche ergänzen wir durch die interessante Darstellung des Freihcrrn ,l)i-. A. von Dankel-mauu, welcher im Auftrage des Köuigs der Belgier zwei Jahre lang das untere Kungogcbiet studierte."') „Es existieren am unteren Kongo keine größeren Neiche, wie wir sie in Central- und Ostafrika haben, die Bevölkerung zerfällt vielmehr in eine Unzahl kleiner Stämme, die keine Beziehungen zu eiuauder habcu und sich mehr oder weniger feindlich gegenüberstehen. Die einzelnen Voltsstämme wohnen dann wieder in Ortschaften weit über das Land verteilt, ohne von besonders einflußreichen Herrschern regiert zn werden. Die Verfafsnng ist eine republikanische, der einzelne König oder Durfhüuvtling mmmt etwa die Stellnng unserer Dorfschulzen ein; er hat herzlich wenig zn sagen, nnd ebenso hat auch der Stammeshäuptling kein allzn großes Ansehen; despotisch -) Vortiag auf del III. Generalversammlung des Westdeutschen Vereins für itulouiscitiou und Grport. 1884. 376 Der Kongostaat. regierende Herrscher giebt es nicht. Als eine besonders charakteristische Eigenschaft der Völker am unteren Kongo muß es bezeichnet werden, daß sie insgesamt eine große Abneigung gegen den Krieg haben; man sucht thunlichst alle Streitigkeiten durch Verhandlungen, sog. Palaver, die oft tagelang dauern, und bei denen eine erstaunliche Redefertigkcit entwickelt wird, zu schlichten. Es zeigt dies eine uicht zu unterschätzende Stufe von Gesittung, die beispielsweise seltsam gegen das waffeustarrende Europa kontrastiert. Kommt es wirklich einmal zu Blutvergießen, so giebt es kein mäunermordendcs Abschlachten, fondern es fallen gewöhnlich nur ein paar ganz Zufällig getroffene Opfer dem Kriegsmoloch anheim, uud daun wird die Sache alsbald durch neue Palaver zu Ende geführt. Bewaffnet sind jene Völker jetzt alle mit Steinschloßgewehren, die einen großen Handelsartikel ausmachen, aber auch Hinterlader haben schon vielfach Eingang gefunden. Bei allen diefen Stämmen herrscht Polygamie, die Treue der verheirateten Frau wird im allgemeinen sehr eifersüchtig bewacht und Untreue hart bestraft; nicht ganz selten sieht man au Kreuzwegen Holzkreuze errichtet, an denen menschliche Gebeine hängen: hier haben die Ehebrecher ihre Schuld gebüßt, indem sie lebendig angebunden und dann dem Hungertode überlassen wurden. Die Hauptlast der Arbeit ruht auf deu Fraueu; sie haben die Felder zu bestellen und den Hausstand zu vcrseheu, während der Mann die Produkte des Handels nach den Faktoreien trägt, in Palavern feine Redekunst hören läßt, oder die Zeit mit Rauchen und süßem Nichtsthun verbringt. Im allgemeinen ist der Kongoncger gutmütig uud leicht zu behandeln, umsomehr, je weniger er mit dem Europäer bis jetzt in Bcrührnng gekommen ist. Man kann augenblicklich von Vivi nach Stanley-Pool mit cinem Stock in der Hand wandern, ohne be-fürchteu zu müssen, eine Gefährdung für sein Leben von Seiten der Landesbewohner zu erfahren. Dort freilich, wo der Neger lange bereits mit den: weißen Manu verkehrt hat, wie an der Küste, wo er alle die niedrigen Leidenschaften desselben zu beobachten Gelegenheit gehabt hat, da ist er schwieriger zu behandeln. Ein jeder, der den Neger uud seine Natur in deu verschiedenstcu Lebeuölagen vorurteilsfrei studiert hat, wird zugebcu müssen, daß der afrikanische Schwarze, selbst wenn er Kravatte und geputzte Stiefeln trägt uud Missionsschulen besucht hat, im Durchschnitt nicht auf gleiche Stufe Dci Kongostaat. Z77 mit dem Weißen zu stellen ist. Jenes Takt-, Pflicht- und Ehrgefühl, welches wir im allgemeinen bei dem Weißen finden, wird man nie oder nur äußerst selten bei einem Neger erwarten können. Der von der Kultnr noch nicht beleckte und verdorbene Neger ist wie ein kleines Kind; giebt man allen seinen Launen und Wünschen nach, so wird er frech und aufdringlich, will alles und jedes haben, was er sieht, und wird ein unausstehlicher Patron. Weiß man ihm aber von vornherein seine Stellung deutlich zu machen, so ist cr sehr leicht zu lenken. Darin liegt das Geheimnis dcr großen Erfolge Stanleys, daß er, wie sobald lein anderer, den Neger bei seinen Schwächen, feiner Eitelkeit zn fassen weiß, seinen Charakter und fcine Gesinnungen eingehend stndiert nnd durchschaut hat, so daß er schließlich auch den Widerwilligstcn sozusagen um deu Finger wickelt. Der größte Feind alles Fortschrittes in Afrika wird stets die heftige Abneigung des Negers gegen die Arbeit sein. obwohl er, wenn er will, erstaunliches leisten und dann, nach harten Anstrengungen des Tages über uoch bis spät in die Nacht hinein singen und tanzen kann. Allein er arbeitet in den meisten Fällen nur gezwungen. Das wenige, was er zu seinem Lebensunterhalte bedarf, wächst von selbst, oder nnter geringer Nachhilfe; ihn drücken keine Sorgen um Steuern, Wohnnng, Kleidung und Heizung, und deshalb arbeitet er auch nur gerade soviel, als er absolut muß, um sein Leben zu fristen und die Mittel zum Ankaufe einiger ihm werter Genüsse, wie Tabak und Branntwein, zn verdienen. Er wird nie der freiwillige und zugleich ausdauernde und zuverlässige Arbeiter des Weißen werden; er wird zwar hier und da bereit fein, mit Hand anzulegen und gegeu Bezahlung eine Arbeit übernehmen, sobald er aber genug verdient zu hallen glaubt, um sich einige Zeit dem vergnüglichen Nichtsthun hinzugeben, wird er regelmäßig vom Arbeitsplatz verschwinden, nnd es wird auf ihn für eiue Zeitlang nicht zn rechnen sein. Man denke nur an den verwahrlosten Zustand dcr westindischen Inseln, vor allem Domingo und Jamaica, die seit Anfhebung der Sklaverei und Zwangsarbeit so unendlich zurückgegangen sind. Da, wo der Schwarze in Westafrika arbeitet, verlangt uud erhält er notgedrungen regelmäßig mehr Lohn als bei uns der gewöhnliche Tagelöhner und Arbeiter. Zimmerleute aus Akkra an der Goldküste, die recht geschickt arbeiten, aber viel weniger Arbeit 378 Der Kungostaat. täglich leisten, als ein weißer Zimmermann, erhalten 4—L I,. Lohn pro Monat, außerdem noch freie Station, in dcr sie nicht selten sehr anspruchsvoll sind und europäische Konserven verlangen. Hinlänglich bekannt sind die Preise, die zuweilen für Trägerdicustc verlangt und bezahlt werden. Am unteren Kongo werden für einen dreitägigen Marsch, wobei dcr Träger circa .!>(> 1<^- zu tragen hat, nach europäischem Geld circa 10 M. in Manchesterwaren und Rum bezahlt und womöglich noch Reis als Proviant für die Reisedauer hinzugefügt. Dem gegenüber fei nnr nebenbei angeführt, daß ein dentfchcr Landbriefbute, dcr viel mehr Kilometer täglich zurücklegen mnß, nm seiner Anfgabc gerecht zn werden, durchschnittlich 450 bis 590 M. pro Jahr erhält, in einzelnen Gegenden sogar nur 7.'> Pfg. bis 1 Mk, pro Tag bei 8—10 stündigem Dienste. Schwer dürfte es sein, einen Neger zn finden, der durch feiner Hände Arbeit es zu etwas gebracht hätte. Die selbst nach europäischen Begriffen ganz wohlhabenden Neger, die man an der Westküste von Afrika zuweilen findet, und die es sich eine (5hre sein lassen, den sie besuchenden Weißen mit Champagner und allerhand europäischen Konserven zu bewirten, sind zn ihrem Neichtnm, der es ihnen gestattet, ans Europa eingeführte Holzhäufer zu bewohnen und diefe mit Möbel und Gerumpel aller Art höchst geschmacklos anzufüllen, nur durch den mühelosen, Gewinn bringenden uud von ihnen monopolisierten Zwischenhandel zwischen Europäern nnd den Bewohnern des Hinterlandes gekommen. Je ferner von feiner eigentlichen Heimat man den Neger bei der Arbeit verwenden kann, desto befsere Nefultate wird man mit ihm im allgemeinen erzielen, da er unter solchen Umständen nicht jeden Augenblick die Sache liegen lassen nnd nach Hause gehen kann, wenn ihm die Anstrengnng leid wird. Die Arbeiter aus Zanzibar, welche nntcr Stanleys eiserner Fanst den Dampfertransport am Kongo bewerkstelligten, würden in ihrer Heimat diese Arbeit jedenfalls nicht geleistet haben. Fern von derselben mußten sie aber ausharren und konnten nicht davonlaufen, wenn sie nicht im ersten besten Dorfe von den Bewohnern aufgefangen und zu Sklaveu gemacht fein wollten; so würden sie ihre Heimat nie wieder zu sehen bekommen. Eine Institution, welche die Kongovölker mit allen mittelafrila-nischcn Völker gemeinsam haben, ist diejenige dcr Sklaverei, und es ist wohl am Platz, bei diefem Punkte eiuen Augenblick zn verweilen. Dei Kongostaat. I7I Gin Sklavenhandel und Sklaventranöport besteht bekanntlich im Gegensatz zu Ost- und Nordostafrika an der Südwcstküste dieses Erdteils, soweit es die Beteiligung von Weißen an demselben betrifft, nicht mehr, die portugiesischen Koloniecn etwa ausgenommen, wo eine Art Zwangsarbeit auf Zeit mit einer gewissen Berechtigung noch aufrecht erhalten wird. Das letzte Sklavenschiff hat etwa 1674 die Kougomünduug verlassen, es kommt also diese Seite der Sklavenfrage für die Kongoländereien nicht mehr mit in Betracht. Aber gerade diese war die gehässigste. Im allgemeinen läßt sich wohl sagen, daß erst durch die Rohheit und Gransamkeit, mit welcher die Europäer die Sklaven, namentlich als der Handel mit denselben für illegitim erklärt uud verpönt wurde, behandelten, die Institution den verabscheuungswürdigen und hassenswerten Charakter angenommen hat. Die Sklaverei nntcr Negern selbst hat einen ganz anderen, viel milderen Charakter. Der Neger betrachtet seinen Sklaven nicht Wie der Europäer als eine Maschine, die man zu energischer Thätigkeit anspannen uud ausnutzen muß, um Geld mit ihr zu verdienen, sondern ihm gilt der Sklave, da er selbst die rastlose Thätigkeit des Europäers nicht keimt, vielmehr als eiu Mittel zur Gewinnung eines vermehrten Ansehens, denn als ein wenig rentables Anlagemittel seines Vermögens. Die Sklaverei unter den Negern selbst hat viel mehr den Charakter der Hörigkeit, als den, welchen wir gewöhnlich unter der Bezeichnung Sklaverei verstehen. Die Institution der Sklaverei ist daher auf das iunigste mit dem ganzen Wesen der Neger verwachsen. III Die Negerlönigreiche am unteren Kongo.*) Der Distrikt zwischen dem Kongo und Loango, letzteres mit eingeschlossen, ist in drei Königreiche eingeteilt: Ngoyo oder Cabinda, Kakougo uud Loaugo. Jedes ist von ziemlich beträchtlicher Aus-dehuuug, uud hinsichtlich der Größe stcheu sie zu dcu winzigen *) Herr N. (5. Phillips, seit dielen Jahren in Ponto da Lenha an der Kongonnindung uls ,''. Collaco ist ein sehr angenehmer und hervorragend gewissenhafter Kollege, mit dem ich mich oft und gern uuterhalte. Er ist derselbe, der seinerzeit in Venguella Cameron an feiuer Glossitis behandelte. Als rühmenswerte Ausnahme geistigen Strebens, als ein Mann, der seine Bibliothek besitzt und sich lebhaft für Natnrwissenschaft interessiert, ist ferner Herr Fortunato Zagury, einem alten Iudcngeschlecht auf den Azoren entsprossen, zu nennen. Diesem echten Gentleman sind wir Reisende zu großem Daul verpflichtet. Denn er war es, der sowohl Herrn von Mcschow als auch mir die nötigen Träger verschaffte. Dr. M. Buchner. Mittheil, der Asrik. Ges. 1879. III. Oentral-Afrika und die Aeger-bevölllerultg. ßulztl Milk l»lf die Geschichte der lchmlM Nasse j. Die schwarze Rasse, speziell die Neger, ja selbst die Fnlbe haben nie Reiche von solcher Bedcntung und Dauer zu gründen vermocht, wie die Azteken, Ccntralamcrikaner nnd Peruaner. Die Negerstaaten sind in ewiger Fluktuation begriffen, in alter Zeit waren in Wcstafrika die Soninkw oder Serrakolets nnd Malinkio oder MandingoS die Hauptmächte; erstere sind fttzt bedeutungslos uud es stehen nnr noch die Mandingoö und die Fnlbc auf der Bühne. Im Mittelaltcr gründeten die Berbern mit den Serrakolets die Reiche Glanata nnd Meile. Viele Negervölker sind ganz ge-schichtslos, es giebt aber selbst in der weißen Nasse ungeschichtliche, roh gebliebene Stämme, Das aus Ostafrila stammende Hirtenvolk der Fnlbe drang, nach Barth, vor mehreren Jahrhunderten gegen Westen vor, stürzte mehrere Ncgerrciche nnd gründete die Staaten Mussina, Gando, Sokuto und Adumua und erreichte im 16. Jahrh, den oberen Senegal, wo es im 18., vermischt mit den Mandingoö und Ioloffs ein großes westislamitisches Fulbereich stiftete, während seine Auösendlinge zwischen Niger und Tschadsce das östliche Fulbc-reich gründeten. 1545 rief sie ihr Hanpt El Hadji Omar zn einem Glaubenskamvf gegen die heidnischen Neger und Franzosen auf, der 1860 mit einem für letztere günstigen Waffenstillstand endigte, Omar unterwarf hierauf bis zu seinem Tode 1^64 eine *) Nach Perty, Anthropologie II. Kurzer Vlick auf die Geschichte dcr schwarzen Rasse. ZFZ Anzahl Völker des Wcstsudanö und vereinigte sic zu cincm Reiche, sein Sohn setzte den erbitterten Kampf fort, der noch mehrere Jahre wütete. — Baker behauptet, der allgemeine Charakter oeö Sudans sei höchstes Elend; lion Ägypten schreibt er (die NilZuständc in Abyssinien, II, 247), die Menschen seieu an dcn Ufern des Nils Noch eben so roh und wild, wie zur Zeit dcs Baues der Pyramiden. „Der Nil ist ein Segen, der jetzt bloß halb zu Wirkuug kommt, aber es wird eine Zeit ciutrcten, wo die Welt mit Bewunderung auf ein mächtiges Ägypten blicken wird, dessen wogende Kornfelder über dieselben durstigen Wüsten, wo jetzt nur das Kamel mit der erschöpften Natur zu kämpfen vermag, bis in die weitesten Fernen laufen. Von einigen hohen Punkten werden die Menschen auf ein Netzwerk von Kauälen und Becken blicken, welches das von Fruchtbarkeit überquellende Land überall durchzieht." In Abyssinien blühte im 4.-7. Jahrh. n. Chr. das Neich von Axum, wo daS Gherz gesprochen wurde; es bestand aber schon vor der christlichen Ära eine Kultur daselbst, daS Christentum wurde von :N0 n. Chr. an eingeführt. Später wurde das Reich sehr durch die Kämpfe mit den Mohammedanern geschwächt, seit dem 1l;. Jahrh, durch die Gallaö verheert. Nach der Vernichtung der Herrschaft Msa's (Kaiser Theodor I.) durch die Engländer 15<>8 fiel das Land wieder in Anarchie, die wohl zur Stuude noch nicht beendigt ist. Das bcrberisch-maurische Reich Marokko ist bis auf dcn heutigen Tag auf einer ziemlich tiefen Kulturstufe stehen geblieben, war früher cin Piratcustaat, dem dic kleinen europäischen Seemächte bis in die vierziger Jahre dieses Jahrhunderts Tribut bezahltcu, in den letzten Jahrzehnten mit drn Spaniern und (wegen Ab cl Kader's Unterstütznng) wiederholt mit den Franzosen in Krieg verwickelt, der mit Niederlagen endigte. Die neueste Zeit charakterisiert sich einerseits durch das fast unaufhaltsame Vordringen des Mohammedanismuö vom Sudan aus nach Süden nnd Westen, andrerseits durch das Eindringen europäischer Kolonieen und christlicher Religion und Kultur von allen Küsten des Festlandes aus nach dem Innern. Hoffentlich wird der Fortschritt dcs halbbarbarischen, kulturfeindlichen Islam zurückgekämmt werden. 394 (5ciitml-Afrika und die Negeibevüllermig. Die KultmbejHiMg dcr Zlegcr. Vuiu Herausgeber. In dem letzten Jahrzehnt ist die Ncgerbevölterung Afrikas von Zahlreichen Forschungsreisendcn und Missionaren so eingehend studiert worden, daß das höchst ungünstige Urteil mancher Ethnographen sich wesentlich geändert hat; namentlich wird keiner mehr alle Neger-Völker über einen Kamm schecren und allgemeine absprechende Meinungen wie die Franklin's: „Der Neger ist ein Tier, welches möglichst viel ißt und möglichst wenig arbeitet," unterschreiben wollen. Als Carus 1849 die bis dahin angestellten Studien zusammenfaßte*), kam er zu dem Ergebnis: „Der typische Kopfbau des Negers zeigt ein weniger entwickeltes Vorderhaupt, aber ein ausgebildetes Mittel-Haupt bei einem gewöhnlich sehr stark allsgebauten Hinterhaupt. Zieht man die Lehren von der Grundbedeutung dieser Kopfgcgendcn zu Nate, so erhält man den Begriff eines Seelenlebens mit niederer Befähigung zu hoher Intelligenz, aber bei viel Gemütlichkeit mit starkem Begehren und kräftigem Wollen. — Die Möglichkeit zu einem wenn auch etwas materiellen, aber doch immer echt menschlichem Lebensglück." — Bekanntlich ist die Negcrrcpublik Liberia, die der Geograph Ritter 1«53 alö einen „Lichtpunkt" bezeichnete, zum größten Teile in die alte afrikanische Barbarei zurückgefallen; doch zeigen sich auch hier unter allen Mißständen Anfänge einer bessern Gesittung und eines Nechtsbewußtseins, welches diese Neger, im Laufe eines dazu jedenfalls nötigen längeren Zeitraumes, der europäischen Knlturstufe näher zu bringen verspricht. Zu den Negern, die sich durch Talente und Kenntnisse oder durch litcrarischc Leistungen ausgezeichnet haben, gehören noch der Negerbischof Di'. Crowther, die Naturforscher Fergnsou und Lead-betters, der Autodidakt Glliö, ein Schmied ans Alabama, der Latein, Griechisch uud Hebräisch gelernt hatte. Bekannt ist der Schauspieler Ira Aldridge. Die Civilisatiousfähigkeit der Neger ist nach den Stämmen derselben äußerst verschieden. Nohlfs stellt z. B. die Neger von Lagos sehr hoch: er fand dort eine schwarze Salondame, welche die schwierigsten Stücke vou Beethoven und Mozart meister- *) C. G. Carus, Über die ungleiche Befähigung der verschiedenen Menschheitsstämmcn für höhere geistige Eutwickolung, ^eipziss 1849. Die Kulwrbefähigung der Neger. 395 haft spielte. Dagegen spricht der Missionär Morlang von „affenartigen Ncgcrstämmen" am obereil Nil. — In den amerikanischen Schulen ist nach Spcke m'clfach beobachtet worden, daß Ncgerknabcn schneller fassen als die weißen nnd daß sie besonders untereinander schlagfertig in scharfen Antworten sich zeigen. — Übrigens sind, nach Rohlfs, die Negervülker des Sudans in der Knltnr weiter vorgeschritten, als unsere Vorfahren vor 2000 Jahren waren. Die bisherigen Untersuchungen über die geistige Begabung des Negers faßt Friedrich Müller (Allgemeine Ethnographie, 2. Aufl. Wien 1879, p. 153—5) in folgenden Worten znfammen: Der vorwiegend receptiven Grundlage des Gemütes entspricht auch die geistige Begabnng des Negers. Im Allgemeinen sind alle jene Geisteögaben, bei deren Bethätignng es vor allem auf Nachahmung ankommt, beim Neger gnt entwickelt, während er in betreff jener Geistesfähigkeiten, wo ein selbständiges Denken erfordert wird, auf einer niederen Stufe steht. Das Negcrkind ist in den ersten Jahren seiner Entwickelung, wo es ausschließlich auf's Aufnehmen von Kenntnissen ankommt, in der Regel dem weißen Kinde überlegen; es bleibt aber in der Periode der Pnbcrtät, wo die selbständige Verarbeitung der anfgenom-menen Kenntnisse nnd Erfahrungen beginnt, stehen, während das weiße Kind stetig fortschreitet. Hiermit in Übereinstimmung steht auch die oft gemachte Wahrnehmung, daß der Neger gleich dem Kinde mit einem eminenten Gedächtnisse begabt ist nnd z. B. sehr leicht fremde Sprachen, oft mehrere zu gleicher Zeit zu erlernen im stände ist. Dagegen zeigt er gar keinen Sinn für Zahlen. Dies geht so weit, daß oft ein Individnnm nicht einmal seilt Alter anzugeben im stände ist. Während die Azteken in Central-Amerika einen Kalender konstruiert haben, der den griechischen an Genauigkeit weit übertrifft, haben die Negervölker es stets nur zu einer unvollkommenen Zeitrechnung gebracht. Mit diesen Bemerkungen steht jene, daß der Neger namentlich im Handelsverkehr mit den Fremden große Findigkeit nnd List zeige, nicht im Widersprüche. Gerade dieser Zug illustriert so recht die Beschränktheit des Negers, aus der das Mißtrauen, die Quelle der Lift, leicht zu erklären ist. Pflegen ja in der Regel geistig nicht besonders entwickelte Weiber in betreff der List uud Findigkeit selbst hochbegabte Männer zu übertreffen. Die Beschränktheit des Negers offenbart sich auf anderer Seite 396 Central'Afrika und die Negerbevöllerung. darin, daß er alles, was über die Capacität seiner Geisteskräfte hinausgeht, d. h. was er nicht im täglichen Leben mit eigenen Augen geschaut hat, dem andern unbedingt glanbt. Über das unmittelbar Gesehene durch Schlüsse hinauszugehen uud sich über das von anderen Gehörte selbst eine bestimmte Meinung zu bilden, ist nicht dcö Negers Sache. Daher findet selbst das Unsinnigste und Lächerlichste beim Neger Glanbeti nnd der erste beste Betrüger, der es versteht, seine Phantasie gefangen zu nehmen, vermag ihn znm Spielballe seines Willens zn machen. Diese an einzelnen Individuen gemachten Grfahrnngcn bestätigen auch vollkommen die Negcrvölkcr. Dieselben, seit uralten Zeiten mit höherstehenden Rassen verkehrend, haben es in der sogenannten äußeren Knltur, deren Formen bloße Produkte der Nachahmung sein können, ziemlich weit gebracht, sie haben sich aber nie zu einer selh-ftäudigcu höheren Kultnr erhoben. In allem, wo es auf die Initiative ankommt, sind sie immer von den höheren Nassen abhängig gewesen; selbst die Bildnng von Einhcitstaatm scheinen die Neger dem Impuls des Islam ausschließlich zu verdanken. Gleich dem unselbständigen Kinde wnrdcn nnd werden sie von anderen geleitet. Wcnn man bedenkt, daß andere Nassen unter denselben oder viel ungünstigeren klimatischen und materiellen Verhältnissen, z. B. die Amerikaner in Mexiko und Pern, es zu derselben oder einer höher entwickelten Kultur gebracht habcu, wiewohl sie uicht dem Einflüsse höher gebildeter Rassen ausgesetzt waren, oder dort, wo letzteres stattgefunden (z, B. anf Java), sie den Neger bei weitem übertroffen haben, so kann man nicht umhiu, eine gegenüber audercu Menschenvarietäten viel geringere geistige Bcgabnng der Negerrassc anzunehmen. Diese Inferiorität der Negerrassc in geistiger Beziehung zeigt sich auffallend sowohl in der mangelhaften Vcnnhung der von der Natur dem Menschen zur Verfügung gestellten Schätze, als auch in dem Verhältnisse, welches, wie die Geschichte bestätigt, die Negerrasse stets zu den anderen Nassen eingenommen hat. Manches in Afrika einheimische zähmbare Tier war der Neger Zu zähmen nicht im stände, während dem Weißen dies stets gelang. Seit den ältesten Zeiten finden wir, wie die ägyptischen und west-asiatischcn Denkmäler darthnn, den Neger als Sklaven im Dienste der weißen Völker, wodurch sich, stritten nicht dagegen Christentum uud Moral, ein historisches Recht der am höchsten entwickelten weißen Rasse auf die Sklaverei des Negers ableiten ließe. Die Kulturbesahigung der Neger. ZI7 Im ganzen nnd großen wird man abcr in betreff des Negers bei der vun unbefangenen Beobachtern gemachten Bemerkung bleilien müfsen. Der Neger läßt sich zwar abrichten, aber nur sehr selten Wirklich erziehen." Die neuesten Erfahrungen teilt Koust. Rammstedt in der Kolon,-Zeitung von 158? (4. u. 5>. Heft) mit. Er erkennt, wie die neuesten Forscher, im Sklavenhandel, der keine Sicherheit im Besitz des Erworbenen aufkommen ließ, die Hauptursache der Faulheit der Neger. Über die Knltnrbcfähignng der Neger spricht er sich wie folgt aus: „Von einzelnen belehrten ist die Behauptung aufgestellt, es sei vergebliche Mühe, Afrika zu erschließen, da der Neger nicht fähig sei, die Kultur in sich aufzunehmen, und die niedrige geistige Stufe des Negers werde durch die niedrige Stufe der (Niederung Afrikas gerechtfertigt. Die Ansicht möchte ich als irrig bezeichnen, wenigstens lassen sich gegen dieselbe Hunderte von Beispielen anführen. Die unter der Leitung des schwarzen Bischof S. D. Ferguson stehenden Erziehungsanstalten der ?i-nw8iHti5 ^m'saoM HIi,8«ion, nehmen, mit wenigen Ausnahmen, nur Kinder der Natives auf. Sie lernen dort lesen, schreiben, rechnen u. s. w., und werden dort besonders talentvolle Schüler zu Lehrern und Missionaren ausgebildet. In Kap Palmas befindet sich das sogenannte Asyl, eine Erziehungsanstalt für Töchter von Eingeborenen, und in Half-Cavally, einem Negerdorfe etwa vier Stunden vom Kap, ist das Hofmanns-Institut, iu dem Knaben bis zum fechözchuten Jahre ihre Erziehung erhalten. Verheiratet werden die jungen Christen nach vollendeter Erziehnng miteinander und in besonderen Dörfern und Kolonieen angesiedelt. Mancher schwarze Missionar oder Lehrer, der im schwarzen Tuchauzug den Weißen mit europäischeu Manieren begrüßt und iu gutem Englisch zu unterhalten versteht, trägt die über der Nase sich Hinzichende blanc Marke, der beste Beweis, daß die direkten Abkömmlinge von sogenannten wilden Eingeborenen sehr wohl unsere Kultur iu sich aufzunehmen ini stände sind. Mich besuchte in Harper häufig eiu solcher, in dem Hofmanns-Institut erzogener Schwarzer, dessen Vater, ein Grcbro-King, ihn der genannten Schule übergeben hatte. In dem Institute hatte er den Namen Appelton als Familiennamen erhalten, und war nach beendigter Erziehung nach Fishtown, einem Negerdorfe, unter lantcr Eingeborene als Torffchullehrcr geschickt wordeu. Bei einem solchen Besuche brachte er auch seine Frau, die im Asyl erzogen war, mit. Ich bat Z9H Central'Afrika und die Zlegerbevülkerung. vcidc, an meinem Nachmittagskaffee tcilznnehnien, und ganz wie Europäer wußten sic sich zu benehmen. Ein Gespräch entwickelte sich über naheliegende Sachen, und nnr zn natürlich kam Mr. Appel-ton auf seine Kinder gn reden. Er erzählte mir von seinem zehnjährigen Sühnchcn, der so besonders gnt lerne und den er gerne in eine dcntschc Schnlc geben möchte; doch seien die Kosten zn unerschwinglich für ihn; ob ich nicht behilflich sein könnte, feinen Wunsch zu verwirklichen. Über seine Schule änßerte er: Die Schule wird an fünf Tagen der Woche regelmäßig mit dem Vorlesen eines Abschnittes ans den Büchern des Reueu Testaments, in der Grebro-sprache, eröffnet. Die täglich gebrauchten Bücher sind das 5levv American Spelling Book, Reader's Arithmetics, Grodrich's Child's Pictoral History of the United States, Mitchell's first and second Lessons in Geography, Richardson's Temperance Lesson Books ltttb Fuster's Story of the Gospels and Bible mit farbigen %llu= stratwncn. Die Kinder sind begierig zu lernen. Die Nativckinder besonders schätzen ein Buch mehr als die Kinder von Liberianern. (Wigt Erzeugnisse und GcistcslltlWlNg der Zieger. Sprichwörter und 3tätscl. — Zwei Veschncineninärchrn. — Kulturfeindlicher Vin-stich der arabischcu Ntürchen. — Charakteristische Gespräche: Vlirton und der Neger ohne Zahlensinn. Mit dem Obmann der Eseltreiber Der mohammedanische Glcmbmöciferer und der skeptische Neger. Der Missionar und sein Schüler. Sehr viele Negersprachen, vor allen die Mvongwcsvrache, sind ungcmein reich an Sprichwörtern, worin sich bekanntlich der Witz und die Weisheit eines Volkes am charakteristischsten knndgiebt. Die Sprichwörter sind das ungeschriebene Gesetz und das Sittenbuch dieser Naturvölker und bei dcn Mpongwe stehen dieselben in solchem Ansehen, daß man von einem sehr weisen Manne sagt: Er versteht die Sprichwörter. Wir geben einige der charakteristischsten: Der Steigbügel ist der Vater des Sattels (Aller Anfang ist schwer). Der Faden ist gewohnt, der Nadel zn folgen. Geistige Erzeugnisse und GeisteSuerfassunss der Neger. 39I Die Fußsohle kommt in allen Schmutz des Weges (Schlechter Umgang ?c.). Ohne Pulver ist die Flinte nur ein Stock. Fast bringt nichts ins Haus. Eine einseitige Erzählung ist nicht allemal richtig; höre auch die andere Seite, ehe dn entscheidest. Wer eine schöne Fran nimmt, nimmt Unruhe ins Haus. Heute ist der ältere Bruder von Morgen, Ein Tag Regen macht die Dürre von Wochen gut. Das Schlinggewächs will mit jedem Banme verwandt sein. Mau soll nicht den Fisch fragen, was anf dem Lande geschieht, und die Ratte nicht, wie es im Wasser aussieht. Der Tod brachte den Fisch in den Palast. Wenn der Fuchs stirbt, trauert keine Henne, denn der Fuchs zieht kein Hühnchen auf. Weun der Fisch getötet ist, wird ihm der Schwanz ins Maul gesteckt (Wer den Schaden hat, braucht für Spott nicht zn sorgen). Die Sterne folgen dem Mond, wie die Küchleiu der Heuuc. Die Leute meinen, der Arme sei nicht so klug wie der Reiche, denn, fragen sie, wie könnte er arm sein, wenn er klug wäre. Der Sklave ist lein Stück Holz (wörtlich: Kein Kind eines Baumes), Wenn er stirbt, weint seine Mutter, denu auch der Sklave war einst ein Kind in seiner Mutter Hause. Zorn zieht Pfeile aus dem Köcher, Geduld Nüsse aus dem Sack. Wohin ein Mann sich wendet, sein Charakter geht mit ihm. Außer den Sprichwörtern besitzen diese Völker auch viele Märchen und Rätsel. Wenn die Familien im Mondenfcheine au Sommerabenden in dem offenen Hofe sitzen, welcher den Mittelpunkt der Wohnung ansmacht, und die Märchen sind erschöpft, so ergötzt man sich an Rätselaufgcben und über glückliche und unglückliche Lösungen derselben erhebt sich ein mehr als homerisches Gelächter. Solche afrikanische Rätsel sind z. B. folgende: Wie heißt die kleine verschlossene Kammer, die voll Nadeln ist? — Der Mund mit den Zähnen. Welchen kleinen Berg kann niemand ersteigen? — Das Ei. Was kann jeder zerschneiden uud doch steht er nicht, wo er es Zerschnitten haN — Das Wasser. Im allgemeinen gilt von den Erzeugnissen des dichteuden Volks-geisteö der Neger das zusammenfassende Urteil vou Friedrich Müller, 400 Central'Afrika und die NcsserbeMkenmg. der dieselben auf Fabeln, Rätseln und Sprichwörter beschränkt. „Namentlich dic letzteren, sagt er, zeugen run einor besonderen Originalität und angeborenem Mutterwitz. Die lyrischen Gesänge sind bci dem engen Gefühlskreise des Negers unbedeutend; die besseren derselben lassen fremden, arabischen Einflnß nicht verkennen." Charakter und Gemütslebeu eines Volkes treten am augenscheinlichsten nnd prägnantesten in dessen Märchen- und Erzählungslitte-ratur zn Tage, deren Wichtigkeit für die Kulturgeschichte erst gegenwärtig in ihrem ganzen Umfange gewürdigt wird. So zeigen denn auch die zahlreichen Märchen, welche sich die Betschuanas seit alten Zeiten erzählen, trotz manchen ungeheuerlichen, barbarischen Seiten Züge des lebhaft anffasfenden afrikanischen Geistes, welchem selbst höhere moralische Regungen nicht fern liegen. In dieser Bezichnug find die folgenden zwei Märchen, deren Mitteilung wir dem katholischen Missionar <3asalis verdanken, weit charakteristischer als mauche weitläufige Sittcuschilderuugen. I. Kammafta und Litaolane. Vor sehr alten Zeiten ging einmal das ganze Menschengeschlecht zu Grunde. Ein Ungeheuer, das man Kammapa nennt, verschlang alle, die Großen wie die Kleinen. Dieses Tier hatte eine solche Länge, daß die schärfsten Angcn kanm von dem einen Ende zum andern sehen konnten. Nur Eine Frau blieb auf Erden übrig. Diese entging der Gcfrässigkeit der Kammava, weil sie sich versteckt hatte. Sie gebar einen Sohn in einem alten Kuhstallc. AIs sie ihren Neugeborenen genau betrachtete, staunte sie uicht wenig, seinen Hals mit Amuletten geschmückt zu scheu. „Da dem so ist" — sprach sie — „soll fein Name Litaolane (der Prophet) heißen. Armes Kind, in was für einer Zeit bist dn zur Welt gekommen! Wie wirst dn dem Kammapa entgehen? Was werden deine Amulette dir nützen^" So sprechend, sammelte sie draußen einige Handvoll Düngerstroh, die ihrem Säugling als Lager dieueu sollten. Als sie aber wieder in den Stall trat, wäre sie vor Schreck nnd Staunen beinahe des Todes gewesen: das Kind war schon zum Manne herangewachsen und hielt Nedcn voll Weisheit. Litaolane ging sogleich hinaus ins Freie und wunderte sich über die Stille und Öde ringsumher. „Mutter" — sprach er — „wo sind Geistige Erzeugnisse mid Geistesverfassung der Neger. 401 denn die Menschen? Giebt es niemanden auf Erden außer dir und mir?" „Mein Kind", — antwortete die Frau Zitternd — „uoch vor kurzem hat es vou Meuschen gewimmelt, auf Bergen nnd in Thälern; aber das Tier, vor dessen Stimme die Felsen erbeben, hat sie alle verschlungen." „Wo ist dieses Tier?" „Ach, eö ist ganz in unserer Nähe!" Litaolane nimmt ein Messer und geht, trotz der Vorstellungen seiner Mutter, um dcu Weltfresser zu bekämpfen. Kammapa öffnet seinen entsetzlichen Rachen und verschluckt den Litaolane; der Sohn des Weibes ist abcr uicht tot; er ist, mit seinem Messer iu der Haud, leibhaftig iu den Magen des Ungeheuers gcfahreu und zerschneidet ihm die Eingeweide. Kammapa stürzt unter fürchterlichem Gebrüll zu Boden; »Litaolaue macht sich sofort ans Werk, um durch deu Bauch des Ungeheuers eine Bahn zu brechen; aber sein spitzes Messer bedroht Tausende von Kreatureu, die gleich ihm selber eingeschlossen sind, mit dem Tode. Stimmen ohne Zahl schreien aus alleu Winkelu des Bauches: „Durchbohre uus nicht!" Es gelingt ihm jedoch, eine Öffnung anzubringen, durch welche die Völker der Erde mit ihm aus Kammapas Bauch entkommen. Die geretteten Menschen sagen zu einander: „Wer ist derjenige, den ein Weib allein geboreu und der niemals die Spiele der Kindheit gekannt hat? Welches ist seine Abkunft? Er ist ein Wunder, kein Mensch — er kaun uicht mit uns zusammcu wohnen; sorgen wir, daß er wieder von der Erde verschwinde." Darauf machten sie eine große Grube, bedeckten sie mit etwas Rasen und setzten eine Bank daranf. Dann schickten sie einen Boten an Litaolcme und ließen ihn: sagen: „Die Ältesten deines Volkes haben sich versammelt uud wüuscheu, daß du iu ihrer Mitte Platz uchmest." Litaolane kam; sobald er aber dem Sitze uahc war, stieß er einen seiner Widersacher in die Grube, nnd dieser verschwand für immer. AIs feine Feinde diese List vereitelt saheu, versuchteu sie eine andere: „Litaolane hat die Gewohnheit", — sagten sie — „wenn der Tag heiß ist, an einem Röhricht zu ruhen; versteckeu wir einen be-waffncteu Krieger in dem Röhricht." Dieser heimtückische Kuust-griff gelangt nicht besser, als der erste; Litaolane wnßte alles und Baumaarten, Afrika, 26 402 Centml-Afnka lind die Ncgerbeuolkenmg. seine Weisheit machte inlmcr die Bosheit seiner Verfolger zu Schanden. Nachher versuchten einige, ihn in ein großes Feuer zu werfen; alier sie fielen selbst hinein. Als er eines Tages hartnäckig verfolgt wurde, kam er zum Ufer eines tiefen Flusses und verwandelte sich in einen Stein; der Verfolger, erstaunt darüber, daß er ihn so Plötzlich aus dem Gesichte verloren, ergriff zufällig diesen Stein und warf ihn au das jenseitige Nfer, mit den Worten: „So würde ich Litaolane den Kopf zerschmettern, wenn ich ihn drüben bemerkte." Der Stein wurde wieder Mensch, und Litaolanc lächelte über seinen Widersacher, der jetzt seiner ohnmächtigen Wnt mit Schcltwortcn und drohenden Gebärden Luft machte. II. Der kleine Hase. Eine Fran bekam Lnst, von der Leber des Niamatsane zu essen. Ihr Mann sagte ihr: „Weib, du bist toll; das Fleisch des Niamatsane ist gar nicht eßbar, nnd außerdem ist dieses Tier sehr schwer zu jagen, da es iu einem Sprunge drei Tagereisen zurücklegt." Aber die Frau ließ uicht uach, und ihr Mann ging, da er fürchtete, sie würde krank werden, wenn ihr Gelüste keine Befriedigung fände. Er sah in der Ferne eine Herde Niamatsaneö; Nucken und Beine dieser Tiere waren wie glühende Kohlen. Er verfolgte sie mehrere Tage, nnd endlich gelang es ihm, sie zu erreichen, als sie eben in der Sonne schliefen. Er warf einen starten Zauber auf die Tiere, tötete das schönste von ihnen, schnitt ihm die Leber aus nnd brachte seiner Frau die ersehnte Speise. Sie aß mit großem Appetit; aber bald darauf fühlte sie ihre Eingeweide wie von Feuer verzehrt. Nichts konnte ihren Durst stillen; sie lief an den See der Wüste, trank alles Wasser nnd blieb dann, jeder Bewcgnng unfähig, am Boden liegen. Am anderen Morgen erfuhr der Elefaut, der König der Tiere, daß sein See ausgetrocknet sei. Er rief deu Hasen uud sagte ihm: „Du bist ciu großer Läufer; eile lind sieh, wer mein Wasser getruukcn hat." Der Hase lief mit Windesschnclle nnd kam bald wieder, feinem Könige anzuzeigen, daß es eine Frau gewesen. Der Elcsaut ließ einen Rat der Tiere berufen, es erschienen Löwe, Leopard, Rhinoceros, Büffel, Antilope — nnd alle sprangen nnd hüpften nm ihren Geistige Erzeussnisfe und Geistesverfassung der Zieger. ^,()3 König herum, daß die Wüste erbebte. Der Elefant rief zuerst die Hyäne anf nnd sagte ihr: „Du, deren Zahn so scharf ist, geh und durchbohre den Magen des Weibes." Die Hyäne antwortete: „Nein, Herr! Du weißt ja, daß ich gewohnt bin, die Menschen nur in offenem Kampfe anzugreifen." Dann rief er den Löwen nnd sagte ihm: „Du, dessen Klane so stark ist, geh und zerreiße den Magen des Weibes." Der Löwe entgegnete: „Nein; du weißt, daß ich nur denen ein Leid anthue, die mich zuerst angreifen." Dann rief der Elefant den Stranß nnd sagte: „Du, der so gewaltige Schläge versetzen kann, geh nnd hole mein Wasser." Der Strauß rennt fort, mit den Flügeln im Winde rudernd, und wirbelnder Stanb bezeichnet feinen Weg; endlich naht er der Fran und stößt sie so heftig mit dem Fnße, daß alles eingcschlnckte Wasser aus ihrem Munde sprudelt und in einem ungeheuren Bogeu zurück in das Bett des Sees fällt. Die Tiere tauzcu einen Reigen um ihrcu Gebieter und schreien freudig: „Das Wasser des Königs ist wieder da!" Schon hatten sie drei Nächte geschlafen, ohne zn trinken; sie lagerten sich um den See und wagten es doch nicht, das Wasser des Königs zn berühren. Nur der Hase erhob sich in der Nacht und trank; dann nahm er etwas Schlamm und beschmierte damit das Manl und die Kniee des Springhasen, der neben ihm schlief. Am Morgeu bemerkteu die Tiere, daß das Wasser sich etwas vermindert hatte, und schrieen alle: „Wer hat von dem Wasser des Königs getrunken?" Der Hase sprach: „Seht ihr nicht, daß es der Springhase war? Seine Kniee sind kotig, weil er sich beim Trinken gebückt hat, nnd er hat so viel getrunken, daß Schlamm an seinen Lippen klebt." Da fnhren alle Tiere in die Höhe, tanzten um den Elefanten und riefen: „Der Springhase hat den Tod verdient, er hat sich vermessen, das Wasser des Königs zu trinken!" Ein paar Tage nach der Hinrichtung des Springhascn fing der Hase, als er sich allein glaubte, zu singen an: „Häschen, wie bist dn verschmitzt! Dein Nachbar hat für dich sterben müssen." Man hörte es nnd verfolgte ihn; er entkam aber und hielt sich verborgen. Nach einiger Zeit ging er znm Löwen nud sagte: „Freund, dn bist sehr abgemagert; die Tiere fürchten dich, und es gelingt dir selten, eines zu erlegen; mach ein Bündnis mit nur, und ich werde dich mit Wild versorgen." Der Bund wnrde geschlossen; nach 26* ^O4 Central'Afiika und die Ziegerbevülterunss. Anleitung des Hasen uinzog der Löwe einen großen Naum mit starkem Pfahlwerk und grnb in dcr Mitte cm ziemlich tiefes Loch. Der Hase ließ den Löwen in das Loch kriechen nnd bedeckte es so weit mit Erde, daß nnr die Zähne hcrvorsahen. Dann lief er nnd schrie in die Wüste: „Ihr Tiere! kommt, ich zeige cnch ein Wunder; ihr könnt eine Kinnlade sehen, die ans der Erde wächst!" Die Tiere kamen von allen Seiten herbei; zncrst erschienen die Gnus, nach ihnen die dnmmen Knaggas, dann die verzagten Antilopen. Anch dcr Affe stellte sich ein, sein Innges ans dein Rücken tragend; er ging ans das Luch zn, nahm einen spihcn Stab, räumte etwas Erde weg und sagte: „Kind, halte dich fest an meinem Rücken — dieser Tote ist noch fnrchtbar!" Mit diesen Worten kletterte er behend das Pfahlwcrt Hinali nnd eilte fort. In demselben Augenblicke entstieg der Löwe dem Loche; der Hase verschloß den Eingang der Verpfählnng, nnd alle Tiere wurden erwürgt. Die Freundschaft zwischen beiden war jedoch nicht von Dauer; der Löwe machte seine überlegene Stärke geltend, und sein kleiner Verbündeter beschloß, sich zu rächen. „Mein Vater", — sprach er einst zum Löwen — „wir sind dem Negen nnd Hagel ausgesetzt; banen wir uns eine Hütte." Der träge Löwe überließ dem Hasen die ganze Arbeit; dieser nahm des Löwen Schwanz nnd flocht ihn so geschickt in die Pfähle und das Nohr der Hütte, daß er für immer darin stecken blieb. So hatte der Hase die Frende, seinen starken Gegner vor Hunger nnd Wut sterben zn sehen: daranf zog er ihm die Hant ab und steckte sich hinein. Von allen Seiten brachten die Tiere ihm zitternd Geschenke; man fiel vor ihm nieder und überhänfte ihn mit Ehren. Der Dünkel des Hasen wuchs immer mehr; er vergaß endlich seine Verlarvnng und prahlte mit seiner List. Von dem Augenblicke an wurde er verfolgt, von allen Seiten bedroht, von allen Tieren verwünscht und verabscheut. So oft er sich zeigte, rief man: „Siehe da, der Mörder des Springhafen, der Erfinder der Zahngrube, der grausame Sklave, dcr feinen Herrn verhungern ließ!" Nln in feinen alten Tagen einige Ruhe zn genießen, mnßtc er sich endlich ein Ohr abschneiden, und erst nach dieser schmerzhaften Operation dnrfte er es wagen, nnter seinen Mitbürgern zn erscheinen, ohne die Besorgnis, erkannt zn werden. Geistige Erzeugnisse und GcistcZvcrfasfimst der Neger. 405 Bekanntlich ist dlirch das Vordringen dcr Araber in Afrika deren Erzählnngslitteratur, natürlich durch mündliche Überlieferung, weit nach Westen nnd Süden hin verbreitet. Mit ihren Märchen verbreiten die Mohammedaner ihre fabelhaften geographischen Anschauungen, von denen Burton uns ein Bild giebt. Als er einst einem mohammedanischen Scheich von Lamu die ruude, Gestalt der Erde und ihre Bewegnng nm die Sonne Zu beweisen snchte, wurde der Scheich sehr unwillig nnd warnte alle vor solchen Lehren, welche dem Koran widersprächen. Hierauf setzte er seine eigene rcchtglänbigc Meinung den Passagieren auseinander: 1. Im Norden der Erde, sagte er würdevoll, giebt cs ein Baher-el-Tnlemat, d. h. eiu Meer der Finsternis, weil am Ende der Erde beständige Finsternis ist, nnd weder Sonne noch Mond gesehen werden, und die Sterne aneinander schlagen. Es sind dort nngehcure Walfische, welche die größten Schiffe umstürzen. Die Franken gehen dorthin, nm Gold nnd Silber im Wasser zn snchen. Dorthin kommt daö viele Geld der Europäer, welche Esel und Pferde vor die Walfische werfen, damit sie ihre Schiffe nicht umstürzen. 2. Es giebt drei Wunder der Welt, welche von allen gnten Mohammedanern geglanbt werden. Erstlich die Mnnara-el-Iskan-daria, d. h. die Minarete von Alexandrien, welche sehr hoch sind und anf ihrer Spihc Kanonen haben, die bei einer Annäherung von Schiffen von selbst losgehen; zweitens die Mesdfchid-el-B'annamai (die Moschee von Bannamai, welche jetzt zerstört ist), welche .^<»0 Thore gehabt hat, die sich alle selbst öffneten, nachdem ein Thor geöffnet war; drittens El-Schagir-el-Hindie (der indische Banm), welcher eine Frncht erzengt, die Fraueu hervorbrachte, die riefen: „Waki, Waki!" 3. Jenseit Ehina ist eine Insel, welche ihre Lage verändert nach der Beschaffenheit des Windes von Norden nach Süden, Osten und Westen. Dort ist der Vanm Eksir, welcher leinen Schatten giebt, aber eine Arznei enthält gegen alle möglichen Krankheiten nnd bösen Geister. Mit solchen Märchen uuterhalteu sich die Araber auf den Schiffen, besonders nachts beim Mondschein, wem, sie lange nicht einschlafen. Aber sie verbreiten sie anch alo Glaubensartikel unter den Negern. Sie lernen diefen kulturfeindlichen Unsinn in den Schulen. (S. Seite 174.) 406 Central«AfriIa und die Negerbevöllerung. Die Geistesverfassung der Neger, die Beschränktheit und die nn-geheurcn Schwierigkeiten, welche die Europäer, vor allen der Missionar, zu bewältigen haben, nin sich in geistigeil, namentlich religiösen Dingen verständlich zn machen nnd in ihre geistige Nacht einzudringen, läßt sich am obicktivsteu ans einigen Gesprächen zwischen Negern, Europäern und Arabern erkennen, welche wir nachstehend mitteilen nnd welche das höchste Interesse beanspruchen dürfen. I. In Ostafrika hatte Burton trotz seiner Kenntnis der Suaheli-Dialekte Mühe, sich einigen Völkern verständlich zn machen; sie konnten sich z. B. den einfachen Begriff einer Zahl nicht vcrsinnlichen. Wenn er sie fragte, wie man in ihrer Sprache I, ^! nnd .'! nenne, liefen sie fort oder saßen starrend und schweigend da. Er fragte etwa in folgender Weise: „Höre, o dn mein Bruder! In der Sprache der Küste (dem Kifawaheli) sagen wir I, 2, 3, 4, 5." Dabei bezeichnete er die Sache an den Fingern, nm sie besser zn versinnlichen. Der wilde Mann entgegnete: „Hu, hu! Wir sagen Finger." „Die sind nicht gemeint. Der weiße Mann will wissen, wie du 1, 2, 8 nennst?" „Gins, zwei, drei? Was? Schafe, Ziegen, Frauen?" „Das nicht, sondern nur l, 2, 3 Schafe iu deiuer eigenen Sprache der Wapoka." „Hi, hi! Was null der weiße Mann mit der Wapoka?" In dieser Weise ging es fort; wenn aber die Wilden einmal ins Schwatzen gekommen waren, hörten sie nicht mehr auf. Mit Sklaven, die schon länger in Dienst waren, ging es schon etwas besser, obschon man anch mit ihnen nach zehn Minuten alle Geduld verlor. II. Burton teilt eine Nnterhaltnng mit, welche der Obmann der Eseltreiber, Tuanigana, anknüpfte; sie ist sehr bezeichnend. Der Kirangozo erkundigte sich zuerst uach der Gesundheit und sprach: — Dein Znstand, Mdnta? (d. h. Abdullah; der Negroide kann aber dieses Wort nicht anssprechcn.) — Der Znstand ist sehr (d. h. gut). — Und der Zustand von Spikka? (Es ist Speie gemeint.) — Der Geistige Erzeugnisse und Geistesverfassmlg der Neger. 407 Zustand von Sftitka ist sehr. — Nun fährt Tuanigaua fort: Wir sind den Wagogo entronnen, weißer Mann, Oh! — Wir sind ihncn entronnen, mein Brnder. — Die Wagogo sind schlecht. — Sie sind schlecht. — Die Wagogo sind sehr schlecht. — Sie sind sehr schlecht. — Die Wagogo sind nicht gnt. — Sie sind nicht gut. — Die Wagogo sind gar nicht gnt. — Sie sind gar nicht gnt. — Ich fürchtete mich sehr vor den Wagogo, denn sie töten die Wanyam-wezi. — Das thun sie. — Aber nnn fürchte ich mich nicht mehr vor ihncn. Ich nenne sie (folgen ewige derbe Schimpfwörter) und will mit dem ganzen Stamme fechten, weißer Mann, Oh! — So ist es, mein Bruder! Hl. Außer den: heidnischen „Medizinmann" besitzt die Karawane auch einen Araber, der das Amt eines mohammedanischen Priesters und Wächters in sich vereinigt. Ob er gleich ein arger Dieb ist, lastet doch die Religion schwer ans dem armen Manne. Während z. B. alle untereinander an: Feuer sitzen, fährt er plötzlich im Be-kehrnngseifer auf einen der Heiden los, der den für ihn sehr phantastischen Namen Mugnnga Mbaya (der böse weiße Mann) führt, denn er ist so schwarz wie das Pique-Aß und sagt: „Auch du, Mugunga Mbaya, mußt sterben." „Ich!" antwortete der Angeredete, der sich persönlich beleidigt fühlt, „sprich nicht also. Auch du mußt sterben." „Es ist ein bitteres Ding, das Sterben," fährt Gut Mahomed fort. „Hui," sagte der andere, „es ist schlimm, sehr schlimm, niemals wieder schönes Zeug zu tragen, nicht mehr bei seiner Fran uud seinen Kindern zu seiu, nicht mehr zu esseu, zu trinken, zu schnupfen uud Tabak zu rauchen. Hm! hin! es ist schlimm, sehr schlimm." „Aber wir werden", entgcgnete der Moslem, „Fleisch von Vögeln essen, sehr viel Fleisch, vortrefflich gebraten, und Zuckerwasser trinken uud was nur sonst wünschen." Den Afrikaner bringeu dicfe Widersprüche in Verlegenheit. Vögel hält er nicht gerade für ein gntes Gericht, Braten dagegen liebt er sehr, „sehr viel Fleisch" vergleicht er mit seiuem halbeu Pfund im Topfe und sich selbst würde er für Zucker verkaufen; aber er hört nichts von Tabak nnd fragt verlegen: „Wo, mein Bruders" 408 Central°Afrilci und die Ncgerbevülkerung. „Dort," antwortet Gut Mahomed und zeigt nach dem Himmel. Das versteht der andere uicht. Die Entfernung ist groß und cr kann kaum glauben, daß der Araber ubcn im Himmel gewesen ist und die Vorräte dort gesehen hat. Er wagt also zu fragen: „Bist du dort gewesen, Bruder?" „Verzeihe Allah!" ruft Gut Mahomed, halb zornig, halb erfreut, ans. „Was für ein Heide dn bist! Mein Bruder, eigentlich dort gewesen bin ich nicht, aber Allah sagte es meinem Lehrer, der es feinen Nachkommen erzählte, die es meinem Vater und meiner Mntter mitteilten, daß wir nach dem Tode zu ciuer Pflauzung lämen, wo..." „Hm!" grunzt Muguuga Mbaya, „es ist gut, daß du uuS solchen Unsinn von deinem Vater nnd deiner Mntter erzählst. Also Felder uud Pflanzungen giebt es im Himmel?" „Ganz gewiß," antwortet Mahomed, der nun ansführlich die Vorstellung des Moslems von dem Paradiese auseinandersetzt, die der andere mit allerlei nnglänbigcn Ausrufungen unterbricht, bis er ans seinem Nachdenken plötzlich auffährt, den Kopf emporrichtet und fragt: „Nuu Bruder, du weißt alles; sage mir, ist dein Gott schwarz wie ich oder weiß wie unser Fremder oder brauu wie du?" Darauf weiß Mahomed nicht sogleich zn antworten; er hilft sich vorläufig mit Ausrufungen, bis er endlich den weifen Ansspruch thut: „Gott hat gar kciuc Farbe." „Pfni!" ruft darauf der Heide, der fein Gesicht schrecklich verzerrt und verächtlich ansspnckt. Er ist mm mülstäudig überzeugt, daß ihn der Araber zum Narren haben wollte. Das „sehr viele Fleisch" hätte ihn gegen seine bessere Überzengnng beinahe verleitet; jetzt schwand dies nnd nichts blieb ihm übrig, als das halbe Pfuuo im Topfe. Er hört auf gar nichts mehr, was der andere auch zu ihm sageu mag. — IV. Es ist eine ziemlich allgemeine Erfahrung der Forfchuugs-reisendeu und Missionare, daß die Neger hänfig für Bekehruug und Überreduug durchaus unempfäuglich siud. „Die Missiouare", sagt Burton von den MombaS, „mußten cingcstchen, daß ihre schwarze Herde den ärgsten Ungläubigen und Spöttern in Europa nichts Geistige Erzeugnisse und Geistesverfassung der Neger. 409 nachgebe und blasphemicre". Die Schwarzen sagten zu den Sendboten: „Euer Gott ist ein schlechter Gebieter, denn er heilt fcine Diener nicht." Gin Mann, welchen man bekehrt hatte, starb an einer Krankheit; daraus zogen die Wanika den Schluß, daß es einen Erlöser gar nicht gebe; ein solcher müsse ja doch dafür sorgen, daß feine Freunde nicht vom Tode hinweggerafft werden können. Bei Gesprächen über Gott änßern sie den Wunsch, ihn einmal zu sehen, aber nur um an ihm Nache dafür zu nehmen, daß Verwandte, Freunde und Ochsen gestorben sind; denn daran trägt ja er die Schuld. Der westafrikauische Neger gleicht in dieser Beziehung vollkommen seinem ostafritanischen Bruder. I. Smith, ^ra,ä« iluci Ii'nvul» in tll6 xuit' ot' (^uiuLÄ ana >Vo8wi'n Africa, I.onä. 1657, erzählt Folgendes: Ich nahm jede Gelegenheit wahr, mit ihnen über Gott und Religion zu sprechen. EineS Tages sagte ich zum Häuptling: „Was habt ihr gethan, König Pepplc?" „Dasselbe wie ihr; ich danke Gott." „Für was?" „Für alles Gntc, das Gott mir sendet." „Habt ihr Gott schon gesehen?" „Schi! Nein! Ein Mensch, der Gott sieht, muß sogleich sterben," „Werdet ihr Gott schcn, wenn ihr sterbet, Köuig Pcpplc?" „Das weiß ich nicht (dabei wurde er sehr aufgeregt). Wie kaun ich das wissen? Dcuke gar nicht daran und will auch über dieseu Gegenstand gar nichts mehr hören." ' „Weshalb denn nichts „Das geht euch uichts au uud ihr habt nicht danach zu fragen, denn ihr seid hierher gekommen, um mit mir Handel zu treiben." Smith schreibt weiter: Ich wußte mm, daß ferner nichts mit ihm anzusaugen war, und ließ den Gedanken fallen. Indem ich von Sterben und Tod sprach, hatte ich eine zarte, sehr empfindliche Saite berührt. Köuig Pepplc sah uun wild und grä'mlich ans, der Ausdruck iu seiuem Gesichte wechselte rasch, uud er war innerlich sehr aufgeregt. Eudlich gcbärdete cr sich sehr heftig, sein Antlitz zeugte von wildem Grimm, und er fuhr dann mit den Worten heraus: „Wenn ich Gott hier hätte, so würde ich ihn auf dem Trade Jind Travels in the gulf of Guinea and Western Africa, Lond. 1857, erzählt Folgendes: Ich nahm jede Gelegenheit wahr, mit ihnen über Gott und Religion zu sprechen. EineS Tages fasste ich zum Häuptling: „Was habt ihr gethau, König Pepplc?" „Dasselbe wie ihr; ich danke Gott." „Für was?" „Für alles Gute, das Gott mir seudet." „Habt ihr Gott schon gesehen?" „Schi! Nciu! Ein Mensch, der Gott sieht, muß sogleich sterben," „Werdet ihr Gott scheu, wenn ihr sterbet, König Pcpplc?" „Das weiß ich nicht (dabei wurde er sehr aufgeregt). Wie kaun ich das wissen? Dcuke gar uicht daran und will auch über dieseu Gegenstand gar nichts mehr hören." ' „Weshalb denn nichts „Das geht euch uichts au uud ihr habt nicht danach zu fragen, denn ihr seid hierher gckommcu, um mit mir Haudel zu treib eu." Smith schreibt weiter: Ich wußte nun, daß feruer uichts mit ihm anzusaugen war, und ließ den Gedanken fallen. Indem ich von Sterben und Tod sprach, hatte ich eine zarte, sehr empfindliche Saite berührt. Köuig Pepplc sah uun wild uud grämlich aus, der Ausdruck iu seiuem Gesichte wechselte rasch, und er war innerlich sehr aufgeregt. Eudlich gcbärdete cr sich sehr heftig, sein Antlitz zeugte von wildem Grimm, und er fuhr daun mit den Worten heraus: „Wcuu ich Gott hier hätte, so würde ich ihu auf dem 410 Central-Afrila mid die Negerbevölkerung. Flecke totschlagen." Nach so diabolischen Worten trat ich voll Entsetzen einen Schritt zurück. „Ihr möchtet Kott totschlagen, König Pevple? Ihr schwatzt wie ein Verrückter, ihr könnt Gott nicht totschlagen. Aber angenommen, ihr könntet ihn umbringen, dann würde ja alles gleich aufhören, denn er ist ja der Geist, der das Weltall zusammenhält. Er aber kann euch tüten." „Ich weiß, daß ich ihn nicht totschlagen kann, aber wenn ich ihn totschlagen könnte, so würde ich ihn totschlagen." „Wo lebt Gott?" „Tort oben." Er zeigte nach dem Himmel. „Aber weshalb möchtet ihr ihn denn totschlagen?" „Weil er die Menschen sterben läßt," „Aber, mein guter Freund, ihr möchtet doch nicht etwa ewig leben? Oder möchtet ihr das?" „Ja, ich möchte immer leben." „Aber nach nnd nach werdet ihr alt und dann schwach und hinfällig, wie jener Mann dort." In der Nähe stand ein blinder, abgemagerter Mensch. „Ihr werdet lahm und taub werden, wie dieser, nud blind obeudreiu, uud habt kciu Vergnügen mehr auf der Welt. Wäre es nicht besser, ihr stürbet vorher, nnd machtet eurem Sohne Platz, wie cncr Vater cnch Platz gemacht hat?" „Nein, das will ich uicht; ich will bleiben, wie ich bin!" „Aber bedenkt doch; wenn ihr nun nach dem Tode an einen Ort kämet, wo es schön und herrlich ist nnd —" König Pepple fiel mir ins Wort: „Davon weiß ich nichts, das kenne ich nicht; ich weiß, daß ich jetzt lebe, ich habe sehr viele Fraucu, viele Niggers (Sklauen) und Kähne; ich bin König, und viele Schiffe kommen in mein Land. Weiter weiß ich nichts, aber am Leben bleiben will ich." Ich konnte zu keiner Antwort kommen, denn er wollte nichts mehr hören, und wir sprachen dann von Handelsgeschäften. Die afrikanischen Sprachen. 411 Die afrikanischen Sprachen. Die Riesenarbeit von Nubert Neeoham Cnst über die afrikanischen Sprachen. — Nnteilnnss in sechs grohe Gruppen. — Segen der Missionen, — Verschiedenartige Abstauunnnss der Negersprachen. — Charakteristisches über einige Neger-sftrachen. — Die Sabir-Sftrache als liu^u«, fmnc». — Das Kreolische auf der Insel Mauritius. — Formenreichtum nnd Schönheit afrikanischer Sprachen. — Die merkwürdigen Probleme der Hottcntotten-Eprcichc. Bisher waren die Sprachforscher vor der Riesenarbeit zurückgeschreckt, das durch eine lange Neihe von Reisenden uud Missionaren auf afrikanischem Boden gesammelte linguistische Material wissenschaftlich zu sichten, um endlich ciumal eiue genaue Übersicht und Klassifizierung aller heutigen afrikanischen Sprachen zu erlangen. Noch 187!» konnte Friedrich Müller (Allgemeine Ethnographie) nur die Unzulänglichkeit der Nissenschaft trotz der ansehnlichen Hilfsmittel gegenüber der „Unzahl der afrikanischen Sprachen nnd der beinahe unglaublicheu Mcuge von Völkern" konstatieren. Die Arbeit war um so schwieriger, da das oft kostspielige uud seltene Material für die afrikanische Linguistik, die uoch keinen Lchr-stuhl an Universitäten besitzt, in keiuer öffentlichen Bibliothek vollständig vorhanden ist. Der Forscher war also auf seineu eigenen Sammelsteiß, sciue eigenen pekuniären Mittel angewiesen, es mußte ein Mann sein, der, wie Cnst selbst in der Vorrede sagt, genügeud freie Zeit, Geld, Fleiß und Intelligenz besaß, um durch Sammluug und Klassifizicruug des ungeheuren Materials „den künftigen Sprachforschern eine solide und gesnnde Basis zu verschaffen, vou wo aus sie mit Sicherheit wciterschrciten können." Das Werk ist nicht bloß für Sprachforscher, sondern auch für Missionare von höchster Be-dentnng. Erwägt man, daß Cnst 438 unterschiedene Sprachen und außerdem noch 153 Dialekte bearbeitet hat und daß wohl vier Iüuftel des Materials aus den von Missionaren geschriebenen, zum teil uoch uicht veröffentlichten") Wörtcrsammluugeu, Grammatiken, einheimischen Fabeln uud Geschichten, Übersetzungen von Liedern uud heiligen Schriften, Schulbüchern, Gebetbüchern und Katechismen besteht, wie sie von der Mission für die Mission ausgearbeitet werden, *) In den Archiven der Missionsgcsellschaften, in Sir George Grey'ö Bibliothek in Kapstadt ist noch der größere, wertvollere Teil vergraben. 412 Central'Afrita und die Negerbevüllcnmg. so kann man some Entriistung über Unwissenheit und Oberflächlichkeit der Tagespresse und selbst einzelner Furschungsreiscndcn nicht zurückhalten, welche uoch immer die Mär von der Unwissenheit nnd Nichtsthuerei der Missionare verbreiten, die nur darauf bedacht seicu, unter den Heiden in aller Bequemlichkeit und Gemütlichkeit ihr Schäfchen zu scheren. Im Schlußworte sagt der Verfasser: „Lassen Sie mich noch einmal den Missionaren Lebewohl sagen, diesen gntcu und selbstlosen Leuten, welche wohl in ihrem eigenen Landc es hätten zu hoheu Ehren bringen können nnd sind doch ansgegangen, in elenden Hütten zn wohncu, oft genng, um darin zn sterben; welche, während sie auf dcm Ambos Afrika mit dem Hammer des Evangeliums hart arbcitcu, auch helle Funken sprachwissenschaftlichen Lichtes hervorlocken, eine vorher in tiefstes Dunkel gehüllte Welt zu erhellen." — „Der Missionar ist das besondere Erzeugnis, der höchste Nuhm des 1!>. Jahrhunderts. Ich kümmere mich nicht darnm, wer diese Ichtcu Zeilen liest oder uugeleseu läßt; aber sie smd durch ciue lange, bewährte Erfahrung in Asien, dnrch eine genaue Beobachtung Afrikas diktiert, dnrch die Überzeugung, wie gut es für das Mcuschcngeschlecht ist, daß neben dem Lärm der Kriegstrommcl, dem egoistischen Nuf des Kaufmanns, dem Zischen der Peitsche dcs Sklavenhändlers, inmitten der Koloniecn, dcs Handels, des Krieges, in jedem Teile der Welt, besouders im dunkelsten, immer wieder ein ehrlicher selbstloser Mann sich finde, iu Person die höchste uud ritterlichste Form der Moralität gerade dort darstellend, wo dieselbe sonst am wenigsten zn finden; einer, der sich nicht fürchtet, für die Unterdrückten zu streiten, die ülicln Sitten aufzudecken, gegen das Unrecht zu protestieren." — Als Mitglied des Überschungs-Komitee der Uooist? toi- promoting ebi'iktikli linovvllxl^o, als nnumÄi'^ »e^rotar^ der lioM ^«ini^ »ttoie.t)', Komitcc-Mitglicd der l!lmi-«1i mil^iouln'^ 80-oist/y, dcr lio^l ^^l'^iÄ^lli^ll ^cxüot^ nmr (inst im stände, die zuverlässigsten Erfahrungen über das Vorstehende zu sammeln. Obgleich eine ganze Reihe von afrikanischen (uameutlich die von Friedrich Müller, Allgem. Ethnographie, S. 20 als isolierte bezeichneten) Sprachen sich noch einer strengen Klassifiziernng zu entziehen scheinen, da ja mit den vielen Völkermischungeu auf afrikanischem Boden auch Sprachmischungen vor sich gegangen find und selbst noch gegenwärtig stattfinden, so ist doch die von Enst nach dem Vorgänge anderer Sprachforscher angenommene Einteilnng in sechs große Gruppen un wesentlichen richtig. Eine Übersicht derselben Die afrikanischen Sprachen. 413 nnt einzelnen bekannten Namen dürfte allgemeines Interesse beanspruchen'). I Semiten. ^. Nördlicher Zweig. 1. Pnnisch. ?. Arabisch mit 8 Dialekten: ägyptisch-arabisch, tripolitanisch-arabisch, Zanzibar!, Sahari, !c. L. Gthiopischer Zweig. 8 Sprachen, worunter Amharisch, Tigre, Harari, :c. II. Kannten. ^. Ägypter. 1. Ägyptisch. 2. Koptisch (mit 3 Dialekten). L. Libyer. I. Libysch (Marokkanischer, Saharischer, Algerischer, Tnni-sischer Dialekt). '.'. Kabylisch (nüt '.' Dialekten). Z. Ta-mashek (nnt 4 Dialekten). 4.-9. Sechs andere Sprachen mit 5 Dialekten. 0. Ethiupen. 1. Somali. 2. Galli, :c., ?e., 18 Sprachen mit verschiedenen Dialekten. III. Mußay Inlay. ^. Nnbier. 16 Sprachen, darunter Nuba, Masai, Monbntto, ^c., ^c., mit Dialekten. V. Fulah. 1. Fulah mit 5 Dialekten. IV. Meger. H.. Atlantischer Zweig. Nördliche Sektion. 28 Sprachen und viele Dialekte; unter den ersteren: Wo-lof, Sercr, Bamvara, Mande, Felnp, ?c. Südliche Sektion. 39 Sprachen und viele Dialekte (Kru, Nschanti, Dahome, 2c.). ") Eine ausführliche Inhaltsangabe findet man in der Allgem. Missions-Zeitschrift von 1884. Büttner, Die modernen Sprachen Afrikas, S. 241 ff. 414 <3entml-Afnla und die Negerbevdlkenmg. V. Nigritier. Westliche. 23 Sprachen mit Dialekten (Idzo, Ibo, Nupe, 2c.). Östliche. 15 Sprachen (Efik, Moko, ?c.). 0. Centralafrikanischer Zweig. 59 Sprachen mit Dialekten (Surhai,Haussa, Tibbu, Kuka, ?c.). v. Nilotiker. 31 Sprachen (Shilluk, Dinka. Bari, Sosi, Latuka, ?c.). V. Mantu. ^.. Südlicher Zweig. Östliche. 1. Zuln (mit 4 Dialekten). 2. Xosa. 3. Guamba. Centralc. 4 Sprachen nnd 7 Dialekte (Suto, Chuana, Kalahari. :c.). Westliche. 1. Herero. 2. Neiye (mit Schubea). 3. Ndonga. V. Östlicher Zweig. Südliche. 20 Sprachen nnd 11 Dialekte (Toka, Ncmsa, Ngcmga, :c.). Östliche. 24 Sprachen und 9 Dialekte (Komoro, Konde, Dondc, Swahili nebst 8 Dialekten, Sambara, Teita^ Taweta, Chagga, ?c.). Westliche. 34 Sprachen mit Dialekten (Hehe, Gogo, Zongoro, Kumu, Gamba, :c.). c?. Westlicher Zweig. Südliche. 25 Sprachen mit verschiedenen Dialekten (Kübele, Nela, Nano, Gangella, Bunda, Lunda, :c.). Nördliche. 55 Sprachen mit verschiedenen Dialekten (Kongo mit 11 Dialekten, Bnma mit 3 Dialekten, Gala, Kamma, Fan, Edigy mit 5 Dialetten), Dnalla, Pangue:c. VI. Kottentottcn — Muschmanner. ^. Khoi-khoi. 1. Khoikhoi (mit Dialekten Nama, Kora, Dama, :c.). Die afrikanischen Sprachen. 415 V. Heloten. 12 Sprachen (San, Vumantfu, Lala, ?e.). 0. Pygmäen. 1. Atka. 2. Dbongo. 3. Batkc-Bakke. 4. Doko. 5. Mdi-dikimo. 6. Twa. Cust fand wie seine Vorgänger (Friedrich Müller, Allgemeine Ethnographie, x. 177), daß die Negersprachen von einer einzigen Ursprache nicht ausgegangen sein können, sondern im Gegenteil Mehrere von einander unabhängige Urspruugspunkte voraussetzen. Denn abgesehen davon, daß die Abweichungen im grammatischen Bau der Ncgersprachen solche sind, die nur zwischen ganz unverwandten Sprachen sich finden, lassen sich auch in lexikalischer Hinsicht, abgesehen von einzelneu entlehnten Kultur-Ausdrücken, keine Übereinstimmungen wahrnehmen, die irgend eine Verwandtschaft verraten könnten. Besonders in der nördlichen Hälfte des afrikanischen Kontinents ist die Zahl und Verschiedenheit der Sprachen groß; doch scheint das Bedürfnis der Handelsbeziehungen im Sudan der Hanssasprache als lingua, t'i-anoa des Verkehrs cine bedeutende Vcrbreitnng gegeben zu haben. Friedrich Müller (p. 20) zahlt hier nicht weniger als 24 Sprachen, resp. Sprachstämme, unter denen sich 14 isolierte Sprachen befinden, auf. In der südlichen Hälfte treten besonders hervor die eine große Familie bildenden Bantu-Sprachen (Käfer, Zulu); die ganz eigentümlichen Sprachen der Hottentotten und Buschmänner, die Zambesisprachen, sowie im Osten die Sprachen von Zanzibar (Kisuaheli. Kikamba, !c.). Mau schließt aus der grüßercu Verwandtschaft der südafrikanischen Sprachen, daß der nördliche Teil Afrikas durch die Negcrrafse weit früher bevölkert worden fei als der südliche, oder daß die Ureinwohner des ersteren iu nicht sehr entlegener Zeit ausgerottet worden seien; jedenfalls spricht die außerordentliche Verschiedenheit aller dieser Sprachen gegen einen gemeinsamen Ursprung, wie viele körperliche Ähnlichkeiten auch vor-haudeu seiu mögeu. Wir wollen einiges Wissenswerte über den Charakter mehrerer Negersprachen mitteilen. Die am meisten verbreitete Sprache im äußersten Westen, wo der Negertypus am reinsten sich erhalten hat, zwischen dem Senegal und Niger ist die der Wolof (Uolof oder Giolof, d.h. die Schwär- 416 Central-Afrika und dic Negeibevülkerung. zen im Gegensatz zu den Fulllh, den „Gelben"). Es ist wahrscheinlich die älteste Ncgcrsprache im Westen. Tic Odschi-Sprache ist nicht minder verbreitet: sie wird gesprochen in den Reichen Ascmte (Aschanti), Assin, Fcmti, Akim, Ak-wapnn nnd Arwanüni nnd ist sehr verwandt nüt der Ga-Sprache (in Akra) nnd mit der Weybe-Sprache in Whida (Ouiäa, .luda) und zwischen deni Gebiete des Odschi nnd ^oruba. Im Nigerdelta nnd dem Kamcrungebiete sind die Sprachen ganz besonders zahlreich und wie die Sprachen von Bonny, die des Braft-Landes, die von Kwa nnd Andouuy höchst unverständlich und schwer zu erlernen. Die Sprache der Mandingo (Mande) ist durch die Eroberungs-züge dieses mächtigen Volkes weit in die Gebiete der Wolof nnd Fnlnft vorgedrungen nnd hat sich mehrere westafrit'anischen Sprachen assimiliert. Die Hausfasprache, die Handelssprache im Sudan, steht isoliert unter den westafrikanischen Sprachen nnd weist viele semitisch-hami-tische Elemente auf. Im französischen Senegambicn hat sich neben dem Wolof, der Volkssprache der Schwarzen und Mulatten, noch kein französischer Jargon wic anf den Antillen gebildet. Nur haben die Neger eine kleine Anzahl europäischer Wörter, merkwürdiger Weise meistens portugiesischer, die jedenfalls vor der französischen Besitzergreifung aufgenommen wnrden. So: »issuaro^ Dame; raMe«, inl^gcr Diener; rapai-oiliL, juuge Magd; laMt, Matrose; lou^ul, Europa.— 'lou^i, d. h. Portngal, war fnr die Schwarzen, welche die Portugiesen zuerst sahen, ganz Enropa. Bekanntlich hat Faidherbc eine kleine Elemcntargrammatik nebst Vokabular und Phraseologie in Wolof und Französisch veröffentlicht. — An der Südküstc des mittelländischen Meeres hat sich dagegen ans französischen, spanischen, italienischen und arabischen Wörtern, eine Un^un, franca, von den Franzosen Kadir genannt, gebildet, die besonders zum Handelsverkehr dient, und anch in Algier im Verkehr zwischen Eingeborellen und Soldaten gebraucht wird. Diese Sprache hat keine Syntax, von der Formenlehre nur dcu Infinitiv. Moi meskine, toi clonnar sordi. Je suis pauvre, donne-moi tin sou. Toi bibir lagua. Tu bois de l'eau. Lui fenir drahem bezef, II a bcaucoup d'argent. Die afrikanischen Sprachen. 417 8bauiou1 cliapai- bourrico, anäai- lad^i^on. I^'^spa-Fnoi l», vole UN knß (dourriqus), ii ii'I en z)i-i8on. — Merkwürdig dabei ist, sagt Faidherbe, daß der französische Troupier, der sich so ausdrückt, glaubt, er spreche arabisch; der Araber, er drücke sich gut französisch aus. Auf der Insel Mauritius, wo reines Französisch die Sprache der wohlhabenden Klasse ist, hat sich daneben unter dem Einflüsse der Kulis aus Bengalen, China, Madagaskar eine französische Kreolensprache gebildet, dereu Grundstock das Französische ist, welches die früher ausschließlich auf den Plantagen arbeitenden Schwarzen redeten. Dieser Dialekt hat merkwürdige Eigentümlichkeiten. Der Artikel wächst Z. B. mit dein Hanptloort zusammen, UcnLi> (16 oliieu), lamort, bei häufig vorkommenden Worten auch der partitive Artikel: äiMin (<1u paw), Brot, äidois, Holz, äit'5, Feuer; Hauptwörter dienen oft als Zeitwörter: la^nei-rc, kämpfen, coquin, stehlen. ?rö8Lut. mon eosMn, ich stehle' to eo6, sündigeu; «so, die Sünde; 1s8ß> in Sünde sein, immer sündigeu; si686, Einer, der immer sündigt; Ü65o, das immer Sündigen; «.Hose, das Reinseiu von Süude; lallen, das uicht Sündigen, frei sein von Sünden; n,1aii680, Giner, der nicht süudigt. Die Mponsswcs bilden ihre Wörter ebenso durch vorgesetzte Vuchstabeu. z. B.: ^okg,, lügen; in oka,, die Lüge; onolca, der Lügner. ^uta, stehlen; I^uta, das Stehlen, Diebstahl; o,jnt^, der Dieb. 8unFini3,, retten; i^unFiui^, die Rettuug; oLunFinia, der Retter. Die Art zu zählen ist verschiedcu. Der Grebo zählt bis füuf und verdoppelt dann die Zahlen bis zehn, von da bis zwanzig noch einmal; mit zwanzig geht es dann weiter bis zehu-zwanzig, d. h. zweihundert. Die Mpougwcs uud Maudiugos haben eigeutlich ein Decimalsystem, denn sie zählen bis zehn, dann folgt eine Vcrdoppc-luug, z. B. zchn uud cms (elf), zwei-zehn (zwanzig), zehu-zehn (huudert). Sehr reich stud die Formeu der Zeitwörter in der Mpongwe-Sprache, die, ebenfalls nicist durch Vorsctzeu oder Umänderu eines Buchstabens gebildet werden. So wird die vergangene Zeit gebildet durch Vorsetzen eines », uud Umwandeln des End-i5 in 1, z. B. mi tcmäu, ich liebe, ml ^touäl, ich liebte; die längst vergangene Zeit Die afrikanischen Sprachen. 419 dagegen durch Ansetzen eines <^ vor die Imperativform und Umänderung des Gnd-l», in i, — mi aronäi, ich habe geliebt. Der außerordentliche Formenreichtum mehrerer afrikanischer Sftracheu zeigt sich am auffallendsten in der Kaffcrnsprache, welche dmch Präfixe und Flexionen die Verbalformen in merkwürdiger Weise variieren kann. So z, B, kann „ich war liebend" (am^dam) znnächst durch acht Formen dargestellt werden. Da aber die dritte Person hier, wie im ganzen Verbum, schon des Subjcktpräfixes wegen zehnmal sich verändern kann, so resultieren für diese allein, durch alle acht Formen des Imverfektes «0 Formen. Und doch handelt es sich hier nur von einer Person einer Unterabteilung der einen Vergangenheit!! — Endcmaun zählt in seiner Basuto-grammatik nicht weniger als 3? Tempora und viel weniger siud es im Hercro auch nicht. In jedem Tempus habcu wir im Herero circa 20 Formeu für die einzelneu Pcrsoucn. Wenn sich auch hier der sprachbildende Geist des Menschen von einer ganz ncnen Seite zeigt, so muß mau sich doch hüten, in dem Wortreichtum mancher afrikanischen Sprache eine besonders hervortretende geistige Entwickelung zu sehen. Völker von beschränktem geistigen Horizont uud in einfachen Verhältnissen lebend, haben für dieselben Dinge eine Menge von Wörtern; die Malgafsen z. B. 30 für die verschiedenen Arten das Haar zu flechten, 20 für das Wachstum der Ochsenhörner, die Araber gegen 100 Namen für das Kamel. Livingston hörte bei den Südostafrikanern, die für jeden Hügel, jede Schlucht, jedes Büchlein einen Namen haben, gegen 20 Zeitwörter, um die vcrfchiedeneu Arten des Spazierengehens auszudrücken und noch mehr zur Bezeichnung der verschiedenen Arten der Narren. Die Kultur vermehrt mit den Bedürfnissen nnd Erfindungen auch deu Wortschatz, beschränkt dagegen die Zahl der überflüssigen Benennungen der Dinge. Höchst interessant ist die Rolle, welche die Euphonie in den afrikauifcheu Sprachen spielt. Bei vielen werden nach Hellfrich die Sätze nicht nach der Gedankenfolgc, sondern nach dem Wohlklang eingeteilt, was dnrch ein regelmäßiges Alliterationssyftem bewirkt wird nnd Sveke sagt von der Sprache um den Nyanzasce, sie sei so wuuderfam wie die Bewohner, beruhe auf Wohlklang und sei deshalb sehr compliciert; um das Geheimnis ihrer Euphouie zu enträtseln, müßte man die Eigentümlichkeit einer Ncgerseele kennen. Na, dem Namen eines Landes vorgesetzt, bedeutet in dieser Sprache 27* 42(1 Central'Aftika und die Negerbevülkenmg. „Menschen", M vorgesetzt bedeutet „einen Menschen", U „Ort oder Ortlichkeit", Ki, die „Sprache". So ist Wagogo das „Volk von Gogo", Mgogo ein „Gogomann", Ugogo, das „Land von Gugo", Ki-gogo, die „Sprache von Kogo". (In den einsilbigen Sprachen ist die Rolle der Betonung höchst bedeutend, so bedeutet im Anami-tischen: Im, bü,, dü,, dil, drei Damen gaben eine Ohrfeige dem Günstling des Königs"). Wir können die knrze Besprechung der afrikanischen Sprachen nicht schließen, ohne der merkwürdigsten derselben, der Sprache der Hottentotten zu gedenken, welche, vou eiuem der am tiefsten in der Kultnr stehenden Volke gesprochen, den Forschern die merkwürdigsten psychologischen und philologischen Probleme darbietet. Hottentotten und Buschmänner, sagt Oskar Pcschcl (Völkerkunde), bilden eine geineinsame Rasse; sie sind wie Th. Hahn bemerkt, Geschwister ciucr Mutter. Der eine Name vedentct Stotterer und wurde ersteren zur Verspottung ihrer Schnalzlaute von den Holländern gegeben. Die Buschmänner werden von den Hottentotten San (Plur. von S-^b) geheißen, die sich felbst Koi-koin, d. h. Menschen ueunen, welchen Namen man auch gegenwärtig allgemein den Hottentotten giebt. Sprachlich haben Koi-koin nnd Buschmänner nnr die Schnalzlaute gemein, die durch eiu Anlegen der Zuuge an die Zähne oder an verschiedene Stellen des Ganmens und dnrch ein rasches Zurückschnellen hervorgebracht werden. Einen dieser Schnalzlaute gebrauchen Europäer, nm ihren Verdrnß auszudrücken, einen andern hören wir bei Fuhrleuten, die ihre Rosse ermuntern. Außer den Schnalzlauten besteht zwischen den Sprachen der San nnd der Koi-koin keine Ähnlichkeit, abgesehen von wenigen Worten, die beiderseits ausgetauscht worden sind. Die Sprache der Koi-koin ist eine große Merkwürdigkeit der Völkerkunde. Der Missionar Moffat war der erste, welcher eutdcckte, daß sie Ähnlichkeit mit der altägyptifchen zeige. Dies war anch die Ansicht vou Lepsins, Prnncr Bey und selbst von Max Müller und Whitney, Blank giebt zwar zu, daß die Hottentottensprachc in den Lautzcichen für die Geschlechter mit dem Altägyptischen nnd Koptischen inniger übereinstimme, als mit anderen Sprachen, daß sich aber anch wieder Anklänge an semitische Formen finden. Gegen die Verwandtschaft haben sich v. d. Gabelcntz, Pott, Fr. Müller und TheophiluS Zahn ausgesprochen uud damit diese Streitfrage erledigt. Die afrikanischen Sprachen. 421 Jedenfalls ergiebt sich daraus deutlich, daß die Mundarten der Koi-koin eine sehr hohe Entwickelung haben müsseu und zwar eine so hohe, daß ein Sprachforscher wie Martin Hang ihre höheren und feineren Bestandteile „uur durch Berührung mit einem civilisicrten Volt" sich erworben denken kann. Ob dieses Volk das altägyptische gewesen sei, müsse vorläufig unbeantwortet bleiben. Für eine solche Berührung spricht jedoch bis jetzt keine ciuzige Thatsache. Ehe daher nicht strenge Beweise für solche Vermutungen beigebracht werden, müssen wir vielmehr daranf bestehen, daß Sprachen auch dnrch solche Völker verseinert werden können, welche ohne Berechtigung Wilde gcuanut worden siud. Die geselligen Zu-stäude unserer Vorfahren zu Tacitus Zettelt waren nur wenig besser als die der Koi-koin, nnd dennoch besaß ihre Sprache schon damals arische Hoheit. Das Nomna und die anderen Mnndarten der Koi-koin befestigen die stark abgeschliffenen Formlante am Ende der Wurzel. Aus kc>i, Mensch, ward koi-d, Mann, koi-8, Weib, Icoi-^n, Männer, Koi-U, Weiber, liui-1, Person, koi-n, Leute. Wir wählen diefes Beispiel, nm hinznzufügeu, daß aus koi, Mensch, koi-si, freundlich, 1i„i-8i-d, Menschenfreund und kni-8i-8, Menschlichkeit entsteht. Da sehr viele lieblose Anthropologen den altertümlichen Volkostämmen vorgeworfen haben, daß sich in ihren Sprachen keine Ausdrücke für Abstraktionen oder kein Wort für Gott oder Moral finde, fo wollen wir daran mahnen, daß die Hottentotten, einst anf die tiefste Stufe gestellt, das obige Wort für „Humauität" besitzen. Als Ergänznng zu dem Vorstehenden dürfte eine Erfahrnng, die der Missionar Büttner bei der Überschnng der Bibel in die Sprache der Herero machte, hier passend eine Stelle finden: es ergebe sich ans dem Studium der Sitte uud Sprache derselben, daß sie im Sinken nicht im Steigen begriffen seien und der frühere Zustand der relativ vollkommenere gewesen sei. „So findet man, sagt er (Aus der Studierstube des Bibelübersetzers, Allg. Miss.-Zeitsch. l.^1, S. i!)l>). bei immer erneuerten Versuchen, den vorhandenen Sprachschatz zn fixieren, daß allerdings in früheren Zeiten auch manche jeuer vermißten höheren Begriffe doch einmal vorhanden gewesen sind, und viele derartige Wörter, wenn sie auch aus dein allgcmciueu Verkehr beinahe verschwunden sind, finden sich doch noch zuweileu im Munde einzelner alter Leute. So hat es z. B. Jahre laug gedauert, bis mau dahiuter kam, daß die Hereru ein eigenes Wort für 100 uud 422 Centlal'Afrila und die Ncaelbcublkenma. eines für 10l>0 haben, nachdem man vorher geglaubt, sie könnten wirklich nur bis zehn zählen. Ebenso hat es viele Jahre gedauert, bis ein Wort für Gott, ein Wort für Götzenbild zmu Vorschein kam. Natürlich ging es hierin immer besser, als auch einige von den Christen, znmal von den Ältesten, einmal begriffen hatten, nm was es sich handelte nnd mm mit Eifer auch selbständig an solchen Untersuchungen sich zn beteiligen aufiugeu." — Dieselbe Beobachtung machten Missionare nnd Forschuugsreisende bei den Insulanern des großen Oceans. I. Baumgarten. Deutsch -Züdwestafrika. i. Erwerbung des ersten deutschen Kolonmlssebietes. — Grenzen und Umfang von Deutsch-Südwestafrika. — Zuverlässigkeit der Nachrichten und Untersuchungen über dessen Kulturwert. Die Aufhissnng der deutschen Reichsflagge in Angra Pccmena am ?. August l^^l bezeichnet einen denkwürdigen Wendepnnkt unserer Geschichte: die Landgrohmacht Deutschland that den ersten Schritt znr (Hrringung einer Weltniachtstellung, indem sie znm ersten Male ein überseeisches Land nnter Kaiserlichen Schutz stellte und damit den Grnnd legte zu einem Kolonialreiche, welches gegenwärtig in Afrika nnd Melanesien einen Flächenranm von mehr als 7<»!>!4 und im Frühjahr !«««>, so daß nach der inzwischen mit Portugal getroffenen Vereinbarung das deutsche Schutzgebiet sich von: Oranjeflnß bis zum Kuneneflnsse und den portugiesischen Besitzungen"), sowie von der Seelüfte bis Zum 2V. Grad östlicher Länge erstreckt. England hat noch hartnäckig, außer einigen Küsteninseln, die Walfischbai festgehalten, welche ihm höchstens zur Erhebnng von Zöllen nützen kann, für Deutschland jedoch zur Entwickelung seines Handelsverkehrs mit dem Hintcrlande als bester Hafenplatz nützlicher wäre, als selbst die Bncht von Angra Peqnena. In nenester Zeit hat man jedoch, nm die den Engländern gehörende Walfischbai entbehren zn können, eifrig nach einem andern Passendell Hafen geforscht uud in dein Sandwichhascn einen ganz Vortrefflichen Ersatz dafür entdeckt. „Sandwichhafen", sagt die Deutsche Weltpuft (-'. April 1887), „hat den großen Vorteil, daß es einen ausgezeichneten Hafen hat, fo daß Schiffe von großem Tiefgange bis nahe an die Küste gehen können, so daß nur ein verhältnismäßig kleiner Peer nlltig ist, also mit sehr geringen Kosten die Ansschiffnngseinrichtungen herznstellcn sind. Das Wasser im Sandwichhafen ist stets ruhig und gegen Sturm vollständig durch eine be-dentendc Landzunge gesichert. Die Küste wird niemals dnrch Spring-flnten bedroht und übersintet. Dazu kommt, daß in Sandwichhafen *) Dic nördliche Grenze ist nach dem Vertrage mit Portugal, (5nde 1^6ueiie uon dessen Mimdnüss diö ,M dessen zweiten Fällen, weiter bis M,i Knbcmgu Mlf dem Breiten-Parallel, von hier folgt die Grenze dem Strouilauf bis Andorn und wendet sich dann in gerader ^inie bis zum Zambesi in der Gegend der Stromschnellen von Kolima. Deutsch-Südwestafrila. 425 sich gutes genießbares Trinkwasscr findet und der Anbau der Küste bereits von den dort vorhandenen englischen Fischern mit Erfolg versucht ist. Man wird also dort leicht eiue größere Weide herstellen können. Das Terrain hat von dein Hafen bis zu den Sanddünen eine Breite von circa 300 Meter, ist also breit genug, um ein größeres Fabriketablisscmeut anzulegen. Man hat bisher geglaubt, daß die Dünen, welche im Osten den Hafen begrenzen, eilt Hindernis wären. Allein durch die neuen Forschungen ist bereits festgestellt, daß vom Sandwichhafcn nach dem Knisibthalc keine allZu große Entfernung ist. Das Knisibthal enthält ausgedehnte Weidefelder, sodaß dort größere Herdcu konzentriert werden können. Deutsch-Südwcstafrika ist, wie Kamerun und Tocwlaud, ein Kronschutz gebiet, in welchem die Verwaltung und Rechtsprechung durch unmittelbar von: Kaiser oder von der Regiernng bestellte Beamte ausgeübt wird, wogegeu in Gcsellschafts-Schnhgebieten, wie Deutsch-Ostafrika und Neu-Guinea, jeue staatlichen Funktionen von einer Privatgesellschaft auf Gruud eines Kaiserlichen Schutzbriefes vollzogen werden. Da gegenwärtig die Nordgrenze von Dcutsch-Südwestafrika sich von der Mündung des Knnene bis Kolima am Zambesi erstreckt und das deutsche Gebiet durch das Hinzutreten der Burcnrevnblik Upiugtonia (Grootfoutaiu), dereu Bewohner, vou den Ovambo uud Damara gedräugt, sich freiwillig uuter deutscheu Schutz stellteu, auf weuigstcns 400 Kilonieter nach dem Iuueru ausgedchut wordcu ist, so ist bei eiuer Lauge der Küste vou l«0 d. Meilen uud eiuer Breite bis zum 20. Grad östlicher Länge der vou George G. Brückuer") auf 20 000 deutsche Quadratmcileu berechnete Flächenraum uicht zu hoch gcgriffeu. Werden noch, was unumgänglich nötig ist, das Dvamboland am Kuuene nnd Knbango, sowie die Läuder am Ngami-Scc und südl. Zainbest uuter Reichsschutz gestellt, so wird Deutschland ein südafrikanisches Kolonialgcbict von 30 000 deutscheu Quadratmeileu haben. Die Zahl der Einwohner ist schwer zu bestimmen, doch schlagen die Missionare die Zahl der Nama auf 17—30 000, der Bergdama *) George G. Vrückuer, Jahrbuch der deutsche,! Kolonial'Pulitik und des Export. Berlin 1887. Dieses vortreffliche und fur alle Kolonialfreunde uueutbehrlichc Nerl wird alljährlich die Gntwickeluuss uusercr Kolouiecn und die Fortschritte nnsereö Handels uud Vzportcs ciugehend schildern. 426 Deutsch'Südwestafnka. cms 50 000, der Hcrcro auf 50 000 an, während die noch ganz unabhängigen Ovambo !>« 000, die Damara I,A»0i'. Mereusky uud Büttner, welche als Missionare lauge Jahre dort gelebt haben, sich im August 1«fts»die „Deutsch-Westafrikanische Kompagnie" als Sammet-stelle der deutschen Kapitalkräfte zur Ausbeutung der reichen, noch uncrschlusseuen Naturschätze des Landes gebildet hat. Dic Handelsunternehmuugcn dieser Kompagnie werden nicht ins Blaue hinein vor sich gehen, sondern haben einen durchaus positiven Boden, anf dem die Engländer bereits vorangegangen sind. Es sollen von der Küste nach dem Innern dnrch Anlage von Handelöstationen der Zugang zum Hiuterlande, besonders zu dem überans frnchtbaren Gebiete am Kubango nnd oberen Zambesi bis zum Matabelelaud, Vetschuanalaud und Transvaal erschlossen werden. Dieses Ländergebiet, fast dreimal so groß wie Deutschland, ist nach Livingstone, der dort länger als 20 Jahre lebte uud wirkte nnd nach allen Richtungen hin Reisen unternahm, nicht bloß fruchtbar uud stellenweise dicht bevölkert, sondern cmch größtenteils gcsnnd. Im laufenden Jahre ist mit zwei sehr bedeutenden Handels-expeditionen der Aufaug zu dicfcn vielversprccheudcu Uuteruchmuugm gemacht worden i dieselben werden in das Herero- und Ovamboland gcsaudt, um dort Tauschhandel zn treiben, Schlächtereien uud Handelsstationen zu errichten. Die deutscheu Missionare, deren mehr als 200 nebst 15 000 Teutschen in Südafrika leben, haben auch hier seit langer Zeit vorgearbeitet nnd solche (Hrfolgc erzielt, daß man heute mauche Herero trifft, welche deutfch sprecheu, lesen uud schreiben. Nun der Müudnng des Orange-Flusses bis zum II!. Grad südl. Breite ist die Küste eiuc kahle Sandwüste. „Es giebt kaum etwas Traurigeres", sagt der auf der Missiousstatiou Bethanien geborene Deutsche Iosaphat Hahn. „Diese Küste trägt, vom Kap der guten Hoffnung bis zum Fort Alexander (16"), denselben wüsten Charakter, der, wie die (iiugeborenen selbst sagen, „einen Hund zum Die Bedeutung der füdwest-afrikcnnschcu Küste. ^27 Heulen bringen würde", also eine heulende Wildnis 0 IwvvliuF >vi1ä6i'iio83) im wahren Wortsinn." Das trostlose Aussehen der Küste und des einen ähnlichen Charakter zeigenden 7ü<) Qnadratmeilen großen Gebietes von Angra Pequcua hat den Gegnern der deutschen Kolouialbestrebungcn in Südwestafrika einen willkommenen Stoss geliefert, nm letztere als thöricht nud aussichtslos darzustellen; hente lvürde ein solches Verfahren als Beweis einer greuzenlofeu Unwissenheit jedem Unbefangenen erscheinen, der die auf Augenschein nnd lange Erfahrungen begrüudeteu Berichte von Mcreusky, Belck, A. Kirchhofs, Fabri, Büttner, Hüftfncr, Pechuel-Lösche, Gocriug u. a. über die Hiuter-ländcr geleseu hat. — Es möge hier zuuächst eine Darstellung des Missionars Büttner ans dein Jahre 18,^5 folgen, welche auch die „wüste Küste" wertvoller erscheinen läßt, als man im allgemeinen glanbt. I. Baum garten. II. Die Bedeutung der südwestafnlanischen Küste. Wenn Südwcstafrika schon an nnd für sich manche gute Aussicht für verständig geleitete uud mit geeigucten Mitteln ausgerüstete Uutcrnehmnugen bietet, so darf vor allem auch nicht außer Acht gelassen werden, welcher beqneme Zngang zu dein weiten nnd reichen Innern gerade hier geboten ist, fodaß das Land mit vollstem Recht eine Pforte von Inuerafrika geuaunt werden kann. Allerdings ist gerade die Küste dieses Landes das am welligsten anlockende Terrain. Sicher haben sich wer weiß wie viele in Deutschland, als sie die trostlosen Beschreibungen von Angra Peqncna lasen, gefragt: was kaun denn dort zn holen sein, wo kaum ein paar Fischerfamilicn in der armseligsten Weise ihr Leben fristen können? Das Land wird jedoch desto besser, je weiter man von der Küste in das Innere fortschreitet. Uud weuu man naher zusieht, weshalb diese Küste so abschreckend ist. so findet man bald, daß das einzige, was den Häfen Vorgeworfen werden kann, nur dies ist, daß sie kein gutes Trink-wasscr bieten. Jede weitere Untcrsnchnug und nähere Vergleichnng sowohl der Häfen von Südwestafrika als der Wege, die von ihnen aus ius Iuuerc führen, mit denen des übrigen Südafrika wird uns darüber belehren, wo eigentlich der vorteilhafteste Zugang zu dem Innern zn fuchen ist. 428 Deutsch.Si'ldwcstafnka. Schon eine Vcrgleichung der Häfen allein längs der ganzen afrikanischen Küste von Riederguinea bis nach Sansibar benicist es nns, daß kein einziger Hafen (abgesehen natürlich von Sansibar) dem landenden Schiffe so viele Bequemlichkeiten nnd so grüße Sicherheit bietet, als die Häfen von Südwestafrika, die Walfischbai nnd Angra Peqnena. Entweder verhindern mächtige Barren allen größeren Schiffen anßer znr Zeit der Hochstnt den Zngang, wie in Port Elisabeth, Durban n. a., oder dieselben sind, wie die Tafelbai, gerade den gefährlichsten Winden offen, oder der landende Schiffer hat, wie in Niedergninca, mit einer mächtigen Brandnng zu kämpfen. Und dieses alles hat sich biS jetzt anch dnrch die kostspieligsten Hafcnbanten nur zum geringsten Teile verändern lassen. Dagegen bieten Angra Pc^uena nnd die Walfischbai ohne alle künstliche Nachhülfe (der Sandwichhafen mit geringer Nachhülfe, s. oben S. 424) einen fast vollkommenen sicheren Ankerplatz, der, was bekanntlich vicl fagcn will, anch bei ungünstigstem Winde sehr leicht zugänglich ist. Wie sicher die Einfahrt ist, habe ich selbst erlebt. Wir waren an einem Nachmittag ans der Walfischbai hinansgescgelt; aber bald erhob sich ein (Gewitter mit recht starken: Winde, sodah das Segelschiff, welches offenbar nicht genng Ballast für ein dort ungewöhnliches Wetter hatte, einige Gefahr lief nnd der Kapitän sich entschloß, die Bai wieder aufzusnchen. Unterdessen war es stockfinstere Nacht geworden und an der Walsischbai giebt es weder Landmarke noch Leuchtnrm; nichtsdestoweniger wurde der Eingang ganz glücklich forciert, obwohl mir das Geränsch der Brandung über den Hafeneingang orientierte. So steil fällt das Land am Gingang der Bai ab, daß anch größere Schiffe ganz dicht an dem Lande vorbeisegcln könucu; in Angra Pequena sind die Verhältnisse nicht ganz so günstig, wie in der Walfischbai, aber immerhin ist auch dort für Schiffe bis 4 Fd. Tiefgang fast absolute Sicherheit. Wenn man mm weiter die Wege von den Häfen Südafrikas ins Innere betrachten will, so mnß man bedenken, »ras für gewöhnlich auf den Karten nicht angegeben zn sein Pflegt. Dem Verkehre stellen sich in Südafrika drei Gegner entgegen: wasserlose Wüste, die Tsetse-Fliege nnd das Fieber. Beachten wir zunächst das Verkehrshindernis der Kalahari. Dieses weite Becken, in welchem fast das ganze Jahr hindnrch so gut wie gar kein Trinkwasser auf der Oberfläche oder in der Nähe derselben zn finden ist, macht allen Verkehr zwischen den Die Bedeutung der südwestafrilanischen Küste. 429 Küstenländern von Südwest- und Südostafrika ganz unmöglich und trennt die Kapkolonie von dem übrigen Afrika. Wo aber die Wüste nach Ostcn hin anfhört nnd wo sehr bald reichlich fließende Ströme den Ostabhang Südafrikas schmücken, stellen sich zwei nenc Feinde ein. Die Bnschgegcndcn um diefe Flüsse sind von der Tsetsefliege besetzt, welche allen Haustieren so verderblich ist. Und wo sonst die Vegetation stärker wird, da Pflegen anch beinahe überall die Fieber gerade dem frisch herankommenden (Hnrupäcr nur zu bald Stille zu gebieten, Nur so wird es erklärlich, daß der Verkehr von der Dela-goa-Bai und von Inhambanc ans nach den: Innern ein Minimnm ist. Sobald man anch nur eiu wenig von der Küste sich entfernt, bleibt dort als einziges Beförderungsmittel der Träger übrig, und es ist wohl jedem nur zu klar, wie teuer ein solches Beförderungsmittel ist, ganz abgesehen davon, welche Mühen nnd Lasten die täglichen Streitigkeiten mit unwilligen, unverschämten nnd dabei furchtsamen Trägern einen: jeden Reisenden und Händler fortwährend verursachen müssen. Nun haben die südafrikanischen Kaufleute es allerdings versucht, dem Znge der Boers von Port Elisabeth uud Durban aus mit Ochsenwagen weithin zu folgen; aber ein einziger Blick ans die Karte belehrt, wie ungeheuer lang die zurückzulegenden Wege sind, wenn auch uur die Gegend am Ngamisec erreicht werden soll nnd wie es su gut wie aus dem Bereich der Möglichkeit ausgeschlossen ist, per Dchsenwagen Waren ans Natal noch weiter ins Innere, etwa gar bis au deu Zambesi, zu befördern. Die Transportkosten, welche sich für die dcntfche Meile per Ochscnwagm mindestens auf etwa 4 bis 5 Mark belaufen, steigern sich ins Unglaubliche bei diesen weiten Touren und anch die wertvollsten Waren können diesen Aufschlag nicht mehr ertragen. Fast alle diese Schwierigkeiten fallen aber fort, wenn man von Angra Pequena oder gar vou der Walfischbai ans-geht; der Weg von hier nach dem Ngami odcr dem Zambesi ist um ein bedeuteudeö kürzer, als von Durban oder gar von Port Elisabeth bis dorthin, ganz zu gefchweigen davon, daß dort nicht jene hohen nnd gefährlichen Gebirgspässe zu passieren siud, wie von Natal aus. Braucht man doch, wcnn man von der Walfischbai odcr Otyimbinguc und Okahandya nach dein Ngamisee fahren will, fast gar nicht den Hemmschuh anzulegen. Dann hat man nicht zu fürchten, daß man die Tsetsegegcnden berührt, ehe man weit ins Inuere vorgedrungen ist nnd ebenso werden sich anch in den 430 Deutsch'Südwestafnta. ungünstigsten Jahren die Fieber in Damara- nnd Namaqnaland nnr alt ganz beschränkten Stellen finden. Es ist eben in Südafrika ein weites, verhältnismäßig sehr sicheres Terrain gegeben, von dem aus nencn Unternehmungen in das Innere Afrikas hinein nach allen Seiten hin die Wege offen stehen. Werfen wir noch einen kurzen Blick anf die Völker Südafrikas, so bemerken wir wiederum, wie sich die kriegerischen Bantnnationcn, wie die Znlu, die Matebcle, eben auch wieder nach dem Osten hingezogen haben, und wie alle Unternehmnngen von der Südostknste her immer wieder Gefahr laufen, dnrch die politischen Bewegungen dieser unruhigen Völker gestört zu wcrdeu. Jeder Reisende ist dort nnr zu sehr von den jedesmaligen Lauuen eiues eiuzclueu Häuptlings abhängig, so daß im Handumdrehen alles immer wieder von neuem iu Frage gestellt wird. In Südwestafrika dagegen begegnen wir zuuächft und bis au den Zambesi heran nnr friedliebenden Nationen mit patriarchalische!! Sitten, Vö'Ikcru, die sich einer ziemlichen Unabhängigkeit erfreuen nnd nuter welchen auch der Fremde sich ebenfalls leicht eine Ziemliche Unabhängigkeit verschaffen kann. Allem dem gegenüber kann eö also nur weuig ius Kewicht fallen, daß an den Häfen felbst nnr fehr schlechtes Trinkwafser zu haben ist. Gerade dieses würde sich überall ohne große Schwierigkeit beschaffen lasseu und mit jeder Meile, mit welcher der Reisende sich von der Küste entfernt, steigern sich hier nicht die Schwierigkeiten, sondern es wird ihm immer leichter, je weiter er vordringt. Und nun weise ich noch einmal zum Schlüsse darauf zurück, wie gerade hier iu Südwestafrika dnrch die deutschen Missionare bereits so viel vorgearbeitet ist, daß ein deutscher Reisender ungehindert bis an den Zambesi vordringen kann. Das Einzige, was zn fürchten, ist, daß eine fremde Macht auch anf diese Küste Beschlag legt, um auch hier zn ernten, was nicht von ihr gesäet ist. Mit den afrikanischen Schwierigkeiten wird gerade von dieser Seite her am ehesten fertig Zu werden fein. (Diese Befürchtung deö um die Kolonialsachc so hochverdienten Mannes hat sich glücklicherweise nicht verwirklicht, denn die Küste und das Hinterland stehen jetzt unter Kaiserlichen! Schnhc.) C. G. Büttner. (Auöland 1883.) Kulturwett dun Deutsch-Südwestafrika. 431 III. Kulturwert vou Dclttsch-Tüdwcstafrila. Ergebnis dei Untersuchungen der Forscher, Ingenieure und Missionare. — Dvamboland, Kakoofeld, 3,'ciinci- lind Hcrcrolaud. — Fisch- und Vichrcichwlii. In Deutsch-Südwestafrika giebt cs außer der dürren, kahlen Küste und einigen feuchten, heißen nnd daher ungesunden Niedernngcli auf den Hochebenen des Innern weite Ländcrstrecken, deren Klima den Europäern znsagt und deren Boden znr Viehzucht nnd oft selbst zum Ackerban dnrchans geeignet ist. Es ist eine unverzeihliche Ver-kennnng der Wahrheit und der thatsächlichen Verhältnisse, den Wert des ganzen Landes (20 000 lüM.) nur nach dem 750 IHM. umfassenden Angra Peqncna - Gebiet nnd des durchschnittlich 15—20 Meilen breiten Küstenstriches zn beurteilen, wie cs noch immer von Gegnern der Kolonialbestrcbnngen geschieht. Nach den Mierlässigen Untersuchungen der oben angeführten Forscher, Ingenieure uud Missionare hat sich unzweifelhaft herausgestellt, daß iu Ovamboland, einem reichen Kornlande, auch ausgedehnte Viehzncht betrieben werden kann nnd von den Eingeborenen znm teil schon betrieben wird, ebenso im ganzen Kakoofeld, weiter nach Süden; — im Piet Hcibibsch-Gebiete, in Omaheke, im Nama- und Hererolande findet sich nicht bloß vortreffliches Weideland, sondern selbst manche zum Ackerban geeignete Landstreckc. Alfred Kirchhofs berichtet auS dem letzteren Lande, daß in günstigen Jahren die Weizencrnte so reichlich gewesen sei, daß z. B. in Otyimbingne von 1 Pfund Aussaat 55 Pfuud Weizen geerntet wnrden, daß die Svcicher der Miffionsstationen nnt Tausenden von Scheffeln des besten Weizens gefüllt waren, deren jeder an Ort nnd Stelle einen Wert von 25 bis 30 Mark --- 1 Ochse oder 2 bis 3 Hammel hatte. Dr. Gocring, der Kaiserliche Reichskommissar, hebt in seiner Denkschrift besonders den nnerschöftflichcn Oraörcichtum des Damara-landes hervor, wo einzelne Herero ,"()- bis 40 000 Rinder besitzen und ausgedehnte Gegenden vor dem Kriege von 1880 von den sogen. Bastards mit großem Erfolge zur Schafzucht bemcht wurden waren. Weizenbau ist mit ausgezeichnetem Erfolg von den Missionaren betrieben worden. Mit Ausnahme der nach dem Kneneflnß abfallenden Ebenen eignen sich beide Länder ihres gesuuden Klimas wegen zu europäischer Niederlassung. Dr. Ooering zählt eine Reihe von Stellen 432 Deutsch'Sudwestafrika. in dem wasserarn^cn Namaqnalandc auf, wo sich, ähnlich wic vielerorts in Transvaal, dem Oranje-Freistaat nnd der nördlichen Kaftkolonie durch Faugdäunne ohne große Kosten die Flußbetten in Scecu verwandeln lassen, welche längere Zeit das für Viehzucht und Ackerbau nötige Wasser behalten. In der nördlichen Hälfte des Landes hält die Regenzeit länger an, uud ist Wasser in Quellen uud Flüssen genug vorhanden. In betreff des Mineralreichtums des Laudcs muß man die überschwenglichen Hoffnungen etwas herabsetzen. Als im Laufe der siebziger Jahre die große Kupferminengesellschaft zu Ookcep im Klein-Namaqualanoe so glänzende Ausbeute (bis an 1"südl. Br.) abkühlend wirkt uud dort sehr ergiebige Fischereien hervorgerufen hat. Millionen von Delphinen, Tnmmleru, Haififchen, See-Aalen, Snuck (äußerst wohlschmeckend, wird gesalzen und gedörrt — besser als Stockfisch — znr Proviautierung der Schiffe nach Kapstadt ausgeführt), Steambrassen (Kabeljau ähnlich), auch Robbcu gewähren ciueu ergiebigen Fang au felsigeu Stellen, die anch überall mit zahl-loseu wohlschmeckeudeu Austeru bedeckt silld. Lüderitz uud der Engländer Spence haben bereits sehr gewiuureiche Fischereien angelegt, nnd die Deutsch-westafrikanische Gesellschaft wird diefen Vorgängern folgen. Kulturweit von Deutsch'Südwestafrila. 4ZI Ein noch weit ergiebigeres Feld der Arbeit wird ganz unzweifelhaft ein großer Teil von Deutsch-Südwestafrika der Häute-und Fleischindustrie Deutschlands bieten, in welcher wir uns namentlich von den Amerikanern haben überflügeln lassen. Mau braucht kein Nationalökonom Zu sein, um aus folgenden Thatsachen und Zahlen unwiderlegliche Schlüsse ziehen zu können. Teutschland führt jährlich für durchschnittlich l)!) 000 000 Mark Häute und Felle ein, wovon für circa 8 000 000 M. aus dem britischen Südafrika kommen, ferner für circa 10 000 000 M. frifches und zubereitetes Fleisch, sowie aus den tierischen Abfällen bereitet (schon im Jahre 1883) für 3 273 000 M. Knochenmehl, für 4 103 000 M. Superphosphate, für 6 l!50 000 M. Knochenkohle, für 4111000 M. Hörner und Hornspitzen und für 1« 188 000 M. Knochendünger. — Anstatt diese großen Summen den Amerikanern und Engländern zu zahlen, die bei ihrer hochentwickelten Industrie uns wenig davon zurückgeben, läßt sich der im Hererolande, im Kakoofelde und im Ovambogebicte vorhandene Viehreichtum dergestalt ausbeuten und entwickeln, daß wir einen bedeutenden Teil der oben angeführten riesigen Summen in unsere eigenen Taschen stecken können. Nach Merensky, Büttner, Belck, Goering u. a. betreiben die Hcrero und Ovambo eine großartige Viehzucht, einzelne Häuptlinge haben bis zn 50 000 Stück Rindvieh, auch erstreckt sich zwischen der Walfischbai und dem Cuncnefluß, oft in kurzer Entfernung vom See-Ufer, ein sehr fruchtbares Weideland von fast 2000 deutschen Quadratmeilen Umfang, das gegenwärtig nur von etwa'1000 zerstreuten Hottentottenfamilien bewohnt wird, nnd den geeigneten Boden bietet zur Anlage von evenfo bedeutenden Schlächtereien und Saladeros, wie in Uruguay und Argentiuien, wo jährlich ?- bis 800000 Stück Nindvich geschlachtet werden. Fray Bcntos fing mit täglich 200 Stück au, verbraucht jetzt täglich 1200 und besitzt ein Weideland von 2? deutschen Quadratmeilen, nnd es ist nicht der mindeste Grnnd vorhanden, um zu bezweifeln, daß wir in Südwest-afrika ähnliche Etablissements anlegen konnten. Wenige Meilen von der Sandwichbai beginnt das obenerwähnte Weideland; hier wird die Deutsch-westafrikanische Compagnie ihre ersten Niederlassungen gründen und wahrscheinlich schon im nächsten Jahre mit der Fleisch- und Häute-Ausfuhr aus Afrika anfangen. Dieses ist um so erfreulicher und notwendiger, da die Entwickelung der deutschen Landwirtschaft mit der Zunahme der Bevölkerung von jährlich mehr Nauniüarten, Nfrilll. 28 434 Deutsch'Südwestafrika. als 500 000 Seelen nicht gleichen Schritt halten kann, das Bedürfnis der Fleischeinfuhr immer bestehen bleiben wird. Je größere materielle Kräfte die Teutsch-westafrikanischc Compagnie einsetzen kann, desto bedeutender und rascher wird der Erfolg sein. Vanmgarten. Die Eingeborenen von DeM-MmstaMa. Die Herero oder Tamara.*) I. Der Vollsnamcn. — Die Herero alZ leidenschaftliche Viehzüchter. — Die Nerg-damara und ihr Treiben. Das Hinterland von Walfischbai und Angra Pequena ist, etwa den Süden abgerechnet, seit undenklichen Zeiten von nomadischen Bantuvöl kern bewohnt, als deren bekannteste Repräsentanten hcutzntagc in Damaraland die Herero gelten können. Sie selbst nennen sich mit dem Artikel Ova-Herero**), von den übrigen Bantn-völkern werden sie M-schimba, d. h. wohl „Brnnnengräber", genannt; die Hottentotten bezeichnen sie, vielleicht mit einer Art Schimpfwort, als Daman. Damara ist davon der Du^i t'em., indessen ist diese Form vor allem durch die Engländer gewissermaßen die offizielle geworden. Ein an mich von einem Freunde in Europa nach „Hereroland" adressierter Brief ist lange Zeit auf den afrikanischen Postanstalten liegen geblieben und endlich als unbestellbar dem Absender zurückgegeben. Dagegen sind Briefe, welche neben meinem Namen nur die Bezeichnung „Damaraland" trugen, vhne Aufenthalt an mich gelangt. Die Herero sind ein Volk, das, ohne eigentliches Oberhaupt in eine Menge Familien geteilt, nichts Höheres zu kenneu scheint, als möglichst viel Vieh um sich zu haben. Obwohl der Viehrcichtum einzelner Fürsten wie früher so noch jetzt bis an die tansende und ') Wegen der großen Bedeutung dieseö Vollöstamines für Deutsch'Süd« weftafrika geben wir mehrere sich ergänzende Darstellungen vun Missionaren und ßorichungsrcisenden, welche 5!and und Vulk genauer kennen gelernt haben. "') Nach Galwn bedeutet Oua-Hcrcru das fröhliche Hwtt, und ist Damup, der Namaqua-Naiuc für Volk, von den holländischen Händlern zu Dainara verderbt worden. Die Eingeborenen von Dcutsch.Südwestafrika. 4IH zehntanscnde Stück von Rindern nnd unzählbare Schafe und Ziegen geht, so kcntlcn sie doch nur weniges, was sonst nach ihrer Überzeugung des Menschen Herz erfreuen könnte. Wie ein richtiger Teutscher für den Wald schwärmt, so schwärmen sie für ihre Ochsen, und für einen Fürsten giebt es lein größeres Vergnügen, als zuzusehen, wie seine Rinder getränkt werden. Für eine Hererogefellschaft giebt es kein interessanteres Thema, als immer wieder die Erlebnisse ihrer Ochsen, die Stammbäume ihrer Kühe durchzusprechen. Ihres Herzens Sehnen ist erfüllt, wenn nur die Herde sich vermehrt. Daher wird auch kein Stück Muttcrvieh, überhaupt kein Kalb, kein Lamm geschlachtet, ja auch von den Ochsen nnd Hammeln wird, außer bei außerordentlichen festlichen Ereignissen, Begräbnissen n. dgl. nichts angegriffen; sonst ist man zufrieden, von der Milch der Herden zu lebeu, von dem, was die Jagd bietet, von dem, was aus der Herde von selbst stirbt. Denn selbstverständlich läßt mau nichts umkommen, nnd dem gemeinen Manne in Damaraland ist es schon recht, wenn die Herden der reichen Leute durch irgend eine Seuche decimiert werden. Noch hente wird der reiche heidnische Herero, wenn in der dürren Zeit die Milch knapp wird, lieber mit Weib und Kind Hunger leiden und den Leibgurt (welcher deshalb auch von ihnen der „Hungerstützcr" genannt wird) alle paar Tage um ciu Loch eugcr schnüreu, als daß er einen seiner lieben Hammel oder Ochsen bloß ans dem Grunde schlachtete, nm sich einmal wieder satt Zu essen. Neben diesen reichen Nomaden nnd deren stammverwandten Vasallen und Kucchten treibt sich im Damaralaudc ein rätselhaftes, schwarzes Volk umher, als wie eiue Art Zigeuner, die Bergdamara, aus der tiefsten Stufe der Kultur stehend. Obwohl an Zahl verhältnismäßig nicht gering, haben sie unter sich gar keinen politischeu Zusammenhalt, ein Volk von Sklaven und Vagabunden, das nur den einen Gedanken hat, sich den Bauch mit irgend etwas, das nach Eßbarem aussieht, vollzustopfen, mit (imuiui Hnrdiemn oder zerklopften Baumwurzcln, das den Ameisen den gefammelten Grassamen ans ihren Löchern hervorholt, und für das es keine größere Freude zu gcbeu scheint, als wenn die Hcnschrcckenscharen das Land überfallen, weil dann für sie beständig Kost genug vorhanden ist. Daneben betreiben sie auch wohl allerlei fchwarzc Künste, kennen allerlei heilsame Kräuter und tödliche Gifte, beschwören die Schlangen und wissen auf geheimnisvolle Weise den Kranken aus den schmerz- 23* 436 Deutsch'Südwestafrila. haften Körperstellen die fremden Körper hinauszusaugen, welche durch irgend einen Bösewicht hineingezaubert warcn. Daß sie, wcnn es nur irgend angeht, ihre Hände auch nicht von den geheiligten Rindem der Hcrero zurückhalten, ist selbstverständlich, wie es natürlich ist, daß die Nomaden, nm den Raub zu rächen, die Bcrgdamara-familicn überfallen, die Alten erschlagen und die Kinder als Sklaven mitnehmen. C. G. Büttner. (Das Hinterland von Walfischbai und Angra Peqncna. Heidelberg, l884.> II. Religiöse Vorstellungen. — Ihre merkwürdigen abergläubischen Meinungen und Gebräuche. — Ihre Hütten. — Putz, Gesänge nnd Musik. — Eigentümlichkeiten der Damarasprachc. — Aussprache von li, nnd 1^.. — Ortösinn nnd charakteristische Denkweise der Damara.*) Man kann den Namen „Religion" anf die einfältigen Wahngebilde der Herero nicht anwenden'. die Nacht ihres Daseins wird durch keinen Strahl höherer Anschauung erhellt. Beginnen wir mit ihrer Schöpfungsgeschichte, worin ihr verworrenes Denken besonders hervortritt. „Zn Anfang der Dinge gab cö einen Vanm (der Baum ist aber irgendwie doppelt, weil einer zu Omarnrn und ein anderer zu Omntschamatunda sich befindet), und aus diesem Baume kamen Da-maras, Buschmäuuer, Ochsen und Zebras. Die Damaras zündeten ein Fmcr an, welches die Bnschmänncr und Ochsen verscheuchte; die Zebras blieben aber zurück. Daher kommt es, daß Buschmänner und wilde Tiere an allen Arten von unzugänglichen Orten zusammenleben, während die Damaras nnd die Ochsen das Land besitzen. Der Banm gebar alles andere, was da lebt; er ist aber in den letzteren Jahren nicht mehr fruchtbar gewescu. (5ö nützt nichts, an der Seite des Banmeö zu warten, in der Hoffnung, die Ochsen und Schafe zu fangen, die er hervorbringen könnte. Ferner, ungeachtet, daß alles ans diesem Baume kommt, haben die Menschen auf eine abgesonderte Art einen besonderen Ursprung *) Nach Francis Galton. Bericht eines Forschers im tropischen Süd» afnka. Aus dem Englischen, Leipzig o. O. Neben den neuesten vortrefflichen Schriften von M'ittncr, Fritsch, sscUkcnstciu n. a. behält Galtons Werk einen be-dcntenden Wert, weil dieser znuerlässige und scharfe Neobachter zum ersten Mal das Tamaraland und dessen Bewohn« eingehend schilderte. Galton gab auch durch seme Meise zu den Ovambuö den Anstoß zu der Christianisierung dieses intelligenten, fleißigen, ackerbautreibenden Volles. Die Angeborenen von Deutfch.Südwestafrila. 43? oder .Mnäa". Es giebt sechs bis sieben Eandlls, und jede Eandll hat eigentümliche Gebräuche. Die Stämme entsprechen diesen Eandas nicht, »veil Menschen von jeder Abkunft in jedem Stamme gefunden werden." Die Hänptlinge von Stämmen haben eine Art priesterlicher Autorität — und diese mehr als Kriegerautorität. Sie segnen die Ochsen, nnd ihre Töchter bespritzen die fettesten alle Morgen mit einem in Wasser getauchten Reisbesen, wenn sie ans dem Kraal herausgehen. Sie erwarten keinen zukünftigen Zustand; doch beten sie über den Gräbern ihrer Eltern um Ochsen und Schafe — um fette und von der rechten Farbe. Kaum ein klein wenig Roman oder Zärtlichkeit oder Dichtung ist in ihrem Charakter oder Glauben enthalten; sie sind ein habsüchtiger, herzloser, dnmmcr Schlag von Wilden. Unabhängig von dem Banme und dem Eanda ist anch Dmakuru; wohl kanm t'ann er eine Gottheit genannt werden, obgleich er Regen giebt nnd ihn zurückhält. Er ist an verschiedenen Orten begraben, an welchen allen gelegentlich zu ihm gebetet wird. Die Damara haben eine ungeheure Menge abergläubischer Meinungen und Gebräuche, zwar alle sehr dumm, oft lächerlich und sehr grober Art; aber anch höchst charakteristisch. Boten werden mit Fett cingcschmiert, bevor sie anf eine Reise abgehen, und auch wieder eingeschmiert, wenn sie zurückkommen; Erwachsene essen nnr von einer Art Ochsen; Erwachsene trinken nnr ans einer besonderen Milch-kalcbasse, und so bis in das Unendliche weiter. Ein neugeborenes Kind wird gewaschen — das einzige Mal, daß es in seinrm ganzen Leben gewaschen wird —, dann abgetrocknet, cingeschmiert und dann ist die Ceremonie vorbei. In irgend einer Zeit werden die Jungen während des Knabenalters beschnitten, aber in keinem besonderen Alter. Ehe findet in einem Alter statt, welches das fünfzehnte bis sechzehnte Jahr zn sein scheint; da aber die Damara keine Iahres-rcchnung halten, so ist kaum möglich, über ihr Alter Gewißheit zu erhalten; dem Eindrucke nach, den die Damara anf mich machten, waren sie nicht so früh reif, als Schwarze gewöhnlich find. Die Zähne werden mit einem Feuersteine beschnitten, wenn die Kinder noch jung sind. Nach dem Tode wird der Leichnam in eine kauernde Stellung gebracht, wobei das Kinn auf den Knieen ruht, uud in dieser Stcllnng werden sie in eine alte Ochsenhaut genäht (das Ding, woranf sie gewöhnlich schlafen) und dann in ein Loch hinabgelassen, das dazu gcgrabcu worden ist, das Gesicht nach Norden gewendet 438 Deutsch'Südwestafrila. und zugedeckt; endlich springen die Zuschauer rückwärts und vorwärts über das Grab, um zu verhindern, daß die Krankheit herausstcige. Eine kranke Person findet kein Mitleiden; sie wird von ihren Verwandten aus der Hütto vom Fencr weg in die Kälte gestoßen; sie thun alles, was sie können, um den Tod zu beschleunigen, und wenn sie im Sterben zu liegen scheint, häufen sie Ochsenhäntc über sie, bis sie erstickt ist. Sehr wcuige Damara sterben eines natürlichen Todes. Die Hütten sind jämmerliche Dinge — die Frauen sind die Ban-nieister. Znerst schneiden sie eine Anzahl von acht bis nenn Fuh hohen Stöcken und streifen auch Quantitäten von Rinde von den Bäumen, welche sie in schmale Streifen schneiden nnd als Faden gebrauchen; oann werden Löcher gckrowt (gegraben), in einem Kreise von acht bis zehn Fuß in die Quere, in welche die Stöcke anfrecht gestellt werden; dann wird ihr Oberteil zusammengebogen, verflochten uud mit den Rindcnabschnitzcln gebunden — dies bildet das Gerüste; rund hcrnm wird Vuschwerk verwebt und angebunden, bis das Ganze eine compacte Fläche annimmt; an der einen Seite wird ein Loch, drei Fuß laug und zwei Fnß breit, znr Thüre gelassen, nnd eine gabelförmige Stütze wird iu die Mitte der Hütte gestellt, um das Dach zu stützeu; das Oanze wird dann beschmiert und getüncht, womit das Werk vollendet ist. Da das Dach von der Hihc des Feuers trocken wird uud springt, und weil es in der That gemeiniglich ein Loch statt der Feueresse hat, legen die Damara an der Außenseite alte Ochsenhäutc ubeu darauf, die sie mit Steinen beschweren, damit sie nicht vom Winde weggeweht werden können; sobald sie Luftwechsel bedürfen, zicheu sie sie auf die Seite, bei Nacht aber, wenn sie die Hütten recht behaglich zn machen wünschen, ziehen sie sie darüber. Das Meublement der Hütte besteht aus ein paar Ochsenhäuten, um darauf zu sitzen und zu liegen, drei bis vier hölzernen Gefäßen, einem thönerncn Kochtopfc, einem Sacke zn Erdnüssen, einem Lederbeutel, der etwas Putz enthält, wie rote Eiscncrde, nm sich damit zu bemalen, und einem kleinen Bcntcl mit Fett. Vielleicht befindet sich ein eisernes Messer nnd Holzspaltmcsser dabei; alles Andere wird nm die Person getragen oder im Geheimen in dem Boden vergraben. Die Kinder werden, bevor sie laufen können, von der Mutter in einer Art von Ledershawl auf dem Nucken getragen; dann läßt inan sie für sich selbst sorgen nnd sich den Lebensunterhalt unter den Erdnüssen, so gut sie können, suchen. Sie haben alle fürchterlich Die Eingeborenen von Deutsch'Tüdwestafrila. 439 angeschwollene Magen und sind mager gestaltet. Es ist wunderbar, wie sie zu so schönen Menschen aufwachsen können. Die Damara tanzen nicht viel, nur bei großen Gelegenheiten, wo sie Kricgstänze aufführen; auch singen sie nicht Znsammen, obgleich sie gern Solo's bei einer Liedersingerei lieben, wozu sie die Worte beim Singen selbst erfinden und einen Chor haben, der dann nnd wann einfällt. Ich habe eine Gnitarrc bei ihnen gesehen, sie war aber, wie ich glaube, Von deu Ovambo eingeführt; ihr einziges mnsikalischcs Instrument ist ihr Bugen. Sie binden ein Stück Lcdcrriemen nm die Sehne und den Griff und binden sie fest aneinander an, dann halten sie den Bogen horizontal gegen ihre Zähne nnd schlagen mit einem kleinen Stocke an die gespannte Bogenschnnr. Ein guter Spieler kann große Wirknng damit hervorbringen; anf den Rhythmns wenden sie mehr Anfmerksamkeit, als auf die Noten nnd ahmen mit ihrer Mnsik das Galoppieren oder Traben verschiedener Tiere vollkommen nach. Das plumpe Geplärr des Pavians ist das Meisterstück und wenu es gut ausgeführt wird, macht es, daß alle in ein brüllendes Gelächter ausbrechen. Die natürliche Farbe der Damara ist keineswegs leicht zu bestimmen, außer während der heftigen Regen, die die Lagen Fett und roter Farbe herabspülen, mit denen sie sich so reichlich beschmieren. Bei trockenem Wetter erscheint der Damara dnnkelrot-brauu und glänzend, wie ein alter, gutpolicrter Mahagonitisch; er riecht dann übel nach Oel, seine Züge find dick nnd geglättet, fein Anschn ist nninter uud warm; einige Stnnden anhaltende Regengüsse verändern aber den Menschen gänzlich. Seine Haut bekommt ein totes Anschn und verliert allen Glanz — keine Spur von Dnnlclrot darauf, ist sie uicht einmal schwarz, sondern von blasser Schieferfarbe, oder wie altes Eisengeländer, das frisch angestrichen Zu werden erfordert, nnd der Damara wird, wenn er gereinigt worden ist, ein höchst schäbig aussehender Gegenstand. Bezüglich ihrer Sprache werde ich wenig sagen, weil dies nur Sprachforscher interessieren kann nnd zn deren Besten haben die ehrwürdigen Herren Hahn nnd Rath bereits ein höchst reichhaltiges Sprachlehr- nnd Wörterbuchmannskript zusammengestellt. Ihre Sprachlehre ist mit der der Sitschuana- und Kaffernsprache beinahe übereinstimmend, die mit beinahe jeder bekannten Negersprachc in Afrila verwandt sein sollen. Sie ist höchst biegsam, so daß, wenn ein neues Wort eiumal erlangt ist, sie ein jedes Ablcitungswort sogleich und 440 Deutfch.Südwestafrila. verständlich ausdrücken können. Wenn sie daher das Wort „Brot" erlernten, würde es ihnen keine Schwierigkeit machen, sofort das Wort „Bäcker" zu bilden. Die Hauptunbehilflichkeit der Sprache ist ihr Mangel an Comparativen und Adjectiven. Sie besitzt eine Haupt-, aber nicht eigentümliche Schönheit in dein Vorsetzworte, welches jedes Sulistantwum hat. Diese Vorseßwörtcr haben alle eine specielle Kraft, die nicht leicht zu erklären ist, die aber der Lernende bald faßt. Um ein einfaches Beispiel zu gebeu: Omu ist das Vorsetzwort, welches Mannheit bedeutet; Otdschi ist eiu Ding. Nun ist Omundu einfach ein Mensch; wcuu aber gesagt wird: Oldschimundu, so wird die Idee von einem belebten Dinge der Idee von einem Menschen noch hinzugefügt, uud das Wort drückt eine alte Zahnlose Frau aus. Das Vorsetzwort des Substantivs, welches den Satz regiert, wird dnrch alle dcclinirbare Worte desselben fortgesetzt oder angedeutet, uud giebt ein Vereiuiguugsband für das Ganze ab. Der Nörtcrschatz ist von hübschem Umfange, in Bezug auf Rindvieh ist er wuuderdar reichhaltig; jede erdenkliche Art von Farbe — wie gesprenkelt, scheckig, fleckig — ist genannt. In den Cardinaltugcuden ist sie nicht stark; denn für Dankbarkeit besitzt die Sprache kein Wort; bei hastiger Übersicht meines Wörterlincheö finde ich aber fünfzehn verfchicdenc Formen, welche niederträchtigen Betrug ausdrücken. Höchst komisch ist es, daß Damarakinder, welche 1^ sagen, wie alle anderen Kinder, wenn sie das li, auszusprecheu vcrsuchcu, sobald sie älter werden, die Sache nmkehrcn und, die Aussprache des 1^ vergessend, stets li. statt desselben sageu; so wurde Herrn Kolbes Name in Korubc vcräudcrt; mein Diener, dem wir den Namen Bill gegeben hatten, wurde vou den Damara „Biro" genannt. Sie gaben sich uugcheure Mühe, meines Namens Meister zu werden, welcher nach verschiedenen Umbildungen in Bortonio festgesetzt wurde, wobei das „io" eine zärtliche VerNeiucruugsauhängesilbc ist. Anderssons Name enthielt zu viel Mitlauter für sie; verzweifelnd gabcu sie ihn auf uud uannten ihn Kabandera (den Vogeltötcr). Viele Ouambo-uud Damaraworte sind sich sehr ähnlich; so z. V. wenn man sagt: „Bringe Feuer!", so heißt dies iu der Damarasprache „«1 omuriro" und in der Ovambofprachc „ellk mnnlilioo". Anthropologisch höchst merkwürdig ist die Denkweise der Damara, wie wir in folgendem schildern werden. — In Anbetracht, daß sie Wildc sind und den Iustinkt der Örtlichkeit stark eutwickelt Die Eingeborenen von Deutsch.Südwestafrika. 441 haben sollten, sind die Damara schlechte Führer. Bei späteren Gelegenheiten, als wir unsere Routen über weite Landstrecken Zurückmachten, war es eine gewöhnliche Belnstigung, gegenseitig unsere Erinnerung an den Weg zn prüfen, indem wir fragten, was der nächste Gegenstand oder welche die nächste Drehung des Pfades sein werde, an die wir mm kommen würden. Es ist aber schwer, die Idee eines Europäers von einem Lande mit der dieser Wilden zu vergleichen, weil sie es auf so verschiedene Weise betrachten und ihre Aufmerksamkeit auf so ganz verschiedene Dinge gerichtet wird. Ein Damara verallgemeinert nichtö; er hat keinen einzelnen Namen für einen Flnß, aber für fast jede Strecke desselben einen anderen Namen; so ist Swakop ein Namaqnaname; es giebt fast kein Damara-wort für ihn. Ein Damara, der den Weg von ^. nach i; und ferner von ü uach 0 vollkommen wußte, würde von einer geraden Strecke von ^, bis (^ gar keinen Begriff haben; er hat keine Karte vom Lande in seinem Geiste, sondern unendlich viel örtliche Einzelheiten, Er erinnert sich an jeden Baumstumpf oder Stein, nnd je kindischer der Gegenstand ist, desto stärker scheint er sich darau zu erinnern. Wenn man daher sagte: „ich will an der Seite des großen BcrgeS schlafen, wo das Flußbett dicht unter seinem Fuße läuft", so würde er den Platz durch diese Beschreibung niemals erkennen; wenn man aber sagte, „unter dem Banme ein wenig an der anderen Seite des Ortes, wo der schwarze und weiße Ochse brüllte, als der lote Ochse vor ihm war und Coniati seine Hassagaie fallen ließ ?c., so würde jeder Wilde von der Reifegesellschaft die Stelle genau begreifen, welche gemeint wäre. Die Damara wählen ihren Weg Schritt für Schritt; sie träumen niemals davon, eine Richtung zu nehmen und sich nach ihr zu halten. Ihre ganzen Vcobachtnngen sind auf Spuren, Stücke und Steine gerichtet, und sie sehen beständig ciuf den Boden nieder und nicht um sich her. III. Geistige Fähigkeiten der südafrikanischen Eingeborenen, besonders der Hercro. Man macht sich in Europa im allgemeinen keine rechte Vor-stclluug von den geistigen Fähigkeiten der sogenannten „Wilden". <3s ist ja noch nicht lange her, daß mit großer Begeisterung von 442 Deutsch.Südwestafrila. vielen die Meinung kolportiert und angenommen wnrde, diese „Wilden" ständen geistig nicht viel höher wie der Gorilla, und wir fänden sicher noch irgendwo in Central-Afrika den Menschen im tierischen Urzustände. Davon kann nun ja überhaupt keine Rede sein, nnd schon auf Grund der bloßen anatomischen Vergleichung eines Kaffer-und eines Gorillahirns wird ja dcr Unterschied völlig dentlich. Noch mehr tritt es zu Tage, daß sic zunächst genan solche Menschen sind wic Nur, wenn man sich unter ihuen bewegt, in ihre Sprache und Denkweise eindringt. Da findet man denn bald eine Reihe von Thalsachen, welche mit dem Schmutz uud der Unkultur, von der dcr europäische Nciscude heutigen Tages sich abgestoßen fühlt, nicht übereinstimmen wollen, und die darauf hinweisen, daß die geistige Entwickelung dieser Völker stch schon seit langer Zeit nicht in aufsteigender, sondern in absteigender Linie bewegt, und die mau nicht audcrs als Überreste aus einer besseren Zeit ansehen kann. Dahin gehört z. B. der kunstvolle Bau der Sprachen, deren Formenreichtum und Regelmäßigkeit in dcr Grammatik ins nnglanbliche steigt. Dahin weist, daß die vergleicheude Sprachforschung es als unzweifelhaft ergicbt, daß anch die Bantnneger ursprünglich Monotheisten waren uud zum Teil noch bis ans diesen Tag eine Art von Bewußtsein davon haben, wenn sie fich auch um den ewigen unsterblichen Gott im Himmel nicht kümmern nnd in der Praxis lieber ihre verstorbenen Ahnen anbeten. Daranf weisen die Überreste von gottcs-dienstlichen Gebräuchen, deren Sinn dem Volke selbst jetzt völlig verloren gegangen, und die doch nnr dann erklärlich sind, wenn man sie mit denjenigen religiösen Ccrcmonieen vergleicht, von denen nnr sonst aus dcr Urzeit der Menschheit hören. Anch die wenigen technischen Fähigkeiten uud ssertigkeiteu, welche sich noch bei den Gin-gcborcnen Afrikas vorfiuden, lassen sich in Wahrheit nnr als Überreste alter Kullnr erklären; die Lentc selbst haben schon lange nichts Neneö erfunden, sondern handeln nnr noch uach Auleituug der Tradition. So weist alles daranf hin, daß die sogenannten „wilden" Völker zn dcr übrigen Menschheit in dem Verhältnis stehen, wie Vagabunden zn ihren Stammeögcnosfen, zwischen denen sie umherschweifen. Auch findet man bci nähcrem Znschen beim Unterricht in der Schnle immer wieder, daß die geistigen Fähigkeiten dieser „Wilden" uni uichts von den geistigen Fähigkeiten des Durchschnittes in Europa zurückstehen. Allerdings giebt es auch dort Dumme und Die Eingeborenen von Deutsch.Südwestllfiila. 443 Kluge, und mit einzelnen Schülern ist auch dort nichts für die Wissenschaften zu erreichen, aber wenn man die besser Begabten und Fleißigen vornimmt, so stellt sich heraus, daß diese Hcrcro und Hottentotten ebenso gut fremde Sprachen lernen, wie ein Europäer, daß sie für die Musik sicher nicht weniger begabt sind, daß sie im Geschäftsverkehr ebenso schlau und listig sind, als irgeud ein europäisches Handelsvolk. Auch wenn man das ganze Staatswescn dieser Afrikaner ansieht, uuter denen die Unterschiede der Stände genan fixiert sind, obwohl sie alle, mit Ocker und Butter beschmiert, halbnackt umherlaufen, so wäre alles unerklärlich, wenn man es mit Weseu, welche sich aus dem hcrdmnrtigen Zustande der Tiere „emporarbeiten", zn thun hätte, während alles verständlich wird, wenn wir die gegenwärtigen Zustände als Überreste aus jener Zeit ausehen, wo ihr einfaches patriarchalisches Regiment von dem der Arier nicht sehr verschieden war. Wie kommt es uuu, daß trotz alledcm diese Völker auf solch entsetzlich niedriger Stufe steheu? Woher hier dieses traurige Schauspiel, daß der Menschengeist mit all seinen Fähigkeiten und Entwickelungsmöglichkeiten als wic mit Ketten uud Banden gefesselt erscheint? Da sind bei näherem Zusehen nnr die moralischen Schwächen und Mängel als Ursache des tiefen Verfalls gu finden. Denu auf diesen Völkern lastet der schlimmste Egoismus, der sich denken läßt, der sich bei den Reichen nnd Vornehmen als der schmutzigste Geiz, bei dem geringen Volke als die verstockteste Trägheit offenbart. So sind sie alle mitciuaudcr in ihr Elend verkettet, keiner hat Lust, die audcru, keiucr Macht, sich felbst hcrauszu-rettcu. Und dazu kommt noch eine andere merkwürdige Erscheinung. Währeud es bei uns, innerhalb der Christenheit, einem jeden sozusagen in Fleisch und Blut übergegaugen ist, daß die Menschheit im fortwährcndeu Fortschritte begriffen oder doch wenigstens zu fortwährenden! Fortschritt berufen ist, findet man bei diesen „wilden" Völkern immer wieder den Gcdankcngang: alles ist eben so, wic es ist; es ist niemals anders gewesen, als wie es jetzt ist, nnd wird daher auch uiemals anders sein; es ist nirgends anders als wie bei uus, und was sonst von anderen Menschen und anderen Sitten erzählt wird, sind Lügen, sind Märchen. Es ist mir in dieser Hinsicht immer sehr interessant gewesen, die Vorstellungen, welche die Eingeborenen über die europäische Kultur 444 Deutsch.Sl'ldwestafnla. und die europäischen Verhältnisse hegeu, zu beobachten und zu ergründen. Reichliche Gelegenheit dazu hatte ich bei dem Unterrichte der Zöglinge des Augustinumscminars, welche aus den fähigsten Schülern unserer Elementarschulen ansgelcsen, nun in den religiösen Wissenschaften, im Deutschen, Englischen, Holländischen, sowie in den Realien unterrichtet wurden. Natürlich kamen wir bei diesem Unterricht oft genng auf die europäischen Verhältnisse zn sprechen, und immer wieder machte ich die Erfahrung, wie wenig die Eingeborenen geneigt waren, unsere Erzählungen von den jetzt in Enropa vorhandenen Zuständen für wahr zu halteu, und wie ich oben ausgeführt, sie waren viel eher geneigt, die fremdartigen Dinge, welche sie in den Händen der Europäer sahen, für Naturprodukte anzusehen, als für Erzeugnisse einer kunstreichen menschlichen Hand. Überhaupt imponierte dasjenige, was der Hercro an den Enro-päern, die in sein Land kamen, sah uud von ihnen hörte, ihm sehr wenig. Alle Erzählungen vou deu europäischen Einrichtungen in den großen Städten, der Ordnung in denselben, dem Verkehr, den Fabriten, den Eisenbahnen u. s. w. waren natürlich Märchen, mit denen der Fremde den Einheimischen tänschen wollte. Kam er doch eingestandenermaßen aus einem Lande, wo die Leute viel weniger Riuder besaßen, wie die Herero; wie konnte es in einem so armseligen Lande Besseres geben, als in Damaraland. Die Versuche, Kornfelder und Gärten einzurichten, erschieueu den Nomaden als thörichte Spielerei im Sande, Kindereien, welche ernster Männer uuwürdig wären. Und sie wnrdcn in dieser Meinung nur bestärkt, als im Anfang ein Mißerfolg dem andern folgte nnd die prophezeiten Ernten in den ersten Jahren ausblieben. Am naivsten sprach sich diese volkstümliche Anschauung über die europäische Kultur in einigen Vemcrlnngcn aus, welche ciu Herero mir gegenüber machte, der in dcr Kapstadt eine nähere Einsicht in das Lebcn der Weißen genommen hatte. Der englische Gesandte Mr. Palgrave, welcher eine Zeit lang Damaraland bereist^ hatte gcglanbt, daß es von Nutzen für die englifchc Politik sein würde, wenn einige vornehme Herero nach dcr Kapstadt kämen, nm dort einen persönlichen Eindrnck von der Macht und Größe Englands Zu bekommen. Unter andern wnrden dabei anch mehrere vornehme Christen, wie z. B. Wilhelm Maharcro, der älteste Sohn des Ober-häuvtlingS dcr Herero, und Salomo Inario, einer dcr tüchtigsten Gemeindeältcsten, nach dem Kap eingeladen. Diese Leute, welche Die Eingeborenen von Deutsch-Südwestafrila. 445 von Jugend auf in den Häusern der Missionare verkehrt hatten nnd mit ihrem bescheidenen nnd feinen Auftreten der Hereromissiun in der Kapstadt alle Ehre einlegten, waren auch der holländischen Sprache völlig mächtig, so daß ihnen alles, was sie sahen, ganz wohl erklärt werden konnte, nnd ebenso konnten sie sich überall in der Kapstadt weiteren Ausschluß crbitteu. So sahen sie denn dort alles, was irgend des Sehcus wert war; die Dampfer, die Eisenbahnen, die militärischen Einrichtungen, die Schulen, die Druckereien n. s. w. AIs diese Leute nun von dem Kap Zurückkamen, traf ich sie in der Walfischbai und fragte den Wilhelm Maharero: „Nnu, welchen Eindruck haben denn alle jene Werke der Europäer auf dich gemacht?" Da antwortete er mir: „Ach, Muhouge, jeue Sacheu kannten wir ja schon alle, Ihr habt uns ja, wer weiß wie oft, davon erzählt uud wir haben sie auf Euren Bildern oft genug gesehen. Aber wir hätten es nie geglaubt, daß es so sein könnte. So haben wir uns denn darüber gewundert, daß alles so war. wie Ihr erzählt hattet." So lag es nun nahe zu hoffen, daß es auf die gcfamte geistige Eut-wickelung der Eingeborenen in Damaraland einen günstigen Eindruck machen würde, wenn man ihnen wenigstens in einigen Stückcu die Art europäischer Arbeiten, das Lcbcn europäischer Familien cul oouln« demonstrieren könnte. Sie würden dann sehen, wie es allerdings noch eine andere Welt gäbe als die, in der sie von ihrer Väter Zeiten zu leben gewohnt. Sie sahen freilich dergleichen auch schou am häuslichen Leben des Missionars selbst, aber da meinten die Herero immer wieder, dergleichen sei eben für einen „Lehrer", der eben ein ganz besonders gearteter Mensch fei, nichts Auffallendes, sie felbst scien aber eben anders geartet. Wenn sie mm aber auch noch an anderen Leuten, die nicht „Lehrer" sind, sehen würden, wie sie anders lebten als sie selbst, so würde dann vielleicht die Möglichkeit des Fortschreitcnö auch hier für sie aufdämmeru. Möglicherweise würde man auch junge Leute aus den Eingeborenen zn Lehrlingen heranziehen können und so der ganzen Mission einen neuen Aufschwung geben. Wenn es einmal gelang, die Herero aus ihrem bisherigen, nur von Ochsen, Kühen, Schafen und Ziegen erfüllten Gedankenkreisen herauszureißen, so hoffte man auch weiter anf sie einwirken zu können. C. G. Büttner. (Tas Hinterland von Walfischbai und Angra Pcquena,) Heidelberg 1884. 446 Deutsch'Südwestafrika. Die Hercro als Heiden und als Christen. Vergleich der gegenwärtigen Zustände einer Heiden» und Christenwerft. — Praktischer Beweis der segensreichen Kulturarbeit der Missionare.*) Wie die Missionare nach vieler Mühe, Arbeit und Not endlich eine Bresche in das wohlvcrrammelte Vollwerk der südafrikanischen Barbarei gelegt nnd welche Fortschritte die Knltur hier gemacht hat, zeigt am besten ein Vergleich der gegenwärtigen Zustände einer Heiden- nnd tZhristenwerft der Herero. Daß überhaupt ans den meisten Missionsstationcn eine Heiden-nnd Christenwerft unterschieden wird, zeigt znr Genüge, wie tiefgreifend dic dnrch Annahme des Christentnms verursachte Änderung ist. Es nimmt freilich auch kein Wunder, daß ein Mensch, welcher seine Menschenwürde im Lichte des göttlichen Wortes kennen lernte, die Werfte der heidnischen Hercro nicht ferner als Wohnftätte benutzen kann. Ihre bieucnkorbartigen Wohnnngcn, Pontocs genannt, bestehend anö Laubfachwcrk mit einer dichten Schicht Knhdünger, sind eine Heimstätte dichter Finsternis, furchtbaren Schmntzcs und zahllosen Ungeziefers. Die einzige Öffnung des 10—15 Fuß im Umkreis fassenden Raumes ist die Thüre, dnrch welche man nur auf den Knieen hereinkricchen kann. Das Auge eines Europäers kann sich kaum an die im Innern herrschende Dunkelheit gewöhnen. Wo man mit Menschen oder Gegenständen auch nur in die leiseste Ve-rührnng kommt, bleibt eine Schicht dunklen Schmutzes kleben. T)as Ungeziefer nimmt derart überHand, daß diese empfindungslosen Menschen selbst die Notwendigkeit erkennen, von Zeit zu Zeit das ganze Haus mit seiner Besatzung niederzubrennen. Solchen häuslichen Zuständen entspricht auch das Gemeindeleben, welches von schmutzigen Sitten und Gebräuchen erfüllt ist. Ten Mittelpunkt der Werfte bildet der Opferplatz mit seinem ewigen Feuer. Hier tritt uoch als weiteres Charakteriftikou die Furchtsamkeit hervor, das Mißtranen gegen einander, die Furcht vor dem Feinde, die Furcht vor deu Geistern der Ahnen. Diese letzteren ZU bannen, ist der Zweck all ihrer Opfer nnd ihreö ganzen niedrigen Kultus. *) Nach F. A. Sfticcker. Mission und Handelspioniere der Civilisation. Nach praktischer Eifahnmg beleuchtet. Allgem. Miss.-Zcitschrift, 1882. Die Eingeborenen von Deutsch.Südwestafrcla. 447 Aus solchen Zuständen und Verhältnissen heraus kommen die Leute, welche durch die Kraft des Evangeliums zu menschenwürdigen Wesen herangezogen werden sullen. Die Notwendigkeit einer äußeren Trennung stellt sich dann gar bald heraus, und dies hat zur Folge, daß von einer Christenwcrft gegenüber dem Sammelplatz jener heidnischen Wohmmgen die Rede ist. Während des vorbereitenden Unterrichts tritt zunächst die Forderung einer anständigen Kleidung in den Vordergrund. Vor der Aufnahme in die Gemeinde muß der Herero sich von der braunen Ockerschmiere entwöhnen. Sein Körper zeigt dann eine schwärzliche Hautfarbe und wird in europäische Kleiduug gehüllt. Die sittliche Hebung des Volkes bedingt diesen schwierigen Prozeß, welchen die Mission mit stetig fortschreitender Kraft vollzieht. Seine Wirkung reicht jetzt schon über die Gemeinden hinaus, da auf einzelnen Stationen die noch heidnischen Häuptlinge und Großen des Stammes bereits europäische Kleidung tragen. Sie sehen wohl ein, daß sie den Weißen gegenüber durch solche Kleidung ihre Würde besser wahren können. Daß die Auucchme europäischer Kleidung seitens dieser einzelnen Heiden nicht dem Ginflusse des Handels zugeschrieben werden kaun, geht daraus hervor, daß auf dem Felde, fcrn von den Stationen, kein einziger Herero sich einfallen läßt, europäische Kleidung zu tragen. Wenn ein nencs Gemeindeglied sich dann auf der Christenwerft ansiedelt, so ist es nicht immer im stände, sogleich ein Backstcinhaus zu bauen. Deswegen finden sich auch noch einzelne Pontocs auf deu Christcnwerften, aber auch diefe zeichneu sich fchon durch verhältnismäßige Reinheit vor den heidnischen Pontocs vorteilhaft aus. Wer aber eben kann, wird dnrch den Missionar veranlaßt, sich ein Backsteinhaus mit Feustern und Thüren zn bauen, und so weisen die meisten Christenw ersten schon eine stattliche Zahl Häuser mit verschiedenen Gemächern auf. Es finden sich in den meisten ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer für die Familie (teilweise mit netten, reinen Betten), ein anderes Schlafgemach für das Gesinde nnd eine Vorratskammer. Das Wenige, was zn kochen ist, wird meistens im Freien besorgt, und daß das Seifenkuchcn eine der häufigsten Arbeiten in diefem Fache ist, zeigt, wie sehr die Leute, welcheu Reinlichkeit noch vor kurzem ein völlig unbekannter Begriff war, sich in ihr neues Leben eingewöhnt haben. Wenn die Mission weiter nichts, als das bisher Genannte, zu- 448 Deutfch.Südwestafiila. Wege gebracht Hütte, so würde man ihr einen hohen klilturellcu Erfolg nicht absprechen können. Europäische Kleidung, luftige, helle Wohnhäuser, getrennte Schlasräumc haben im Verein mit dem streng durchgeführten Gebot der Monogamie eine außerordentliche Hebung der Sittlichkeit zur Folge gehabt. Daneben hat der Schulunterricht und die Predigt des Wortes Gottes der Gedankenwelt der Herero, welche früher uur von Viehzucht, Fcindesmord, Diebstahl und Geisterfurcht belebt War, eiue höhere, menschenwürdige Richtung gegeben. Eine Sammlung von etwa !'.!» Volksliedern, dnrch Missionare gedichtet, unter welchen sich passende Umschreibungen der Lieder: Was ist des Teutschen Vaterland; Trarira, der Sommer ist nun da; Weißt du, wie viel Sternleiu stehen, und ähnliche finden, wird auch immer weiter bekannt nnd entreißt die Leute dem dumpfen Tahm-brüteu. Wie sehr vorteilhaft das Ganze auf die Charakterentwickelung gewirkt hat, trat besonders während des letzten Krieges der Hcrero gegen die Namaqua (seit 1^«0) zu Tage. Die Christen waren es, welche am zahlreichsten und in den vordersten Reihen fielen. Im dem früherm Kriege (I«!^—^?«) verdankten die Herero ihre einzelnen Siege der Anführerschaft zweier europäischen Jäger, welche sich wiederholt an ihre Spitze stellten. In diesem Kriege waren sie auf sich selbst angewiesen und, wo ein Sieg erfochten wnrde, da ist er fast unbedingt den Christen znznschreiben. Es kam wiederholt vor, daß die Heiden sich weigerten, die Schlacht zu eröffnen, mit den Worten: die Christen sind noch nicht da! Die Arbeit der rheinischen Missionare unter den Hercro, welche sich auf :-> Stationen erstreckt, steckt noch in den Kinderschuhen nnd hat doch schon herrliche Früchte gezeitigt. Es kann kein Zweifel sein: der Widerstand des Hcidentnms ist gebrocheu und die Civilisation resp. europäische Kultur findet in diesem kräftigen Volke einen dankbaren Boden. Wo der Handel mit seiner civilisatorischen Macht erfolglos stand, hat die Mission durch unermüdliche Geduld und Selbstlosigkeit eiueu herrlichen Sieg für die Civilisation errnngcn! — Vergegenwärtigen wir uns dann wieder das Resultat der beiderseitigen Einflüsse auf das Voll der Namaqua, wo der Handel sich als verderblich und die Mission als Retterin vom Untergang dieses Volkes erwies, so könnten wir zu dem Schlüsse gelangen, daß dem Handel wohl kanm eine wirkliche, kulturelle Fähigkeit iunewohue. Wir bezweifeln jedoch, daß eine solche Verallgemeinerung berechtigt Bilder cm3 Grob»Nama°Land. 449 sein würde. In beiden Gebieten stand die Unfruchtbarkeit des Bodens der Entwickelung des Handels entgegen, der sich in anderen Ländern, z. B. in Central-Afrika, für die Kultur ganz anders segensreich entfalten würde. Zildcr aus Groß-Mm-M. i. Der Hauptort Bethanim. — Mima. — Charakter, Lebensweise, Religion der Hottentotten. — Staatliche Einrichtungen. Bethanien, die Haupt- und Residenzstadt des Groß-Nama-Landes, würde in Deutschland wohl kaum Anspruch auf die Bezeichnung „Dorf" erheben dürfen: es stehen dort etwa l V?—2 Dutzend Hottentottenkraale mit hoch gerechnet 150—2W Einwohnern. Die Kraale find in der gewöhnlichen Weise verfertigt: bienenkorbartig zusammengebogene Äste werden mit Binsenmatten bedeckt, wobei an einer Seite ein etwa 2'/2—'j Fuß hohes Loch zum Hcreinkricchen freigelassen wird. Nur Kapitän Josef Frcdcriks besitzt ein aus Lehmziegcln erbautes Haus; ebenso ist auch das des Königs, worin er feine Sihnngen abhält, gebant und mit Fenstern und Thüreu versehen. Außer diesen ziemlich trist aussehenden Gebäuden befindet sich dann noch dort die sehr hübsch angelegte Mifsionsanstalt nebst Kirche unter der Leitung des Missionars Vam und etwas davon abgesondert ein Speicher der Firma F. A. (5. Lüderitz. Was die Bodenverhältnisse anbelangt, so wächst auf Bethanicn selbst und anch im Umkreise von einigen Meilen kein Gras; die dort wohnenden Hottentotten, meist sehr reiche, d. h. nach hiesigen Begriffen, oder auch sehr arme Leute, müssen ihr Vieh sehr weit weg auf die Weide schicken. Dafür hat man aber andererfeits eine ziemlich starke Quelle guten Trinlwasscrö dort. Auch findet sich in allernächster Nachbarschaft Lehrn und Kalk in Menge. Der Boden ist auch hier an uud für sich nicht unfrncht-bar, das beweist der dort betriebene Ackerbau. Aber wenngleich cs hier oben im Lande nnd namentlich auch auf Aus bedeutend häufiger regnet, wie in der Bai (der landesübliche Ausdruck für Angra Naumgarten, Afrika. 2l) 450 Deutsch'Tüdwestafrila. Pequena), d.h. 4—l^mal im Jahre, wozu sich auf Aus seiner hohen Lage wegen noch sehr häufige nächtliche Niederschläge gesellen, so ist doch diese Menge, der Feuchtigkeit bei der hier stets herrschenden trockenen Luft durchaus nicht hinreichend für eine rationelle Bebauung des Landes. Wie auf dieser von mir geschilderten Strecke, so sieht auch im allgemeinen das ganze übrige Land aus, wie mir von Händlern nnd anderen Leuten, welche das Land gcuau kennen, berichtet worden ist. Mir selbst war es nicht möglich, mich hiervon durch den Augenschein zu überzeugen; doch habe ich noch einige Streifzüge nach Norden und Süden unternommen uud gefunden, daß in den von mir berührten Hegenden (zwischen dem 25" 55^ südlicher Breite und 27" südlicher Breite) das Land dieselbe Physiognomie trägt, wie sie soeben beschrieben worden ist. So findet man auf Khuias (25" 55") eine gnte Quelle, aber der Graswuchs fehlt, so hat man auf Tiras (2<7> 5—10") ausgezeichnete Grasweide, aber es fehlt an Wasser; ein gleiches gilt von Klecn Fontein (2l'>" 4,^) und von Kuck Aus (2<>" 5<;<), wo ebenfalls gute Weide, Wasser dagegen nur in sehr beschränktem Maße zu finden ist. Eines wird dem Leser gewiß schon aufgefallen sein, daß nämlich überall, wo gnte Weide ist, das Wasser fehlt, und umgekehrt; es scheint dieser Umstand charakteristisch für das Land zu sein; ich fprcche natürlich nnr von dem Teile, den ich selbst gesehen habe. Doch steht zu erwarten, daß man an den meisten Stellen diesem Mangel durch Bohren von Brunnen wird abhelfen können, namentlich aber an den tkfer gelegenen Teilen des Landes. Aus dem hier Gesagten wird sich nun wohl jeder leicht ein Bild des Landes konstruieren künucu; mit kurzen Worteu: ciue langsam ansteigende Hochfläche, aus der sich ziemlich häusig isolierte, nach allen Seiten steil abfallende Berg-gruvvcn von 100 bis 700 Fuß Höhe erheben. Der fast durchweg vulkanische Boden trägt aus Mangel an hinreichenden Niederschlägen nur an vereinzelten Stellen reiche Krasweiden. Hin und wieder tritt eine mäßig stark fließende Quelle zu Tage, aber uur für sehr kurze Zeit, dann wird ihr Lauf wieder unterirdisch; demgemäß enthalten die zahlreichen, auf den Karten verzeichneten Flußbette auch nur bei starkem Negen Wasser, zu anderer Zeit scheinen sie Völlig trocken zu sein. Aus alledem geht hervor, daß das Land in agrikultureller Beziehung wenig Einladendes hat; was ihm in dcn Augen der Europäer Wert verleiht, das siud seine Mineral-Mtze. » Vilder aus Groh.Nama! Schafe oder Ziegen. Was das staatliche Leben anbelangt, so zerfällt Groß-Nama-Land in 8 oder 9 Bezirke, von denen jeder nnter einem besonderen Kapitän steht. Jedem derselben steht seit Cinrichtnng der Missions-stationcn ein Rat von 12 der angesehensten Männer zur Seite, welcher über alle wichtigen Dinge entscheidet. Drei dieser Kapitäne sind von der Kapkolonie hierher gekommen nnd haben das Land von den früheren Bewohnern, ebenfalls Hottentotten, von den Holländern i'ois na/i, rote Nation, benannt, gekanft, zn ihnen gehört anch der Kapitän von Bcthanicn, Josef Frederiks. Sie waren es auch, welche nach den Erzählnngen der Hottentotten, die ersten Kleider und anch Pferde in das Land brachten. Die Buschleute stehen auf einer viel niedrigeren Kulturstufe; meist besitzen sie keine Kraale, sondern leben, wie es schon der Name besagt, im Buschwerk, das sie kreisförmig einige Fuß hoch amhäufcn. Sie leben von den Erträgen ihrer Jagd, die sie teils, wenngleich jetzt schon sehr selten, mit Bogen nnd Pfeilen (meist vergifteten — Schlangengift), teils mit Feuerwaffen ausführen; bei den Nomaden findet man dagegen nur Feuerwaffen vor. Gelingt es ihnen nicht, genügend Wild zu erlegen, so nähren sie sich wohl auch vom Harze Bilder aus Groß.Nama.Lcmd. 453 des KameldornbaumeZ und von eßbaren Wurzeln. Dem Genuß solcher Nahrungsmittel sind denn auch die hänfig vorkommenden aufgetriebenen Vänchc zuzuschreiben. Köunen sie trotz alledem ihr Leben nicht fristen, so stehlen sie den Hottentotten ihr Vieh weg, wobei sie allerdings im Falle dcö Ergriffenwerdens häusig genug erbarmungslos niedergeschossen werden, vder sie bieten irgend einem derselben für Beköstigung, d. h. für Milch ^ denn Fleisch bekommen sie noch viel weniger zu sehen, als die Hottentotten, höchstens wirft man ihnen die Knochen zum Abnagen hin —, ihre Dienste an. Anf diese Weise hat sich im Laufe der Zeiten das eigentümliche Verhältnis zwischen den Hottentotten und Buschlcutcn herausgebildet, das sehr stark das Gepräge der Sklaverei trägt. Waldemar Belk. (Deutsche Kolonialzeitung, 1885. 5. H.) II. Charakteristische Scenen von der Missionsstation Bethcmien.*) Die Hauptgebäude von Bcthanien (4000' über dem Meeresspiegel) sind natürlich, da es eine Missionsstation ist, die zwcitürmige Kirche und das ziemlich große Missionshaus, beide aus Stein und Lehm unter Strohdach erbant. Dicht dabei steht das Parlamcnts-gebäude uud der Palast Sr. Majestät des Küuigs Josef, ebenfalls von derselben Bauart, doch ist derselbe noch nicht fertig und Se. Majestät wohnt, gleich feinen getreuen Unterthanen, in einer bieneu-lorbartigcu, vou Ungeziefer wimmelnden und Schnnch strotzenden Lehmhütte. Die anderen Einwohner, circa 200 an der Zahl, wohnen in teils eben solchen, teils sogenannten Mattenhänscrn, welche leicht transportabel und im Sommer bedeutend kühler, als die anderen Hütten sind. Solch eine Hütte hat ungefähr fünfzehu Fuß im Durchmesser und acht Fnß Höhe und die als Thür dienende Öffnung ist nnr gerade fo groß, daß man in gebückter Stellung hindurchkommen kann. Hier lebt nun die ganze Familie. Oft findet man ') AuS Deutsch'Afrlka. Tassebuch eines jungen Deutschen ans Augra Pe> qucna (1882 — 1884) von V.W. Werner, Angestellter in Liiderihland. Leipzig, Schlocinp, 188'), (1 M,) bildet die 3ir. 1 der unter dem Titel: „Die deutschen Kolunialgebicte" beguuncuen Neihc von populären Schriften aus der Feder von Augenzeugen über nnsere Kolonieen. Sie verdienen die weiteste Verbreitung. V. 454 Deutsch.Südwestafrila. darin, da dic Leute ein sehr hohes Alter erreiche», vier bis fi'mf Generationen. In der Mitte brennt ein Feuer, dessen Ranch sich den Ausweg selbst snchcn nuch, nnd um dasselbe hockt dann die ganze Gesellschaft bei Kaffee, dcsscn Zubereitung den jüngsten weiblichen Familiengliedern überlassen wird, und einer Pfeife Tabak, die Zeit im seligen Nichtsthun verträumend. Der Hottentotte ist das faulste, unverschämteste und frechste Subjekt, das man sich denken kann, nnd es sieht wirklich su ans, als ob Gott Land und Lente im Zorn erschaffen hat. Das Volk ver-huugcrt lieber, che es sich zur ernstlichen Arbeit entschließt, und mir sagte nenlich ein Missionar, daß mau beim besten Willen das Fluchen nicht lassen könne, wenn man mit diesem Pack zu arbeiteu hat. Obgleich anf dein Boden in Ili Ganis uud hier bei einer halbwegs vcrnüuftigeu Bestellung alles wachsen und gedeihen würde, so liegt doch mit Ausnahme des Missionsgartcns alles wüst da. Nur einige der fleißigeren Eingeborenen haben sich in der letzten Zeit um ihre Hütten auch Gärten augclegt. Alle Ermahnungen uud Vorstellungen der Missionare helfen nichts; dieselben gehen zu einem Ohre hinein und zu dem anderen hinans. Gar hänfig sind die Bekehrten nnr dem Scheine nach Christen und beten heimlich ihre heidnischen Götter nach wie vor an. Die drei hanptsüchlichsten sind: ^ni-(!ad (Morgendämmerung), Xli.^d (der Mond) und II>nl8i-l''lInd (cine Baumart). Über diesen allen steht Xm-a (Gott), welcher im I^omi (Himmel) lebt und Erde und alles geschaffen hat; doch beten sie dieses höchste Wesen nicht au, sondern beuuhcn die drei Erstgenannten als Vermittler. Diesen Gottheiten werden ebenfalls Opfcr der verschiedensten Art dargebracht, doch sind die früher gebräuchlicheren Menschenopfer fast ganz abgeschafft und als Ersatz werden die Opfersteine mit roter Farbe beschmiert, mit welcher Substanz die Opfernden anch Gesicht uud Brust einrciben. Die erste Zeit, als wir nach Ui Ganis kamen, war der Missionar nebst Familie nicht zu Hause, und wir machten es uns in dem vorher gemieteten nud in den anderen uns znr Verfügung gestellten Zimmern nach Kräften bequem. Der Herr Missionar lehrte jedoch bald zurück, und wir behielten zwar danach auch noch nnser Schlafzimmer, mnßten jedoch, wenn wir Karten spielen oder trinken wollten, in unfer mitgebrachtes Zelt gehen. Während der Abwesenheit des Missionars war die Kirche geschlossen gewesen, doch fing der Gottesdienst sofort nach Rückkehr Bilder aus Groß.Nama.Land. 455 desselben wieder an und wir versäumten es nicht, demselben beizuwohnen. Sonntag morgens !»'/2 Uhr begannen die Glocken zn läuten und wir betraten gegen 1(» Uhr, nach langer Zeit wieder zum ersten Male, vollständig nach neuester englischer Müde gekleidet und von der bereits versammelten Gemeinde neugierig augegafft und be-wnndert, das Gotteshaus. Dasselbe ist durchaus einfach und primitiv, wird der Länge nach durch einen Gaug in 2 Teile geteilt, an dessen Ende sich der Altar und die Kanzel und an den Seiten die einfachen Hulzbänke für die Gemeinde befinden. Zn beiden Seiten des Altars sind noch Stühle für die Familie des Missionars und andere Weiße. Orgel oder Harmoninm ist nicht vorhanden. Nachdem ich mich in einem der Stuhle niedergelassen, faßte ich die Versammlung etwas näher ins Ange. In der Abteilung links vom Altar saßen die Frauen, Mädchen und Kinder, rechts die Männer. Letztere waren ziemlich respektabel gekleidet, d. h. sie hatteu alle eine mehr oder weniger defekte Hose an und ein Hemd, dessen Farbe man allerdings des darauf lagernden Schmutzes wegeu nicht mehr erkennen konnte. Tic Frauen dagegen schieueu die althergebrachte Fellkleiduilg jeder anderen vorzuziehen, und man sah da groteske Aufzüge. Die Königin und einige Hofdameu hatten Kleider aus europäischen Stoffen an uud die Füße der ersteren waren in ein paar alte englische lull äre^-Schuhe und Strümpfe gekleidet, und Ihro Majestät verfehlte nicht, nm ihren Schatz allen deutlich zn zeigen, die Röcke sehr in die Höhe zn heben, daß sie anch ordentlich gesehen werden konnten. Die anderen Damen hatten teils Felle, teils große schottische Shawls um, nnd die Kinder zeigten sich wie sie Gott erschaffen hat. Meine Betrachtungen wnrdcn jedoch bald unterbrochen, denn der Missionar trat ein, gefolgt von seiuem Dolmetscher, einem Hottentotten, der auf einer Missionsschule in Da-maraland erzogen ist. Dieses kleine, aber, wie ich später sah, sonst wohlgebaute Kcrlchcn war in einen Frack gekleidet, der feinem Schnitt und spiegelblanken Anssehen nach längst entschwundenen glücklichen Zeiten angehören mußte; aber trotz aller Austrcngnng des jetzigen Besitzers wollte sich nur der oberste Knopf zumachen lasfen, während er über der Mitte des Körpers weit auseinander stand, und da keine Weste vorhanden war, dem scharlachroten Hemde freie Aussicht gestattete. Die allzugroßc Kuappheit des oberen Kleidungsstückes schien das nnterc wieder gut machen zu wollen, denn es war dermaßen weit, daß man annehmen konnte, es habe einst die zarten Gliedmaßen 456 Deutsch.Südwestafrika. eines baierischen Braumeisters geschmückt. Es schlotterte förmlich um die Beine herum und der Träger hatte, um die ihm von Natur versagte Rnnduug herzustellen, ersterer dnrch die Kunst nnter die Arme gegriffen, d. h. er hatte sich einen dicken wollenen Shawl nm den Leib gewickelt. Zum Schluß baumelte noch ein großes rotbuntes Taschentuch aus einer der Rocktaschen hervor, und man wird nur wohl beistimmen, daß bei einem folchcn Anblicke das Ernstbleiben keine leichte Sache war. Die Predigt wurde in holländischer Sprache gehalten und von dem Dolmetscher Wort für Wort ins Nama übersetzt. Nach dem Gottesdienste war noch eine Taufe, doch habe ich darüber nichts Besonderes mitzuteilen. Bemerken will ich noch, daß während des Dienstes ein alter Mann fortwährend auf und ab ging und jeden oder jede, der sich hatte verleiten lassen, Gott Morpheus stille Opfer darzubringen, durch cinc gehörige Ohrfeige zur Wirtlichkeit zurückrief, und ich kann nicht unterlassen, ihn seiner Ausdauer wegen zu loben, denn er hatte harte Arbeit. Montag wohnten wir einer Trauung bei, welche ganz nach christlichem Gebrauch vou statten ging; nachher nahmen wir auch an dem Hochzeitsmühle teil, welches allerdings von einem europäischen etwas abwich. Die Gäste waren bereits alle in einem ans Zweigen hergestellten Pavillon versammelt, nnr der König, die Großwürdenträgcr und wir hockten in einem Mattenhanse nieder und mm ging cinc Esserei los, wie ich sie noch nicht gesehen habe. Jeder aß mit dem mitgebrachten Taschenmesser und den Fingern. Bei dieser einen Mahlzeit wurden von ea. 40 Gasten 2 Ochsen, 4 Schafe, ganze Berge von Fcttkuchen und eine ungeheure Menge von Kaffee verzehrt, sür europäische Begriffe doch kaum glaublich, und Essen ist auch das einzige, worin der Hottentotte etwas leisten kann; ich glaube, daß er an Gefräßigkeit selbst die Hyäne übertrifft. III. Charakteristisches über die Nama-khoi-khoin. Die heutigen Bewohner des Landes, welche insgemein Hottentotten genannt werden, lassen sich diesen Namen nicht gefallen. Sie wollen selbst in 4 verschiedene Gruppen geteilt sein: I) die Si'm oder Buschmänner, früher zahlreich, jetzt zerstreut, das Proletariat des Landes; '.') die Huri-S-m und Gowa-S-M, vom Fischfang und der Jagd lebend; 3) die später eingcwandertcn Naman, Viehzüchter Bilder aus Groh»Nama.Land. 457 und Jäger; 4) die zuletzt über den Oranje cingcwaudcrtcu Khoi-Khoin, welche aus den englischen Kolonieen schon einen höheren Grad der Bildung mitbrachten uud meistens holländisch sprachen, sowie europäische Kleidung trugen und etwas Landwirtschaft trieben. Sie erlangten das Übergewicht über die Namas, mit denen sie sich immer mehr vermischten. Die äußere Erscheinung der Nama-khoi-khoin hat wenig Gewinnendes. An Körperumfang, Muskelkraft stehen sie ihren schwarzen Nachbarn ein wenig nach. Sie besitzen dagegen eine große Gelenkigkeit der Glieder — schwingen sich wie ein Vogel auf den Zweig, so mit dem Gewehr in der Hand aufs Pferd, — sind ausdauernde Läufer, gewandte Reiter, tüchtige Schützcu, uud diejenigen, welche die Ochsenpeitsche zu regiereu wissen, brauchbare Fuhrleute. Die Männer erreichen durchschnittlich eine Höhe von i,l!0m. Wohlgenährte Francn sieht man häufiger als beleibte Männer. Das viele Sitzen am Buden mit den Knieen am Kinn und reichlicher Milchgcuuß mag Ursache sein, daß ihr Veckenbau Abnormitäten anfweist und das Sitzen auf Stühlen erschwert. Die Farbe ihrer Hant gleicht dem Leder in seinen verschiedenen Schattierungen. Vei neugeborenen Kindern ist sie hellgrau; im späteren Alter wird sie brauuer, je mehr die Einzelnen der Sonne ausgesetzt sind. Nach 30 Iahreu zeigcu sich beim weiblichen Geschlecht schon Falten, die zu tiefen Runzeln sich ausbilden. Die Schläfen sind eingedrückt, die Stirn kngelig rückwärts gebogen, der obere Hiuterkopf stark ausgebildet. Mit den Jahren treten die Backenknochen über den hohlen Wangen immer markierter hervor. Die Nase der Neugeborenen ist kaum sichtbar, später wird sie mehr proportioniert. Die Augen siud durch wulstige Lider gut gegeu Souuen-strahlcn geschützt; ihre Sehkraft ist eiue außerordentliche und vermag sehr wohl mit uuseren bewaffneten Augeu Zu konkurrieren. Das Kinn nntcr den aufgeworfcncu Lippen spitzt sich zu uud zeigt geringen Bartwuchs. Die Kopfhaare hiugen deu „Alteu" eiust in Strähnen übcr die Schläfe und auf die Schultern herab; diese Pflege wird ihnen nicht mehr zu Teil. In ungekämmtem Zustande stehen sie gruftpenweis zusammen, so daß kahle Furchen dazwischen sichtbar sind. Im höheren Alter werden sie grau und weiß. Kahlköftfe steht man aber unr unter bejahrten Bastarden. Im allgemeinen sind sie mehr ein ideal wie praktisch angelegtes Volk — Sangniniker, seltener feste Charaktere. Wenugleich ihre 458 Deutsch.Südwestafrika. Sprache kciu Wort für „Laune" besitzt, lassen sich die Leute doch meist vou ihr regieren. Ili ihrer Sucht uach Herrschaft und Freiheit kcnuen sie keiue Grcuzcu. Iu dcui Streben nach Anerkennung ihrer Persönlichkeit, in ihrem Bestehen auf wirklichem oder nur vermeintlichem Rechte sind sie Egoisten ersten Ranges. Wer ihrer Ehre zu nahe tritt oder sie zu beschränken droht, hat es auf lange Zeit hinaus mit ihnen verdorben. Das vielleicht schon Jahrtausend lange Ringen um ihre Existenz den schwarzen Nassen gegenüber, eine 200 jährige Unterdrückung seitens der Weißen hat gewiß viel dazu beigetragen, sie sehr reizbar zn machen, wie andererseits die nomadisierende Lebensweise jedem Einzelnen reichlich Gelegenheit bietet, im Kampf ums Dasein sich nach allcu Eeitcu zu üben. Strebt doch schon das 6 Monate alte Kind auf alleu Nieren aus der dunklen Mattenhütic hiuans aus Licht, in die Freiheit, iu der es heranwächst, von Stufe zu Stufe sich selbst überlassen, bis zum ül)- und IWjährigcn Greis. Ihr Scharfsinn, soweit er sich aufs Naturreich uud die Telbst-erhaltuug erstreckt, ist bewuudernswcrt ausgebildet. So lassen sie sich z. B. auf Zählversuche iu ihreu Herdeu uicht leicht ein, wissen aber, wenn sie abends dieselben gemustert haben, ob von tauseud Stück eins fehlt, was sie zu dem Ausruf veranlaßt: „ich sehe ein Schaf, das nicht hier ist," Die Quelle ihres Humors ist uuversieg^ bar; ihrer Phantasie lassen sie deu größten Spielraum. Wäre ihre Kapazität im Reiche der Zahlen so groß, wie ihre Liebe zn Gesang, Mnfik uud Dichtung oder ihre Fähigkeit, fremde Sprachen sich an-zneignen, dann wäre manches mit ihnen zu erreicheu. — Nicht unbedenklich steht es mit ihrem Charakter. Er ist in seltenen Fällen ganz zuverlässig. So großherzig sie siud im Begehren, so bereitwillig sie vor nns stehen im Versprechen, so glücklich sie sich fühlen im Genießen, so ungeduldig werdeu sie, weuu ihre Lust unbefriedigt bleibt, so kühl verhalten sie sich über ihre Naukelmütigkcit und Trenlosig-leit, die mau ihnen vorhält. Daß der Gläubiger die inzwischen schon mannigfach veränderten Verhältnisse des Schuldners, seien sie nun verschuldet oder unverschuldet, uicht geuug berücksichtigt, kaun dicseu möglicherweise zu amtlichen Anklagen veranlassen, eine Auffassung des Rechtes freilich, die mit ihrer traditionell gewordenen Art Kommnnismns zusammenhängt. Von derselben Quelle sind auch herzuleitcu ihre Gastfreundschaft, ihre Bereitwilligkeit, einander aus-zuhelfen in drückeudeu Lagen. Leben uud Lebenlasseu ist ihr Grundsah. Egoismus, was das Irdische anbelangt, Geiz, Habsucht sind Bilder aus Groß0 Stück in dem dürren Stepvenlande gesehen. Außerdem würde nach meiner Ansicht, wie im Kaplande, so auch in der Kalahari an geeigneten Stellen die Zucht vou Straußcu iu Gehegen vou Vorteil sein. Es fei mir gestattet, hier kurz zu berichten, was ich im Kaplande von Straußenparks gesehen habe. Ein sandiger, 2- bis 300 Hektar großer Raum, ans dem hier nnd da Gras nnd niedrige Sträucher wachsen und, wenn möglich, eine kleine künstliche Wiese gehalten ist, wird durch drei Drähte umhegt. Letztere sind 2, 4 und l> Fnß vom Boden dnrch Pfähle gezogen, welche «0 bis 100 Schritt von einander stehen. An die oberen Drahte werden alte Fetzen, Lappen oder kleine Aste befestigt, damit die Strauße die Drähte feheu, nicht dagegen laufen und so die Hälse beschädigen oder abschneiden. Vor allem muß der Straußeupark sorgfältig vor Raubwild geschützt werden. Die kostbaren Federn werden den Vögeln alljährlich ausgerupft. Um wieder auf die Kalahari zurückzukommen, so habe ich bemerkt, daß die von mir gesehene Gegend nur dünn von Menschen bevölkert war. Zwei Dorfschaften, welche ich auf meinem kleinen Abstecher besuchte, verdieueu nach deutschen Begriffen diefe Bezeich- *) Es ist also die Anlegung artesischer Brunnen das nächste Vrfurdcrms für Nutzbarmachung jenes Deutschland an Umfcmg übeltreffenden Landes. 462 Deutsch.Südwestafrita. lmng nicht. Die runden aus Strauch und dürrem Grase gemachten Hütten konnten mich nicht ermuntern, durch dic einzige niedere Thüröffnung einzutreten, wo außer großein Schmutze mich gewiß auch eine Masse von Ungeziefer als frische Beute angegriffen hätte. Ihrer Abstammung nach setzten sich die etwa A00 Bewohner der Dorfschaft aus Betschuauen, CoraunaS, wcuigen Hottentotten nud Griquas zusammen. Die Corannawcibcr sind sehr häßliche, schlecht gewachsene kleine Personen, welche, wie auch die Hottentotten, mit scheuen Blicken den Fremden angaffen und wenig Vertrancn erregen, Mehr oder weniger unter dem Druck der holländischen Buren stehend, haben alle südafrikanischen Mcnfchenrassen mid Mischlinge eine Scheu vor weißen Fremden, welche nach ihren Begriffen uud ihrer Erfahrung nnr neue und strenge Herren oder gar Feinde sind. Das Gras sproßt gewöhnlich in Büscheln, mit kahlen Stellen dazwischen, oder die Zwischeuräume werden von Schlingpflanzen eingenommen, deren Wurzeln tief unter dem Boden liegen und daher wenig von den Wirkungen der sengenden Sonnenhitze verspüren. Die Zahl der Pflanzen mit Wurzclkuulleu ist sehr groß und sie siud so eingerichtet, daß sie Nahrung uud Feuchtigkeit zugeführt bekommen, selbst wenn während der anhaltenden munatclangcn Trockenheit dies anderswo unmöglich wäre. Es giebt hier eine Pflanze, die für gewöhnlich leine Wurzclknollcn hat, dieselben aber unter Umständen bildet, wo iencs Anhängsel notwendig ist, um znr Erhaltung ihres Lebens zu dienen. Sie gehört zu der Familie der Kürbisfe und trägt einc kleine scharlachrote eßbare Gurke. Eine audcrc Pflanze, Lcro-schna genannt, ist für die Bewohner der Wüste ciu wahrer Segen. An der Oberfläche sieht man nur einc kleine Mauze mit einem Stengel, der nicht dicker ist als der Kiel ciner Rabenfeder; graben wir aber einen bis anderthalb Fuß tief in den Boden, so stoßen wir auf einen Wurzellnollen, welcher zuweilen die Größe cincs Kindskopfes erreicht; entfernt man die Nindc, fo findet man, daß der Knollen aus einem Zellgewebe besteht, welches etwa wie bei einer jungen Nübe mit Flüssigkeit erfüllt ist. In Folge der Tiefe nuter dem Boden, worin der Knollen sich findet, ist diese Massc gewöhnlich köstlich kühl und erquickend. Gine andere Pflanzenart, Mokuri ge-nauut, findet sich in anderen Teilen des Landes, wo die anhaltende Hitze den Boden ansdörrt; es ist eine krautartige Schlingpflanze, welche unter der Erde eine Auzahl Wurzcllnollcu bildet, vou denen mauche die Größe eines Mannstopfes erreichen und wclchc sämtlich Die Ooambos in Deutsch.Südafrila. 463 in einem Umkreis von einer bis anderthalb Armeslängen horizontal mn den Stengel herum liegen. Die Eingeborenen schlagen den Boden rings herum mit Steinen, bis sie durch die Verschiedenheit des Tones hören, wo dic wassersveudeudc Knolle unter dem Boden liegt, graben dann etwa einen Fuß tief uach und finden sie. Dic wunderbarste Pflanze der Wüste ist aber die Kafferngurke oder Wassermelone. In Jahren, wo der Regen in ungewöhnlicher Menge fällt, sind unabsehbare Strecken Landes bnchstäblich mit diesen Melonen bedeckt. Tann erfreuen sich Tiere jeder Art und Benennung, den Menschen nicht ausgenommen, an den reichen Vorräten. Der Elefant, als wahrer Herrscher des Waldes, schwelgt in dem Genusse dieser Frucht, und seinem Beispiele folgen die verschiedenen Nashornarten, obfchon sie von Natur in der Wahl ihrer Nahrung ganz von jenem abweichen. Mit gleicher Begier laben sich daran die verschiedenen Antiluvenartcn, und selbst Löwen, Hyänen, Schakale und Mäuse scheinen sämtlich die allgemeine Wohlthat zu kennen und zu würdigen, Diese Melonen sind jedoch nicht alle eßbar; einige sind süß, andere so bitter, daß die ganze Familie dieser Kürbisse die bittere Wassermelone genannt wird. Die Gingeborenen unterscheiden sie dadurch von einander, daß sie eine Melone nach der andern mit einer Axt anhauen und die Znnge in den Spalt stecken. So wissen sie freilich am schnellsten, ob sie süß oder bitter sind. Die bitteren sind giftig oder wenigstens schädlich, die süßen dagegen sind ganz gefuud. Graf von Krockow. Die Hlllmllos in ycutsch-MMKa. Bekanntlich entdeckte Livingstone im I. I«49 den merkwürdigen Ngamisee in: (Centrum von Südafrika, indem er von Süden (von Kolobeny) nach Norden vordrang; erst 5 Jahre später gelang es dem schwedischen Naturforscher Anderson, von Westen her dahin zu gelangen. Auf seinen Kreuz- und Querzügeu, die er vier Jahre laug. von der Walfischbai ausgeheud, iu das weite, gegcuwärtig größtenteils unter deutschein Schutz stehende Hinterland unternahm, verweilte er auch unter den Ovambos, von denen er eine interessante Schilderung gab, die wir im Auszuge mitteilen.*) ') S. lKrfurschiiiigsrciscn im Innern Afvilas. Livingstone, del Missionar. Leipzig, Spamer, I860. 464 Deutsch-Südwestnfiila. Anderson und sein Begleiter waren in der Walfifchbai ohne einen bestimmten Reifeplan gelandet; endlich zeigte sich ein Ziel, dessen Erreichung der Mühe wert schien; sie hörten von einem in nördlicher Richtung gelegenen großen Süßwassersee, der Omauuonde heißen sollte. Non der Station Barmen ab gegen Norden lag aber lauter unbekanntes Land; die dort wohnenden Tamaraleute wnrden von den Eingeborenen als uugastlich, mißtrauisch und verräterisch geschildert. Doch dic Reise wurde unternommen, und nach mancherlei Erlebnissen und Schwierigkeiten gelangte dic Reisegesellschaft nach mehreren Nocheu an den ersehnten Omanbonde, der, wie ihnen unterwegs gesagt wurde, cine Wasserstäche „so groß wie dcr Himmel" haben sollte. Aber groß war nnr ihre Enttäuschung, der große Omanbonde erwies sich als ein kleiner ausgetrockneter Schilfweiher ohne einen Tropfen Wasser! Allerdings ergab sich aus dcr ganzen Örtlichkeit, daß früher viel Wasser hicr gewesen fein konnte — ein nencr Velag zu dcr merkwürdigen Verarmnng Südafrikas an Wasser. Dahin war uuu die Hoffuuug, an einem lachenden See, umgeben von Elefanten, Rhinocerossen, Nilpferden u. s. w., ein fröhliches Iägerleben zu führcu; mau war aufs uenc ohuc Rciscplau und wußte uicht, ob man vor- oder rückwärts gehen sollte. Endlich entschied man sich für das Erstere. Die Reisenden hatten Kunde erhalten, daß fern im Norden eine Völkerschaft wohne, welche feste Wohnsitze habe, das Land baue, fleißig, zuverlässig und sehr gastfreundlich sei. Sie hießen Ovambos, was eben ihre Eigenschaft als Ackerbauer bezeichnen soll, und trieben mit den Damaras Tauschhandel, indem sie Vieh gegen Eiscnwareu einhandelten. Es sei eine sehr zahlreiche und mächtige Natiou und stehe nuter einem König, der ein ungeheurer Niese sei. Über dic Entfernung dieses Laudcö und die Beschaffenheit der zu durchreiseudeu Gegenden gaben die Damaras freilich nur unsichere, abenteuerliche Berichte zum besten. Obgleich mau sich auf eiue mehrmonatliche Reise gefaßt zu machen hatte, wurde doch beschlossen, das Wagstück zu unternehmen, und man ließ den verunglückten See hinter sich. Die Gegenden, durch welche die Reise ging, waren weuigstcus keine Saudwüsten; man mußte sich meistens durch Gebüsch, hohes Gras und Wald den Weg bahnen. Wasser gab es zur Oeui'igc und an Wild war kein Mangel, so daß die beiden europäischen Reifenden der immerwährenden Fleischkost endlich müde wurden, die eingeborenen Begleiter allerdings um so wcuigcr. Einige Tage nach der Abreise vom Omaubonde wurden Die Ovmxbos in Deutsch.Sudafrika. 4^5 die Reisenden durch das erste Auftreten vou Palmcu iil freudige Stimmung versetzt. Eine Art schlanker Fächerpalmeu war in großer Zahl über die Gegend verstreut und verlieh ihr einen ganz ungewohnten Reiz. Eben an der letzten Damarauiederlassuug angekommen, traf die Reisenden das Mißgeschick, daß eine Achse ihres größten Wagens brach. Sie entschlossen sich daher, nnter Znrücklassung der Fuhrwerke, die Reise Zu deu Ovambos mittelst Reit- und Packochsen zu bewerkstelligen. Der Häuptling aber wollte nicht nnr keine Führer dazu geben, sondern verweigerte auch jede sonstige Auskuuft, stellte jedoch den Reisenden anHeini, sich an eine Handelskarawanc anzuschließen, welche man nächstens ans dein Ovambolande erwarte. Die Karawane erschien auch glücklicherweise bald; es waren 23 große, starke, sehr dunkelfarbige, ernsthafte Leute, vou Charakter sehr unähnlich den Damaras. Sie brachten Lanzcneisen, Messer, Ringe, kupferne und eiserne Perlen u. s. w., alles eigener Fabrik, die sie tener genug an die Damaras absetzten, z. B. eine Lanzcnspitzc für einen Ochsen. Die Lcnte willigten ein, die Fremden mit in ihr Land zn nehmen, und als endlich die Rückreise angetreten wurde, war die Karawane nicht weniger als 17l> Köpfe stark, denn es hatten sich viele Damaras, unter ihnen 7«»-<^> Frauenzimmer, angeschlossen. Die Ovambos hatten eine schöne Rinderherde znsammcngebracht, das Reiseziel sollte vierzehn starke Tagemärsche weit sein. Auf eine angenehme Landschaft folgten bald wieder Dorndickichte und höchst traurige Gegenden, die Wasservlätzc wurden fehr selten, und die Reisenden lernten einsehen, wie unmöglich es sei, ohne einen gründlich erfahrenen Führer sich in solchen Wildnissen znrecht zn finden. Buschmänner, denen die Reisenden allerwärts begegnet waren, fanden sich anch hier, nnd es war den Reisenden wohlthuend zu sehen, wie anch diese überall verachteteu uud verhaßten Menschen vou den Ovambos gütig bchaudclt wurden. Sie tauschten ihncu Kupfererze aus, die jene aus den benachbarten Hügclgegendrn brachteu. Nach achttägigem Marsche gelangten die Reifenden anf die ersten den Ovambos gehörigen Viehweiden nnd rasteten ein paar Tage. Das landesübliche Willkommen bestand darin, daß jedem Ankömmling das Kesicht tüchtig mit Butter beschmiert wurde. W wurden Voten voraufgeschickt, um die Fremden bei dem Könige Nangaro anzumelden, uud dauu ging die Reise weiter, die ersten Baum garten, Afrika. IO 466 Teutsch'S üdwestafrika. Tage durch ungeheure, mit Bäumen umgürtete „Salzpfannen" und bann über eine endlose Savanne, gänzlich baumlos und selbst ohne Büsche, llm so freudiger war ihre Überraschung, als sie endlich die schönen, fruchtbaren Ebenen Oudongas, des eigentlichen Ovambo-landcs, vor sich sahen. Statt der ewigen Dickichte und Sandwüsten lagen jetzt vor ihnen endlose Getreidefelder, übersäet mit friedlichen Wohnungen, einzelnen riesigen Wald- nnd Fruchtbäumen und unzähligen Palinen. Die Reisenden glanbten in ein Paradies zu treten, das immer anmutiger und fruchtbarer wurde, je weiter sie vorwärts kamen. Dörfer giebt es hier nicht; jede Familie wohnt patriarchalisch in der Mitte ihrer Vesihuug auf einem Gehöfte, das mit starken Palissaden eingezäunt ist, denn auch diese friedlichen Banern haben einen feindlich gesinnten Stamm in der Nachbarschaft, der ihnen fortwährend zu schaffen macht. Das Getreide besteht hier aus Negerhirse und einer andern Pflanze mit sehr kleinem Samen, der cm treffliches Mehl giebt. Beide erreichen eine Höhe von 8 bis 9 Fuß. Im Herbste werden die Samenbüschel, abgeschnitten und der Nest dem Vieh überlassen. Ihren großen Viehbestand halten die Ovambos auf entlegenen Weideplätzen, wo sie auch Schweine von ungeheurer Größe ziehen sollen. Über die Ansdehnnng des Landes und die Stärke des Stammes konnten die Reifenden nichts erfahren. Am zweiten Tage kamen sie an die Nesidenz des gefürchteten Nangaro, ohne jedoch sogleich Zntritt in die Einfriedigung zu erlangen; vielmehr wurde ihnen ciue Banmgruppe in der Mhe als Warteplaß angewiesen. Das Wartenlassen, das auch in Afrika für vornehm gilt, währte ganzer drei Tage. Endlich erschien die Majestät, ein Niefe allerdings, aber nur dem Qucrdurchmesser nach. Es war ein unförmlich dicker, häßlicher Mann, aber in dcu Augen feiner Unterthanen doch jeder Zoll ein König, denn das Fcttsein gilt dem Afrikaner für ein Attribut, hier uud da selbst für ein Vorrecht der Königswürde, während es einem Unterthaueu geradezu als Verbrecheu augerechnet wird. Die Autwort des dicken Königs auf die glänzende Anrede der Fremden bestand lediglich darin, daß er einige Male wohlgefällig oder mißfällig gruuzte. Von Feuerwaffen hatte er so wenig wie seine Leute einen klaren Begriff; sie meinten, es seien unschädliche Dinger, sobald man nur obeu in die Mündung blase. Sie erstaunten nicht wenig über die Wirkungen einer Spitz-kngelbüchse, und mehrere Neugierige fielen bei jedem Schusse flach auf das Gesicht nieder. Der König verlangte in der Folge, die Dlc Oüambos in Deutsch.Südafrika. 4ß7 Fremden möchten für ihn Elefanten schießen, deren es in nicht weiter Ferne viele gebe und die oft viel Verwüstungen in den Feldern anrichteten. Die Schützen zogen es jedoch vor, diesen Antrag abzulehnen, da sie besorgten, der Gestrenge möchte das Elfenbein, dessen Wert er recht gut kannte, für sich allein behalten und sie vielleicht nicht eher wieder furtlassen, bis es nichts mehr zu schießen gäbe. Der Alte vergaß ihnen dies nicht. Übrigens wurden sie allerwärts freundlich nnd gastfrei empfangen. Der König bewirtete sie zuweilen mit Bier, nnd allabendlich war Hofball, wu die jungen Leute nach dem Tamtam nnd einer Art Guitarre tanzten. Das Hauptnahrnngsmittel der Ovambos ist ein grober Mehlbrei, der stets heiß mit Butter oder saurer Milch aufgetragen wird. Obwohl sie auch die Fleischkost sehr lieben und ihr Viehstand sehr groß ist, sind sie doch mit dem Schlachten sehr sparsam und scheinen das Vieh fast zum Vergnügen zu halten. Die Einrichtnng der Gehöfte im Innern ihrer Palissadenzänne ist eine ziemlich vcrwickclte; man trifft da Wohnhäuser für Herren nnd Knechte, offene Plätze für Erhulnng und Besprechung, Scheuern, Schwcineställe, Viehstände, Geflügelschläge u. s. w. Die Häuser uud Hütten sind rund, zeltförmig und kanm über Manneshöhe, lediglich zum Kriechen und Schlafen geeignet. Die Getreidespeicher sind große, ans Thon gearbeitete Körbe, die eine ähnliche Binsenbedachung haben, wie die Häuser. Alifter Rindvieh nnd Schweinen besteht der Haustierstand ans einigen Schafen, Ziegen, Hühnern und Hunden. Viele Buschmänner haben sich als Hintersassen zwischen den Ovambos angesiedelt. Ein guter Zng dieser wirklich ans eiucr gewissen Stufe der (Gesittung stehenden Völkerschaft ist es, daß sie nicht stehlen, vielmehr den Diebstahl für ein todeswnrdiges Verbrechen halten. Mährend die Reisenden bei den Damaras und Namaquas sich vor Diebereien nicht genug schützen konnten, durften sic hier ihre Habseligteiten getrost ohne Aufsicht umherliegen lasseu. Der Köuig hat alle Strafgewalt, und es sind hier nnd da im Lande Personen angestellt, welche alle vorkommenden Vergehen zur Anzeige zu bringen haben. Die sorgfältige Pflege, welche sie Gebrechlichen nnd Altersschwachen ange-deihen lassen, ist ebenfalls ein schöner Zug der Ovambos; ihre Nachbarn, die Damaras, überlassen Erwerbonnfähige entweder ihrcm Schicksale, oder treiben sie in Wald nnd Wüste, wo sic die Beute wilder Tiere werden, oder fertigen sie ohne weiteres mit ein paar Kenlenschlä'gen ab. 30' 468 Dentsch.Südwestaflika. Die Ovambos lieben ihr Vaterland ungemcin und sind stolz darauf. Sie nehmen es übel, wenn man fie nach der Zahl ihrer Häuptlinge fragt, und sagen: „Wir erkennen nur einen König an; bei den Damaras freilich will jeder ein Hänptling scin, wenn er nnr ein paar Kühe befitzt." Flüchtlinge von anderen Stämmen weiden aufgenommen und dürfen im Lande heiraten, sind abcr dann zum Dableiben verpflichtet. Die Handelsleute unter den Ovambos machen jährlich vier Expeditionen nach dcm Süden, wo sie Vieh, sowie Kupfer und Eisenerze eintauschen, die in ihrem Lande nicht vorkommen; sie geben dafür, nächst ihren Metallfabrikaten, Elfenbein, das sie sich dnrch Fangen der Tiere in Fallgruben verschaffen, und nehmen nebst ^ieh am liebsten Glasperlen in Tansch, die eine Art Universalmünze bei allen südafrikanischen Stämmen bilden und ohne welche ein Ncisendcr kanm fortkommen kann. Dabei mnß man aber unumgänglich wissen, welche Sorten und Farben in den einzelnen Fällen bevorzugt werden, indem andere als diese gar nicht anzubringen sind. M ßmcn im Ollmjc-ittistllllt. Äußeres. — Wohnung. — Hmisleben. — Gastfreundschaft. — Vrautu'erbnng. — Grobheiten. — Religiöses Leben.") In feinem AnHern steht der Baner entschieden einzig in der Welt da, er bildet dic riesigste, kräftigste Nasse, die ich je gesehen. Ich hatte verschiedentlich Gelegenheit, bei Nachtmahl oder Konfirmation viele Hunderte von Bauern zusammen zu sehen, und obgleich ich selbst beinahe l! Fnß hoch in den Strümpfen stehe — in der Gesellschaft kam ich mir vollkommen wie ein Zwerg vor. Hünen, Niesen u. dergl. find Ausdrücke, die mir gar nicht genügcu, denn es war weniger die kolossale Grüße und Breite, als die stiermäßige Kraft der Männer, die mir imponierte. Ich habe Händchen gesehen, die einen bei den Hörnern gefaßten Ochsen umwerfen können und deren Handschuhmaß mindestens Nr. 24 sein würde. Dabei sagte ') Aus dem höchst interessanten Buche dcs geistvollen Korrespondenten der Kölnischen Zeitung, Wilhelm Iocst, Um Afrika. Mit 14 Nchtdimlen und vielen Illustrationen, Köln, Verlag vo» Dumont'Schmlberg, 1885. Die Buren im Ormlje>Frelftaat. 469 nur der Besitzer derselben halb verlegen, halb ärgerlich: „Oh, Neffe, ich kann doch die kleinsten Sachen nnfassen, ohne sie zu zerbrechen." Ich mag hier einfügen, daß man den Familienvater „Ohm", seine Gattin „Tcmt" nennt, während die jungen Lente mit „Neef" und „Nicht", „Nichtje" angeredet werden, das bericht natürlich anf Gegenseitigkeit. Der respektvolle Titel ist „Baas". Was das schöne Geschlecht angeht, so übertrifft dasselbe das männliche ganz entschieden noch an Körperfülle. Nenn die Gattin ihrem Gebieter das erste Dutzend Kinder geschenkt hat — darunter bleibt es selten —, dann setzt sie sich in den Lehnstnhl des Hauses und, wenn es irgendwie möglich ist, bewegt sie sich in ihrem ganzen Leben nicht mehr. Morgens steht sie anf, ihre Toilette ist rasch beendet, da sie sich nie wäfcht und in den Kleidern geschlafen hat. Sic watschelt in ihren Lehnstnhl, läßt sich im Winter ein Kohlenbecken unter die Füße schieben, nimmt dreimal täglich au der Mahlzeit, die aus Fleisch, Mais, Neis, Eiern uud Milch besteht, rührigen Anteil, trinkt in den Pausen 15—:;u Tassen Kaffee und legt sich bei Sonnenuntergang wieder ins Bett, ohue oft während gauzer Mo-uate auch nur einen Schritt mehr, wie gerade nötig ist, zn thun; den lieben, langen Tag hockt sie im Sessel, denkt an nichts, und thnt nichts. Daß bei einem solchen Leben eine Verfettung des Kör° pers eintritt, ist leicht verständlich, uud Kolosse von :M» Pfund sind gar uicht ungewöhnlich. Die Söhne und Töchter der Bauern sind unbeholfen und schmutzige Riefenkinder; ich lernte indes anch einige junge Damen kennen, die recht hübsch uud dabei durchaus nicht schüchtern wareu. Merkwürdig ist es, daß diese unverwüstlich aussehenden Leute uicht entsprechend gesuud sind, zumal einige europäische Kraukheiteu, die ihnen meist wieder von den Farbigen übertragen werden, viel Unheil nnter ihnen aurichteu. Der Bancr hält viel ans das, was wir Etikette nennen würden. Kommt man, sei es zu Pferde oder im Wagen, bei einer Farm an, wo mau seiucu Ticreu etwas Erholung, Futter oder eiuen Trunk Wasser göuueu will, so wird man den Boer, der ebenso wie seine Gattin nichts gn thun hat nnd den ganzen Tag Pfeife raucht, Kaffee trinkt nud sich langweilt, meist vor der Thür seines Hanfes aufgepflanzt finden. Man glaube nun uicht, daß die Leute in gemütlichen, hübschen oder gar reinlichen Bauernhänsern leben. Nein, im Gegenteil, die meisten wohnen in elenden, strohgedeckten Hüttcu aus Lehm (Modder), der Boden ist festgestampfte Erde, die Zolldick zum 470 Deutsch.S üdwestafrila. Schutz gegen allzuviel Ungeziefer mit frischem Kuhdünger beschmiert ist; eine niedere Thür, die nach uicderrheiuischer Sitte horizontal in zwei Hälften geteilt ist, so daß man die obere unabhängig von dcr unteren öffnen kann, nnd zwei Fenster, oft ohne Scheiben, zieren die Fronts während in die Rückseite nnr einige dürftige Luftlöcher gebrochen sind. Beim Eintritt befinden wir uns im Wohn- nnd Eßzimmer; die Küche, wo der ewige Kaffeetopf über brennendem, aber nicht gerade angenehm riechenden Schafmist brodelt — Holz giebt's ja nicht — liegt meist linker Hand, während der Rest des Hanses von dem oder dcn Schlafzimmern eingenommen wird. Der alte Baner ist im Ochsenwagen geboren nnd groß geworden, er hat daher anch die alten Zigennermanieren beibehalten. Oft schläft die ganze Familie in einem Zinnner; jeder schläft in seinen Kleidern nnd anch der reichste Bur würde nie mehr als etwa Rock nnd Stiefeln ablegen, wenn er in sein Federbett kriecht. Gegen Waschen hat der Bancr eine unüberwindliche Abneigung; ist er sehr civilisiert, so erscheint morgens früh eine Hottentottin, und seht eine Waschschüssel ans Viech nnd einen Kübel mit Wasser auf dcn Frühstückstisch. Der Baas des Hauses taucht die Finger in den Kübel nnd wascht sich die Augen ans, darauf uininit er einige kräftige Mundvoll Wasser nud bespritzt damit, über die Schüssel gebengt, seine Hände; dann folgt sein Sohn Nr. 1 nnd wäscht sich iu diesem selben Wasser; die ganze Familie macht so den Prozeß dnrch, der Wasserkübel wird immer leerer nnd das Waschbecken immer voller, nnd zum Schluß wendet sich dann der Hansherr, wenn er gerade sehr liebenswürdig gestimmt ist, an den fremden Gast: „All äi« äootur ooic en b^ot^o vv»,t,er ^obrnili«?" Der Doktor zieht aber vor, zu danken. Im allgemeinen wäfcht dcr Baner mit Weib und Kind sich überhaupt nur an hohen Festtagen. Es giebt natürlich Ausnahmen hiervon; es giebt Banern, die sich täglich waschen uud dereu Töchter sehr appetitlich aussehen, und es giebt Bauern, die sich iu Felle und Leder kleiden nud nie waschen; jedenfalls ist die dem Fremden zuerst in die Augen (und Nase) fallende Eigentümlichkeit des atnivau-ä<>i- Nin- seine widerwärtige Unreinlichkeit, Aber kehren wir znr Beschreibnng eines ersten Vesnchcs bei dem Bauer zurück. Wir uähern uns dem Hauöhcrru uud bieten ihm, natürlich ohne den Hut zu berühreu, die Haud mit deu Worten: „Tag, Ohm!" Ohne sich weiter zu bewegen, wird er seine Nr. '21 Tie Vuici! im Orc,uje»Fieistaat. 471 arostrcckeu uud nachlässig sagen: „Tag, Necf!" Dann beginnt rill wahres Examen, und zwar ein Fragen, das kein (Kudo zu uehmen scheint und das mit der grüßten Unverfrorenheit von jedem einzelnen Bewohner des Hauses stets wieder von neuem aufgenommen und fortgeführt wird, ohne Rücksicht darauf, ob man schon zwölfmal dasselbe gesagt hat. Der Vaas fangt mit der Ansfragerei an, und zwar ohne jede Spur von freundlichem Interesse, sondern ganz mit der unerschütterlichen Kälte eines neugierigen Inquisitors fragt er: „Ner bist du?" (Wörtlich: Ner ist du?) „Wo kommst du her? Wo willst du hin? Was hast du Ins jetzt angefangen? Was willst du überhaupt hier im Lande? Was willst dn auf der Farm hier?" u. f. w. Man läßt die Pferde dann, nachdem man eins ihrer Vorderbeine eng mit dem Halfter verbunden hat, so daß das Tier mit erhobenem Kopfe stets anf drei Neinen steht nnd nur langsam hinkend von der Stelle taun, frei ins Feld laufen, wo sie sich alsbald wälzen nud zu graseu beginnen uud kehrt zum Hause zurück. An der Hausthür angekommen, sagt der Baas: „Komm biune!" Im Zimmer thront die Dame des Haufes; ohne sich weiter aufzurichten, streckt auch sie die fleischige Hand ans: „Dag, Reef!" — „Tag, Taut!" — „Wer bist dn?" „Wo kommst du her?" n. s. w. Wiederum mnß mau das ganze Interrogatorinm durchmachen; dann konnueu die liebcu Sprößliuge, wie schon erwähnt, selten uutcr eiuem Dicheud, siebzehu ist eiue beliebte Zahl; jedem, anch dein kleinsten Schmierfink, der gerade wie seine Geschwister uud Erzeuger die Rechte ebeu uuch als Schnupftuch beuulzte, jedem muß mau die Hand geben, dabei ist aber vou einem wirtlichen Händedruck durchaus leiue Nedc, die Menschen strecken eiuem die schmutzige (Extremität entgegen, als sei sie tot oder gehöre gar nicht ihnen. Jeder erwachsene Sohn begiuut nuu das fürchterliche Fragcu wieder oder die ganze Gesellschaft uuterhält sich über den Gast, wie etwa über ein wildes Tier, wobei die Autworteu, die er gab, durchgesprochen werden. Mau muß stets sagen, man sei verheiratet und habe sechs I)is acht Kinder, das macht eiuen guteu Eindruck. Der Baner ist ein außerordentlicher Freund von Medizinnehmen, wenn es nur große Quanta sind. Die höchste Gunst, deren man als Kastfreund teilhaftig werden kann, ist die, zu einer Tasse Kaffee eingeladen zu werden. Eiue der von der Familie benutzten Tassen wird dann von einer von Schmutz 472 Deutfch'Siidwestafnka. starrenden Hottentottin in cincm gelblich-grünen Spnlniasser „gc-waschen", dann reinigt die Hausfran die Tasse wiedcrnm nnt einein Taschentuch, welches sie stets in der Hand trägt und nut dem sie zumal die fortwährend niederrieselnden Schweißtropfen abwischt, der Löffel wird erst „rein" geleckt, dann mit dem Daumen ausgedreht, die Tasse halb voll Zucker geschöpft, Milch hinzugethan nnd der Nest mit Cichorieuabguß angefüllt. Und dieses Gebrän, in dem noch allerhand mögliche organische nnd anorganische Substanzen herumschwimmen, muß man mit Todesverachtung hinabwürgen, sonst würde man feine Wirte anfo tiefste beleidigen. Eine andere Liebhaberei der Banern uebctt dem ewigen Kaffee-trinken ist ihre Neignug, Süßigkeiten in ganz unglaublichen Quantitäten zu vertilgen. Besucht ein Bauer die Stadt, so lauft er sich alle Taschen voll Zuckerzeug, die er sämtlich leert, bevor er den Weg nach der Farm zur Hälfle zurückgelegt hat, Die Bauern heiraten in sehr jugendlichem Alter. Sobald ein Jüngling ^0 Jahre alt geworden ist, sieht er sich nach einer Lebensgefährtin um, Bälle oder ähnliche heiratovermittelnde Einrichtnngeu giebis nicht; der Bauer besteigt daher sein Pferd, reitet vou Farm Zu Farm, um sich eine Braut unter den Töchtern des Landes auszusuchen. Mau sieht ihm schon von fern an, was er im Schilde führt. Er hat sich auffallend reiu gewafcheu, der Luxus des wollenen Hemdes wird durch einen Paftiertrageu, vielleicht selbst durch eine Kravatte erhöht, die Stiefel anö Nohleder werden znr Feier des Tages einmal abgebürstet, der breitträmpige Filzhnt erhält ein neues Band aus blan-weißcr Seide nnd uuter deu Sattel wird eiue ueue hcllbunte Decke gelegt. So gehtö im Galopp nach der nächsten Farm; dort fattelt er ad, trinlt einige Liter Kaffee, rancht cm Dntzend Pfeifen, ißt dreimal mit der Familie, verschlingt die Töchter mit den Augen uud spricht im übrigen so wenig wie möglich. Nach Sonnenuntergang, wenn Licht in die Stube gebracht ist uud die Familie sich anschickt, iu die oder das Schlafzimmer sich zurückzuziehen, dann faßt er sich ein Herz nnd fragt die Mntter, die natürlich schon lange auf diefcn Nnnsch wartet, ob sie erlaube, daß er mit Minche, oder wie denn die betrcffeude Auserwählte heißt, noch etwas aufbleiben (o^/.itU,») dürfe. Der Wunsch wird bereitwillig erfüllt, verlegen kommt Minche in die Wohnstube zurück, sie stellt ein Licht auf deu Tisch, setzt sich iu eine Ecke des Zimmers und sagt uichts. Der Freier sitzt in der andern Ecke, raucht, spuckt uud sagt Tie Vine» im Oranje»Freistaat, 47Z auch nichts. Aber dennoch hat Millche verstanden, ihrem Courmacher anzudeuten, ob er ihr mehr oder weniger gefällt, indem sie danach dic Grüße ihres Talglichteö einrichtete: je größer dic Kerze, desto länger können sie l'p/ldwn! Am nächsten Morgen sattelt der Bauer fein Pferd und reitet nach einer andern Farm, wo sich die ganze Sache wiederholt, bis er sich endlich darüber klar wird, welche der Mädchen ihm eigentlich am besten gefallen hat. Zu dieser reitet er znrück, bleibt wieder eine Nacht op/itton nnd macht seinen Antrag ohne viel Redensarten, der natürlich mit Freuden angenommen wird. Am nächsten Kirchgangstag feiert man die Hochzeit. Stirbt ihm später die Gattin, so erwählt sich der Witwer oft schon nach drei Wochen wieder ein neues Weib. Die alten Vanern haben jedem Kinde meist schon bei der Ge-bnrt einige Schafe nnd ein paar Stück Vieh als Eigentum reserviert, ein Besitz, der im Lanfe der Jahre oft zu einem ganz ansehnlichen Vermögen heranwächst. Land besitzt jeder mehr, als er nötig hat; dem Sohne wird ein Terrain angewiesen, anf dem er sein Hans bancn nud sein Vieh weiden lassen kcmn, und wenn ihm das nicht paßt, so spannt er seine Ochsen ein und zieht nach Norden oder Westen in herrenloses Land, (5s ist merkwürdig, welche Mueignng der Baner dagegen hat, irgend welche Nachbarn in seiner Nähe zu Nüssen. Er null eben unbeschränkter Großgrundbesitzer sein; soweit ^cin Ange reicht, wenn er es von seinem Lehmhanse ans ^ das ohne eine Spur von Garten oder auch nur einige schattenspendende Bäume da erbaut ist, wo er auf der Waudcrnug zum letzten Male seine Ochsen ausspauute — über die Ebene schweifen laßt, will er nur eigenes Land sehen, eine fremde Farm in der Nähe wäre ein Nagel zu seinem Sarge, da verkauft er lieber sein Gut und zieht in die Ferne. Das Reisen tostet ihm beinahe gar nichts, denn er läßt fein Vieh auf fremdem Boden weiden. Daß bei solchem Lelxn die Geistesfähigkeiten des Bauern sich nicht allzn hoch entwickeln, kann niemand wundernehmen. Dennoch aber liebt er es, nnd das ist ihm hoch auznrcchnen, daß er seinen Kindern eine wenn auch noch so primitive Schulbildung zu teil werden läßt. Schuleu giebt es auf dem Lande nicht, dafür findet man aber beinahe auf jeder Farn: einen Hanslehrer. Das sind zwar keine großen Weisen nnd Schriftgelehrten, mehr wie lesen uud fchrcibeu kann der größte Teil derselben nicht, nnd der Bancr gestattet dem Schnl-incister unter der Bedingung, seine Kinder mit diesen Knusten vcr- 474 Deutsch'Südwestafnka. traut zu machen, gerne jahrelang, oft bis zu des Lehrers Tode, nm-sonst auf der Farm zn leben. Diese Kulturträger rekrutieren sich aus desertierten Soldaten, weggelaufenen Matrosen und — selbstverständlich zum größten Teil aus mehr oder minder heruntergekommenen Deutschen. (Kiuer derselben, eiu Prachtexemplar, erkundigte sich zuerst, zu welchem Armeekorps die ^. Kürassiere doch im Jahre I>u<; gehört hätten und sagte dann: „Ja, sehen Sie, lieber Freund, ich habe auch einmal bessere Tage gekannt, ich war nicht immer das, was ich jetzt bin, ich kann sogar mit Stolz ans meine Vergangenheit blicken, deuu im Jahre Ittltt war ich preußischer Feldwebel!" Die grobe Ungeschliffenheit, durch welche sich die Bauern aus-zeichucu, mag ciu vou ihreu Vorfahrcu überkommenes Erbteil sein; den Schmutz haben sie sich auf ihren laugen Waudcruugen augcwühut. Ich schüttele lieber zehn Kaffern die Haud, wie eiuem Bauer, und küsse lieber zehu Kaffcrumädchcu, oder vielmehr ich küsse lieber eilt Kaffernmädchcu zehumal, wie eiumal eine Bauerntochter. Von dem Geruch iu den Bauernhäuferu und dem Schmutz und Ungeziefer zumal m den Schlafzimmern — immer natürlich mit Ausnahmen — kaun man sich keinen Begriff machen. Der hervorragendste Charatterzng des Banern aber ist seine Frömmigkeit. Iu jedem Hause findet man Bibelu uud jeden Tag werden im versammelten Familienkreise eiuige Kapitel, vorzugsweise aus dem Alten Testament, vorgelesen. (Ho, ist merkwürdig, daß, wie ich verschiedentlich ans meinen Reisen bemerkt habe, die Leute, die sich schmeichelten, ansnchmend gute Christen zu seiu, stets aus dem jüdischen Alten Testament sich frischen Glanbensmnt erholten. So anch der Bur; mit der allen Gläubigen eigenen Bescheidenheit hält er sein Volk für das auscrwählte der Schrift, das Gelobte Laud liegt oben im Norden und in den Engländern uud Kaffern hat er seine Philister uud Amalekiter. Christliche Demut wurde früher so weit getrieben, daß die Töchter des Hauseö dem Gaste die Füße waschen muhteu. Ganz uud gar nicht hiermit im (Hinklaug steht es aber, daß der Bur heute noch, weuu er von „Meuschen" rcdet, sich und seinesgleichen versteht, die farbigen sind nur „Cchepsels", Geschöpfe. Ich glaube im Übrigen nicht, daß der Baner seine schwarzen Arbeiter schlechter behandelt, wie etwa die englischen oder deutschen Farmer die ihrigen; oben in Transvaal, wo er noch mit nuabhän-gigen Kasferustämmen in Berührung kommt und diesen Jahr für Jahr mehr ihrer Neiden uud Wiesen abnimmt, da sind Streitereien, Engländer und Buren. 475 Diebstähle und Kriege unausbleiblich, und dieser Kampf ums Dasein wird wühl auf beiden Seiten mit derselben Erbitternng uud Rücksichtslosigkeit durchgekochten werden. Merkwürdig ist, das; sich die Bauern, die außerordentlich stolz auf ihr reines weißes Blut siud, beinahe nie mit den Farbigen vermischt haben; ich glaube, in beiden Republiken giebt es keinen Bauer, in dessen Adern aucn uur ein Atmn farbiges Blut flösse. Im gewöhnlichen ^cben sind sie mäßig, vielleicht mehr infolge ihrer sehr nahe au Geiz streifenden Sparsamkeit, wie aus sittlichem Gefühl; au Feiertagen habe ich sie aber hänfig ganz bedenkliche Massen des allergemeinsten, weil billigsten Schnapses vertilgen sehen. In ihren Adern stießt träges Fischblut, zu einer Leidenschaft schwingen fie sich beinahe nie einpor; Verbrechen gehören denn auch Zu den größten Seltenheiten. Ist der Bauer aber einmal gereizt, dann hält Haß uud Wut lange bei ihm vor, wie wir das im Kriege der Transvaal-Bauern gegen (England beobachten konnten. Die ewige schmachvolle Behandlung und Verfolgung seitens Englands hatte endlich ihr Blut heiß gemacht nnd da haben sie nicht geruht, bis sie den letzten Soldaten, es waren allerdings nur wenige, aus dem Lande gesagt oder erschossen hatten; an Gefangenen oder Verwundeten haben sie sich dagegen nie vergriffen. Dieser Sieg ist übrigens jedem Bauer in Afrika M Kopf gestiegen; er bildet sich ein, Transvaal habe die ganze Macht Englands „besiegt" und er glaubt, es jetzt getrost mit jeder europäischen Großmacht aufnehmen zu können. Engländer und Buren.) Nach Mitteilungen eines Südafrikaners. (1885.) Bücher, Zeitschriften und Tagesblätter haben sich in den letzten Jahren vielfach bemüht, dem deutschen Volke, eine richtige Vorstellung von südafrikanischen Verhältnissen, namentlich von den Buren, ihren Schicksalen nnd Eigenheiten zu verschaffen. Trotzdem herrschen noch heute in Deutschland hierüber vielfach falsche Ansichten und der *) Aus einer Mitteilung des Nr. A. Fick (Richmond, Südafrika, 10. Ol-tob« 1884) in der Deutschen Kol..I.. I. Febr. 1885. 476 Deutsch'Siidwcstafnka. wißbegierige Leser wird es dahcr nicht übel nehmen, wenn cr das so oft behandelte Thema von nenem aufgetischt bekommt, besonders da die Znstände Südafrikas im Augenblick so verworren sind, daß man sich ans den bloßen Zeitungsberichten nicht wohl ein genaues Bild vou dcuselbcn machen kann. Es ist noch hente ein allgemeiner Irrtnni in Deutschland, daß die Bnren in den dreißiger Jahren wegen Aufhebung der Sklaverei aus der Kapkolonie ausgewandert seieu. Aber die Aufhebung der Sklaverei war nicht „der" Grund, soudern „ein" Grund unter mehreren anderen von gleicher Bedeutung, welcher eiuen Teil der Bauern zur Answanderuug ans der Kavkolonic bestimmte; heutc will ich darauf aufmerksam macheu, daß die augenblicklichen Zustände Südafrikas geradezu mwerstäudlich sind, wenn mau an dem Irrtum festhält, daß die Baueru insgesamt ausgewandert seien. In der That sind es nach den höchstcu Schätzungen 10 000, nach anderen Angaben 5,000 Seelen gewesen, welche die Kapkolouie verliehen; selbst weuu man die höchste Schätzung als die richtige annimmt, haudelt es sich doch uur um eiucu Bruchteil der damaligen Vaueru-Vcvölkernng des Kaplandes. Die Mehrzahl der Vnren blieb ganz ruhig auf ihreu Farmen innerhalb der Kapkolouie scheu, vermehrte sich durch den großen Kinderreichtum der Familien bis anf nngefähr 200 000 Seelen jetzt, und bewirkte also die gerade hente so wichtige Thatsache, daß vom Tafelberge bei Kapstadt bis znm Limpofto, der Nordgreuze des Transvaal, ein und dieselbe Natioualität die herrschende ist, nämlich die der Hollandifch redenden Vnren oder wie sie sich felbst nennen, der „Afrikander". Tiefe Thatsache spricht sich z. B. in dem Umstände ans, daß die Farbigen im allgemeinen nntcr sich holländisch sprechen, vorausgesetzt natürlich, daß sie sich überhaupt einer cnropäifchen Sprache, nicht ihrer eigenen nationalen Sprache, bedienen. Freilich haben die Afrikander nicht überall das Heft in Händen; während der Westen der Kavkolouic fast rein holländisch nnd nur in den Städten mit englischen Elementen durchsetzt ist, gehört der Osten der Kapkolonie zum Teil, einzelne Distrikte des Ostens sogar fast auöfchließlich cnglifch redenden Kolonisten an; denu gerade im Osten der Kapkolonie hatte ja das holländifche Element durch den großen „Trek", d. h. Auszug, eine bedeutende Schwächung, das euglifchc durch Einwanderung eine moralifche Kräftigung erfahreu. Das englische Element ist nun aber keineswegs auf den Osten Engländer und Vurcu. 477 der Kapkolonie beschränkt, vielmehr hat es in allen Städten nnd Städtchen, namentlich aber in den wichtigen Mittelpunkten des Handels und Verkehrs festen Fnß gefaßt, nnd zwar ist, selbst in den holländischsten Distrikten, die feste Bnrg des Englischen der Gerichtssaal, die Schnle und die Schreibstube der Kaufleute. Bis jetzt ist nämlich das Englische noch die ausschließliche Amts- und Gerichtssprache der Kapkolouic; in diesen seit 1XW herrschenden Znstand ist insoweit bereits eine Bresche gelegt wurden, als seit kurzem das Holländische im Kap-Parlament gesprochen werden darf. Der Unterricht wird namentlich in Mittelschulen und höheren Lehranstalten in englischer Sprache erteilt, was nicht wenig zur Verbreitung des Englischen unter den Afrikandern beiträgt; doch giebt es im Westen auch holländische Schnlen höherer Ordnung. Was endlich das „Geschäft" angeht, so gehört es ohne Zweifel zu den englischsten Einrichtungen der Kolonie. Denn einmal ist das Geschäft zum großen Teil in den Händen von geborenen Europäern, also Engländern nud Deutschen, und dann bedienen sich selbst die Afrikander in Geschäftsbriefen nnd in der Buchführung der euglischeu Sprache; ich weiß dies in Bezug anf meinen Wuhnort nnd glanbe eö mit Bezug auf selbst deu Westen der Kolonie. Ja, wie ich höre, ist sogar im Oranje-Freistaat das Englische die allgemeine Geschäftssprachc, obgleich doch dort die amtliche Sprache nicht eug-lisch, sondern holländisch ist. Es sind eben auch im Orauje-Freistaat vorzugsweise Enropäcr hinter dein Ladentisch, — Afrikander, die vor dem Ladentisch stehen; nnd wenn auch einmal ein Afrikander in der Stadt ein Geschäft cröffuet, so hat er doch jahrelang in einem englischen Geschäfte gearbeitet, versteht englisch nnd muß dies im Briefwechsel mit den großen Kanflenteu in Port Elisabeth oder Port Dnrban (in Natal) wohl oder übel anweuden. Ja, ich habe Lente, die den Oranje-Freistaat gcnan kennen, behaupten hören, der Orcmje-Frcistaat fei englischer, als die Kapkolonie. Bis zum Jahre 187? wurden die Fortschritte der englischen Sprache von deu Afrikandern gerade so ertragen, wie englische Herrschaft, nämlich nicht eben mit freundlichem Gesicht, aber doch ohne merkliches Widerstreben. Das änderte sich mit einem Schlage durch die Auuexion des Transvaal, April 1«77. Das Transvaal wurde annektiert und dies hatte bei den Afri-kaudern der Kapkolonie die Folge, daß ihre bisherige Abneignug gegen englische Regierung und Engländertnm zu einem heißen 478 Deutsch.Südweftafiila. Hasse sich verdichtete. Als nun gar im Sommer 1880/81 die Transvaaler sich erhoben und geradezu verblüffende Erfolge gegen die englischen Truppen errangen, als der bald geschlossene Friede (3. August I>.51) dcu Transvaalcrn ihre Unabhängigkeit zurückgab, da machte die „Patriotenpartci" in der Kapkolonie reißende Fortschritte. Sie organisierte sich unter dem Namen „Afrikanerbuud". Dieser Bnnd soll alle afrikanisch d. h. antienglisch gesinnten Kolonisten der Kavkolonie, des Oranje-Freistaates, des Transvaals, ja selbst Ratals vereinigen, nm den Afrikander»: und deren Wünschen in allen gewählten Körperschaften, alfo insbesondere in den Stadtverwaltungen, in den Distriktsräten und im Parlament Keltnng zu verschaffen; das letzte Ziel des Afrikancrbnndco, die Herstellung einer Bundesrepublik nach dem Muster der Vereinigten Staaten von Nordamerika, ist zwar in den Satzungen des Bundes nicht ausdrücklich erwähnt, aber ohne viel Scharfsinn zwischen den Zeilen zu lesen. Tie vollständige Freiheit, welche im Schatten der englischen Flagge herrscht, legte den Bestrebungen des Afrikanerbnndes kein Hindernis in den Weg. So stellton denn die einzelnen Zweigvereine des Afri-kancrbnndes für Mnnizipal-, Distrikts- und Parlamentswahlen ihre eigenen Bewerber auf, die in vielen Fällen anch wirklich gewählt wnrden. Auf diese Weise bekam der Afrikancrbuud die Klinke der Gesetzgebung in die Hand, was sich für die Kapkolunisten sehr bald fühlbar machte. Die politisch wichtigste Leistung der Bnndesmänner im Kap-Parlamente war wohl ohne Zweifel die Einführung der holländischen Sprache in dieses hoho Hans, deren sich jetzt jedes Parlamentsmitglied nach Wnnsch bedienen darf. Einen weit wichtigeren Erfolg hatte der Afritanerbuuo, oder richtiger der in ihm verkörperte Haß gegen die Engländer schon während seines Entstehens errungen, nämlich die Wiedcrhcrstellnng der Unabhängigkeit des Transvaals. Kein geringerer, alo Gladstone selbst, hat ja vor wenigen Wochen öffentlich (in Midlothian) erklärt, daß es wesentlich die im Kavlandc auflodernde Begeisternng für die Transvaalschen Freiheitskämpfer gewesen sei, welche im Jahre i^l die Englische Negierung znr Nachgiebigkeit gegen die siegreichen Bauern bestimmt habe. Und auch heute wieder soll, wie es scheiut, die öffentliche Meinung der Kapkoloniste» den Ausschlag gebeu in einer höchst wichtigen politischen Frage, in der Betschnanalandfrage. Diese Frage hat sich auf folgende Weise entwickelt: Den Namen Bctschnaualand führt ein Gebiet, das westlich vom Engländer und Vuren. 479 Transvaal und nördlich von der kapländischen Provinz West-Griqualand gelegen ist. Es soll ein schönes nnd fruchtbares Land sein. Bewohnt wird es von den Baraloug, Batlaftin nnd anderen Betfchuanenstämmen, deren Häuptlinge sich nm die Würde eines Ober-Königs der Bctschuanen, gelegentlich anch nm gestohlene Rinderherden blutig befehdeten. Dicht an der kavländischen Grenze, also im Südende des Betschnanalandcs, waren es die Häuptlinge Kasi-bonc nnd Mankoroane, weiter nördlich, etwa unter demselben Breitengrade wie Pretoria, die Hauptstadt des Transvaals, waren es die Hänptlinge Montsioa nnd Moshette, welche einander in der Wolle lassen. Je einem der Häuptlinge in den beiden verschiedenen Gebieten boten sich mm weiße Abenteurer als Hilfstrnppen an, unter der Bedingung, daß das Land nnd Vieh dcö zu besiegenden Gegners der Lohn für ihre Kriegsdienste sein sollte. Es ist wichtig, zn wisscn, daß diese Abenteurer nicht bloß alls Bnren (Afrikandcrn) bestehen, sondern daß anch verhältnismäßig zahlreiche Engländer nnter ihnen sind. Bei der gewaltigen Überlegenheit des weißen Mannes über den Farbigen danerte es natürlich nicht lange und die Abenteurer hatten einen mehr oder weniger vollständigen Sieg errungen; sie verteilten das beste Land des Besiegten unter sich, steckten Farmen ab nnd ließen sich häuslich nieder. Weil nnn aber Privatbcsih ohne eine Art von Regierung nicht bestehen kann, und weil selbst diesen rauhen nnd nicht gerade skrupulösen Grenzern das Bedürfuis des weißen Mannes nach Gcsch nnd Ordnung innewohnt, so errichteten sie einen Freistaat. Auf diese Art ist vor zwei Iahreu die Republik Stellaland im Gebiete der Batlapin, hart an der Nordgrenze der kaplän-dischen Provinz Griqualand, und vor wenigen Monaten die Republik Goscn im Gebiete der Baraloug (Montsioa nud Moshette) entstanden. Von dem Dasein der Nepnblik Stellalaud habe ich mich überzeugen können, denn eines schönen Tages siel mir eine wirkliche Briefmarke dieser Nepnblik in die Hände. Bezüglich der Republik Goscn ist mir ein ähnliches Lebenszeichen noch nicht zu teil geworden. 480 Deutsch'Südwestasnla. Bilder ans dm leben der Zumt. Der Voer als Hausdoktor. Dic Huis'Aputhele ini Vlechkasten. — Merkwürdige Kurmethode. — Der Vicn »ms;. Das Klima in dcn englischen Kapländcrn gilt für sehr gesund und die Luft für sehr rein; doch findet sich in der That dieser Vorzug nur ans dcn Hochplateaus uud im südlichsten Teile des Landes. Sonst leidet der Boer au denselben Krankheiten, wie der Europäer, besonders an katarrhalischen; die asiatische Cholera ist dagegen nie aufgetreten, häufig jedoch die endemische Cholera. Vei der Seltenheit der Arzte nud dem isolicrtcu Leben des Voers ist der Besitz einiger Hausmittel nötig. Es hat daher jeder Bocr einen grün lackierten Blechkasten, worauf „Huis-Apotheek" stcht uud der mit einer Unzahl Fläschchcu und anderen Medikamenten gefüllt ist, die zusammen über 3 Pfd. Sterling kosten nnd womit ein höchst einträglicher Hausierhandel getrieben wird. Jeder Hnis-Apotheek ist eine knrze Heilknnde beigegeben, infolge welcher alles, was des Apothekers Nameuszeichuuug nnd Stempel trä'gt, opi^Ft, ist und natürlich unfehlbar. Dann wird darin der kluge Nat erteilt, immer je zwei oder drei Mittel zu mengen. Ob die Wirksamkeit der einzelnen Mittel durch solches Gcmengsel erhöht oder nur eiu schnellerer Verbrauch befördert werde, überlassen wir dem Urteile der Konsumenten. Ans alle Fälle sind die Quantitäten, welche der unglückliche Patient, sei es Kind oder erwachsene Person verschlingen muß, wirklich schreckenerregcnd, nnd znr besseren Verständlichkeit wollen wir ein paar Skizzen aus dem gewöhnlichen Leben aufügen. „Nichtje," quakt eiu altes Weib. „dciu Kind hat viel Koorts (Fieber); bring die Hnis-Apotheek uud das Doctcrsboek (das besagte Pamphlet, welches dieser Pandorabüchse beiliegt)". Sofort wird der Kasten des Heils geöffnet und ein paar Theelöffel ans verschiedenen Fläschchen gereicht, woran das Kind beinahe erstickt. „Nichtje," quakt der alte Fettklumpen wieder, „das kleine Schepfcl (Kreatur) wird Steupe (Konvulsion) bekommen; siehst Bilder aus dem Lebcn der Vlircn. 4tz1 du, wir müssen noch von den Steupe-Drnppels geben". Und hinein geht noch ein Theelöffel Steupe-Drnppels. Natürlich wird dcr kleine Patient sofort trnnken nnd immer schlechter nnd noch mehr Medigin (der Herr vergeb' nns unsere Sünde) wird hincin-gefüllt. „Tante muß noch von dem I'nlvi« vitalis geben, das Kind wird schlechter," krächzt cine andere alte Drohne. „Ja, Tante," kräht eine Jüngere, „aber das Doctorboek sagt: halb 8o1 ari8 nnd halb Vil^Iis." Und hinein mnß halb und halb. „Und hier steht es geschrieben, Nichtje, daß noch Lcbensessenz beigemengt werden muß," bemerkt die Alte wieder, welche indes mit einer Brille auf der Nase das Doctorsboek studiert hat. Uud mau filtriert Lebeusesseuz hiueiu. Fast so schnell als immer nur das arme Wesen schlucken kann, wird Trank nnd Pnlver nnd Gemengsel eingeflößt; und wenn nur ein Wunder den Patienten noch vom Tode erretten kann, läßt das Doctorsboek noch nicht verlegen, denn, sagt es, man gebe dann „Nonderesscnz", bis man sich wundert, daß trotz Wuuderessenz uud Doktorbuch der Kranke doch verscheidet, Und dieser greuliche Unfug wird weder vom Oouveruement verhindert, noch vom ärztlichen Stande gerügt. Erzählen wir cincn anderen Fall. „Ncef Piet, Neef Jan, Oom Clas," schreit ein Mann, eilig ans dcr Hausthür tretend, ciuigcn Männern Zu, welche in kleiner Entfernung von dem Hanse in einem Garten arbeiten, „kommt schnell, ruft Oom Dirk uud Neef Andries. Konnut allc hastig! Taute Lctje hat die Benaauwdhcid, (Hysterischer Zufall!)" Mit großer Hast eilen sechs Männer dem Hanse zu, um die Benaanwdheit a bzudrü cken. Um diesen Prozeß dem Leser verständlich zu machen, führen wir ihn in die Stnbe, wo Tante Letje liegt uud auf bekannte Weise unter dieser Nervmstöruug leidet. Da stürzeu die sechs Männer mit Gepoltcr herein. Der eine kniet auf derVrust; der andere auf dem Unterleib; ein dritter zieht an deu Füßen; die audcru fassen an, wo sie nnr können; uud alle drücken mit Knieen und Fäusten, als obste einen Teig ans der unglückseligen Kranken zn machen beabsichtigten. „Hier ist er (der hysterifche Teufel)," schreit der eine; „jetzt habe ich ihn," ein anderer; „drück, drück!" singt der ganze Chor, und wieder wird mit Knieen und Fäusten geknetet. Neue Exklamationen folgen. 482 Deulsch.Südwestafrika. „Er ist weg — hier hab ich ihn wieder — drück, Oom — halt ihn fest — reib, Neef — zieh — such!" Alle sind außer Atem und fchwiheu imd drücken und reiben und ziehen und kucten unaufhörlich, bis das Weib wieder zur Besinnung kommt. „Dann die Huis-Apothcck her!" und nun muß sie schlucken, Löffel auf Löffel stießt in den elenden Magen: Roode Lavendel, Witte Dulcis, Veuaauwdheids-Druppels. Kramp-Druppels :c. (Hallesche Fabrikate oder Kaftsche Erfindung), meist alle durcheinander gemengt, so rät das Dokturbuch, die Ergießung des besagten Apothekergenics. In der That ist der Vocr so überzeugt, daß diese Mittel allein wirkliche Medizinen sind, denn der zweideutige Firman des besagten Genies bestärkt ihn in seinem Glaubeu, daß er in den meisten Fällen dieses Zeug ärztlicher Hilfe vorzieht, und sollte der Ausgang der Kraukheit dennoch unglücklich sein, so verdächtigt er keineswegs die Mittel, sondern giebt sich mit türkischem Fatalismus zufrieden, daß es fo bestimmt gewesen sei — daß der Herr es so gewollt habe. Dem praktischen Arzte auf dem Kap ift cine genaue Kenntnis dieser Mittel unerläßlich, denn so unerschütterlich ist des Boers Glaube an die Nortrefflichleit derselben, daß er jeden Arzt, welcher mit diesen voornaameu (vortrefflichen) Medikamenten uubekannt sein möchte, als Ignoranten betrachten wird. Politik veranlaßt daher leider mehrere Ärzte, zugleich Händler mit jenem Zeuge zu werden. Di-. Eduard Kretzschmar. WllMlttschiebllllgcn in Maflika seit Gründung der Rolonie und Veränderungen der Hottentotten an Gestalt nnd ^itte durch Einfluß der Weißen. Auf dcu gewöhnlichen Karten entziehen sich die Veränderungen, soweit sie die Eingeborenen betreffen, der Betrachtung, da nur eiu ") Aus einem Vortrage voi, H, Flitsch in der Sitzung der Berliner Gesell, schaft für Anthropologie, Ethnologie lmd Urgeschichte, den 14. März 1874. Völkerverschiebungen in Südafrika. 483 bestimmter Zeitpunkt berücksichtigt wird; bei einem von inneren Versuchen zerrissenen Lande, wie Südafrika, ist aber der Wechsel der Verhältnisse so groß, daß auf diese Weise eine richtige Vorstellung nicht gewonnen werden kann. Für Südafrika schließt eine Epoche, welche zusammenfällt mit der ausgedehnteren Etabliernng der Kolonie bei völliger Unterdrückung der Hottentotten um das Jahr 1!M) ab. Da die Nachrichten nach rückwärts sehr schnell immer dürftiger werden, so lassen sich frühere Phasen nicht wohl abgrenzen, nnd wir können beim heutigen Standpunkte der Wissenschaft nur festhalten, daß Südafrika mit Gründung der Kolonie in das Gebiet der Geschichte eintritt. Die früheren Berichte sind zu unvollständig nnd zum Teil mythisch, als daß man daraus eine genauere Vorstellung über die Verhältnisse ableiten konnte. Wir erkennen bei Verglcichnng der frühesten Quellen nur, daß sich in den südlichsten Gebieten des Landes beim Eindringen der Europäer Hottentottenstämme vorfanden, deren Ansbreitnng an der Westküste weiter hinaufreichte, als an der Ost-küstc. Diese Horden zogen wie Strichvögel umher, ohne daß sich ausgedehntere Züge oder Einwanderung nachweisen ließen. An-dentnngen über solche größere Wanderungen finden sich nur bei der hierher gehörigen Abteilung der Korana, welche längs des Naal-und Hart-Nivicr von Nordosten in ihre späteren Wohnsitze herabge-kommcn sein wollen. In allen diesen Gebieten bis hinnnter znm Kap fanden sich schon damals in kleinen Gesellschaften oder einzelnen Familien die Buschmänner als Bewohner der Felsschluchten und Dickichte; in ihnen sehen wir unstreitig die ältesten Einwohner des Landes vor uns, und die neueren Entdeckungen über die verwandten Stämme des centralen Afrika berechtigen zn der Annahme, daß diese dünne Bevölkerung ohne jede staatliche Organisation in der That die Reste der Ureinwohner des Kontinents darstellt. Der Mangel der Organisation verhinderte sie an großen Zügen, welche in geschlossener Masse ausgeführt werden mnßten. Das Eindringen der Europäer veranlaßte bald ein Zurückweichen dieser Stämme, wir sehen daher die Reste der unabhängig gebliebenen nach dem sterilen Innern oder läugs der Westküste hinaufziehen, nm sich neue Wohnsitze zn suchen. Bis zum Jahre I«M war die Eta-bliernng der Kolonie in weiteren Grenzen vollzogen, die einschlägigen Veränderungen fallen daher meist in die Periode von 1800—1860, 3l* 484 Dcutsch'Tüdwestafiila. wo die Umwälzungen durch die dnnkclpigmentiertcn Stänmw die Hauptrolle spielten. Diese dunklen, schwarzbrauucn (Hingeborenen, die Ab antu, waren nach ihren Überlieferungen und ältesten Berichten viel früher vom Nordosten Afrikas abwärts gezogen, ohne daß man indessen den eigentlichen Ausgangspunkt ihrer Wanderungen bisher hat feststellen können, Ihre meiste Veränderung erlitten sie dnrch den Druck der Kolonisten^ Welche bei der entgegengesetzten Richtung des Vordringens am Sonutagsflnß etwa auf sie stießen nnd rückläufige Strömungen veranlaßten, deren Wellen sich dann wieder mit umcn, aus dem Herzen der Stämme selbst entstandenen brachen. Die bedeutendsten Züge wnrden unternommen gegen Süden durch die Zu deu Ama-znlu zählenden Ama-feugu (Fingoe), gegen Westen nnd Nurdwesten dnrch die Matabele, gegen Südwestcn, die anderen kreuzend, von dcu Bamomtatisi (Mautati). Tie letztgenannten erscheinen als die spätesten Abkömmlinge in Südafrika und müsseu in verhältnismäßig nencr Zeit von nördlicheren Wohnsitzen aufgebrochen sein. Sie bildeten den Nachtrab der Familie von Stämmen, welche man als Be-chnana zusammenfaßt, deren Wan-deruugcu ebeufalls von Nurdost gegen Südwest verlanfcn, ohne sich indessen in größerer Ausdehnung mit völliger Sicherheit nachweisen zu lassen. Die am meisten westliche Richtnng haben unter den duukelpigmcntierten Stämmm die Hcrero (Damara) gewolincu, welche sich bis nahe au die Westküste verschoben und hier gegen die nordwärts ziehenden Nam aqua prallten. Es schloß sich so der Völkerwirlx'l, dessen Mitte von der wasfcr-loseu Kalahari eingenommen wird nnd dessen Hauptrichtung im Osten an der Küste abwärts, im Westen an derselben answärts fuhrt, wenn auch manche kleinere Strömungcu sich eigene Bahnen suchten. Diese beständigen jähen Veränderungen ergaben das bnntc Pölkergcmisch des heutigen Südafrikas, wo geschlossen lebende, unabhängige Stämme nnr noch in kleinerer Zahl existieren, während die meisten als Trümmer zwischen den Kolonisten vegetieren. Einige dieser Rassen haben den Charakter geschlossener Stämme angenommen nnd wiedernm eine selbständige Rolle gespielt, wie die Grig na unter Adam Kok und Waterlwer, deren Züge, entsprechend ihrem Nrspruugc, mehr konform denjenigen der cmswanderuden Boeren verliefen. Völkerverschiebungen in Südafrika. 485 Nur für die kolonisierten Gebiete wurden nach langen Zwistig-leiten genaue Grenzen festgestellt, während die Eingeborenen selbst den Grund und Boden viel zu wenig achteten, um genaue Greuz-regnlierung vorzunehmen. Das Bestreben der Kolonisten, den (Kin-geboreneu diesen ihueu uubekauuten Begriff zu oktroyieren, ist gerade cin Haufttgrnud für die Verwickelungen und Kriege geworden. II. 5) Die Hottentotten scheiueu sich im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte durch den Eiuflnß der Weißen, mit denen sie Südafrika nun teilen mußten, was Gestalt uud Sitten angeht, ziemlich bedeutend verändert zu haben. (5ö ist vielleicht interessant zu hören, wie mau sie N^5 in der Kap-kolonic anstellte, fanden sich «'.,'l Personen über 100 Jahre in der Die Vuschleute oder Saan, 48? Kolonie vor. Die Kapbaucrn werden selten rccht alt; wahrscheinlich kommt von diesen 63 über 100 Jahre alten Lentcn die Mehrzahl auf Hottentotten. Unter den farbigen Leuten der Kaftkolonie sind etwa ein Drittteil zum Christentum bekehrt. Wohl haben die Hottentotten und Farbigen des Kaplandes keine uns gewinnenden oder interessierenden Eigenschaften; in ihren Idceen, Sitten, nach ihrer Sprache sind sie ihren früheren Herren, den Kapbaucrn, fast gleich geworden, aber sie sind als dienende, als zweite Klasse der dortigen (Gesellschaft nützlich und unentbehrlich. Mancher Reisende, welcher flüchtig jenes Land durchzieht, fchilt über Bilder von Faulheit oder sittlicher Verkommenheit, die hier und da sich seinem Ange bieten, ohne daß er sich die Mühe uähme, auf Dörfern oder Missiousstationen Schulen, Gottesdienste uud Wohnungen dcs christlichen Teiles der Bevölkerung Südafrikas zu besucheu. Ohne das Eingreifen des Christentums uud der christlichen Mission würde die farbige Bevölkerung Südafrikas jetzt ein ungleich traurigeres Bild bieten. We AljWlte oder Kmu. Die Buschleute und die Hottentotten möchte ich fast die interessantesten unter den südafrikanischen Völkern nennen. Freilich sind diese Stämme nicht berufen, die Träger einer eigentümlichen Kulinr zu werden, wie es vielleicht die Kaffcrstämme sind, aber als besondere Nassen dcs Meuscheugeschlcchtes bicteu sie in Körperbau, Sprache, Sitten nnd Lebensweise des Interessanten, ja des Rätselhaften viel. Beide Völker sind von den Kaffern nnd den übrigen südafrikanischen Völkern grundverschieden.*) Während die Sprachen dieser dunkelfarbigen Stämme vom Südende AfrilaS bis hinauf zum Äquator eine nahe Verwandtschaft zu einander zeigen, ist von diesem ') Friedrich Müller sS. 17l!) und andere Ethnographen bezeichnen, nach dein Vorgänge des Philologen Meek, die Völker der großen südafrikanischen Sprachfcmnlie mit dem Namen Nantu stamme, im (Äegensatz zn den Negern. MerenSky nennt diese Bezeichnung ebenso willkürlich, als nichtssagend, da /V!>Än!n in der Kaffersprache der Kiistenstänimc „keilte", „Menschen" bedeute, und man doch wissenschaftlich nicht von „Menschenstämnien", „Meuschenspiachcn" reden lünne. N. 488 Deutsch.Südwcftaftila, großen südafrikanischen Sprachstamme sowohl die Buschmanns-, als Hottcntottensprache durchans zu unterscheiden. Auch sonst, in Lebensweise, Sitten und Körperbau, haben die Stämme, welche uns hier beschäftigen, mit den dunkelfarbigen Kasfer- und Negerstämmen durchans nichts gemein. Die Buschleute und Hottentotten stehen einander uäher; wenigstens in Farbe und Typus des Gesichtes sind beide Völker einander sehr ähnlich. Auch finden sich in beider Völker Sprachen die so sehr eigentümlichen Schnalzlaute, in den Mythen imd Sagen beider spielen Sonne, Mond und Sterne eine Rolle, während die Sagen der dunkelfarbigen Afrikaner mit den Gestirnen nichts zn schaffen haben, nnd doch darf man Buschlente und Hotteutotten nicht identifizieren. Echon die erstell Europäer, die sich am Kap niederließen, schieden zwischen beiden Völkern, indem sie ihnen verschiedene Namen beilegten. Unser Bnschmann erhielt seinen Namen nach dem Orangutang, den die Holländer in Ostindien kennen gelernt hatten. Orangutang heißt bekanntlich Waldmensch, ^ holländisch „uo^lmuul" oder „I^o8>68mall". Später ist uon Reisenden öfter behauptet worden, die Buschlente feien Hottentotten, die, uon den Kolonisten ihrer Herden beranbt, in die Wildnis sich zurückgezogen hätten. Das ist grundfalsch, denn Herden konnten dem Volke der Bnschlcnte' nie genommen werden, weil es niemals solche besessen hat. Zwischen der Sprache beider Stämme ist nnr eine geringe, vielleicht kaum nachzuweisende Verwandtschaft. Die Sprache der Hottentotten steht anf der agglntiuatiueu, die der Bufchlente auf der isolierenden Stnfe, jene hat vier fogenannte Schnalzlaute, diefe hat deren mehr nnd kennt anch Schnalzlaute, die mit den Lippen hervorgebracht werden. Tie Hottentottcnsprache kennt GeschleäMunter-schied bei den Hauptwörtern, die der Buschleute uicht, jene bildet den Plural der Substantive durch Mhängnng von Endsilben (Suffixen), diese dnrch Verdoppelung des Namens oder seiner ersten Silbe. Jene kennt Zahlbenenunngen bis zur Zahl 2<>, diese nur bis 2, was darüber ist, ist 2 solcher Züge (Kommandos) mitgemacht, auf dereu einen: 200 Bnschlente das Leben verloren. In ncnercr Zeit tötete man selten das anfgcspürte Völklein, nnr Kinder sucht der afrikanische Baner noch immer zu stehlen oder zu erhandeln, wo er Bnschlente trifft. Wenn der Bauer auf jenen Hochebenen am Vaalfluß auf der Jagd ist, so macht er Jagd auf deu Buschmann, den er etwa in der Fläche bemerkt. Hat der Letztere einen Vorsprung, fo entkommt er meist. Das erste beste Loch, vom Ameisenbär gegraben, genügt dem gelenlen Flüchtling, unsichtbar im Boden zn verschwinden. Ward der Buschmann gefangen, so zwang man ihn, das Lager seiner Horde anznzeigen, Gs sollen Fälle vorgekommen sein, wo solch arme Gefangene sich lieber haben tot peitschen lassen, als daß sie die Ihrigen verraten hätten. Findet der Bauer das Volk, so schlachtet er wohl einen Ochsen, nnd die eingeschüchterten Lcntlein geben dann meist für dessen Fleisch einige Kinder her. Einer meiner Schwarzen hat mir erzählt, daß er einst in jener Gegend zu Pferd auf einen Haufen von Saan, Männern, Weibern und Kindern gestoßen sei; weil man ihn für einen Vaner gehalten, sei Alles eiligst davongeeilt, auf der Flucht aber hätten Tie Bufchleiltc oder Scuni. 493 einige Weiber die Kinder, die fie auf dem Rücken trugen, fallen lassen in der Hoffnung, daß der schreckliche Reiter die nehmen und sie laufen lassen wcrde. Durch solche Nachstellungen find die Saan mehr zusammengeschmolzen, denn wo die Ansrottnng eines Volkes so planmäßig betrieben wird, wie es bei den Saan besonders in, vorigen Jahrhundert in der Kapkolonie der Fall war. da mnß sie wohl von Erfolg begleitet sein. Es leben aber bis znm 1.^" südlicher Breite hinauf noch immer Haufen dieses merkwürdigen Volkes in ursprünglicher Weise. Der Teil der Vnschleute, den man zn einer seßhaften Lebensweise gezwungen Hai, hat sich mit Hottentotten nnd anderen Farbigen vermischt. Wir haben in dcn Saan einen der interessantesten Zweige des menschlichen Geschlechtes vor nns. Sie gehören zn den kleinsten Menschenrassen; nnr etwa 4>> Fnß hoch ist der Mann, das Weib etwa 4 Fuß, wo man sie größer fand, rührt solches wahrscheinlich von Vermischung mit Hottentotten und Kaffern her. Ihr Typus ist bekannt, er ist dem Typus der Mongolen ähnlich. Entstellt wird das Gesicht dnrch die hervorstehenden Backenknochen und die eingedrückte Nase. Haben nnn etwa dic Nccht, welche meinen, wir hätten in den Buschlcutcu eine Ärt Mittelrasse vor uus Zwischen Mensch und Affen, eine Nasse, deren Existenz die Richtigkeit der Darwinschen Hypothese beweise oder unterstütze? Nach nnscrer Überzeugung ist das nicht der Fall. Znnächst bemerken wir: „Tie Saan haben eine Sprache." Ihre Sprache scheint unentwickelt zu sein, scheint unter den Sprachen der schwarzen Stämme Afrikas zn stehen, — aber sie ist zn wenig bekannt, als daß wir uns cin Urteil über dieselbe crlanbm könnten. Weil aber die Sprache der Saan nns so wenig bekannt ist, so kennen wir auch das eigentümliche Geistesleben dieses Volkes, welches ja immer erst durch Kenntnis der Sprache erschlossen wird, fast nicht. Was Reifende, was Missionäre von Bnschlcutcn gchört haben, haben sic in Sprachen gehört, die ursprünglich diesen Lcntcn fremd waren, also die eigenen Ideen des Volkes immer erst in anderem Gewand und anderer Färbnng erscheinen ließen. Wir finden bei dcn Buschleuten Fähigkeiten, dic andere afrika-nifche Eingeborene nicht besitzen, z. B- die Gabe der bildlichen Darstellung, In dcn Schnecbcrgen, im Trakengcbirge, überall findet man Felsenwände, die mit Buschmannszeichnungen bedeckt sind. 494 Delitsch'Siidwestafrila. Mr. Orften, englischer Magistrat im freien Kaffcrnlande, drang, um rebellischen Eingeborenen die Wege zu verlegen, im Jahre 1873 weit in das öfter erwähnte Drakengebirge vor. Er mietete einen aus dem Gebirge stammenden Buschmann, Namens Qning, nnd befragte diesen nach der Bcdentnng der Zeichnungen, die nmn hier nnd da an den Felsen sah. Besonders fielen Mr. Orpcn Männer und Weiber mit Antilovent'öpfen*) ans, welche dort dargestellt waren; er fragte, wer die denn seien. Er erhielt die Antwort, daß diese Lente einst zwar gelebt hätten, nnn aber nur noch in den Flüssen lebten, sie seien vernichtet worden, da auch die Elenantilopen vernichtet wurden, und zwar von den Leuten, die an den Felsen tanzend dargestellt waren. Da Quing bei seinen Erzählungen Eagan erwähnt hatte, fragte Orven, wer Eagan sei, — die Antwort war: „Eagan macht alle Dinge, wir beten zu ihm. Wir beten: Cagan, Eagan, sind wir nicht deine Kinder, siehst du nicht unsern Hunger, gieb uns Essen, nnd er giebt uns beide Hände voll." — „Wer ist Cagan," frug man weiter, und die Antwort Qning's lautete: „Ich weih nicht, aber die Elenantilope weiß es. Hast dn nicht bei der Jagd seinen Schrei gehört, wenn die Elentierc schnell davon und seinem Nnfe nacheilen? Wo er ist, find Elcntiere in Haufen." Auf weitere Fragen nannte Quing Eoti als Cagans Weib; woher sie stamme, wiffe er nicht, aber vielleicht sei sie mit den Lenten gekommen, welche die Sonne einst brachte. „Aber das sind Geheimnisse," sügte er hinzu, „ich kenne sie nicht, nur jene Tänzer dort auf den Bildern kennen sie." Die Vnschleute oder Saan erkennen also ein höchstes Wefen an, in unserer Erzählung ward es Eagan genannt, nach anderen Berichten heißt es Eaang. Sie reden in ihren Sagen von einer früheren Nasse von Menschen, die vor den jetzigen Erdbewohnern gelebt hätten. Von diesen Alten hätten viele Wunder thnn können, andere seien an den Himmel als Sterne versetzt; die Milchstraße ist Asche, welche ein Mädchen der früheren Erdbewohner dort oben ausgeschüttet hat. Die Saan haben gute, natürliche Anlagen des Verstandes, haben auch nnter allen Südafrikanern die meiste Anlage znr Musik. Überall bei den südafrikanischen Bauern muß der Buschmann zum Tanz aufspielen, die Fiedel ist sein Instrument. Der „zahme" Bufchmann ist als Diener sehr geschätzt. Er ist ") Vcntl, (Reisen I. 2W) fand m der Breite vun Mlirzuk ganz ühnliche, an Fclsemvlindcn cmgcgrabene Darstellungen. Gin Vehmgencht bei den Kassen,. 495 treuer, steißiger, auch energischer als der Hottentott. Besonders als Hirt und Jäger leistet er seinem Herrn die besten Dienste, Ich selbst habe auch Buschleute unterrichtet nnd getauft, obwohl ich eigentlich unter Basuthos arbeitete. Ich fand, daß diese Leute lebhaften Geistes und Mhruugcn zugänglich waren, daß sic, was ihrer Fassungskraft angemessen war, gut und tief auffaßten, und habe all getauften Buschleuten Freude erlebt. Als Charakterfehler macht sich bei Dieuftlenten dieses Volkes geltend, daß sie öfter vcrdrofsen und launisch werden. Jedenfalls aber berechtigen uns die bisher gemachten Wahrnehmungen zu dem Schluß, daß dic Saan nicht halbe Affen, sondern Menschen sind. A. Merensky. Superintendent der Berliner Transvaal-Mission. Beiträge zur Kenntnis Sndafrikaö. Berlin 1875. Ein Wlllycricht bei den Kaffern. Vor einigen Wochen war ich Zenge und teilweise Mitspieler einer jener Tragödiecu, die das Nchmgericht in Pondaland nur zu häufig in Scene seht. Hinter der Besitzung des Herrn Hughes auf einer zehn Minuten entfernten bewaldeten Anhöhe befindet sich ein Kaffirkraal aus 6 oder 8 Hütten bestehend. Stammvater oder Oberhaupt dessclbeu war ein halbzivilificrter Kaffir von Kiugwilliamötowu in der Kapkolonie, der unter Engländern auferzogen und dann nach Pondaland übersiedelt war-Auch seine Frau war aus der Kapkolonic nnd ziemlich cnglisiert. Tadnrch, sowie durch seineu Reichtum, nahm Jakob, dies war der Name des Mannes, eine höhere Stellung nnter den Eingeborenen cin, was er aber seine Umgebung bedeutend fühlen ließ, so daß dic Familie sehr unbeliebt war. Sein Vermögen würde ihn fogar bei uus als ciucn wohlhabenden Mann haben gelten lassen, denn er besaß viele gut bebaute Mais- nud (Gemüsefelder, einige Stück Rindvieh, was hier im Durchschnitt "0 Mari den Kopf wert ist, einen Ochsenwagen, der 1'AX) bis 1 Mark den Kopf, und ca. 200C Mark in 496 Deutsch. Südwestafrila. barem Gelde. Ihr werdet schon anderweitig gelesen haben, daß aller Transport in Afrika durch Wagen, mit Ochsen bespannt, besorgt wird. Denn da ans diesen ungeheuren Flächen oft (viele Tagereisen) weder Obdach noch Lebensrnittel angetroffen werden, und man häufig ohne Wege nur der Richtnng nach über Gebirge nnd steile Hügel, dnrch Flüsse nnd Thäler zieht, so ist jedes andere Transportmittel unmöglich. Nur auf gebanten künstlichen Wegen nach vielbesuchten Plätzen fängt man jetzt an, Maultiere zn verwenden. Diese Ochsenwagen sind demnach ungeheuer solide nnd stark gebaut, vom besten Material, werden von 16 bis 2<» Ochsen gezogen nnd jc nach den Wegen mit bis <^> Zentnern beladen. Es ist erstaunlich, welche unebenen steilen Wege dieses Gespann passiert, ans denen ein Fußgänger oft Mühe hat, fortzukommen. Doch zurück zn meinem Thema! Jakob war stolz ans seinen Reichtum nnd scharrte immer mehr zusammen, hatte seine Söhne und Treiber, nahm für die europäischen Händler Fuhren an, wofür er 20 Mark den Tag erhielt. Außerdem war er ehrgeizig und strebte danach, selbst ein kleiner Häuptling zn werden. Dies steigerte den Haß nnd die Habgier seiner Feinde und brachte ihn endlich zum Fall, Gine anscheinend geringe Ursache beschleunigte die Krisis. Jakob arbeitete an der Station eines Kanfmannö am St. Iohns-Flnsse, ein Schiff abladend. Cin dabei beschäftigter Kaffir, Unterthan des kleinen Häuptlings Umlage, stahl eine Tabakspfeife von Bord nud Jakob brachte deu Fall vor Gericht, worauf der Dieb bestraft wurde. Der Hänptling schwur Jakob Nache, nnd ob anch Jahre darüber vergehen, ein Kaffir vergißt dies nie. — Eine geraume Zeit war vergnügen, über Itt Monate, bis Um-tage feine Nache ins Werk setzte. <3r ging hin zum großeu Häuptling Damahö, der im Lande zwischen dem Umtata-Flusse und St. Iohns-Flusse oder Umzimwuwu herrscht nnd klagte Jakob an. Dies ist einc Art Vehmgericht, nnd das Verfahren ist folgendes: Der Ankläger nimmt einen oder zwei Ochsen, treibt sie vor den Kraal des Oberhäuptlings, macht demselben ein Geschenk damit uud setzt sich daun der Hütte gegenüber mit trauriger, kummervoller Miene, ab und zn jammernd nnd wehklagend. Nachdem er stundenlang gesesfen, fragt der große Häuptling, was sein Begehr? „Königlicher Herrscher," sagt der Ankläger, „ich komme zn dir, damit du mich tröstest." — „Warnm, was fehlt dir?" — „Fluch lastet ans meinen» Kraale, meine jungen Lentc nnd Kinder sterben, Gin Vehmgencht bei den Kaffern. 497 meine Frauen sind krank und werden von Tage zu Tage dünner, meine Kühe geben keine Milch mehr und sinken hin wie die Fliegen, darum ist es besser, du tötest mich, damit mein Kummer aufhört." — „Was denkst du, ist die Ursache^" — „O, es hat jemand mich behext." — „Hast du Verdacht auf irgend jemand?" — „Ja, großer Häuptling, auf den und den." — Dann werden Gründe gefordert, Zeugen verhört und endlich die Räte und Zauderdoktoren befragt. Auf deren Aussagen wird dann der Angeklagte verurteilt und der Kläger ermächtigt, das Urteil zu vollstrecken. Dies war auch der Verlauf mit Jakob. — Auf die Frage, auf wem der Verdacht ruhe, antwortete Umtaze entschieden: „Auf Jakob und seinem Kraale," — Mehrere Zeugen wurden vernommen, welche aussagten, sie hätteu vor längerer Zeit Jakobs Leute Gift aus dem Galegalande (eines südlich vom Umtataftusse wohnenden Kaffer-stammes, der durch seine Kenntnis verschiedener Pflanzengifte berüchtigt ist) holen sehen, wobei dieselben prahlerisch geäußert hätten, ihre Feinde würden bald zum Schweigen gebracht werden. Ein anderer Zeuge erzählte, cr sei nachts vor Jakobs Hütte gekommen und habe die Thür verschlossen gefunden, inwendig aber Licht gesehen. Darauf habe er durch eine Öffnung geguckt und beobachtet, wie derselbe und seine Frau Rosa bei einem Topfe gestanden, in welchem eine rote, schäumende Masse gekocht habe, wobei die beiden Zauberformeln ausgesprochen haben des Inhalts, daß Umtaze solle sterben. Dies war im Poudalandc überzeugend und nachdem Räte uud Zauberdoktoren befragt waren, gab Damahs seine Einwilligung zur Vernichtung Jakobs und zur Teilung seiner Habe unter den beleidigten Stamm Umtazes. Schon lange hatte dieses Unheil über dem Haupte des Verurteilten gebrütet, und derselbe wußte es gar wohl, war aber so mutig und auf seine Macht vertrauend, daß cr die drohenden Gerüchte nicht allein mißachtete, sondern sogar herausforderte. Am 13. November sprengte ein Kaffcr zu Pferde au der Hütte vorbei und rief: „Jakob, nimm dich in Ächt!" und verschwand dann so plötM), als er gekommen. „Ach!" rief Jakob höhnend, „ich bin bereit; laß sie nur kommen!" Gr glaubte, daß im Falle der Not die Nachbarschaft ihm beistehen würde, täuschte sich aber darin nur zu sehr. Am 14. November morgens gegen 4 Uhr wurde mit einem Malc heftig an seine Hütte geklopft, und seine Feinde riefen ihm zu, Vaumgcirtc», Afrika. A2 498 Deutsch'Südwestafnka. er solle herauskommen und sich übergeben. Etwa 100 bis 150 Mann hatten des Nachts im Hinterhalte gelegen nnd den Kraal umzingelt. <3s ist nämlich eine Eigentümlichkeit der Kaffern, daß sie alle ihre Überfälle kurz vor Tagesanbruch machen, nnd man findet dies bei den meisten uncivilisiertcn Völkern. Jakob wnßte wohl. daß sein Leben verwirkt war, daß cr getütet worden wäre, sobald er ans dem Hause trete, deshalb beschloß er, sein Leben so teuer als möglich zu verkaufen. Er verweigerte also seine Übergabe, ließ jedoch auf Verlangen seine Frau uud Familie ans letzterer Wunsch hinaus. Sobald dieselben uuter der Nottc dcr Feinde erschienen, wurde ihnen das Zeug vom Leibe gerissen, sie gingen nämlich europäisch gekleidet, uud dieselben mißhandelt. Im Gifer aber, die Hauptperson zu erhalten, vergaß man die gehörige Vorsicht, so daß die Frau mit den Kindern nach der Station des Herrn Hughes entfloh, woselbst ich der Zeit mich anfhielt. Ein merkwürdiges fremdartiges Geräusch weckte mich aus meinem gewöhnlich sehr gesunden Schlummer, nnd emporfahrend hörte ich die Stimme dcs Kafferdicners, dcr in der Küche nahe beim Hanse schlief. „Um Gotteswillcn machen Sie schnell die Thür auf, man ermordet Jakob und seinen ganzen Stamm, die ganze Gegend ist im Aufruhr!" Sofort sprang ich auf und öffnete die Thür, uud im selben Augenblick stürzte auch Rosa mit ihren Kindern uud Mägden in das Haus. Wie ich schon früher einmal erwähnt habe, ist nämlich das Haus eines Europäers cin Sanktuarium, das jeden Eingeborenen schützt, der in dasselbe flüchtet. Jetzt folgte einc schauerliche Scene, im Hause das Jammern uud Schreien dcr Kinder und Mägde, die ganze Gegend tageshell von den angezündeten Kafferhütteu, Schießen, Heulen und Schreien, als ob alle Tämouen der Hölle losgelassen seien. Dies dauerte cinc Zeitlang, bis der Tag anbrach. Ich stand gerade vor der Thür und wartete der Dinge, die da kommeu sollten, als plötzlich einer der Treiber Jakobs, Macesa, atemlos mit ungeheuren Sätzen hundert Schritte von mir erschien und sich sodann urschnell platt auf die Erde in das hohe Gras warf. Im selben Augenblicke kamen zwei Mäuner, jeder mit 6 bis « Speeren bewaffnet, bei ihm vorbei und kamen vor mir zu einem plötzlichen Stillstande. Sie hatten ohne Zweifel die Fährte von Macesa verloren. Als sich dieser niederwarf, hob er noch die Hände bittend zu mir empor, daß ich ihn nicht verraten möchte. Den Anblick der beiden Verfolger werde ich nie iu Ein Vehmsseticht bei den Kafsern, 499 meinem Leben vergessen, die Angen schienen dreimal so groß als gewöhnlich, die Pupille blitzte furchtbar nnheimlich, während das Weiße mit Vlnt unterlaufen war; vor dem Munde stand dcr dicke Schaum, und kann nur ein bis Zur Tollheit gereizter Tiger so anssehen. Nachdem sie mich und das Haus einige Augenblicke wild angeschaut, als ob sie durch die Maueru des letzteren hindurchblicken wollten, fragten sie vor Wut und Anfregnng keuchend, ob ich den Flüchtling nicht gesehen, was ich natürlich verneinte. Bei der Zeit war ich selbst so sehr in Anfrcgnng geraten, daß ich krampfhaft meine Büchs-siinte umfaßte nud gar zu gern auf die Kannibalen losgebrannt hätte. Dieselben setzten dann wie Bluthunde in das Dickicht hinter dein Hause, um den Entflohenen aufzuspüren. Sobald sie sich entfernt hatten, nahm ich den Flüchtling in das Boot und fetzte ihn über den hier WO Meter breiten Fluß, der nn-mittelbar vor dem Haufe vorbeifließt. — Auf dcr andern Seite herrscht nämlich ein anderer Häuptling, Umtengela. so daß Flücht-liuge drüben geborgen sind. Sobald Nosa und die Kinder aus der Hütte Jakobs waren, fingen die Kaffern an, dieselbe zu stürmen. Das war aber nicht fo leicht: es hatte die Nacht geregnet, so daß die Fcuerbräude nicht recht brennen wollten, nnd sowie sich ein Feind näherte, schoß Jakob durch die Offmmgeu des Hauses auf denselben. Endlich aber sing das Strohdach Feuer und als dies einstürzte, konnte sich der Eingeschlossene nicht länger halten. Er machte einen ungeheuren Satz durch die offene Thür, die Verzweiflung gab ihm Löwenkräfte, er brach durch die Reihen dcr Belagerer und sprang über die Umzäunung in den Kraal, worin einige 6>> Kühe sich befanden, durch dieselben und auf der andern Seite wieder hinans dem Gebüsch zu. Aber viele Hunde find des Hasen Tod. Eine Anzahl verfolgte ihn, ein Speer (Assagai) traf ihn in das Bein und eine Flintcnkugel in die Schulter, so daß er stürzte. Im Nu war die Rotte auf ihm, man schlitzte ihm mit einem Assagai den Banch auf und schnitt ihm die Kehle dnrch. Zwei Treiber, der schon vorhin erwähnte Macesa und Magnan, den ich später über den Fluß setzte, über welche ebenfalls das Todesurteil gefällt worden war, entkamen, indem sie die Verwirrung, die Jakobs hartnäckige Verteidigung verursachte, benutzten, zn entfliehen. Darauf nahmen Nmtaze uud seine Leute Besitz von des Getöteten Hab uud Gut, schlachteten eine Kuh und wuschen sich die 32* 500 Deutsch-Südwestafrika. Hände im Blute, ein Opfer, welches bedeutet: „Ich wasche meine Hände rein von Schnld, es war ein Gottesgericht." — Des Tages über kamen mehrere Boten zu uns, die nns ansagten, daß, wenn man Nosa zu fassen bekäme, sie ebenfalls getütet würde; deshalb durste dieselbe nicht ans dem Hanse gehen, bis wir sie ebenfalls auf die andere Seite des Flusses befördern konnten. Kapitän K. R. Weineck. Albeit mit Hindernissen, oder ein Tag eines protestantischen RafferwINisfionars. Der Missionar Pradel lebt mit Fran uud Kind anf einem einsamen Vorposten mitten im Kafferugcbiet. Er ist so beschäftigt, daß er nur selten Zeit finden kann, durch einen Brief Knnde von sich Zu geben. Um so interessanter ist ein Bericht von ihm, den das „Flugblatt der Brüdergcm," 1^, Nr. '! veröffcutlicht und der den noch hier und da spukenden Wahn von dem unthätigen, müßiggängerischen Leben der Missionare in Südafrika in handgreiflichster Weise widerlegt. Eines schönen Morgens saß Pradel da mit der Feder in der Hand, um seinen Bericht für das Missionsblatt zu schreiben. „Mein letzter Vesuch in Eliikolweni . . ,", so viel stand glücklich schon auf dem Papier, als der Niehwächtcr einbrach, ein Schaf-lein auf dem Arm. Das hatte sich ein Bein gebrochen nnd mnßte verbunden nnd gepflegt werden. Und während Missionar Pradel noch damit beschäftigt ist, kommt ein Mann, sein Geld zu holen für die Pferde, die er zu ebcu jenem Nitt nach Elukolweni geliehen hatte. An und für sich brauchte diese Zahlung nicht vlel Zeit zu kosten; aber die Kaffern sind. samt uud sonders der Ansicht, die man in Europa zum Glück doch nur bei mauchen vertreten findet, daß cs besser ist, auf Umwegen zum Ziel zu gelangen, als auf dem geraden Wege und daß es schade wäre, mit zehn Worten sich zu begnügen, wo sich eine so schöne Gelegenheit bietet, hnndcrt anzubringen nnd weuu man fertig ist, noch einmal von vorne anzufangen. Der Pferde-Verleiher nimmt sich also Zeit, Missionar Pradel übt sich tapfer in der Geduld nnd während defscn ruht seiuc Feder aus, obgleich sie noch gar nicht müde ist. Alier alles nimmt einmal ein Ende, selbst Albeit »int Hindernissen. 501 die wortreiche Umständlichkeit eines Kaffern, und die Feder kommt wieder in Bewegung. Ach, sie hat nicht Zeit warm zu werden, da tönt Hufschlag an das Ohr dcs Schreibers, und als er aufschaut, steht er einen Reiter und zwei Reiterinnen vor dem Missionshäuschen absteigen. Ersterer giebt den zwei Sutu-„Damen" das Ehrengeleit. Es ist ein Jüngling, der zwar nur mit einem kurzen Deckchen geschürzt ist, aber eine Mühe und viel schöne Ringe trägt. Die eine Reiterin kleidet sich europäisch und ist eine der ? oder 8 Fraueu des Häuptlings Lehanuah. Sie kommt, um für sich und sonst noch jemand Medizin zu holen. Die andere verschmäht durchaus jede Anlehnung an europäische Sitte nnd Kleidung, nur nicht die europäische Kunst des Zahnanözichens. Kein Wnnder! Wenn so eine arme, von Zahnweh geplagte Frau sich in die Behandlung ihres branncn Herrn und Gemahls begicbt, so bohrt er ihr gelegentlich den kranken Zahn mühsam mit dem Taschenmesser heraus und das empfindet auch ein Kaffernkiefer schmerzhaft. Da macht es der weiße „Lehrer" schon besser, auch wenn er kein gelernter Zahnarzt ist. Diese zahnwch-kranke Dame erschien, wohl um ihren Helfer nnd Retter zu ehren, im höchsten Staat, d. h. frisch rot geschmiert, glänzend und klebrig. Wer aber einen solchen „roten" Kaffern angreist, besudelt sich. Darum läßt der Zahnarzt die Patientin erst die wollene Zipfelmühe des Jünglings aufsetzen, um wenigstens von der Berührung mit dcn fetttriefenden Haaren geschützt zu fein, er trägt aber nichtsdestoweniger ziegelrote Hände davon. Während er sich wäscht, haben wir Zeit ein paar ergänzende Bcmcrknngen über diefeu Zweig der Missionsarbeit unseres Bruders Zu machen. Er übt ihn oft und viel, denu die Leute kommen von weither znm Zähneauszicheu, die Frauen häufig von ihren Männern begleitet, und da kommt es auch wohl vor, daß so ein zärtlicher Gatte, wenn er findet, die Operation sei zu schmerzhaft für seine Frau, zufährt und dem Doktor dic Zange ans der Hand nimmt. Es ist Sitte nnd Brauch bei allen Missionaren, daß sie sich für Mühe nnd Zeitverlust (der durch Fettflecke verdorbenen Kleider gar nicht erst zu gedenken) eine Kleinigkeit zahlen lassen. Es ist das eine, wenn auch noch so geringe Einnahme für die Stationskasse. Das wissen die Kaffrrn auch sehr gut und haben die Gebühr meist schon richtig abgezählt bei sich. Trotzdem fragt aber nach glücklich vollendeter Operation so ein Kaffer meist mit verlegenem Gesicht: „Wo nehm ich Geld her? Ich habe keitls!" Uud nun hat der Mis- 5i02 Deutsch-Südwestafiika. siouar das Vergnügen, null er nicht um feinen wohlverdienten Lohn kommen, eines langen nnd breiten zu mahnen nnd zu bitten, zu feilschen und zu markten. Missionar Pradcl ist auf ein treffliches Mittel verfallen, diefes ärgerliche und zeitraubende Treiben abzuschneiden. „Hast du kein Geld," sagt er, „gut, so komme her, da setze ich dir deinen trankcu Zahn wieder ein. Gieb mal Acht, wie der dich wieder plagen wird!" Aber darauf hat es noch keiner der so Bedrohten ankommen lassen — flugs war das Geld zur Stelle! Doch zurück zu unfcrer Tagesgeschichte. Die rote Reiterin mag wohl keine Schwierigkeiten wegen der Bezahlung gemacht haben, hat auch vielleicht leine Zeit dazu gehabt, denn ehe sie sich noch auf ihr Pferd geschwuugcu, ist schon ein anderer Reiter angesprengt gekommen, der viel wichtigeres mit dem „Lehrer" zu perhandeln hat, denn er ist glücklicher Bräutigam uud will Tag und Stuude seiner Trauung festgesetzt wisfen. Das wäre auch abgethan uud kein Pferdehuf mehr iu der Nähe des Platzes zu sehen. Missionar Pradcl kann sich wieder an den Schreibtisch setzen, aber nur für zehn Mi-uutcn, deuu es kommen abermals drei Zahnpatieutm hoch zu Roß, uud wieder sind es zwei Sutnfrauen mit einem Begleiter. Die Scene Von vorhin wiederholt sich, mit dem Unterschied, daß die eine von zwei Zähneu befreit sein will, die andere sich mit einem begnügt. Überglücklich, die Plagegeister los zu sein, reiten sie ab. Nuu noch rasch eine Anzahl Schulkinder befriedigt, die mancherlei Anliegen haben, uud es ist '/»2 Uhr geworden, d. h. verspätete Mittagsefsens-zeit. Wir gönnen es ihnen, nicht wahr? Das Essen und die kurze Ruhe. dem geplagten Missionar uud seiner Frau, die wahrlich anch nicht müßig gewesen ist, dcun sie hat neben ihren mütterlichen und häuölicheu Pflichten auch noch Nähschule gehaltcu; und noch mehr gönnen wir ihnen den Nachtisch, dcr iu europäischen Briefen besteht, welche gerade während des Essens anlangen — ein seltener, aber um so höher geschätzter <Äenuß! Wie wäre es, sie setzten sich nach Tisch ein halbes Stündchen zusammen, um die Briefe zu lesen? Ist doch anch endlich einer vom ältesten Kiude dabei, nach dem die Elternherzen noch schmerzliche Sehnsucht empfinden! Aber das geht nicht, denn dcr Tisch ist noch uicht abgeräumt, da steht schou der eingeborene Missionar von Mount Fleischer an der Thür und will Medizin uud Schulbücher uud guteu Rat und uoch vieles Audere haben, und als er befriedigt abzieht, ist's ,') Uhr, imd da hat sich auch schou ein anderer Mauu eingcfnndeu, der gern Arbeit znge- Arbeit mit Hindernissen. 5,03 wiesen bekäme, und dann ist an der Handmuhle, die ein kleiner Junge bedient, etwas wieder in Ordnung zn dringen. Jetzt kann Missionar Pradel endlich einmal sich setzen und schreiben, aber gerade nur 5 Minuten, denn es gilt wieder ^ Bittsteller abzufertigen, einen Vater, der sein Kiud zur Taufe anmeldet, uud cincn Kirchendiener. Nber alle dem ist die Sonnc untergegangen und wenn der Bericht geschrieben wäre, könnte der müde Missionar Feierabend machen; aber der Bericht ist eben nicht geschrieben und morgen geht die Post ab! — Nicht wahr, lieber Leser, das nennt man Arbeit mit Hindernissen, in einem Grade, wie du's vielleicht nicht lennst! 504 Anhang. Anhang. Die Mm BismMulg im Togolondc. Marsch der Expedition Wolf. — Die Landschaften zwischen der Küste und Adeli. — Der Fetischkultus in Adeli. — Wert medizinischer Kenntnisse. — Sehr günstige Ausfichten der Kolonie. — Die gangdaisten Einfuhrartikel. Die für die ganze künftige Entwickelung des Togolandes äußerst wichtige Station Bismarckburg wurde in der Landschaft Adeli fehr zweckmäßig auf dem Bcrgkegel Adado, 710 in hoch, in der Nähe der Ortschaft Iege, mehr als -^<» km von der Küste entfernt, angelegt. Nichts ist lehrreicher über die Zustände und Nus-sichten unserer jungen Kolonie als der einfache, wahrheitsgetreue Bericht des Or. L. Wolf*), aus dem wir hier daö Nötigste entnehmen: „Die von mir geleitete Expedition ist nach 21 tägigcm Marsch, bei dem an einzelnen Tagen über ,?0 Km zurückgelegt wurden, in Iege angekommen nnd hat das ihr zunächst gesteckte Ziel glücklich erreicht. Die von Klein Popo mitgenommenen Träger habe ich hier entlassen und schickte sie nach der Küste zurück, weil ich diese Gegend für Anlage der Station ins Auge gefaßt habe und diescrhalb mit den Adelihäuptlingeu in Verhandlung«: getreten bin. Ich habe für die Station einen dominierenden Hügel ausgewählt, dessen Meereshöhe etwa ?1() m beträgt. Das Land Adcli ist gebirgig und soweit bis jetzt festgestellt werden konnte, anch wasserreich. Rindvieh *) Öl-. Freiherr 0. Danlelmann, Mitteilungen von Forfchungsreisenden und Gelehrten aus den deutschen Schutzgebieten. III. Heft. Berlin 1388. Die Station Bismarckbmss V^>V nnd stießt an der Übergangsstelle nach 0 und weiter in den Agome. Er hat ein steiniges Bett und eine Stromgcschwindigkeit von (!>> in in der Minute. Außer zahlreichen Büffel- und Antilopcnsvnren, unter diesen ebenfalls von der Pferdeantilopc (Uivputi-ii^u«), wnrden hier die ersten frischen Elefantcnspuren beobachtet. Der Atakpamehäupt-ling Do in Do Kuffi am ca. 15 m breiten und bis 0,5 in tiefen Amntni, hat einc Viehherde von mehr als 1 Kühen, welche täglich gemolken werden. Die Eingeborenen bereiten auch Käse. Atakpame hat seine frühere Bedeutnng verloren. Die ehemalige Stadt auf dem linken Ufer des Amutui in etwa 15 km nordöstlicher Richtung vom Lager Do Kofsi gelegen, ist vom König von Dahome zerstört und es sollen nur noch Ruinen und zerstreut liegende kleine Ortschaften an ihrer Stellc bestehen. Von Do Koffi durchzog die Erpedition in sechs Tagemärfchen das noch unerforschte Apossogebiet, überschritt das Apossogcbirge, am 27. April mit nicht nnerhcblichen Mühen die Illawinanikette desselben, welche an einzelnen Stellen Steigungen bis -15" hatte. Das Apossogebiet zeigt durchgehende den Gebirgscharakter, Höhen von ?(><) nnd mehr als «00 in, steile Hänge, bewaldete, tief eingeschnittene Wasserläufe, Schluchten, die gewöhnlich einen reichen Bestand an Olpalmen tragen. Außer mächtigen Wollbäumen fallen Die Station Bisniarckburg mi Togolaud. 507 uns besonders Shea-Bntterbänme (I>. Wolf war deshalb in der Lage, über den Fortgang seines Unternehmens am 2>>. Juni, wie folgt zu berichten: „Der Stationsbau ist anf einer Stelle in Angriff genommen, die 2,5 Km in nordöstlicher Richtung von dem unter ca. 5" 1^ uördl. Br. befindlichen Ort Iege, Residenz des Oberhänptlings Kontu, gelegen ist. AIs Platz ist der dominierende Hügel Adad<'>, welcher 7 m relative und ca. 710 m absolute Höhe hat, gewählt und scheint derselbe allen Anforderungen zn entsprechen. Das Land Adeli soll bis jetzt den Fremden mchr oder weniger verschlossen gewesen sein. Händler wagten sich aus Furcht vor dem hiesigen Fetischknltns nur selten hierher. Tnrch mein Zusammentreffen mit dem Oberhänvtling Koutn und seinem Priester in Aposso, ist nun ein glücklicher Umschlag eingetreten. Es gelang mir, bei dem genannten Olierhänptling, der ein geistig hochstehender Neger ist nnd in früheren Jahren Reisen nach Salaga, Iendi, Sansannc nnd Mangho gemacht hat, Einflnß zn erhalten und sein anfangs bestehendes Mißtranen zn beseitigen. Er unterließ dann nicht, die übrigen Häuptlinge nnd die Bevölkerung zn bernhigcn nud ebenfalls für die Expedition günstig zu stimmen. Am -20. Mai wurde auf einer großen Nersammlnng in dem Fetifchorte Peivu die Anlage der Station von den Häuptlingen nnd der Priesterschaft gebilligt. Es begann dann sofort der Ban dcr provisorischen Hänfer nnd die Anlage von Feldern, so daß am ^, Inni die Expedition bereits ihr 508 Alchmiq, Lager von Iegc nach dem Adad«'< vcrlegcu konnte. Am selben Tage mittags wurde auf demselben die Flagge gehißt. Die Expedition ist einstweilen am nordöstlichen Hange in Gras-hülteu untergebracht. Das Planieren der steinigen Kuppe ist nahezu beendet und wird dann sofort mit dem Van der bleibenden Häuser begonnen, wozu das Material beschafft ist. Die nahen Gallerie-wälder liefern vorzügliche Bauhölzer in reichlicher Mcnge. Gutes, kühles Triukwasscr giebt der l—-^ in breite Adadiü, welcher in einem steinigen Bett am Fuße des Adadü von 0 nach ^ in den Icge stießt. Der steile Abstieg, 4"" im Mittel, ist bereits durH Anlage von ^70 Stufeu für das Wasserholcn wesentlich erleichtert. Mit der Anlage vou Pflanzungen ist ebenfalls bereits begonnen. Außer verschiedenen europäischen Gemüsen, Bohnen, Erbsen, Sftinat, Kartoffeln, Gurten, Radieschen. Salat u. s. w., die auffallend schnell aus dein Boden emporwuchsen und zur Zeit sehr gut steheu, sind Anpflanzungen von einheimischen Bodcncrzcugnisseu, Bohnen, Mais, Reis, Maniok gemacht. Die Fläche der jetzt belmuten Felder beträgt 8C^5 Bananen angelegt, welche noch vergrößert werden soll. Der einheimischen Bevölkerung ist die Verwertung der Banane zu Hanf nicht bekannt, ebenso wenig kennt sie den Wert der Kautschnkliane I^uäolpm'^, welche hier sehr hänsig ist und für den Handel von Bedentnng zn werden verspricht. Ich glaube schon jetzt darauf anfmcrksam machen zn müssen, daß nach meiner Ansicht eine Station hierorts einen bleibenden Wert für die Zukuuft und Forteutwickclnng der vielversprechenden Togokolonic haben wird. Durch dieselbe kann ein Verkehr zwischen der Küste und dem Innern, den numerisch schwache, räuberische Stämme bis jetzt zn verhindern suchten, mit verhältnismäßig geringen Mitteln geschaffen und gesichert werdeu. In Aposso hatte man einen meiner Träger, einen Wey-Jungen, welcher mit seiner Last entfliehen wollte, aufgegriffen, beranbt und sofort als Sklaven verkauft. AIs ich unter Androhen kriegerischer Maßregeln die Auslieferung verlangte, erfolgte dieselbe ohne weiteres. Zugleich bemühte mau sich, die friedfertigsten Versprechungen für die Zukunft zu geben, die jedoch kanm länger gehalten werden, als die Station sich hier befinden wird. Seitdem die Expedition sich hier festgesetzt hat, stud die Sicherheitsverhältnisse bereits wesentlich bessere ge- Die Station Nismaickburg in, To^olnndc. 509 worden. Ohne den beschwerlichen Marsch über das Apossogebirgc ist es möglich, einen viel kürzeren bequemeren Weg nach Klein Povo zn nehuien. Der Boden scheint fruchtbar zu sein, für Viehzucht ist er geeignet. Die handelspolitische Bedeutung der Station muß darin liegen, daß sie es sich zur Aufgabe macht, vornehmlich den Verkehr aus den nördlich uud nordöstlich gelegenen Gebieten nach unseren Küstenplätzen zu vermitteln. Die Möglichkeit hierfür ist, wie es scheint, gegeben. Die sozialen Verhältnisse sind hier noch sehr ungeordnet und es scheint hier mehr als irgendwo sonst in Afrika nur die Gewalt zu Herrfcheu. Ich war überrascht, schon nach einer Tagereise von Klein Popo, richtiger Auehö, auf Eingeborene zu stoßen, welche in ihrem Äußern nnd in ihrem Benehmen mehr den Eindrnck von „Wilden" machten, als die Bewohner am unteren Kongo bis Leo-poldville oder die Angolas bis an den Knango. Jetzt, hoffe ich, wird jedoch bald alles anders und besser werden. Die Station übt einen mächtigen Einfluß weit nnd breit auf die nmwohuendeu Volks-stamme aus nnd ist zweifellos eine große Stütze für unsere Herrschaft an der Küste. Mit den hiesigen Eingeborenen ist das Verhältnis cin andauernd gntes nnd haben sich dieselben mir vollständig untergeordnet, ohne daß ich mir um die „Negierung" über sie irgend welche Mühe gegeben hättc. Sie bestehen darauf, alle ihre vielen Streitigkeiten, die sich oft Jahrzehnte hindurch fortgcfftielt haben, mir znr Entscheidung vorzulegen. Eine derartige richterliche Thätigkeit ist höchst unangenehm uud zeitraubend. Wenn man sich ihr bis zu einem gewissen Grade auch im Interesse der Sache nicht gänzlich entziehen darf, so halte ich es doch im allgemeinen für richtiger, deu Eingeborenen möglichst das Selbstrcgieren zu überlassen und sich nicht in alles einzumischen. Ich glaube, daß dadurch unser Ausehen uud uusere Macht in Afrika am besten gewahrt und befestigt wird. Meiuc ärztliche Thätigkeit ist mir hier in Adeli sehr zu statten gekommen. Als ich im Apossogebiet noch nicht wußte, ob ich in das verschrieene Fetischland Adeli hineinkommen, uud der Gedanke, ob es mir überhaupt gelingen würde, schon in nächster Zeit einen günstigen Platz für die Anlage einer Station zu finden, mir viele Sorge machte, traf ich den mächtigsten uud einflußreichsten Adelihäuptling Kontu, welcher an einer schweren nnd höchst schmerzhaften Regenbogenhaut ^Entzündung litt. Ehe ich mit ihm znsam-men kam, hatten sein Sohn und sein Fetischpricstcr mich bereits 510 Anhang. aufgesucht und in Gegenwart einer großen Volksversammlung die Götter Adeiis, Neijo, Frikko und Nikkola. befragt, ob ich als ihr Freund oder als ihr Feind käme. Um sich hierüber zu vergewissern, wurde einem Hnhn öffentlich die Kehle fast durchgeschnitten und dasselbe zappelnd nnd mit dcil Flügeln schlagend weit weg auf den Boden geworfen. Das Huhn fiel auf den Rücken und verendete zum Glücke für mich und die Expedition in dieser Lage. Ich sage Min Glück, denn wäre das Tier auf die Brust gcfalleu und so gestorben, so hätte man mich als Feind Adelis betrachtet und behandelt. Die Erklärung hierfür ist folgende: Ehe das Hnhn geopfert wurde, bestrich der Priester mit demselben meinen Dolmetscher und meinen Führer als meine Vertreter. Beide mußten dann in den geöffneten Schnabel hincinspncken, nm dem Tier dadurch ihre und vor allem meine Gedanken und Ansichten mitzuteilen. Als das Huhn nun im Todcökampfe auf dem Nucken liegend verendete, lieferte dieses den Eingeborenen den Beweis, daß, wie die Vrust desselben frei da liege, ebenso auch die mcinige, i. «, mein Inneres frei von Hintergedanken sei. Einige Tage später traf ich mit dem Hänptling Kontu zusammen und konnte ihn bald durch Atropin u. f. w. von feiner höchst schmerzhaften Augenkrankhcit heilen. Die Atropinblättchen eignen sich vorzüglich für die Tropen und verlieren nicht ihre Nirknng. Man darf ebenso wenig Morphium als Atropin in Lösung mit nach Afrika nehmen. Als ich in Adeli angelangt war nnd mit Vorsicht Verhandlungen über Anlage einer Station anfangen wollte, in der Bevölkerung aber noch ein großes Mißtrauen gegen uns als die erst gesehenen Weißen bestand, erhielt ich das neugeborene Kind des Sohnes uud Erben von Kontu, welches nahe daran war, der Erstickung zu erliegen, und von den Angehörigen bereits aufgegeben wurde, durch künstliche Atmung am Leben. Der Häuptling Kontu und sein Sohn wurden nun meine ergebensten Freunde und versichern mich fortwährend ihrer Dankbarkeit. Das betreffende Kind zeigte bei der Geburt übrigens auch die helle Farbe wie ein neugeborenes kaukasischer Nnsse und eine braune Iris. Die Station ist nun so weit gesichert nnd nimmt ihre Entwickelung einen erfreulichen Fortgang. Der Gesundheitszustand ist andauernd gut und hat das Anfwühlen des frischen Bodens mit seinen Gefahren uns noch nicht geschadet. Bug slag arbeitet den ganzen Tag von morgens früh bis abends spät mit der Axt, Säge oder mit dem Die Station ViZmarckburn im Togolande. 511 Spaten im Garten. Sein Arbeitseifer ist nun mal nicht zu zügeln. Seit einigen Tagen essen wir bereits Gmken, Radieschen und Salat aus unserem Garten. Alle Früchte stehen gut. Bohnen. Erbsen. Wurzeln, Kohl. Kartoffeln, anch Klee und Luzerne. Die landesüblichen leichten Fieber in der Expedition sind bis jetzt stets auf Erkältung als Entstehuugsursache zurückzuführen gewesen. Auf dem Adalo Pflegt eine frische i-^V-Brise vorherrscheud zu wehen. Wir tragen natürlich alle wollenes Unterzeug. Die Iägerwolle ist am angenehmsten. Man nimmt Unterjacken und Unterbcinkleider am besten weiter als gewöhnlich in Europa nnd dünn, die Unterjacke nicht doppelt auf der Brust, sonderu links an der Seite von oben bis nnten zum Zukuüpfen, wodurch das Alls- uud Anziehen erleichtert wird. Ich trage zur Zeit über eiuer solchen Unterjacke noch ein seidenes Hemd. dann eine Weste und eine sog. Wiener Bluse von blauem Flanell. Die Eingeborenen leiden am meisten an rheumatischen und Lungcnkrankheiten uud neigen als Gebirgsbewohner sehr zu Kröpf, Knaben und Mädchen von etwa 14 Jahren haben oft ein kopfgroßes Struma. Ich bin sehr gespannt auf die Ncsultate unserer meteorologischen Beobachtungen während der Trockenzeit. Sämtliche Instrumente funktionieren gut. Das Quecksilber-Barometer befindet sich wohl und sicher aufgehoben nnd wird wie ein Kleinod behütet. Ich habe nicht umhin können, mir bis jeht über die Zukunft unferer Togokolonic und deren Hinterland, fuweit ich es kennen gelernt habe, eine sehr günstige Ansicht zu bilden. Der Wechsel in der Terrainformation und der Bewässerung ist überraschend. Während der erste Teil des Marsches von der Küste bis Makpame (Glcji) über ein ebenes oder leicht gewelltes Gelände führt, dessen Wasseradern, auch die größeren wie der Haho, Chra u. s. w. in der Trockenzeit vollständig ausgetrocknet sind, so dah oft empfindlicher Wassermangel eintritt, sind die hydrographischen Verhältnisse von dort ab für das ganze Jahr günstige. Diese Gegend hat einen entschiedenen Gebirgscharatter und ist von zahllosen Bachen uud Flüßchen durchschnitten, die nie austrocknen und ein erfrischendes, kühles Trintwasser von der bekannten vertrauenerweckenden bläulichen Farbe liefern. Ich will nicht unterlassen, die vou der Küste ab gangbarsten Tauschartikcl, über die ich iu Deutschlaud nichts Bestimmtes erfahren 512 Anhang, konnte, kurz anzuführen, eine Mitteilung, die vielleicht unserer heimischen Industrie von Nntzen sein könnte. Die beliebtesten Zeuge sind: Taschentücher nnd Kattune, rotgcblümte Mnster nnd sog. Fancy-Points; Blättertabak in Bündeln (Iwaä8), billige Löffel nnd Messer, gewöhnliche Perlen, sog. Popo-Beads, Glaskorallen und echte Korallen, Feuersteine für Steinschloßgcwehre, Decken, dillige Filzhnte, sog. Trinmphhüte, und Hemden, weiß oder gestreift, sind beliebt als Geschenke für Häuptlinge, Parfüme, wie Lavendel, und weiter: Rot gärn in Päckchen, Blangnrn, dicker Messingdraht (W-a8« i'(xlz), rote Fez, Spiegel (Soldatenspiegel), Sammet, Nähnadeln, Shirting, türkisch-roter Kattun, weiße Baumwolleuzcuge (6re^ bM' und 6re^ »n^i'ioi'). Langschäftige Stcinfchloßgcwehre, sog. Danegnns, und rot angestrichene mit großer Mündung, sog. Buceauecr, für Elefanten-jagd, sowie Pulver sind sehr geeignet zum Ankanf von Pferden und Rindvieh, ferner Seide in Stücken oder Tüchern, rot oder rot-geblümt. Taschentücher und die eingeführten Kattnne sind überall sehr beliebt als Tanfchartikcl. An der Küste und während der ersten Marschtage waren kleine Silbermünzen, bis jetzt noch englische 3 uud «', Pcuce, höchst erwünscht und vorteilhaft zn verwerten. Kattune und Seide habe ich in Deutfchland erheblich tcnrer be-Zahlen müssen als an der Küste. Sollte unsere Industrie diese nicht ebenso billig für den afrikanischen Markt beschaffen können als die englische? Eiseuwareu, wie kleine nnd große Messer (sog. buwl>«r knivL«), Haumesser und Hacken, Taschenmesser haben als Exportartikel nach hier eine Zuknuft. Seit 8 Tagen lasse ich auf der Station vou einheimischen „Damen" weiße Uniformen echt indigoblau färben. Indigo wächst hier wild und kann ebenso wie Kautschuk ein Ausfuhrartikel werden. Die I^näolplim ist sehr verbreitet, doch ist ihre Verwertung den Eingeborenen noch unbekannt. Glücklicherweise, denn da ist es hier Vielleicht noch möglich, den afrikanischen Nanbban zu verhindern und die Ausbeute, sowie die Pflege derselben rationell zu betreiben. Der Schulmeister von Kamerun. 51Z Der Zchnlmijltt von Ammm. Ein Rultnrbild ans der deutschen Kolonie. Deuischland hat bekanntlich zwei Württemberger als „Reichö-schnlmeistcr" nach Kaincrun gesandt, um mit deutscher Gründlichkeit die Erziehnng der Neger zu unternehmen. Der eine, Herr Christaller, weilt gegenwärtig zur wohlverdienten Erholung in Deutschland, der andere, Herr Flad, hat am ?> Mai l^ii im „Schwäbischen Merkur" seinen speziellen Landslcuten einen höchst interessanten und lehrreichen Bericht über sein Leben und Treiben unter den Afrikanern veröffentlicht, aus dem wir folgendes hervorheben: Tie schwarzen Jungen begrcifeil sehr schnell. Im Rechnen treffen sie oft instinktiv das richtige, was allerdings nicht zu verwundern, da die Duallas ein Handclsvolk sind, das Juden und Armenier weit übertrifft. Es macht mir deshalb, zumal ich mich körperlich so wohl fühle wie in Deutschland, und vom Fieber noch nicht geplagt wurde, das Schulgcschäft viel Freude. Und in einer fremden Sprache sich zu versnchen, hat auch seinen Reiz. Dell zweiten Stock mit drei Zimmern und einer breiten Veranda auf drei Seiten des Haufes bewohnen die Schulmeister. Ein neu angelegter Garten umgiebt idyllisch Kameruns Bildungsstätte. Originell, von gewissem Reichtum und nicht unbedeutender Leistungsfähigkeit zeugend, umrahmen, in Ermaugelung von Steinen, Bierflaschen seine „Länder" und verwehren dem ergiebigen Boden das Entrinnen bei tropischem Regen. Bananen und Planten mit ihren riesigen Blättern und süßen Früchten siedeln sich ungerufen darin an. Mangobäume, unseren Wallnußbäumen ganz ähnlich, mit pflaumenartigcn Früchten, spenden köstlichen Schatten. Daß ich im Lande, wo der Pfeffer wächst, bin, zeigt wildwachsend ein ansehnlicher Strauch. Drunten unter der Höhe, auf der das Schulhaus steht, fließen die Waffer des 1 km breiten Kamerun nach Ebbe und Flut abwärts uud aufwärts. Eine Menge Fahrzeuge beleben ihn. Sieben Hulks beherbergeu, äußerst wohnlich eingerichtet, englische Kaufleute. „Nachtigall", „Hyäne" und „Habicht" sind heute hier, morgen dort als Horte deö Friedens zum Kriege gerüstet bereit. Musitam habe ich allezeit lieb gehabt und Konzerten bis zu später Stunde mit Naumaalten, Afrika. 33 514 Anhang, Vergnügen zugehört. Aber allzuviel, wie ich es hier habe, ist beinahe ungesund. Es ist 7 Uhr, schon seit 6 Uhr fast ohne Dämmerung Nacht, heute allerdings prächtige Mondnacht. Von dem Festschmans, den einer der Herreu Häuptlinge oder gar „King" Bell zur Feier des Tages gegeben und bei dem der Schnaps, oder, um dem Fusel einen besseren Namen zu geben, der Rnm wie gewöhnlich die Hauptrolle gespielt hat, kehren eingeladene Gäste von der anderen Seite des Flusses in ihren Kanus nntcr etwas ranhcm Gesang ihrer Nationallieder glücklich in die Heimat zurück und ihre Gesänge verstummten allmählich. Aber Geiger und Pfeifer, d. h. Zikaden und Grillen und Zirpen, haben auch schon begonnen nnd sind in Vurführnng ihrer Kunst unermüdlich, Frösche stimmen vom nahen Flnß aus kräftig mit ein. Elektrische Beleuchtung spendet von oben der Mond und von unten eine Menge fliegender Lcnchtkäferchcn, welche sich dem „Nachtwandler" ringsum als blitzartig aufleuchtende Funken zeigen. Zu solchem Leben schweigt auch der Schwarze nicht. Tagsüber wohl ausgernht unter schattigen Mangos, lebt er jetzt nen auf. Der Lärm von Tänzen nnd Neigen oder gräßliches Klagegeschrei nm jüngst Verstorbene, auch die Nacht durch fortgesetzt, um der lechzenden Gurgel den labenden Trank zu verdienen, oder Gejammer über Verlust von Hühnern, Ziegen u. s. w. durch Dicbstahl, und anderes Getümmel übertönt die nicht unschön klingende, von Weißen nicht verstandene Sprache der Trommel. Nachhabende „Krubuys", vom Gouvernement und von deutschen und englischen Kaufleuten znr Sicherung von Gnt nnd Leben angestellt, beginnen schon um 8 Uhr ihr weithin schallendes, Wachsamkeit beweisendes, oft wiederholtes „Brüllen". Lange vor Anbruch des Tages fangen auch Kameruns Hähne zu rufen an, und ernsthaft mahnt bald der „Hyäne", des Kriegsschiffes. Tagwache zum Aufstehen. Ruhiger verläuft der Tag. Schon in der Frühe des Morgens kommen Manner und Jünglinge kräftigen Schlages mit langen, stützenden Stäben angewankt, um sich's unter Schattenbäumcn sitzend oder liegend bcauem zu machen. Ihre Ausdauer ist zu bewundern. Stnnden und Tage verbringen die Kerle oft in hockender Stellung zu 20 und 30 beisammen im Nichtsthun. Daß sie dabei im Stillen viel philosophieren, bezweifle ich. Doch da kommt Plötzlich jammernd und klagend ein Weib und verkündet einem aus der faulen Gesellschaft den Tod seiner Frau. Obwohl dem Ehemann Der Schulmeister von Kamerun. 515 noch 17 geblieben, ergreift ihn doch diese Trauerpost tief. Denn sie war sein Hauptweib und ein gut Teil seines Vermögens und er hat sie einst als schöne Maid von King Bell um 4000 Mark mühsam erworben. Und kräftiger Tranermnsik verdankt mancher manch labenden Schluck, deshalb säumt leiner, alsbald mit greulichem Geheul Zu beginnen und dem Hause der Toten zuzueilen. Unterdessen hat die Sprechtrommel die Botschaft auch schon nach allen Seiten der Stadt hingebracht und die inuigste Teilnahme wird von überall her bekundet. Die Weiber finden sich vor der Hütte der Toten zu Tänzen zusammen und „niemand tröstet mich!" ist dabei ihre Klage. Drei Tage und drei Nächte geht solches fast ununterbrochen fort. Am ueuntcn Tage nach ihrem Abscheiden von diesseits kommt die Verstorbene wieder, um ihre Kleider zn holen, und zur Feier des Tages gelangt das lange Gehörte nochmals znr Aufführung. So lauge die Kerle zn essen haben, werden sie nicht zur Arbeit greifen, das ist Sache der Weiber. Der Fischfang, den sie nachts in Gesellschaften ausführen, liefert reichlich Fleisch zu Jams und Maniok, ihreu Lieblingöspeisen aus dem Pflanzenreich. Hin und wieder wird anch eine Seekuh gefangen oder ein Elefant erlegt und alles lebt in Hülle und Fülle. Wer außer auf Fristuug feines Lebens auch auf Vergrößerung seines Mammons, das heißt auf Erwerb eiueö bedeutenden Wcibcrschatzes bedacht ist, geht auf den Handel ins Innere — ist so Vermittler zwischen Binnenländern und Weißen — uud erwirbt ein Weib nach dein anderen. Die Kaufpreise sind fehr verschieden. Kräftige, schöne Iung-fraueu werden teuer bezahlt. Bell hat es auf .'!4 gebracht, während sein Nachbarkönig Akwa noch um gehn reicher ist. Erlauben einem armen Heiratskandidaten seine Mittel den Kauf eines Weibes nicht, so ist defsen Vater, wcnn er nicht im stände ist, seinem Sohne eine Maid zu kaufen, verpflichtet, vou seineu Weibern ihm eiucs abzutreten. Was thut denn aber der Weiße nnter diesem glücklichen, immer heiteren Naturvolk? höre ich Sie fragen. Deutsche und englische Kaufleute in Faktoreien und auf Hulks beglücken mit Rum und Pulver, beide Haupthandelsgegcnstä'nde natürlich vou dcn besten Sorten, und außerdem mit Kleidungs- (Lendentuch, Nock, Hut uud Halskette für Geutlcmen) und HaushaltunaMückcn. Dafür haudeln sie Palmkerne und Palmöl ein und lassen solches in großen Massen nach Deutschland wandern. 33* 516 Anhang. Die Herren vom Gouvernement suchen Alt- und Ncn-Deutschlands Bestes. Mit Rechtsprechcn, Friedenstiften, Ordnungschaffen oder, nm den hier üblichen Ausdruck anzugeben, mit „Palawer set-teln", giebt es da nnd dort immer viel zn thun, denn die Kerls haben alle Augenblicke Händel. Wer ans Europas Genüsse Anspruch macht und sie nicht verschmerzen zu können glaubt, ist übel dran. Alles poesielos! ist Vieler nnd war anch anfangs meine Klage. Aber seitdem ich mich bequemt, auch die gnten Seiten afrikanischen Lebens zu beachten, fühle ich mich nicht mehr so unglücklich. Einem Dentschen, der in der Frische des dämmernden Morgens der Vögel Sang gern lauscht und in der Kühle des Abends an rötlich strahlenden Höhen und Gipfeln fein Angc geweidet, der am Wechsel zwischen Tagen des Sommers nnd Winters und Frühlings und'Herbstes viel Reiz gefunden, will es zwar nicht recht passen, daß die Tagesordnnng Kameruns jahraus, jahrein dieselbe ist, daß, ob Dezember oder Juni, nm 0 Uhr der Tag nnd nm 0 Uhr die Nacht einbricht. Aber dafür ist Erdölverbrauch und Augcnverderben bei Morgcnstudien auf Null gesunken, denn die Sonne des Tages sendet schon in der Frühe dem Fleißigen Licht. Allerdings trillern nicht Lerchen durch die Luft nnd der Wachtel Schlag nnd der Amsel Sang sind nicht zn vernehmen, wohl aber geübter nnd nicht geschulter Papageien merkwürdig Gcpfiff nnd anderer Vögel schönklingende Lieder. Im Grase hüpfeu niedliche Schwarzköpfcheu, auf blühenden Bäumen allerliebste, vielschim-mcrnde Kolibris. Und Ebenen, Hügel und Verge ringsum, ewig jung, ewig grün! Um 7'/2 Uhr des Morgens ladet die Glocke Kameruns Knaben zur Schule, nm 8 Uhr hissen „Cyklop", „Hyäne" und „Nachtigall" ihre Flaggen, und in demselben Augenblick thnt des Schulhauses Glocke durch acht Schläge kund, daß der Unterricht beginnt. Zum Mittagsmahl fahre ich per Kann '/4 Stnnde anfwärts in die Mission, wo mir's sehr gnt gefällt. Von 2 bis 4 Uhr nachmittags halte ich wieder Schnle. Die Kleidung dabei ist etwas einfacher als in Stuttgarts Mittelschule. Kragen, Krcwatte, Manschetten und Weste kommen in Wegfall. Im weißen, aus Hose und Inppe bestehenden Anzng erscheint der Schulmeister, wenn er gar noch eine silberne Uhrkctte trägt, seinen Der Knngostaat. 517 mit Hüftentuch bekleideten, und Wenn's hoch kommt, mit einer Halskette geschmückten Schülern als Stutzer. Die Hitze ist zu ertragen. Um 12 Uhr ersetzt der frische, kühlende Seewind des Landwindes Fächeln, damit das Thermometer 2?" N, nicht erreiche. Von Ungeziefer sind wir hier nicht viel belästigt. Ich arbeite am Schreibtisch ohne Moskitonetz nnd ohue Rauchen den Tag über so ungestört wie in Deutschland im Winter. In den Abendstunden bekomme ich allerdings viel lichtsuchcndc Gäste. Da begehrt die Gottesanbeterin Einlaß dnrchs Fenster. Bock- nnd Hirschkäfer stellen sich unangemeldet ein, und es wird ihnen Trnnk und Bad in dem hier vielbegehrten Fusel gestattet. Anch hübsche Nachtfalter verirren sich in des Schulmeisters Behau-suug. Allabendlich zeigen sich, gelockt durch des Harmoniums Töne, bescheiden an die Wände geklammert, einige niedliche Eidechsen als treue gestrenge Polizisten, die jeden Ruhestörer unbarmherzig mit dem Tode bestrafen, wenn er in ihren Bereich kommt. Vergeblichen Kampf kämpfe ich mit ihnen gegen „Kalrutschcn" und „Kakerlaken", die ehrenwerten Vettern unserer „Schwaben". Den Tag über vollbringen diese lästigen, maikäfergroßcn Tinger in Schlnpfwiukcln au Kleidungsstücken n. f. w. ihr Zerstönmgswert in aller Nnhe, um abends mit merkwürdiger Schnelligkeit die Lampe zu umschwirren, an Wände oder au des Schreibers Schädel mit erschreckendem Geräusch zu stußen und dann, mit Büchcrn nnd Heften udcr auch mit dem Hausschuh verfolgt, bald da, bald dort sich zu zeigen uud wieder zu verschwinden. Der AongostM. i. Aussichten des Kongostaates. N,ich Wißmmm imd de Vraz,;a. Der Kongostaat, dessen Erschließung für den internationalen Handel nnd gesicherte Stellung vor allein dem einsichtsvollen uud thatkräftigen Eingreifen des Fürsten Bismarck gegenüber den Se-paratbcstrcbnngen Englands uud Portugals auf der Berliner Kou-fercnz (1884) zu verdanken ist, geht trotz des Antriebes des genialen 516 Anhang. Königs der Belgier, welcher für denselben aus seiner Tasche mehr als 13 Millionen Francs gespendet hat, einer ungewissen Znknnft entgegen, da diesem ungeheuren Ländergebicte von -i Millionen Quadratkilometern mehrere Hauptbedingungen einer gesunden Entwickelung noch fehlen. Or hat nur eine Seeküste von ^7 Km, der grüßte Teil des Unterlaufgebietcs ist in den Händen von Frankreich und Portugal, die Wasserstraße ist durch Strumschncllen, Wasserfalle und endlose Felsenriffe beeinträchtigt, die Grenzen nach Norden und Süden gegen Angriffe nicht gesichert, die unentbehrliche Militärmacht noch viel zu schwach; der Handelsverkehr trotz der 29 Stationen (5 am Unterlanf, l« am Mittellauf, 6 am Oberlauf) weuiger bedeutend als man erwartete. Der Van der Eisenbahn am unteren Kongo, zu dem Belgien w Millionen giebt, wird im nächsten Jahre beginnen und jedenfalls in allen Beziehungen außerordeutlich günstig wirken. — Die allgemeine Teilnahme, welche das Schicksal des jungen Staates in Deutschland erregt, wird es rechtfertigen, daß wir hier die neuesten Zustände uud Aussichten desselben von drei der besten Sachkenner, Wißmann, dc Brazza und Karl v. Francois besprechen lassen. Nach unserer unmaßgeblichen Mcinnng liegt die Zukunft des Kongostaates in seinem Oberlaufe und dessen Verkehrs-eutwickelung mit dem Seecngebicte und Deutsch-Ostafrika, resp. der vom Tanganyika nach der Ostküste zu bauenden Eisenbahn, Hierin liegt auch ein äußerst bedeutendes, lolonialpolitischcö Interesse des Deutscheu Reiches! Auf meiuer ersten Reise von Loanda nach Sansibar habe ich den ganzen Süden der Kongostaaten — von 21" bis :il)° östlicher Länge — zu Lande durchwandert; auf meiner zweiten Reise habe ich abermals den Süden der Staaten zwischen I I" und 23° östlicher Länge, tcils zu Lande, teils zu Wasser, dem Laufe der Flüsse folgend, kennen gelernt. Wenn ich auch Herrn Pechui'l zugebe, daß man auf einer Flußreise verhältnismäßig wenig von Land und Leuten sieht, wie bioher Herr Stanley und alle anderen späteren Erforscher des Kongobeckcns, so kann gerade ich anf Grnnd der Landreiscu mir einc ausreichende Bcllrtcilnng der durchreisten Striche anmaßen und, da ich auf diesen Ncisen nicht FlußlälNen folgend, sondern dieselben krcnzend, nicht nur Flußthäler, die eventuell besser bewässert, reicher uud bewohnter sein könnten, sondern auch das höhere Land sah, berechtigte Schlüsse auf benachbarte Läuderstriche oder auf unter gleichen meteorologischen Verhältnisse!, sich befindende Der Konstvswat. 519 Gegenden ziehen. Ich teile der Güte nach die Kongostaatcn in drei Teile. Der bei weitem größte Teil, das eigentliche äquatoriale Zentral-asrika, ein Rechteck zwischen !7" und 60" östl. Länge von Greenwich und 4" nördl. nnd <;" südl. Breite, der mittlere Kongo, ist ein im-nicnö reich bewässertes Tropenland in einer günstigen Höhenlage über dem Meere, ohne ausgedehnte grüße Versumpfuugen. Das Land ist außerordentlich stark bevölkert. Der zweite Teil, der obere Kongo (Bualaba), südlich des 6." füdl. Breite bis hinauf zum Bangweolo-See, zwischen 24« östlicher Länge und dem Tangaujika, ist weniger günstig bewässert, d. h. hat eine nicht günstige Trockenzeit, hat viele Versumpfungen und ist geringer bevölkert. Der dritte Teil, von 17" östl. Länge bis zur Küste, der untere Kongo, ist cm ungünstig bewässertes, schwach bewohntes, zum Teil tief liegendes Land. In dieser knrzen Charakteristik sind die Haupt-momcnte, die den Wert eines Landes für Zivilisation bedingen, ent-h alten. Herr PcchM-Loeschc lcunt durch eigne Anschauung nur den letzten, kleinsten, ungüustigsten Teil, den Teil, der nur in Frage kommt als Verbindung des reichen Inneren mit der Küste..... Herr !)>'. Pechui-I-Loesche sagt, daß die zu lange anhaltende Trockenzeit waldbildeude Hulzgewächse durchaus nicht aufkommen ließe. Die ungünstige Trockenzeit nun existiert nicht; die Galerie-Urwälder sind bei der kolossalen Bewässerung vielfach so häufig nnd so breit aus-gedchut, daß sie, wie in dnnkleiu Marmor starkem Gcädcr gleich das Gelände dnrchziehen, ja sich oft auf den zwischen zwei Wasser-Innfcn stcheugebliebeuen Plateauresteu bcgcgneu. Auch die Ncgcn-wälder, deren Fehleu Herr 1>r. PechM-Lueschc als ein Zeichen der Unfruchtbarkeit augicbt, existieren in großer Ausdehnung. Stundenlang zu durchwandernde Urwälder trifft dcr Reisende häufig zwischen dem Kassai nnd Tanganjika, tagelang den Neisendcn beschattende Urwälder sind vielfach nachgewiesen. So fand Pogge zwischen dem Lulua uud Knsfai, südlich der Vcreinignug beider Flnssc, wohl den westlicheu großen Urwald in dieser südlichen Vrcite. Auf dem gauzen Plateau zwischen Lubi und Lubilasch durchwanderte ich eiueu unnuterbrochcuen Urwald. Man denke all Stanleys Mitamba. Der gange untere Lulua uud der Kassai vou der Lulua-Münduug bis weit abwärts der Sanknrn-Münduug sind vou ununterbrochenen, 520 Anhang. unabsehbar weit ins Land gehenden Urwäldern eingefaßt. Das ganze nördliche Manyema, ebenso wie Uregga, wird als ununterbrochenes Urwaldgcbiet geschildert. In allen diesen Wäldern wächst wilder Kaffee. Diese Urwälder sind uubewohnt; mn so bevölkerter sind dagegen die vom Walde frei gebliebenen Prärieen und Savannen, und in welcher Üppigkeit geben diese Savannen den Eingeborenen ihre Lebensbedürfnisse! Man macht sich an der Küste keinen Begriff davon, zu welcher Größe, Fülle und Reichheit Maniok, Mais, Hirse und die Erdnuß gedeiht. Ich verweise auf den Bericht meiner ersten Reise, was die Bevölkerung des von mir, die Flnßlänfe schneidend, durchwanderten Zeutralafrika anbelangt, und doch sagt I>r. Poggc, daß er erst auf seiner Rückkehr von Nyangwe nach Westen, da die Eingeborenen, mm von der Friedfertigkeit der Expedition überzeugt, sich zeigten, Gelegenheit hatte, die immense Bevölkerung zu bewundern. Diese bewohnten Prarieeu und Savannen sind trotz der Üppigkeit und meist damit verbundenen Härte der Gräser auch für Rindvieh sehr branchbar. Vom Osten ans ist das Rindvieh schon bis westlich vom Lomami vorgedrungen; vom Westen aus ist es von Pogge uud mir bis östlich über den Lulua gebracht worden. Alle Araber züchten Rindvieh; überall fand ich dasselbe in vorzüglichem Zustande. Mit richtiger Anwendung von Bränden kann man stets für dem Rindvieh zuträgliches Gras sorgen. . . Ich bin der festen Überzeugung, daß mit der Kougo-Eiseubahu, die nun zu meiner größten Genugthuung zur Ausführung gelangen soll, die volle Lebensfähigkeit der Kongostaatcn gesichert ist. — Dem Grafen Savorgnan de Vrazza, einem der kühnsten Afrikaforscher, der neben Barth, Livingstone, Nachtigall, Rohlfs uud Stanley gestellt zu werden verdient, verdankt Frankreich die Erweiterung Zeincr schönen Kolonie am Oguwö bis au den Kougo und die Wissenschaft und Kenntnis des oberen OgoM'laufes und der Wasserscheide zwischen demselben uud dem Kougo, sowie die Entdeckung der schiffbaren Nebenflüsse des letzteren, Alima und Likoma. Turch seine beiden ersten Entdeckungsreisen 1575 bis 1,^7« und i^tto bis 1^«2, wobei er einmal 8 Monate lang barfuß unter tausend Gefahren durch die Wildnis wandcru mußte, suchte er einen Weg, der für die künftigen Handelsbeziehungen mit dem mittleren uud oberen Kougo vou unermeßlicher Bedeutung werden könnte, da derselbe mit Bcnntzuug des mehr als 600 km laugeu schiffbaren Teiles Der Kongostaat. 521 des Ogowö und der Kongozuflüsse Alima und Likoma das schwierige Katarakten-Gebiet des Kongo umgehen und zur See die 700 km lange Küstenfahrt von der Mündung des Ogow« bis znr Kongomündung ersparen würde. Das Hauptergebnis seiner Reisen war jedoch nicht das anfangs bezweckte, denn er fand, daß nicht der Ogowö, sondern das Thal des 500 km südlicher in das Meer mündenden Kinln die beste Eingangspforte in den Kontinent und zunächst zum mittleren Kougo sei, bequemer als die Kougoroute selbst. Die französischen Kannnern hatten Einsicht genug, um Brazzas kolonisatorische Pläne mit reichlichen Mitteln zu unterstützen, so daß er nicht weniger als sieben jetzt in Blüte stehende Stationen gründete, von denen Brazzaville am Kongo feinen Namen erhielt. De Brazza vollendete seine Kenntnisnahme des Kongo auf einer dritten Reise 1852. Er ist jetzt Gouverneur der von ihm Frankreich geschenkten vielversprechenden Kolonie. Sein Urteil über die Aussichten und Aufgabeu des Kongostaates stimmen mit dein von uns nach andern Forschern gegebenen Ansichten S. A67—:;?Z ziemlich genau üdcrein. De Brazza nennt den unteren Kongo absolut unfruchtbar, der Kongostaat habe eine gnte Zukunft nur durch den oberen Kongo. Plantagenwirtschaft nnd Handelsniederlassungen seien allein möglich, von Kolonisation rcsp. Ackerbau durch Europäer könne keine Rede sein. Die nächste Aufgabe des Kongostaates müsse die Anlegung von Straßen und einer Eisenbahn sein, welche große Dienste leisten würde. Ein bedeutender Kostenanfwand sei erforderlich, allein derselbe werde sich durch die Steigerung des Einfuhrhandels lohnen. Auch die Ausfuhrartikel der Eingeborenen werden dereinst mit der Zunahme der Bevölkerung in Europa au Wert steigen, so daß in Afrika felbst schwerlich jemals eine Überproduktion der Bodenerzeugnisse eintreten könne. So betrachtet, schließt de Brazza, erscheint die Bcsiedelung von Afrika vielleicht Zwar verfrüht, aber nicht verfehlt. Mag aus den besiedelten Gebieten zunächst werden, was da wolle, sie müssen eben doch besetzt werden. Sonst hätten andere zugegriffen, so daß in hundert Jahren, wenn sie sich als gute Anlagen erwiesen, nichts mehr zn inachen gewesen wäre. Dabei müssen wir uns für jetzt bernhigen und bedenken: für dic Gründer des Kongostaates gab es keinen andern Weg. Hiermit spricht Graf de Vrazza die Praxis der Kolonialpolitik ans, welche England zur ersten überseeischen Weltmacht gemacht und demselben mchr als 522 Anhang. 70 Prozent dcö Welthandels ssegeben hat. Die Engländer haben in Nen-Seeland, Australien und Oceanien mit Ländererwcrbungen nnd Anlage von Kolouiccn nicht gewartet, bis man ihnen deren Erträge oder authentische Zinskoupons derselben auf einem Präsentierteller entgegenbrachte. Die wackern Belgier treten am Kongo in ihre Fnßtapfcn, sie bauen dort die so nötige Eisenbahn nnd sind im Begriffe den ganzen Kongostaat „königlich belgisch" zn machen, was für Wahrnng aller Interessen das beste wäre. Ahnlich steht es mit unserem Deutsch-Ostafrika. Die Zwitterstcllniig ninß so bald wie möglich der direkten Neichsangchörigkcit weichen. Für die geographische nnd ethnographische Wissenschaft ist die Thätigkeit der Belgier am Kongo schon recht ersprießlich gewesen. Znletzt hat noch der Kapitän R. van 3 Abbildungen, 12 Karlvnsti^cn nnd 1 Übersichtölaite. ^elpzig, Brockhaiis 1888. Elftes Kapitel. Der Kongostaat. 523 Pflicht, ^) Von gegenseitiger Unterstützung ist keine Rede, Belgier und Engländer werden bevorzugt. Ausbeute wird nie lohnen. Ansiedler vertragen daS Klima nicht. Der Bodcn der Küstengegend ist ganz unfruchtbar, es kostet sogar Mühe einheimische Gemüse aufzuziehen. Produkte aus dem fruchtbaren Bmnenlandc heranzubringen lohut, der Transportschwierigkciten wegen uicht. Der Ban eiuer Bahn zur Umgehung der untern Stromschnrllen oder gar die Anlage eines Kanals werden damit hinfällig. Das ganze ist ein Unsinn." In dieser Weise werden eine Reihe herber, absprechender Urteile vorgebracht, die aber ebenso viele entkräftende Antworten erfahren. Daß das Personal faul und pflichtvergessen sein soll, ist eine übertriebene Verallgemeinerung aus dem Gebahren einzelner Persönlichkeiten. Solche Persönlichkeiten finden sich überall in jedem Stande uud iu jedem Lande. Daß unter Widerwärtigkeiten und Strapazen die Zahl dieser Persönlichkeiten wächst, ist sehr erklärlich. Dieselbe Erfahrung macht man aber bei allen schwierigen Lebenslagen. Bei der Beurteilung des ganzen muß daher billigcrweise diesem Umstände Rechnung getragen werden. Die Kongoregierung verfährt mit großer Umsicht und Stanley hat großes geleistet. An gegenseitiger Unterstützung fehlt es ohne Zweifel. Nichts ist aber schwieriger. Die Entfernungen, der Egoismus und Selbsterhaltungstrieb der einzelnen sind mächtige, schwer besiegbare Hindernisse. Auch darf uicht vergessen wcrdm, daß die Leitung des Kougo-staates vou Brüssel ausgeht, und daß von dort bis Banana die Eutferunng U) .l^O Km, von Banana bis Boma 9,'i 1cm beträgt. Dcr Telegraph geht bis Loanda, es braucht aber ein Telegramm von Boma über Gabun nach Brüssel mindestens zehn Tage. Doch das ist ein Faktor, mit welchem die Gcneraladministration rechnen kann und dcr deswegen uicht sehr ins Gewicht fällt. *) Es sei hier bemcrlt, das, der Lieutenant Warlomont in seinem hinter« lassencn Tageluiche die Thätigkeit dcr Beamten in ähnlicher Weise schildert: „Die meisten enropmschen Beamten sind Acutclschneidcr der geringsten Sorte; sie be« reichern sich mit dem Golde des ^ongostaatcS, ohne für Recht, Sicherheit und Gesmidheit der Kongo-Agenten ,;u sorgen. Sie stccleu den größte» Teil des für Lieferungen empfmisscnen Geldes in die eigene Tasche und mit dein übrigen laufen sie dann verdorbene Eß>vaien n, s. w." 524 Aühmig. Störender aber sind die grüßen Entfernungen zwischen den einzelnen Stationen. Matadi — Leopoldville.......s>^l km Leopoldville — Äquatorstation . . . ^7 „ Bangala — Stanley-Fall .....>>ili, die Sprache des Snahililandes; das Vorsetzen eines m bedeutet: Mann, Person ans einem bestimmten Volke, also N«nlUnli ein Suahili; u bedeutet Land, also I^HFui-s. das Land Sagara, IIlil<».m6^l das Land Niamesi. Die Stationen und Expeditionen der Deutsch-ostafrikanischen Gesellschaft (zu S. 5)«). — Die Dcutsch-ostafri-kanische Gesellschaft hat in kanm fünf Jahren eine wahrhaft be-wundernswerte Thätigkeit entfaltet. Vom Dezember 1884 bis anfangs l«5tt hat sie l? Stationen, Faktoreien und Depots angelegt; die wichtigsten sind: Zanzibar, Simathal, Kiora, Halule, Duuda, Madinwla, Korogwe, Usaungula, Petershöhe, Baganwyo, Tanganijko, Hohenzollernhafen, Masi, fowie nicht weniger als I>l Expeditionen ausgeführt, worunter 2 Kilima-Ndjaro- und 4 Somal-Expeditionen. — Der Gesamthandel zwischen Deutschland nnd Zanzibar war in Ein- und Ausfuhr auf ca. 5, Millionen Mark gestiegen und wird mit der Wiederherstellung der Ruhe sich rasch heben. Dazu kommen die Stationen der Ostafrikanischen Plantagen-Gesellschaft: Dcntschenhof, Mbzini. Kburne, Manyanya, Dieselben waren fast alle im erfreulichsten Aufblühen begriffen, als der Aufstand losbrach. Die dabei zerstörten Niederlassungen werden zuverlässig im uächsten Jahre (l^D) wieder hergestellt scin. Die Kaffernsprache (zu S. 4l!1). — Die Kaffernsprache ersetzt die Flexionen durch Präfixe und geht iu der Wortbildung, resp. Begriffsentwickclnng so weit, daß sie u. a. für die Perfonal-pronomina im Präsens, Perfektum uud Futurum besondere Wörter hat: ich heißt 0 Schwarzen mit 1^ Kanonen und 2 Mitrailleuse« unter dem Befehl belgischer Offiziere. Klima nud Bewohnbarkeit der Tropenländcr. Es darf nicht verschwiegen werden, daß zu allen Zeiten die Kaufleute, um die Konkurrenz abzuschrecken, sogenannte Handels-lügeu, das heißt abenteuerliche Schildernugen der entlegenen Gebiete ihrer Thätigkeit, namentlich übertriebene Darstellungen der Gefährlichkeit des tropischen Klimas verbreitet haben. Zöller, Kersten-Decken, Kirchhofs, Nohlfö, Hübbe-Schleiden u. v. a. Forschuugs--reisende heben dieses ausdrücklich hervor und erklären sich entschieden gegen die von Reisenden, welche unr einen winzigen Teil Afrikas gesehen haben, aufgestellte Behauptung, das tropische Afrika sei ungesund. „Hätte man", sagt G. Nohlfs in seiner vortrefflichen Schrift: „Zur Klimatologie und Hygiene Ostafrikas." Leipzig 1^8.'). S. l4, „anstatt schlechtweg die heiße Zone nngcsuud zu nennen, mehr darauf gehalten, nach den lokalen Ursachen der Ungcsnndheit zu forschen, und wäre nach Auffindung derselben darauf bedacht gewesen, sie zu entfernen, zu Heden lind zu zerstören, so würde man sich ein viel größeres Verdienst um die Menschheit erworben haben, als jene zu erhalten meinen, die die Welt erschrecken wollen mit dem so unmotivierten, wie unbewiesenen Rufe: Die Tropen sind un-gefuud, die Indogcrmanen können dort nicht leben! Das sind Schlagworte, die wir gar nicht mehr gelten lassen dürfen." — Die durchaus ungeeignete Lebensweise der Engländer, des Hanpthandels- Naumaarten, Afrika. 34 530 Anhang. Volkes in den Tropen, hat wohl am meisten zur weiten Verbreitung dieses Schlagworteo beigetragen; aber die Hamburger und Bremer Kaufherren lassen sich nicht dadurch abschicken, jahraus, jahrein 250—30(1 Faktoristen in Äquatorial-Afrika zu beschäftigen und guten Gewinn einzustreichen. jNach Ad. Vnrdo . 1,^80) machen die Kaufleute am Niger 52 Prozents Von den neuesten Schriften über das afrikanische Klima hebcn wir hervor: „Gustav Leipoldt. Die Leiden des Europäers im afrikauischeu Tropenklima und die Mittel zu deren Abwehr. Ein Beitrag zur Förderung der deutschen Kolonisationsbestrebuugen. Leipzig 1^,87." Durch läugcrcn Aufenthalt im tropischen Afrika und ausgedehnte Kcuntuisse dazu defähigt, schrieb Hermann Soyaur seiu für viele koloniale Fragen maßgebendes Werk: „Deutsche Arbeit in Afrika. Erfahrungen uud Betrachtungen. Leipzig, Brockhanö. 1,^«", worin u. a. Das Klima unserer Kolonieen. — Tie Pflanzung. — Versuchs-pflanzuugcn. — Die Erziehung afrikanisch« Eingeborener. — Produkte der Gegenwart uud Zukunft. — Die koloniale Erziehung unseres Volkes — eingehend besprochen werden. Inhalt. Seite Vorwort......................III Zur Zllierflcht der deutschen Folsnieen in Afrika. Togoland. ' Heutige Ausdehnung und Zustünde, — Ziele und Aufgaben der Kolonieen...................IX Kamenln. Heutige Zustände. — Die lehten Furschnngsreiseu. — Die Ergebnisse von Kuuds (Expedition, entscheidend für die Znkmrst der Kolunieen, — Notwendige Rectifizierung der Grenzen. — Znstaud der evang. Missionen...................XII Si'ldwestafrit'a. Ursachen der Rückschritte und Gefährdung der Kolonie, — Die Notwendigkeit und die Mittel der Wiederherstellung der deutschen Rcichs-autontät. — Der jetzt festgestellte Goldreichtum. — Plan einer erfolgreichen Expedition..............XVIII Deutsch-^ stafrita.................XXIIl Pas deutsche Mafrika. Einleitung. Nmsaug Ndch der .Vereinbannig mit England. — Beschaffenheit und vieloerspvechende Zukunft des ^ande^..........1 Bilder aus Dcntsch-Ostllftika. 1. Die Landschaften Usegnha, Jigurn und Usagara...... 8 2. Die Hochebene von Ngogo und deren Bewohner...... 12 3. Ein Urwald im Dschagga-Lande. Charakteristik der Bewohner des Landes.................... 14 4. Das sselsenlabyrinth Teita nnd die Waldfestung Taweta am Kilima-Ndiaru................. 16 5. Moschi am Kilima-Ndjaro, Ein ostafrikanisches Landschastübild . 20 6. Das Binnenmeer Tanganyika............ 22 7. Zusammentreffen Stanleys mit Livingstone am Tangcmyika-See . 26 tt. Unter den wilden Massai in Deutsch-Ostafnka.......80 9. Die ostafrilanischen Karawanen........... . 35 10, Leben und Treiben in einem ostafrikanischen Dorfe.....40 11. Charakter der Ostafrilaner.............44 34" 532 Inhalt. Deutsch-Wiwland. Schilderung von Land m:d Leuten...........50 Die Suaheli. Die Suaheli-Sprache. — Charakteristik dcS Suaheli'Ncgcrö. — Der Ackerbnn, — Vodenpwdnktc und Ausfuhr.....55 Die Nimn-?iia,n nnd Monbuttu.............59 Die Entdeckung des Albcrt-N'yanza-Sees. Einleitung, — Die Vorkämpfer dcr britischen Weltmacht. — Samuel White Paker und scinc Gattin; ein Vild ihrer Thätigkeit, — Wie Vat'er ,nit seiner heldenmütige» Gattin die entschlichsten Mühseligkeiten und Gefahren überwindet mid bis zunl Albert N'yauza vordringt 64 Bilder aus Mombassa und Feretown an dcr Osttiistc Afrikas . , «2 Tie Gallaländer. Produkte, Klima, beste Lebeu^tt'eise der Europäer.......86 Die Tonml an der Ostspitze Afrikas. Nach Burton, Haggenmachcr und Klans vun Änderten.....s!9 Eiu Palawer bei deu Soinal............ . 100 Die Stadt Harrar, das Paradies im Osthorn Afrikas.....102 Vebcnsiueise und Krankheiten in Ostafrika. Unnötige Furcht. — Wirksamste Diät für l5urc>päcr. — Örtliche Einflüsse, — Gesunde Orte. — Neuest« Erfahrungen. — Klima im Somallande..................106 Das Reich Schoa und dessen Aewohncr. Grenzen, — Daö Heer. — Der Küniss. — DaS Christentniu der Schoaner. — Litteratur, — Entsetzlicher Aberglaube uud sittliche Versumpfung..................122 Der abcssinische Badeort Wansaga............125 Massuah. Cliaraktcr und VcbenZweise dcr Vewohner, — Klima. — Handels» aMwhichciten dcr Abcssinier. — Vorzüge dcr Äiohainuicdancr . . 123 Abessinische Kriegsbill'cr. I. Gründonnerstag l8<^8 in Magdala. — Anrücken dcr Engländer. — Niedennehelung dcr Gefangenen..........132 II. Tie Schlacht am l5harfrctta«. — Sieg der Eugländer. — Ver- zwciflnna, des Königs. — Sein Selbstmord.......134 Äthiopische Bilder. Tie Landschaften. — Meine Abende am Nil. — Selbsterlebte arabische Nächte, — Charakter der arabischen Märchen. — Die Geschichte vou dcr Sultanin ^ubcydeh und dem Holzhauer.... 140 Scenen ans dem Volksleben in Ägypten. 1. Ein Tag und eine Nacht in Kairo.......... 154 2. Eine arabische Schenke. — Tie heulenden Derwische . . , . 171 3. Eine ägyptische Elementarfchnle........... 173 4. Gebet eines mohammedanischen Knaben........ . 176 5. Der Namadan-Tanmcl, Scenen ans dem mohammedanischen Leben 177 6. Die Krokodilengrotte zu Maabdeh.......... 181 7. In der Moschee................ 187 Inhalt. 533 Seite Arabische Erzählungen. 1. Ibrahims Gotwettrauen..............1!)4 2. Schwierige Wahl................197 Das Mima von Ägypten............... 138 Mohammedanisch» Lebensbilder aus Algerien. 1. Das ^Vit, o! X«I,Wk oder Hammelfest......... 200 2. Das Begräbnis eines Mlirabnt........... 2<)l 3. Das Verhältnis der Eingeborenen zu der christlichen Einwanderung 206 4. Straßenbilder aus Tleincen............. 205 Bilder aus der Sahara. 1. Die Wüstenarabcr und die Karawane. — Am Brunnen . . . 213 2. (5ine arabische (5'rzahlun^, — Sprichwörter .......216 Der arabische Adel in der Wüste............218 Die Bevölkerung Marokkos (I««4). I. Glihrung in der mohammedanischen Welt. — Die Bevölkerung Marokko, — Die Ruwafah. — Die Landessprachen. — Fanatismus der Marokkaner..............22U II. Die Bewohner des Rif..............231 Bilder marokkanischen Aberglaubens. 1. Der rettende Wahn...............233 2. Die bezauberte Turmuhr .............234 Kulturfeindlichkcit des Mohammcdamsmus. 1. Die marottauischc Frage. — Der Mohammcdaniömns fremd und feindlich der Kultur und ohne Vaterlandögefühl......236 2. Islam und Afrikaforschnng.....'........237 Berber und Araber in Marokko. Gegensätze ihrer Charaktereigenschaften und Lebensweise.....243 Die Westküste uon Afrika, Die Miste von Gurce bis zum Ällt-Kalabar-Strom. — Schilderung oou Vnkc-Tonin. — Der Negcrkouia.. — Die Eingeborenen . . 245 Die Kruneger...................252 Das Klima in Sencgambien. Eiu Tag währcud der Regenzeit am Senegal........258 Bilder von der Goldküste. 1. Anblick der Guldlüste vom Meere aus, — Die Wälder. — Fischer« flotten. — Cafte-<5ocist-i5astle............2N1 2. Die Neger der Goldtüstc.............265 3. Mu Fetischhaus auf der Goldtüste..........282 Das unbekannte 5!and zwischen der Goldküste und dem oberen Niger. Aeue Ronte durch die große Wüste zwischen deu Flüssen Afra und Volta. — Das Vlesantenparadies, — Die Stadt Karalye und der Fetisch Ddentc. — Nagyamso am Volta, — Die grüße Handelsund Fctischstadt Salaga. — Der Missionar Buh in ^aralye und Salaga. — Kommerzielle Wichtigkeit der nenen Nonte . , . . 284 Abcotuta. Vild eiuer siebeu Jahre lang sich selbst überlassenen Christengemeinde in einer westafrikanischeu Stadt............297 534 Inhalt. Seite Peutsch Äquatorial Hfrism. Togoland. Notwendigkeit deS NMiZschutzrs in Wcstafrika. — Umfang des Togo-landes (1887), — Beschreibung der Küstc und des Binnenlandes, — Die Hauptortschaften. — Ein afrikanischer Nero. — Knlturzustände 304 Eine Faktorei im tropischen Nestafrika. Van und Aussehen einer ssaltorei. — ^cbenSqewohnheiten lind tägliche Arbeiten. — Die Krnneger, ihre Sitten und Sprache. — Haushalt der Weihen................ , . 310 Bilder aus dor Kolonie am jtamerun. I. Nmfang und Wichtigkeit Kameruns. — E. N, Flegel. Seine Vorbereitungen zu Forschungsreisen. — Die ssrage der Ge-suudheitsstationen (Sanatorien). — Schilderu>,g der großartigen Natur Kameruns. — Kamerun uud das Benuegebiet nach Flegel und Brir Förster.............315 II. Die Ersteigung des (^ötterberges..........322 III. Kamerun und die Küstc bis Kap St, John. — Bodenbeschaffen» heit, — Bewohner. — Die Küste südlich von Kamerun. . . 32? IV. Kultnrbilder aus den Anfängen der Kamerunmission. — Greuel des Heidentums. — Der Missionar Sakcr; seine heldenmütige Ausdaner und Wirksamkeit. — Wie er die Duallaspruche lernt, — Verfolgungen............... !^3l) V. Die NcgewIVlter an: Kamerun........... 334 VI. Ein Bild westnfiikanischer Iustizpflege........ 344 VII. Der Gehcimbnud des Egboe-Ordens unter den Negern in Alt» Kalabar..............' .... 348 VIII. Klima und lNesundheit^ocrhältnisse der Kolonie Kamerun. 1. Die Vorzüge............... 351 2. Die wirtlichen Gefahren............ 353 Fernando Po. Der Claren«>Pik, dem Kamerun gegenüber. — Die spanische Stadt Isabel. — Tropische Scenerieen, — Die Bevölkerung .... 854 Am Venue....................360 Der Kongostaat. I. Umfang des Kuugostaates. — Ergebnisse deutscher Durchforschungen des Bandes. — Das eigentliche Königreich Kongo. — Die eingeborenen Könige und Hanptlcute. — Die internationale Gesellschaft . . '................3«7 II. Ehaiatteristik der Bevölkerung. — Die Neger ani unteren Kungo 37" III. Die Ncgcrtönigreiche am unteren Kongo........379 Mussumba. Ein Städtebild aus dem ^nnda-Reiche im Süden des .UungostaateZ Z85 Dondo, ein Fiebernest in Angola............388 Kurzer Blick auf die Geschichte der schwarzen Rasse......392 Die Kulturbefähiaung der Neger ............394 Inhalt, 535 Seite Geistige Erzeugnisse und Geistesverfassung der Neger. Sprichwörter lind Rätsel. — Zwei Netschnäncnmärchcu. — Kulturfeindlicher Einfluß dcr arabische» Märchen. —> Charakteristische Gespräche: Vnrtou und der Neger ohne Zahlensinn, Mit dem Obmanne der Eseltreiber. Der mohammedanische MaubenSeiferer und der skeptische Neger, Der Missionar und sein Schüler.......3W I. Kammapa nnd Maulane . . . ,........4 II. Der kleine Hase......>.........402 Die afrikanischen Sprachen. Die Riesenarbeit von Robert Needham Cust übcr die afrikanischen Sprachen. — (5'inteiluna, in sechs große Gruppen. — Segen der Missionen. — Verschiedenartige Abstammung der ssiegersprachen. — Charakteristisches über einige 3iegersprachen.— Die Sabir-Sprache als Iii,fr,,il t'i'llnc». — Das Kreolische auf der Insel Mauritius. — Formenreichtum und Schduhcit afrikanischer Sprachen. — Die merkwürdigen Probleme der Hottentotten-Sprache.......411 Zeutsch Südwestafrika. I. Erwerbung des ersten deutschen Kolonialgcbiets. — Grenzen und Unifang oon Dentsch-Sudwestafrika. — Zuuerlassigkeit der Vlach» richten und Untersuchungen über dessen Kulturwert .... 423 II. Die Bedeutung der südwestafrikanischen Küste......427 III. Kulturwcrt von Dentsch-Südwestafriw. Ergebnis der Untersuchungen der Forscher, Ingenieure und Missionare. — Ovamboland, Kaluofeld, Namn- und Herero« land. — Fisch- und Viehreichtmn.........431 Die Eingeborenen uon Deutsch-Südwestafrita. Die Herero oder Damara, I. Der ikulksnmuen. — Die Herero als leidenschaftliche Viehzüchter. — Die Vcrgdamara und ihr Treiben........434 II. Nelissiuse Vorstellungen. — Ihre merkwürdigen abergläubischen Meinungen und Gebräuche. — Ihre Hütten. — Putz, Gesänge und Musik, — K'igeutümlichkeitcn der Damara-Sftrachc. — Aussprache von li und I>. — Ortssinn und charakteristische Denkweise der Damcna.................436 Hl. Geistige Fähigkeiten der südafrikanischen Eingeborenen, besonders der Hercro.................441 IV. Die Hereru als Heiden und Christen. Vergleich der geaeuwärtigeu Zustände einer Heiden» und tihristenwerft. — Praktischer Beweis der segensreichen Kulturarbeit der Missionare.............446 Vilder aus Groß-Nama-Land. I. Der Hanptort Bethanieu. — Klima. — Charakter, Lebensweise, Religion der Hottentotten, — Staatliche Ginrichtnngen . . . 449 II, Charakteristische Scenen oon der Missionsstatiun Bethanien. . 453 III. Charakteristisches über die Nama-lhoi-thoin.......456 Land und Volk der Kalahari, des weiteren Hinterlandes uon Angm Pequcna. Vodenboschaffenheit nnd Pstcmzeuwuchs, geeignet zu bedeutender Schaf» zucht. — Straußcnparts'Anlageu. — Vrster Anblick der eingeborenen Bevülkerllua,..................4W 536 Inhalt. Seite Die Ovambos in Deutsch-Südafrika...........463 Die Buren im Oranje-Freistaat. Äuszcres, — Woliuung. — Halislcbcn. — Gastfreundschaft. — Brautwerbung. — Groolieiten. — Religiöses Leben.......468 Engländer und Buren................475 Bilder aus dem ^clicn der Buren. Der Nuer c>l^ Ha,i>^doltor,' Die Hausapotheke i,» Blechkasten. — Merkwürdige Kurmcthodc. — Der Äien mus!...............480 Völterucrschiebungen in Südafrika feit Gründung der Kolonie und Veränderungen der Hottentotten an Gestalt und Sitte durch Einfluß der' Weißen............... 482 Die Auschleute oder Sann............... 487 Ein Vehmgericht bei den Kaffcrn............ 495 Arbeit mit Hindernissen oder ein Tag eines Kaffcm-Missionars . 500 ihrart!te1...............504 Der Schulmeister in Kamerun. Ein Knltnrbild auö der deutschen Kolonie.........513 Der Kongostaat. 1. Aussichten des Kongostaaleö. Nach Wißmami nnd dc Nrazza . 517 2. Die verschiedenen Ansichten über die Zulimst des Kongostaateö, — Widerlegung der absprechenden Nrtcile übcv deusclben. Vou ,^arl von Francois.................52ij Notizen. Die Namen Damaraland, Hcrerulaud, Nania, ^laniaqua . 527 Der Nanie Soniali, So mal und andere a/ographischc Xiamen in Ostafrila................... 528 Die Stationen der deutsch-ostafrikanischen Gesellschaft und der Plantagen-Gesellschaft ................. 52« Die Kaffcmsprachc................. 528 Organisation des Kungastaates............. 529 Klima und Bewohnbarkeit der Tropenländci........ 529 Drucl von V. Aernfteln m Verlin. Druck vim G. lierunteiu in Uerl K 0 t\ ü 0 8 T A A T Übersichts- Karte dor Deutscli - Asrilcanisclien Kolunieen. Ferd. DUmmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin. Erkliirang der Karban und Zeichen: DeutaeMe BtnUungen, u. SchutztjtbwU. Framixitoha Besiisungen. Rnftitctu BtsiUvngen. Sultanat Sannbor. Partvgl'esUckt Besitzungen Ktmgostaat GiG.mm ricx Freihandttigebvetes .SENEGAMBIEN \» ■%>» i ^j MJ j/ In Fcrd. Tmumlcrs ^crlaqslillchhaudluug in Berlin crschien fcrncv: ^altian. A., ssinigro ana Zamon nod audriu Inseln der Kiidlre. 2)iit ethno- graphischen Anuierktingen zur ^iolonialgeschichtc. l >!!->!). geh. I,^U Atari. Conring-, Ad. v., Marroco, das Land und die Leute. AHseme»ne geographische uiul ethnographische Verhältnisse etc. etc Aus eigener Anschauung geschildert. Mit einer Uebersichtskarte und einem Plan der Stadt Marroco. Zweite Ausgabe. 5 Mark. Bernstein, A.. NnturwissrnschnNlillie illilllülliill,cr. Wohlfeile Gesainmtattsgabe. Der liierten vielfach m'rlnWttm und urtüichttm Aoflagl' dtitt^r Mdruck, ^!1 THcil^ in '» Biindm. Broschirt I^, Mark, l'll'ssaiü lMmd^n !? Mart. --------- Dnssrlbe. Nmc ^oi^. >l> THcilc. Bwschirt I.".,W Mark, elaMt ss(bundc!l >ü,!l> Marl. --------- Nlltnrlll'Nft und Gcissrownltril. ^'trnchtmMN übrt ?lattir^ lind Cultur- ^'l'M. Zwcit».' Auflasse ')icu<,' Voltöau^^aln'. Preis 2,W Mart', gclnindcn .! Marr. Littrow, Wunder deo tiimmrlo odn- OclUtilifilsilichr llnrllclllNllj dr« zUrltsyNcmy. 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Nlcdlich, ^au>l,gcgel'(N uon ^teliert ?.;e».^lil'r Theile. !i> ).l ,c» <«, '«.instrin „i «crIW.