Beilage zur Laibacher Zeitung. H 3ft^ Sechster Jahrgangs 36. Juli t8G^. Dichterarmuth. MFie haben sich die trüben Tage In Ewigkeiten ansgcdchut, Seit ich das Weh im Herzen trage, DaS sich nach deinem Herzen sehnt! — Nun tret' ich über dcinc Schwelle In dcinc stille Welt hinein, Und sch' begrüßt in trauter Zelle Mich von der Armuth Heil'gcnschein, Der mit dem blonden Flcchtcnbnndc Auf deinem Haupte sich verwebt, Und von dem dunklen Hintergründe Dich als ein leuchtend Vildniß hebt. Uud um dich uutcr gleichen Decken, Von deines Auges Strahl gespeist. Gewärtig, daß wir ihu erwecken, Liegt schlafend Licdcrstoff und -Geist. Er knistert unter uuscrn Händen — Der Fnnkc sprüht und zuckt hervor Und flattert an den kahlen Wänden Als bunter Flammcnschmuck empor. Das Stilbchcn wandelt er znm Tempel, Wo er den Tisch zum Altar schmückt, Auf jegliches Gcräth dcu Stempel Der reizendsten Verklärung drückt. Uud leuchtend zieht er seine Kreise Uud bringt uns Götterbilder nah, Kehrt uns des Mahles schlichte Speise In Nektar und Ambrosia. Er schüttelt seine dnft'gcn Schätze Uns kliugcud iu den leeren Schrein, Und spinnt mit einem Strahlcnuctzc Der Ruhe keusches Lager cm. Nie ahnt die Welt, welch Glück uns beiden Iu diesem klemm Naum gedeiht; Uus würden Könige beneiden Um diese hohe Seligkeit. Was Krösusreichthnm nimmer bieten, Was Cäsarsmacht nicht geben kann, Das fliegt iu unsres Tempels Frieden Als Licdcrblüthcnstaub uus au. Der sproßt und wird zur Liederschwing?, Auf der das Dlchterhcrzenspaar, Zersprengend seine Kcttcnringc, Empor steigt zu dem Wcltaltar. > Pas Md der Schwester. Novelle.") «Aui! Wie sie eilfertig daher kamen, sich gegenseitig drang» ten, stießen und überstürzten! Die Einen rannten mit dcn schweren, schwarzen Köpfen an die Fclsspitzen dort drüben, die Andern jagten in die Ebene hinaus, wo noch vor Kurzem der belle Sonnenschein siillfriedlich gelegen. Und hinter den aufgescheuchten Wolken brauste der wilde Sturm einher, u»d die Fichte» und Tannen auf seinem Wege beugte» üch ächzend vor seiner Majestät. Da und dort zuckte ein rother Vlitz auf uud dumpfes Grollen folgte ihm; auch fielen bereits einzelne schircre Tropfen. Sie sielen auf die Hand, in welcher er das hülb» geöffnete Skizzenbuch hielt, sie sielen nuf sein entblößtes Haupt, auf seine Stirne; er aber merkte es nicht. Er faß noch immer auf dem Felsvorsprung, unter welchem der Wildbach schäumend rauschte, und blickte, w^itvo»gekehrt, mit leuchtenden Augen und mit Entzücken in den Mienen auf das gewaltige Schauspiel. Seine ganze Seele hing an dem herrlichen Vilde; sie nahm jeden seiner Züge freudig auf, und sein Gedächtniß sollte es ihm einst viel treuer wiedergeben, als dieß einige flüchtige Striche auf ein avmcs Stück Papier vermocht hätten. Den einzelnen Tropfen folgten mehrere, nnd bald ging das Wetter prasselnd nieder. „Nun, glaube ich, ist's Zeit!'* sprach er, während er das Skizzenbuch in die Tasche schob und seinen Nanzen überwarf. Das war aber nicht gauz richtig; entweder war es noch zu früh oder bereits zu spät, gleichwohl ging er. Wohin? er ivußte es nicht, und küm« inerte sich auch nicht darum. Wo ein Pfad ist, muß cs auch endlich menschliche Behausungen geben, hatte cr sich glcichmiitbig gesagt. Zudem hatte er ja früher die große Mühle dort unten am Ausgang des Thales ganz deutlich gesehen. *) A. d. „D-Z." Es war ein beschwerlicher Weg. Den steilen Abhang ! hinunter ging's zu allen Zeiten schlecht; nun erst recht, wo blendende Blitze rechts und links vor ihm niederfuhrcn, ohr» betäubender Donner über die Verge rollte, der Wald im Sturme stöhnte und krachte, und der Regen unheimlich knat- ! ternd an die Felsen schlug! Einem Zaghafte» hätte gar leicht ! bange werden können. Doch er hatte eine gesunde und kraftige Seele, der gewaltige Kampf um ihn her hob ihn, und hätte ihn nicht eine Art Achtung vor der entfesselten Kraft gehalten, er hätte aus voller Brust laut und froh in Sturm und Donner hinausgejauchzt! Er schritt ruhig weiter und endlich zeigten ihm die Vliße die schattenhaften Umrisse eines großen Gebäudes. An einem Hofthore pochte er lustig an und fast gleichzeitig er» tönte kiäftiges Hundegebell. Bald wurden auch Tritte und s die Stimme eines alten Mannes hörbar, der sich viel mit einem Hunde zu schaffen machte. „Kusch, Sultan!" «Willst Du wohl?" und „Daß Dich!" folgten einander im verweisenden Tone. Sultan ließ sich aber nicht irre machen; ! er bellte tapfer weiter. Sein Bellen klang jedoch gar nicht ! grimmig; vielmehr tönte es so luftig, als wisse er bereits i aus langer Erfahrung, dasi in dieses Haus nur gerne ge- l sehene Gaste eintreten, und als wäre es ihm selbst gar nicht ! unlieb, wieder einmal ein fremdes Gesicht zu sehen. ! Endlich knarrte das Tbor in seinen Angeln. „Bei solchem Wetter treibt man üch auch nicht auf der Straße herum!" grollte der Alte, während er dem Ankömmling mit , der Laterne ins Gesicht leuchtete. „Und wie Du aussiehst! Nun, eine saubere Bescheerung!" fuhr er kopfschüttelnd fort. ! Der Fremde hätte nun zwar gerne gesagt, daß er sich das Wetter nicht bestellt habe und daß man bei einem Platz« regen gewöhnlich naß zu werden pflege. Er begnügte sich ! jedoch mit der bescheidenen Frage: ob er wohl ein Nacht» lager haben könne? Dadurch machte er aber den übellaunigen Alten sehr ungeduldig. Er erklärte brummend: „Das sei eine dumme Frage; hätte man ihn nicht einlassen wollen, so hätte man ihm wohl nicht geöffnet. Und nun ergriff er ! den Fremden bei der Hand uud führte ihn dem Wohn»- ! gebäude zu, während Sultan schweifwedelnd und den An« ^ kömmling wohlwollend beschnuppernd folgte und manchmal eine Art Freudengcheul ausstieß, als wäre ihm gerade dieser Gast ganz besonders erwünscht gekommen. Einstweilen ging's in der großen Stube mit dem alter» gebräunten Getäfel bis zur halben Höhe der Wand, mit den in die Mauer eingelassenen verschnörkelten Schränken j und der freundlich blinkenden Lampe auf dem großen ^ Elchentisch gar geschäftig her. „Oh! Du mein Heiland!" ! hatte die dicke alte Müllerin mit den gutmüthigen hübschen ^ Zügen, den freundlichen, treuen Augen u»d dem großen ! stets liebevollen Herzen gesagt, als sie das Pochen ver-nommen. „Oh! Du mein Heiland! Da haben Sturm und Wetter wieder Einen unter Gottes freiem Himmel erwischt! ^ Nun ist er gewiß bis auf die Haut durchnäßt, uud hungrig . und durstig ist er auch, und ein gutes Vctt braucht er wohl z auch! Mein Gott, wenn er nur nicht erkrankt! Ist er etwa gar gegen Wind und Regen gelaufen, so kann er den Tod davon haben! Es wäre nicht der Erste!" Dann war sie rasch aufgestanden und zu den Schränken getrippelt; hatte sie frische Leibeswäsche, Kleider und Bettwäsche hervorgeholt, dann sich nachdenklich die Stirne gekratzt und endlich über Marie, ihr einziges Kind, das schlanke Mädchen mit den klugen uud sanften Nehaugen, geseufzt. „Sieh, mein Kind!" hatte sie geklagt, „da stehst Du nun, statt Deiner Mutter zu rathen und zu helfen und der Arme wird doch gleich hier sein! Will man helfen, so muß man's rasch thun! Du bist gewiß ein liebes und gutes Ding, wenn Du nnr ein bischen stinker zugreifen wolltest!" Leider war diese Vemerkung zum größten Theile überflüssig, wenigstens vernahm Marie selbst auch nicht die Halste davon. Wie die Mutter die Stücke aus den Schränken genommen, hatte sie dieselben geordnet und über den Arm geschlagen, und als sie mit dem letzten fertig war, flog sie zur Thür hinaus, an der Küche, wo sie den Mägden ein paar ordnende Worte zuwarf, vorüber und die Treppe hinauf in die Stube, die seit Menschengedenken unerwarteten Gästen bei Tag und Nacht offen steht. Der Vorwurf der alten Frau war aber auch gar nicht ernst gemeint gewesen! Ist sie ja doch mit ihrem Alten längst übereingekouunen, daß ihre Marie das flinkste und ^willigste Ding auf zehn Meilen in der Nuude, daß sie überhaupt ein ganz prächtiges Mädel sei; nnr, meint die Alte, dürfe man ihr das beileibe nicht merken lassen und darum seufzt sie, so oft sich irgend ein Vorwand zum Seufzen findet. Auch mit der großen Herzensangst der mitleidigen Frau darf man es nicht allzu strenge nehmen; wenigstens behaupten die Leute weit und breit, die Müllerin Ludwig könne sich endlich mit jedem Unheil befreunden, wenn es dabei nur recht viel zu helfen und zu trösten gibt. Während die Weiber in ihrer Weise thätig waren, stand der stattliche alle Müller aufrecht in der Nähe der Thüre, um dem Gaste bei dem ersten Schritt über die Schwelle die Hand zum Gruße zu reichen; das ist seit jeyer in der Ludwigsmühle so der Brauch. Und als nun der Fremde in die Stube trat, schüttelte er ihm herzhaft die Rechte und hieß ihn mit tiefer und wohlklingender Stimme in Gottes Namen willkommen. Die alte Frau aber gönnte ihm nicht so viel Zeit, um sich in der Stube umzusehen, sondern führte ihn rasch hinauf, zeigte ihm, was bereits zu seiner Ve-quemlichkeit geschehen, wies ihm mit einer gewissen Genugthuung die schöne weiße Wäsche und empfahl ihm dringend, sichs nun so kommod zu macheu, als wäre er im Hause seiner leiblichen Mutter. Dann eilte sie in die Küche, fand die Speisen auf de.il Herde offenbar nicht ausreichend, wollte durchaus nicht begreifen, wcßhalb der Tisch noch „icht gc-deckt fei und hielt endlich, eine schwere Last Teller auf dein Arme, wieder ihren Einzug in der großen Stube, wo si: . ihrem Alten versicherte, der Fremde sei ein recht feiner junger -^ Mann, und sie danke ihrem Heiland, daß cr ihn bei diesem Heidenwetter ein trockenes Plätzchen und freundliche Gesichter hätte sinden lassen. I>l dcr That >rar der Fremde ein recht feiner junger Mann. Als er in dcr großen Stnbe erschien, hatte er das lange, dunkle, nun durchnäßte Haar hinter's Ohr gestrichen, und seine offenen herzgewinnenden Zuge ließen sich so besser und rascher übersehen. Es sprachen viel Geist, viel Energie, große Herzensgute und jene heitere Sorglosigkeit aus ihnen, die dem Manne das Gefühl der eigenen Kraft verleiht. Die Alten hatten auch bald weg. mit wem sie verkehrten, und so saßen sie denn noch nicht fünf Minntcn bei dcr dampfenden Schüssel, als sie bereits so vertraulich plauderte», als wären sie schon seit gar langer Zeit gute Bekannte. Der junge Mann sprach gewandt und hübsch; er erzählte viel von seiner Fußrcise durch die Berge und schilderte Alles so lcbenig, daß sie ihm gerne zuhörten. Weil sie aber diese Berge viel bcsser kannten als er. so nannten sie ihm die Namen aller Spitzen und eines jeden Waldes und Baches und wenu er sich den einen oder andern nicht gut gemerkt halte, so verbesserten sie ihn. Dabei erzählten sie ihm die Sagen, die sich an die eine oder andere Stelle knüpften und ehe sie sichs versahen, hatten sich bereits eine Menge kleiner Interessen und Anknüpfungspunkte zwischen ihnen gebildet, so daß es schien, als gehöre er seit undenk» licher Zeit zu ihnen. Endlich kam der Glühwein. Die alte Frau hatte sich das nicht nehmen lasse». Sie betheuerte, das müsse so sein und sie könne für nichts gut sieden, wenn er sich nicht vor dem Schlafengehen tüchtig durchwärme. Eine Pause trat ein, und auf diese schien die Müllerin bereits mit Ungeduld gewartet zu haben; sie meinte, während sie »erlegen an den Bändern ihrer Haube zupfte, cs sei gewiß nicht Ncugierde, cs sei nur wegen der Ordnung, endlich müsse man doch wissen, wie man die Leute zn nennen habe, und kurz und gut, er möge eö ihr nicht verargen, sie möchte gar so gerne seinen Namen kennen. „Ja, Mntter!" entgegnete der Fremde — er hatte bereits weg, daß cs für die würdige alte Frau keinen passenderen Titel gebe nnd daß sie diesen wohl am liebsten höre. „Ja Mutter, das ist eben so, wie man's nimmt. Meine Mutter nannte mich Emanucl und seither haben mich Alle, die mich lieb hatten, so genannt. Jene, die mich nicht mögen, können mich meinetwegen Maier, oder Schmidt, oder Weber heißen; es spricht sich der eine Name so leicht aus, wie dcr andere!" Diese sonderbare Antwort setzte die alte Dame in einige Verlegenheit. Nach kurzem Besinnen sagte sie jedoch herzhaft: ! „Nun denn, auf Ihr Wohl, Herr Emanuel!" ergriff mit ! der einen Hand ihr Glas und reichte ihm die andere über ! dcn Tisch hin. Auch dcr Müller reichte ihm herzlich die Hand und Martin, dcr Altt, welcher Gmanncl eingelassen, that desgleichen. Martin muß schon sehr alt fein; die Leulc «rissen aber nur, daß er nie jünger ausgesehen hat und nie älter zu ! ! werden scheint. Ein ferner Verwandter der Familie, ist cr ! seit undenklichen Zeiten auf der Ludwigsmühle. Er hangt mit großer Zärtlichkeit an dem alten Hause und seinen Bewohnern und wird von diesen hoch in Ehren gehalten. Trotz ^ seines hohen Alters rüstig, ist er überall bei der Hand, wo cs was zn rathen und schaffen gibt und wen»n die Leute i/n Hause seine Fehler herzählen, so wissen sie nichts Ucbleres von ihm zu sagen, als daß cr sehr schweigsam und manch-^ mal übellaunig ist, daß cr alle Welt dutzt und daß er dem ^ alten Sultan stets feindselige Absichten zumuthet, während ! das gutmüthige Thier nichts so sehr, als ungetrübten Frie-^ den liebt. ! Auch während des ganzen Nachtmahls blieb Martin i schweigsam, nnd bereits seit geraumer Weile saß er, das ! Knie in beide Handflächen gestützt, da und sah Emanuel aufmerksam und beobachtend ins Gesicht. Als nun die Reihe des Anklingens an ihn kam, nickte cr dem jungen Manne bedeutungsvoll zn. „Ja! Ja!" sagte er, „die Schwalben l kehren wieder, das ist cine alte Geschichte! Ich kenne Dich, ! Emanncl! Ich kenne ihn", wiederholte er zu dcn Uebrigen > gewandt. Als aber diese die Neuigkeit nicht so interessant ! fanden, als er erwartet, schob er unwillig seinen Teller zurück, murmelte etwas über blinde Leute, rief Sultan nnd verließ verdrießlich das Zimmer. Noch eine gute Welle aber hörte, man ihn den alten Hund grimmig fragen, ober wohl kuschen wolle und einige gefährliche Drohungen gegen ! ihn auösioßeu, während das friedliche Thier offenbar in sehr ! heiterer Stimmung wedelnd neben ih:n einherschritt. ! Bald nach Martins Entfernung rückten auch die Uebri- gen die Stühle. Man bot sich allseitig eine herzliche gute Nacht; auch Marie that es, oder wollte es wenigstens thun; Thatsache ist. daß sie ihre hübsche kleine Nede, mit welcher sie Emanuel erquickende Ruhe unter den» Dache ihrer Eltern wünschen wollte, gerade an jener Stelle abbrach, wo irgend cine Titulatur unvermeidlich war, daß sie hierauf hoch er« röthete uud das Gemach viel schneller verließ, als sie dieß gewöhnlich zu thuu pflegte. Die beiden Alten aber gaben ihrem Gaste das Geleite bis in sein Zimmer und die gute Frau konnte es erst dann beruhigt verlassen, als sie jedes Kissen zwei Mal umgedreht und Emanuel versichert hatte, daß ihr die Unpünkilichkeit ihrer Mägde viel Sorge und Kummer bereite. (Fortsetzung folgt.) Der Flachs. Bei dcr frommen Sitte der Altvordern, Alles, was für das Leben von Bedeutung war, unter den besondern Schutz höherer Wesen .zu stellen, konnte cs nicht fehlen, daß dem Flachs und seiner Verarbeitung dcr Schirm dcr Gcistcrwclt zuerkannt wurde. In urällesten Zeilen übte Wodan seinen gewaltigen Einfluß. Später waren es die Göttcrfrauen Holle und Varchta, die Kunkel und Spindel in ihre Obhut nahmen. Nach dem Sturz des Göttcireichcs trat hie uud da die heilige Gertraud an den Nocken und schließlich pflegt« Maria selbst das Hütheramt. Spielte doch aber auch der Flachs zu alle» Zeiteil in der Volkswirt!)-schaft eine hervorragende Rolle. Heimisch in allen deutschen Gauen, lieferte er das Kleid der armen Bauern magd, wie der stolzen Königstochter. Schon der Bau der Pflanze wurde mit gewissen Feierlichkeiten bewerkstelliget, aber beim „Brechen", „Schwingen" und „Spinnen", da entwickelten sich ulle jene schönen und sonderbaren, einfältigen und abergläubigen, freundlichen und abflößenden Bräuche und Gewohnheiten, w« >:e dem Wesen des Volksthumctz entsprießen. Welch ein Zauber waltete über den „Spinnstuben", den Kcrn-stättcu deutscher Rührigkeit und biedern häuslichen Sinnes. Mochte auch der echt weibliche Klatsch sich nicht abwenden lassen, so war die „Spinnstubc" doch das Stelldichein der zarten, rosigen Liebe und beim Schnurren der Räder gingen dein Kinde die Wunder der Märchenwelt auf. In den Spinnstl'bcn pflanzten die Ueberlieferungen aus grauen Zeiten sich fort. Geschichte und Sage untergegangener Geschlechter gewann im Zusammenhang mit Begebenheiten jüngerer Tage jenen Ausdruck komischer und rührender Naivetät zugleich, die des echten Volksmärchens Stempel. Hier erbten sich praktische Lehren und Wahrsprüche vom Ahn auf den Enkel und Lieder, so die Großmutter gesungen, klangen von den Lippen der heranreifenden Vraut. Dem „Flachs" selbst galt ein großer Theil dieser Sagen, Parabeln und Sangweisen, u»d beim Schwingen und Spinnen führte man sich den Werth der Naturgabe, den Erfolg ihrer sorgsamen Benutzung und Verarbeitung zu Gemüth. Die Ehre des Mühens, der Vorzug des Fleißes wurde iil Erzählungen von Niesen, die sich durch die menschliche Thätigkeit im Gewinn und Verwenden des Flachses beschämt fühlten, zur Geltung gebracht. Selbst der Aberglaube ruhte mchrei'theils auf vernünftigen Grundlagen u»d das Vor-> urtheil ersetzte nicht selten die Rathschläge der Berechnung und Erfahrung. War es im Mondschein bei sonstiger Un« guüst der Geisterwelt zu spinnen verboten, so lag hierin das Geheiß, sich die nöthige Nachtruhe zu gönnen und nicht über den Gewinn an Linnen und Geld den Leib zu vernachlässigen und in weiterer Folge die Seele. Galt es als Thatsache, daß da, wo dem Weib keine Liebe zum Flachse eigen, der Mann vergebens um den Erhalt oder die Hebung des Haus-stiüdcö sich mühe, so faud darin sich die Lehre, daß, wo das Weib seiner häuslichen Verpflichtung nicht nachkommt, die Wirthschaft nun und nimmer gedeiht, denn das „Brechen", „Schwingen" und „Spinnen" zählte ja eben vorzüglich zum häuslichen Berufe des Weibes. Mußte die Vraut ihr Braut-Hemd selber weben und bleichen, sollte der Gang zum Altar nicht zum Dornengange werden, so leuchtete ans dicsem Glauben oder Wahn nichts weiter als die Aufforderung zur eigenen Thätigkeit hervor und die Warnung, sich nicht dereinst auf das Gesinde zu verlassen. Endlich sollte der Preis d.r Liebe, die höchste aller Erdcnwonnen, zugleich der Preis der Arbeit und der Mühen sein. Durste kein Mädchen freien, bevor das erforderliche bräutliche Linnen gesponnen war, so lag in dicsem Verbot für das liebende Mädchen eine Warnung vor übereilten: Gewähren. Man glaubt wohl nimmer oder doch gewiß höchst selten an Hc.ren, die das Garn mit ihren hageren, unseligen Händen berühren, nicht an Hausgeister, die den Fleiß der Spinnerin fördern, nicht an den zürnenden Mond, der das in seinem Scheine Gewebte mit Unsegcn straft, nicht an Maria, die mit dem Jesuskinde sich selbst an den Rocken setzte und spann, während die arme Spinnerin, von den Mühen des Tages er« mattet, auf hartem Lager in den Schlummer versunken. Wunder- und Märchenglaube ist selten geworden oder verschwunden, aber mit ihm sind auch mehrenthcils die Lieder verklungen, die sonst in das Sausen der Spindel sich mcngten, nüchterner ist allerorts die Anschauung geworden, aber mit dem Grausen vor der strafenden Geisterwelt ist auch die Rücksicht auf manche natürliche schlimme Folgen der Versäumnis) und Lauheit zu Grabe gegangen. Zittern die Vräute unserer Tage nicht mehr, den Kran; in das Haar sich zu flechten, ohne eigenhändig ihr Linnenzeug gewebt und gesponnen zu haben, so bringen sie auch viel bedenkenloser den Sinn für Gemächlichkeit und Genußsucht dem Bräutigam zur Morgeugabe. Werden auch beim Kienspan und Talglicht der Spinn- stuben, während die Großmutter sich in schnurrigen Märchlein ergeht, nicht fnrdcr zwischen Äliben und Mägdlein heimliche > Liebeswörtlein gewechselt und die sanglichen Zusammenkünfte zu allerlei Unfug mißbraucht, so ist doch auch dafür ein gut Stück Romantik über Bord geworfen worden und mit ! der „Spinnstube", die in unsere Zeit gleichsam nur mehr ! wie eine Sage hcreinreicht, hat aus des Iugcndlebenö ! schönster Traum an Duft ui'.d Zauber verloren. Ludwig Bowitsch. ! Vin Mittel gegen die S'eidenranpenseuche. Herr Coupier, Unterpräfekt von Vigau, kündigt an, ! daß er im Besitz eines Spezisikums gegen die Seidcnwürmcr-! Seuche ist. Er hat gesunde, kranke und von mit der Seuche ! behafteten ausgebrütete Würmer genommen, und bei allen diesen wurde, nachdem man sie den Einflüssen seines neu entdeckten Heilmittels nahe gebracht, der Ansteckung gänzlich ! Einhalt gethan. Er wendet bloß Stcinkohlentheer an, den er in untiefen Gefäßen in den Zimmern umhcrstellt, in ! welchen die Würmer uutcrgebracht sind, nnd seinem Bericht ^ zu Folge ist die Art und Weise, wie der Dunst dieses Agens (wahrscheinlich Karbolsäure) auf die Würmer wirkt, ! sehr merkwürdig. Dieses Verfahren ist, wie man sieht, ! sehr leicht in Anwendung zu bringen. Nicht nur ist die Ausgabe unbedeutend, nicht nur läßt sich Stcinkohlentheer überall wo man Gas brennt leicht bekommen, sondern seine Anwendung macht auch keinerlei Aenderung in den Einrichtungen der Zimmer nothwendig. Alles was nothwendig ist, ! besieht darin, daß man die Eteiiikohleiitheer-Gefäßc an einige ! abseits liegende Plätze stellt, sie sich selbst überläßt und in ' seltenen Zwischenräumen erneuert. Druck und Verlag von Iglt. V. Kleinmayr b> F. Bamberg in Laibach. — Vcrantwurtlicher Ncdactcur I. v. Kleinmayr.