Izvirni znanstveni članek (1.01) BV 68 (2008) 2, 165-178 UDK 272-18 Avguštin Lah Und der Mensch erschuf den Menschen nach eigenem Abbild Zum anthropologischen Dialog in der postmodernen Welt Zusammenfassung: In einem Gemenge der zeitgenössischen Anthropologien, die miteinander verwickelt und nicht wenige in wesentlichen Zügen gegeneinander orientiert sind, ist eine Neigung zu verspüren, dass sich der Mensch inmitten der momentanen Wünsche, von selbst erstellten Auffassungen und seinen interessenorientierten Projekten belastet, dem wahren Identitätskern zuwendet, da er sich die Frage stellt, wer der Mensch eigentlich sei. Er ahnt darüber hinaus, dass er immer seine Grundfestigkeit verliert, wenn er sich nicht mehr danach richtet, was in Gott seinen Grund und sein Vorbild hat; im rein „Machbaren" darf sich folglich die menschliche Person nie verankern. Die Perspektive des zukünftigen Menschen, der sich selber nach seinen Vorstellungen macht, führt, so scheint es, seinem eigenen Niedergang entgegen, weil der Mensch die Qualität der zwischenpersönlichen und transzendenten Beziehungen - bestehend in der völlig hingebenden Liebe - auf diese Weise langsam verpasst. Die Ambivalenz der Vermenschlichung wird oft von der Entmenschlichung bedroht, und nur in einem Dialog mit der christlichen Anthropologie kann der Mensch der Zukunft die ihm entsprechende Perspektive bewahren. Schlüsselworte: Anthropologie, virtuelle Realität, Dialog, Mensch Abbildgottes Povzetek: In človek je naredil človeka po svoji podobi. Prispevki k antropološkemu dialogu v postmodernem svetu V konglomeratu sodobnih antropologij, ki se prepletajo med seboj in si mnoge v bistvenih vsebinah nasprotujejo, je zaznati težnjo, da si človek izbira svoj identifikacijski domet po svojih trenutnih težnjah, pogledih, projektih, ki so predvsem interesno naravnani. Ti naj bi določali, kdo človek je. Tako izgublja svojo temeljno trdnost in se ne ravna več po tem, kar je od Boga, božja podoba, temveč po tem, kar je »naradljivo«. Perspektiva prihodnjega človeka, ki se dela po svojih projektih s pomčjo znanosti, virtualnega sveta medijev in prevladujoče ekonomske miselnosti, kljub njihovi nezanemarljivi pozitivni vednosti, vodi, tako se zdi, v njegov lastni zaton, saj izgublja kvaliteto medosebnega in transcendentnega odnosa, ki je v zastojnski in darujoči ljubezni. Ambivalentnost počlovečenja grozi z razčlovečenjem. Le v dialogu z krščansko antroplogijo bo človek prihodnosti ohranil trdno perspektivo. Ključne besede: antropologija, virtualna resničnost, dialog, človek Božja podoba Abstract: And Man Created Man in His Own Image. On the Anthropological Dialogue in the Postmodern World In the conglomeration of modern anthropologies interweaving and often opposing each other in their basic contents, the tendency can be discovered that man chooses his identification range in accordance with his immediate inclinations, views, and projects that are primarily based on his interests. Thus, he loses his fundamental steadfastness and is no more guided by the image of God, but by what is feasible. The prospects of the future man creating himself by his projects with the help of science, the virtual world of the media and the dominant economic mentality - though their positive value cannot be neglected - seem to lead to his own ruin as he keeps losing the quality of the interpersonal and transcendent relation based on a free and giving love. The ambivalence of humanization threatens to turn into dehumanization. Only in a dialogue with Christian anthropology the future man will keep firm prospects. Key words: anthropology, virtual reality, dialogue, man as God s image. Es wird generell vorausgesetzt, dass die europäische Zivilisation im griechisch-römischen, weiter im jüdisch-christlichen und zum Teil im islamischen religiösen Erbe wurzelt. All diese Richtungen haben die europäische Kultur in ihrer Pluralität mit gestaltet. Es kann keinen Zweifel geben, dass das Christentum mit seiner Anthropologie dabei von entscheidender Bedeutung war, da diese Anthropologie im Glauben, Gott habe den Menschen erschaffen, und der Mensch sei Abbild Gottes, ihren festen Grund hat. Heutzutage hat man das Gefühl, dass gerade diese Anschauung verschwindet; in den Vordergrund aber treten andere anthropologische Konzepte, indem behauptet wird, der Mensch selber sei sein eigener Schöpfer. Es lohnt sich nun einige Blickwinkel und freilich auch etliche Folgen dieser Auffassung näher zu betrachten. Im vorliegenden Artikel geht man vom Standpunkt aus, dass es einige noch nicht systematisch analysierte und dementsprechend verfasste Anthropologien gibt, die aufgrund des praktischen Handelns immer wieder entstehen. Und eben diese Anthropologien bedingen das Bild des Menschen und sein Leben in der Gesellschaft wesentlich mit. Dabei möchte ich mich auf drei solche Gegebenheiten beschränken, in denen das Bild des heutigen Menschen offenbart und sogar gestaltet wird. Gemeint sind damit: die Wissenschaft im Allgemeinen, weiter die virtuelle Wirklichkeit der modernen Massenmedien, und die Markt-Konsum-Logik der Gesellschaft von heute. Zuletzt wird noch auf den positiven dialogischen Beitrag der christlichen Anthropologie in den Umständen der Übermacht dieser hand-lungsbezogenen Anthropologien hingewiesen. Der Mensch und die Wissenschaft Nie in der Geschichte orientierte sich die Menschheit so konsequent nach der experimentell-quantitativen Wissenschaft, wie es heute der Fall ist. Der Mensch ist zwar immer, seit er besteht, wissenschaftlich aktiv gewesen; heutzutage aber - und eben darauf kommt es an - experimentiert er mit sich selbst. Der Mensch ist der zu ergründende Gegenstand. Die gewonnenen Erkenntnisse schöpft er überwiegend aus sich selbst, deswegen bestimmt er seine Identität ausschließlich aufgrund seiner selbst und nicht mehr in Bezug zu Gott. Er tut es folgerichtig im Rahmen der experimentell zugänglichen Welt. Aus diesem Grunde wird auf Hypothesen und gedanklichen Konstruktionen im Verhältnis zur immanenten Welt und nicht zur Transzendenz gebaut. Das Wissen über den Menschen und über die Welt wird immer umfangreicher und grenzt bereits ans Grenzenlose. Aufgrund seines All-Wissens versteht sich der Mensch als all-mächtig, ja, zu allem fähig. „Einige Mitglieder der technischen Forschungswissenschaften sind von der Phantasie der Allmächtigkeit massiv durchdrungen worden, sodass scireposse est noch offenkundiger wird" (Sanna 2006, 63). In der Voraussetzung, der Mensch könne alles (was bereits an die Aneignung der Allmächtigkeit Gottes grenzt), und anhand der Erwartung, er werde alles können, werden die Denk- und die Handlungsweise der Leute gestaltet. Der Mensch ist immer sowohl an seinem Anfang als auch an dem eigenen Ende interessiert gewesen. Was sich dazwischen befindet, war mehr des Anfangs und des Endes halber von Belang. Es ist folglich kein Wunder, dass etliche Wissenschaften gerade die Fragen des Anfangs und des Endes zum Gegenstand ihrer Forschung machen. Und immer häufiger entstehen - freilich aufgrund der Forschungserrungenschaften - phantastische Ideen über den künftigen Menschen und über die Menschheit in der Zukunft. Man fängt dabei an, differente Schamanen mit ihren utopischen Zusicherungen über eine baldige Lösung aller Probleme der Menschheit vor Augen zu haben. Die wissenschaftlichen Ergebnisse der Biologie, weite der Biotechnologie, der Computertechnik und der künstlichen Intelligenz stellen sich als eine humane und kulturbezogene Alternative zur Lösung aller Probleme dar, sodass ein langes Leben und sogar die Unsterblichkeit zu erwarten wären. Bis jetzt versuchte die Philosophie, die Unendlichkeit in der Unsterblichkeit der Seele zu sehen, die Religionen aber, diese Grundfläche unserer Zivilisation, vermittelten uns verschiedene mythologische Lehren; von nun an aber dürfte die Unsterblichkeit als etwas rein Physisches erhofft werden (Sanna 2006, 85). Dafür, wie diese zukünftige Ewigkeit aufzubauen ist, gibt es folgende Modelle: Erstens: mit der plastischen Chirurgie und der Genmanipulation sollte eine permanente Jugend herbeigeschafft werden. Aufgrund der letzten Forschungen in der Genetik sollte es keine irreversiblen Ge- schehnisse mehr geben, welche die Senilität und das Altern verursachen würden, sondern mit der Steuerung der Zellenprozesse und der DNA-Eingriffe könnten die Erbfaktoren und die Metabolismustätigkeit verändert und die Alterserscheinungen folglich gestoppt werden. Das zweite Modell ist in der Genmanipulation verankert. Es gäbe ein die Zeit messendes Gen. Mit seiner Änderung ließe es sich problemlos lange leben. Das dritte Modell gründet im Mechanismus und geht von der Idee über die Transplantation und die Umtauschung der Organe aus. Ferner wird mit der Produktion der Organe innerhalb und außerhalb des Körpers bzw. mit dem therapeutischen Klonen wie auch mit der Anwendung der Stammzellen gerechnet. Kurzum, es geht um Bio- und Nanotechnologie mit programmierten Umtauschungen des menschlichen Körpers (Sanna 2006, 65-66). Das wäre eine Art „Quasiunsterblichkeit" und Self-Service-Organproduk-tion. Wenn man ernsthafte wissenschaftliche, vor allem medizinische Überlegungen berücksichtigt und die gesamte Tradition zusammen-fasst, ist es eindeutig klar, dass niemand dem Tod entfliehen kann. Es geht weniger um bloß phantastische und traumartige Antworten auf die Frage darüber, wie der Tod zu überwinden sei, sondern vielmehr darum, wie man den Menschen nach den eigenen Grundideen, Plänen und Wünschen „erschaffen" sollte. Der Mensch ist nicht mehr eine Person, geschweige denn ein Geschenk, jemand, dem Respekt gebührt, sondern einfach ein machbares bzw. selbstmachbares Ding. Er wird als ein Erzeugnis, als ein reines Produkt seiner selbst verstanden. Dieser Mensch - es ist beunruhigend -stammt nicht mehr aus der Beziehung zum Absoluten und hat kein Verhältnis zum Anderen. Er ist keine Gabe, kein umsonst gegebenes Geschenk sich selbst gegenüber; im Gegenteil, er ist sein eigener Erbauer. Zeugung des „neuen" Menschen Recht drastisch sind die Prognosen und zugleich Befürchtungen, wenn es um die Vermittlung des neuen Lebens geht. Die biomedizinische Manipulation mit Keimzellen und mit Erbmaterial, die künstlichen Befruchtungen und die pränatalen Diagnostiken zielen dahin, einen menschlichen Organismus nach eigenen Wünschen, nach einem „programmierten Profil" zu erzeugen. Ein Menschenkind wird in diesem Fall wie ein Fahrzeug oder ein Möbelstück bestellt. In diese Richtung bewegt sich die Überlegung des Bioethikers H. T. Engelhardt, der folgendes zu sagen wagt: Wenn wir einmal die Möglichkeit entwickelt haben, mit dem genetischen Engineering nicht nur in die somatischen Zellen, sondern auch in das Genom selbst eingreifen zu können, werden wir in der Lage sein, unsere menschliche Natur nach dem Abbild der persönlichen Vorstellungen zu wählen, zu gestalten und zu erschaffen. Dies kann am Ende eine derartig gründliche Mutation unserer menschlichen Natur bedeuten, dass unsere Nachkommen eine ganz neue Gattung darstellen werden (vgl. Engelhardt 1991, 492). Es gäbe endlich einen Menschen nach dem menschlichen Bild und Plan. Werden solche programmierten und auf diese Weise zuwege gebrachten Menschen noch Menschen sein? Wird es sich hiermit noch um die menschliche Art handeln? Der Verlust des natürlichen Triebes und die Flucht vor dem Wunsch im Hinblick auf die Kinder: sind sie nicht eine Form des Wartens darauf, dass die Wissenschaft und die Technik eines Tages dem Menschen doch die Möglichkeit anbieten, sich selber machen zu können? Die Experimente, die Erfolge und die auf den bisherigen Erfolgen gründenden (utopische) Vorhersagen der Wissenschaft, wobei es immer um den neuen Menschen geht, haben jedoch kaum vor Augen, dass mit einem aufgrund der hohen Technologie erschaffenen Wesen die Bosheit, das Unrecht und Blutgier aus der Welt bestimmt nicht verschwinden werden. Es wird kein neues menschliches Herz geben. Die Länge des Lebens wird gewiss kein Synonym für ein glückliches Leben sein; der Hass, die Ausbeutung, der Verrat und das Gemetzel werden weiter wuchern (vgl. Sanna 2006, 66). Anthropologie des Internet-Menschen Die heutige Welt, vor allem diejenige der letzten Generationen, ist von den modernen elektronischen Anlagen umgeben. Dazu gehören insbesondere der Computer und all das, was mit ihm möglich ist, wobei die Internet-Verbundenheit einfach nicht wegzudenken ist. Der Computer eröffnet eine virtuelle Welt und damit ein bestimmtes Bild der Wirklichkeit, freilich im Hinblick darauf, wie sie begriffen und erkannt wird. Es geht um keine „reale Wirklichkeit", sondern um eine virtuelle Vermittlung der Wirklichkeit, um eine mediale Wirklichkeit. Es stellt sich dabei die grundsätzliche Frage nach der Wirklichkeit und jene nach der Wahrheit. Was wirklich und was wahr ist, ist auf einmal nicht mehr eindeutig klar. Die aufgrund des Computers erkannte und beobachtete Wirklichkeit ist immer diejenige unter dem Blickwinkel der Technik und nicht die natürliche Wirklichkeit der menschlichen Sinne. Diese vermittelte, so genannte Medien-Sachlichkeit wird noch fraglicher, wenn sich die Vermittlung auf den Menschen bzw. auf die Person bezieht. Da im Computer die Wirklichkeit konstruierbar wird, wobei das Geschehen und die Geschehnisse anders beschaffen und von der Objektivität verschieden sind, fragt man sich, was die Wahrheit eigentlich ist. Die Wahrheit ist folglich nicht fest und stabil, sondern anpassungsfähig und mehrfach. Es heißt folglich: jeder kann seine eigene Wahrheit haben. Wenn die Wirklichkeit etwas Fluktuierendes ist, kann nur aporetisch ausgedrückt werden, was Wirklichkeit wäre. »Die Annahme einer eigentlichen Wirklichkeit erscheint im Horizont der neuen Medien so falsch wie die Gegenthese, dass es überhaupt nur noch Schein gibt« (Dirscherl 2006, 41). Die Erfassung der Wirklichkeit ist durch die Medienvermittlung einerseits schwächer, andererseits aber wird sie schärfer. Schwächer ist sie, weil man eine beobachtete Wirklichkeit beobachtet; schärfer ist sie jedoch, weil es um einen anhand der Sinne unzugänglichen Zugang geht. Problematisch ist freilich die Geschwindigkeit und die Menge der Bilder, sodass es zur Oberflächlichkeit und Überfülle kommt, wobei man nicht mehr wissen kann, was eigentlich gesehen worden ist; ebenso wird das Wesen nicht erfasst. (vgl. Dirscherl 2006, 44). Immer größere Geschwindigkeit führt nicht zuletzt zu einem immer größeren Trug. Vom anthropologischen Blickwinkel her sind die elektronischen Mittel, die eine virtuelle Wirklichkeit ermöglichen, wegen ihres Einflusses auf das Verhalten des Menschen wie auch auf das Begreifen und Erfassen seiner selbst und der Anderen recht bedeutend. Die Internet-Kommunikation ermöglicht nämlich eine leichte und einfache Herstellung der Beziehungen zu den Menschen und Personen, wo immer sie sich befinden. Diese mediale Kommunikation ist freilich ausgesprochen unpersönlich. „Es ist ein Unterschied, ob ich im Internet chatte, oder konkrete Personen vor mir habe, mit denen ich kommuniziere. Da ist es schon schwerer, sich eine andere Identität zuzulegen, als wenn ich mit einem Phantasienamen und anderer Identität in einem Chatroom auftauche« (Hundeck 2003, 159-176). Die neue Technologie mit ihrer Beschleunigung und Überfülle sowie mit ihrer grenzenlosen Datenmenge kann freilich den Menschen besessen und abhängig machen. Es lässt sich von einer Drogenabhängigkeit reden. Dies kann dazu führen, nicht mehr realitätsfähig zu sein. Im Internet habe ich die Möglichkeit, auch selber Realitäten mitzuschaffen und mitzuprägen, mich aber auch jederzeit wieder zurückzuziehen, vorausgesetzt, ich habe diese Souveränität noch (vgl. Dirscherl 2006, 44). Falls ich mich von der virtuellen Welt der Medien ohne Distanz beanspruchen lasse, verschwinde ich in dieser Welt, die mich aufsaugt, sodass ich nicht mehr ich selber bin, sondern zu etwas werde, was außerhalb von mir geschieht. Und eben das ist es, was wir in der Tierwelt beobachten. Das Tier ist eins mit dem Geschehen; es gibt keine Distanz. In der realen Welt geschieht die Erkenntnis, indem ich, da ich bewusst lebe, die Distanz halte. In der virtuellen Welt aber kann diese Distanz schnell verloren gehen, und das Erleben, genauer gesagt das Miterleben tritt in den Vordergrund. Die virtuelle Welt lässt sich nämlich erleben, wobei dieses Erleben freilich nur einseitig geschieht. Die Internet-Kommunikation - mit Buchstaben, wort- oder bildmäßig vollzogen - ist nie ganzheitlich. Die Gefühle, der Ausdruck des Körpers und alle begleitenden Mitteilungen und Inhalte bleiben von der Beziehung ausgeschlossen. Wie der Computer und die dadurch möglich gemachte Kommunikation eine gute Informationserrungenschaft sind, so sind sie zugleich ein Mittel dazu, dass der Mensch asozial und betreffs der Realität des Lebens unanpassungsfähig wird. Die Folgen der unpersönlichen Kommunikationstechniken sind bezüglich des Selbstbildes und der Selbsterfassung offenkundig. Trotz der Kontakte bleibt die Person frustriert und vereinsamt, sodass man es mit der Erscheinung der sozialen Frustration zu tun hat. Meistens geht es um einen Teufelskreis: wegen eines unpersönlichen, technisierten und konsumorientierten Gesellschaftsklimas wird das Internet zu einer Art „Gesellschaftsfüllsel"; es ersetzt Eltern und persönliche Beziehungen und führt zugleich eben dorthin, wo es sie nicht gibt; es ist bloß ein Schein. Ein in der virtuellen Welt geformtes Individuum hat in der Realität manche Schwierigkeiten im Hinblick auf die persönlichen Beziehungen mit den anderen Menschen. Eine entartete persönliche Beziehung aber ermöglicht weder die Annahme des Andersseins des Anderen noch die Freude über ihn oder die Bestätigung seines Andersseins; sie fängt vielmehr an, ein eigenes Konzept über den Anderen zu erstellen. Wenn ich nämlich ein Bild vom Anderen zuwege bringe, erwarte ich und will ich es auch, dass der Andere diesem Bild entspricht. Auf diese Weise wird er meine Wünsche erfüllen, meinen Interessen und Bedürfnissen folgen und zum Gegenstand meiner Befriedigung werden. Statt einer persönlichen Beziehung entsteht eine Besessenheit nach ihm. Wie ein Computer, so wird auch der Andere zu einer Art Rauschgift. Weil fast alles in der virtuellen Realität beherrschbar, ausführbar und machbar ist und ohne Widerstand völlig zur Verfügung steht, wird der Mensch von dieser „anderen Realität" mitgestaltet: er ist aggressiv, rücksichtslos, anspruchsvoll, ungeduldig und verlangt, dass sich alles nach seinem Diktat richtet. Alles muss „klickschnell gehen". Er kennt keine Grenzen; er handelt, als ob alles erlaubt wäre, was ihm als wünschenswert einfällt, sonst wird er apathisch und desinteressiert. Wenn es soweit kommt, ist der Andere weder ein Geschenk noch ein Geheimnis, dem die Achtung, Bewunderung und Feinfühligkeit zustehen; der Andere ist kein Mensch mit einem verletzbaren Gesicht, wo es zu keiner Verletzung kommen darf, sondern steht er zur „Bearbeitung" frei. Ein Subjekt der virtuellen Welt versteht sich selber ebenso nicht als eine geschenkte, gewollte und geliebte Existenz, die in einer freien Verantwortung an sich selbst weiter bauen soll, sondern eher als ein unabhängiges Individuum, das sein Recht durchsetzt und Befriedigung seiner Neigungen, Lüste wie auch seiner Vorstellungen zwecks eines reinen Genusses fordert. Genießen in der Befriedigung aufgrund der Erlangung des Gewünschten! Der Zweck als solcher besteht im Genuss. Anthropologie des Konsum-Menschen Der Mensch, von seinem eigenen Handeln und von der Welt, in der er lebt, bestimmt, setzt sich ununterbrochen mit der Wirtschaft auseinander. Die Ökonomie ist ein, alle Bereiche des Lebens bestimmendes, Grundprinzip (vgl. Juhant 2005, 28-30). Das Grundgesetz der Ökonomie sind Produktion und Markt, deren Zweck im Verbrauch bzw. im Konsum besteht. Es scheint, dass alle materiellen und spirituellen Tätigkeiten nach Ökonomieprinzipien gemessen und bemessen sind. Alle Programme in den Medien wie auch das gesamte gesellschaftliche und politische Angebot geschehen derart, dass möglichst viel verbraucht wird. Auch die Religion betrachtet oft den Christen als einen Dienstleistungskonsumenten (vgl. Sanna 2006, 61-62). Dieses System wird durch die Konkurrenz am Gütermarkt bestimmt. Im Grunde genommen geht es dabei um die Gewalt; mit einem aggressiven Benehmen schreitet man dem Erfolg entgegen, wobei - selbstverständlich - die Qualität der angebotenen Waren nicht wegzudenken ist. Außerdem muss die Tatsache von vornherein in Betracht gezogen werden, dass die angebotenen und verkauften Sachen bzw. Dienstleistungen eine nur relativ kurze Zeit haltbar sein dürfen, sonst müsste die Produktion aufhören. Auf diese Weise geht der Verbrauch bzw. die Nachfrage seitens des Konsumenten immer weiter, und parallel dazu läuft die Produktion der neuen Waren ebenso weiter. Die Waren müssen kaputt gehen, damit es Nachfrage geben könne; ohne neue Angebote gibt es keine neuen Bedürfnisse und darüber hinaus keinen Verbrauch. Zur Herausforderung der neuen Bedürfnisse in diesem Konsum-Markt-System dienen die Reklame, die Propaganda und die Annoncen in den Massenmedien. Es besteht folglich ein Kreis von der Produktion und dem Markt über die mit der Reklame wachgewordenen Bedürfnisse bis hin zum Verkauf und zur Verwendung, und das gesamte Geschehen wiederholt sich. Das zentrale antreibende Element dabei ist die Profitgier, wobei die Untertanen des Kapitals sowohl der Hersteller als auch der Eigentümer und der Konsument sind. Der Konsum verleitet indirekt zur Denkweise, dass die soziale Lage, die Verwirklichung der Freiheit und der Wohlstand von der Menge der verbrauchten Dinge abhängen. Was für ein Mensch kommt aus der heutigen Ökonomie des freien Marktes hervor? In einer Gesellschaft der herrschenden Produktion und des kopflosen Verbrauchs ist auch der Mensch ein erzeugendes Erzeugnis und ein gebrauchter Verbraucher. Die Welt der Ökonomie erzeugt eine Welt der austauschbaren Dinge aufgrund der immer neuen Modelle, damit die alten beseitigt werden können. In einer solchen Welt wird der Mensch selber zu etwas, was, wenn einmal verschlissen und nicht mehr dienlich, wegzuwerfen ist. Der Mensch ist bloß ein Gegenstand der Verwendung und muss, wenn abgenutzt, entfernt werden. Der Mensch ist in dem Fall kein unveräußerlicher und unaustauschbarer Wert, sondern nur ein zu jeder Zeit ersetzbares Ding. In einer Welt der kurz dauernden und austauschbaren Dinge versteht sich der Mensch noch mehr als ein flüchtiges Wesen, weswegen er sein Dasein in dieser Welt verlängern oder sogar verkürzen will. Die Dinge werden bald nutzlos, deswegen fasst er sich selber ebenso als nutzlos und überflüssig auf. Es ist folglich nicht verwunderlich, wenn es viele Depressionen, Verzweiflungen, Aggressionen und Selbstmorde (eine Aggression gegen sich selbst) gibt. Indem die Dinge verderblich und reparaturbedürftig sind, erlebt der Mensch seine eigene Verletzbarkeit und Krankheitsanfälligkeit als einen Motivationsverlust und als Verschleiß. Hier wurzelt die allgemeine Besessenheit, was die Gesundheit und die Kurtechniken anbelangt. Die Anthropologie der Gesundheit - sei es im körperlichen oder im psychischen Sinne - ist eine Reaktion auf die Anthropologie der Bedrohtheit und des Abgeschriebenseins. Parallel zur Verwendung der Gegenstände und zu deren Austauschbarkeit benimmt sich auch der Mensch mit derselben KonsumLogik dem Mitmenschen gegenüber. Insbesondere wenn es um intime Beziehungen geht, kommt diese Logik deutlich an den Tag: ausgetauscht, nachdem es verbraucht worden ist. Indem die Konsum-Kultur die Dinge ihrer Konsistenz (Festigkeit und Dauerhaftigkeit) beraubt, bedingt sie den Verlust der menschlichen Identität mit. Er wechselt ständig seine Identität; hat eine fließende Identität. Obwohl die Dinge noch nicht das Leben selbst be- deuten und der Mensch nicht bloß für sie lebt, ist der Verlust der Gegenstände und des Raumes und der Beziehungen zu den Gegenständen zugleich ein wahrer Verlust der Kontinuität des psychischen Lebens (vgl. Sanna 2006, 102). In der Konsum-Kultur, wo es keinen Bestand gibt, ist die Freiheit eigentlich keine Wahl einer sicheren Richtung, wodurch verlässliche Persönlichkeiten geprägt würden; die Freiheit ist bloß eine Wahl bzw. ein Austausch der Identität, wie beispielsweise die Kleidungsstücke gewählt und ausgetauscht werden. Falls die Entscheidungen keinen festen Weg und keinen Unterschied garantieren und den Verlauf der Geschehnisse nicht ändern können, wo die Irreversibilität nicht möglich ist, weil alles - sogar die Arbeit, der Nachbar, der Freund, die Liebe - austauschbar ist, da ist alles zeitweilig und unsicher. Alle Beziehungen richten sich nach der Logik des Wegwerfverbrauchs, wobei die Ehe-Beziehungen und alles, was eine Anstrengung voraussetzt, genauso dieser Logik unterliegen müssen. In dieser Welt gibt es keine persönliche Identität mehr, auf die man sich betreffs der Abschaffung des Konsums seiner negativen Folgen wegen berufen könnte. Die persönliche Identität ist verwässert, zerlegt in diverse Bedürfnisse und Wünsche, die seitens des Marktes bestimmt werden (Sanna 2006, 103). Die Vergegenständlichung des Menschen ist damit total. Der Mensch hat Konsumwaren nach seinen eigenen Vorstellungen erstellt, und die Logik und das Los der Waren bestimmen nun seine eigene Natur und sein Schicksal. Anstatt der persönlichen Beziehungen entstehen Besitzverhältnisse und ein Zustand der Untertänigkeit und der Sklaverei. In derartig zugrunde gegangenen zwischenmenschlichen Beziehungen gibt es niemanden mehr, der souverän wäre, der geschätzt, geachtet, bewundert und geliebt würde; jedermann ist nur ein Gegenstand des Besitzes und des Verbrauches. Der Mensch wird nicht mehr als eine Person in seiner transzendent-transzendentalen Ehre, sondern eher als ein Konsument verstanden. Zum Glück darf nicht behauptet werden, der Mensch sei bloß ein Konsumwesen und nichts mehr. Über die Marktlogik hinaus begegnet man nicht wenigen Formen der Großzügigkeit und der Großherzigkeit. Die Paradigmen des Gesellschaftsinteresses und des Utilita-rismus sind durchaus nicht die einzigen Mittel, wie die menschlichen Handlungen zu definieren sind. Ihnen gegenüber steht der „Geist der Opferung", wo nicht das Interesse und die Rechnung in Frage kommen; eine intime und wesentlich persönliche Beziehung steht nun im Vordergrund. Es wird offenkundig, dass der Mensch ein Wesen von mehreren Möglichkeiten ist. Er kann recht verschieden sein. Da er seinem We- sen nach eine historische Kreatur ist, kann er bloß eine gewisse Zeit so sein, wie er eben ist. Da er ein freies Wesen ist, obwohl seine Freiheit sehr situationsbedingt ist, besteht die Option, dass er die Entscheidungen trifft und sich gegen sein eigenes Bild auflehnt und gegen jenen Strom schwimmt, den er selber verursacht hat. (Scog-namiglio 2006, 168). Die christliche Anthropologie in einer dialogischen Suche nach ihrem Beitrag Es ist eine statistische Tatsache, dass das Christentum seine Popularität verliert und in der vergegenständlichten und unpersönlichen Atmosphäre trotz des Kommunikationsbooms einfach nicht interessant ist. Obwohl es in seinem Grundansatz die persönliche Würde des Menschen und eine Ontologie der Beziehungen verkündet, kann es die Jugendlichen nicht begeistern. Die Antwort darauf wäre vielleicht nur darin zu suchen, dass das Christentum zu einer schönen Theorie ohne eine gelebte Erfahrung gesunken ist. Die Theorie ist einfach nicht zum Leben geworden. Jemandem, der die Theorie gut kennt, sagt Jesus: „Du bist nicht fern vom Reich Gottes" (Mk 12,34). In dieses Reich gelangt man folglich nur aufgrund des Lebens. Was für einen Platz hat und welche Rolle spielt die christliche Anthropologie in der heutigen Welt? Hat sie überhaupt eine gute Aussicht? Sie besteht in der festen, jedoch der dynamischen und von Gott bestimmten Schöpfungswesenheit, die sich selber durch den Geschichtsprozess hindurch in dem aufbauen soll, was sie schon immer gewesen ist und ständig dazu werden muss. Das Sein werde zur Existenz! Dabei geht es nicht um einen Plan Gottes, um einen schon im voraus geläufigen Willen Gottes, wo man - so sieht es aus - bereits weiß, wie dieser Wille beschaffen ist, wo er führt und wo er hinführt. Diese aus der statischen Welt genommene Auffassung kann heute nichts anderes als eine rein utopische Alternative sein, wo keine positive Zustimmung vergewissert ist. In einer dynamischen Welt haben alle bisherigen Moralsysteme enorme Schwierigkeiten. Dazu gehört auch Immanuel Kants Ethik, deren Grundprinzip darin besteht, dass der Mensch als Zweck im Vordergrund steht und nie als ein reines Mittel behandelt werden darf. Hierher gehört auch die Ethik der Verantwortung, von Max Weber formuliert und heutzutage von Hans Jonas vorgeschlagen. I. Kants Auffassung hat ihren schwachen Punkt darin, dass der Mensch der eigentliche Zweck von allem ist, ja, nicht zuletzt der Zweck von seiner selbst, und eben deswegen wird er zum Mittel. Alles dient dem Menschen, deswegen dient der Mensch sich selber. Wenn der Mensch die einzige Transzendenz ist, sinkt er bald zur Immanenz. Es muss dabei erwähnt werden, dass die zeitgenössische laienhafte Ethik sogar Tiere und Pflanzen, weiter Wasser und Luft als etwas, was nicht bloß als ein Mittel zum Verbrauch bestimmt ist, betrachten will (obwohl sie das Gegenteilige tut). Was die Moral der Verantwortung anbelangt - sie wurzelt in den Umständen der Voraussehbarkeit -, sind gerade die Wissenschaft und deren Erforschungen derart beschaffen, dass sie sich im Bereich des Voraussehbaren bewegen. Wo aber keine Voraussehbarkeit besteht, da gibt es keine bindende Verantwortung. Die heutige Unvoraussehbarkeit betrifft nicht die Unkenntnis, wie es in den vergangenen Zeiten der Fall war, sondern die Entwicklung, die einfach zu weit gegangen ist, sodass mehr möglich ist, als man es voraussehen kann. Die Kraft der Beurteilung und der Wertung ist ebenso schwächer als die Macht zur Ausführung. "Die Unvoraussehbarkeit der aus den wissenschaftlich-technischen Prozessen resultierenden Folgen belastet die Zweck-Ethik und die Ethik der Verantwortung, da die Voraussehbarkeit im ethischen Bereich bei weitem geringer ist als die Größe dessen, wo die Ethik als solche angewendet werden sollte" (Galimberti 2003, 24-65; Sanna 2006, 103). Für die christliche Ethik ist eine Handlung zu bejahen, wenn sie nach dem Gewissen und aufgrund der Beurteilung im Hinblick auf den guten Zweck getan worden ist. Es besteht folglich eine moralische Entschuldigung bezüglich der Versuche mit schweren Folgen, solange sie nicht gegen das Gewissen vollzogen worden sind und insofern die Person überzeugt ist, sie handle mit einer guten Absicht. Die christliche Moral setzt freilich die Offenheit dem Heiligen Geist gegenüber, weiter seine Eingebungen und die Gnade Gottes voraus, so dass in einer bestimmten Situation ein den schwachen Menschen übersteigendes und aus Liebe vollzogenes Handeln zuwege gebracht werden kann (vgl. Sanna 2006, 70). Der christliche Standpunkt besagt, die Natur des Menschen sei nicht eindimensional; im Gegenteil: der Mensch ist Immanenz und Transzendenz, Materie und Geist; er kann folglich nicht bloß auf eine Dimension zurückgeführt werden. Er ist weder nur Ökonomie noch reine Biologie und Genetik. Er ist ein mehrdimensionales Wesen, und keine Dimension darf vernachlässigt oder sogar ausgeschlossen werden. Es heißt ebenso, dass der transzendente Gott sich in der Immanenz offenbart, wobei die Immanenz in ihrem totalen Anderssein von Gott eben den Gott annehmen kann und dadurch vergött-licht wird (Inkarnation). Eine weitere Grundaussage über das menschliche Wesen teilt mit, der Mensch sei nach dem Abbild Gottes erschaffen worden; er stammt aus einer persönlichen Schöpfungsbeziehung mit Gott, und diese Beziehung ist in alle Strukturen seiner materiellen Wirklichkeit mit eingebaut worden. Jeder Mensch ist ein von Gott geliebtes Kind, wie es Jesus Christus aufgrund seiner, für jedermann paradigmatischen und deshalb erlösenden, liebevollen Antwort dem himmlischen Vater gegenüber ist. Der Mensch ist Person, die die gesamte ihm unterstehende Welt übersteigt, obwohl er mit dieser Welt alle Dimensionen teilt. Die Würde der Person kann nicht etwas Provisorisches sein und lässt sich nicht an die Kategorien des Konsums und der Funktionalität binden, weil sie jeder psychophysischen und bewussten Tätigkeit vorgeht; das ist auch der Fall, wenn die Person ihr Bewusstsein verloren hat. Die christliche Anthropologie behauptet immer, die Gotteseben-bildlichkeit des Menschen werde in Zeit und Raum zur Wirklichkeit; der Mensch könne ständig, in jedem Raum und zu jeder Zeit, zum wahren Menschen werden, und seine Kultur lasse sich ununterbrochen vermenschlichen. Die Offenheit des Menschen seiner Vermenschlichung gegenüber geht auch in der zeitgenössischen globalisierten, materialisierten, konsumorientierten, computerorganisierten, individualisierten und pluralistischen Kultur nicht ab. Und in jeder Kultur muss des Menschen kritische Haltung gegenüber allen bereits verwirklichten Formen und Vorschlägen vorhanden sein. Die Gottesebenbildlichkeit ist mit keinem Bild, das sich der Mensch über den Menschen macht, völlig identisch. Vom Blickwinkel dieses Standpunktes her wird klar, dass keine Anthropologie, sei sie wissenschaftlich, technisch, volkswirtschaftlich oder von irgendeinem sonstigen Charakter, als absolut und selbstgenügend betrachtet werden kann; jede einzelne diene nur der Ganzheit des Menschen. Und diese Aufgabe lässt sich nur im Dialog mit den anderen Anthropologien vollziehen. Die christliche Anthropologie muss ebenso einen Dialog mit den anderen Anthropologien pflegen. In unserem Fall bedeutet es, dass sie die positive Rolle der heutigen wissenschaftlichen Errungenschaften, Eingriffe und Orientierungen zugunsten einer besseren Qualität des menschlichen, sowohl persönlichen als auch gesellschaftlichen Lebens und nicht zuletzt zugunsten der gesamten Schöpfung schätzt, unterstützt und anerkennt. Sie muss freilich ihren Beitrag zwecks Bestimmung dessen, was die Qualität des Lebens der menschlichen Person eigentlich ist, entsprechend leisten. Dabei darf jedoch Maurice Blondels Festlegung, die Aufgabe des Christentums bestehe nicht darin, die Zivilisation aufzubauen, sondern den Menschen und seine Kultur zu humanisieren, als eine leitende Regel gelten. Der Beitrag der christlichen Anthropologie der heutigen Kultur gegenüber wäre unter anderem die Offenheit der Person für all das, was die Person übersteigt, nämlich die Offenheit für das Göttliche, das eigentlich ein persönlich sprechendes Mysterium ist, wo nur die Selbsthingabe aufgrund einer nichts erwartenden Liebe möglich ist. Die christliche Anthropologie könnte diese Kultur mit einer lebendigen Dimension der universalen christlichen Bruderschaft bereichern, wo die Menschen vom Boden der Anonymität, Einsamkeit und der Bedeutungslosigkeit emporgehoben werden, indem sie die Würde der eigenen Person und die Achtung ihrer Ganzheit wiederholt erleben können. In der heutigen Kultur könnte die christliche Anthropologie ein lebendiges Gespür für die nichts erwartende Hingabe und für die Bescheidenheit entwickeln, und zwar aufgrund der Erfahrung, der Reichtum des menschlichen Lebens bestehe nicht im Besitz von unzähligen Dingen. Die wesentlich zu enge Auffassung des Lebens als einer Genussgier auf der materiell-biologischen und psychischen Ebene kann und muss sogar mit anderen Qualitäten überwunden werden. Endlich könnte der Dialog über den unschätzbaren Wert der Liebe, der aus der christlichen Anthropologie folgt, die gegenseitigen Beziehungen in Familie und Gesellschaft bereichern, zur Offenheit für neues Leben anspornen und das Verhältnis zu allen Kategorien der Menschen und der Dinge korrigieren. Die Hierarchie der Werte und der Wahrheiten würde in dem Fall anders aussehen. Literatur Dirscherl, Erwin. 2006. Grundriss Theologischer Anthropologie: die Entschiedenheit des Menschen angesichts des Anderen. Regensburg: Verlag Friedrich Pustet. Engelhardt, H.T. 1991. Manuale di bioetica. Milano: Il Saggiatore. Galimberti, U. 2000. Orme del sacro: il cristianesimo e la desacralizzazione del sacro. Milano: Feltrinelli. Hundeck, M. »Kompensation narzisstischer Kränkungen: Anthropotechnik und die Frage nach dem Menschen.« V: S. Dungs in U. Gerber. Hg. Der Mensch im virtuellen Zeitalter. Frankfurt/M. 2003. Juhant, Janez. 2005. Globalisierung, Kirche und postmoderner Mensch. Münster: Lit. Sanna, Ignazio. 2006. L'identit aperta: il cristianesimo e la questione antropologica. Brescia: Queriniana. Scognamiglio, Edoardo. 2006. Il volto dell' uomo: Saggio di antropologia trinitaria. Torino: San Paolo.