ijrrs Die Hauptstation fur Erdbebenforschung am Physikalisehen Staats- laboratorium zu Hamburg. Von Dr. R. SCHUTT. Mir 3 Abbildungen, und S .JTafeln. Sonderabdruck aus der Monatsschrift „Die Erdbebenwarte“, 1905/6, Nr. 9 bis 12, V. Jahrgang. Laibach 1906. Buchdruckerei Ig. v. Kleinmayr & Fed. Bamberg. Sonderabdruck aus der Monatsschrift «Die Erdbebenwarte» Nr. 9—12, V. Jahrg. 1905/06. Die Hauptstation fiir Erdbebenforschung am Physikalisehen Staatslaboratorium zu Hamburg. Im Jahre 1898 wurde auf meinem Privatgrundstiicke in Hamburg- Hohenfelde die Horizontalpendelstation Hamburg eingerichtet und mit dem Rebeur-Ehlertschen dreifachen Horizontalpendel ausgeriistet. Sie wurde im Juli 1898 in Betrieb genommen und bestand nahezu 7 V* Jahre, bis zum 13. September 1905. Die in den letzten Jahren besonders lebhafte Tatigkeit in der Er- forschung der seismischen Vorgange unserer Erde iiberzeugte mich aber bald von der Notwendigkeit der Aufstellung mehrerer Instrumente. Hierzu waren jedoch auf meinem Privatgrundstiicke weitere Raumlichkeiten nicht verfilgbar. Dieser Umstand, vor allem dann aber der Wunsch, die Fortdauer der Station zu sichern und sie den wissenschaftlichen Anstalten Hamburgs gleich- wertig an die Seite gestellt zu sehen, fuhrten zu langeren Verhandlungen mit den Hamburgischen Behorden, deren Endergebnis ein Ubereinkommen war, auf Grund dessen ich mich erbot, die neue Station auf staatlichem Grund und Boden zu erbauen und sie nebst der notigen Ausstattung an Instrumenten usw., zusammen mit der Bibliothek der ehemaligen Horizontal¬ pendelstation, dem Hamburgischen Staate als Geschenk zu iiberweisen. Die Leitung derselben blieb mir tiberlassen. Mit Bevvilligung eines Hohen Senates, sowie der Hamburgischen Biirgerschaft, und dank der Untersttitzung des Direktors des hiesigen Physikalischen Staatslaboratoriums, Herrn Professor Dr. Voller, wurde mir seitens der hiesigen Baudeputation ein Platz im Garten des Physikalischen Staatslaboratoriums unentgeltlich zur Verfiigung gestellt. So konnte im Dezember 1903 mit dem Bau der neuen Station begonnen werden. Sie wurde in etwa Jahresfrist vollendet. Mit der Legung der elek- trischen Leitungen, der Aufstellung der Instrumente und Uhren und der Von Dr. R. Schutt. Mit 3 Abbildungen und 2 Tafeln. 2 Ausstattung der Innenraume konnte jedoch erst im Sommer 1905 begonnen werden, da bis dahin die wichtigsten, grofitenteils unterirdisch belegenen Raumlichkeiten vveiter austrocknen mufiten. Sie konnte daher erst am 14. September 1905 in Betrieb genommen werden. Die neue Station liegt unter 53° 33' 33'5" nordl. Breite und 9° 58 r 51'9” osti. Lange von Greenwich. Sie ragt nur etwa 1'80 m uber dem Erdboden hervor und ist bis 6'50 m unter Terrain gefiihrt (Abbildung 1 und Tafel I und II). Das zu ebener Erde befindliche Arbeitszimmer und ein Teil des Treppen- hauses erreichen eine Hohe bis zu 380 m liber Terrain. Ahnlich dem Gebaude der Kaiserlichen Hauptstation zu Strafiburg i. E. haben wir auch hier zu unterscheiden: den Innenbau, den Umhiillungsbau und den Raum zwischen diesen beiden Gebaudeteilen. Der Innenbau besteht aus zwei 3 m hohen Raumen, auf Tafel II — unten — mit I und II bezeichnet. Er steht an keiner Stelle mit dem Umhiillungsbau in Verbindung. Raum I ist 8'50 m lang und 4‘25 m breit, hat also einen Flacheninhalt von 36T9 qm; Raum II hat bei einer Lange von 8-50 m und einer Breite von 359 m einen Flacheninhalt von 29 - 75 qm. Raum I ist fiir Seismometer mit mechanischer Registrierung, Raum II fiir solche mit opti- scher Registrierung bestimmt; in dem groGeren steht gegemvartig das Wiechertsche astatische Pendelseismometer (siehe Abbildung 3), in dem kleineren das Heckersche Horizontalpendel. Samtliche Wande sind aus Ziegelsteinen hergestellt und innen bis zu einer Hohe von 1'80 m mit weifien glasierten Spaltziegeln abgesetzt. Die Dečke ist als Kleinensche Voutendecke ausgefuhrt; der zwischen Eisen- tragern liegende Fufiboden besteht aus Kiesbeton mit dariiber gelegtem Terrazzobelage. Er hat eine Starke von 30 cm. An den Langsseiten der beiden Innenraume befinden sich drei Fenster, zwei im Raum I (siehe Tafel II) und eins im Raum II, letzteres hat Kobaltrubinglasscheiben. Am Fufiboden und an der Dečke sind je zwei durch Rosetten verschliefibare Ventilations- offnungen angebracht, die nach dem Gange hinausfuhren. Die Turen sind Schiebetiiren und aus Schmiedeeisen hergestellt. Die Seitenmauern des Innenbaues und die zwischen den beiden In- strumentenraumen befindliche Wand sind 3'30 m tiefer gefiihrt. In den so entstandenen beiden Raumen befinden sich zwei grofie massive Kiesbeton- blocke in Monierkonstruktion, die auf den 6’50 m unter Terrain vorge- fundenen unteren Geschiebemergel aufgegossen sind (siehe Tafel II, Schnitt A-B). Beide Blocke sind 2 m hoch, 7’90 m lang und 3'65 m, bezw. 2'90 m breit, sind also noch etwa 30 cm von den Mauern und 1’30 m von der Oberflache des FuBbodens der Innenraume entfernt. Ihre Oberflache liegt 14'9 m uber Normal-Null, ihre Langsachse annahernd in der NS.-Linie. Die die Instrumente tragendenPfeiler sind inderselbenEisenbetonkonstruktion auf diese Blocke aufgemauert und fiihren frei durch den Fufiboden in die dariiber befindlichen beiden Instrumentenraume hinein. Der schmale, etwa 3 3 cm betragende Zwischenraum ist mit Werg ausgefullt. Durch diese Kon- struktion lassen sich jederzeit noch weitere Instrumente aufstellen, ohne daG erst groGere Ausgrabungen zurtieferen Fundierung derselben erforderlich sind. Man braucht nur eine Offnung in den FuGboden zu schlagen und dann auf die beiden groGen Betonpfeiler kleinere bis zu der gewtinschten Hohe aufzumauern. Der Raum zwischen dem Innenbau und dem Umhullungsbau besteht in einem um den ganzen Innenbau herumfuhrenden 75 cm breiten Gange, dessen FuGboden ebenfalls aus Kiesbeton hergestellt und mit Terrazzobelag versehen ist. Etwa in der Mitte der hinteren Schmalseite des Umganges fiihrt eine steinerne Treppe in einen 1'30 m tiefer belegenen Teil desselben. Man gelangt von hier aus durch eine ebenfalls mit einer schmiedeeisernen Tur verschlossene Offnung in der hinteren Wand des Innenbaues zu den beiden groGen Betonpfeilern (siehe Tafel II). Zwischen dem FuGboden des Umganges und den Mauern des Innenbaues befindet sich ein 2 — 3 cm breiter Zwischenraum, der ebenfalls mit geteertem Werg ausgefullt ist. Auf diese Weise soli eine Ubertragung von Erschiitterungen moglichst vermieden vverden. Vier als Doppelfenster ausgefiihrte und von auGen durch ver- stellbare schmiedeeiserne Jalousienklappen verschlieGbare Fenster geben genilgendes Licht, drei auf das Dach hinausfuhrende Luftschachte sorgen fiir die erforderliche Ventilation (siehe Tafel II, Schnitt A-B). Zwei Turen aus Schmiedeeisen fiihren zu dem Umhullungsbau. Die Mauern des Umhullungsbaues sind mit Luftschichten gemauert und auGen, soweit sie sich im Erdboden befinden, mit Dachpappe bekleidet. Die Dečke ist ebenfalls als Kleinensche Voutendecke ausgefiihrt und frei- tragend von einer AuGenvvand zur anderen hergestellt, ohne auf den Zwischenwanden zu ruhen. Sie hat eine isolierende, 50 cm hohe Torfrnull- schiittung erhalten, uber der sich das Dach befindet. Zwischen der Schtittung und dem Dach ist noch eine stehende Luftschicht. Der Umhullungsbau besteht aus einem KellergeschoG und einem Erd- geschoG. Im KellergeschoG (siehe Tafel II) befinden sich folgende Raum- lichkeiten: Ein als Dunkelkammer zu benutzender Raum (4’40 m : 2 - 52 m) mit den erforderlichen Einrichtungen fiir die photographische Entvvickelung (Tafel II, Raum III), ein unmittelbar daranstoGender kleinerer Raum (4'40 m : 1‘60 m) zum BeruGen der Papierstreifen (Tafel II, Raum IV), ein Abort (Raum V) und das Treppenhaus (VI). Im ErdgeschoG (siehe Tafel I) sind auGer dem Treppenhause nur der Windfang und ein zweifenstriges Arbeits- zimmer — 3'50 m hoch, 4'64 m lang und 4 36 m breit — vorhanden. Alle FuGboden haben Kiesbetonunterlage mit dariiber gelegtem Ter¬ razzobelag, nur die Dunkelkammer erhielt aus praktischen Griinden Platten- belag. AlleWande sind bis zu 1'80 m Hohe mit weiGen, glasierten Spaltziegeln abgesetzt, im Treppenhaus geht diese Verblendung ganz lierauf bis l - 80 m iiber dem FuGboden des Erdgeschosses. 4 Die Heizungsanlage — Warmwasserheizung mit Gasfeuerung — befindet sich in einem kleinen Raume unmittelbar unter der Treppe. Von hier aus werden alle Raume des Gebaudes — mit Ausnahme der beiden Instru¬ mentenraume — direkt erwarmt. Die Erwarmung der Instrumentenraume geschieht indirekt durch ein an der Innenseite der Wande des Umhullungs- baues herumgefiihrtes Rohrensystem. Die direkte Erwarmung des Arbeits- zimmers geschieht durch einen Radiator und fiir den Fali, daG die Heizung einmal nicht in Betrieb ist, auch durch einen elektrischen Ofen. In gleicher Weise kann notigenfalls auch die Dunkelkammer erwarmt werden. Die Beleuchtung des ganzen Gebaudes ist elektrisch; Arbeitszimmer, BeruGungsraum und Raum II des Innenbaues haben auch GasanschluG. Die Schalttafel fiir die Ladung der Akkumulatoren, auf der auch die Sicherungen angebracht sind, befindet sich im Vorraume des Keller- geschosses, die Schalttafel fiir die gesamte Uhranlage im Arbeitszimmer (siehe Abbildung 2). Zwei Akkumulatorenbatterien nebst Reservebatterien fiir den Betrieb der Uhren und der elektrischen Zeitsignalvorrichtungen sind in Raum IV untergebracht. Alles Weitere wird aus den beigefiigten Tafeln unschwer zu ersehen sein. An Instrumenten besitzt die Station bis jetzt — auGer dem Wiechert- schen astatischen Pendelseismometer und dem Heckerschen Horizontal- pendel — einen Barographen, einen Thermographen, einen Hygrographen von R. FueG in Berlin und vier Hygrometer von W. Lambrecht in Gottingen. Letztere sind zur Kontrolle der Feuchtigkeit in den Instrumenten und Uhren aufgehangt. Zur Verringerung der Feuchtigkeit sind in den Instrumenten- raumen und in den Instrumenten selbst mehrere Behaltnisse mit Chlorkalcium aufgestellt, so daG die Feuchtigkeit jetzt zwischen 70 und 80% schvvankt. AuGerdem ist aber an der hinteren schmalen Wand des Umganges noch eine elektrische Pumpenanlage angebracht, die das in den Raumen, in denen die beiden groGen Kiesbetonblocke sich befinden, etwa eindringende Oberflachenwasser — nicht Grundwasser — in kurzer Zeit entfernt, ohne daG der Gang der Instrumente dadurch gestort wird. Die Uhranlage ist nach den Angaben des Herrn Dr. S. Riefler in Mtinchen hergestellt worden. Zur Aufstellung gelangten drei astronomische Uhren, und zwar eine Pendeluhr I (Riefler Nr. 78) unter luftdichtem Ver- schluG als Normaluhr, eine Hauptuhr II (Riefler Nr. 73) und eine Lenzkircher Uhr III (Nr. 108). Samtliche Uhren haben Rieflersche Nickelstahlpendel, die Uhr II auch Luftdruck-Kompensation und z wei Nebenpendel zum schnelleren Regulieren. Die Normaluhr I befindet sich in dem grčGeren Instrumentenraume (siehe Abbildung 3) und ist, um Erschiitterungen moglichst zu vermeiden, an einer zu diesem Zwecke 75 cm dicken Mauer befestigt (siehe Tafel II). Sie hat elektrischen Aufzug, der durch eine besondere kleine Akkumulatoren- batterie, die in dem Umgang aufgestellt ist, in Betrieb gehalten wird. 5 Die Hauptuhr II befindet sich im Arbeitszimmer (siehe Abbildung 2) und besitzt einen Kontakt, der alle Minuten 10 Sekunden lang den elektrischen Strom unterbricht, durch den mit Zuhilfenahme eines Relais die Zeitmarkierungsvorrichtung am Heckerschen Pendel in Tatigkeit tritt. Bei jeder vollen Stunde betragt diese Unterbrechung 20 Sekunden. Die Uhr III befindet sich in dem kleineren Instrumentenraume. Sie schliefit jede Minute auf 3 Sekunden einen Strom, durch den, ebenfalls mit Hilfe eines Relais, die Zeitmarkierungsvorrichtung des Wiechertschen Pendels in Tatigkeit tritt. Bei jeder vollen Stunde fallt diese Markierung aus. Die Station ist an das stadtische Fernsprechnetz angeschlossen und durch einen eigenen Draht mit der hiesigen Sternwarte verbunden. Sie be¬ sitzt ferner zvvecks genauester Zeitbestimmung noch einen Hippschen Chronographen. Auf diese Weise ist es moglich, nicht nur telephonisch mit der Sternwarte unmittelbar in Verbindung zu treten, sondern auch auf dem Chronographen sovvohl die Uhr I, als auch die Uhr II mit der Normal- uhr der Sternvvarte zu vergleichen. Es konnen ferner Uhr I und Uhr II miteinander verglichen werden, und endlich konnen diese beiden Uhren zur Kontrolle auch noch auf dem Chronographen der Sternvvarte schreiben. Fiir gevvohnlich synchronisiert Uhr II die Uhr III, es ist aber auch moglich, Uhr II allein, oder die Uhren II und III durch die Uhr I synchro- nisieren zu lassen. Der Gang aller Uhren ist ein vorziiglicher. Eine vierte Uhr (Kontrolle-Uhr) befindet sich im Entreeraume des Erdgeschosses. Sie ist mit einer Registriertrommel versehen, auf der auto- matisch durch drei Schreibfedern Markierungen erzeugt werden, sobald das Gebaude oder einer der beiden Instrumentenraume betreten wird. Auf diese Weise ist stets zu kontrollieren, ob von den Instrumenten aufge- zeichnete Storungen etwa auch durch das Betreten dieser Raume verursacht worden sind. Da die Beobachtungsresultate infolge haufiger Storungen in der ersten Zeit oft nicht einvvandsfrei gevvesen sind, werde ich von einer Veroffent- lichung der Registrierungen bis zum Ende des Jahres 1905 voraussichtlich Abstand nehmen rnussen. Ich hoffe aber, vom 1. Janner d. J. ab damit beginnen zu kdnnen. An Stelle der monatlichen Mitteilungen, deren Fertigstellung jetzt nach Kraften gefordert wird, sollen in Zukunft ebenfalls wochentliche Erdbeben- berichte erscheinen; diese Absicht wird sich aber erst durchfuhren lassen, wenn mir ausreichende Hilfskrafte zur Verfugung stehen. Die der Station mitgeschenkte Bibliothek, die bis jetzt an 300 Bande und fast 800 Broschiiren und Sonderabdriicke enthalt, befindet sich, so lange ich die Leitung der Station habe, in meiner Privatvvohnung, in der bis auf weiteres auch noch samtliche Seismogramme aufbevvahrt werden. Tafel I ffianpt^tation |i'tt 6tSfeel\:n|otac(Wncp am o?A,ajaifiali^čl’vg4v § l’a ci-tb- £ a £0 ta foL-imi 1 &u ffla-nvfcuta. ■» - • — J /9»s n as'//. ^ ^ ■/,,.'$$ #•^^j|||jl Tafel II mn en &KaaK5-Slakou3A ;