M *?w;x.ff. ^/5/>A, ^ ^' Amen uiitl ll'iittittlmiiM IN Morlt- unlt ^entral-Aftika in den Jahren 1849 bis 1855 von I)l>. Heinrich Aarty. Im Auszuge bearbeitet. Zweiter Land. Mlt Holzschnitten, zwei Bildern und einer Karte. Gotha. Verlag von Justus P'^I^r s. I860. Inhalt des zweiten VanÄcs. Erfies Kapitel. Der Zug in baß Land der Mussgu ...... 1 Zweites Kapitel. Abreise nach Baghirmi. Ankunft in Mafena , . 46 Dritte« Kapitel. Ueberblick über die Geschichte von Baghirmi. Nllgc« meiner Zustand des Landes und fewer Bewohner. Auftnthalt des Verfassers in Masena. Rückreise nach Kulaua, Dr. Overweg's Tod 80 Viertes Kapitel. Aufbruch von Knlaua nach Timbuktu. Die Reise durch die Provinz Muni». Der Aufenthalt in Sinder und Katsena 114 Fllnftcs Kapitel. Reife von Katsena uach Wurno. Politische Vc- deutung der Fulbe. Aufenthalt in Wurno uud Ssoloto .... 149 Sechstes Kapitel. Reise vou Wurno bis zum Niger. Das Fulbe-Reich von Gando. Uebergaug über den Strom bei der Stadt Ssai. Reise durch die westlichsten Landschaften des Reiches von Gando . 177 Siebentes Kapitel. Aribinda. Eintritt iu das westliche Fulbc-Neich von Massina. Ankunft iu Ssarayamo. Flußfahrt von da nach Kabara. Ankunft in Timbuktu............217 Achtev Kapitel. Abriß der Geschichte Timbuktu's uud der wichtigste« Königreiche des NigergcbicteS vor dem Auftretcu der Fulbe. Be-schreibung der Stadt Timbuktu ............262 Neuntes Kapitel. Aufenthalt in Timbuktu bis zum Schluß des Jahres 1853. Die Umtriebe der Fulbc gegen den Reisenden. Die anomalen Erscheinungen in dem periodischen Schwellen des Niger .... 291 Zehntes Kapitel, Die ersteil Monate des Jahres 1854 in Timbuktu. Erneuerte Angriffe der Fulbc. Der Reisende muh die Stadt ver» lassen. Aufenthalt in der Wiiste bis zur endlichen Abreise. Die Gewerbsthätigleit und die Handelsverhältnissc Timbuktu's . . . 318 Elftes Kapitel. Mißlungener Versuch der Abreise und rückgängige Bewegung nach Timbuktu. Wirtliche Abreise. Reise am nördlichen Ufer des Niger biß zur Anlunft iu Gogo.........345 Zwölfte« Kapitel. Der Niger von Gogo bis Ssai. Ruckreise nach Kulaua.....................384 Dreizehutes Kapitel. Letzter Aufenthall in Kutaua. Heimreife durch die Wüste nach Tripoli, Anlunft iu England.......494 Ansichten. Einzug in Tumbutu...................260 Afhenumma .....................446 ^ Erstes Kapitel. TW' Zug ill dak Land der Mnjfgl«. Zum zweiten Male war ich iu unser Standquartier, Kukaua, zurückgekehrt. War schon der erste größere Ausflug, den ich von diesem Mittelpunkte nnseres ganzen Unternehmens nach Süden hin ausgeführt hatte, zu einem schnelleren Ende gekommen, als ich hatte wünschen müssen, so war doch dnrch die Entdeckung des Benuc und des Faro immerhin ein Resultat vou nicht geringer Bedeutung erlangt worden. Leider'hatte unsere gemeinsame Erudition uach Kauen: nicht einen gleichen Erfolg gehabt. Nicht nur, daß es uns versagt geblieben War, die Zielftnukte zu erreichen, welche wir vorzugsweise vor Augen gehabt hatten: die Landschaft Borgn, den Bahr el Ghasal, oder die Ruudrcise um die Gestade des Tsad, — auch noch andere Umstände kamen, namentlich in Bezug anf meine Person, hinzn, welche selbst die vollständige Ausbeutung des Gebotenen unmöglich machten. Krank und hinfällig, wie ich war, konnten schon meine Beobachtungen in den berührten Gegenden nicht so vollständig sein, wie sie sonst wohl gewesen wären; aber selbst dazn fehlte mir oft die Kraft, dieselben mit der gewohnten Ausführlichkeit und Negclmäsiigteit in meinem Tagebuche niederzulegen. Dennoch, glaube ich, ist auch diese Ncisc nicht ganz ohne Frncht geblieben; ich verweise in dieser Hinsicht auf die Aufzeichnungen über die östlichen Theile Kanem's und der Landschaft Borgn, über die verschiedenen Stämme der Tebu oder Teda und anderes der Art, welche sich in dem Anhange zu dem drittcu Theil meines größeren Neisewerks finden, da der Raum dieses Auszugs dazu nöthigte, mich auf eine gedrängte Schilderung des selbst Gesehenen zu beschränken. Glücklicherweise hatte die nunmehr eingetretene kühlere Jahreszeit meine Gesundheit wieder sehr gestärkt, so daß ich nach kurzer Ruhe zur Fortsetzung meiner Ausflüge und Forschungen bereit war. Schon Va«h'a Reisen. II, , 1 2 in den letzten Tagen unserer Rückreise von Kanem hatten wir gehört, daß Scheich Omar und sein Bezier im Begriffe ständen, zu einer kriegerischen Unternehmung auszurückeu, cmc Nachricht, dir wir bei unserer Ankunft in Kulaua bestätigt fanden. ^ohiu ^ eigentlich gehen sollte, war nicht öffentlich belaunt; doch wurde Mandara als das nächste Ziel angegeben, vorgeblich um den Fürsten dieses kleinen, von Bergen geschützten Händchens zu dem verweigerten Gehorsam zurückzuführen. Die Hauptsache aber mochte sein, das; die Schatzkisteu und Sklaven-räume leer warcu uud gefüllt werden mußten; woher, war Nebensache. Wohin es nun auch gehen würde, Dr. Overweg und ich glaubten jedenfalls die Gelegenheit nicht unbenutzt lasse», zu dürfen, durch An-schluß an den Heercszug mit ncnen Gegenden dieses Welttheils belauut zu werden. Da aber die für unS bcstiunnteu Hülfsgelder noch nicht angekommen waren, bereitete es uns beträchtliche Schwierigkeit, die Ausrüstuug für diefen neuen Zug zn beschaffen. Dennoch gelang es mir fchon zehn Tage nach meiner Rückkehr von der beschwerlichen Reise nach itanem abermals gerüstet zu sein, nm lnich diesem neuen HcercSzug anzuschließen. Am 25. November 1851 reiste ich von Kulaua ab, dem vorausgezogenen Heere nach, welches jenseits Ngornu bei Kukia lagerte. Meiu ganzer Troß bestand aus zwei lörpcr- und geistesschwachen Dienern, Leuten aus Fesan, und einer schon auf der Kanem-Reise erprobten Naga oder „djige", wie die Kanori die Kameel-stute nennen. Ich verfolgte bei mäßig warmem Netter wohlgemuth die Straße nach Ngornu, die meinen Lesern aus der Beschreibung meines Ausflugs nach dem Tsad und der Rückkehr auS Adamaua bekannt ist. Die Gegend, durch welche sie führt, bot freilich jetzt fein so ödes und trostloses Bild wie damals, denn es gab Wasser in Ueberfluß und Boden und Bäume hatten ein frisch-grünes Gewand angelegt. Noch ehe ich Ngornu erreichte, holte mich Dr. Ovcrweg ein und wir nahmen nun unsern Weg direkt znin Lager, welcher, von Reitern, Ka-mcelen und Fußgängern belebt, uns hinreichenden Stoff zur Unterhaltung bot. In ztukia angelangt, erhielten wir einen Platz in einiger Entfernung vom Zelte des Veziers angewiesen, neben dem Zeltgehöfte seines Günstlings Lamino; deun Alles hat auch hier zu Lande im Lager beim Auszüge des Heerbannes seine bestimmte Anordnung. Da Jeder der Großen wenigstens einen Theil seiner Sklavinnen mit in das Feld nimmt, so genügt ihnen ein einfaches Zelt nicht, 3 sondern es wird mit Hülfe von Vorhängen aus gestreiftem Baum-wollcnzeug eine leichte Uinzännung lnn dasselbe angebracht, um die Geheimnisse des Harems nach anßen abzuschließen. Für den Scheich und den Bezier ward sogar jedesmal beim Aufschlagen des Lagers, so lange wir auf Burnu-Gebiet waren, eine Umzäunung aus Mattenwerk errichtet. Ucbrigens führte der Vczicr nur die bescheidene Zahl von acht, der Scheich nnr 12 Franen mit sich. Mäßig scheint diese Zahl, wenn wir sie mit den 45) holden Gefährtinnen dergleichen, mit denen der Herr von Baghirmi von seinen: Heereszuge heimkehrte. Das gewöhnliche Kriegsvolk hatte keinen Schntz, außer daß Einzelne sich leichte, hochgegiebelte, kleine Hütten aus Halmen des indischen Korns errichteten, die jetzt in Fülle auf den Stopftelfeldern umherlagen. Ueber den Günstling des Veziers, den vorhin erwähnten Lamino, muß ich hier einige Worte einschalten, da wir durch diesen Kriegszug in nähere Veziehnng zn dieser eigenthümlichen Persönlichkeit kamen. Wir finden hier ganz dasselbe Verhältniß wie in Enropa, wo notorische, Spitzbuben mitunter die trefflichsten Polizcibcamtcn abgeben. So war ^amino — eigentlich El Amin — früher ein gefürchteter Straßenränder gewesen und nun Hol <1o pulics oder Zwangsmeister geworden; er leistete dem sanfteren Vezier durch seine Hartherzigkeit und Schamlosigkeit vortreffliche Dienste, und wir nannten ihn daher nur „die schamlose ^int'e". Einkerkern nnd Peitschen lassen war sein Hanftlvergnügen; er konnte indessen auch sehr sanftmüthig und liebenswürdig sein, und nichts amüsirtc Herrn Nr. Overweg und mich mehr, als wenn er uns in höchst sentimentalen Ausdrücken von feiner Liebe zu der begünstigten Beherrscherin seines Herzens erzählte, die er auf dem Kriegszuge mit sich führte. Stets überfiel ihn aber eine höchst komische Angst, so oft wir die Erde mit einem Straußenei verglichen, da es ihm bei seiner Schwere und Plumpheit unbegreiflich war, wie er sein Gleichgewicht darauf bewahren sollte. Die vor dem Zelt des Scheichs ertönende große Trommel gab früh am Morgen das Zeichen znm Aufbruch, und in breiter Schlacht-ordnnna, rückte das Heer mit seinem mächtigen Reitertrosse über die mit hohem Rohr bedeckte Ebene hin, dic nur hie nud da Anbau zeigte. Ich blieb bei den Kameelen und Lastochsen, die mit Fußgängern und vereinzelten Reitern in langen, unabsehbaren Zügen zur Seite marschirtcn, während einzelne Trnpps Kanembu in ihrer spärlichen, meist aus Lumpen zusammengeflickten ober blos aus einem 4 Schurzfell bestehenden Kleidung und mit ihren leichten Holzschilden unter munteren Zurufen am Lastzüge vorübcreiltcn. So erreichten wir mit einem Marsch von etwa drei Meilen die Baumwollcufclder von Icdi, einem uicht unansehnlichen Städtchen, das sich, von einer ant erhaltenen Thunmaner nmgebcn, auf einer Hügclrcihe zur Tinten Hinsicht, während das ^and auf der Norowest-seitc sich als sandige Fläche ausbreitet, die nur von wenigem Gesträuch uud Dumgestrüpp uud einigen vereinzelten Dninpalmcn unterbrochen wird. Wir blieben hier einen Tag liegen und wurden von unsern Freunden und hohen Gönnern vortrefflich bewirthet. Dann rückte das Heer bis Märte vor, nur einige Stunden von Jedi entfernt, wo abermals ein Rasttag gehalten wurde, da noch von allen Seiten Zuzug zum Heere stiesi. Ick, benutzte diesen Aufenthalt, um am Nachmittag mit Kaschella Äillama, meinem treuen Begleiter auf der Reise nach Zola, den Frcitagsmartt der Stadt Märte zu bcfuchen. Die Stadt ist gut ummauert und hat uugefähr 4000 Einwohner, der Marltftlatz aber war tlrin, ohne Buden und von Käufer» und Verkäufern wenig besucht; Butter und Triutschalen waren fast die einzigen ausgeboteneu Gegenstände. Interessant war es mir, dass die Mutter Aillama's hier eine Bude hielt. Was die Beschaffenheit der Gegend anbetrifft, so dehnt sich gleich südlich von Irdi eine nnabschbar weite, gauz kahle, nnr hier nnd da mit einzelnen spärlichen Mimosen bewachsene Ebene aus, mit welcher hier der Bereich des mehrfach erwähnten Firki-Bodens beginnt, welcher eine so hervorragende Eigenthümlichkeit der südöstlichen Provinzen Bornu's bildet. Es wird auf dieser weiten Fläche bedeutender Baumwollen- nnd Hirseubau betriebet« nnd namentlich Massakua (Nolcus oernuu3), das hiesige Winterkorn, in beträchtlicher Menge gezogen; die Ernte war aber in diesem Jahr aus Mangel an Regen nur sftärlich ausgefallen, und was von Saat da war, fiel dem ungeordneten Hecreszug zum Raube. Hier zu Lande nämlich sorgt kein Commissariat für die Bedürfnisse des Heeres, sondern Jedermann hilft sich selbst, einerlei, ob der Zug durch Freuudes- oder Feindesland geht. ^ Weiter südlich beschatteten einzelne majestätische Tama-riudenbäumc die Ebene, und mehrfach führte unsere Straße durch dichten Niederwald. An solchen Stellen gerieth das gewöhnlich in breiter Marschordnnng dahin ziehende Heer bei dem fast gänzliche» Mangel au Disciplin stets in solche Unordnung und Verwirrung, 5> daß durch das wilde Drängen nnd Stoßen nicht selten erhebliche Verletzungen, besonders unter der Reiterei, vorkamen. Nachdem wir noch eine Nacht vor der nicht unbedeutenden Stadt Ala gelagert hatten — deren Inneres eine Menge schattenreicher Bäume schmückte, während die Hütten selbst mit ihren hoch aufsteigenden Dächern meist anmuthig von Rankcngewächscn umschlungen waren —, schlugen wir au, 1. Dezember das Lager uuter deu Mauern der großen Stadt Diköa auf. Dasselbe bildete jetzt, nachdem fast alles Kriegsvolk sich eingefunden hatte, ein überaus belebtes, interessantes Bild. Ueberall sprangen leichte, nnr für das augenblickliche Bedürfniß berechnete Wohnuugen mannichfaltigster Art wie aus dem Boden hervor; zwischen ihnen lagerten die verschiedenen Trupften-gattnngcu mit den vielen zum Theil vortrefflichen Pferden aller Farben in malerischen Gruppeu, oder zogen die noch unaufhörlich ankommenden Züge von Lastthieren, Kameelen und Ochsen, beladen mit jeglicher Gattung von Hausgeräth oder der zarten Bürde wohlverhülltcr Frauen. Sicherlich waren 20,000 Menschen mit 10,000 Pferden und mindestens ,eben so viel Lastthieren in diesem Lager versammelt. Es war unsere Bestimmnng, mehrere Tage vor Dilöa liegen zu bleiben, und ich hatte daher Muße genug, mir die Stadt und ihre nächste Umgebung näher anzusehen. — War schon das Aeußere der-felbeu durch ihre Größe imponirend, so machte das Innere einen eben so stattlichen als gefälligen Eindruck. Die wohl 30 Fuß hohen Stadt-Mauern waren im besten Zustand und nach Innen zu abgestuft; die Wohnungen, im Kern der Stadt dnrchgäugig von Thon mit hohen, aber nicht spitzen, sondern abgerundeten Dächern, wurden von weit-kronigen Gummibäumen beschattet, gegen welche einige Gonda's oder Melonenbänme mit ihren eigenthümlichen federartigcn Wipfeln und schlanken, glatten Stämmen einen unmuthigen Gegensatz bildeten; dieselben erregten um so mehr meine Aufmerksamkeit, als hier die nördliche Grenze der Verbreitung dieses schönen Baumes ist. — Die Stadt hat wohl nicht nnter 25,000 Einwohner, deren Hauptbeschäftigung in Baumwollenweberei besteht; ein anderer Zweig des Grwerb-fleisies ist die Bereitung von Schießpulver. Die Zulhateu zu demselben werden hier zu Lande in einem großen hölzernen Mörser ge-luengt uud gestampft, nnd ich sah in einer solchen Pulverstampferet acht Sklaven beschäftigt. Diese landesübliche Art der Pulverbereilung dachte mich später in Baghirmi, so oft ich in Ermangelung einer Mühle "leinen gebrauuteu Kaffee stampfen ließ, in den Verdacht, Pulver zu ____ ß ____ bereiten. — Das eigentliche Leben und Treiben von Diköa war natürlich durch die Anwesenheit cincs so großen Heerlagers sehr verändert, so daß ich kein ganz getreues Bild von demselben bekam. Dasselbe gilt auch von dem Verkehr auf dem täglich hier abgehaltenen Nachmittagsmartt. An einem der Tage unseres hiesigeu Aufenthaltes fand ich ihu ziemlich todt, bei einem zweiten Besuch dagegen sehr belebt; eö wurden nicht allein Korn, Fleisch, Bohnen, Erdnüsse und sonstige Lebcnsmittel ausgeboten, sondern auch kleine ^urusgegenständc, und es hatte sich bei dem Mangel an baarem Geld (d. h. an Muscheln oder Baum-wollcustreifen) ein lebhafter Tauschhandel entwickelt. Etwa eine halbe Stunde im Osten der Stadt fließt der wenigstens zu Zeiteu bedeutende Komadugu von Jaloe, derselbe, welchen wir in seinem oberen Lauf schon auf der Reife nach Adamaua im Gebiete vou Udjc als Komadugu von Alao tcnneu gelernt haben. Er fließt von Diköa aus in nordöstlicher Richtung dem Tsad zu und mündet etwa 13 Stuudeu von hier und anderthalb Stunden nördlich voll Ngala in denselben alls. An der Stelle, an welcher ich ihn sah, zog er sich von Süd nach Nord dnrch dichte Waldungen, meist Ficusarten, hindurch; sein Bett mochte 20 Klaftern breit sein und war von 12 bis 15 Fuß hohen Ufern eingeschlossen. Gegenwärtig enthielt dasselbe keinen zusammeuhäugendcu Wasserstrom mehr, sondern war in mehrere abgesonderte Lachen von ein bis anderthalb Fuß Tiefe zerrissen; dennoch war das Wasser kühl nnd selbst wohlschmeckend. — Beide Ufer waren reich mit Gras bewachsen und mit weidenden Pferden und Rindern bedeckt, während kein schattiges Plätzchen zu scheu war, wo nicht ein Trupp Kanembu- oder Kanori-Kricger gelagert hätte. Uebcrall war die Waldung von Baumwolleu-, feldern unterbrochen, welche den Reichthum von Diköa ausmachen; trotz ihres verwahrlosten Zustandes bezeugte ihre Fülle, welch' ein unendlicher Reichthum in diesen Gegenden begraben liegt. Allein nicht nnr über die Topographie von Diköa und seiner nächsten Umgebung konnte ich mir hier Belehrung verschaffen, auch meiue Aufzcichnuugcn über die Kunde des Landes im weitern Umfange erfuhren im Lager vor Ditöa manche schätzcnswerthe Vermehrung. Außerdem beschäftigte ich mich in diesen Tagen und überhaupt während dieser Zeit eifrig mit dem Studium der Kauori-Sprache; meine Wörtersammlungen aus dieser, so wie aus andern benachbarten, z. B. der Mandara-Sprachc, mehrten sich täglich, und auch auf dem ferneren Marsch wurden namentlich die Rasttage mit diesen Arbeite», ausgefüllt. ____ 7 ____ Unser Verhältniß zu dcm Scheich und zu dem Vezier trug viel dazu bei, das Leben auf dem Marsch und im Lager angenehm zu mache»; wir standen mit beiden auf dem freundschaftlichsten Fuß und alle Hofctiquctte ward bei Seite gesetzt iu dem eifrigsten Bemühen, einander dienstfertig zu sein. Dies ging so weit, daß mein Reisegefährte nnd ich unseren Freunden, welche die winterliche Kälte bei Nacht zu fühlen anfingen, mit uuserm wollenen Unterzeug aufhalfen, wie früher iu Air unserm alten Freuude Annur und seinen Verwandten mit nnscrn türtischen Westen. Natürlich hatten die Bornu-Fürsten Kleider genng, aber alle waren weit uud wenig auf Kälte be-rechuet. Dagegen bewirtheten jene uus auch nach Kräften und ich war dem Vezier ganz besonders dankbar für einen Hut Zucker, um Mein Lieblingsgetränk in diesem Lande — eine Tasse guten Kaffee — zu versüßen. Aber nicht allein leibliche Genüsse verdankten wir diesem Verhältniß zu unsern beiden hohen Gönnern, sondern wir fanden auch geistig anregende Unterhaltung und nicht selten Belehrung iu der Umgebung des Veziers. Auf dcm Marsch und im Lager hatte der wißbegierige Mann mehr Muße als in Kutaua, sich mit uns zu uutcrhalten und über dieses oder jenes sich von mir und Dr. Overweg belehren zu lasseu; besonders angenehm aber waren seine Abendgesellschaften. Jeden Abend nämlich Pflegte er einen Kreis vertrauterer Männer um sich iu seiucm Zelte zu mancherlei Gespräch zu versammeln, was nicht selten zu den interessantesten Erörterungen Veraulassuug gab. Es War bei einer solchen Gelegenheit hier vor Ditöa, daß sich, nachdem die Meisten der gewöhnlichen Gäste sich entfernt hatten, ein sehr ernsthaftes Gespräch entspann über die Mittel und Wege, Bornu wieder auf die frühere Stufe von Macht und Ansehen zn erheben. Ich unterließ es nicht, darauf hinzuweiseu, daß au die Stelle der verheerenden Sklavenjagden eine wohlgeordnete Regierung und auf dauernde Erobernng berechnete Kriegszüge treten müßten, namentlich aber, daß Bornu durch die Besitznahme des Benuc sich um so mehr eine Verbindung mit dem Atlantischen Ocean und Europa sichern müsse, als der Weg zur nördlichen Küste in der Gewalt der ihm feindlich ge-scuntcn Türten wäre. I)r. Ovcrweg hielt hieranf eine begeisterte Rede gegen den Sklavenhandel, welcher der Vezier durch den Einwand zu begegnen suchte, daß dieser alleiu ihm die Mittel an die Hand gäbe, Feuerwaffen zn erlangen. Dagegen nun brwieö ich ihm, daß ihr Land vieles Andere erzeuge, wofür er auf dem Wege eines in Europa — « — als rechtmäßig anerkannten Handels diese gesuchte Waare sich verschaffen tonne. Ncich langem Hin- und Herreden erklärte er sich endlich bereit, sofort dcn in dem Handelsvertrag bisher ausgelassenen Artikel über die Abschaffung des Sklavenhandels zn unterschreiben, wenn die britische Regierung ihm 10M Gewehre und vier Kanonen geben könne. Eine solche Waffensendung wäre mm allerdings leicht ausführbar, wenn dic Herreu von Bornn mit dein Beuue sich in Pcr^ biudung setzen tönnteu; der Transport so vieler Waffen aber durch das Gebiet der Türken uud durch die Wüste würde gewiß auf große Schwierigkeiten stoßen. Weun nun so einerseits Alles auf jenen Strom hinweist als die unentbehrliche Lebensader zu einer friedlichen Hcbuug und Entwickelung Iuner-Afrika's, so hüt andererseits anch das Verlangen des Veziers nach Waffcu feine Berechtigung. Natürlich sind Waffen nicht das einzige und eigentliche Mittel, diese Länder zur mangelnden Bildung zu erheben, allein sie siud die erste Bedingung, um eine starke RVgic-rung in diesem wüsten Knäuel von Kriegen uud ewiger Erschütterung zu gründen. Man bedenke wohl, daß es eben der Mangel au einem solchen Hinterhalt ist, an solchen Hülfsqnellen, aus deuen stets ueuc Kräfte gezogen werden tonnen, was den Nniu aller großen Köuig-reiche im Iuneru dieses Weltlheils während des verflossenen Jahrhunderts zur Folge gehabt hat, uachdem die starten Herrschaften an der Nordküste, au die sie sich früher aulehntcu, zerfallen oder geschwächt worden sind. Seit den Entdeckungen der Portugiesen an den Küsteu Afrika's haben die Europäer nichts Anderes gethan, als den Zerfall diefer Länder durch Bcfördcrnng der Uneinigkeit und der Kriege im Innern zu beschleunigen, so daß gegenwärtig kein Auf-schwnng, selbst nicht zu einem blos materiellen Handelsverkehr, möglich ist, wenn nicht europäische Mächte zu einem oder dem andern der Kö' nigreiche dieses Wclttheils in solche Veziehuugen treten, daß sie ihm einen starken Rückhalt gewähren, mit dessen Hülfe eS eine beherrschende Stellung seinen Nachbarn gegenüber einnehmen kaun. Bei einer audrrn Gelegenheit erzählte ich dem Vezicr von der eigenthümlichen Meercsherrschaft des Imam von Maskat, was ihm als ein bisher ganz unbekanntes Faktum außerordentliches Interesse gewährte. Während im Mittelalter die arabische Bevölkerung Afrika's, selbst die im fernen Westen, durch die Reisen des unternehmenden Ebn Batnta und anderer wackerer Männer über die Ostküste dieses Kontinentes besser unterrichtet war, als die Europäer, ist jetzt alle n ___ Kenntniß jener Bänder bei ihr völlig verschwunden. Ich werde es nicht leicht vergessen, mit welchem Erstaunen die Araber in Timbuktu "'einen Angaben iibcr die Sitze uud die Macht ihrer Manbrnsgcnosscn i" jenem Theile ihres Wclttheils zuhörten uud ciuc wahrhaft tmdische Freude darüber äußertcu, daß es selbst in Ländern, von deuen sie nie etwas gehört hätten, Moslemin gäbe. Nur in Ssototo fand ich einen Mann, der uoch das früher weit und breit berühmte Ssofala dem Namen nach kannte. So verflossen denn die Tage vom 1. bis 5. Dezember in diesem Lager anf eine ganz nützliche und angenehme Weise. Freilich hatten sie auch ihre Schattenseiten, oder vielmehr es war gerade der Schatten das, was uns am meisten fehlte; denn nnsere Zelte waren nach und nach su düun geworden, daß sie leiueu genügenden Schutz mehr gcgcu die Mittagssonne abgaben; überdies ward der Lagerraum durch die täglich neu Anlonnncnden nnendlich beschrankt. Wir waren daher, abgesehen von dem lebhaften Wunsch, weiter vorwärts zu dringen, froh, als wir endlich am 6. Dezember das Lager vor Ditöa verließen. Noch immer befanden wir uus in vollständiger Ungewißheit, ob es wirtlich noch gegen Mandara gehen sollte, da der Sultan dieses tlcineu, durch seine Berge wohlgeschützteu Landes sich noch nicht bestimmt erklärt hatte, ob er sich unterwerfen oder Widerstand leisten Wollte. Die Aussicht auf einen ^ampf schien unsere Heerführer sehr zu beunruhigen; denn die Starte dcr itanori besteht fast nnr in ihrer Reiterei, mit der sie in einem Berglande wenig Aussicht hatten, große Erfolge zn erzielen. Sogar wir beiden Enruvä'er wurden angelegentlichst befragt, wie man es wohl machen müsse, nm mit den Reitern auf die felsigen Berge zn gelangen. Das ganze Land war, als wir am Morgen aufbrachen, in dichten Nebel gehüllt, wodurch der Ucbergang über deu Mnnadugu sehr erschwert wurde. Jenseits desselben betraten wir eiucn dichten Wald von Aito'S (Naiiimts'8 .Vc^viiti^n«) uud Mimoseu uud erblickten dann zu unserer Linken eine umwallte Stadt, über deren Mauern die vollen Wipfel hoher Bänmc anmnthig hcrnberragten. Es war Afage, ein ansehnlicher, jedoch hinter Diköa zurückstehender Drt. Bald folgte ein anderes Städtchen zur Rechten, Kadege, dessen Mancrn ganz zerfallen waren; augenblicklich aber wnrden ihre Lücken b'cht mit Znschauern und Zuschauerinnen ausgefüllt. Wieder nach nn-zer Entformmg gelangten wir nach Sogoma, einer ebenfalls be-festigten Stadt, an deren Westseite wir nnsrr Lager bezogen. ------ 10 ------ Ich hatte kaum mein Zelt aufgeschlagen, als der dicke Polizei-minister ^amino cincu berüchtigten Raubmörder, mit dem Nacken in eine schwere, vier bis fünf Fuß lauge Holzklemme gespannt, mir vorführen nnd ihn zu seiner und, wie er glaubte, auch zu meiner Belustigung mit einem andern eben so eingeklemmten Sträfling sich gegenseitig durchpeitschen ließ. Uni ihn los zu werden und als Anerkennung für die Gerichte, welche er uns gelegentlich zuschickte, beschenkte ich ihn mit einer ansehnlichen Menge Nelken für seine in der Kochkunst wirklich wohlbewanderte Geliebte; er verfehlte dabei nicht, mit süßem lächeln zn versichern, daß er seine Aaischa sehr lieb habe und „sie ihn auch", dies fei doch das Schönste auf Erden! Die Stadt Sogoma ist deshalb bemertenswerth, weil hier in dieser Richtung daö vorzugsweise von Kauori bewohnte Gebiet endet; denn am folgenden Tag betraten wir den Distrikt Ma-ssa, dessen Einwohner ausschließlich Schnc, sind. Die Kanori treten mit den Schua gemischt erst weiter südlich im Distrikt Wolodjc wieder auf. In der Nähe von Togoma war noch etwas Äaumwollcnbau sichtbar, dann durchzogen kür einen mehrere Meilen langen Wald und erblickten jenseits desselben die ersten Weiler der Schua, deren Hütten sich durch ein hohes, wie ein Zuckerhut abgerundetes Dach auszeichnen; sie sind gewöhnlich mil den Ranken einer Uürbisart geziert, welche der (^uourdiw M'i0p<^u nahe verwandt, vielleicht auch mit ihr identisch ist und gelocht eine sehr wohlschmeckende Znkost abgiebt. Das hauptsächlichste Produkt des ^audbaucs aber in Ma-ssa ist „ssabadc" (ßor^lium 83, aber wesentlich von demselben dadurch, daß er flach und eben, ohne nrnneuswerthe Bodenerhebung ist, während jener, wenigstens in seinem südlichen Theil, durch die Ausläufer der Mandara-Aerge hügelig und felsig wird. Der Hanptcharatter des Waldes bestand darin, daß Dnmgebüsch den Boden bedeckte, Bänme von mittlerer Höhe, zum Theil Mimosen, zmn Theil von anderen Arten, die Hanptwaldung bildeten, über die dann wieder Höhcrc, üppig weit sich ausbreitende Bäume in geringerer Anzahl emporragten. Adansonien schienen sich hier ganz zu verlieren, und wir sahen, so diel ich mich erinnere, überhaupt im ganzen Mussgu-Gebiet nur wenige Exemplare dieses sonst im Sudan so gewöhnlichen Baumes. Einer unserer Lagerplätze war auch mit zahlreichen Fächerpalmen geschmückt, die das übrige Vaubholz sehr malerisch unterbrachen. Durch ihre Höhe, die bei einzelnen 30 Fuß erreichte, unterschied sich diese Fächerpalme durchaus vou der ^'ülmmci'^,« nuini-Ü8, mit welcher sie sonst wohl Aehulichteit hat, und näherte sich der (^kamaei'u^ Nlli-tinnn. Von den Zweigen der niedrigeren Bäume hingen häufig die kunstvollen Nester des Webervogels wie Destillir-wlbcn eines Ehemikers herab, obgleich wir den kunstfertigen Erbauer dieser sorgfältigen Behausungen nicht zu sehen bekamen. — Lichtere Stellen unterbrachen oft die dichtere Waldung und wnrden gewöhnlich don wilden Reisfeldern eingenommen. Teiche in größerer Anzahl fanden sich namentlich in der Mitte deö ungeheueren Waldes, die darin enthaltenen fische hatten aber — wenigstens nach deucn zu urtheilen, welche auf nusere Tafel tamen — eben keinen besonders guten Geschmack. — Bon größeren vicrfüßigen Thieren sind Elephanten hcerdenwcise und auch Giraffen in großer Anzahl hier vertreten. Einer der ersteren gcrieth zwischen die Reiter und wnrdc gctödtet. Wir erhielten Abends ein Gericht von seinen» Fleisch, das sehr eßbar war nnd Aehnlichkeit mit Schweinefleisch hatte. Da an demselben Abend außer der gewöhnlichen Zclttost — Reis oder „nwhamssa" mit Bohnen ^ auch ein Gericht Hasmfleisch, welches derselben Species wie unser gewöhnlicher Hase anzugehören schien, auf unsern _— 17 ------ Tisch kam, thaten wir des Guten etwas zu vicl und verdarben uns "Uttcn in der Wildnis; am Ueberflnß den Magen. — Ein Straußenei, Elches uns der Vezier schickte, bewies das Vorkommen auch dieses ^°nels, wie denn überhaupt der Wald gewiß viel Wild mancherlei -lrt enthielt, das nnr durch die Gegenwart des zahlreichen Heeres ^N'chmcht war. So lam es, daß die Meisten unserer Krieger von ^'N! Marke des Dnmgestrüpps leben mnßten, wenn gleich ein geübter schütze sich wohl noch etwas Vcsscres hätte verschaffen tonnen. Westlich vun nnferem Pfad, in geringer Cntfernnng von dem» selben, Wuhnen bereits Fulbe mit ihren Heerden, die in gewisser Beziehung zu Adamaua gehören, obgleich ihr ?and gewöhnlich nur Nut dem Ausdrnck ,.el Djcmaa" (die Gemeinde) bezeichnet wird; die besuchtere Straße führte sogar dnrch ihr Gebiet, über die Ortschaften Fette und Vogo, aber wir hatten sie eben deshalb nicht gewählt. Als 5vir uus den Grcuzeu von Mussgu näherten, schloß sich übrigens eine Schaar von 200 Fulbe - Reiteru uuserem Heere au; deun in Ver^ ^lgung der unabhängigen Mussgu haben Fulbe und Kanuri ein und dasselbe Iltteresse. ,? Au demselben Tag (den 23. Dez.) erschien auch Abischcn, ein ^iussglt-Fürst, der die Sache sciuer Laudslentc verrathen nnd sich Vornu unterworfen hatte; er war von einem Trupp sattelloser Reiter nuf meist kleinen Pferden begleitet. Eine halbe Stnnde vor Mittag ^reichten wir das erste Dorf seines kleinen Gebietes nnd zugleich bas nördlichste vom Mussgu-Vand, Gabari. Hier empfing uus so-l^leich ein trauriges Bild der Plüuderung und Verwüstung. Im ^ande dieses Vuudcsgenosfen durfte allerdiugs sonst uichts geraubt werden, weder Mensch noch Thier bis zur Henne herab, aber das ^uru war beutcfrei, und demzufolge unsere Lente einsig beschäftigt, alles Getreide, mochte es mm schon gecrutct sein oder noch anf dem Halme stehen, sich anzuciguen und auszudrescheu. Selbst das in langen Gewinden fi'ir die trockene Jahreszeit in den Vä'umeu aufgeweichete nahrhafte Sulupfgras ward von der Reiterei mitgenommeu "nd trotz des Verbotes auch manches znrückgelasscnc Zicklein, Huhn und Geräth. — Die armen Eingcborncn hatten die Flucht einem versuch, d^ buudesfrcuudliche Gesinnung des Vornu-Heeres zu "probeu, vorgezogeu. Der Aublick dieser Raubscenen war um so betrübender, da das ^"rf eiu Bild eines gewissen behaglichen Bebens nnd selbst eines ^"lssen Grades von Industrie seiner Bewohner darstellte. Im ____ 18 ^__ Allgemeinen enthielt jeder Hof eine Gruppe von drei bis sechs Hätten, je nach der Zahl der Weiber des Eigenthümers. Die Wände der Wohnungen bestanden ohne eine einzige Ausnahme aus Thon, und aus demselben Material bestanden ill den Gehöften der Wohlhabenderen selbst die Umzäunungen oder Umschlußmauern, währeud die Wohnungen der Aermeren von leichten Zäunen aus trockeuem Ruhr eingeschlossen waren. Die Dächer der Hütten waren mit großer Sorgfalt gedeckt, wenigstens eben so sorgsam als in irgend einem Dorfe Bornu's. Diese Mussgu-Hütten zeigten in der Form ihrer Giebelnng selbst Spureu verschiedener Style, die vielleicht auf ciuc gewisse Stufenfolge im Leben zurlickzuführcu sind. — Fast jeder Hofraum schloß außer den Hütteu nud eiuem großen, 12 bis 15 Fuß hohen Kornbehältcr aus Thon noch ein Schattendach ein. Die Kornbchältcr (siehe nebenstehende Abbildung) haben ein gewölbtes, ebenfalls aus Thon bestehendes Dach mit einer aufspringenden Münduug, welche wiederum von ciuem kleinen Strohdach, das abgenommen werden kann, geschützt wird, in der Weise, wie die Skizze zeigt. Aus den reichen Kornfeldern traten wir auf frisches, sumpfiges Wicsenland und wendeten uus dann zu den etwas höher gelegenen Feldern eines andern Dorfes Namens Korom. Hier stieg der Bezier ab und das Lager fing an, sich zu bilden. Dazu wurden denn schonungslos die prächtigen ilaragebänme (^,o9.oik («il-lM), die wir nirgends schöner fanden, als im Mnssgu-Land, und deren größte wohl 80 Fuß hoch sein mochte, ihrer herrlichen Kronen beraubt, um die größeren Gezcltc mit einem Verhack zu umgeben; auch in der Folge blieb keiner dieser majestätischen Bäume verschont. Da ich im Verfolg dieses HccreszugS noch mehrfach anf Einzelnheiten werde zu sprechen kommen, so schicke ich hier nur wenige allgemeine Bemcrtuugeu über die Mussgu voraus. Die Mussgu oder Musscku sind eine Abtheilung des großen Voltsstaunues der Ma-ssa >), dem die Kotoko oder Matari, die Be-wohuer vou Lugou oder ^ogoue, die Mandara oder ar-Wandala mit ') Die Vaghirmi-Vmte nennen sie daher noch bis ans den henti^en Tag nie anders alö "M^ssa-Mnssetn< Leider habe ich eö versänmt, nachznforschen, wie die Leute von ^'ogonc sie nennen. ____ 19 ____ den Gam-crghu angehören, so wie augenscheinlich auch der große Stamm derBatta,' ja selbst dielleicht derjenige der Mliana. Am engsten jedoch sind die Mussgu mit den Logonescrn verwandt. Diese bilden, wie wir bald sehen werden, eine ganz junge, blos in politischer Hinsicht wegen ihrer größeren Civilisation von jenen abgesonderte Gemeinde, aber keineswegs einen national getrennten Stamm. Unter den verschiedenen, in ihren Dialekten znm Theil sehr abweichenden kuppen der Uototo scheinen ihnen Ngala und Messem der Sprache "ach am nächsten zu stehen. Jedoch sind auch die Dialekte der in sv viele einander feindlich gegenüberstehende (^emmiden zersplitterten Ma-ssa-Mussgn sehr mauuichfaltig und so verschieden, daß man mir versickMc, die Leute von Luggcn verständen nicht leicht die von Wnlia und Demmo. Leider hatte ich aber keine Gelegenheit, vmi den anderen Dialetten anßer demjenigen von Vuggeu Proben zu bekommen. Ueber einzelne Sitten dieses Voltsstammes werde ich im Verlauf unseres Fclbzuges sprechen; hier will ich nur angeben, daß ihr vorzüglichster „ssafi", um mich eines Haussa-Wortes zn bedienen, oder Fetisch, wie man au der Küste sagen wiirde, gleich dein der Marghi, eine lanzcnartige, „kcfe" genannte Holzstauge sein soll; aber der Unter^ schied der Kulte ist jedeufalls bedeutcud, da bei den Marghi die Holzstange mehr ein Symbol als ein Bild zu fein scheint und die eigentliche Verehrung der heiligen Oertlichteit gilt. Bei den Musfgu-Stämmen sah ich keine heiligen Haine. Am Nachmittag ertheilte der Vezier vcrschicdeneu Leuteu Audienz, unter ihnen auch dem kleinen Mussgu-Fürsten Mischen, zu desseu "orstellung er uns beide Europäer besonders einladen ließ. Dieser Häuptling, ein in jeder Hinsicht unbedeutender, ja verächtlicher Mensch, hatte sich, wie bereits erwähnt Wurde, schou vor längerer Zeit dem Herrn von Vornu uuterworfen und erschien nun, um seine offizielle Belohnung zu empfangen. Kurze Zeit, nachdem der Diwan sich versammelt hatte, näherte sich der Häuptling mit dreien seiner Briioer in "nem keineswegs fürstlichen Aufzug; er selbst mit unbedecktem geschorenen Haupte trng nichts als eine schwarze Tobe, nnd seine Begleiter waren ^s auf einen Lederschurz ganz nackt; auch sein Pferd war ohne Dattel und ohne den geringsten Schmuck, eil, einfacher Halfter war l"n ganzes Geschirr. Die Vorhänge des geräumigen Andienzzeltes Kurden in die Höhe gehoben und herein trat die kleine, gcdrnngene Gestalt mit eher sanfte» als wilden Zügen, anscheinend in dein Alter ^°" 50 bis 60 Jahren. Niederlliieend und mit Händeklatschen die ------ 20 ------ Worte „Allah ugubbern dcga" — „Gott gebe Dir ein langes Leben" — mehrere Male wiederholend, streute er zum Zeichen semer Unterwerfung Staub auf sciu fürstliches Haupt. Nach dieser knechtischen Ceremonie nahm er die ihm gedührcude Würde wieder an und brachte seiue Beschwerden gegen seiue uuruhigeu Nachbarn, die Fulbe (von deu Mussgn „Tschogtschogo" genannt) vor, welche Kühe uud anderen Naub ihiu entführt hatten. Der Bezicr versprach ihm vulleu Schutz für die Zukunft und ließ ihn dann mit einer ueucu, schöucu, dunkel-blaueu Nyffi-Tllbc bekleiden, über welche noch eine recht reiche Seidentobe gelegt wurde, die wiederum mit eiuem ägyptischen Shawl um-wuudeu ward. Seine Brüder erhielten weite Hemden aus gestreiftem Manchester. So ward aus dem halbnackten Mussqu-Häuptling eiu civilisirter Bornauischer Beamter. Dieser Mischen war eiu trauriges Beispiel der Art und Weise, wie diese Heidcuvölkcr ihrem Ruin entgegengehen. Die Mussgu-Natiou ist iu der That auf allcu Seiten so eng vou Fciudeu Uln-geben, daß sie sich nur durch die größte Cinigleit vor augenscheinlichem Verderben retten köunte; statt dessen aber ist sie in viele kleine Herr^ schafteu zerstückelt, die, anstatt sich einander beizusteheu, sich über ihr gegenseitiges Ungemach frcucu. Nur die Mcuge der das Land uach allen Seitcu durchziehenden (Gewässer und Sümpfe erklärt es, wie dasselbe bisher noch eiuigermaaßen deu audringeudm Feiudcu widerstehen tonnte und weuigsteus iu einzelnen Bezirken immer uoch so dicht bevölkert ist, wie wir es fiudeu werdeu. Deunoch muß dieser unglückliche Boltsstanuu im Laufe der Zeit unterliegen, alljährlich von allen Seiten niedergehetzt und um viele Huuderte, ja Tausende seiner Bewuhuer im besten, kräftigsten Lebensalter beraubt. Der zweite Tag im Lager von Korom war der 25. Dezember. Gern hätten wir zwei Deutsche, beide Söhuc einer und derselben Stadt, deu Weihuachtstag uach der Sitte uuserer Hcimath durch eine außer-ordeutlichc Abendmahlzeit gefeiert. Wir sahen uus daher besonders nach Fischen um, da eö uicht au Wasser fehlte; leider aber waren keine zu erhalten. Mit Elephautenfleisch hattcu wir bittere Erfahrungen gemacht, und Giraffeufleisch, welches den höchsten uusercr afrikanisch-kulinarischen Genüsse bildete, war auch nicht zu haben. An Getränken, wie sie zu einer Festftier Passen, fehlte es erst recht; Wem hatten wir lange nicht mehr, nnd so tranken wir denn ganz bescheiden unsere Oesnndhcit in Kaffee und Milch. Schon das war etwas Außerordentliches, daß Milch zu haben war. ___ 2l ____ Am nächsten Morgen wurde der Marsch Wieder fortgesetzt, und z>vnr mit bedeutender östlicher Abbiegnng von unserer südsüdöstlichen Hnuptrichtung. Es geschah dieses, nm Kadc, die Residenz Adischen's, zu umgehen und mit Plünderung zu verschonen; sie blieb in geringer Entfernung zu unserer Rechten liegen. Dr. Overweg hatte dort am Tage vorher dem Häuptling seine Aufwartuug gemacht; er war zwar mit dem fürstlichen Gescheut einer Ziege zurückgekommen, sonst aber wenig erbant von seinem Äesnche. Eine tlcine Stnudc von uuserm Lagerplatz überschritten wir unter großem Gedränge ein von hohen Ufern eingeschlossenes Rinnsal, schlugen dann sehr bald eine ganz südliche Richtung eiu und lagerten nach einem kurzen Marsche bei dem feindlicheu Dorfe Bogo, dessen Ein-wohuer sich ebenfalls geflüchtet hatten. Die Hütten des Ortes wareu mit Sorgfalt gebant, boten aber der Plündcruugslust des Heeres wenig Stoff dar. Unter dem geringen Hausgcräth befanden sich Fischtörbe, welche zum Theil mit einem aus dcr rothen Holcus-Art bereiteten trockenen Teige angefüllt waren; Keiner uuscrer Leute aber gcuoß etwas davou, aus Furcht, der Teig möchte vergiftet sein, wie os bei eiuer frühereu Gelegenheit mit eiuem Topf absichtlich zurückgelassenen Honigs der Fall gewesen sein sott, durch dessen Genuß mehrere Meuschcn getödtet wurden. — Schon während des Marsches hatten wir in der Ferne zur Rechten eine Felshöhe erblickt; von Bogo aus sahen wir sie mm in nordwestlicher Richtnng in schärferen Umrissen und dahinter schwächer den entfernteren zusammenhängenden Höhenzng der Berge von Mandara. Beim Äufbrnch von Äogo (am 27. Dezember) nahmen wir die alte südwestliche Richtnng unseres Zuges wieder anf, welche wir deun auch bis zum Ende desselben im Mgemeiueu beibehielten, allerdings mit Abweichungen für einzelne Marschtage. — Der Charakter der Landschaft war der einer nassen Sawannc, znm Theil durch lichte Walduug, zum Theil nur durch einzelne Mimosen belebt. Es zcigteu sich zahlreiche Spurcu von Elephanten und Perlhühner wurden iu Menge gefangen. — Au diesem Morgeu trafen wir auf die erste Delebpalme, die wir lm Mussgu-?audc gesehen. Schon zu wiederholten Malen habe ich die Aufmerksamkeit des Lesers anf diese schöne Fächcrpalme nnd deren Verbreitung gclentt; iu Adamaua, sahen wir, ist dieselbe zwar häufig, aber immer nnr auf ciuzelne begünstigte Dertlichkeiten beschränkt, nicht über das ganze Vand verbreitet, wie sie denn im Südostcn, in dcr ausgcdehuten Provinz Buban-djidda gar ------ 33 ------ nicht vorkommt. Jetzt aber hatten wir die Zone erreicht, wo dieser schöne und nützliche Baum der gewöhnlichste und vorherrschende Vertreter der größeren Baumflora ist. Bon dem ^m,dc der Mussgn aus scheint er sich nach Osten hin in fast ununterbrochenem Zuge durch die südlichen Provinzen von Baghirmi nnd Wadai bis nach Kordofan zu verbreiten, indem er einzelne Plänklcr nach Norden ansscndct, um die Hauptstadt von Baghirmi und die Ufer des Fittri-See'S zu schmücken. Wir wählten unsern Lagerplatz in einem behaglichen, freundlichen Orte Namens Barea, dessen Hütten über reiche, wohlbeschatlete Felder zerstreut lagen. Die Quelle der Fruchtbarkeit nnd Schönheit dieses Gaues war ein bedeutendes Gewässer, welches ihn durchzog; es war reich an Krokodilen nnd Flußpferdcn und wurde sogar von einigen Kähnen belebt. Es steht wohl mit dem westlichen Arme des Schart in Verbindung. Dieser Arm, der Fluß von ^ogone, der oft fälschlich mit dem Schari selbst verwechselt wird, fließt unter dem Namen Sser^ bewnel oder Arre etwa eine Meile östlich von Barea vorbei, bis er sich bei Knssuri mit dem größeren Schari vereint, wo dann der gemeinsame Strom den Namen des Hauptarmes annimmt. Anch Di-. Vogel hat dnrch seine flüchtig hingeworfenen Reiseberichte Manches zur Verwirrung dieses Flnßnetzes beigetragen. Je weiter wir in dieser schönen Landschaft vorrückten, um so mehr bedauerten wir, baß wir nicht als friedliche Reifende dieselbe durchwandern tonnten, sondern gezwungen waren, die Gesellschaft blutgieriger Stlavclijäger zu suchen, welche die herrlichen wilder natür-licher Schönheit durch Blut nnd Nanb besudelten und entstellten. — Immer neue wichtige Züge von ^and nnd Volk enthüllten fich vor uusern Blicken. Dichter Wald wechselte mit Feldern, die ihres reichen Erntescgens schon entkleidet, aber mit zahlreichen Hüttengruppen und schönen Bäumen besäet waren. Breite, wohlbctretene Pfade, von dichten Zäunen eingefaßt, dnrchzogen die Felder in allen Richtungen und legten Zeugniß ab von dem Fleiß und der Sorgfalt der Ein. geborncn. Oft schmückten kleine Teiche dir Weiler, ähnlich wie in den Dorfschaften im Nordwesteu Deutschlands, nnr daß die Gänse und Enten fehlten, sie zu beleben — hatten doch selbst die Menschen ihrer freundlichen Heimath fliehend den Rücken gekehrt. — Die Banweisc der Hütten und Kornbehälter hatte große Aehulichkeit mit den bereits beschriebenen. Ganz besonders aber nahmen die Gräber, welche wir hier sahen, ____ 2Z ____ Meine Aufmerksamkeit in Anspruch. Es Warm flache, rundliche Hügel oder Gewölbe, dnrclians regelmäßig gebildet, deren Gipfel entweder zwei quer gelegte Baunlslänline, oder eine irdene Urne trug. Vergeblich snchte ich Ieinauden, der mir über diese verschiedene Ausstattung der Grabgewölbe nnd überhaupt über die Gebräuche der Eingeboruen hätte Aufschluß ertheilen könne». Die Verstorbenen spielen bei allen im Heidenthnnt verbliebenen Völkerschaften eine überaus wichtige Rolle; eben deshalb verwenden diese große Sorgfalt anf die Vestattnng, während die zmn Islam übergegangenen überaus nachlässig in dieser Hinsicht sind nnd ihre Todten kaum vor den Hyänen schützen. Während ich mich del, Bildern dieses eigenthümlichen Volkslebens überließ, hatte ich ganz meine Umgebung vergessen. Erst als ich mit meinen Begleitern aus einem dichten Wald in einen andern offenen, wohlangebanten Gan hinaustrat nnd jede Spur eines betretenen Pfades hier aufhörte, gewahrte ich, daß ich vom Hauptznge des Heeres getrennt war. In wilder Unordnung irrten einzelne Reiter in den vor nns liegenden Gehöften nmher, nach Bente nnd Flüchtlingen snchcnd j selbst ans den dichtbelaubten Wipseln der Bäume schoß man diese schonungslos herab. Doch Niemand wnßtc, wohin die Hauptmacht sich gewendet hatte; selbst ^eute des Veziers tonnten mir keine Aus-tnnft geben. Crst nachdem wir uns mit einem größeren Trnpp von etwa 1000 Reitern aller Gattungen vereinigt hatten, erfnhr ich die Ursache der Verwirrnng. Der Pezier war schneller als gewöhnlich vorausgezogcn und die dadurch laug ansgedehute Marschlinie war au ihrer dünnsten Stelle dnrch einen Angriff der Mussgu durchbrochen und zersprengt worden. Ich bin überzeugt, daß diese Eingebornen, denen es nicht an Muth fehlt, leicht glänzende Erfolge über das feige Heer ihrer Feinde hätten erringen können, wenn sie nnter besserer Führung und mit besseren Waffen kämpften, aber es fehlen ihnen namentlich Aogcn und Pfeile. Nach manchem Hin- nnd Herirrcn war ich sehr erfreut, als wir dnrch dichte Walduug anf eine sumpfige Fläche gelangten nnd einen großen Theil unserer Reiterei dort fanden. An einem großen Wiesen-Wasser, das wohl mehr als eine halbe Stunde breit und mit hohem Snmpfgras durchwachsen war, tränkten sie in langen Reihen ihre Rosse. Der Schall der großen Trommel leitete mich znm nahen Lager, wo ich Dr. Overweg fand, der sich in der Nähe des Vcziers gehalten hatte. Wir waren anfangs nicht ohne Besorgniß nm unser Gepäck, denn schon waren einige Kamcclc ohne ihre ^adnug angc- ------ 24 ------ kommen, die sie bei der Flucht der Treiber abgeworfen hatten; doch wurde schließlich der Troß noch glücklich eingebracht. Die Ortschaft, wo das Lager aufgeschlagen war, heißt Katala und ist eine der bedeutenderen im Mussgu-Laudc. Eine große Menge Sklaven war heute ciugefangen worden und uuch am Abend ward nach einem Kampfe, in welchem drei Borun-Neiter fielen, eine bedeutende Anzahl eingebracht. Im Ganzen sollten an diesem Tage 1000 Sklaven gefangen worden sein, und sicherlich belief sich die Beute nicht unter 500. Die erwachsenen Männer, meist hochgewachsene Leute, aber keineswegs mit sehr einnehmenden Zügen, wurden ohne Schonung abgeschlachtet, oder man ließ sie sich vielmehr verbluten, indem mau ihnen ein Bein abhieb; ihre Zahl belief sich auf 170. Ihr Vorderkopf war, austatt rückwärts geneigt zu sein, bei den Meisten sehr hoch und die Gesichtslinic gerade, aber ihre buschigen Angen^ brauen, weit offenen Nasenlöcher, anfgewurfcuen kippen, hohen Backenknochen und ihr grobes buschiges Haar gaben ihnen cm sehr wildes Ausehen. Die Gestaltung der Beiue mit dem nach innen gebogenen Knie war besonders häßlich. Ueberhaupt waren sie knochiger und ihre Glieder weniger schön abgerundet, als bei den Marghi, mit denen sie nach den Anzeichen der Sprache cine entfernte Verwandtschaft haben. Sie waren insgesammt von schmutzig-schwarzer Farbe, weit entfernt von jenem glänzenden Schwarz, das bei anderen Stämmen einen sc> wohlgefälligen Eiudrnck macht und mit der dunkelen Hautfarbe einigem maaßeu aussöhnt. Die Meisten von ihnen trugen mien kurzen Vart; Mehrere hatten ihre Ohren mit kleinen Kupferringcu geschmückt, und fast Alle trngcn ein aus Dumgestrüpp grob geflochtenes dickes Tau um den Hals. Ich bemerkte tciuen Schmuck an diesen Leuten, wie die schöne« Eisen- oder vielmehr Stahlringe der Marghi, weder an den Voruehmcrn, wie z. B. den Höflingen des Adischen, noch an dem gemeinen Manne; nur die Frauen trugen einen scheußlich entstellenden runden Kuocheu in der Unterlippe. Am merkwürdigsten ist bei den Mnssgu die Art, wie sie sich zu Pferde halteu; sie ist wahrhaft barbarisch; denn absichtlich macheu sie eine breite offene Wunde auf dein Nucken ihrer kleinen stämmigen Pferde, um festzusitzen, uud wcuu sie schnell rcitcu Wolleu, ritzen sie sogar oft noch ihre Beine auf der inneren Seite auf, damit sie durch das herabricselnde Blut an den Seiten ihrer Pferde festkleben; denn sie entbehren Alles, Sattel, Bügel und Zaum, und habet« nichts als eine Halfter, ihr Thier zu leiten. Sie tragen gewöhnlich nur Einen ------- 25 ------ Speer, aber mehrere Handciscn — „golio" —. Der „golio" ist offenbar ihrc beste Waffe, nicht allein i»n Handgemenge, sondern auch aus gewisser Entfernung, indem sie dieses scharfe nnd doppelspitzige Eisen sehr geschickt von der Seite werfen nnd Beine von Menschen und Pferden wegschneiden; so wenigstens behaupteten meine Freunde. Es mag sich aber wühl auf schwere Wnnden beschränken. Einige ihrer Hänptlingc schützen ihren Oberkörper durch eineil starken Panzer, der ans Büsfelfell gemacht ist, indent sie das Haar nach innen tragen. Kleidung tragen die Mnssgu entweder gar nicht, oder sie ziehen — sowohl Männer als Frauen — nur einen diinncn Lcderstreifen zwischen den senden hindurch, der um die Hüften befestigt wird; nur unter dem Gefolge des Adischcn hatten sich Einige mit einem Vedcrschurz umgürtet. Diese gänzliche Nacktheit scheint aber allerdings nicht ohne Einfluß anf die Begriffe iiber Schicklichteit gewesen zu sein; nicht als üb im Verkehr der Geschlechter eine allgemeine Zügellosigkeit herrsche — man findet im Gegentheil einen höchst entwickelten Sinn für Häuslichkeit nnter ihnen —, doch halten sie es gerade im Kreise dcö Hauses für unnöthig, manche Verhältnisse des ehelichen Lebens mit dem Dnnkcl der Heimlichkeit zn umhüllen. — Vielweiberei herrscht unter den Musfgu in großer Anödehnnng und fchciut fast durchgängig zu sein, was darin seinen natürlichen Grund hat, daß bei diesen fortwährenden Kriegs- und Nanbzngen ungleich mehr Männer als Weiber zu Grunde gehen, da die Lrtztcrn meist in Sicherheit gebracht werden. So haben denn fast alle Gehöfte verschiedene Hütten ^ir die einzelnen Frauen des Besitzers. Der 29. Dezember war der vorletzte Marschtag, an welchem die ganze Heeresmassc gegen Süden oder vielmehr Siidosten durrücken sollte. Bald nach dem Aufbruch alls dem Lager von Kakala mußten wir das erwähnte breite Wiesenwasser Passiren, was nicht ohne Schwierigkeit geschah, namentlich wegen der zahllosen von den Füssen der Elephanten herrührenden Löcher. Dann nahm nns wiedernm dichte Waldnng auf, in welcher ich meiuem alten Frennd aus dem Hausse Vand, dem Kotiabanm, znm ersten Mal wieder begegnete, der, wie ich später fand, im Gebiete der Musfgu sehr häufig ist. Es ist ein mittelgroßer Banm mit großen Blättern nnd Früchten von der Größe eines Apfels, die zwar jetzt noch unreif waren, aber auch Meist nicht zu genießen sein sollen. Ansier am Rande der Gewässer ^nr auch in diesen Gegenden nichts von eigentlicher tropischer Fülle ------ 36 ------ und Mannichfaltigkcit zu sehen, vielmehr herrschte oft eine große Einförmigkeit ill den Pftallzenfurinen, wie denn die Waldnng, in der wir uns fetzt befanden, fast nnr ans Äitobäumen bestand. Wir lagerten bald mitten in derselben in der Nähe eines großen Teiches und hatten am andern Morgen noch etwa 5 bis 6 Stunden zu marschiren, che wir das Ende des Waldes erreichten. Am Nande eines vun inächtigeu Sytuuloren eingefaßten Ngaldjam wurde Halt gemacht, um über die weitere Richtung des Marsches zu berathen. Es hatte sich nns an den Grenzen deö Mnssgn-Gebietes ein interessanter, abenteuerlicher alter Schua angeschlossen, Mallem Djümma, welcher nnter Mohammed ei Kanemi, wegen Ungehorsams zum Tode verurtheilt, ans Äornu gesiohen war. In den heidnischen Ländern des Südens hatte er nicht nnr eine Zuflucht gefunden, sondern nnter den Tufnri oder Tuburi, einer Abtheilung der großen Völkerschaft der ssari oder Fali, sich auch uach und nach eine kleine Herrschaft gegründet. Ans dieser war er mm unlängst vertrieben worden nnd hoffte von dem Äornu-Hecr in dieselbe wieder eingesetzt zu werden. Die Fulbc, welche zn nns gestoßen waren, hatten bei dieser Bereinigung ebenfalls vorzugsweise einen Zug gegen die Tubnri im Auge gehabt nnd bildeten nnn mit dem alten Mallem den Kern einer Partei, welche in den Kricgöberathungen der letzten Tage den Sieg davon getragen hatte, so daß der Marsch des ganzen Heeres nach den Grenzen des Tuburi-?andcs gerichtet worden war. Jetzt hatte man sich denselben nun so weit genähert, daß man erwarten tonnte, schon in wenigen Standen mit jenem kriegerischen Stamme handgemein zu werden. Die feigen Höflinge von Knkaua aber scheuten dies, und wirklich wurde in dem hier abgehaltenen Kncgsrath beschlossen, den Zug gegen die Tnbnri wenigstens vor der Hand aufzugeben und nach dem östlich gelegenen Demmo zu marschiren. Nach einem viertelstündigen Halte saßen wir wieder im Sattel nnd ftassirten das von Nord nach Süden ziehende Ngaldjam au einer Stelle, wo es völlig trocken war. Die Wildnis; blieb eine Zeit lang lichter, nach einer anten Stnnde aber sahen wir wieder ein dichtes Walddickicht vor uns, jenseits dessen wir kurz hinter einander noch zwei sehr morastige Sumpfwasser zu Passiren hatten — natürliche Wallgräben, denen nur geschickte Vertheidiger fehlten, um das Andringen des Feindes fast nnmöglich zu macheu. Dann ward das Vand frei und offen, die Fahnen wnrdcn entfaltet, alle Trommeln gerührt und dic Reiterei sprengte zum Angriff oder vielmehr zum Raube vor. ____ 27 ____ Unser Vorrücken geschah immcr so langsam, daß die Rüstigern unter den Bewohnern der bedrohten Orte meist Zeit behielten zu flüchten und nnr Schwache, ältere Weiber und Kinder — ^chttre, Weil sie nicht groß genug sind, nm die tiefen Sümpfe zu passirrn, wenn sie auch schnell genng lanfen tonnten -- den Räuberu in die Hände fielen. Von diesen wurde auch hier wieder eine große Anzahl zu befangenen gemacht. Gleich darauf erreichten wir die Hüttengruppeu von Dcmnw und fahen uns nach einem zum ^agcr geeigneten Platz um. Aber die Angabe, das? nahe vor uns ein größeres Wasser sei, lockte den Vezier weiter, während zahlreiche Delebpalmen hinter den schattigen Akazien hervortraten. Da erblickten wir plötzlich ein breites Rinnsal vor uns, breiter, als wir noch eins in diesem Vandc gesehn, wohl über eine Stunde weit und mit einem ansehnlichen offenen Wasser, ans dein sich zwei Kähne der Eingeborueu zeigten. Wir zogen bis hart an den Rand des Wassers, das hier tief zu sein schien, obgleich eine Anzahl hungriger Kanembü das erste offene Wassev passirt halten und in dem zwischen ihm nnd dein hinteren Arm liegenden Snmpfgrase einige Fische zn erHaschen suchten. Drüben vom gegenüberliegenden Ufer ragte ein ganzer Wald von Dclcbvalmen über die niedrigere Vegetation hervor und lockte zu sich hinüber. Die Richtung dieses Wassers war hier von SW. nach NO., und es sott sich «ach übereinstimmenden Angaben, obgleich es nur beim höchsten Wasserstande einigen Abflnß hat, mit dem Sserbewuel vereinen, wie man in einigen dieser Landschaften den oberen Theil deS Flusses von >^ogone nennt. Hier standen wir eine Zeit lang nnd schantcn sehnsüchtig nach dein anderen Ufer hinüber; es war eine höchst interessante, eigenthümliche Landschaft, überaus charakteristisch für diese flachen Acqua-torialländer Afrika's, von denen man früher eine so gänzlich falsche Vorstellung hatte. Anstatt des massenhaften Mondgebirges waren die wenigen Berghöhen, die wir gefnnden, ganz vereinzelt; anstatt eines wüsten Hochlandes weite, unendlich fruchtbare Flachlande, laum U)l)>) Fuß über dem Niveau des Meeres, von unzähligen breiten Wasserriunen fast ohne alles Gefalle durchzogen. Nur nach SW. erblickte man in der Entfernung von etwa vier Meilen die vereinzelte Felshöhe der Tuburi. Nachdem wir lange Zeit den Anblick der Landschaft genossen und uns an ihrer MaunichfaltiaM nnd ihrem Reichthum erfreut __^ 25 ------ hatten, lagerten wir zwischen den zerstörten Hütten von Demmo, — vor wenigen Stunden noch die Stätte der Wohlhabenheit und des Mucks, jetzt ein Haufen rauchender Trümmer, zwischen denen die wichen abgeschlachteter Männer umherlagen. Die Hütten waren insgesammt ans Thonmaucrn rrbant gewesen, die eine Dicke von vier bis sechs Zoll besaßen nnd dem Brande getrotzt hatten; die ans Rohr bestehenden Dächer waren eingestürzt. Der Durchmesser der Hütten wechselte zwischen acht nnd zwölf Fnß, nnd jede schien im Inueru ihre große Kornnrne gehabt zu haben, während einige auch eine kleine, einem Backofen nicht nnähnliche, be^ sondere Kochstelle besaßen. Im Ganzen genommen, war jedoch die Einrichtung der Gehöfte weniger behaglich, als ich sie in anderen Dörfern dieser Landschaft zn sehen Gelegenheit hatte; anch bemerkte ich hier nicht so große Gehöfte. In der Mitte des Dorfes waren einige ausgedehnte Teiche, welche von Menschenhand gemacht zu sciu schienen. — Uuscr Lager wurde, mehr um die Gefangenen au der Flucht zu hindern, als gegen einen Angriff von außen, mit einem Dorn-verhack umgeben. Ich benutzte die Zeit der Rast, die Ufer des nahen Gewässers zn nntersnchen, so weit ich mich mit Sicherheit wagen dnrfte, nnd nach Nachrichten über das ^and uuter den Gefangenen zn forschen, hatte aber nur geringen Erfolg; die Ihrigen seien geflohen, hieß es, nicht vor dem Feind, sondern erschreckt dnrch den nie gesehenen Anblick der Uamecle. Auch hatten wir hier wieder das Schauspiel der Bclehnung zweier kleinen Händtlingc. Der Herr von Dcmmo und der des nächsten Ortes jenseits des NgaldjamS hatten sich bewegen lassen, die Oberherrschaft Bornn's anzncrtennen. Sie streuten Stanb anf ihr Hanvt uud der Herr vou Demmo schwur deu Eid der Trenr, indem er eine Handvoll Erde aufhob und dnrch feine Finger gleiten ließ; doch der Fürst von jenseits des Gewässers weigerte sich dieses Eides, da es nicht sein Grnnd nnd Boden sei, anf dem er stehe. — Ungeschickt gcnng krochen dann dir beiden nackten Heiden in ihre geschenkten Toben. Beide hatten ein kleines Horn, einem Jagdhorn ähnlich, das jeder vornehme Mnssgn bei sich trägt, nnd bliesen anch daranf znr Belustigung der Versammlung, wnrden aber in Handhabnng dieses einfachen Instrnmeutes dou einem sie begleitenden Priester weit übertrosfen, indem der letztere einen ganz melodischen, weit schallenden Tun hervorzubringen wnßte. Es war dies das einzige Mal, daß ich einen eignen Priester bei diesen heidnischen Völkern ------ 29 ------ sah; leider konnte ich nicht in nähere Berührung mit ihm kommen, UM Auskunft über seiuen Aerufslreis oder den Kultus dieser ^eutc zu erhalten. Unter diesen Scenen vergingen der letzte Tag des Jahres 1851 und dcr erste Iaunar 1852. Damals hoffte ich, in diesem neuen Jahre die Heimath wieder zu begrüßen, und ahnte nicht, daft ich noch drei Jahre linier in diesen Ländern eines fast rohen Naturzustandes zubringen sollte, stets den wechselnden Eindrücken neuer Entdeckung und Enttäuschung, vielerlei Noth, Trübsal und Uranlheit ausgesetzt. Als Preis seiner wohlwollenden Aufnahme brachte der Herr Kon Denuuo die Aercitwilligtcit zum verrath seiner ^andslente mit nnd versprach, das Heer nach einer großen, wie es erklärt wurde, „ummauerten" Stadt zu führen. Demzufolge ward auf deu folgenden Tag ein großer Strcifzng angesetzt. Mit fast der ganzen Reiterei nnd einein Theil der leichten Ka-nembn brachen 'wir am andern Murgeil Plötzlich in nordöstlicher Richtung auf; allein da sich die Nachricht von dem Heeresznge nun einmal weithin verbreitet hatte, war es natürlich, daß alle Eiugebornen fern und nah auf ihrer Hut waren. So war denn die erste Ortschaft, die wir nach einstündigcm Marsch durch lichtere Waldung er-reichten, völlig verlassen. Die Landschaft war überaus lieblich, reich bewässert uud schöu mit Bäumeu geschmückt. Der ^andbau wurde so sorgfältig betrieben, daß selbst Düugcr in regelmäßigen Eutfcrnuugen ans die Felder getragen war, — das erste Beispiel solcher Industrie, das ich in ganz Eentral-Afrika sowohl bei Mohammedanern als bei Heiden gesehen. Diese ganze Landschaft bei Dcnnno heißt Wnlia, den besonderen Namen der Dorfschaft aber kouute ich nicht erfahren. Die Einwohner hatten so viel Mnsic zur Flucht gehabt, daß das zum Raube Zurückgelassene überaus gering war, und wir setzten deshalb unseren Marsch ohne Anfenthalt in nordöstlicher Richtung fort. Wir passirten nach etwa einer Meile Weges ein anderes, nur 10 bis 1ü Zoll tiefes Wicsenwasscr, gegenwärtig von weiten» (^ras-land nmgcben, das einen Theil des Jahres hindnrch unter Wasser steht uud dann den Anblick eines ausgedehnte» See's gewähren mnß. Uobcrall umher war dieses frische, grüne Veckru mit üppigeu Fk'us uud ^aragebäumcu besetzt, und einzelne schlante Dumpalmen ragten malerisch alts dem grünen Laube hervor; nach Delebpalmen aber sah man sich vergeblich nm. ------ 30 ------ Eine andere, schon gleichfalls von ihren unglücklichen Bewohnern verlassene Durfschaft folgte und dann wieder ein offenes Riesenland, durch das sich jetzt eine schmale Wasserrinne von Südwest nach Nurdost hindurchzog. Sie war etwa 100 Schritt breit und so iiberaus regelmäßig zwischen ungefähr zehn Fuß hohen, deichartigcn Ufern eingeschlossen, dass sie ganz das Aussehen eines künstlichen Kanals hatte. An der Stelle, wo wir sic passirten, war die eigentliche Wasserrinnr ganz unterbrochen, und wir schritten trockenen Fußes hindurch; jedoch war dies wohl tüustlich von deu verfolgten Eingeborneu bewerkstelligt, n>n eine schnelle Verbindung mit dem nahen Flusse Sserbewnel, in dem sie allein ihre Nettuug saheu, offen zu halteu. Ohne Aufenthalt zug daher die Heerschaar weiter, in der Hoffllnug, die flüchtigen noch einzuholen, ehe sie das Wasser passirt hätten. Bald standen wir am Ufer des schönen Stromes, der selbst jetzt noch ein ansehnlicher Fluß Kon etwa 6M Schritt Breite und so tief war, daß ein Trupp von sechs Schua, die sich in ihrer unwiderstehlichen Bentegier hineingewagt hatten, vom Strome fortgerissen uud die Beute eines Dutzend muthiger Cingebornen wurde, die in ihren Booten lauernd auf uud ab fuhren, wohl wisfeud, daß wir ihnen ohne Fahrzeuge uicht folgen tonnten, obgleich es bei dem Ueberfluß an Bäumen einer solchen Heeresmasse mit einiger Energie leicht gewesen wäre, ein paar Flöße zu baueu. Das User des Flusses war hier augenblicklich im Durchschnitt 25 Fuß hoch; man darf jedoch nicht vergessen, daß dies teineswegs der geringste Stand des Stromes war, der im Gegentheil, wie wir auf der Reise nach Vaghirmi sehen werden, bis zum Mai fällt und dann nicht allein hier im oberen Vause, sondern selbst bei Vogou Birni fnrthbar ist. Das gegenüberliegende Ufer war weniger hoch, sah aber in seinem reichen Baumschmuck überaus einladend aus; der armen Emgebm'neu wegen sah ich es aber gern, daß wir nicht hinüber konttten, und ich glaube, selbst unser Freund, Hadj Beschir, überschaute diese interessante Flußlandschaft mit mehr wissenschaftlicher Theilnahme als Raublust. Hier au dieser Stelle ward uus der Fluß, der im Allgemeinen in der Mussgu Sprache „arre" oder „ere" genannt wird, mit dem besonderen ^iamcu Sserbewnel bezeichnet, der gleichfalls wohl sicher der Mussgu-Sftrache augchört uud eine eigenthümliche Bedeutung haben mag. Höher aufwärts führt er die Rainen Ba <^uu und Ba^Vei, da „da" der allgemeine Ausdruck für „Fluß" in der Sprache von ___ ZI ___ Baghirmi und der eingebornen Stämme der Ssom-rei ist, so wie dies Wort auch der Sprache der Manding oder Mandingo angehört. Nachdem wir einige Minuten am hohen Rande des Flusses gestanden und ill den langsam sich dahin walzenden Strom hinabge-schant hatten, wendeten wir unsere Thiere zur Rückkehr, während nnsere Frenndc sich mit dem Gerede trösteten, daß die Mussgn, wenn sie ihnen auch entgangen wären, doch ihren Feinden, den jenseits des Flusses in abhängigem Verhältniß von Baghirmi wohnenden Heiden, in die Hände gefallen seien. Phantasiereichcre Berichterstalter wollten sogar wissen, der Sultau von Vaghirmi selbst sei gerade mit einer Rhasia drüben gewesen nnd habe die Geflüchtetcn insgesammt „gegessen". So wandten wir denn dem Flusse den Nucken, mein europäischer Gefährte nnd ich überaus zufriedeu mit unserem Tagewerk, das nns an die Ufer dieses schönen Stromes geführt hatte, nnsere Begleiter aber höchst schweigsam und ergrimmt, daß ihueu die erwartete Beute entronnen war. In der That, wo das gchoffte El Dorado der um-mancrinn Stadt voll von zur Knechtschaft bestimmten Knaben und Mädchen eigentlich sei, tonnte ich nicht recht erfahren. Die ganze Äente des hentigcn Tages belief sich anf eine Handvoll Sklaven, Unglückliche, die Krankheit oder ^iebe znr Heimath abgehalten hatte, ihre Hütten zu verlassen, ein paar Kühe, einige Ziegen, Hühner, etwas Matha-Korn, besonders aber Erdmandeln (^inHig Ii^w^on,), wovon große basten von den hungrigen Kancmbn nach Hause geschleppt wurden. Da bot sich ein willkommeuer Gegenstand, woran das getäuschte Heer seine Erbitterung anölassen konnte. In der langen, kaualartigen Wasserrinne nämlich, die ich vorhin erwähnt habe und wo wir jetzt unsere ermüdeten Thiere tränkten, zeigten sich vier Eingelwrne, die, offenbar im Bertranen auf ihreu Muth uud ihre Geschicklichkeit im Schwimmen, hier im tiefen Wasser ihrc Znflucht genommen hatten, um beimAbzng des Heeres den Ihrigen ein Zeichen zu geben. Diese kleine tapfere Schaar beschloß man also zu opfern nnd das ganze zahlreiche Nciterhccr stellte sich in dichten Gliedern an beiden Seiten des Wassers auf. Jedoch war es nicht so leicht, als es schien, und alles Feuern der schlechten Schlitzen war umsonst, da die Mussgn höchst geschickt untertauchten. Da ließ der Vczicr einige Kanembu in's Wasser gehen, U"d es entspann sich ein höchst eigenthümlicher Kampf, wie ich Aehn-liches nie gesehen, ein Wasserkampf mit Schild uud ^anze, der wahr- ------ 32 ------ hastig nicht geringe Anstrengung erforderte; denn während die Leute sich mit ihren Füßen über dem Wasser erhalten mußten, hatten sie zugleich den Speer zu schlendern nnd den Wnrs des (Gegners zu parircn. Die armen Mussgu käinpsten nicht allein für ihr eigenes ^eben, sondern gleichsam für ihre Nationalehre. (5s waren große, muskulöse Gestalten, die einzeln den Kauembu bei weitem überlegen waren; aber die Mehrzahl siegte nach langem Kamftfe; drei von den Mussgu schwammen endlich als deichen cmf dem Wasser, der vierte jedoch war unbesiegbar, und die Kancmbu, die zwei der Ihrigeu verloren hatten, gaben ihn in der Verzweiflung auf. Nach diesem schimpflichen Sieg setzten wir nnseren Marsch fort, indem wir uns etwas nördlicher hielten, als auf nitserem Hinwege. Auch diese Gegend hatte denselben fruchtbaren und überaus aumuthigen Charakter; das ^and war dichtbewohnt nnd vortrefflich bebaut, auch viel Tabak ward hier gezogen. Die Ortschaften hatten deuselben Character der Wohlhabenheit, aber Alles ward weit und breit in Brand gesteckt. Nach solchen Heldenthaten kehrten wir nach nnserem Vager znrück. Die Entsernung desselben vom lifer des Stromes betrug etwa drei deutsche, Meilcu. Hier giug während der beiden folgenden Tage, ungeachtet des auf den 4. Januar fallenden mohammedanischen Festes Aid el Mulud, die vorläufige Theilung der Sklaven ruhig vor sich, uur gestört durch die klägliche» Scenen, die bei der Menge ganz kleiner Linder nicht ausbleiben konnten; viele von diesen armen Geschöpfen wurden schonungslos ans den Armen ihrer Mütter gerissen, um sie nie wieder zu seheu. Erwachsene Männer waren fast gar nicht darunter. Ich werde später noch einmal von dem Ausfall der ganzen Bente dieses Heereszngcs nnd vom Antheile des Heerführers sprechen. - (5s wurde in diesen Tagen immer noch viel von einein großen Zuge gegen die Tuburi gesprochen. Nr. Overweg und ich freuten uns herzlich darauf, weil eine felsige Höhe innerhalb der Grenzen dieses Stammes, die wir schon am Tage nusercr Ankunft iu der Ferne gesehen hatten, einen sehr erwünschte!, Ueberblick über diese ganz flache Landschaft gewährt haben würde. Trotzdem aber, daß auch die Fnlbe, denen dieses freie Heidenvolk ein Dorn im Ange war, dringend auf der Ausführung des Zuges bestanden, ward schließlich doch nichts daraus. Der schlaue Vezier behanptete später gegen uns, daß er jenen HeereSzng aus Politik vermieden habe, nm diese letzte Schranke des rastlos sich ausbreitenden Volts der Fulbe auf dieser Seite nicht .— 33 — mit eigener Hand niederzureißen. Der Usurpator Abd e' Rahman drang im Anfang der Regenzeit 185,4 bis iu's Tuhuri-^aud vor, offenbar nnr alls Ehrgeiz, um sich rühmen zu tonnen, weiter vorgedrungen zu sein, als sein damals glücklich von ihm besiegter Nebenbuhler, der Vczier; dadurch ward es Hcrru l)r. Vogel möglich, seine Forschungen ebenfalls bis in diese Landschaft anszndehnen. Am 5. Januar schloß ich mich einen: andern Streifzug an, welcher unter der ^eituug des jungen Prinzen von Voruu nach dem Südosten unternommen werden sollte. — Noch vor Tagesanbruch verließen wir das enge Thor des Verhackes nnd pasfirtcu, als es eben hell wurde, das erste ziemlich breite Wasser des weiten Ngaldjam von Wulia, faildeu aber große Schwierigkeit bei dem Dnrchrciten eines zweiten stehenden Gewässers mit tiefem, morastigem Sumpfboden. Endlich hatten wir anch dieses hiuter uus und glaubten schon Alles überwunden zu haben, als wir plötzlich ein drittes ungleich tieferes Wasser vor uns sahen. Dieses machte jedem Gedanken an eine Uebcrrnmpelung der Eingeborncn ein Ende; fast eine Stunde staten wir im Mioraste fest nnd erst nach zweistündiger Anstrengung gclangteu wir hinüber. Dieses Wicscnwasser muß, wenn sein breites Bett ganz gefüllt ist, offenbar einem großen, unabsehbar langen Binnensee von 1^-2 Stuudcn Breite gleichen. Ueber einen Theil dieses Bettes, jetzt trockenen Wiesenboden, ging es dann rasch weiter; dennoch war Alles in den ersten Weilern, die wir erreichten, geflohen. Wir näherten nns nnu abermals dem großen Fluß von Logonc, und zwar über saudiges, gut bebautes ^and, uud nachdem wir eine ansehnliche Ortschaft passirt, die noch zum ausgedehnten Ganc Wnlia gehörte, erreichten wir kurz vor 11 Uhr das weitere oder Ueberschwemmnngsufer des Sserbewuel, bis zn welchem er sich m der Regenzeit ausbreitet, nm dann bei seinem Zurücktreten weit ausgedehnte Wasserleiche zurückzulassen, die eine Fülle des frischesten Krautes auf dem flacheren Graslande nähren. Dieses Ufer war etwa 8 Fuß hoch; au der Stelle weiter abwärts, wo wir deu Fluß vor ein paar Tagen berührt, war es nicht so ansgrbildct, dort aber war das erste Ufer höher. Auch am Bennc war es der Fall, daß an einigen Stellen ein sehr bestimmtes Ufer gegen den höchsten Stand der Ueberschwemmung gebildet, an anderen aber die Linie, die der Fluß, wenn er über seiu eigentliches Bett hiuausgetreteu ist, erreicht, auf flachem, grasigem Ufer unbestimmt gelassen war; nnd es ist das der natürliche Charakter aller Flüsse in diesen Zonen. Vacth'K Reisen. II, 2 ------ 34 ------ Etwa 2000 Schritt innerhalb dieses äußeren grasigen Ufers war das hier .nur 10 Fuß hohe, sandige innere Ufer, das den Strom jetzt begrenzte. Er kam hier von S. 25 O. (magnetisch), verließ jedoch etwas unterhalb der Stelle diese Richtnng, um eine andere, nach West bei Nord, zu verfolgen; weiter aufwärts war sein jenseitiges Ufer reich mit Bäumen bewachsen, unter denen Deleb- und Dum-ftalmcn hervorschauten; Dörfer aber waren nicht zu sehen. Es soll jedoch hier am östlichen Ufer eine Ortschaft Namens Kar liegen. An der Stelle, wo wir den Fluß erreichten, war er ansehnlich breit, wenigstens 1200 Schritt, und bildete eine Sandinsel. Dies war offenbar der Grund gewesen, weshalb man den Naubzng nach diesem Punkte gelenkt hatte; denn man hoffte, der Fluß werde hier eine Fnrth bilden, was auch zuwcileu nach spärlicher Regenzeit der Fall sein mag nnd selbst dieses Jahr in Zeit von 2 Atonalen cin^ treten sollte. Augenblicklich aber war der Strom ohne Boote nicht zn dassireu nnd die raubgierigen Schua ritten verzwciflungsvoll zwifchcu der Insel und dem westlichen Ufer hin und her. Auch ich wandte mich nach der Insel, obgleich ich schon sah, daß an ein weiteres Vordringen nicht zu denken sei. Der erste breitere Arm war an der tiefsten Stelle nur 18 bis 19 Zoll tief und mußte in kurzer Zeit ganz austrocknen, wo dann die Sandbank das Knie dieser Flußbiegung bilden würde; der östliche Arm aber, der nur etwa 200 Schritt breit zn sein schien, war von ansehnlicher Tiefe, und hier floß der Strom mit bedeutender Gewalt. Es wäre um so gefährlicher gewesen, sich hineinzuwagen, als das gegenüberliegende, nur etwa 4 Fuß hohe Ufer vou einer Anzahl hochgewachsener, kräftiger Eingeboruen besetzt war, die sich über unsere Unfähigkeit, den Fluß zu ftassiren, lnstig machten und offenbar bereit waren, jeden sich Hiniibcrwagcnden gastfrenndschaftlich zu empfangen. Hedoch anch sonst Waren sie nicht ganz uuthätig, diese Passage, welche allein ihre gc flüchteten Familien drüben schützte, zu vertheidigen; es fuhren nämlich etwas oberhalb im Flusse vier Kähne ans und ab, — drei davon mit je vier, das vierte größere aber mit zehn kräftigen Gestalten bemaunt. So stand ich deun an einen» andern Gliede jener lang gewundenen Kette vou mehr oder minder schiffbaren Strömcu, welche die La'nder Mittel-Afrita's durchziehen und kleinen Fahrzengcn in gewissen Jahreszeiten wenigstens eine Wasserstraße von der Bai von Benin nach dem Becken des Tsad zu eröffnen scheinen. Wirklich scheint die ____ I5 ____ Strecke von der Mündung dos Kuara bis zur Einmündung des Mayo Kebbi in feinen großen östlichen Nebenarm, den Bcnne, 12 bis 13 deutsche Meilen oberhalb des Taepc, fiir Äoote von nicht mehr als etwa 3 Fuß Tiefe ohne weitere Vorkehrung schiffbar; aber der May» Kebbi ist in seinem gegenwärtigen, sich auf flachem Grasboden weit ausbreitenden Bette allen: Anschein nach nnr für ganz flache Kähne, wie die der Eingeborncn, fahrbar. Diese tonnen mm beim höchsten Wasserstande unzweifelhaft bis Daua (im Tnbnri Gebiete) hinauffahren, wo Herr I)i-. Vogel jenes sich seeartig erweiternde große Becken besucht hat, daß ihm ein selbstständigcr ccntralcr See zu sein schien. Wenn von hier aus nicht wirtlich eine Bifnrtation «ach dem Sserbewnel oder oberen Flusse von ^ogone existirt, nämlich vermittelst des großen, breiten Ngaldjam von Demmo — was sehr wahrscheinlich ist') —, so beträgt doch die Wasserscheide höchstens 5' deutsche (geographische) Meilen, und zwar ganz flachen Vandes, während wohl ohne Zweifel das sich an die Granithöhe von Tnburi anschließende Felslager ganz umgangen werden kann. Das Niveau des Tsad scheint ganz dasselbe zu sein, wie das des oberen Äenue zwischen dem Tacpe (der Berbindnng mit dem Faro) und Gcwe oder der Cinmündnng des Mayo Kebbi; wenigstens erhebt sich der Bcnue an der erwähnten Stelle allem Anschein nach nicht mehr als 8l>0 bis 900 Fuß über den Meeresspiegel. Dieser flache Arm muß also fast eben so viel Gefalle haben, als der Fluß von ^ogone von Wulia an bis in den Tsad. — Diese reiche Ausstattuug der Natur wird, wie ich hoffe, eines Tages ansgebcutet werden, obgleich hier alle Verhältnisse erst eine Grundnmwälzung erfahren müssen, bevor ein regelmäßiger friedlicher Verkehr eingeleitet werden tann. Als wir uns endlich entschlossen, unseren Rückmarsch anzutreten, zogen wir erst ein wenig am westlichen Ufer abwärts. Hier hatten anf einer schmalen, steil abgerissenen Insel, die nnr dnrch einen engen, aber tiefen Kanal von: Festnfer losgetrennt war, ein Dutzend beherzter ^'iuste- ') Herr Dr. N. Petermann hat mich in seiner klaren Anschauung fiir geographische Verhältnisse darauf aufmerksam gemacht, daß die größere Wasser-menge, welche ich im östlichen Theile des Ngaldjam fand, wo ich e? am k. Januar (aus dem Hinwege des ZuaM Passirte, dafür ;n sprechen scheine, dah es sich in dieser Richtung absenke mid also mit dem Tud>iri uud die Dumpalme — beide bisweilen in seltruer Grnppirnng vereint —, der wilde Feigenbaum uud Akazienarten hauptsächlich ihre Vertreter. Unter deu künstlicheu Kulturen zogen die Baumwolle, welcher wir hier zum ersten Mal im Mussgn^ande begegneten, und der Tabak, deu wir jetzt häufig antrafen, uuserc Aufmerksamkeit besonders auf sich; wir warcu nicht wenig erstaunt, beide sogar auf einem und demselben Feld neben einander geballt zn sehen. Es schien uns ausgemacht, daß der Tabak hier einheimisch sei, wie denn anch nicht allein die Männer, sondern anch die Flauen im Mussgu-^ande leidenschaftlich rauchen. Am 9. Januar verließen wir den Distrikt Wulia, der entschieden einer der fruchtbarsten und am reichsten bewassertcu Striche dieses Kontinents, ja der ganzen Erde ist, und betraten eine verödete Grenz- ____ gg ____ landschaft, welche bald aus grünem Sumpfland bestehend, durchwühlt doll Taufeudeu von Elephanten, bald mit dichtem Wald bedeckt, die Scheide zwischen Wulia und dem schou von uus allf dem Ansmarsch durchzogenen Gau Barca bildet. Der hier wohnende Atussgu-Staunn, die Abare, war nicht zeitig geuug vor dem nahenden Feind gewarnt worden, und hatten, als wir Plötzlich aus dieser Wilduisi anf sie horeiubrachcu, kaulu Zeit, aus ihrer Dorfschaft in ein östlich davon gelegenes Dickicht zu flüchten. Dort kam es zu einem ziemlich ernste haften züuupfe, in welchem bicÄornaner nnr durch ihre Nebermacht siegten. Die Beute des heutigen Tages war ziemlich bedeutend, bcsouders au Rindvieh von der gewöhulicheu kleinen Art des Mussgu Viehes; doch auch Sklaven wurden iu ziellllicher Menge eingebracht, zum Glück aber Ware» wir wegcu der Eutferuuug des Schlachtfeldes des Anblicks der hingeschlachteten Unglücklichen überhoben. Wir lagerten in geringer Entfernung von unserem früheren Lagerplatz bei Kakala (28. Dez). Kurz vor dem Dorfe passirten wir ein umfangreiches Reisfeld, wobei es mir auffiel, daß wir in Wulia uichts von wildein Reis geseheu hatten. In einer der zerstörten Hütteu fand ich die ucbeustehend abgebildete dreispitzige Vanze oder Harpune, einer gewöhnlichen Hengabel sehr ahnlich, nnr mit dem Unterschiede, daft die mittlere Spitze ungleich läugcr war; auch der Stiel war sehr laug, ungefähr 8 Fnsi. Sie war wahrscheinlich mehr zum Fischstechen als zur Waffe be-stimmt; soust wäre sie wohl jetzt nicht zurückgelassen worden. Uebrigens wurde ja auch dcr römische tricksn« zu beideu Zweckeu benutzt. Iu t'urzeu Märscheu durchzogen wir vou hier aus die Vaud> schafteu, die uus uoch vou der uördlichen Grenze des Mussgu-Ge^ bietes trennten uud die au Reichthum des Bodens nnd Wasserfülle ganz dem Charakter vou Barea eutspracheu. Wirklich scheint das ganze Mussgu^aud den Namcu eiucs afrikauischen Holland zu verdienen. Auch die znnächst jenseits dcr Grenze vor nns sich ausbreitenden Vaud. striche, die wir aufaugs iu geringer Entfernung westlich vou unserem frühereu Pfade und dauu, denselben etwa drei Meilen südlich vou Kade, dcr Resideuz des Adischcu, kreuzend, östlich davon durchzogen, gewährten uus uoch mauches aumuthig üppige landschaftliche Bild, belebt vou jeucu charakteristischen flußartigen Rinnen. Au eiuem dieser Puukte, der zur Ruhe iu dem Schatten der schönsteu Akazien uud Karage-Bäume einlud, überfiel die Vagernden ein Schwärm grosier Viencu mit solcher ____ Z9____ Heftigkeit, daß es nur durch das Anzünden starker Nanchfeuer gelaug, sich dieser klemm Geschöpfe zu erwehren, welche das Ungemach ihrer Herren an den frechen Eindringlingen schienen rächen zu wollen. Es ist Wannt, daß Bienenschwärme fast die Auflösung des zahlreichen Trusses der zweiten Expedition Mungo Part's, so wie anch derjenigen Major Grey's vernrsachten. Ich hatte übrigens vurher nie Bienenzucht im Mnssgu-^and beobachtet; hier aber waren zahlreiche, aus dicken aus-gehöhlten Baumstämmen bestehende Bienenkörbe in den größeren Bäumeu aufgestellt. Am 14. Iauuar durchzogen wir zum letzten Mal eine jener mit den eigenthümlichen Reizen des Bandes geschmückten Gegenden nnd erfreuten nns noch einmal an dem Anblick eines besonders schönen, klaren Flusses, der zwischen einem herrlichen Scmm von Dclebpalmen gar aumuthig dahinzog. Schon am Tage vorher hatten wir ihn an einer Stelle berührt, an welcher er hundert Schritt breit sein mochte, nnferu des Zusammenflusses mit einem kleineren, ähnlich gezierten Arm; da, wo wir zum zweiten Mal an ihn herankamen, war er bei abgeflachten Ufern bedeutend breiter. Hier bemerkten wir ausnahmsweise ciu Flußpferd; der Grund davon, daß wir dieses unförmliche, aber friedliche Thier so selten in diesen Gegenden sahen, lag wohl darin, daß der ^ärm der großen Hceresmasse es überall verscheuchte. Sobald wir das schöne Gewässer aus den Angeu verloren hatten, nahm uns eine über alle Maaßen trübselige, öde Landschaft auf, deren Bewohner sich offenbar nnr vom Fischfang nährten. Die Paar verödeten Weiler, die sich zeigten, tonnten nur wenig dazn beitragen, den Anblick zu beleben. Weiter über ausgetrocknetes Sumpf> land mit verkrüppeltem Banmwnchs und über dürftige Ackerfelder erreichten wir Äaga, etwa eine Meile nordöstlich vou Kade, nachdem wir kurz vor den« Ort nochmals einen 40 bis 50 Schritt breiten Komadngu überschritten hatten. In Baga nahm die Banweise der Hütten und Gehöfte meine Aufmertfamkcit besonders W AnsPrnch; namentlich war die Behausung des gcflüchteten Häuptlings recht interessant, sowohl wegen der vortrefflichen Ansführung des Baues an uud für sich, als auch wegeu der behaglichen Häuslichkeit, welche sich in dem Ganzen aussprach, beider ließ die gesammte Einrichtung des Palastes sich nicht mehr erkennen, da alles Holzwert weggebraunt war, besonders die dic inneren Gehöfte ausfüllenden Schattenhallen. Das Ganze war jetzt cm leerer, offener, ziemlich abgerundeter, Hofraum von großem Umfauge, 40 rings umher von mehr odcr weniger zerstörten Hütten umgeben und an den vier Ecken, wenn man bei einem fast rnnden Gebäude von Ecken sprechen darf, mit höchst eigenthümlichen und reich verzierten Räumen versehen, die meine Aufmerksamkeit zuerst auf sich zogen, da sie von einem Kunst- und Ordnungssinn zelteten, den ich hier zu finde» nicht erwartet hatte. Es waren tleine, runde Gemächer von etwa 6 Fuß Durchmesser und wenigstens 12 Fuß Höhe, eingeschlossen von dicken, äußerst sauber geglätteten Thunwäuden und mit einem ganz engen, etwa 14 Zoll breiten und durch ein vorspringendes Portal verlängerten Eingang von 6 Fuß Höhe versehen. Das Aenßerc war auf regelmäßige Weise höchst eigenthümlich geschmückt, indem Reihen aufspringender Rippen oder Wnlste um das Ganze herumliefen, Wie es der nebenstehende Holzschnitt darstellt. Diese eigenthümlichen Kammern, nach der Analogie schon oben beschriebener ähnlicher Magazine, nnd nach der Anssage der bellte, wa^ rcn nichts als wohlgeschützte ziornbehältcr, dicutcu aber vielleicht zugleich als Schlafzimmer in der kalten Jahreszeit. Sie fanden sich an allen vier Ecken ganz genau vou derselben Bauart, aber der Nordostwinkel des Gehöftes war in dieser Hinsicht von ganz besonderem Interesse, weil hier mit diesem Magazin eine andere überaus eigenthümliche Räumlichkeit verbunden war, die eine sehr schöne Idee eines gemüthlichen häuslicheu Bebens giebt, wie man es Wahrlich bei diesen Leuten nicht erwartet. Hiervon versncht der nachstehende Grundriß eine Vorstellung zu geben. Es war ein rundes, unbedecktes Gemach vou etwa 24 Fuß Durchmesser, umgebeu von einer etwa 7 Fnß hohen und 1 Fuß dicken Thonmaner, welche oben nnd an den Ecken sorgfältig abgeputzt war. Sobald inan durch den 4 Fuß hohen und etwa zwei Fnß breiten Eingang getreten war, hatte man gleich zur Linken eine mit der Wand parallel laufende und mit ihr einen 2z Fuß breiten Raum abschließende, etwa 16 Zoll hohe nnd 1 Fnß breite Thonwand oder vielmehr Thonbank (4), die sich um mehr als die Hälfte des Umfangs des Gemaches herumzog, aber, um einen leichteren Zugang zu dem schmalen Gange zwischen ihr nnd der ------ 4l ------ Wand zu gestatten, etwa in der Mitte unterbrochen war, indem die beiden Enden der so gebildeten Baute mit vorspringenden Absätzen versehen waren. Der so abgeschlossene schmale Raum war znr Stallung für drei Kühe bestimmt, deren jede an eitlen besonderen Pfahl angebunden ward. So hatte die niedrige Wand entschieden zwei ganz verschiedene Bestimmungen, indem sie einmal als Absondernngsmittel, dann aber auch alö Sitzbant diente, die sich um den eigentlichen Mittelpunkt dieses Gemaches herumzog, eine Schattrnhalle, die durch ein auf vier Pfählen ruhendes Dach aus Rohr und Kräutern gebildet war und den deutlichsten Beweis lieferte, daß dies Gemach nicht etwa als unvollendet, etwa noch der Bedachung entbelp-end, sondern ganz entschieden als ein ,,«ul> äiu" abgeschlossener, offener, tlriner Hofranm anznsehen sei. Rechts von diesem Schattendach war die Kochstelle (5), eine in ihrer Art höchst sauber und uett eingerichtete Küche, cinge-schloffen von zwei ganz niedrigen Thonwänden und gebildet von vier steinartig geformten Thouaufsprnngen von etwa sechs Zoll Höhe, die eben auf sehr einfache Weise zwei Kochstellen zum Aufsetzen von Töpfen darboten, während sie einzeln von je drei Steinen hätten gebildet werden müssen. Zwischen der Küche, dem Schattendach und dem Ende der Thonbant, gegen die erstere noch durch eine besondere Mauer abgesperrt, führtee in breiter Gang auf dasjenige Gemach (8), welches wir als Kornmagazin leunen gelernt haben und daS mit einer feuerfesten Maner, ungleich dicker als die des eben beschriebenen offenen Nanmes, nmgeben war; aber der Gang war vermauert uud bildete jetzt nur einen Re;eß zn irgend welchem Zweck. Zwischen der Kochstelle nnd der Thür war ein von zwei schmalen Scitenwänden eingeschlossener Raum, der wahrscheinlich nach der übereinstimmenden Einrichtung anderer Hütten dazu bestimmt war, die Wasseruruc zu halteu. Diese vier so sorgsam abgeschlosseneu und überaus warmeu Gemächer waren dem Bezier bei der ansehulicheu Kälte, die wir hier wähteud eines mehrtägigen Aufenthaltes zu ertragen hatten, höchst er^ wünscht, indem er barin seine Sklavinnen nnd sich selbst behaglichst einquartieren tonnte. Die Kälte an diesem so ansgesetzten Platze war so empfindlich, dasi die ganze schwarze Welt und die beiden Weiften obendrein umtmnmen zu müssen glaubten. Iu der That, die armen nackten, aus ihren warmen Hütten gerisseneu Mussgu-Stlavcn er-holten sich erst wieder um Mittag, währcud sie in der Nacht vor Kälte geschrieen; dennoch zeigte das Thermometer am Morgen dcs ____ 43 ____ 15. Innnar etwas vor 6 Uhr immer noch 10z " C. (8,4" N.), die größte .Ailte, die wir cmf dieseiu Zuge erfahren; um Mittag stieg es auf 3(^ " M, l"N.). Während des vorhergegangenen Marsches war der 13. Januar ein sehr kühler Tag gewesen init 29" C. (23,.," ^t.) im Banmschatten 1^ Uhr ^iachinittags bei frischem Nordwind. Das Thermometer stand in dieser Zeit gewöhnlich bei Sonnenaufgang zwischen 13z" und 15" C. (10,»" und 12" R.), bei Sonnenuntergang zwischen 23.z<' und 25° (5. (!«„" und 20,," R.). Der Grund, weshalb wir in dem so höchst nnerfreulicheu Baga mehrere Tage liegen bleiben mußten, war, weil mau beabsichtigte, hier die ganze Beute zn theilen, ehe wir das feindliche (Gebiet verließen, da, auf befreundetem Boden angekommen, natürlich nichts mehr diese nndiSciplinirtcu Banden zusammenhalten konnte. Dies ist die gewöhnliche Sitte anch im Wadai und Dar-For. Obgleich die Nhasia an den einzelnen Punkten nicht besonders glücklich gewesen zn sein schien, so belief sich doch die gesammte Beute auf eine gute Menge Sklaven, wie angegeben wnrde, 1()/)M, aber wahrscheinlich nicht mehr als etwa 3 ständigere Politik von Seiten der mohammedanischen Staaten wäre, die heimgesnchten heidnischen Völkerschaften ihre schönen Bänder in Nnhe bestellen zn lassen nnd sich damit zn begnügen, einen ansehnlichen Tribnt zn erheben. Allein abgesehen davon, daß die Moslemin in der Ueberzmgnng, diese Unglücklichen verdienten als Heiden eine solche Behandlung, gegen deren beiden stumpf siud, muß umn wohl bedenken, welche andere Art von Tribnt jene denn erheben sollten. Bieh hat nicht viel Werth für sie, eben so wenig Korn nnd andere Bodenpro- ------ 43 ------ duttr; Stladen sind also das Einzige, was dich' Heiden ihnen liefern lönnen. Dies Alles wird aber anders worden, sobald eiu regelmäßiger friedlicher Handelsverkehr auf dem Benue in das Herz dieser Länder eröffnet ist nnd eine stete Nachfrage nach den natürlichen Erzeugnissen derselben stattfindet, als da sind Baumwolle, vegetabilische Butter, Erdmaudeln, Elfenbein, Rhinoceroshürner, die Fiber der (vn^otio^i« oder ^,8o1o^in,8 ^^nnwn,, Wachs, Häute und unzähliges Andere. Am 19. Januar setzten wir endlich dun hier nnseren Rückmarsch nach Kutana fort. Bald betraten wir den breiten, oben ansfülirlichrr beschriebenen Waldgürtel nnd langten in knrzen Märschen am 2A. Ia-nnar in Wasa an, i,n Gebiete von Vogone, der südöstlichsten Tributär-Provinz von Voruu. Hier wnrden wir feit langer Zeit znni ersten Male wieder durch den Anblick einiger nennenswerthen Erhebmigen des Bodens erfreut, durch welche dieser Gan vor den flachen Allnvial^ Ebenen Bornn's nnd des Mnssgn-Vaudrs sich auszeichnet. Wir bezogen ein ^'ager in der Thalebene zwischen zwei sehr malerischen steilen Felshöhen; am Fnße der westlichen befand sich in einer geränmigen Hohlnng des Bodens ein Wasserbecken, geschmückt mit einer Gruppe schöner wilder Feigenbäume, beider mnsite ich mich mit dem Anblick der herrlichen Scenerie begnügen, denn ich fühlte mich nicht start genug, die Höhe von nnr 7<»0 Fnß') über der (5bcne zu ersteigen; Dr. Overweg dagegen, welcher sich damals einer bessern Oesnndheit erfreute als ich, erstieg den Gipfel der westlichen Höhe. Diese Fels-erhebnngeu sind zahlreich von schwarzen Assen besncht und selbst Raubthiere haben hier iu großer Menge ihr Lager; sie bestehen aus Granit, dessen Nisfe nnd Spalten mit kleinen Bäumchcn nnd Sträuchern geschmückt sind. Noch einmal, ehe wir wieder auf unsere alte Straße zurückkamen, lagerten wir nach einen: guten Ritt durch einen sehr reichen, aber umPnngend bebanten Strich Vandes in lurzer Entfernnng von eiuem seichten Gewässer, das von ansehnlicher Breite und mit den schönsten Bäumen geschmückt war. Diese Oertlichkcit heisst Senghiri, ein Name, der höchst wahrscheinlich mit der Unvermeidlichteit der Wasserpassage ün Zusammenhange steht; denn wir werden denselben Namen da ') Herr vr. Vogel, dcr diesen Punkt gleichfalls im Jahre 1854 besuchte. Wnd die Erhebung dcr Ebcue 920 F»b über dem Meere, während dir beiden 'Vohni bezüglich 1ö00 und 1000 Fuß crrcichteu. ____44 ____ wiederfinden, wo wir auf dem Wege von Kukana westlich den Koma-dugu von Burnu zn überschreiten haben. Von diesem Senghiri ans erreichten wir mit mäßigem Marsche Diggera und nahmen Quartier in nnscrein alten Vager, ja wir schlugen unsere Zelte über demselben, noch vollkommen kenntlichen, Kreisrund ans, wo sie vur zwei Monaten gestanden hatten. Alls dein weiteren Marsche von Diggcra ans machten wir mm jeden Tag an demselben Platze Halt, wo wir anf unserem Ausmarsch gelagert waren, bis wir Ngornu erreichten. Bei unserem Einzug in dir Hauptstadt, au, 1. Februar, wurde viel Ceremonie und Etiquette beobachtet, und die ganze Heeresmasse, zum wenigste» derjenige Theil derselben, welcher nuch nicht entlassen war, wnrde in dichter Schlachtliuic aufgestellt, nm auf ehrenvolle Art die militärischen Begrüßungen entgegenzunehmen, welche dem Anführer bei seiner siegreichen Rücklehr dargebracht wnrden. Ausgezeichnet vor Allen, welche zur Begrnßnng kamen, war Nhet, der Häuptling der Uillad Ssliman, der hier vor ein paar Tagen von Kanem eingetroffen war; indem er an der Spitze einer kleinen Schaar von 20 bis 30 Reitern, dnrch malerische Tracht ausgezeichnet, iu schnellster l^arriöre heransprengte, gewährte dieser kleine Araber-Häuptling mit seinen Reitern ein interessantes nnd lebensvolles Beispiel von Reitkunst, das einen auffallenden Gegeusatz gegcu die schwerfälligeu Bewegungen der ungelenken nnd trägen Gestalten der Neger bildete nnd nns einiger-maaßen mit unsereu Gefährten auf dem Kanen^Zngc aussöhnte. Auch uuö selbst, die bcidcu fremden Wanderer, erwartete bei den« Wiederbetreteu unseres alten Quartieres iu der Stadt eine außergewöhnliche Bewirthnng, indem wir mit einem besondere«, aber von der Jahreszeit abhängigen Leckerbissen der Kanori, bestehend aus dem frischen Samen des „masr" (/(.>k Na^) genannten Kornes, der in eigenthümlicher Weise geröstet wird, trattirt wurdeu. — Das war der Ausgaug eines Feldzuges, der uns eiucn leichten Fernblick in die reich bewässerte Zone der Acquawriallandschaftcn eröffnete, wo sich wegen des geringen Befalles der Flüsse, bei der nngeheneren, ihnen plötzlich zugeführtcn Wassermenge, unzählige Hin-tcrwasser nnd seichte Wasferläufe auf mnldeuartig uur wenig ausge-tieftem Wieseugruud bildeu. Uud doch hatte mau von eben diesem, einen großen Theil des Jahres der nngeheucreu Wasserfülle wegen fast unpassirbarcu, Andergürtel die Meinuug gehegt, daß er als hohe Gebirgskette eine unübcrsteigliche Barridrc bilde. Dieser Zug hattc ------ 45 —^ uns ferner mit Stämmen in Verbindung gebracht, die als dem Zustand wilder Vestien sich nähernde Wilde dargestellt worden waren, während wir bei ihnen manche Keime eines bescheidenen menschlichen Glückes fanden. Uni so mehr war es zn betlagen, dasi Wir jene Gegenden nicht nnter solchen Umständen hatten betreten können, wie es für uns wünschenswerth gewesen wäre; Kur hatten nns aber leider in der Nothwendigkeit befnnden, uns mit einer Heeresmacht in Verbindung zn setzen, deren einziger Zweck war, iiber diese in ihrem kindlich natürlichen Znsland sich glücklich fühlenden Menschen Verheerung und Elend zu bringen. Zweites Kapitel. Mreise »ach ^aalM-mi. — Mkxnst ill ^llasesia. Während unsere afrikanischen Gefährten nach gliicklich beendetem Feldzllg sorglos ihrer Heimath sich freueu konnten, die Brl,>iglichkeit ihres Hauses doppelt angenehiu empfindend nach den Beschwerden des Marsches und der Unrnhe deö Lagers, — inußteu wir beiden Europäer alsobald darauf siuneu, wohin wir auf's Neue unsere Schritte lenken sollten. Schuu iui ^agcr bei Wasa hatten wir die unangenehme Nachricht erhalten, daß cm Vutc von Fesan in Kulaua anbekommen sei, unterwegs aber von den Tuareg aller Briefe uud anderer für uns bestimmten Gegenstände beraubt worden wäre. Obgleich wir mm damals nicht erwarten konnten, Geld oder sonst irgend etwas von großem Werthe zu empfangen, so würde doch schon der kleinste Zuschuß zu unseren Hiilfsmittelu äußerst angenehm gewesen sein, da dieselben gänzlich erschöpft waren. Fest cutschlosscu, mein Glück noch einmal in einer andern Richtung zu versuchen, ehe ich nach (Europa zurückkehrte, verkaufte ich alle nur cinigcrmaaßen entbehrlichen Gegenstände, um mir die Mittel zu verschaffen, dm Rest meiner Ncise-zurüstuug zu ciucm ucucn Unternehmen wieder iu brauchbaren Stand zu setzen. Iu Bezug auf die einzuschlagende Richtung war die Nachricht entscheidend, welche zu jeuer Zeit uach Äukaua gelangte, daß der Sultan von Baghirmi auf einein Zuge nach dem südöstlichen Theile seines Gebietes begriffen sei; dabei versicherte mau mir, daß, obgleich cr selbst bereits vou seiuer Hauptstadt abwesend wäre, ich doch ohne große Schwierigkeit bei seinem Vice-Statthalter Zutritt uud von demselben die Erlaubniß erhalten könne, mich jenem Zuge auschließeu zu dürfen. So empfing denn der schon lange von mir gehegte Wunsch, die südlichern Provinzen von Baghirmi zu besuchen, deren Bereifung auf meine eigene Hand geradezu unmöglich gewesen sein würde, frifche ____ 47 ____ belebende Nahrung. Ich wendete mich also an den in Kukana residi-rcndcn Agenten jenes Fürsten, einen Eunuchen, welcher in der zweiten Schlacht bei Ngala ') von den Kanori gefangen worden und seitdem zur Würde eines Mestrema (d. i. des ersten Ennnchen des Harems) am Hofe von Vornu emporgestiegen war. Derselbe empfing mich zwar sehr kalt, obgleich ich ihm ein tleines Geschenk mitbrachte, und machte mir wenig Hoffnung auf Erfolg; dennoch war ich entschlossen, die Ncisc anzutreten. Meine Ausrüstung war gering, ja armselig; denn sie bestand nur alls meinen beiden sehr mittelmäßigen Fesaner Dienern, einem Pferd und eiuem einzigen Kameel. Als ich daher am 4. März 1^52 meine Ncise autrat, geschah es keineswegs mit dem zuversichtlichen Muthe, der mir sonst eigen war und der des Erfolges sicher ist; allein ich wollte, wie gesagt, noch einen letzten verzweifelten Versuch wagen, um etwas auszurichten, bevor ich das ^and gänzlich verließ; denn ich war fest entschlossen, nach Europa zurückzukehren, falls nicht endlich ueuc Mittel eintreffen sollten. Dr. Overtvcg begleitete mich bis jenseits Ngornn. Von dort aus wollte er mit dem uns befreundeten Kaschella Kotoko einen Ansflng längs des Seenfers nach Maduari machen, demselben Orte, wo ihm binnen weniger Monate zu erliegen beschieden war. Ich übergehe die beiden ersten Marschtage, welche bis zur Stadt Icdi über bekanntes Terrain führten, uud bemerke nur noch, daß mir der Mestrema einen Gelcitsreiter mitgegeben hatte, aber keineswegs einen Mann, wie ich ihn mir wüuscheu mochte. Hätteu Ethnologen seine Gcsichlszüge als den allgemeineu Typus der Ncgerrasse aufge^ stellt, so hätten sie sich wohl für berechtigt halteu köuueu, der letzteren eher eine Verwandtschaft mit dem Affen als mit dein Menschen bei-zumessen. Sein gcmüthloses uud dabei eingebildetes Wesen entsprach seinem Aeußcrcu vollkommen. Auch seine Fran schloß sich nns an, mn ihre Familie in Baghirmi zu besuchen, die wenigstens im Ver ssleich mit ihrem Mann eine ganz leidliche Person war. Später gesellte sich auch noch ein interessanter, in seiner Weise gebildeter «nd mittheilender Emgeborncr zu nns, Namens Kago, dcm ich manche Belehrung verdanke. Die Wasser des großen Sumpfscc's, dessen Ufer wir in nicht ') Scheich Mohammed e< Kanemi beendctt dinch den Sieg bei Nqala 1N24 den »anssjährissen Kampf mit Vaghinm. ------ 48 ------ großer Entfernung folgten, hatten bereits beträchtlich abgenommen, nnd schöne, frische, von zahlreichen Heerdcn bcwcidetr Matten bloßgelegt, während kleine, nach dein Zlirüätreten der Hluth stehen gebliebene dachen die einförmige Ansdehnnng der Ebene unterbrachen. Auf diesen fruchtbaren Gründen wird in großer Menge Baumwolle gezogen, aber ihr Anbau lünnte »wch weit stärler betrieben werden. Bon Irdi aus verfolgten wir am Morgen des tt. März die gerade Straße nach Ngala. Der von uns eingeschlagene Weg verlief etwas südlicher als der, auf welchen, Major Denham 1^24 längs des Siidufers des Tsad reifte; letzterer ist wegen der Uusicherheit der von ihm berührten Landschaften gänzlich aufgegebeu nnd diese selbst sind seit jener Zeit zum Theil von ihren Bewohnern verlassen worden. Die Gegend bot wenig Unterhaltnug dar; wenn auch ziemlich reich an Ortschaften, zeigte sie doch nnr geringen Anbau uud bestaub zumeist iu waldiger Wilduiß mit mittelmäßigem, einförmigem Baum^ wuchs; doch war mir eine Gruppe baumartiger Euphorbiaceen eine neue ErscheilNlug unter den schon bekannten Pflauzenformen. Kleinere Euphorbicu hatte ich in Damerghn nnd anch iu Hanssa gesehen, seitdem aber war mir diese Pflanze im Sndan nicht wieder zu Gesicht gekommen; hier nnn bildete sie Bäume von W—35 Fuß Höhe, deren saftvollc, üppige, fattuöartigc Blätter recht ausfallend gegen das einförmige dilrrc ^anb der sie umgebenden Mimosen abstachen. Nirgends wieder sah ich die Enphurbic eine solche Höhe erreichen. In Uebereinstimmung mit dem Charakter des Bandes lebten die Bewohner — bald Tchua, bald Kanori, bald beide gemischt — nicht eben im Wohlstaud, znm Theil geradezu in Dürftigkeit. Verschiedene Arten des eßbaren, Krcb oder itaschc, genannten Grases, mehr oder weniger identisch mit der I'ua, ^d^inil^, oder die zahlreichen, das sumpfige Secufcr bcwohuenden Wasservögel, unter denen viele wilde Gänse und tonten waren, wurden zur täglicheu Nahrung verwendet, wo es an Getreide mangelte. Wo Säma leben, fehlt allerdings die Viehzucht nicht; doch wareu bereits viele Abtheilnugel» dieses Stammes ihrer Gewohnheit gemäß mit ihren Hccrdcu zeitweilig nach audereu Wohusitzeu gewandert. Als wir endlich den unfreundlichen Waldbezirt hinter nns hatten, mehrten sich zwar auf dem nnu folgenden Firki-Boden die Zeichen des Anbaues (Masfakna oder Winterkorn nnd Baumwolle), doch war die Einförmigkeit um so größer nud die erste unmuthige landschaftliche Erscheinung bot ein Rinnsal dar, welches wir am 7. März erreichten. ------ 49------ Es war der mit schönen Bäumen umsäumte Komadugu Imbnln oder Mbulu, der nach der Behauptung meines Gefährten Kago von dcu, Jaloe oder dem Komadugu, den wir znerst auf der Neise nach Ada-maua bei Alao und dann auf dem Mussgu-Zuge bei der Stadt Ditoa trafen, ganz verschieden ist, und nach dem, was ich auf meiner Rückreise in Erfahrung brachte, scheint Kago Recht zu haben. Das Rinnsal hatte gegen 12 Fuß hohe Ufer und eine Breite vou 60 bis 70 Fuß; die Tiefe des Wassers betrug jedoch zur Zeit nur 1^ Fuß und eine Strömung war nicht bemerkbar. — Der Baumwuchs blieb, auch nachdem wir dieses Gewässer verlassen, von größerer Mauuichfaltig-keit, wenn auch durchweg dun ziemlich geringer Höhe. Wir kamen bei vielen gänzlich Verlassellen uud verfalleueu Ortschaften vorüber uud erreichten am Nachmittage desselben TagcS die Thomnauern von Ngala, nachdem wir eine Strecke weit ein so durchwachsenes Walddickicht durchschritten hatten, wie man es kaum iu der Nähe eiuer großeu Stadt erwarten sollte. Das Innere der Stadt, obgleich in verfallenem Zustand, bietet doch ein s>ehr eigenthümliches Ansehen, wie nichts der Art im Sudan sich wiederfindet. Der gesammte altere Stadttheil besteht uämlich aus größeren Vehmwohuungrn, welche auf hohen Terrassen erbant sind; der Palast des Statthalters fiel mir besonders auf, deuu er sah mit seinem gewaltigen Unterbau und den hoch emporragenden Ringmauern ganz wie eine Citadelle alls nnd war wirtlich für dieses ^and ein Staunen erregendes Bauwerk. Es that mir daher einiger-inaaßen leid, daß der vortheilhafte Eindruck, wclcheu das imposante Aeußcre auf mich gemacht hatte, durch deu verfallenen und verödeten Zustand des Inneren wieder zerstört wnrde, als ich am anderen Tage dem Statthalter einen Besuch machte. Das mir selbst angewiesene Haus war iu einem leidlich baulichen Znstande und dasselbe, in welchem der junge Begleiter Major Denham'ö, Lieutenant Toolc, kaum 22 Jahre alt, im Jahr 15?24 gestorben war. Die Mundart der Einwohner von Ngala ist einerseits von dem Kanori vom Grunde ans verschieden, andererseits aber bietet sie auch ^on den verwandten Dialetten der audcreu bedeuteudereu Orte in dem Gau von Kutoto große Abweichungen dar; dagegen hat sie die engste Verwandtschaft mit der Sprache der Tsad-Insulancr nnd derjenigen der Mussgu. — Ngala ist anch in historischer Hinsicht ein bemerkenswerther Ort, denn hier, nordöstlich von der Stadt, wnrdcn im Kriege Muhcmnneb el Kanemi's gegen die Baghirmier zwei Schlachten ge- «« Reisen, II, 4 ------ 50 ------ liefert, die eine 1817, die unglücklich für den Scheich ausfiel und in welcher der Schattensultan Duuama seinen Tod fand, und die andere 1824, welche den Kampf zu Gunsten Bornu'S beendete. Ferner liegt hier in geringer Entfernung die Stadt Ndiffu, welche eine der letzten festen Plätze der Sso oder Sscu gewesen sein soll, eines früher weit verbreiteten Voltsstammes, der in dem historischen Abriß der Geschichte von Bornu mehrfach genannt wurde. Wir hielten einen Rasttag in Ngala und setzten am 9. März unsere Reise weiter fort. So wie im Westen der Stadt war auch im Osten derselben die Gegend einförmig, eine fast ununterbrochene Ebene mit schwarzem Thonboden, die sich jedoch zur Regenzeit in ein unermeßliches Getreidefeld verwandelt. An« Nachmittag erreichten wir die Stadt Ren, ehemals Mittelpuukt eiues kleinen Königreichs, gegenwärtig aber ganz verödet, und am andern Tage ein bedentendes Rinnsal, dessen Nähe schon durch Reihen schöner Tamarindenbäume bezeichnet wurde. Selbst jetzt war es nicht ohne Bedeutung, denn das noch mit Wasser gefüllte Vett hatte eine Breite von mehr als hundert Fuß und eine Tiefe von beinahe vier Fnß. Dieses Rinnsal führt den Namen Komadugu Lebe und muß zur Regenzeit dem Tsab eine bedeutende Wassermenge zuführen. Ein kleiner Kahn, welcher am Ufer lag, bewies mir schon damals, daß es zeitweilig nicht zu durchwaten sei, was ich spater bei meiner Rückreise selbst erfuhr, als ich es etwas unterhalb unserer heutigen Ucbcrgangsstclle bei Legari passirte, wo es eine weite Krümmung nach Westen bildet. — Jenseits des Komadugu bezeichnete» die Ruinen mehrerer bedeutenden alten Städte — traurige Zeugen für den Verfall des Bandes — unseren Weg, auf welchem wir uns der größteu Stadt der Provinz Kotoko, Afade, näherten. Auch hier schauten wir uns vergebens nach den gewöhnlichen Zeichen für die Nähe einer großen Stadt, vermehrtem Anbau nnd regerem Men auf der Straße, um; außer eiucr jungen Baumwollcnpflanzung waren kaum Spuren von Landbau bemerkbar und dichter Wald reichte hart bis an die Manern des ausgedehnten, aber in nnaufhaltsamen Verfall begriffenen Ortes. Das ganze Innere der Stadt bildete einen großen Schntthanfen, aus welchem nur hier uud da ein Haus in leidlich baulichem Zustande hervorragte. Dennoch hatte Afadc eine große Zierde aufzuweisen, den üppigsten und prachtvollsten wilden Feigenbanm, den ich jemals vorher nnd nachher erblickt habe; er breitete sein gewaltiges, den Strahlen der Sonne uudurchdringliches Dach vom frischesten Grün über einen ---- 51— großen Theil dcs höchst umfangreichen Platzes vor den hohen Ruinen der Behausung dcs Statthalters aus uud bildete dcu Versammluugs-ort für die Müßiggänger dieser einst so betriebsamen und wohlhabenden Stadt. — Von den Wohnungen, so viel ihrer noch standen, waren mehrere zweistöckig, so auch die mir angewiesene. Der Thonbau war von vortrefflichster Arbeit und allem Anscheine nach schloß cr ill früherer Zeit im ^ande Kototo die leichteren Baustoffe, wie Rohr und Stroh, gänzlich aus. - - Uebcrhanpt scheint in dem ehemaligen kleinen Königreiche Kotoko ein beträchtlicher Grad von Bildung geherrscht zu habeu. Dasselbe bildete übrigens nicht ein eiuiges Reich, souderu zerfiel in eine Gruppe von Fürstcnthümern oder Herrschaften, welche, wie aus der großen Menge noch bestehender Mundarten in den früheren Hauptorten derselben ersichtlich ist, von einander ziemlich unabhängig gewesen sein müssen. Daraus, daß die Landschaft Kototo erst von Makrisi erwähnt wird, darf man mit einiger Wahrscheinlichkeit schließen, daß sie uicht früher als im ^aufe des vierzehnten Jahrhunderts zu politischer Bedeutung gelangte. — Das Stadtgebiet von Afade wird zum großcu Theil vou Schua-Arabern bewohnt, die hier ein ziemlich ungeregeltes, wildcS ^cben zu führcu und die Gegend unsicher zu machen scheinen, so daß nnsere Reisegesellschaft, die durch einige Leute aus Logone vergrößert worden, auf dem weiteren Wege zu engerem Znsammcnhalten genöthigt war. Der Statthalter von Afade war auch zur Zeit auf einem kleinen Zuge abweseud, jene widerspenstigen und misteten Araber zu züchtigen. Ungeachtet seiner Abwesenheit aber behandelte man nns sehr gastfreundlich, nnd der Ort wäre wohl interessant genug gewesen, hier einige Tage zu verweilen, hätte mir das entferilte'^iel meiner Reise einen Anfschnb erlaubt. Auch jenseits Afade blieb der Charakter der Gegend im Allgemeinen derselbe wie früher. Ich erblickte zwei schöne Exemplare der lu'er „tigdim" genannten Antilope, welche granfarbig, niedrig gebant und, ivie ich glanbe, mit der ^ntilopo -unmi^,^ entweder ideutisch über doch ihr nahe verwandt ist. Sonst war iu der mit Zwerg-minwscu spärlich bekleideten Landschaft nicht viel Wild zu sehcu, mit Ausnahme von Perlhühnern, von welchen ich so große Schwärme traf, wie noch nie zuvor. — Einzelne Oertlichkcitcn erinnerten uns anch auf diesem Theile unseres Weges, daß wir auf historischem Boden Wanderten; die Ruiucn der ehemals großen Stadt Ssn — ein Name, er wahrscheinlich mit dem der Sseu oder Sso zusammenhängt, der ^"naligeu Herren des Landes bis nach Kala hin — und das Dorf 4' ------52 ------ Debabe Ngaia, Welches die Hauptstadt eben dieses Voltsstammes gewesen sein full, blieben zu uusercr Rechten liegen; zu unserer Linien ftassirten wir das Schlachtfeld von Miltam, auf welchem Scheich Mohammed el Kanemi im Jahre 1819 feinen ältesten und geliebtesten Sohn im Kampfe gegen Aaghirmi verlor. Nicht ohne Beschwerde überschritten wir ein waldiges nnd sumpfiges Terrain, das vom Tsad aus, wenn derselbe im November seinen höchsten Stand erreicht hat, unter Wasser gesetzt wird und für zahlreiche wilde Schweine einen willkommenen Aufenthalt bildet. Als die Waldung lichter wurde, gewahrten wir die hohen Thonmaucrn der Stadt itala, welche ein lieblicher Hain ungeheuerer Fcigenbänme umzog und eine einzelne riesige, obwohl etwas gebeugte, Palme mit ihrer kleinen Fächerkrouc überragte. — Wir hatten von Aedi bis hierher eine Wcgestrecke von etwa 17 — 18 dentschcn Meilen zurückgelegt. Kala ist die erste Stadt im Gebiete von Logon oder Logonc, dessen Grenzen wir kurz vorher überschritten hatten. Dnrch cm äußerst enges Thor, welches kaum mein schlankes Kamcel, nachdem die ganze Ladung abgenommen worden war, dnrchließ — ein Uebclstand, der sich in allen nmmauerten Orten dieser Gegenden fand — zogen wir in die Stadt ein. Wir wurden sofort von einem Haufen 7 bis 12 Jahre alter Knaben nmringt, welche, schlank und wohlgebaut, völlig nackt waren. Dies sieht man im eigentlichen Bornn selbst bei Sklaven niemals. Die Form ihrer Gesichtszüge war sehr verschieden von dem in Bornn vorherrschenden Typus und deutete namentlich mehr Verstand uud Verschlagenheit an. Die Sorglosigkeit in Hinsicht der Bekleidung, die entschieden das Bild heidnischer Zustände vergegenwärtigte, stach sehr gegen die volllommncre Bauart der Wohnungen ab, noch mehr, als ich dies bereits im Mussgu-Lande bemerkt hatte; denn diese bestaudeu meistens nicht in den gewöhnlichen runden, konischen Hütten, sondern waren geräumige, hohe Thonhänscr von länglicher Form. Uebrigens schien die Stadt im äußersten Verfall begriffen und nur der mittlere Theil derselben noch bewohnt zu sein; doch mochte sie immer noch gegen 7000 Eiuwohucr zählen. Die beiden nächsten Märsche (12. und 13. März) führten durch eine im Gcmzcu mittelmäßig bebante Landschaft; an einzelnen Stellen Wechselten Wälder, in denen das Wildschwein sehr häufig war, und Sümpfe mit tnltivirtem Lande ab. In der Gemarkung von Kala und von Ulluf oder Hullnf, einer nicht unbedeutenden, etwa 1^ Meilen von ersterer entfernten Stadt, dir wir zur Rechten liegen ließen, fand noch ------ 53 ------ beträchtlicher Baumwollenbau statt, der hier einer unermeßlichen Ausdehnung fähig wäre; dann aber schien Viehzucht die Hauptbeschäftigung der Bewohner zu sein. Jedoch waren die zahlreichen Schna-Dörfer zu beiden Seiten unseres Pfades meistens schon von ihren Bewohnern verlassen, die während der trockenen Jahreszeit von hier nach Sndwestm an ein seichtes Rinnsal wandern, das aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem obern Lauf des Imbulu in Verbindung steht nnd wo sie für ihr Vieh frischere Weiden findru. — Als wir uns der Hauptstadt von Logon näherten, nahm das Land an Reichthum uud Fruchtbarkeit zu, ohne aber iu gleichem Maaße besser angebaut zu sein; doch bemerkte ich immer noch neben dem Getreide viel Baumwolle. In den Wäldern machte sich namentlich die größere Mauuichfaltigkeit der Baumformen und deren schöne Belaubung bemerkbar, so daß die gewöhnliche Einförmigkeit der Waldungen Mittcl-Afrika's gänzlich aufgehoben war. Von den Saamenschoten des Karage-Baumes (^LN<^ ttii-ntti) nährte« sich zahlreiche Schaareu vou Schweinen und Affen, die hier im besten Einvernehmen mit ciuander zu lcbcu schienen; anch das von mir schon'mehrmals erwähnte Erdschwein (Oi^etm-opus ^Miopion-Äs) kam hier vor. Zur Stadt zieheude Marktleutc, die uns alle freundlich grüßten, uud Reiscude anderer Art verkiiudctcu die Nähe eines größeren Ortes. Ehe ich diesen erreichte, wnrde ich.angenehm überrascht, meine alte Bekannte aus dem Mussgu-Lande, die Delebpalme, wiederzusehen. Anfangs trat sie nnr einzeln auf, als aber der Thouboden mit Sand wechselte, zeigte sich eine große Grnppc in gedrängter Ordnung nnd schwer beladen mit Früchten; der Baum blieb jedoch auf diese Stelle beschränkt und ich traf bis znr Stadt hin weiter kein Exemplar desselben au. Wir betraten nuu die Hauptstadt vou Logon — „Logon-birni" vder „Karnak-Luggon", wie die Schua, oder „Karnak-Logone", wie die Kanori dieselbe ueunen —. Auf dieser Seite giebt nur eiues jener landesüblichen engen Thore Zugang in das Innere, nach Osten dangen, da wo der uach der Stadt bcuannte westliche oder kleinere Arm des Schari dicht an ihren Maucru vorüberfließt, befinden sich sieben Thore, ein deutlicher Beweis, daß die Rührigkeit und Betriebsamkeit ber Stadt der natürlichen Richtnng nach der Flusiseite folgt, währeud ^e Hauptgefahr sie vou der Landseite bedroht. Der vou uus zuerst betretene Stadttheil bot denn auch keineswegs das Bild regen Lebens, u mchr schien nnr die ärmere Bevölkerung hier zu wohnen; je weiter ------ 54 ------ wir aber gelaugteu, desto niehr verbesserte sich das Ansehen des Ortes, die Straften wurden breit und es überraschte mich naiuentlich der in seiner Art großartige Charakter der Hauptstraße, des Deudals, welche durch den Palast des Sultans an der Südseite und das Haus des Keghamma (oder Serastiers), „ibalaghuan", an der Nordseite gebildet wurde. Vauge mußte ich im grellen Sonnenschein vor dem Palaste halten, ehe man mir mein Quartier anwies. Ich machte unterdessen die Bekanntschaft eines alten freundes von Major Denham, des Kaschella l^Kriegshaufttutanns) Belal, welcher den genanlttcu Reisenden auf seinen Zügen nach dem Schari uud nach Kanem begleitet hatte. (5r war ein sehr liebenswürdiger Maun von fast europäischem Wesen und blieb von da an während meines ferneren Aufenthalts in Bornu mein Freund; gegenwärtig befand er sich hier, um den Tribut zu erheben, welchen der Fürst des Vandes Vogon dein Scheich von Bornn alljährlich zu eutrichtcn hat. Die mir angewiesene Wohuung befand sich im oberen Stockwerte des Palastes des Ibalaghuau, welcher mich durch seine vorzügliche und selbst großartige Bauart in Erstaunen setzte. Derselbe bestand aus einer Anzahl aneinanderstoßender Flügel, welche tleine vierseitige Höfe einschlössen uud alle mit eiuem oberen Stockwerke versehen waren; diese enthielten wieder viele große Gemächer, zu welchen man auf ciuer Treppe emporstieg, die allein der Oroßartigteit des Ganzen nicht entsprach, deun sie war dnnlel uud unbequem. Mein Zimmer dagegen war nicht weniger als :^i Fuß lang, 1l>Fnß breit, ebeu so hoch, und erhielt sein Licht durch zwei halbkreisförmige Oefsuungen, die durch einen Vaden von sslechtwerl' geschlossen werden tounten. Die Decke war giebelfürmig, eine hier zn ^aude seltene Bauweise. In dieser vortrefflichen Wohnung ward ich nicht minder vortrefflich und gastfrei bewirthet; man hatte sogar die Aufmerksamkeit, mich iu offizieller Weise bald nach meiner Ankunft vor den diebischen Gelüsten der Haus-sklaveu zn warneu. Sobald ich micb ein wcuig ausgeruht hatte, machte ich dem Iba-laghuan, dem ersten Minister des Sultans, einen Besuch. Im Anfang unserer Unterhaltung beobachtete der hohe Würdenträger streng die landesübliche Sitte, indem er, hinter einem Mattenvurhcmge fitzend, unsichtbar für mich blieb. Indessen gestattete mir der ältliche freundliche Mann bald, mich ihm zu nahen, uud schien durch das unbedeutende Geschenk, welches ich ihm machte, ganz befriedigt zu sein; eben so ------ 55 — fanden die für feineu Herrn bestimmten Geschenke seinen Beifall. Außer Kleinigkeiten bildeten ein Paar türkische Beinkleider von schönem branncn Tnchc, die eigentlich zn meiner eigenen Garderobe gehörten, den wrrthvollstcu Gegenstand nnter den letzteren; allein meine damaligen Umstände gestatteten keinen größeren Aufwand. Ich begab mich also sofort in Begleitung des Kaschella Belal nach dem Paläste des Sultans, einem sehr ausgedehnten Gebäude, umgeben von einer 14 Fuß hohen Mauer; im Uebrigen glich es in seiner Banart dem Palaste des Ibalaghuan. Zu meinem Erstaunen fand ich im ersten Hof ein Paar eiserne Kanonen, freilich nicht von der besten Arbeit und sehr alt, aber doch mit Raffelten versehen und scheinbar nicht ganz unbrauchbar. Durch eine Reihe langer sauberer Höfe gelangte ich in den öffentlichen Audienzhof, wo auf einem erhöhten Gerüste der königliche Thron stand — ein roh gearbeiteter, roth angestrichener Sitz, mit einem auS Dielen gezimmerten Baldachin überdeckt, aber ganz eigenthümlich nnd von Allem verschieden, was ich sonst Derartiges im Sudan gesehen hatte. Der Sultan befand sich jedoch nicht hier, sondern in seinem Privatzimmer, wo er hinter einem Mattenvorhange saß. Ohne ihn sehen zu tonnen, forderte man mich auf, ihn vom Hofe aus anzureden; dies geschah denn auch, uud zwar auf Kanori, indem mein Begleiter den Dolmetscher machte. Ich sagte ihm, der Sultan Inglis, welcher während der Negierung des früheren Herrschers den Chaliln < Major Dcnham) hergesandt habe, habe jetzt mich beauftragt, ihm seine Ehrerbietnng zn erzeigen. Seine Hoheit nahm diese Worte mit Wohlgefallen auf nud crkuudigtc sich wiederholt nach der Gesundheit des Sultans der Nassara Iuglis. Nachdem er mich von hinter seinem Vorhang ans genugsam betrachtet haben mochte, ließ er mich in sein Zimmer eintreten, schüttelte mir freuudlich die Hand und ließ sich die englischen Fabrikate nnter meinen Geschenken erklären. Snltan Mussllf — dies war sein Name — war ein großer, wohlbeleibter Mann von ungefähr vierzig Iahrcu, mit vollen Zügen und einem etwas schwermüthigen Gesichtsausdruck. Bei Deuham's Pe-such an dem Hofe seines Paters und Bruders, die sich damals in die Herrschaft theilten, noch ein junger Mensch, war er jetzt bereits 19 Jahre Snltan. Kurz vor oder nach seinem Regierungsantritte kam Log one in Folge eines Einfalles, welchen einer der Kriegshauftt-leute des Scheichs Mohammed el Kanemi in das ssand machte, in die ^age einer zinsftflichtigen Provinz vvnGornn, an welches seitdem ein Mrlicher Schoß von 100 Sklaven und eben so viel Toben entrichtet ------ 56 ------ werden muß. — Die vorzüglichste Gunst, welche ich von dem Sultan zu erbitten hatte, bestand in der Erlaubniß, den Fluß bis auf eine gewisse Entfernung hinanf befahren zn dürfen; er ertheilte mir dieselbe und entließ mich dann sehr gnädig. Begierig, etwas mehr von der Stadt und dem Flusse zn sehen, machte ich noch an demselben Nachmittag in Begleitung eines Reiters aus dem Gefolge meines Freundes Belal einen Spazierritt außen um die Stadt hernm, bis zn dem Flnß au der südöstlichen Ecke derselben. Der Schari ist hier 550 — 600 Schritte breit und entfernt sich an dieser Stelle in einen« weiten Bogen auf etwa eine halbe Stunde von der Stadtmauer; das westliche Ufer war niedrig, während das östliche 12 —15 Fuß hoch sein mochte. Wohl vierzig bis fünfzig Boote belebten den Strom; sie waren von ansehnlicher Breite, 4 Fuß am Boden nnd 6 Fuß von einem Bord zum cmdcrcu, und alle durch cineu gewaltig großcu Schnabel ausgezeichnet. Sie warm ganz nach Art der Boote der Hedina ^i^imrt, jedoch aus stärkeren Planken, meist aus dem festen Holze des Birgimbanmes, währeud die Boote der letzteren aus dem zerbrechlichen Fugoholzc bestehen. Vorzüglich erregten die Fischerboote meine Aufmerksamkeit; fie waren mit großen Netzen versehen, welche am Hinterschiffe von zwei sehr langen Stangen, von den Kanon ganz bezeichnend „umsko ndi" — die bcideu Häudc — genauut, herabhinge». Wir hielten uuö immer längs des Flusses, welcher gegenwärtig ziemlich seicht war, so daß an mehreren Stellen Sandbänke offen zu Tage lagcu, und allmählich sehr nahe an die Stadtmauer herantrat. Als wir das östlichste von den Thoren an der Südseite der Stadt erreicht hatten, trat plötzlich ein alter Mann an uns heran, der mir mit gebieterischer Miene untersagte, den Fluß zn besichtigen, nnd mir befahl, mich angcnblicklich zurückzuziehen. Es sehte mich nicht wenig in Verwunderung, daß hier Jemandem die Brfugniß zustehen sollte, mir das zn verbieten, was mir der Snltau erlaubt hatte; mein Begleiter indessen belehrte mich, daß dies der „mara-legha" sei, „der König der Gewässer", welcher unbedingte Gerichtsbarkeit über den Fluß, „lagham", besäße. Daß eine solche Autorität in den Ländern am Kuara eristirc, wußte ich Wohl, daß aber ein ähnlicher Gebrauch hier bestehe, war mir neu. Es blieb mir nnn nichts Anderes übrig, als diesem Wasserlönige Folge zu leisten und in die Stadt zurückzukehren. Natürlich snchtc ich sofort die Vermittelung des Ibalaghuan nach, uud nachdem ich die Bcsorgmß, ich möchte in dem Flusse Gold ------57 ------ suchen, beschwichtigt hatte, stand einem zweiten Besuch des Flusses am anderen Morgen, und zwar zu Kahn, nichts mehr im Wege. Wir setzten zuerst nach dem jenseitigen Ufer über nnd kamen auch an dieser Stelle bei zahlreichen aus dem Wasser emporragenden Sandbänken vorüber, während die Stadt vom Flusse aus cinen ganz interessanten Anblick gewährte; denn Dumpalmen, einige Delcbpalmen und sogar eine vereinzelte Dattelpalme ragten über die Mauern empor und boten das seltene Schauspiel, diese drei Palmcnartcu gemeinsam an Einer Stelle wachsen zu sehen. — Stromaufwärts steuernd konnte ich den Fluß nicht weiter als etwa eine gute Stunde verfolgen; schon in dieser knrzcn Entfernung von der Stadt begannen die Diener des Sultaus im Boote Unruhe zu zcigeu und verlangten dringend, ich sollte umkehren. Wir hatten den Punkt erreicht, wo in geringer Entfernung am westlichen Ufer die Ortschaft Honkel liegt, deren Einwohner in Menge herbeigekommen waren, um zu scheu, was der Christ auf ihrem Strome treibe. Ich kouute denselben hier noch eine gute Strecke weit aufwärts mit den Augen verfolgen. Er kam aus Südsüdosten (genau uach dem Kompaß S.20O.), machte Houkel gegenüber eine Biegung, fast einen rechten Winkel beschreibend, so daß er in ostnordöstlicher Richtnug weiter floß, bis zur Südseite der Hauptstadt; um diese sich herumzichcud, bildete er abermals eine starke Krümmung und änderte seine Nichtnng erst in eine nördliche, dann in eine nord-nordwestliche. Unter den Nohrarten, welche an den Ufern wnchsen, ist der Papyrus besonders zu bemerken, zumal die Eingcborncu eine Art Zeug aus demselben verfertigen. Diese Pflanze, die wir schon an den Ufern des Tsad gesehen haben, werden wir auch noch an anderen Gewässern, namentlich den kleinen See'n im Lande Muuio, wicdcrfiudcu; dagcgeu vermißte ich im Flnsse von Logone, wenigstens an dieser Stelle, verschiedene Binsenarten, welche ich am Tsad fand. Anch diejenige Art, aus welcher das zierliche, bcsoudcrs zu Thürvorhängcu benutzte Mattenwert, „ftarpar" oder „farfar", verfertigt wird, wächst nicht am Ufer des Stromes, sondern in anderen Theilen des Landes. Was den Namen des Flusses anbelangt, so hatte ihn Major Denham auch hier bei Logon-birni Schari (Schary) genannt, da sein Anfcnthalt zu kurz war, um sich davon zn überzeugen, daß es allerdings derselbe Flnß sei, den er bei Kussuri gesehen, aber keineswegs der Strom, den er bei seiner Einmündung in den Tsad besasst hatte, sondern nur cm kleinerer Nebenfluß des Haufttstromes, ------ 58 ------ des wirtlichen Schari. Von diesem hatte die frühere Expedition gar keine Anschauung, sondern nnr eine leise Audenwng ans Angaben der Eingebornen. letztere nennen diesen westlichen Arm in landesüblicher Weise „Fluß von Logone" — „laghame na Logone". — Dieselbe allgemeine Bezeichnung trägt er im Grunde mich weiter ström aufwärts, nur daß das Wort für „Fluß" nach den verschiedeneu Sprachen verschieden wird; so bedeutet z. B. im Mussgu-Lande sein Name „Ere" oder „Arrc" wiederum nichts Anderes als "Fluß". Eine Ausnahme macht der Name an jener auf dem Zuge gegen die Mnssgu von uns berührten Stelle, wo der Fluß „Sserbrwuel" genannt wird; wenigstens ist mir die Bedeutung dieses Wortes unbekannt. — Ganz in derselben Weise bezeichnen alle Völkerschaften im Sudan die Hauptströmc oder See'n ihrer Länder mit dem allgemeinen Namen „Wasser", „Fluß", und der „Ba" der Mandingo und der Baghirmi, der „Eghirreu" der Imo-scharh oder Tuareg (woraus das Wort Nigir oder Niger'gebildet ist), der „Mayo" der Fnlbe, der „Gulbi" der Haussa, der „Kuara" der Horuba, der „Beune" der Batta, der „Komadugu" der Kanon, der „Fittri" der Knla, der „Bat-ha" der Araber von Wadai, endlich der „Schari" von Kototo — alle diese Namen bedeuten nichts Anderes als „Fluß". Gegenüber dem Dorfe Honkcl also wendeten wir unser Boot und liehen es anf dem glatten Strome abwärts schwimmen; das Wasser war so einladend, daß ich mich nicht enthalten konnte, ein Bad zu nehmen. Als ich endlich landete, war das Gedränge so groß, baß mir meine Begleiter mit ihren Peitschen einen Weg dnrch die Menge öffnen mußten. Dieses große Aufsehen, das ich überall in Logon-birni erregte, wo ich mich nur sehen ließ, so wie die fortgesetzte äußerst aufmerksame und gastfreie Behandlung, die mir von Seiten des HofeS zu Theil wurde, kam mir später theuer zu stehen. Eine Anzahl Leute aus Baghirmi, welche, von Kukana nach ihrer Hcimath zurückkehrend, sich uns angeschlossn hatteu, fanden sich dadurch zur Besorguisi veranlaßt, ich möchte mein Ansehen dazu benutzen, etwas gegen ihr eigenes Land zu unternehmen. Dieser Arg-wohn meiner Reisegefährten trug viel zu der Behandlung bei, die mir später in Baghirmi zu Theil wurde. Auch der Sultan von Logon schien eine viel zu große Meinung von dem zu haben, was ich für ihn leisten könnte, nnd nnr mit vieler Milhe konnte ich mir am Tage nach meiner Fahrt auf dem Flusse die Erlaubniß erwirken, weiter reisen zu dürfen. Denn es war mein ------ 59 ------ fester Entschluß, meine Forschungen über die meiner Vorgänger, welche hier in Logon ihre Grenze gefunden hatten, auszudehnen. Ehe ich jedoch dieses kleine Fürsteuthum verlasse, will ich noch ein paar allgemeine Bemerkungen hinzufügen. Logone ist, wie es scheint, nicht ein nationaler, sondern ein politischer Name, dessen eigentliche Bedeutung ich jedoch nicht habe ausfindig machen können. Die Einwohner gehören zum großen Volksstamme der Ma-ssa, deren ich bereits früher erwähnt habe, und find die nächsten Stamnwerwaudteu der Mussgu, der Einwohner von Mandara oder Wandala und der Kototo. Ihr politisches Bestehen als Volt von Logonc soder, wie sie sich selbst nennen, „Logode Logon") ist erst neueren Ursprungs '), und der Islam wurde noch später bei ihnen eingeführt. Ihr Land bestand früher, gleich dem der Musfgu, aus ciuer Auzahl kleiner Fürstenthümer, nnter denen Hontet das mächtigste war, bis der Miara (Sultan) Arua vor etwa 15)0 Jahren die Stadt Logon gründete und den Sitz seiner Herrschaft dahin verlegte. Dieser Fürst uud seine unmittelbaren Nachfolger waren noch Heiden, nnd es gab damals wohl nur einzelne Mohammedaner in der Stadt. Der Miara Ssale, der alte Fürst, welcheu Dcuham besuchte, der Bater des gegenwärtigen Herrschers Jussuf, soll der Erste unter den kleinen Fürsten des Landes gewesen sein, der sich zum Islam bekehrte. Nach Anderen war ein älterer König der erste Moslem, was auch gar nicht unwahrscheinlich ist, da sich aus den Namen einiger unter den Königen, welche dem Tsale vorangingen, uuverkeuubar ergiebt, daß wenigstens eine äußerliche Einwirkung des Islam sich bereits viel früher geltend machte. Immerhin ist die mohammedanische Religion in diesem Lande im Allgemeinen nicht über 60 Jahre alt; es ist selbst Vielen von den jüngeren Einwohnern der Stadt recht wohl erinnerlich, daß ihre Väter von Geburt Heiden waren und erst später Mohammedaner wurden. Aber auch noch jetzt ist der Islam hicrselbst von der rohesten Art, und die ganze Kenntniß von religiösen Dingen, welche die Einwohner, mit Ausnahme weniger hochgestellter Personcu, besitzen, besteht in einigen auswendig gelernten, aber unverstandenen Phrasen und in der Anwendung der Beschueiduug. Auf dem Lande dagegen hängen auch noch gegenwärtig die meisten Lcutc dem Heidenthum au. ') Der Name kommt in den Annalen des Ebriss Nlaoma nicht vor. ------ 60 ------ Das Gebiet von Logone hat eine höchst vortheilhaftc Lage an zwei beträchtlichen, sich an dcr nördlichen Grenze vereinigenden Strömen, dcm Flnsse von Lugoue im Westen und dein Schari oder Ba im Osten. Obgleich dcr Flußvcrlchr in diesen Bändern sich immer nnr auf die nächste Nachbarschaft beschränkt und nicht wie in civilisirtcren Gegenden die Quelle eines ersprießlichen, weit verzweigten Handels wird, könnte sich dennoch das kleine Königreich der gedeihlichsten Verhältnisse erfreuen, würde es nicht von mächtigen, von allen Seiten eindringenden Nachbarn überwältigt und unterdrückt. Von Südwesten drängen die Fulbe schwer auf Logone ein, und während die früheren Snltane von Bornu die Bewohner des kleinen Landes in ziemlich ungetrübter Ruhe belassen zn haben nnd sich mit einem leichten Schoß behufs Anerkennung der Abhängigkeit begnügt zu haben scheinen, ist gegenwärtig dcr Tribnt ein verhältnismäßig beträchtlicher. Ueberdics hat der unglückliche kleine Fürst auch noch dcm Sultan von Baghirmi einen Tribut zn entrichten, nnd dennoch werden seine der Grenze zunächst wohnenden Unterthanen von den Baghirmiern init der größten Ungerechtigkeit nnd Willkühr allerlei Plackereien und Leistungen unterworfen. Der Voltsstamm der Logoner, besonders der weibliche Theil, ist im Durchschnitt vou zierlicherer Körpcrgestalt als dcr von Aornu. Es ist anffallcnd, daß sie dieselbe Art der Tättowirung anwenden, wie die Kanori, nämlich meistens sechs vom änsicren Angcnwinkel über die Wange znm Mund herabgezogene krnmme Linien, für welche sie auch dasselbe Wort habcu wie jene, obgleich die Sprachen sonst ganz verschieden sind uud beide Stämme wenig oder nichts mit einander gemein haben. Ganz irrthümlich giebt Denham an, die Sprache dcr Logoner sei einerlei mit der dcr Baghirmier; allerdings wird Va-ghrimma hier viel geredet nnd die Sprache, die Denham hörte, mochte also in der That eben diese sein, dennoch aber ist die einheimische Sprache, deren sich dicLogoncr unter einander ausschließlich bedienen, ganz verschieden von der Sprache ihrer östlichen Nachbarn und der der Mussgu nahe verwandt. So weit ich mit derselben bekannt geworden bin, ist die Aussprache sehr schwierig wegen der häufigen aspirirtcn Laute, namentlich des ch und des th, durch welchen letzteren Hauchlaut die Sprache einige äußere Aehnlichkeit mit der englischen bekommt. Was den Gewerbflciß, die Kultur des LandcS und die Nahrungsmittel der Bewohner betrifft, so genießen sie von animalischer Nahrung ------ 61 ------ vorzugsweise Fische, welche ihnen ihre Ströme.in großer Menge liefern. An Rindvieh und Schaafen dangen ist großer Mangel, wahrscheinlich weil die Nachbarn sie dieser Wohlstandöquelle beraubt haben; nur die eingebornen Araber besitzen von beiden ziemlich bedeutende Hccrden. Geflügel ist ebenfalls nicht sehr zahlreich, das Schwein aber ist überaus häufig uud scheint vielfach als Speise benntzt zu werden. Es ist übrigens hier nur von dem wilden Schweine die Rede; die Züchtung der Schweine in der Art wie bei uus kennt mal« hier nicht. Die in ^ogon gezogenen Brodsrüchtc sind Sorghum, „matala", und Hirse, „wiyo"; Reis ist mir nicht vorgekommen. Dagegen liefert der Landban beträchtlich viel Baumwolle, die in dein ebenen, reich bewässerten ^ande in fast unbeschränkter Menge gewonnen werden könnte, und Indigo; der letztere aber ist nicht besonders gut. Weberei bildet daher die hauptsächlichste Industrie der Bevölkerung und ihre Hemden sind wirklich von vortrefflicher Arbeit, nur ist man in der Kunst des Färbens nicht sehr geschickt '). Im Allgemeinen aber fehlt es den Lugonern nicht an Gcschicklichteit uud besonders gilt das schöne Mat-tcnwert als eines der gerühmtestcn Erzeugnisse des taubes; ferner sind ihre hölzernen Näpfe von fehr vorzüglicher Arbeit, viel besser als die in Kukaua; dagegen erreichen die hier gefertigten runden Strohdeckel nicht die Bortrefflichteit der in Dar-For gelieferten gleichen Waare. — Als Tauschmittels im Handel und Wandel bedient mau sich der 2 — 3 Zoll breiten Streifen Äaumwollenzeug, welche ein festes Werthmaaß bilden; die von Dcuham als Umsatzmittcl erwähnten Eiscnstückc sind längst abgekommen. — Achulich wie in Bornu scheint die Negierungs-sonn von Logon eine beschränkte Monarchie zu sein, indem der Fürst von einer Anzahl Großwürdcnträger umgeben nnd von ihnen in gewissem Grade abhängig ist. Dienstag den 16. März brach ich auf und befand mich, sobald ich den Fluß hiuter mir hatte, wiederum auf einem Boden, der noch nie von dem Fuße eines Europäers bctrctcu war. Der Fluß hatte an einigen Stellen gegen 8z Fuß Tiefe und das flache, bei höherem Nasserstand überschwemmte ^and bot nichts als eine trübselige sumpfige Niederung dar; ich eilte, aus deren Bereich zu kommen, um ') Allan siehl, daß mein Urtheil hierin sehr von dem Denham'S (^i-av^» "'"I 1)i»onv«ri^, Vl.l. I, p. 23?) abweicht; aber Dcuham besuchte nie Kano uud hatte daher keinen MaaWab znr Bergleichung für die Güte der hiesigen Mbrikate. ____ 62__^ den schädlichen Ausdünstungen zn entgehen, welche die glühende Mittagssonne hier crzengt. Weiterhin ward die Gegend besser nnd zeigte etwas mehr^eben, besonders in der Nahe eines jener flachen Wiesen-Wässer, wie ich sie auf meiner Mnssgu-Reise beschrieben habe. Nackte Buben plätscherten nnd spielten im Wasser nmher in Gesellschaft nnd im besten Einvernehmen mit einer Anzahl wilder Schweine, die anch im Felde friedlich neben Kälbern und Ziegen weideten. Die Schua hielten an diesem Leben spendenden Rinnsal viele schöne Heerden von Pferden. Bald darauf begann die Landschaft sich mit Gestrüpp und Wald, der Hcimath zahlreicher wilder Thiere, zu bedecken, nnd nachdem wir noch einige Meilen weiter gezogen waren, erreichten wir die halbverfallene Ortschaft Bata. Die Bewohner zeigten durch ihr ungastliches Benehmen nur zu deutlich, daß hier bereits die Macht des Sultans von Logone zn Ende gehe, weshalb ich es anch für mmöthig hielt, den Boten, welchen nns derselbe beigegcbcn, weiter mitzunehmen, und wir setzten am andern Morgen die Reise ohne ihn fort. Der Wald wurde dichter und üppiger; Schlingpflanzen kletterten an den Bäumen in die Höhe nnd hingen wieder in Gewinden von den Zweigen herab. Die Beschaffenheit des Bodens war aber anch der Art, daß sie den Pflanzenwuchs besonders begünstigen mußte, denn Wasser fand fich überall dicht nnter der Oberfläche. Dennoch war der Anban des Landes in der Nähe der Dorfschaften, die anch hier theils von Schua, theils von Kanon bewohnt werden, ein geringer und beschränkte sich auf wenige mit Korn nnd Baumwolle bestellte Felder. — In dieser Wildniß fand ich zum ersten Male die Spuren des Rhinoceros, dieses allergefährlichstcn Thieres der gesummten afrikanischen Fauna, welches in allen westlichen Theilen des Sudans mit AnSnahme weniger Landschaften, wie der kleinen Provinz von Libtat'o, gar nicht vorzukommen scheint. Ich war ein wenig vorausgerittcn, als ich plötzlich durch die Zweige hindnrch den prächtigen Spiegel eines großen Stromes gewahrte und bald an dessen dichtbewaldetem Ufer stand. Tiefe Stille herrschte ringsnm nnd die dnrchsichtige Oberfläche des Wassers wurde auch nicht durch den leisesten Windhauch bewegt. Ein paar Flnßpferoe ausgcnommeu, welche bei nnserer Annäherung im Strome sich vcr^ bargen, war keine Spur don Mensch oder Thier zn erblicken; nicht einmal ein Wasservogel ließ sich scheu. Das jenseitige Ufer, sandig und flach, war eben so leblos wie das, auf welchem wir standen, obgleich die Hütten der kleinen Stadt A-ssu dort sichtbar waren. .----- 63 ------ Der Strom zu meinen Füßen war nun der wirkliche Schari '), d. h. „der (große) Fluß (von Kototo)", der. mit dem kleinern Arm von Logone, den wir erst am Tage vorher überschritten hatten, vereinigt, den HauptMuß des Tsnd bildet. Der Fluß kam an dieser stelle von S.30W. und floß nach N.30O.; er beschreibt aber bedeutende Krümmungen und kommt weiter stromaufwärts ans Süden. Das Ufer mochte 15 Fuß hoch sein uud der Punkt, wo ich stand, war von dem Fluß von Logone gegenüber der Hauptstadt etwa 3^ deutsche Meilen entfernt. Endlich ließ sich am jenseitigen Ufer der Fährmann sehen uud es näherten fich einige Leute mit einem Boote. Sobald sie nahe genug waren, zn erkennen, wer wir wären, erklärten sie, uns ohne Erlaubniß des Vorstehers vou A-ssu nicht übersetzen zu können, uud kehrten zurück, dicfc einzuholen. Ich hielt dies für eine der hier zu Lande gewöhnlichen Förmlichkeiten nnd ließ mich ruhig im Schatten nieder, die Antwort des Borstehers abzuwarten. Die Luft war sehr schwül und der Himmel trübe; Gewölk hiug über dem Fluß, das Herannahm der Regenzeit verkündend. Um unsere Pferde vor den tüdtlichen Stichcu der großen, gelben sogenannten Blutfliege zu fchützeu, die unter allen Gegenden, die ich in diesem Kontinent besucht habe, ganz vorzugsweise an den Ufern des Schari vorkommt und fast eben so gefährlich wie die berüchtigte Tsetse-Fliege des südlichern Afrika's ist, mußten wir große Rauchfeucr anzünden. — Endlich kehrten die Bootsleute zurück, aber mit der unerwarteten Nachricht, daß der Borsteher von A-sfu mir verbiete, über den Fluß zu setzen. Uuser Staunen war groß, da wir den Grund dieses Berbotes nicht anfzufinden vermochten, bis uns die Bootsleute mittheilten, daß Einer jener Reisenden aus Baghirmi, die mit uns von Kutaua gekommen waren, Namens Hadj Ahmed, mich für einen höchst gefährlichen Menschen erklärt habe, dessen Aufenthalt in Baghirmi während der Abwesenheit des Sultans leicht dem Thron des Letzteren Gefahr bringen könnte. Alles Unterhandeln von meiner Seite half nichts; ich sah ein, daß man mich wenigstens an dieser Stelle nicht über deu Fluß lassen würde. Nach einigem Bedenken entschloß ich mich, den Uebergang an ') Allerdings ist dicö mchr gültia, für die Anschauung des Europäers, als iUr den Ciiigedorlie»; denn sür diesen mnfaßt der Begriff des Schari eigentlich "ur den vereinigten Fluß unterhalb ,'tnssnri, wo er ebeu die Landschaft Kotoko °"lihrt; dcr Baghiruner nenut diesen östlichen Arm niemals Schari, sondern er nennt ihn an dieser Stelle nach dem gleichnamigen Ztädtchen «Fluß von A'ssu". ------ 64 —- eincm andern Punkte zn verfuchen. Wir kehrten daher etwas über eine Stunde auf demselben Wege zurück, auf welchem wir gekommen waren, um die Leute glauben zu machen, das; wir nach Logou-birui zurückgingen, und bogen dann nach Norden ab. Durch dichte, fast undurchdringliche Waldung gelangten wir in nordöstlicher Richtung zu dem größeren Dorfe Augari, wie die meisten Weiler der Umgegend von Kanori bewohnt, und wurden hier freundlich aufgeuommen. Für eine Dora (em kurzes Hemd) schaffte mir der Billama einen Führer, einen schlanken, wohlgebauten, halbnackten Burschen, mit Bogen lind Streitaxt bewaffnet, unter dessen Leitung wir am andern Morgen vor Tagesanbruch nnseru Marsch nach der Führstelle don Mele antraten. Es mußte dies um so mehr mit möglichster Heimlichkeit geschehen, als ich in dem Dorfe einen Mann bemerkt hatte, der Zeuge unserer Zurückweisung bei A-ssu gewesen war. — Der Pfad führte anfangs noch durch Wald, der von den Getreidefeldern und Bauu^ wollpflanzuugen der Einwohner von Bugari unterbrochen wnrde; dann traten wir auf die Heerstraße hinans, die von Logon-birni nach Mele führt. Hier änderte sich das Aussehen der Landschaft bald, indem sich zu uuscrer Liuken schöne niedrige Wiesengründe ausbreiteten, während wir znr Rechten die dicht mit Wald bewachsenen Ruinen der früheren Stadt Jessineti liegen ließen. Kurz darauf standen wir zum zweiten Male am Ufer des Schart, der Westgrenze des Königreichs Baghirmi. Das Flnßufer bildete hier zwei Abstufungen; die obere war mit frischem Nasen bedeckt, die untere durch lockern Sand gebildet und noch etwa 15 Fuß über den Spiegel des Flnsses erhaben; hicr störten wir einige Krokodile anf, die sich behaglich sonnten. Zu unserer großen Freude sahen wir auf ein gegebenes Zeichen bald ein Boot vom andern Ufer abstoßen und um die Sftitzc einer in der Mitte des Stroms gelegenen Sandbank zu uns herüberrudern. Kaum war es angelangt, so bezahlten wir den geforderten Fährlohn und sprangen in das große nnd bequeme Fahrzeug, froh über das Gelingen unseres Planes.— Der Fluß war hier gewiß uicht nuter 900 Schritte breit; westlich von der erwähnten Sandbank floß er langsam dahin und die Stangen der Fährleute zeigten eine Tiefe von 15 Fuß; in dem schmäleren Arm östlich von der Sandbank war er viel reißender und tiefer. Das jenseitige Ufer war steil und von 25 bis 40 Fuß hoch; dicht an seinem Rande lag das Dorf Mele. Wir landeten in einer Art kleinem Hafen und wurden zunächst von einem frei herumlaufenden, mit ------ 65 ------ dem Schwanz wedelnden Ichneumon bewillkommt; aber auch die in einem kleinen Schiffswerft arbeitenden Leute empfingen uns freundlich, namentlich nachdem ich einige tleiue Gescheute ausgetheilt hatte. Einen besonders angenehmen Eindruck machten fchon hier das aumuthige Wesen nnd die wohlgefälligen Furmeu des weiblicheu Geschlechts. Ohne Aufenthalt setzten wir unseru Marsch fürt. Mum aber warcu wir eine Meile weit gegangen, als wir einen Mann auf uns zukommen sah?n, den mein Geleitsreiter aus Kukaua sogleich für einen Diener des Billmna von A ssu ertannte. Offenbar war er der Träger irgend einer für uns ungüustigen Botschaft an deu Billama von Mele, nud wir hielteu es daher, als er au uus vorüber war, für das Beste, vou deut geradeu Pfade ab iu die Stoppelfelder einzubiegen. Nach etwa einer halben Stunde erreichten wir einen andern wohlbetreteueu Pfad und auf diesem bald eiu seichtes, grasreiches Wiesenwasscr, in Baghirini l,lamaue" oder „guguli" genannt. Seine Ufer wurden durch Niederlassungen vou Schua - Viehzüchtern belebt uud es erstreckte sich iu großer ^änge von SSW. nach NNO., so daß es eino wesentliche Eigenthümlichkeit dieses Laudestheils bildet; es wird Ambussada oder Mbussada genauut. An der Stelle, wo wir es überschritten, war das Wasser nur Eiueu Fuß tief und das ganze seichte Bett mit dein reichsteu Pflauzengrüu bedeckt. Wir hielten uus hierauf hart au der Ostseite dieses Nieseugewässers und hatten zur Anten ansteigenden Boden, der mit einem prächtigen Gürtel besonders schöner wilder Feigenbäume besetzt war. Die Landschaft erinnerte mich au das Mussgu-Land, nur war das Rinnsal uicht so breit, wie ich sie dort gesehen, uud es brach keine Delebpalmc durch das Laub der audcreu Bäume, .»wie eiu Wald über dem Walde" hervorragend. Eine fast unuutcrbrochenc Reihe von Dorfschaften besämute diesen schmalen Streifen fruchtbarcu Grüus; hier uud da sah man eiue Gruppe vou Leuten ans der dichten Betäubung hervorkommen, während zahlreiche Viehherrdeu über den marschigen Wiesengruud zerstreut wareu uud, mitunter nur mit dem Oberkörper aus dem Wasser ragend, die frischen jungen Grasspwssen abweideten. Schöngcfiederte Vögel von allerlei Gattung uud Größe schweiften umher: hier rauschte der riesige Pclilau vom benachbarten Baume heruieder, dort stand der Marabu (('icoma Uin-aliu), einem alten Manne gleichsehend, den Kopf zwischen die Schulteru gedrückt; hier stolzirte der gewaltige blau-gefiederte „dedegami" einher, seiner Beute nachspürend, weiterhin der Plotus mit seinem langen, fchlangeuartigeu Halse; dort forschte der Boith's Reisen, ,!, b ------ 66 ------ weiße Ibis begierig nach Futter, und dazwischen watschelten allerlei Enten, flogen und flatterten zahlreiche kleine Vögel iu größeren und kleineren Schwärmen umher. Dann uud wauu brach ein Wildschwein aus dem Dickicht hervor, von einem zahlreichen Gefolge von Ferkeln begleitet, uud rauu eilends in's kühle Wasser. Hier wäre ein reichhaltiges, ja unerschöpfliches Feld für deu Jäger uud Sammler gewesen; allem ich wußte, daß etwas im Gange sei, meinem Vordringen im Lande eiu Ende zu machen, eiu Gedanke, der mir die Lust zur Jagd beuahm. Es wäre vielleicht gescheidter gewesen, ohne Aufenthalt weiter zn eilen; allein ich empfaud die Hitze der Sonne zu sehr, nnd da ich doch nicht mit Gewalt durch das Land reisen konnte, ließ ich an der Seite eines Schua-Dorfs Halt machen. Nicht lange, nachdem ich mich in dem Schatten eines schönen wilden Feigenbanms znr Ruhe hingestreckt hatte, sahen wir den Häuptling von Melc mit sieben oder acht bewaffneten Schua's herankommen. Sie sprachen erst mit meinem GeleitSreitcr Grema Abdn und erklärten dann mir selbst, daß ich meine Reise nicht fortsetzen könne, bevor Vcrhaltuugsbefchle ans der Hauptstadt angekommen wären. Ich willigte ein, einige Tage zu warten, unter der Äcdiugung, daß sie mir eine Wohnung überweifen und mich mit Lebensmittcln verfeheu würden. Beides ward mir zugesichert, uud währeud Grcma die Reise allem furtfetzte, meiue Briefe nach der Hauptstadt zu briugen, traten wir den Rückweg nach Mele an. Mcle hat eine ganz iutercssaute Lage auf dem steileu Ufer des großen, fchiffbareu Flusses, der hier eiue nordwestliche Richtung au-zuuehmeu begiuut, um sich acht bis nenn Meilen weiter unten bei einem Orte Nameus Ssina Fatscha, etwa eine Meile unterhalb der Stadt Kussuri, mit dem Fluß von Logone zu vereinigen; letzterer erreicht die Vereiuignugsstellc uach einem Lauf von ungefähr sechs Meilen don Logon-birui aus. Der Name Schari gehört, wie ich schou bemerkt, der Sprache der Kotoku an, währeud die Baghirmier ihn „Ba" nennen mit Hinzufügnng des OrtS, an welchem er vorüberfließt, also Ba - Mele, Äa - A-ssu / Aa - Bu.ssc» u. s. w. Niein längerer Auf enthalt in Mele hatte den großen Nutzen, daß ich zncrst eine deutliche Borstellung von, Laufe des Schari uud von dessen Verhältniß zum Flusse von Logone erhielt; anch zog ich manche Nachrichten — freilich nicht die deutlichsten uud bestimmtesten — über den obereu Lauf beider Flüsse uud die anliegenden Orte nnd Herrschaften ein. — .— 67 ------ So hätte ich denn die sechs oder sieben Tage, die ich in Mele warten mußte, ganz ersprießlich und in Betrachtung der anziehenden Scenerie anch angenehm zubringen können, wenn mich nicht stets die Sorge um die Weiterreise beunruhigt hätte; so aber vergingen mir diese Tage ziemlich trübselig. — Mein Äeblingsanfenthalt war im Schatten eines schönen Baumes am Ufer des Flusses mit einer weiten Aussicht über denselben nach Nord und West. Der Verkehr auf dem Wasser war sehr unbedeutend; die langgestreckte Sandbank dagegen wurde oft belebt durch ciu Krokodil odcr durch die fröhliche Dorfjugcnd, die hinüber schwamm, um nach dem Fischergera'th zu sehen uud Netze zu trocknen. An ssischeu wie an Krokodilen ist der Fluß sehr reich und das Fleisch der letzteren wird gern gegessen; ferner lebt ein sehr großes, wahrscheinlich mit dem gewaltigen nnd eigenthümlichen Ayu iMinaw» Vogoiii) identisches Thier in dem Schari. Meine Ungeduld, Melc zu verlassen, steigerte sich durch die unverkennbaren Vorboten der herannahenden Regenzeit. Der Himmel war gewöhülich trübe und in der Frühe hüllte schon znweilcn ein dichter Nebel die ganze Landschaft ein; dabei war die Vuft des Mor-geus ziemlich kühl, 14" —17"C. (11,2°—13,o° R.), dcö Mittags aber wurde es schwül bei 34"—39" 6. (27,-, ° - 3!,-, ° R.) und im ^anfe des Nachmittags erhob sich gewöhnlich ein heftiger Wind. — Da kam zu meiner großen Freude gegen Mittag des achtcu Tages seit seiner Abwesenheit mein Gefährte Greina Abdu aus der Hauptstadt zurück, begleitet von zwei Dienern des Serina oder Kadamange, des vom Sultan während seiner Abwesenheit mit dem Oberbefehl über die Hauptstadt betrauten Statthalters. Diese überreichten mir eine Urkunde mit einem großen schwarzen Siegel, des Inhalts, daß ich die Antwort des Sultans in Bugoman, einer weiter stromaufwärts gelegenen Stadt, abwarten und inzwischen von den Einwohnern dieser nnd der benachbarten Stadt Misskin mit frischen Fischen und Milch versorgt werden sollte. — So sehnlich ich nun auch gewünscht hatte, dem Zuge des Sultans selbst mich anschließen zu können, so war ich doch immerhin froh, wenigstens von der Stelle zu kommen. Wir verließen Mclc uuch an demselben Tage. Unser Pfad führte längs eines kleinen Arms des Hanvtstroms hin, der sich etwas oberhalb Mele wieder mit diesem vereinigt. Die so gebildete Insel war dicht bewaldet und schien mit Ausnahme eines kleinen Fischerdorfs ganz den wilden Thieren überlassen zu sein; denn wir gewahrten deutlich ------ 68------ eine Heerde von ungefähr zwölf Antilopen von der „Mohor" oder „Himraic" (^Vntiiupo ^oainineringii) genannten Art nnd zu unserer Verwunderung auch eine Schaar von nicht weniger als 21 Krokodilen, die sich alle ruhig im Sande auf dem Rücken liegend sonnten; keines aber war besonders groß, das längste mochte 12 Fuß messen. Trotz der zahlreichen Krokodile, die augenscheinlich diesen Nebenarm bevölkerten, sah ich in nnscrem Nachtquartier die Weiber, welche Wasser holten, sich ohue Furcht in demselben baden; er war hier etwa IM Schritte breit und schien sehr tief zu sein, wodurch allerdings die Gefahr vor jenen gefräßigen Bestien verringert wurde. — Am andern Tag wendeten wir uns weiter östlich nach dein flachen Rinnsal Mbnssada hin, welches wir erst zur linken behielten, dann überschritten und endlich die Kanori-Kolonie Mustafadji erreichten. Solcher von Kanori seit dem Verfalle Boruu's gegründeten Niederlassungen giebt es mehrere in diesem Theile Baghirmi's nud das Land verdankt ihnen den geringen Grad von Kultur, welchen man übcrhaliftt wahrnimmt; der Baumwollenbau und die damit zusammenhängende Färberei gehören namentlich hierher. Da Mustafadji die Heimath der Frau meines Gelcitsrcitcrs war nnd deren Batcr hier lebte, so erfreuteu wir uus einer gastlichen Aufnahme. Der Schari mochte etwa 3^ Stunden vom Orte entfernt sein. Von hier durchzogen wir in südwestlicher Richtung eine gut bevölkerte und bebaute Landschaft. Es zeigte sich nameutlich viel Anbau von Baumwolle, die ich hier zum ersten Male in Fnrchcn bestellt sah — eine Bcstellnngsart, die, wie ich glaube, in Amerika und Indien die übliche ist. Wir übernachteten abermals in einer Kanori-Kolonie, Namens Matnari, die nnr etwa eine Meile vom Schari entfernt war, auf dessen westlichem Ufer hier die Stadt Bugoman liegt. — Als wir aber am andern Morgen den Strom erreichten, war ich erstaunt, wie nnbedcnteud er an dieser Stelle anssah im Vergleich zn dem großartigen Anblick, welchen er weiter thalabwärts bietet. Ich würde den Fluß vor uus nur für einen Nebenarm des Hanptstroms gehalten haben, hätte man mich nicht auf das Bestimmteste versichert, daß dies nicht der Fall sei, sondern daß ich die ganze Wassermasse vor mir hätte. Allerdings zweigt sich bei der Stadt Mittu (etwa unter 10° N, Vr. nnd 17° O. L. v. Gr.), einige 30 bentsche Meilen weiter nach Südosten von Bngoman gelegen, ein Arm des Schari ab, der, eine nördlichere Nichtnng als der Hauptstrom verfolgend, an der Stadt Batschikam vorüberfließt und nach dieser gewöhnlich genannt wird; ------ 69 ------ derselbe vereinet sich aber, nach allen von mir eingezogenen Nachrichten, schon eine Meile aufwärts von Bngoman bei der Stadt Misskin wieder mit dem Hauptstroln. Die Stadt Bugoman ani jenseitigen Ufer, mit etwa 8M0 Ein» wohnern und Sitz eines unter Baghirmi stehenden Statthalters, hatte von Weitem das Aussehen eines verfallenen Ortes, wenigstens Was die Ringmauer betrifft; sie war jedoch reichlich mit mannichfaltigen Bäumen verziert, unter denen Deleb- und Dumvalmcn anmuthig hervorragten. Es war gerade Markttag in Bugoman und eine Schaar Mart'tlcute, das Fährboot erwartend, bildete eine ganz belebte Scene um uns her. Mein Geleitsinann Grcma Abdu und die beiden Diener des Senna von Massena gingen mit in die Stadt, meine Ankunft zu melden, und so war ich mit meinem Troß bald allein auf dem flachen, sandigen Ufer, das zur Regenzeit ein weites Anstreten deS Flusses gestattet. Vergeblich warteten wir stundenlang anf die Rückkehr unserer Gefährten; der Mittag kam heran und sie waren immer noch nicht zurück. Inzwischen hatten wir an dem schattenlosen Ufer unendlich von der Hitze zu leiden, die in diesen Ländern nie größer ist, als gerade knrz vor der Regenzeit; das Thermometer zeigte in diesen letzten Tagen um 2 Uhr Mittags gewöhnlich 33°—34z° R. — Endlich um 3 Uhr lehrten die Boten zurück, aber was war ihr Bescheid? Der Statthalter von Bugomau verweigerte den ausdrücklichen Befehlen seines Landesherrn den Gehorsam und mir den Einlaß in die Stadt! So blieb uns denn nichts Anderes übrig, als fnr's Erste nach Matnari zurückzukehren, wo wir am Abend vorher sehr freundlich aufgenommen worden waren. Ich meinerseits war Willen«, micki wieder nach Logon-birni zu begeben und dort das Weitere abzuwarten; allein meine Baghirmi-Gefährtcn erklärten, daß es mir nicht mehr frei stehe, das Land nach Gutdünken zn verlassen, und es wurde beschlossen, in der Richtung nach der Hauptstadt weiter zu gehen und dann nach Maaßgabc der Umstände zu handeln. — Nnf dem Wege dahin lag ein ausgedehnter, wohl iiber fünf Meilen breiter Strich Landes, der zwar mit Wald bedeckt, in dieser Jahreszeit aber ganz ohne Wasser ist; ans diesem Grunde wollten wir ihn des Nachts durchziehen. Nach einem herzlichen Abschied von den gastfreundlichen Bewohnern Matuari's brachen wir am Nachmittag drs 2!). März auf, tränkten am Rande jenes wüsten Waldes bei einem Weiler mit dem einladenden Namen „Hyä'nen-hö'hle" — „Buru-nyigo" — noch einmal unsere Thiere, lagerten — 70 ---- gegen Mitternacht, unbelä'stigt von Menschen nnd Thieren, einige Stnn-den nnd erreichten gliicklich am andern Morgen das Dorf Mokori. Ungednldig drängten sich hier Menschen nnd Thiere nm dessen Ärnn-nen — den ersten seit Buru-nyigo, einer Wegstrecke von beinahe 6 deutschen Meilen; er hat in dieser Jahreszeit die ganze durstige Nachbarschaft zn versorgen nnd stundenweit holen die Bewohner der umliegenden Weiler hier das nöthige Wasser. ^ Der Wald, den wir fc> eben dnrchzogen hatten, bestand meist aus dichtein Gestrüpp, in welchem größere Ba'nmc (I5:»laniw«, Mimosen, Tamarinden, einzelne Delebpalmcn) nnr selten sind; zur Regenzeit bildet er eine fortlaufende Reihe von Morästen nnd Sümpfen, wovon ich mich auf der Heimreise von Masscna genügend überzeugte, und trägt dann überall eine üppige Pflanzendecke. Das Rhinoceros, der Elephant, die Giraffe, Löwen, Hyänen, Leoparden nnd andere wilde Thiere sind gar nicht seltene Gäste in demselben. Mokori hatte ein ganz wohnliches Auschen und das unanfhör-liche Stampfen des Indigo's in den Färbergruben zeigte, daß es auch nicht ohne gewerbliche Regsamkeit war. >— Durch eine wuhlangcbante Gegend gelangten wir noch an demselben Tage zn dem aus mehreren GrnpPen oder Weilern bestehenden Dorfe Bakada, welches nur noch 2^ deutsche Meilen von der Hanptstadt entfernt war. Ich beschloß daher, hier Halt zn machen uud am anderen Tage (31. März) von hier aus Grcma Abdn nut den beiden Dienern nach Masscna zn senden, um dem Statthalter das Benehmen des Stadtherrn von Bugaman anzuzeigen nnd anznfragen, was weiter ans mir werden sollte. Ich blieb nm so lieber hier, als mich mein gntes Glück in das Hans eines Mannes geführt hatte, dessen Bekanntschaft zn den angenehmsten Erinnerungen meiner gauzcn Neise gehört, nnd der auch viel dazn beitrng, mir den peinlichen Aufenthalt in Bakada erträglich zu machen; denn sieben lange Tage mußte ich hier, vou Unruhe verzehrt, auf die Rückkehr meines Gelcitsmannes ans der nahen Hauptstadt warten. Mein frenndlicher Wirth, Hadj Bu-Bakr Ssadik, ein alter hagerer Mann, war eben so liebenswürdig als wahrhaft fromm und wohlunterrichtet, und ich Wurde ihm für viele Güte und manche wichtige Auskunft zn grossem Danke verpflichtet; Niemand hat mir eine solche Einsicht in die Beschaffenheit nnd Geschichte dieser Bänder zn geben vermocht, wie gerade er. Bu-Bakr hatte die Wallfahrt nach Mekka dreimal gemacht nnd die großen Schiffe der Christen auf ____ 71 ____ der See von Djedda (dm. Rothen Meere) gesehen; er erinnerte sich gcnan sämmtlicher Orte, durch welche er auf diesen Wandernngcn ge-kominen war. In lebhaften Z-arben schilderte er den großen National-tampf, den seine Landslente gegen den Scheich von Bornu, Mohaunued el Kauemi, geführt hatten, bei dessen Schlachten er meistens betheiligt gewesen war, nnd beschrieb mit großein Behagen die Kämpfe, in denen es den Bafchirmiern gelungen war, die fanatischen Fulbe zurückzuschlagen. In der That war Bn-Balr ein Patriot im vollen Sinne des Wortes. Seinem Snltan ein trcn ergebener Unterthan, klagte er doch bitter über den Verfall seines Vaterlandes im Vergleich mit dem Wohlstand nnd dem Einfluß, dessen es sich vor jener Zeit erfreute, als der Snltan von Wadai, Abo el Kerim Ssabnn, das Land eroberte, seine Schätze raubte, den König zinspflichtig machte nnd ganze Schaaren der (Einwohner in die Sklaverei schleppte. Allein nicht nur um den Verlust der Freiheit nnd des Wohlstalides seiner Hcimath trauerte der alte Mann, es erschien ihm auch in dem Trübsinn seines Gemüthes, als ob Verfall nnd Verderben über die Natur selbst sich verbreitet habe; ^- ganze Gemarkungen, früher reich nnd mit Dörfern bedeckt, seien seit jener Zeit zur Wildniß gewordeu, und früher reichlich mit Wasser versehene Gegenden litten jetzt die äußerste Dürre. Würmer, sagte er, verzehrten ihr Getreide und Gemüse und vernrtheiltcn sie znr Hungersnot!). Dies Alles war wahr, so weit es den gegenwärtigen Znstand des Landes betraf; denn wenn ich gleich nicht dafür bürgen kann, daß dessen uatürlichc Beschaffenheit jemals viel günstiger war, so gab es doch bezüglich seiner politischen Bedeutung nnd seines Wohlstandes eine Zeit, zu der es sich eines besseren Gedeihens crfrente. Baghirmi war ehedem iu der Entwickelung menschlicher Verhältnisse seinem östlichen Nachbar weit vorausgeeilt, und seine Bewohner hatten sich durch glückliche Raubznge nach Dirki, im großen Tebu-Thale (Henderi Tcda) an der Straße nach Fesan, ansehnliche Reichthümer erworben, nicht allein iu Korallen und Gegenständen stattlicher Gewandnng, sou-dern anch iu Silber (d. h. in österreichischen und spanischen Thalern). Alles das hatte Snltan Abd el Kerim Sfabnn von Nadai in: ersten Iatirzehent dieses Jahrhunderts geraubt, der ^ übertriebener Angaben Vieler nicht zn gedenken ^— nach dem Berichte glaubwürdiger Personen fünf Kameelladnngen oder ungefähr 15M Pfund Gewicht an Silber mit sich fortführte. Auch hatte es wirklich deu Ausckieiu, als wenn das Vaud von göttlicher Züchtigung heimgesucht würde, zur Strafe ' ------ 72 ------ für dic Vergehen dcr Vorführen und das gottlose Leben des früheren Herrschers. In keinem von mir bereisten Lande in ganz Sndan habe ich so nngcheucre Schaaren zerstörender Würmer n»d Insekten gesehen, wie in Baghirmi. )camentlich haust hier ein großer schwarzer Wurm, „halln-nendi" genannt, so lang nnd viel dicker als die größte Ranfte, in Millionen nnd verzehrt einen sehr beträchtlichen Theil dcr Landeserzeugnifse. Kleiner, aber ein nicht minder gefräßiges Insekt ist dcr „lundjungdjndn", ein ungefähr '/2 Zoll langer Käfer von gelber Farbe, an welchem aber die armen Einwohner dadurch Rache üben, daß sie ihn, wie es anderwärts mit den Henschrecken geschieht, wenn er auf ihre Kosten dick uud fett gewordeu ist - selbst verzehren. Eine andere Landplage sind die schwarzen nnd die weiften Ameisen (ikrmW morsinx uud l. tawUs), mit welchen ich selbst hier einen eben so erbitterten als erfolglosen Kampf führte. Ich gewahrte nämlich bald, daß die letzteren mein Vett mit gänzlicher Zerstörung bedrohten, nnd legte es deshalb anf mehrere starke Stangen in bedeutender Entfernung vom Voden. Mein schon nach zwei Tagen hatte der Feind auch diese Position genommen, zwei grobe Matten, die aus den dicksten Binsen geflochten waren nnd zur Unterlage dienten, durchgefressen, ein großes Stück meines türkischen Tepftichö verzehrt und verschiedene andere Gegenstände zerstört. Während meines ferneren Aufenthalts in Baghirmi konnte ich nur mit dcr größten Mühe diese Insekten von der Zerstörung aller meiner Sachen abhalten; denn ihre Gefräßigkeit nnd Zrrstö'rnnaM'aft scheinen bei dem Anbrnch der Regenzeit zuzunehmen, nnd diese nahte jetzt mit schnellen Schritten heran. Das Wetter war außerordentlich schwül; wir hatten am 3. April zum ersten Mal und von diesem Tage an fast täglich ein Gewitter, jedoch fiel im Ganzen nur weuig Regen. Außer der Unterhaltung mit meinem verständigen nnd gütigen Wirthe bot das Dorf Bakada wenig Anziehendes dar. Ursprünglich nur eiu Sklavendorf für die „Feldha'nde", wie ein Amerikaner sagen würde, war von Viehzucht kaum eine Spnr zu seheu und Milch und Butter waren Lurnsgegenstä'nde; nicht einmal ein Hnhn war zu haben. Dagegen war der Ort einer der wichtigsten Getreide crzengendcn Plätze im Lande, das mit Sorgfalt in Furchen bestellt wurde; Sorghum war das Hanptvrodnkt des Landban's, aber anch viel Sesam, Baumwolle und Indigo sah ich auf den Feldern. — Sonntags wnrde bei dem westlichen Weiler der Dorfschaft ein sehr armseliger Markt gehalten; das gesammte Ansgebot von Lnrnsartikeln bestand in einem .— 73 ------ einzigen elenden Schaaf und als Vertreter des gebildeten Auslandes fand sich — ein halber Bogen Schreibpapier. Doch, brachte die vielbegangcne Straße, an welcher der Ort gelegen war, manche interessante Erscheinnng hierher. Bald zogen Pilger aus allen Theilen des Sndans dnrch, entweder auf ihrer Heimreise oder erst ostwärts wandernd; bald ließen sich kleine Trnpps von Hanssa-Händlcru sehen, hochgewachsene, thätige Burschen, mit kleinem Gewinn zufrieden, die ihre Päckchen mit Indigo gefärbter Hemden und andere Waaren den ganzen weiten Weg don Kano her auf dem Kopfe getragen hatten, nm sie in Massrna gegen die schönen Esel aus DarFor zn vertanschen. Nicht minder interessant waren einige Lente, welche zn einer in Masscna angekommenen zahlreichen Karawane Djellada gehörten, einem eigenthümlichen Voltsstamme, der vor etwa IM Jahren ans dem Nilthal nach Wadai eingewandert ist. In ihren Händen rnht der ganze Großhandel in Wadai, den sie in Gesellschaften, von welchen jede ihre eigene Reiselinie hat, nach allen Richtungen hin betreiben. Nach Westen führen sie besonders das schöne Kupfer aus der berühmten Mine „el Hofra" im Süden von Dar-ssor, das sie bis nach Kann bringen, ferner die vorhin erwähnten gesuchten Esel und vorzügliches Steinsalz ans dem Bahr cl Ghasal, welches von ihnen bis nach i^ogon und Kussnri vertrieben wird. Aus diesem letzteren Artikel bestand auch die Fracht der ?ente, welche nach Bakada kamen; ich kaufte etwas von diesem Salz für einen Bogen Papier nnd fand es, einen entschieden fischigen Geschmack abgerechnet, vortrefflich. Es würde in meinem Interesse gelegen haben, mich diesen Leuten möglichst gefällig zn erweisen, ganz besonders den Pilgern, die recht eigentlich die Träger der öffentlichen Mcinnng in diesen Bändern sind; aber meine Mittel waren gar zu beschränkt. Mein ganzes Vermögen bestand damals ans Z000 Muscheln znm Werthe von ein wenig mehr als einem spanischen Thaler, ans einem kleinen Vorrath Glasperlen, einigen Spiegeln und hauptsächlich aus Nähnadeln; mit diesen mußte ich nur meine täglichen Bedürfnisse verschaffen (da mir die hier geltenden Banmwollstrrifen gänzlich fehlten), das Wasser für mein Pferd bezahlen, nnd mit Nadeln allein konnte ich die frommen Pilger unterstützen. Die Freigebigkeit, mit welcher ick dieselben austheilte, erwarb nur denn auch bald den witzigen Titel „Nadelprinz" — „malaribra" —. Ich wnßte mich inzwischen kanm länger zn gednldeu. Endlich am Abend des 0. April kehrte mein Geleitsmann Grcma mit einem ____ 74 ____ Boten des Viccstatthalters zurück, — aber nicht, um mir eine bestimmte Antwort zu bringru, sondern um mich zu fernerem gednldigcm Warten zu bereden, bis der Bescheid des Sultans selbst einlaufe. Damit ich inzwischen nicht Hunger leide, brachten sie mir ein Schaaf znm Schlachten und ein Hemd, um mir dafür Vebensmittel zu kaufen, uud kehrten zur Stadt zurück. So beschloß ich denn, nochmals ewige Tage ruhig auszuharren. Am 13. ging mein freundlicher Wirth selbst zur Stadt nnd ich wandte mich durch ihn noch einmal an den Vice-statthaltcr; er versprach mir auch auf das Bestimmteste bis zum 15. Abends eine entscheidende Antwort, allem weder irgend ein Bescheid traf ein, noch auch lies; der gute Alte etwas von sich hören, und so war denn meine (^ednld vollständig erschöpft. — Mit Tagesanbruch am 16. April rüstete ich mich zur Abreise; der Himmel war zwar trübe und es regnete etwas, doch ließ ich mich weder hierdurch, noch durch die Verwandten uud Freunde Bu-Batr's abhalten. Als der Regen nachgelassen, stieg ich zu Pferde nnd ritt mit meinen Dieuern, die nicht miudcr unzufrieden waren als ich, davon. Wir kehrten anf demselben Wege zurück, auf welchem wir gekommen waren, machten aber schon in Mokori Halt, der Wasserstation einige Stunden östlich von jener großen trocknen Wnldregion, um zu sehen, ob nicht im Laufe des Tages Nachrichten aus der Hauptstadt einlaufen würden. Ich maß nach Sonnenuntergang, als die den 15 Klafter tiefen Brnnneu stets nmlagernde Menge sich verlaufen hatte, die Temperatur des Wassers in demselben uud fand 30,2° (5. (24,2° R.); die Temperatur der 3uft betrug zur Zeit 30° C. (24° R.) nnd war um 1 Uhr Nachmittags 37,,° (5. (29,,,° N.) gewesen. — Der Tag war vergangen und ich durch nichts veranlaßt worden, meinen Entschluß zu ändern; wir setzten daher am andern Morgen unsern Marsch fort. Mall hatte mir in Mokori gerathen, den Schari bei Klessem zn überschreiten, einem Dorfe, etwa 4 Meilen stromabwärts von Viele gelegen; ich kreuzte daher bald unseren frühereu Pfad, um nördlich von demselben mit möglichster Eile durch die wasserlosc Waldung zu ziehen. DaS Ansehen der letzteren hatte sich noch wcuig geändert, da der Regen noch nicht häufig genug gewesen war. Obgleich ber Wald von wildem Gcthier wimmelt, lam uus doch eben nichts Besonderes zu Gesicht; nur eine Gruppe von fünf Antilopen von der schönen, Oi-^x genannten Art mit aufrecht stehenden Hörnern staud furchtlos in geringer Entfernung von, Wege uud starrte uns neugierig an; es war das erste Mal, daß ich dieses schöne Thier in ------75 ------ seiner Freiheit sah, fand es jedoch später häufiger. Mein aufgeweckter Schna-Diener machte mich auf den Honigwkut (l^uouin» iudic^wr) aufmerksam, einen kleinen Vogel, der überall in Afrika zu dcn seltsamsten Mährchcn Veranlassung gegeben hat. Die Schua z. V. nennen ihn „schncter^ nnd halten ihn für ein verwandeltes altes Weib, das ihr verlorenes Sühnchcn sucht und mit „schnetcr, schucter" beim Namen ruft. So gelangten wir zn einem verlassenen Ort, Marga, wo der Pfad sich theilte. Um stromabwärts von Mele dm Schari zu erreichen, hätten wir jedenfalls deu nördlicheren einschlagen müssen; aber unglücklicherweise war auf diesem leine frische Fußspur zu bemerken, während der südliche viel betreten war. Als ich dennoch den ersteren einschlug, brachen meine armen Diener in lautes Wehklagen ans, daß ich unser Aller Leben in dieser öden Wilduiß auf das Spiel setzen wollte, und ich war thöricht gcnng, ihren kläglichen Bitten nachzugeben. Ich wählte also den betreteneren südlichen Pfad, nicht ohne ein banges Borgefühl, denn wir mnßten offenbar auf demselben den früher durchwanderten Gegenden nns nähern, wo ich überall bekannt war. Mitten in den: Walde auf einer etwas freiern Stelle sahen wir uns genöthigt, uuser Nachtlager aufzuschlagen, da es bereits ganz duukel gewordeu war. Kaum hatten wir angefangen, uns nach trockenem Reisholz umznschaucn, als die wilden Thiere rings umher in der dichten Waldnng ein tobendes Getöse zu erheben begannen; ich mußte mehrere Schüsse abfeuern, ehe wir ein kleines Feuer anzünden konnten, und indem wir fortwährend beim Suchen Brände vor uns hinwarfen, gelang es endlich, hinreichendes Brennholz zu sammeln. Wir wachten wcchsclsweisc, die Feuer zu unterhalten; dennoch brachen zwei Hyänen in das kleine Vager ein, von denen eine ihre Verwegenheit mit dem Veben büßen mußte. Nur mit großer Mühe waren wir während des übrigen Theils der schlaflosen Nacht im Stande, die Raubthiere fern zu halten. — Als wir mit Tagesanbruch weiter zogen, ward die Waldung bald lichter; wir passirteu ein Paar große Teiche und kamen dann auf Ackerland, das, wie ich zu meinem großen Verdruß vernahm, wirtlich zu dem Dorfe Kokorotsche gehörte, einem Orte, welcheu ich auf dem Wege von M^'le nach Bugoman berührk hatte. Indessen lagerte ich anscheinend in aller Gemüthsruhe nnd ließ meine Diener das von Grema ans der Hauptstadt mir gebrachte Schaaf, welches wir noch immer mit uns führten, Machten und zubereiten. Inzwischen stellte sich Grcma's Schwiegervater, mein früherer Wirth ------ 76 ------ aus dem benachbarten Mnstafadji, ein, und obgleich er wohl besorglich äußerte, man würde mir nicht gestatten, das ^aud so ohne Weiteres zu verlassen, erwähnte doch weder er noch später der Vorsteher von Kokorotsche, daß der Vicestatthalter bereits Voten nach mir ausgesaudt habe, mich anzuhalten; jedenfalls wäre es besser für mich gewesen, mein Geschick hätte sich schon hier als erst in Mele entschieden. Die Landschaft um Kokorotsche hatte eiu gefälliges Ansehen und wurde durch ein ausgedehntes, augenscheinlich tiefes Gewässer geziert, an dessen Ufer herrliche, reichbelaubte Bäume prangten. Beträchtliche, vor etwa einer Woche gefallene Regenschauer hatten überall in dieser Gegend die Pfianzenkeime uen belebt, so daß der ganze Gau bereits das heitere Kleid des Frühlings trug. Frische Wiesengrüude breiteten sich aus und wir kamen an mehreren großen Teichen vorüber, umsäumt von welligen Ufern im glänzendsten Grün. So betraten wir endlich die Flur von Viele, anf der bereits ebenfalls ein reges Leben herrschte, den Boden für die Arbeiteu der Regenzeit vorzubereiten; die Aecker wnrden ausgestockt nud Büsche und Baumstümpfe zur Aschcndüngnug verbrannt. Ich war den Ufern des großen Stroms früher nicht so nahe entlang gekommen nnd hatte daher die nn-gehenercu Termitenhügel nicht bemerkt, die mich jetzt durch ihre außerordentliche Grüße in Erstaunen setzten. Sie hatten nicht die gewöhnliche spitz auslaufende Kegclform, waren vielmehr denen ähnlich, die ich am Vennc gesehen hatte, und sauft abgerundet; dabei erreichten sie eine Höhe von 30 — 40 Fuß und ihre Basis hatte bei einzelnen einen Umfang von 200 Fuß. — In Mele angekommen, wurde ich von den Einwohnern als ein alter Bekannter begrüßt und schlng ruhig mein Zelt an der Stelle auf, wo es bei meinem ersten Bcsnche gestanden. Früh am andern Morgen (19. April) war ich beim Vorsteher des Dorfes gewesen, um mit ihm wegen des Uebergangs über den Fluß zu verhandeln, und hatte ihn durch ein kleines Geschenk günstig für mich zn stimmen gesucht. Bald darauf trat er Plötzlich in mein Zelt und theilte mir mit, es wären Boten vom Viccstatthaltcr angekommen, um meine Weiterreise zu verhindern. Er fragte mich dann, was ich nun zu thun gedächte, uud währeud ich ihn zu bestimmen suchte, mir zn erlauben, wenigstens einen Theil meiner Zeit iu dem benachbarten Dorfe Klessem zuzubringen, drängten sich allmählich mehr uud mehr Leute in das Zelt, nnd plötzlich ergriff man mich und legte meine Füße in Fesselu. — Es war vielleicht ein Glück, daß die ,___ 77 ____ Sache so unerwartet vor sich ging; denn hätte ich ihr Vorhaben vermuthet, so hätte ich wohl von meinen Waffen Gebrauch gemacht; so aber, überrascht und überwältigt, unterwarf ich mich geduldig, ohne auch nur ein Wort zu sprechen, dieser gewaltthätigen Behandlung. — Die ^eute schleppten mm nicht nur meine Waffen, fondern auch mein Gepäck fort, ja sie legteu fogar, was mich am meisteu bekümmerte, Hand au das Chronometer, den Kompaß und mein Tagebuch. Sie schlugen alsdann mein Zelt ab und führteu mich unter eiucu offcuen Schuppe!?, wo ich vou zwei Dicuern des Vicestatthalters bewacht wurde. Meine Diener hatte man anfangs ebenfalls in Fesseln gelegt, ließ sie aber bald wieder frei, weil ich sonst ohne alle Bedienung gewesen sein würde; sie hielten dcuu auch getreulich zu mir, um mein Mißgeschick zu erleichtern. — Später am Tage sah ich den Sklaven des Alifa-Ba (derjenigen Würde in Baghirmi, welche der des „Was-sertönigs" von ^ogon gleichkommt) meiu Pferd besteigeu, eine meiner Pistolen mitnehmen und fort nach Masseua reiten. Zum Glücke erhielt ich Abends auf meine Forderung mein Zelt zurück, unchte aber, immer gefesfelt wie ein Sklave, noch vier Tage geduldig in demselben ausharren. Ich hatte dte Beschreibung von Mungo Part's erster Reise bei mir und las die darin enthaltene Schilderung seiucr beiden unter den ^udamar (Mlad Ammer) in meiner jetzigen Lage mit doppelter Theilnahme; sein heldcnmüthiges Beispiel verfehlte nicht, meine Geduld zu stärkeu. Da kam am Ende des vierten Tags meiner Gefangenschaft mein alter Freund Hadj Bu-Bat'r Ssadit aus Batada auf meinem eigenen Pferde an. Er war entrüstet, als er mich in Fesseln sah, befahl, dieselben unverzüglich abzunehmen, und lobte es ungemein, daß ich nicht länger in Batada habe warten wollen; dabei versprach er mir, ich solle nun ohne irgend wcitern Aufschub die Hauptstadt besuchen. Jedoch verzögerte sich uusere Abreise uoch um einen Tag, weil der Haufttdiencr des Biccstatthalters noch nicht angekommen war. Meine sämmtliche Habe ward mir zurückgestellt, mit Ausnahme der nach der Hauptstadt gesandten Pistole. Früh am Morgen des 25. April begaben wir uus denn abermals auf die Reise uach Osteu; meine armen Diener, der nns hier zu Theil gewordenen schlechten Behandlung überdrüssig, gingen mit großem Widerstreben und warfen wehmüthige Blicke ans das westliche Ufer des Schari. Der Strom hatte jetzt seinen niedrigsten Stand "reicht, indem er seit meiner Ankunft in Mele am Itt. April noch etwa um 2 Fuß gefallen war. — Unser Marsch war ziemlich direkt ------ 78------ nach jenem Punkte geruhtet, wo ich auf dem Herwege vou Batada den Bitten meiner Diener nachgegeben nnd den südlichern Pfad nach Kotorotsche eingeschlagen hatte. Ein Paar Stunden vor diesem Puukte und dem dort gelegenen verlassenen Ort Marga lagerten wir bei dem Dorfe Kada-Marga, welches die Einwohner des erstcrn nen erbaut hatten; ich sah hier eine Anzahl zahmer Stranße. Das Nachtlager des zweiten Tages bezogen wir schon mehr als eine Meile jenseits Bakada's und brachen am Murgen des 27. April früh auf, nm Massena noch vor der Mittagshitzc zu erreichen. — Die Landschaft' war gut angebaut und mit Bäumen, namentlich Talhas nnd Hadjilidjs, geschmückt; der Boden bestand aus Sand, aber weiterhin war er thonig und bildete mehrere Becken, in denen sich zur Regenzeit bedeutende Teiche sammeln. Hier war die Landschaft von schönen Tamarindenbäumen und Dmnpalmcu belebt. Nachdem wir alsdann eine Zeit lang einen hübsch mit Gras bewachsenen Landstrich durchzogen hatten, in welchem viehzüchtendc Schua und Fulbe in bester Eintracht zusammen wohnten, erhielten wir Plötzlich einen Blick über eine offene, mit dem frischesten Grün bekleidete Senkung, in welcher die Ruinen von Lehm? Wohnungen weit verbreitet umherlagen. Dies war Massena, die Hanptstadt des Landes, die jetzt ganz dieselbe trüuunerhaste und verödete Erscheinung darbot, wie der Rest des Reiches. Jedoch war es mir nicht vergönnt, die heilige Umfassungsmauer der halb verödeten Hauptstadt ohne weitere Belästigung zu betreten. Dem Vicestatthalter mußte nieine Ankunft durch eine Botschaft angezeigt werden, und man ließ mich unter diesem Vorwand läuger als iz Stuuden vor dem Thore warten, wo auch uicht der geringste Schatten zu finden war. Erst nach dieser ueneu Demüthigung gestattete mau mir, meinen bescheidenen Einzug zu halten. Nur wenige menschliche Wesen waren zu seheu; offeue Wieseugründc breiteten sich auf ansehnliche Entfernung aus, vorzüglich auf meiner rechten Seite, in der südlichen Hälfte der Stadt. Dann betraten wir das bcwohnle Viertel und ich ward iu ciuer Thouwohuuug einquartiert, welche ein luftiges Bordergcmach uud vier kleine Hintergemächcr enthielt nnd in einem offenen, ebenfalls von einer niederen Thonmauer mugrbeuen Hofraum staud. — Kaum hatte ich von derselben Besitz genommen, so stellten sich eine Menge Leute ein, um mich im Namen des Vice-statthaltcrs zu begrüßen. Bald ließ sich auch ein vertrauter Sklave des Letztereu sehen, welcher die für seinen Herrn bestimmten Geschenke in Empfang nehmen follte; diese bestanden iu einem Stück gedrucktem ____79 ____ Kattun, groß genug für eine Tobe, in cincm ägyptischen Turban und verschiedenen Arten wohlriechender Sachen. Ich ließ dem Serma zugleich meineu ergebenen Grnß vermelden, erklärte aber, nicht eher-meine persönliche Aufwartung machen zu können, bis ich mcine Pistole wieder erhalten hätte, und wir kamen schließlich dahin übercin, daß mir der Statthalter dieselbe bei meiner Audienz überreichen solle. Demgemäß begab ich mich am Nachmittag in Begleitung Bu-Batr's zu diesem Herrn und fand einen anscheinend ziemlich wohlwollenden Mann, schon etwas über die mittleren Jahre hinaus, dessen äußere Erscheiuuug sehr einfach war, indem seine Kleidung nur iu einer dunkelblauen Tobe bestand, die bereits einen Theil ihres Glanzes verloren hatte. Nach der üblicheu Begrüßung erklärte ich ihm, daß mich uur die erlittene Veruachläsfignng und Mangel an Lebcnsmit-tcln bewogen habe, meinen Rückweg von Bakada anzntreten, daß es der ernstliche Wunsch der Negiernng, die mich gesandt habe, sei, mit allcu Fürsten der Erde im Frieden zu leben, und daß ich selbst iu der zuversichtlichen Hoffnung in dies Land gekommen sei, mich mit seinen Bewohnern auf deu freundschaftlichsten Fuß stellen, den Snltan auf dessen Hccreszug begrüßen uud mich ihm anschließen zu können, daß mich daher die mir gewordene Behandlung ans das Tiefste gekrault habe. — Der Emir Edriss — deun das war der Titel, mit welchem ich den Statthalter nach Bn-Vakr's Instruktion angeredet hatte — entschuldigte hierauf das Verfahren seiner ^andsleutc gegen mich damit, daß sie, mit unserm Charakter unbekannt, mich behandelt hätten, wie sie mit Jedem von ihrem eigenen Staunn verfahren sein würden, wenn er sich gegen die Vorschriften des Maudes vergangen hätte. Er ließ mir dann Angesichts der versammelten Menge meine Pistole zurückgeben und forderte mich auf, geduldig die Heimkehr des Sultans abzuwarten. — Ich konnte nichts Audcrcs thun, als seinem Rathe folgcu uud mir die Zeit so gut und so uützlich als möglich vertreiben. Dies also war mein Empfang in der Hauptstadt des „Vanga" oder Sultaus vou Baghirmi. Meiu Aufcuthalt iu dieser Stadt sollte über ein Vierteljahr dauern; die Beschreibung desselben uud eiu Abriß dessen, was ich während jener Zeit über ^and und Veute erfurscheu touute, werde ich im uächsteu Kapitel mittheilen. Drittes Kapitel. Aeberblick über die Geschichte non Hal/)irmi. — Allgemeiner Zustand des Lande« und seiner Nemohner. — Hnfenlhalt des Verfassers in NlajMa. — Rückreise »lach Mlmua. ^— 1>r. Dnerwe^'k Tod. Werfen wir zuvörderst einen Blick auf die Geschichte des Landes, das ich unter so peinlichen Erfahrungen betreten hatte und dessen Er-forschuug in der gewünschten Ausdehnung mir leider versagt bleiben sollte. Die Hülfsqnellen für die Geschichte des östlichen Ncgerlandes sind bei weitem kärglicher als die immerhiu geringfügigen Urtundeu zu derjenigen des westlichen Theils ^iigritiens, welche durch die von mir angestellten und in meinem größereu Neisewerke ausführlicher mitgetheilten Forschungen jetzt doch iu einer ununterbrochenen Entwickelung beleuchtet worden ist, vou der man vorher keiue Ahnnng hatte, so daß sie nun leicht durch ueu hinzukommendes Material ihren weitereu Ausbau finden kann. Aber während wir für das Königreich Ssonrhai mit den berühmten Städten Gogo nnd Timbuktu den fast ununtcrbrochcueu historischen Bericht des Ahmed Baba besitzen nnd für Vornu durch die Chroniken jenes Reichs und durch Imam Ahmed's Erzählung uns ein ziemlich reichhaltiger Stoss zu Händen gekommen ist, — sind für Ost-Nigritien (die Länder Baghirmi, Wadai oder Dar-Ssulai und Dar-For) bis jetzt noch keine solchen Urkunden auf' gefunden worden. Wir besitzen außer der von den Einwohnern selbst einzuziehenden Auskunft nur sehr wenige und ganz vereinzelte dunkle Angaben, welche uns von den arabischen Schriftstellern des Mittel-alters überliefert worden sind. — Der einzige Autor, welcher diese östliche Hälfte des Negcrlandes näher berührt, ist der gewöhnlich unter dem Namen Leo Afritanus bekannte spanische Maure, welcher innerhalb jener Grenzen ein großes und mächtiges Königreich, von ihm Gaoga genannt, beschreibt. Dieser Name hat wegen einer gewissen ------ 81 ------ scheinbaren Aehnlichteit mit dem Namen der Ssonrhai-Hauptstadt (Gao, Gauu, Gogo) zu vielfacher Verwirrung und zu zahlreichen grundlosen Hypothesen Veranlassung gegeben. Nach meiner sorgsamen Vcrgleichnng der Angaben ^co's aber kann es tcinem Zweifel unterliegen, daß sein „Gaoga" die über das Volt der Kuka gegründete Dynastie der Bulala, der Beherrscher des Sec'nlandes Fittri, War mit der von ihnen erbauten Hauptstadt Iauo (Dschano); denn wie wir gesehen haben, hatte diese Dynastie im 16. Jahrhundert ein mächtiges Neich im Nordostcn des Tsad gegründet. Die Berichte Veo's beziehen sich also auf die Geschichte der nördlich an Baghirmi angrenzenden Länder, nicht anf die des eigentlichen Baghirmi; auch konnte Leo übcrhanpt von: letzteren Vaude nichts wisseu, da desseu ganze beschichte erst nach seiner Zeit ihren Anfang nimmt. Das Geschlecht, welches letzterem seine ersten Herrscher gab, also Baghirmi als selbstständigen Staat begründete, scheint, wie die Herr-scherfamilic Wadai's, vom Auslande nnd zwar von Osten her und aus nicht sehr grosser Entfernung erst im 16. Jahrhundert nach Christo eingewandert zu sein. Der angenommene oder wirtliche Stammvater dieses Geschlechtes war der Häuptling Dottenge, dessen früherer Sitz Kenga oder Kenga Mataia war, fünf Tagereisen östlich von Masfena. Noch hentc betrachtet! daher die Baghirmicr diesen Ort mit tiefer Verehrung und besitzen gewisse Embleme, welche.von dieser ursprünglichen Hcimath herstammeu sollen nnd bei besonderen festlichen Gelegenheiten zur Schau gestellt werben. Sie bestehen in einem sehr langen Speer, welcher alsdann vor dem Sultan hcrgetragcn wird, in einer kleinen Panke nnd in einem Bügelhorn. — Die Sprache von Kcnga ist ebenfalls derjenigen von Baghirmi nahe verwandt, und rs bilden diese beiden Mundarten mit derjenigen des Volts st ammes der Kuka zusammen Eine Sprache. Die Einwanderer unter dem genannten Häuptling gründeten also vor etwa 300 Jahren ein neues Königreich. Damals soll an der Stelle, wo jetzt die Hauptstadt Massena liegt, nur eine armselige Ansiedelung von Viehzüchtern ans dem Stamme der Fulbe (oder sscllata, wie sie in diesen östlichen Vändern Mittcl-Afrita's allgemein genannt werden) sich bcfnnden haben, an deren Statt ein neuer Ort gegründet und nach einer grosien Tamarinde (— „mass" in der Baghrimma-Sprache ') ^.), „uter welcher ein Fulbc - Mädchen Namcus „Eiia" ') Baghiimma ist die Adjektivsorm von Baghirmj. v<"ch'« Reisen, li. « Milch verkaufte, benannt wurde. Diese Fulbc sollen durch die jährlichen Einfälle dcr Bulala große Bedräuguiß gelitten haben, und Dottengc übernahm es nun, fie gegen jene zu beschützen. — Mit Ausnahme dieser Fulbc-Ansiedelung, einigen Araber- oder Schua-Stäm-men, die sich schon sehr frühzeitig in diesen Gegenden ausgebreitet haben, lind endlich der Einsiedelei eines Fnlbe-Scheichs oder heiligen Mannes zu Bidden — einer Ortschaft 2^ Meilen östlich von Massena —, der bedeutenden Einfluss auf die Einführung dcs Islam in diesen Bändern ausübte, — waren sämmtliche Einwohuer des Bandes nebst dem Häuptling Dukt'eugc Heiden. Nachdem dieser in Massena sich festgesetzt hatte, soll er vier kleine Königreiche, die sämmtlich in dcr Mitte des Bandes an dein Batschitam genannten Arm des Schari lagen, sich durch M unterworfen, dann die Bulala zurückgetrieben uud sonnt in kurzer Zeit ein beträchtliches Gebiet sich erworben haben. Nach einer langen Negierung ging das neue Reich au seiueu Bruder über, uud dessen Nachfolger insbesondere soll dasselbe beträchtlich ausgedehnt haben. Als aber dessen ältester Sohn Malu den Thron bestiegen hatte, fand or sich bald mit feinem jüngeren Bruder Abd-Allah in Krieg verwickelt, da dieser zum Islam übergetreten war und deshalb ein besseres Anrecht auf den Thron zn haben glaubte. Der Streit endete nach einem mehrtägigen blutigen Kampfe innerhalb der Stadt, in welchem Malo sein Leben verlor. Der so durch Blut eingesetzte erste Moslem-König Abd-Allah befestigte seiuc Herrschaft auch uoch mit dem Blute seiner ge-sammteu Verwandtschaft und führte wenigstens äußerlich den Islam in seinem ttaude ein, dessen Wohlfahrt er jedoch bedeutend gehoben haben soll; jedenfalls erweiterte er die Hauptstadt zu ihrer gegenwärtigen Ausdehnung. Der Anfang seiner Ncgiernng fällt ungefähr zehn Jahre nach der Gründung dcs östlichen Nachbarreichs Wadai (1020 u. d. H.) durch Abd el Kerim, den Sohn Mine's, also in das dritte Decennium des 17. Jahrhunderts nach Christo. — Von den drei ersten Nachfolgern Abd-Allah's ist wenig oder nichts bekannt, doch fcheiut uuter dem zweiten derfelbeu Baghirmi in ein Abhängigteitsoerhältniß zu Bornu gctommeu zn sein. Hierauf aber folgte eine glorreiche Regierung, welche in dcr Geschichte Borun's Epoche machte — die dcs Königs Mohammed el Amiu, in Folge einer Wallfahrt nach Mekt'a auch ,.el Hadj" (der Pilger) geuauut. Diefer Fürst regierte sein ^and nicht nur mit mehr Gerechtigkeit als feine Vorfahren, sondern er erweiterte auch beträchtlich dessen Gebiet und ------ 83 ------ Machtstellung, indem cr nicht nur Eroberungen im Norden des Reichs machte, sondern diese auch bis nach Gugomi ausdehnte, einer durch Gebirge geschützten Niederlassung 7 — 8 Tagereisen südöstlich von der Hauptstadt. Es war dies dieselbe Feste, welche während meines dortigen Aufenthaltes von dem gegenwärtigen Snltan zum zweiten Male erobert wurde. Auch wird es deu Bemühungen Mohammed cl Amin's zugeschrieben, daß nun wirklich die Mehrheit seiner Unterthanen sich zum Islam bekannte. Diesen: ruhmwiirdigeu Fürsten folgte sein Sohn Abd e' Nahman, dessen Negieruugszcit bereits in den Anfang dieses Jahrhunderts fällt. Da er den Versuch machte, sich der Obcrherrlichleit Boruu's zu entzieheu, rief Scheich Mohammed el Kauemi von Bornu den gc-waltthätigen, aber trafwollen Herrscher von Wadai, Abd el Kerim Ssalmu (gest. 1815), gegen ihn auf; dieser besiegte und tödtete ihu sammt seiner vornehmsten Gattin, plünderte das unglückliche Land aber dergestalt aus, wie wir es bereits oben gesehen haben. Der damalige leichte Sieg über daö im Allgemeinen tapfere Baghirmi-Bolt wird den Folgen einer verheerenden Pest zugeschrieben, welche den größeren Theil der erwachsenen Bevölkerung des Bandes Hinweg-gerafft hatte, und dem Verrathe des dem Snltan Abd e' Rahman feindlich gesinnten Veziers („Fatfcha" in Baghirmi). — Ehe der Sultau von Wadai das Vano verließ, setzte er einen jüngeren Sohn des gctödteteu Abd e' Rahman anf den Thron; sobald er aber wirklich abgezogen war, kehrte der älteste Sohn, Othman, der sich während des Kriegs nach Bugoman geflüchtet hatte und daher anch den Namcu dieser Stadt als Spitznamen führte, zurück, besiegte sciuen Bruder, bleudete ihu uud bestieg selbst deu Throu. Der Sultan von Wadai rückte nun abermals in das ttand, schlug Othmau bei Moito (nördlich vml Massena) uud setzte ciuen zweiten Brnder ein. Kaum "ber hatte Abd el Kerim Ssabun den Rücken gewandt, so erschien "uch Othman wieder, ertränkte seiuen Bruder im Schart und be-'nächtigt sich abermals des Thrones. Bald erstand ihm jedoch in 1"ncm Fatscha ein mächtiger Feind; er ward der Herrschaft entsetzt ^ des Bandes verwiesen. Beistand suchend wendete er sich an den Scheich cl Kancmi, brachte auch mit Hülfe der Schna von Bornu ein indem es sich in seiner größten Länge nordsüdlich nnr etwa 60 und in seiner größten Breite gegen 38 Meilen erstreckt. Ein so kleines Königreich würde durchanS nicht im Stande sein, sich gegen seine beiden mäMigen Nachbarn zu behaupten, wenn ihm nicht in den heidnischen Ländern im Süden so unversiegbare Hülfsquellcu zu Gebote stäuden. Das ganze Laud, so weit cs das eigentliche Baghirmi bildet, besteht aus einer stachen Ebene init nuev unmertlichen Abdachnng nach Norden nnd einer Erhebuug über das MeereSnivean von uugcfähr 950 Fnß; uur im nördlichsten Theile des Bandes, nördlich von einer durch Moito gezogenen Linie, giebt es einzelne Hügel oder Berge, wrlchc die Wasserscheide zwischen dem Bocken des Mtri nnd demjenigen des Tsad bilden (diese beiden Becken ftcheu mit einander in keinerlei Verbindung). Während aber Baghirmi eine Ebene ist, scheinen die ') Die Boote der Kalcama, der südlichen Insulaner des Tsad, bringn jedoch mitunter Getreide bis Vugoman, 24 — 25 deutsche Meileu vmi der Mi'mdmig des Schari. ------ 87 ------ außen liegenden südöstlichen Gemarkungen gar bergig zu sein und einige dieser Gebirge, besonders die Gruppe Gere, eine solche Höhe zu erreichen, daß die Kälte daselbst sehr empfindlich fühlbar Wird und während der kälteren Monate mitunter Hagel oder Schnee fällt. Aus den Mittheilungen der Eingeborncn dürfte man schließen, daß es in jener Richtung auch einige Sultane giebt. Im Süden muß es ebenfalls beträchtliche Gebirge geben, wo die drei Flüsse Benue, Schari und der Fluß von ^ogouc und wahrscheinlich noch mehrere andere entspringen; aber sie müssen iu großer Entfernung, weit jenseits deß Bereiches der mir zugekommenen Nachrichten, liegen. Ich bin jedoch davon überzeugt, daß iu diesem Theile des Kontinentes an keinen ewigen Schnee oder auch uur an einen solchen zu denken ist, der geraume Zeit liegen bliebe; auch ist durchaus keine Nothwendigkeit für eine solche Annahme vorhanden, da der Negenfall am Aeqnator vollkommen hinreicht, um zahlreiche mwcrsiegbarc Quellen zu speisen und die jährlichen ungeheueren Flußanschwellungen zn verursachen, welche die Uferlandschaften anf so erstaunliche Weise überschwemmen. Damit fällt es mir'jedoch keineswegs ein, das Dasein vou Schnee in den Acquatoriallandschaften Afrika's überhaupt zn leugnen; denn in Damot, Ssainen, itaffa ') und anderen umliegenden Bändern giebt es entschieden manche Berghöhen, auf welchen sich eine geringe Menge Schnee's einen Theil des Jahres über hält, uud ich sehe leinen Grund, warnm das nicht anch mit anderen, südlicher, unfern der Osttüste gelegenen Berghohen der Fall sein sollte, wenn sie nnr jene um etwa 3l)M Fuß au Höhe übertreffen; darüber jedoch kann kein Zweifel sein, daß das Anschwellen der Flüsse im mittleren Afrika nichts mit dem Schmelzen großer, anf Berghöhen angesammelter Schneemasscn zu thun hat. Die Schwellzeit scheint bei den erwähuteu drei Flüssen genau zusammen-znfallen, aber die reißendste Strömung scheint der Fluß von Logone zn haben; jedoch ist auch der Faro, der kleinere Arm des Bcnue, sehr reißend. Der Boden Baghirmi's besteht theils aus Thon, theils aus Sand und bringt demgemäß entweder Negerhirse slVimi^wm) oder Sorghum hervor; diese zwei Getreiocartcn bilden mit ihren verschiedenen Abarten das Hauptnahrungsmittel der Einwohner don Baghirmi, so wie von fast ganz Sndan. Anßerdem wird beträchtlich viel Sesam gebaut, ') Ssamen (Sennen) ist eine Gebirgslandschaft im nördlichen, Damot im südlichen Abyssiuien, Kassa liegt einige Grade weiter nach Süden von letzterem. .^ 88 ------ Welcher Betrieb diesem Lande, wie auch mehreren heidnischen Ländern, wo diese Sämerei bei vielen Stämmen den hauptsächlichsten Theil der Nahrung zn bilden scheint, ein ganz eigenthümliches Ansehen giebt. In anderen Gemarkungen Baghirmi's sind Bohnen die vorherrschende Speise; Erdmandeln scheinen nur in beschränkterem Maaße gebaut zu werden. — Weizen wird, mit Ausnahme einer kleinen Stelle innerhalb der Stadt für den Privatgebrauch des Sultans, gar nicht gebaut. Auch Neis wird nicht gezogcu, aber nach dein Ncgcu in der Waldung, wo er in Sümpfen und zeitweiligen ^achcn wild wächst, in großer Menge gelesen liu der That bildet eine gute Schüssel Reis mit ciucm tüchtigen Stück Butter und Fleisch eins der wenigen guten Gerichte, die mir in Baghirmi vorgekommen sind). Ein anderes von mir mehrfach erwähntes Nahrungsmittel gewähren verschiedene Arten eines Grascs, einer I'on, die, wie ich glanbe, mit der 1'oa ^,d^88inick identisch ist uud in Baghinni nicht nur vou den Armen, soudern auch von den Reichen als Speise benntzt wird. Hierüber vermag ich selbst aus Erfahrung zu sprechen, indem ich während meines langen Aufenthaltes in diesem Laude, abgesehcu vou etwas Reis, fast ausschließlich von dieser?oa, lebte. Ich fand dieselbe, wcuu sie mit einer gehörigen Menge Butter zubereitet oder in Milch gekocht war, recht schmackhaft; freilich ist sie nnr eine leichte Speise, und wenn sie somit keine Ver-dauuugsbeschwerdeu verursacht, stillt sie auch deu Appetit nur auf kurze Zeit und flößt eben leine überflüssige Stärke ein. Von Gemüsen bcnntzt man außer den Blättern des Affenbrod-baumcs und mitnnter denen des Hadjilidj, ans welchen die armen Leute ihre gewöhnliche Zukost bereiten, besonders ^oi-ekoru8 oliw-riu8 und die aus Aegypteu wohlbekannte »deraba" oder „bamia". Auch Wassermelonen, so wie die N<>1o^o^u genannte (?uculdita-Art, deren ich schon früher Erwähuung gethan habe, werden in einiger Ausdehnuug gezogen. Innerhalb der Stadt werden viele Zwiebeln gebant, aber weniger für den Gebrauch der Einwohner, als der den Ort besuchenden Fremden. Von Rohstoffen für die Industrie gewinnt man Baumwolle und Indigo in für den Bedarf der Einwohner hinlänglicher Menge; beide Artikel werden aber meistens von deu in dieses Land eingewandertcn Bornanern gezogen. Der Boden scheint keineswegs von ungünstiger Beschaffenheit zn sein, wenn auch bei weitem nicht so ergiebig, wie in anderen Theilen des Sudaus; nur leidet das Land, wie ich oben bemerkt habe, sehr ------ 89 ------ an Dürre, und Termiten und Würmer vereiteln in großem Maaße die Arbeiten des Sandmannes. Bon den Bäumen, welche im Lande am häufigsten nnd dem Menschen am nützlichsten sind, habe ich besonders die Tamarinde zu erwähnen — einen dnrch seine Frucht eben so nützlichen, wie dnrch sein Lanb schönen Banm. Die Frucht der Tamarinde bildet, meiner Ansicht nach, wegen ihrer erfrischenden und kühlenden Eigenschaft bei einer grüßen Allzahl leichter, diesem Klima eigenthümlichen Krankheiten das beste und sicherste Mittel. Ihr zunächst folgt die Dcleb-Palme, welche an mehreren Stellen des Landes häufig vorkommt und in den äußeren Gemarkungen im Süden am häufigsten ist; sodann die Dunchalme, die zwar nicht ganz so häufig, jedoch in mehreren Theilen des Landes in beträchtlicher Anzahl gefunden wird; ferner der Hadjilidj 8 ^l'A'i»t,mcu8), dessen Frucht nicht allein eßbar ist, sondern dessen Blätter auch, wie vorhin erwähnt wurde, gleich denen des seltneren Affenbrodbaumcs, als Zukost benutzt werden; endlich der Korna oder Wrna l'^ornu«) nnd die Sykamore. Viele der in Haussa gewöhnlichen Bänme, wie die Kadena «M^is, I'm'kii) und die Doroa (I'su'liia), kommen hier, wenigstens in den von mir besuchten (legenden, gar nicht vor; jedoch ist Ooton ti^ium häufig, nnd ich selbst versah mich bei meiner Rückkehr ans diesem Lande znm Ersatz meiner verbranchten europäischen Arzneien mit einem Vorrath dieses kräftigen Abführuugsmittels. Vcrgban giebt es gar nicht. Eisen wird von den äußeren Ge-marknngen eingeführt, namentlich von Gurgara aus, einem einige 20 Meilen südlich von Massena gelegenen Orte, wo der Sandstein beträchtlich viel Eisenerz zu enthalten scheint. Natron kommt vom Bahr el Ghasal. In Betreff der Topographie und der Eigenthümlichkeiten einzelner Orte mnß ich auf den betreffenden Abschnitt des Alihangs zum dritten Bande meines Hanvtwcrkcs verweisen; hier bemerke ich nur noch, daß die Gcsammtbcvölkerung des Landes kaum die Zahl von ^2 Millionen zn übersteigen scheint nnd daß die ganze Hcercsmacht bei dem gegenwärtigen hcrabgekommcnen Zustande des Königreiches lamn über 10,000 Mann Fußvolk und 3000 Mann Reiterei beträgt — und zwar mit Einschlnß der Schua, welche die schwarze Bevöl-tenmg in der Pferdezucht übertreffe» ^, während die Reiterei von Wadai auf 5- bis 6000 Mann und die von Dar-For auf mehr "ls 10,000 Mann anzuschlagen ist. ------ 90 -— Die üblichste Waffe in Baghirmi ist der Speer, während Bogen nnd Pfril sowohl in Baghirmi selbst, als auch in den nack) Süden zu gelegenen heidnischen Vändern selten sind. Der Schild ist ebenfalls sehr wenig in Gebrauch und nnr unter dem Kanori-Namen „ngana" bekannt; noch seltener ist die werthvollerc Panzerrüstllng, und ich sah fast keine einzige Feilerwaffe im Vandc. Dagegen sind fast sämmtliche heidnische Bewohner dieser Gegenden mit dem von mir noch in so vielen anderen Ländern angetroffenen Handbeil bewaffnet. Nnr wenige Baghirmier sind reich gcnng, nm sich ein Schwert anzuschaffen, welche Waffe sie auch nicht zu schmieden vermögen, und sogar der eigenthümliche, am linken Arme getragene Dolch, welcher nach dem Vorgang der Tuareg ill dem größten Theil des mohammedanischen Negcrlandcs eingeführt worden, ist höchst selten. Die Baghirmier sind ein schöner Menschenschlag und im Allgemeinen viel ansehnlicher von Gestalt als die Bornancr; die Männer übertreffen letztere an Größe und Muskelkraft, wie sie es auch an Muth und Thatlraft thun; besonders aber ist der Wuchs der Weiber nnverglcichlicl' vorzüglicher. Die Vaghirmierinnen sind nämlich im Allgemeinen wohlgebant, schlank lind nicht so vierschrötig oder vielmehr viereckig, wie die häßlichen Bornaucriunen, haben ebenmäßige Glieder, regelmäßige Züge und einen angenehmen Gesichts-anödrnck; einige mit großen, dnnklen, schönen Angcn tonnte man selbst hübsch nennen. Sie haben nichts von den weiten Nasenlöchern ihrer westlichen Nachbarinnen, welche dnrch die garstige Koralle im linken Nasenflügel noch mehr entstellt werden. Während der Haarpntz der Bornaucrinnen hauptsächlich in einer Masse von Fett oder Butter besteht, die sie auflegen, wenden die Baghirmierinncn beträchtliche Sorgfalt auf die Frisur, und die Art, wie sie das Haar ganz in der Form eines Helmbufchcs tragen, steht ihnen vortrefflich, da sie der hohen, wohlgebauten Gestalt ausnehmend gut entspricht. Es ist deshalb nicht ohne Grund, daß die Franen von Baghirmi im Sndan weit und breit berühmt sind. Ihre Kleidnng ist schr einfach, der in Bornn üblichen ähnlich, nnd besteht in der nm die Brnst befestigten schwarzen Turtcdi; von den Reicheren wird gewöhnlich noch eine zweite Turkedi über die Schnltern geworfen. Die Weiber sehen im Allgemeinen sehr gesund aus, aber die Mänuer leiden viel an einen: eigenthümlichen Uebel, welches in der Landessprache „mukardam" genannt, von den Arabern aber mit dem Guineawurmc unter einer Vcnenmmg, nämlich ..ferentit" oder »aruk", ------ 91 ------ begriffen wird, obgleich es davon sehr verschieden zu sein scheint. Es besteht nämlich in einem Wurme, welcher die kleine Zehe bewohnt und dieses Mied, beim Gelenk anfangend, allmählich zerstört, so daß es aussieht, als wenn es mit einem Faden abgebunden wäre. Ich halte dieses Insekt für identisch mit der ^saiis ^,moril ^n^ oder k^u-vklF^ii oder, wie es gewöhnlicher heißt, I^nlox ^ouetrnn«, einem in Amerika wohlbekannten, sehr kleinen schwarzen Insekte. Diese Krankheit ist in hiesiger Gegend so verbreitet, daß man nnter zehn Renten wenigstens Einen findet, der nnr vier Zehen hat. Wenn es die Kürperbeschaffenheit zeigt, daß die Vaghirmier keine Stanmu'sgcmeinschaft mit ihren westlichen Nachbarn, den Kanori, haben, so weist anch die Sprache ans eine nahe Verwandtschaft mit den Kuka nnd verschiedenen anderen Stämmen im Osten hin. Sie selbst nennen ihre Sprache „tar Baghrimma". Den Islam haben sie erst in jüngerer Zeit angenommen, nnd die Mehrzahl verdient anch noch heutigen Tages mehr den Namen von Heiden, als von Mohammedanern. Das Maaß der Kenntnisse, welche sie besitzen, ist geringfügig; nur bic wenigen Eingebornen, welche die Wallfahrt gemacht, wie Bn-Vakr Ssadik, sind einigcrmaaßen mit dem Arabischen vertraut; ^cutc von einiger Gelehrsamkeit giebt es nnter den Eingcborncn nicht. Jedoch will ich erwähnen, daß am 35. Mai der Kadmnange (ein Höft bcamter, ursprünglich der Lehrmeister der Söhne des Königs) Almosen spendete, weil sein Sohn die einmalige Lektüre des Knran vollendet hatte nnd zur zweiten überging — wodurch für die Familie der Tag zu dem Feste des „chatem el knran" wurde. Nur unter den Fnlbe oder den Fremden aus Wadai giebt es Gelehrte. Die einzigen Industriezweige, in denen sie einige Fertigkeit besitzen, sind die Künste der Färberei und der Weberei, welche sie beide anch in Wadai eingeführt haben, obgleich in Baghirmi selbst die Weber und Färber meistens Kanori sind. Schwarze Toben sind bei den Männern viel üblicher als in Bornn, und anch die Bolne oder Turkedi, welche gewöhnlich die einzige Kleidnng der Weiber bilden, fo wie das Oberklcid sind schwarz gefärbt. Eng anschließende Hemden, in Wadai die gewöhnliche weibliche Kleidnng, werden wenig getragen. Der große Mißstand, nnter dem Baghirmi leidet, ist, das; es ihm an einer geraden Karawanenstraßc nach der Nordküste fehlt lind daß es folglich bezüglich seines Bedarfes an cnropäischen und arabischen Erzengnissen von der beschränkten Znfnhr auf dem weiten Umwege durch Wadai oder Bornn abhängt, wodurch der Preis der Waa- ____93 ------ ren bedeutend erhöht und der Verkehr bei Feindseligkeiten mit diesen Ländern gänzlich unterbrochen wird. In früheren Zeiten scheinen sich die Baghirmier in dieser Beziehung ohne diele Umstände geholfen zu haben, indem sie fortwährend Ranbzüge nach der Karawancnstraße zwischen Fesan und Bornu ausführten, auf welchcu sie jene Reichthümer gesammelt haben sollen, welche, wie oben erzählt, der Sultan von Wadai ihnen abnahm. Die Regierung von Baghmui ist eine unumschränkte Monarchie, welche weder durch ein aristokratisches Element, wie in Bornu, noch durch einen solchen Ministerrath, wie wir ihn in den Haussa-Staateu gefunden haben, gemäßigt wird. Der Titel des Herrschers ist „Banga"; der Erste nach ihm ist der „Fatscha", desscu Würde ganz der des Keghamma oder Veziers in Boruu entspricht. Dann kommt noch eine ganze Reihe von Hofbeamten, wie z. V. der Minister des königlichen Hauses, der Verwalter der offeueu Weiden und Wälder, der Lehrmeister der Prinzen u. s. w. Außer diesen Beamten haben die Hauftt-leute und Statthalter der bedeutendsten Ortschaften beträchtliche Macht, namentlich auch der Clifa-Ba, der Flußlöuig, besonders iu seiner Stellung als Wächter der westlichen Grenze. Mit letztcrem Beamten schließt die Reihe derjenigen Würdenträger, welche auf einem Tcppich sitzen dürfeu; sobald ich mich von der Beschaffcuheit dieses Vorrechts belehrt hatte, entfernte ich auch meinen von den Ameisen vou Bakada so übel zugerichteten Teppich, um selbst dcu kleinsten Anstoß zu vermeiden, nnd bediente mich in der Folge blos einer Matte. Bon den Höft beamten waren nur etwa vier freie Leute, die übrigen waren Sklaven; doch kann ich nicht sagen, ob dies aus Grundsatz so war oder nur zufällig. — Von den nächsten Angehörigen des Herrschers genießt die Sultanin-Mutter große Machtbefugnisse; der Einfluß des Thronfolgers (hier wie in Bornu Tschiroma genannt, wie auch die Prinzessinnen in diesen beiden Ländern nnd selbst in Wadai denselben Titel „Mcram" tragen) hängt hauptsächlich von dessen Persönlichkeit ab. — Bezüglich der vom Sultan erhobenen Auflagen erlaubtcu mir die Umstände nicht, gcnanc Anskunft zu erlangen. Sie bestehen in Gc-trcide und Banmwollenstrcifcn für die eigentlichen Baghirmier, dagegen für die Schua (hier Schiwa genannt) in Vieh und Butter; vielleicht müssen sie anch, wie in Bornu, dem Könige alle Hengste einliefern und dürfen blos die Stuten behalten. Die Haufttauflage aber und daher der Hanptreichthum der Sultane besteht in Sklaveu, welche die zinspfiichtigen heidnischen Völkerschaften zu entrichten haben. — Die _ II _ Einwohner von Baghirmi haben ihrem öandesherrn cine höchst knechtische Unterwürfigkeit zu bezeigen; wenn sie sich ihm nahen, müssen sie nicht nnr mit unbedecktem Haupt erscheinen, sondern auch das Hemd von der linker Schnlter herabziehen nnd den Kopf mit Staub bestreuen. Sie erleiden jedoch im Allgemeinen keine schwere Bedrückung und besitzen eine viel größere Redefreiheit als die Einwohner mancher europäischen Staaten. Natürlich aber hängt in diesen Ländern Alles von den persönlichen Eigenschaften des jedesmaligen Fürsten ab, — Glück nnd Unglück der Bewohner ist an seine Vauucn geknüpft. Nach dieser Uebersicht über die Geschichte und allgemeine Beschaffenheit des Landes, über die nationalen Eigenthümlichkeiten der Bewohner und ihre staatlichen Einrichtnngen lehre ich zu der Schilderung meines Aufenthalts in der Hauptstadt zurück. Trutz des gerade nicht unfreundlichen Empfanges von Seiten des Statthalters nahmen meine Beziehungen zu demselben doch sehr bald einen ziemlich kalten Charakter an. Nachdem er mir eine erste leidliche Bewirthnng hatte zu Theil werden lassen, lies; er mich mehrere Tage ohne >ein Zeichen von Gastfreundschaft, so daß ich mich zur Bestreitung meines Lebensunterhaltes auf meine eigenen geringen Mittel angewiesen sah. Er war jedenfalls ein Mann ohne große Einsicht nnd hatte natürlich nicht die geringste Vorstellung von den wissenschaftlichen Untersuchungen eines europäischen Reisenden. Da ich an eine weitere Ausdehnung meiner Ncife nach Süden oder Osten vor der Hand nicht denken konnte, so mußte sich mein Streben wenigstens darauf richten, die der Hauptstadt zuuächst benachbarten Landschaften zu durchforschen. Besonders wünschte ich den Batschikam genannten Flußarm des Schari, welcher Masseila bis auf 2^ Meilen nahe kommt, zn besuchen; allein auch dergleichen kleinere Ausflüge wurden mir nicht gestattet und der Kreis meiner Wanderungen mußte sich lediglich auf die Grenzen des Stadtgebietes beschränken. Selbst innerhalb dieses engen Bezirkes beobachtete man meine Bewegungen mit dem größten Argwohn, und als ich das erste Mal mein Pferd bestieg und einen Ritt in's Freie »nachte, glaubte Jedermann, ich wollte entfliehen, und die ganze Stadt gcrieth in Alarm. — Au körperliche Anstrengung gewöhnt, tonnte der Mangel derselben auf mein Befinden nur schädlich einwirken, und gegen Ende des Monats April wurde ich sehr nnwuhl, so daß ich mich fünf Tage beinahe aller Nahrung enthalten und einer strengen diätetischen Kur unterwerfen mußte. Dieses Unwohlsein überzeugte mich, daß der ruhige Aufeuthalt in ------ 94 ------ dieser Stadt meiner Gesundheit zu nachthcilig sei«, würde, und ich ersuchte deshalb den Statthalter auf das Dringendste um die Erlaubniß, nach Westen zurückkehren zu dürfen. (5r wollte jedoch unter keiner Bedingung zugeben, daß ich die Stadt vor der Ankunft des Sultans verließe. So wurde mein Verhältniß zu dem Statthalter immer gespannter, so wie denn auch sein Argwohn gegeu meiu ihm unverständliches Treiben immer mehr zunahm nnd zuleht eine für mich Gefahr drohende Höhe erreichte, wie das folgende Beispiel zeigt. — Die Regen-fälle, welche im Anfang mit bedeutender Heftigkeit eingetreten waren, hatten später fast ganz aufgehört, so das; nicht nur das Gras wieder verwelkte, sondern auch die dem Boden schon anvertraute Aussaat nicht zum Keimen kommen tonnte. Es stiegen zwar häufig Gewitter auf, sie verzogen sich aber meistens wieder ohne Regen. Behufs meiner meteorologischen Aufzeichnungen war es nuu meine Gewöhn-heit, so oft ein Gewitter sich sammelte, vor meine Wohnung hinauszutreten, um zu sehen, von welcher Seite es aufsteige. Da erschien eines Tages (21. Juni) ein Diener des Statthalters Plötzlich in meiner Wohnung und eröffnete mir im Namen des letzteren, tn'eser wünsche zu wissen, ob es wahr sei, wie das Gerücht iu der Stadt umgiuge, daß, sobald eiu Gewitter am Himmel anfsticge, ich meine Wohnuug verließe uud den Wolken geböte, sich zurückzuziehen; denn man hätte zn wiederholten Malen bemerkt, Wie die Wolken, sobald ich sie mit einer gewissen gebieterischen Miene betrachtete, vorüberzögen, ohuc einen einzigen Tropfen Rcgcu zu bringen. Als ich über dies mit der größten Wichtigkeit vorgetragene Pröbchen heidnischen Aberglaubens von beuten, die sich so gern als aufgeklärte Mohammedaner breit machten, laut lachte, bat mich jener Diener dringend, die Sache ja ernst zu nehmen und wohl zu bedenken, welche Antwort ich dein Statthalter geben wollte. Auf eine in diesem Sinne abgefaßte Rechtfertigung ließ er mir wieder sagen, es wäre allerdings auch seine Meinung, daß kein menschliches Wesen im Stande sei, Regen zu ver-hütcu; aber wie sie ihre Gebete um Regen an den Allmächtigen richteten, so solle auch ich das mciuige zu den ihrigen gesellen; dann solle es mir auch gestattet sein, die Stadt zn rechter Zeit und iu Sicherheit zu verlassen; im Gegentheil aber, wenn ich gegen sie übel gesinnt wäre, würde man auch mir übel begegnen. Dabei ließ er mich wisfen, daß sie einst aus eiuem ähnlichen Anlaß zwei bedeuteude Religionshäupter aus der Stadt Bidder» getödtct hätten, um mir anzndcuten, ------ 95 ------ daß mir cm gleiches Schicksal widerfahren könnte. — Diese Erfahrungen machten mich Vorsichtiger; ich wagte lcnnn mehr, jene Beobachtungen fortzusetzen, und unterließ Alles, was den Argwohn der abergläubischen Leute erregen oder gegen eincS ihrer Bornrtheile verstoßen tonnte. Ucbrigens schickte mir der Statthalter an jenem Abend eiue Schüssel voll vortrefflichen Pudding, reich mit Butter übergössen, uud ciueu kleinen Topf Hirsengrütze, mit der Frucht der Dnmpalme gewürzt, ja er versprach mir sogar Korn für mein Pferd — Alles wohl nur in der Absicht, um zu sehen, ob eine gnte Bcwirthnng keinen Einfluß auf dic Menge des Negeufalls haben würde; allein da dieser leider ausblieb, hatte auch die Gastfreundschaft wieder ein Ende. Mein Aufenthalt in Mafseüa würde unter diesen Verhältnissen noch weit trübseliger gewesen sein, als er wirtlich schon war, hätte ich nicht eine Anzahl von Männern hier gefunden, denen ich Belch rung uud Unterhaltung verdankte. Ich neune von diesen hier die beiden hervorragendsten, Fali Ibrahim nnd Fati Ssambo. Der Erstere war ein junger Mann ans Wadai, der mir namentlich über sein Gc-burtslaud viele schätzbare Nachrichten mittheilte, uach denen ich vor^ zugsweise in den Stand gesetzt wurde, die im Anhange des dritten Bandes meines größeren Reisewcrts enthaltene historische Uebersicht Wadai's, so wie die ethnographische uud staatliche Beschreibung dieses Vandes zu entwerfen. Täglich brachte ich mehrere Stunden sehr angenehm und nützlich mit diesem aufgeweckten jnngen Menschen zu, der sich so eng an meine Person anschloß, daß ick ihn gern mit nach Ssokutu genommen hätte, wohin er sich zur Erweitcruug seiner Kenntnisse zu begebcu wünschte. — Eine für diese Vänder gauz außerordentliche Erscheinung aber war Faki Ssambo, ein bereits in höherem Alter stehender nnd erblmdeter Pullo von hohem, hagerem Wuchs, mit spär^ lichem Bart und ausdrucksvollen GcsichtSzügen. Gewiß hätte ich es tanm erwarten können, in dem von aller Vcrbinduna. mit der civilifirteu Welt, ja selbst mit den am meisten fortgeschrittenen Theilen Afrika's abgeschnittenen Massena einen Mann zu finden, der nicht allein in allen Zweigen der arabischen Literatur wohlbewaudcrt war, sondern sogar diejenigen Theile von Aristoteles nnd Plato, die in das Arabische übertragen oder vielmehr ganz in den Islam aufgenommen worden sind, nicht nur gelesen hatte, sondern sie auch handschriftlich besaß, liud dem außerdem die gründlichste Kenntniß aller der Bänder mnewulMe, die er zu besuchen Gelegenheit gefuudeu hatte. Ich werde ^— 96----- nie den Tag vergessen, wo ich einst ssaki Ssambo, der bald mein Freund wurde, zu besuchen tani uud dcu unglücklichen alten, blinden Mann in seinem Hofranm vor der Thüre der kleinen Rohrhütte, in welcher er gewöhnlich den Tag zuzubringen Pflegte, inmitten eines Haufens von Handschriften sitzend fand, an denen er sich jetzt nur noch, wie Polyphem an seinen Schaafen, durch Betasten derselben erfreuen kounte. Fati Ssambo war im südlichen Wadai geboren, wohin seine Voreltern ausgewandert waren. In der Jugend hatte ihn sein Vater, selbst ein gelehrter Mann nnd Verfasser eines Wertes iiber Haussa, nach Aegypten geschickt, wo er viele Jahre in der Moschee ,.el As - har" den Studien obgelegen hatte. l5r hatte dann die Stadt Sebid im südlichen Arabien (Jemen) besucheu wollen, die wegcu der hier blühenden Wissenschaft der Logarithmen — ..cl hessab" — bei den Arabern sehr berühmt ist; aber als er schon die arabische Ki'istenstadt Gunfuda erreicht hatte, vereitelte der damals zwischen den Tüvlcn und Wahabiten wüthende Kampf seine Pläne, und er lehrte nach Dar^ For zurück. Von hier hatte er einen höchst merkwürdigen und ausgedehnten Hcldzug in südwestlicher Nichtnng dis an den Nand eines westlich fließenden großen Stromes ') mitgemacht und war endlich nach Wadai zurückgekehrt. Dort hatte er eine Zeit lang an dem Hofe des Sultans Abd el Asis eine bedeutende Nolle gespielt, wurde aber von dem Usurpator Mohammed Ssaleh (demselben Sultan von Wadai, welcher 1846 so glücklich gegen den Scheich 57mar vou Gornu lampfte und der wahrscheinlich l),-. Vogel Hingerichtethat), nachdem dieser des Ersteren Sohn und Nachfolger vom Throne gestoßen hatte, des Landes verwiesen. Da ereilte ihn in der Verbannung noch das schwere Mißgeschick der gänzlichen Erblindung. Fati Ssambo war in Masseua Ausleger des mohammedauischcn Gesetzes — ..der schcria" —, ein Amt, welches ihn so viel beschäftigte, daß dadurch uusere Unterhaltung leider oft gestört wurde. So verstrich meine Zeit, indem ich bald studirte, bald einen ') Dieser große, weit jenseits der westlichste» Nebenflüsse deß Nil gelegene Fluß, dessen westliche Richtung durch diesen aufgeklärten Augenzeugen vMom« men außer Zweifel steht — Ssambo besaß damals auch uoch die «olle Seh» lraft seiner Augen — kann unmöglich zum Bassin des Nil gehöicn und bildet, da er auch aller Wahrscheinlichkeit nach weder einen obern Lauf des Gabun noch des Beuuc bildet, wohl ein sclbststandia.es Wasserbeclcu, von dessen Richtung und Entwickelung uns erst künftige Reisende eine Auschauuug verschaffen können. ------97 —^ Spazierritt machte, bald dem Statthalter einen offiziellen Besuch abstattete oder mit den oben genannten nnd andern Freunden mich nnter-hielt. Viel Zeit ward anch damit in Anspruch genommen, daß ich Arznei verabreichen mußte. Besonders in» Anfange nahm mich der Statthalter in dieser Beziehung sehr häufig für andere ^entc in An-sftrnch und schickte mich sogar zu mehreren alten Weibern, die vor Jahr und Tag ihre Glieder gebrochen hatten nnd in jeder Hinsicht reif für die Grnft waren, bis ich einen amtlichen Protest dagegen einlegte, in Zukunft nicht mehr zu Patientinnen von so hohem Alter geschickt zu werden. — Aber bisweilen waren auch die Kranken nicht nninteressaut; so erschien eines Morgens eine schöne, wohlgcwachscme junge Dame iu Begleitung eines Dieners des Statthalters und bat mich dringend, ihre Mutter zu besuchen, die unpäßlich sei. In der Meinung, daß ihr Hans nicht weit entfernt sei, folgte ich ihr zu Fuß, hatte aber die ganze Stadt zu durchwandern, da ihre Wohnung von meinem Hause aus gauz an dem entgegengesetzten (5nde des bewohn-tcu Stadttheils lag. Ich mnßtc daher den weiten Weg an der Seite meiner schönes Führerin zurücklegen und es verursachte »neiueu Freunden einige Unterhaltung, mich mit dieser jungen Dame durch die Straßen schreiten zu sehen. In Zukunft aber Pflegte ich, wenn ich meiue Patientin bcsnchen wollte, mein Pferd zu besteigen, und die Tochter des Hanfes war stets höchlich vergnügt, so oft ich kam, und legte mir oft sehr eindringende Fragen vor, so unter anderen, wie es mit meinem Haushalte ginge, da ich so ganz alleilt wirthschafte, und ob ich kürzlich Honig nnd Butter eingekauft habe. Sie war eine recht hübsche Person und würde als solche selbst in Europa augesehen worden sein, mit der einzigen Ausnahme ihrer Haut, deren glänzendes Schwarz ich damals ganz wohlgefällig fand, ja zu weiblicher Schön-heit fast wescutlich. Auch die Prinzessinnen, die Töchter des abwesenden Fürsten, be suchten mich gelegentlich nnter dem Borwand, Arzneien zn bedürfen, und unter Anderen kam einst ein munteres junges Mädchen von schlanken» Wüchse und anmnthigen, aber etwas koketten Mauieren, m Beglcitnng einer älteren Schwester von ernsteren! Wesen uud vollerem Nnchsc. Sie klagte mir, daß sie an einem Augcnübel leide, und bat mich nachzusehen, was es sei; als ich mich ihr iu ernster Weise näherte, ihre Angen mit großer Anfmerlsamteit nntersnchte, ohne im Staude zu sein, auch uur dr» kleinsten Fehler zu entdecken, uud ihr erklärte, daß Alles in Ordnung sei und daß ihre Augen gesund n»d '"arch'« »iris,«. !,, ? ------ 98 ------- schön seien, brach sie in ein gewaltiges Gelächter ans und wiederholte in koketter und übermüthiger Weise: „schöne Augen, schöne Augen!« Es herrscht, wie ich schon bemerkt habe, eine große Verschiedenheit zwischen dem weiblichen Geschlechte der Kanon und der Baghir-mier; die letzteren haben durchaus den Vorrang nnd verdienen sicherlich, nnter die schönsten Frauen im Sudan gezahlt zn werden. Aller-dings werden sie von den Fnlbe oder Fellata an schlanker Form und heller Hantfarbe übcrtroffcn, aber sie übertreffen jene wiederum bei weitem an stattlichen: Wuchs und symmetrisch und wohlgefällig gebildeten Gliedern, und der Glanz und die Schwärze ihrer Augen sind in ganz Sndan berühmt. Von ihren häuslichen Tugenden kann ich jedoch nicht sprechen, da meine Beobachtungen zn wenig zahlreich sind, um mich zu berechtigen, eine Meinung über eine so schwierige Frage zn äußern. Ich will nnr sagen, daß ich in dieser Hinsicht Manches zu ihrem Nachtheil gehört habe, nnd ich mnß bekennen, daß ich nicht Alles für Verleumdung halten t'ann. Ehescheidung ist sehr häufig nnter den Baghirmi-Lenten, je nach der Veränderung der Neigung, und ich glaube, daß sie Liebcshändeln mehr zugethan sind, als ihre westlichen Nachbarn. Unter den jungen Leuten sind blutige Fehden ans solchen Anlässen keineswegs selten, wie denn der Sohn dcS Statthalters selbst zur Zeit in Gewahrsam war, weil er einem seiner Nebenbuhler eine ernstliche Wunde beigebracht hatte. In dieser Hinsicht sind die Baghirmier sehr verschieden von den phlegmatischen Kauori und nähern sich dem Charakter der Einwohner Wadai's, welche berüchtigt sind wegen der wüthenden Streitigkeiten, in die sie oft durch Liebesangclegenheitcn verwickelt werden. Der Leser wird sich der Noth erinnern, welche mir zu Bakada die Ameisen bereiteten; hier in Massena wiederholten sich diese Kämpfe. Außer einigen kleinern Scharmützeln mit der schwarzen Art dieses Insektes ^I'm-m Die Ameisen waren in diesen: Falle offenbar durch einen Borrath von Hirse angezogen worden, den ich erst seit wenigen Tagen in meiner Wohnung liegeu hatte. Bei ihrcu Besuchen in den Häusern vernichten sie übrigens alles Ungeziefer mit Einschluß der Mäuse, schleppen aber anch solche Mengen von Getreide hinweg, daß die armen ^ente nnter den Eingebornen hier sowohl als an den Ufern des Niger ihre Höhlen ansgraben, nm sich in den Besitz der ansehnlichen Vorräthe zu setzen. Neben diesen großen schwarzen Ameisen findet sich anch eine kleinere rothe Art in Baghinni in großer Anzahl, die gerade dnrch ihre anßer-ordentlichc Kleinheit besonders lästig wird, da sie leicht nnbemertt in alle Arten Kleidungsstücke eindringt. Ich fand oft viel Vergnügen daran, eine Schlacht zwischen dieser kleinen rothen Ameise nnd der großen weißen slm-mc^ l'lrtHli'8) zu beobachten. (5s dauerte nicht lange, so wurden die letzteren von den Kriegern des rothen Heeres besiegt; ja, diese kleinen Thicrchen schleppten die diel schwereren Feinde als guten Proviant mit Leichtigkeit nnd Behendigkeit in ihre Köcher. Die weiße, laroenhaftc Ameise ist machtlos, sobald sie ihre unterirdischen, Schutz gewährenden Gänge verläßt, weshalb sie die Araber so bezeichnend „linder der (5rdc" oder „Erdwnrmcr" — „el ardha" — nennen. — So mußten anch die Erscheinungen der Natnr, wenn sie anch von untergeordneter Wichtigkeit waren, mir Beschäftigung gewähren. Indem ich mich bald zu Fuß, bald zu Pferde mnhertrieb, gewann lch allmählich eine allgemeine Uebersicht über die Stadt, welcher ich >ll beifolgendem Grundplan Gestalt gegcbcu habe. Obgleich er nur sehr nnvollkmnmen ist und keineswegs auf vollständige Gcnanigkeit ''lusprnch macheli taun, wird er dennoch im Stande sein, dem ^eser ^ue ziemlich dentlichc Vorstellung von der Stadt zu gebeu, weshalb ich mich nur anf wenige Worte znr Beschreibung derselben beschränke. Die Stadt Masfena breitet sich nber eine ansehnliche Fläche ans, ------ 100 ----- dun welcher aber tanm die Hälfte bewohnt ist. Das hauptsächlichste Viertel befindet sich in der Mitte des dun den zerfallenen Stadtmauern umschlossenen Raumes auf der Nord- und Westseite des Palastes des Sultans, wahrend wenige abgesonderte Viertel und Gehöfte zerstreut umherliegen. Das Ganze hat cinen Umfang von etwa 3z Stnnden. — Die charakteristische Eigenthümlichkeit der Stadt besteht in einer tiefen, muldcnartigen Einsentnng, welche dieselbe dun Westen nach Osten dnrchschneidet, ganz auf dieselbe Weise, wie die Stadt Kanu von dein Sumpfe Djakara dnrchschnitten wird. Auch diese Vertiefung der Hauptstadt Vaghirmi's füllt fich zur Regenzeit mit Wasser, welches zu Zeiten auch deu schmaleu, die beiden Hälften der Vertiefung scheidenden Pfad bedeckt, so daß alsdann die Verbindnng zwischen dem nördlichen und südlichen Stadtthcil unterbrochen ist; während eines Theils der trockenen Jahreszeit ist der Audcn mit der reichsten Weide bekleidet. Zahlreiche andere kleinere Vertiefungen, in welchen die Brunnen sich befinden, füllen sich znr Regenzeit ebenfalls mit Wasser und cutwickeln dann, zur Anhänfuug alles Unraths der Stadt dienend, eine der Gesundheit höchst fchädliche Ansdünstnng. — Anch der bewohnte centralc Theil hatte während meiner Anwesenheit ein sehr todtes Ansehen, so lauge der Sultan mit dem größten Theil der männlichen Bewohner nicht zurückgekehrt war; gewöhnlich aber bildet der Palast des Herrschers den Mittelpunkt des städtischen Lebens. Die Gesammtcinrichtung dieses Gebäudes ist im Allgemeinen der Einrichtung der Residenzen in andern Städten analog, indem es aus unregelmäßigen Gruppen von Thongebäuden uud Hütten besteht; allein der Palast von Masfcna hat eine Eigenthümlichkeit, welche ihn von allen andern Gebänden dieser Art im Negcrland anszeichnet, und zwar besteht dieselbe darin, daß die Umschlnßmauer des ganzen Gebäudes nicht ans au der Sonne getrockneten Lehmstücken, sondern aus wirklich gebrannten Backsteinen crbant ist, ganz so, wie wir es bei den Nninen der Stadt Ghambaru gesehen haben uud es im wcitern Verlauf meiner Reise bei denen von Ghasr-Eggomo wieder sehen werden. Anßcr-halb der Stadt, anf der Straße nach Abu-Gher, ficht man ebenfalls eine Ruine aus demselben Material. Der Palast ist wenigstens 50, wahrscheinlich aber weit über 100 Jahre alt und befand sich gegenwärtig m einem sehr verfallenen Znstand, so daß bald nach der Rückkehr dcs Sultans bei einem heftigen Gewitter drei Gemächer im Innern des Palastes zusammenbrachen. Der Umfang des Gcbändrs mißt 2M> —2400 Schritte, nnd da die Mauern an ihrer Vasis Plan drr Stadt Masessa. 1 Das HauS, in dem ich wohnte, hier auch in größerem Maaßstabe dargestellt. 2 Der Palast des Sultans, umgeben von einer starlen, 18 Fuß hohen und 10 Fuß dicken Mauer, aus Backsteinen gebauf,, aber jetzt in Verfall. ». Öffentliche Nudieuzhalle. d. Hütte deß Üadamange. « Eiutrittshallc oder als Sprechzimmer benutzte Hütte. cl. ^.lof, in wclchcin ich eine Audienz bei dem König .. ^ hatte, während er selbst im Zimmer o sich befaud, 4 Vau« des Fatscha. ^ Offener Platz vor dem Palast, mit Bäume» bepflanzt, d Haus des Statthalters. < Haus des Faki Ssambo. « Haus deö Tschirolna oder Throufulgers. !» Hau« des Maina Belademi, des Bornanischen Consuls. 10 Marktplatz, 11 Grabmal von Ali Fender, dem ssroszen Häuptling der Mittu, welcher pvei Jahre vor meiuem Besuch der Stadt hier bei vorgerücktem Alter in hoher Achtuua, starb. Das Grabmal wird don einem Kurna-Vamu beschattet. 12 Eine große tiefe Einseutnng mit Brunnen, aber in der Negeu^eit mit Wasser angefüllt. 1 schen Erzengnisses, den ich hier vorfand, bestand in Glasperlen, vor> zngsweise den kleinen rothen, welche hier in großer Menge verkauft und nach den Hcidenländeru ausgeführt werden. Die gangbare Münze in Baghirmi besteht in Banmwollenstreifrn, ..farda", ähnlich denen, welche ich anf meiner Reise nach Adamana beschrieben habe; größere Gegenstände werden mit Hemden bezahlt, deren Werth je nach Größe und Güte von 70 — 150 Farda wechselt. Da mir diese TauschmiUel fehlleu uud ich nnr noch Kleinigkeiten (wie Nadeln, Spiegel n. bcrgl.) besaß, mußte ich ein Krämer im tlemstm Maaßstab werden. Muscheln haben hier keinen Umlauf, sondern bilden eine Waare für sich als Ausfuhrartikel nach dem Gebiete der Heiden, welche dieselben als Schmuck tragen; dorzngsweise sollen die Franen, wie das auch in andern Bändern geschieht, fie als Gehänge um die Hüften trageu und Mützen aus deuselben verfertigen, womit die Köpfe der verstorbenen Verwandten geziert werden. Natürlich nahm der Besnch des Marktes ebenfalls einen großen Theil meiner Zeit nnd meiner Gedanken in Ansprnch, indem ich bald den Händler, bald den Beobachter spielte. Da dies eine Vcschäftignng war, welche sich täglich wiederholte, trng dieselbe nicht wenig dazn bei, mir die Zeit verkürzen zn helfen, nnd so gingen Tag nm Tag, Woche nm Woche hin, bis endlich die Rückkehr des Sultans eine Acndernng meiner ^age hcrbeiznfiihren versprach. Dieselbe erfolgte nach manchem falschen Gerücht über seine Annähernng am Sonnabend den 3. Inli nnter großer Ansregnng der ganzen Bevölkerung; denn er war mit fast allen kampffähigen Männern länger als sechs Monate abwesend gewesen. Es war gegen nenn Uhr Morgens, als sich das Heer der Süd^ feite der Stadt näherte. Schimmernder Pomp nnd barbarische Pracht ward in Fnlle entfaltet; aber die Truppe war keineswegs zahlreich, ------ 103 ------- denn sie bestand nur aus den der Stadt selbst angehörten beuten, da die Uebrigeu sich schon zerstreut hatten. An der Spitze des Zuges ritt ein hoher Hofbeamter mit einer Schaar Reiter und den Trägern der alten Embleme aus Kcuga Mataia. Dann folgte der Fatscha, gerade vor dem Sultan reitend; der Herrscher selbst trug einen gelben Bernus nnd ritt einen Grauschimmel, dessen Vortrcfflichkcit jedoch kaum zn erkennen war, indem er ganz mit Wchrdcckcn aus buntgestreiftem Zeug behängen war. Auch der Kopf des Snltans selbst war taum sichtbar, da ein paar Stlaven zu beiden Seiten zwei Schirme, einen von grüuer, den andern von rother Farbe, über ihn hielten; sechs weitere Sklaven, deren rechter Arm mit Eisenblech bekleidet war, fächelten ihm mit Straußeufederu, an laugeu Stangen befestigt, Kühlung zn. Um den Sultan her ritten fünf Häuptlinge und eine Anzahl vornehmer ^ente, so das; diese Gruppe nicht ohne großartigen Effekt war. Hiuter derselben folgte das Kriegstameel mit dem Panter, der von drei andern Musikanten unterstützt wurde; dann aber kam ein für afrikanische Verhältnisse noch charakteristischerer Zug, nämlich eine lauge Reihe, von 45 bevorzugten Schönen des Harems, welche dem Sultan in das Feld gefolgt waren, ihn» die Sorgen der Kriegführung zu erleichtern. Alle saßen zu Pferd, wareu von Kopf bis zu Fuß in Tücher von schwarzem Baumwollenzeng gehüllt und eine Jede hatte rechts und links einen Stlaven. Den Rest des Zugs bildeten das Kriegsvolt und die mit dem Gepäck bcladenen Kameclc. Aber anch sieben heidnische Häuptlinge führte der siegreiche Sultan mit sich, unter denen der von Gogomi die hervorragendste Erscheinung und die größte Zierde des Triumphznges bildete. Er zog nicht nur wegen seiner hohcu, stattlichen Gestalt Aller Augen auf sich, suudcrn auch weil er der Herrscher eines ansehnlichen und von der Natur wohl-beschützten heidnischen Staates gewesen war. Er schien sich mit viel ^annc in sein Schicksal zu fügen, obwohl dasselbe kein beneidens-werthes war, da der Sitte gemäß die fürstlichen Gefangenen entweder getödtet oder entmannt werden; zuvor aber führt man sie durch alle Höfe des Palastes nnd erlaubt den Sklavinnen des Snltans, alle Arten übermüthiger und roher Scherze gegen sie auszuübcu. Die abscheuliche Sitte des Entmannens wird vielleicht in keinem Lande Inner - Afrika's in solcher Ansdehnung geübt wie gerade in Baghirmi. Indessen betrat der Sultan an diesem Tage noch nicht seinen Palast, sondern blieb nach einer alt-geheiligten Sitte die folgende ^acht zwischen den Ruinen des ältesten westlichen Stadtviertels; erst ------ 104 ------ am andern Tag zog er nnter dem Jauchzen dos Volls und dem Händeklatschen dor Frauen in die königliche Residenz, wobei statt dor zarton Fräulein eine Anzahl fcneriger Streitrossc den Zng schnuickten. — Grema Abdn, mein friihcrer Geleitsrciter, der sich dem Heere dos Sultans angeschlossen hattc, befand sich ebenfalls untor dcn heun-lehrenden Kriegern. Gleich nach seiner Ankunft sendete der Sultan zwei Boten, mich willkommen zn heißen. Sie waren der Bruder und der Sohn eines der ersteu Männer des Landes, welcher dcn Titel Mama Belademi führte und eine Art bornauischer Konsul war. Dieser war mir von Allen als ein sehr verständiger Mann gepriesen worden, war aber leider bedeutend ertrankt ans dcm Feldzugc zurückgelehrt nnd starb nach wenigen Tagen. Zum Glück hattc ich, seinen Tod befürchtend, ihm bei einem Besuche trotz seines dringenden Verlangens keine Arznei gegeben, denn sicherlich wäre derselbe von den wild-fanatischen Menschen mir bcigemesscn worden. — Die gegen jene Boten ausgesprochene Beschwerde über meine rücksichtslose Behandlung hatto zur Folge, daß ich uoch an demselben Ta^e ein Schaaf, Butter lind einen größeren Porrath von Kreb (dem Saamen der Poa) als Gastgeschenk erhielt. Konnte ich nach dieser aufmerl'samcu Behandlung von Seiten des Sultans auf eine Besserung meiner ^age in Massena hoffen, so stand mir ein noch freudigeres Ercigmsi bevor. Schon am Abend des 5. Inli erhielt ich die Nachricht, es sei ein mit der Karawane von Fescm nach Kutaua gelaugter Bote vou dort für mich angetummen. Schon oft getäuscht durch ähnliche Gerüchte, wagte ich nicht, an die Wahrheit dieser erfreulichen Nachricht zu glauben; dennoch sollte der 6. Juli einer der glücklichsten Tage meines Bebens werden. Jener Bote war wirklich angekommen und brachte mir zwei große Briefpackctc, das eine mit Depeschen der englischen Regierung, das andere mit einer Menge Privatbricfe ans England nnd Deutschland gefüllt. Während letztere sämmtlich die vollste Anerlenmmg alles dessen aussvrachcn, was ich gethan hattc — die schönste Velohuuug, welche ein Reisender in diesen Bändern nur jemals begehren laun - beanftragte mich die englische Regierung an des verstorbenen Herrn Richardson Stelle mit der Führung nnsercs Unternehmens und gab es ganz meinem Ermessen anheim, entweder dem alten Plane zu folgen nnd weiter nach Osten vorzudringen, oder statt dessen nun gegen Westen, nach Timbuktu hin, mein Glück zu versuchen; dabei stellte sie mir zur Fortsetzung desselben hinreichende Mittel zu Gebote — wenigstens anf den, Papier. Denn leider blieb ------ 105 ------ diese letzte Zusicherung vor der Hand ein todter Buchstabe, da »nan es in Tripoli troh der ungeheueren Entfernung nnd dcS so überaus schwierigen mid gefährlichen Verkehres für nnnöthig befunden hatte, auch nur ein einziges Pfund der bewilligten Summe an mich abzusenden. Um so willkommener war es mir, daß Dr. Ovcrwcg von K'ukaua aus mit demselben Boten mir zehn Stück Turledi geschickt hatte, die mich in den Stand setzten, unter die mir zunächst Stehenden einige Geschenke austheilen ;n können und mich so doch nicht ganz als Bettler zu benehmen. Mitten im Genusse meiner brieflichen Schätze, nnd während diese alle auf meinem Lager ausgebreitet lagen, ward ich plötzlich dnrch meinen Diener unterbrochen, welcher mir meldete, daß eine zahlreiche Schaar don Hoflcuten so eben mein Gehöft betrete. Ich hatte kaum Zeit gehabt, die Briefe unter der Matte zn verbergen, als die Abgesandten bereits eintraten, so daß bald mein ganzeö Gemach mit schwarzen Toben angefüllt war. Außer dem Statthalter selbst mochtcu es noch 30 Personen sein. Jedenfalls wnßten sie nm die erhaltenen Briefschaften,' denn die den Boten begleitenden Reiter hatten anch ein Schreiben des Scheichs von Bornu an den Beherrscher von Baghirmi gebracht, worin dieser aufgefordert worden war, mir ohne Verzögerung die Rückreise nach Boruu in Gesellschaft der Boten zn erlauben. Der Sultan von Baghirmi hatte sich, wie ich später erfuhr, durch diesen Brief cinigermaaßcn beleidigt gefühlt nnd außerdem dem Argwohn einiger seiner Unterthanen, daß ich ein türkischer Spion sei, Gehör gegeben. Wirklich war das Benehmen meiner Gäste so gc-heinlnißvoll, daß ich fürchtete, man würde mich abermals verhaften. Endlich, nachdem sie verschiedene Gegenstände sich hatten zeigen lassen, und nach einem leisen, unheimlichen Geflüster unter einander verlangten sie das Buch zn sehen, in das ich Alles, was ich sähe und hörte, niederschriebe. Ohne Zaudern erfüllte ich ihren Wunsch, mußte aber noch die Echtheit des vorgezeigten Tagebuchs betheuern. Ich las ihnen nun etwas über die Geographie nnd Ethnographie des Landes, in Kauori übertragen, daraus vor uud verfehlte nicht, dabei die schönen klugen ihrer ^andsmänninnen nach Verdienst zn würdigen. Da schien Plötzlich ihr Argwohn verschwunden zu sein, so daß sie selbst einige Xiamen hinzufügten, wo meine Verzeichnisse mangelhaft waren; schließlich baten sie jedoch, das Buch ihrem Herrn vorlegen zn dürfen, nnd so entfernten sie sich. Dieser berief alle gelehrten Männer der Stadt, unter ihnen meinen Freund Ssambo, zusammen, um ihre Meinung ------ 106 ------ über meine Schreiberei und deren Schädlichkeit odor Unschädlichkeit zu vernehmen; daß sich die Verfammluug fiir die letztere absprach und mir mein Tagebuch unbeschädigt zurückgegeben wurde, vcvdaute ich vielleicht nur dem Nichterspruch meines vorurteilsfreien Freundes in jenen: gelehrten Na the. Endlich am 8. Juli erschien Grema Audu nebst einem Diener des Banga, mich zu der noch immer aufgeschobenen Audienz bci ^etz-terein zu führen. Man brachte mich im Palaste in einen innern Hofraum, der im Grundplan der Stadt mit d bezeichnet ist. Hier saßen Hofleute im Halbkreise zu beiden Seiten einer Thüre, welche in ein inneres Gemach führte, dessen Thüröffnung mit einem Vorhang von Mattenwert verhängt war; diesem gegenüber ließ ich mich nieder. Ssambo und Bu-Vakr, der eigens aus Batada zu dem Zweck herübergekommen war, begleiteten mich als Freunde uud Dolmetscher. Eine Zeit laug war ich nngewiß, wcu ich anreden sollte, denn Keiner der Anwesenden zeichnete sich in irgend einer Weise auö; Alle waren höchst einfach in schwarze oder vielmehr dunkelblaue Toben gekleidet »md Niemand trug eine Kopfbedeckung. Ich fragte daher mit lauter Stimme, ob der Sultan Abd cl Kader anwesend sei, und eine hör^ bare Stimme hinter dem Vorhänge liest sich vernehmen, er sei anwesend. Ich begrüßte ihn uun und trug ihm den Zweck meiner Sen^ dung in ähnlicher Weise vor, wie ich es bereits den andern afrika Nischen Potentaten gegenüber gethan hatte, nnd kam dann auf die mir in seinem Lande zn Theil gewordene harte Behandlung zu sprechen. Ich hielt meine Anrede auf Arabisch, während sie mein blinder Freund Wort für Wort in die Baghirmi-Sprache übersetzte und dabei M weilen den ciucu oder anderen Ausdruck etwas milderte. Dann ward das Packet mit meinen Geschenken vor mir niedergelegt, damit ich es selbst öffne und den Gebrauch eiues jeden Gcgcuswudes erkläre. Die Geschenke bestaudeu in einem guten rotheu Tuchkaftan, einer Nürnberger Repctiruhr, die ich nicht verfehlte mehrere- Male schlagen zu lassen, einem Tnrban mit seidener Borde, einem englischen Messer, einigen Scheeren und dergleichen. Nach Ucberreichung dieser Geschenke fügte ich noch hinzn, daß es nun mein sehnlichster Wunsch sei, nach Bornu zurückzukehren, versprach aber, daß, wcnn mau mir volle Sicherheit gewähren wolle, entweder ich selbst oder mein Gefährte fftäter vielleicht einmal wieder in daS ^and kommen würde. Es wnrde nur auch eiue derartige Zusichcrung gegeben und meine Rede im All-gcmeiueu gutgeheißen, worauf ich mich entfernte. ------ 107 ------ Noch au demselben, so wie an dem folgenden Tage stellten sich abermals Boten bei mir ein; das erste Mal fragten sie mit geheim^ nißvoller Miene, ob ich nicht eine Kanone habe oder cine solche anfertigen tüuuc; das zweite Mal boten sie mir im Namen ihres Herrn eine schöne Sllaviu nebst einem Kameel als Geschenk an. Ich danw für beides verbindlichst, da ich nichts sehnlicher wünsche als die end' liche Erlaubniß zur Abreise; doch würde ich einige Proben ihrer Erzeugnisse gern annehmen. Dieselbe Bitte wiederholte ich am andern Tage in einer zweiteil Audienz, in welcher ich übrigens die Person des Herrschers eben so wenig zu sehen betam, wahrscheinlich weil der Fürst fürchtete, wie ich sftäter erfuhr, ich möchte ihn mittelst eines Zaubers todten, eine Befürchtung, iiber welche lange Berathungen gepflogen Worden waren. In Betreff der Abreise ward mir die Autwort, daß mir die Straße zwar offen stehe, daß aber der Sultan als Beherrscher eines so mächtigen Bandes mir nicht erlauben löune, mit leeren Händen abzureisen. Schon am zweiten Tage nach meiner ersten Audieuz hatte mir der Sultan 'dir Genugthuung widerfahren lassen, den Anffeher des Flusses, den Ehalifa>Ba, uud dessen Diener, der mich in Mele hatte in Netten legen lassen, zu mir zn schicken, um mich öffentlich um Vcr-zeihuug zu bitten. Dies war jedenfalls anerkennenswert!), aber in der Erwartung, bald aufbrechen zu tüuuen, fah ich mich arg getänscht, deun Tag um Tag verging, ohne daß Anstalten zu meiuer Abreise gemacht wurden. So verfloß der Juli und die ersten Tage des August; da endlich am Nachmittag deS 6. erschienen in einem laugen Zngc der Serum uud andere Hofbeamte und überbrachten mir ein G^schmt von l)<) einheimischen Hemden jeder Art, zusammen im Werth vou etwa A»> Thalern. Unter denselben befanden fich fieben feinere, welche ich als Proben landesüblicher Gewerbthatigteit nach England schickte, ein halbseidenes aber behielt ich seiner Veichtigl'eit wegen zu »n'inem eigenen Gebrauch zurück. Zugleich gab mir der Serma die amtliche Erklärung, daß es mir jetzt frei stehe, abzureisen, wann es mir beliebe, daß bisher weder das ^>olk von Baghirmi mich, noch ich die Baghirmier gelaunt hätte, daß ich aber, wcuu ich sftäter zurück-tchrcn wolle, nun Baghirmi als meiue Heimath betrachten tonne. Ich b>U ihn, dem Sultan meinen Danl abzustatten, ließ ihu aber für den möglichen Fall einer Wiederkehr um cincu ausdrücklichen Geleitsbrief "it seinem töuiglicheu Siegel ersuchen. — .Das Gescheut des Sul-lans sl'^, ,M, wenigstens in den Stand, meiueu Frcuudeu und ------- 108 ------- Dienern einige Belohnung zu gewähren, und ich vertheilte mm ."<) dieser Toben unter die Leute des Serma, den Faki Ssambo, Au-" Balr und meine übrigen Frennde. Der Hauptgrund der verzögerten Abreise schien am Ende mein edler Gcleitsmann Grema Abdn gewesen zn sein, der mich, noch ehe ich die Hauptstadt erreichte, verlassen und sich seitdem nicht nm mich bekümmert hatte. Am 8. Angnst stellte er sich endlich wieder ein nnd theilte mir mit, es sei jetzt Alles zur Abreise bereit, da er die fünf Sklaven erhalten habe, die er theils auf Rechnung seines Herrn, des Mestrcma in Kukana, theils anf seine eigene dorthin geleiten solle. Am Morgen des 10. Angnst erhielt ich denn anch wirklich die Erlaubniß zum Anfbrnch und den verlangten Brief des Sultans, dessen Inhalt dnrchnns zufriedenstellend war und Dr. Vogel später den freundlichsten Empfang in diesem ^aude bereitet hat. Ohne Zögern machte ich mich sogleich reisefertig und mein Herz schlng hoch vor Frenden, als ich, znm West thore hinanszichend, mich wieder im Besitz meiner Freiheit fühlte. Das ganze Vand war mit dem schönsten Grün bekleidet, denn seit etwa vier Wochen hatte sich der ersehnte Regen mit großer Heftigkeit eingestellt, und die reichsten Weidegrüude wechselten nun mit den üppigsten Getreidefeldern ab. In der Fülle der Saaten nnd des ^anbes waren die Ortschaften, mit deren Erscheinung während der trockenen Jahreszeit wir bei unserm Hin - und Herziehen so vertraut geworden waren, t'aum wieder zu erkennen; aber auch der oben erwähnte große schwarze Wurm Haluessi hatte bereits iu uugchcueru Schaarcn sein Zerstöruugöwcrk begonnen. — Am dritten Marschtage hatten wir die sonst trockene, jetzt sumpfige und üppige Waldregion hinter nns und trafen in Kokorotsche ein, wo sich die Frau Grema's nns wieder anschloß, die sich diese ganze Zeit über bei ihrem Vater in Mustafadji aufgehalten hatte. Ich erwähne dicscu Umstaud, weil ein solcher Besuch einer verheirathetcu Frau im elterlichen Hanse gewiß geeignet ist, Europäern eine bessere Vorstellung vom afrikanischen Familienlebcu beizubringen; mall weiß iu der That in Europa wcuig davon, wie freundlich in diesen Lä'uderu Mann und Weib mit einander leben, und ich hatte gerade au meiuem Geleitsmaune, für deu ich gewiß sonst in teiuer Weise schwärmte, und an seiner Frau ein sehr rühmliches Beispiel davon. Am 14. August gelangten Wir nach A-ssn. Hier erblickte ich den herrlichen Schari wieder, auf den ich in Viele so manche Stnndc sinnend und träumend geschaut hatte; er hatte beträchtlich zugenommen ------ 109 ------ und bildete jetzt eine Wasserfläche von wenigstens 3000 Fuß Breite, von zahlreichen Werdern durchsetzt. Es erleichterte den Uebcrgaug sehr, daß trotz der gegenwärtigen Wasserhöhe die Strömung nicht allzu heftig war; dennoch ertrank eins der Pferde aus unserem Trupp. Bei der schlechten Beschaffenheit der Boote, die nur Esel aufzunehmen im Stande sind, ist der Fluß seiner großen Breite wegen für Pferde und Kamcele während des ganzen Monats September gar nicht mehr zn durchschwimmen uud also überhaupt nicht mehr zu passiren. Als ich glücklich mit meinen Thieren am jenseitigen Ufer augelangt war, konnte ich es mir nicht versagen, zum Ausdruck meiner Freude, den Händen der fanatischen Baghirmier entgangen zu sein, einen Schuß anf das jenseitige Ufer hinüber zn thnn; auf dem Grnnd uud Boden des wohlgesinnten Sultans Jussuf von Logone fühlte ich mich wieder in voller Sicherheit. — Interessant war mir mein Aufenthalt für die nächste Nacht in der geräumigen Wohnung eines wohlhabenden Schna, dessen Frau sogar eine Prinzessin von Logonc war. In der Mille der 50—60 Fuß im Durchmesser haltenden Hütte befand sich anf einer Erhöhung von einigen Fnß ein besonderes, durch feines Matten-wert gebildetes und mit mehreren Abtheiluugen versehenes Gemach, in welchem die Glieder der Familie wie hinter Muskitouetzen unge--stört von den zahlreichen Mückenschwärmen dieser Marschländer rnheu tonnten. Ein solches Schlafgemach nennt man hier zu Lande „gurara". Ueberhaupt hatte es für mich ein großes Interesse, die eigenthümliche Lebensweise dieser Leute zu beobachten und sie ihr arabisches Idiom reden zu hören, das zwar sehr an ursprünglicher Reinheit verloren, doch den eigenthümlichen Vokalreichthnm der feineu Schriftsprache zum großen Theil bewahrt hat. Die Schna üben noch mehrere auffallende Gebräuche ihres Stammlandes, wie die Blutrache und die barbarische Gewohnheit der Infibulation juuger Mädcheu, um dereu Unschuld thatsächlich zu sichern. Am 15. August gingen wir über deu Fluß von Vogone, der jetzt ebenfalls eine sehr weite, weder von Sandbänken noch von Werdern untcrbrocheuc Wasserfläche bildete und den Schari, wenn anch nicht an Breite, so doch an Schnelligkeit der Strömung übertraf. Ich hielt mich in Logon-birni nnr eine Nacht auf, obwohl der Ibalaghuan sich große Mühe gab, mich zu längcrem Verweilen zu bewegen. — Ich beschleunigte die Weiterreise so viel als möglich, sie ward aber durch deu Zustand der aufgeweichten und völlig überschwemmten Straße», i„ h^ Marschländern von Logonc und Kototu oft eine äußerst ------110 ------ beschwerliche. Dic zahlreiche tiefen Sümpfe und dic zu reißenden Strömen angeschwollenen Aäche machten, das? wir an einzelnen Tagen cm wahrhaft amphibienartiges Veben führten, indem wir uns, abge-sehen von dem täglich strömenden Regen, eben so viel im Wasser wie anf festem ^ande befanden. Endlich erreichten wir etwa vier Meilen östlich von der Stadt Aedi den dort beginnenden Sandboden, so das? wir nnsere Reise schneller fortsetzen tonnten nnd am 2ll Ananst bereits den letzten Tageinarsch vor ^ntana antraten. Ich hatte einen Boten vorausgeschickt, nm dem Bezier n»d I)r. Ovcrweg meine Ankunft anznzeigen, in Folge dessen Vetzterer mir entgrgcngeritten tam. Unser Wiedersehen war beiderseitig ein höchst freudiges, da wir länger von einander getrennt gewesen waren als je vorher; anch hatte man in Kukaua sehr beuuruhigeudc ^Nachrichten über mich erhalten. Mein Freund hatte nnterdessen eine sehr inter efsante Reise nach dem südwestlichen Gebirgslandc von Aorun ans-geführt, war aber bereits vor zwei Monaten von dort zurückgekehrt; nm su mehr mußte mir sein erschöpftes Aussehen auffallen, während ich ihn in rüstiger Kraft verlassen hatte. Er theilte nur mit, daß er seit seiner Rückkehr viel gekränkelt habe und sich anch jetzt noch nicht ganz hergestellt fühle; doch schien er guten Muthes zu sein und erging sich in lebhaftem Gespräch über unsere Pläne für die Zut'uuft, da durch die Ankunft einer Werthsendnug von etwa 4l!M Thalern in theils deut schcm, theils englischem Geld, die durch die Nachlässigkeit unsereö Ageuten iu Fcsau seit Jahresfrist zurückgehalten worden war, neue Mittel zur Fortsetzung unseres Unternehmens in unseren Händen waren. So erreichten wir denn voll kühner Eutwürfe die Stadt nnd unser altes Quartier, in welchem ich mich von lauge entbehrten Ge nüsscn nmgcbeu sand — Kaffee und Thee mit der willkommenen Zn^ gäbe von Milch und Zucker. Der Bezier nahm mich mit altgewohnter Freundlichkeit auf und in den nächsten Tagen hatten wir beiden Europäer eine wichtige Pri-vatandienz beim Scheich über die gegenwärtigen Verhältnisse der Expedition. Er wünschte mich zum bleibenden ktonsnl der englischen Negiernug iu Kutaua eruauut zu sehen und war, als ich ihm die Unthuulichkeit dieses Nuusches dargethan hatte, wenigstens sehr erfreut, mich zn einer Reise nach Westen ermächtigt zu wissen. ^ Der Scheich sowohl wie der sezier fürchteten uichts so sehr, als das; wir nach Wadai gehen und mit dem Snltau dieses Landes in freundlichen Bertehr treten möchten, uud sicherlich hatteu beide nichts gethan zur — Ill — Sicherung eines guten Empfanges inBaghirmi; im Gegentheil ist es durchaus nicht unmöglich, daß sie in entgegengesetzter Richtung thätig gewesen waren. Uebrigcus unterzeichnete Scheich Omar am letzten August den oft berührten Handelsvertrag mit England. Durch die oben erwähnte Geldsumme waren wir in den Stand gesetzt, alle unsere Schulden iu Kukaua zu bezahle»,, und hatten mm, Weuu auch nur mit mäßigen, so doch hinlänglichen Mitteln ausge rüstet, Aussicht auf größeren Erfolg. Allein es war beschlossen, das; Ewer von uns beiden seinem Geschick erliegen sollte. Es betrübte mich tief, daß der erste Eindruck, welchen das Aussehen meines Ge fährten ans mich gemacht hatte, durch fernere Beobachtungen bestätigt wnrdc. Da Nr. Overweg sich nach einer Luftveränderung sehnte, größere Ansflüge aber jetzt zur Regenzeit nicht thunlich waren, so kamen wir überein, daß er eine Exkursion nach Adjiri am Komadugu von Bornu, etwa 14 Meilen westlich von Kukaua, unternehmen solle, um den Zustand jenes großen Rinnsals in dieser Jahreszeit zu unter suchen. Er ging am 29. August dahin ab in Begleitung eines dovl begüterten vornehmen Mannes aus der Hauptstadt. Er sammelte dort auch manche wcrthvolle Notiz, wie daß der Komadngu, sonst eine Reihe stehender Wassertümpfel, vom 21. oder 22. Juli an bis zum Februar, also etwa sieben Monate, einen ununterbrochenen Strom bilde; doch scheinen ihm bereits die Kräfte zu ausführlicheren Beobachtungen ge^ fehlt zu haben. Er kehrte, keineswegs gestärkt, am 13. September zurück. Gerade dieser Monat aber gehört zu den ungesundesten iu Knkaua, und um wenigstens die zur Erhaltnng der Gesundheit unum gängliche Bewegung zu haben, kamen wir übcreiu, täglich mindestens einen kurzen Ritt zu machen. So unternahmen wir am 19. Septbr. eine kleine Iagdpartic iu den Gau Dau-erghu, auf welcher Dr. Ovcrwcg sich unglücklicherweise bei Verfolgung eines Wasservogels in tiefes Wasser begab, ohne die durchuaßwi Kleider eher als am Abend zn trocknen. Obgleich er den ganzen Tag über in Bewegnng gewesen war, vermochte er bei unserer Heimkehr nicht, nnser einfaches Abendessen zu genießen; er klagte jedoch nicht. Am folgenden Morgen aber fühlte er sich so schwach, daß er nicht vom Lager aufstehen tonnte. Anstalt nun ein schweißtreibendes Mittel zn nehmen, wie ich ihm ernstlich rieth, war er so eigensinnig, gar tcine Arznei brauchen zu wollen, so daß seine Krankheit mit beunruhigender Schnelligkeit zunahm uud am fol genden Tage seine Znnge wie gelähmt nud seine Aussprache ganz ------ 112 ^^ undeutlich, ja rein unverständlich war. (5r wurde sich nun selbst der Gefahr bewußt, in dcr er sich befand, und erklärte, er werde in der Stadt nicht genesen tonnen, er müsse durchaus eine Luftveränderung haben, und hege die Hoffnung, daß er, wenn ich ihn nach Maduari schaffen könnte, bei nnserem Freunde, dem Kaschella Fngu Ali, bald wieder hergestellt werden würde. Es war eine schwierige Aufgabe, meinen tranken Genossen nach dem gewünschten Orte zn bringen, welcher über zwei Meilen von Klttaua entfernt ist. Obgleich er die Neisc am Donnerstag Murgen antrat, vermochte er doch nicht, seinen Bestimmungsort vor Freitag früh zu erreichen. Ich machte Fugo Ali ein Geschenk, damit er ihn sorgfältig Pflege, ordnete das sonst noch Erforderliche an nnd lehrte alsdann nach der Stadt zurück, nm meiue Defteschen zu schließen; .aber noch am selbigen Abend kam einer von den Dienern, die ich bei Herrn I)r. Overwcg zurückgelassen hatte, mit der Nachricht zn mir, daß es viel schlimmer mit dein Kranken gehe und daß sie nicht ein einziges Wort von ihm verstehen könnten. Ich stieg alsbald zn Pferde und fand, in Madnari angekommen, meinen Genossen im beklagenswcrthesten Znstande im Hufranmc liegen, da er sich hartnäckig geweigert hatte, in dcr Hütte zu schlafen. Er war in kaltem Schweiße gebadet nnd hatte alle Decken von sich geworfen. Er erkannte mich nicht nnd wollte weder mir noch sonst Jemand gestatten, ihn zuzudecken. Sobald Delirium eintrat, mnrmelte er fortwährend ganz unverständliche Worte, in welchen ein Gewirre von allen Begebenheiten seines Lebens enthalten zn sein schien, sprang wiederholt rasend von seinen: Lager auf und rannte mit solcher Wllth gegen die Bäume und das Fcner, daß vier Männer ihn kaum zurückzuhalten vermochten. Gegen Morgen wurde er endlich ruhiger und hielt sich still auf seinem Lager, ohne daß ich bemerkte, wie seine Kraft schon ganz gebrochen war. In der Hoffnung, er habe die Krisis überstanden, glaubte ich, nach der Stadt zurückkehren zu können. Ich fragte ihn, ob er etwas Besonderes wünsche, und er deutete an, er habe mir etwas zn sagen; es war nur aber nnmöglich, ihn zu verstehen. Ans dem, was sich bald ereignete, kann ich nnr den Schlnß ziehen, er habe mir im Bcwnßtsein des nahen Todes irgend einen Auftrag an seine Familie geben wollen. Am Sonntag Morgen sehr früh kam Herrn Dr. Overweg's erster Diener mit der Nachricht zn mir, daß der Zustand meines Freundes ____ HZ ____ höchst bedenklich sei und daß er nicht cm Wort mehr gesprochen, seitdem ich ihn verlassen habe, sondern regnngslos daliege. Ich ritt unverzüglich nach Maduari, aber ehe ich noch das Dorf erreichte, tam mir ein Bruder Fugo Ali's entgegen nnd erklärte mir mit Thränen in den Augeu, nnscr Freund fti verschieden. Mit Tagesanbruch hatte sich sein Geist nach kurzem Kampfe vom Körper gelöst. Am Nachmittag legte ich ihn in sein Grab; es lag im Schatten eines schönen Hadjilidj nnd war gegen Naubthiere wohlgrschützt. So starb mein einziger Freund und Gefährte im 30. Jahre seines Bebens, in der Blüthe der Jugend. Es war ihm nicht beschieden, seine Reisen zu vollenden nnd glücklich heimzukehren; aber er fand einen höchst ehrenvollen Tod im Dienste der Wissenschaft. Es ist in der That ein bcmcrtcuswerther Umstand, daß er seine GrabsMle selbst bestimmte, genau am Nande jenes See's, durch desseu Beschiffung er seinem Namen ewige Berühmtheit verschafft hat. Sicher war eö ein Vorgefühl des herannahenden Todes, das? ihu die unwiderstehliche Sehnsucht nach dieser Stelle erfaßte, wo er dicht au der Seite des Bootes starb, 'in dem er seiue Neisc gemacht hatte. Viele Einwohner des Dorfes, denen er während seines wiederholten hiesigeu Aufcuthaltes wohlbekannt geworden war, beklagten bitter seiuen Tod, und sie werden gewiß des „Tabib", wie er genannt wnrde, noch lange gedenken. Tief erschüttert nnd voll trüber Betrachtungen über meine so verlassene ^age lehrte ich am Abeud nach der Stadt zurück; aber unsere Wohnuug, welche mein Gefährte während mciues Anfcnthaltes in Baghirmi bcdcntend verbessert nnd dnrch Ucbcrtünchen mit Gyps, von dem er im Hofraume eine Schicht vorgefunden, verschönert hatte, erschien nur jetzt gänzlich verödet nnd überaus trübselig. War es nun gleich ursftrüuglich mein Borhaben gewesen, noch einen Versuch zu macheu, nach dein Ostufer des Tsad vorzudringen, so kam mir doch jetzt jeder längere Aufenthalt an diesem Orte so unerträglich vor, daß ich mich zur ungesäumten Abreise nach dem großen westlichen Strome entschloß, nm neue Läuder zu seheu und mit nruen Meuscheu in Berühruug zu kommen. Narlh'g Rtilen. n. h Viertes Kapitel. «Nusmuch min ^»sliula nach Cimfinllln. — Die .lil'isl' lwrch die Pro-ninz 31illi»ic>. — Der ^nseutljalt in 5inder und Aalsma. Es sollte nun also nach Weste,? gehen. Warum nicht nach Osten oder Südosten? Moldings war dor ursprüngliche Plan nnscrcr Unter^ nehmnng gewesen, von Vornu ans den Vorsuch ,;u machen, nach der Osttüste bci Zanzibar vorzudringen. Es war dabei angenommen, daß wir drei Mitglieder allc wohlbehalten und mit Mitteln gut versehen in Aornu autommen würden. Nun aber war das Haupt dcö Unter-uchmcns schon vorher den Strapazen erlegen, anstatt reichlicher Mittel war eine große Schuld der Expedition aufgebürdet und wir beide überlebenden Deutsche wareu ohue die geringste Antorisation unserem eigenen Schicksale überlassen. Herr Richardson, dessen Reiseziel nie über Bornu hinausgegangen war, sollte uus vor seiucr Umkehr mit den genügenden Mitteln nud Instrnmcntm ansrüstcn. Da bemühten wir uns zu thun, was unter solchen Umständen kaum möglich schien, und sobald ich die Verhältnisse durchschaut, schrieb ich an die englische Regierung in den bestimmtesten Ansdrücken, dasi, wenn es wirtlich ihr Wuusch sei, daß wir uach der Osttüstc vordringen solltou, sie über einen solchen Wuusch dein Herrscher von Aornu sich ausdrücklich erklären müsse. Darauf ging mau nicht ein. Mau vergegenwärtige sich die politische ^'age dieser Weltgcgend. Im Lanfe der letzten acht oder neun Jahrhunderte haben sich mehr oder minder umfassende mohammedanische Reiche gebildet, die, wenn auch iu dcu letzten Jahrhunderten mit weniger Rüstigkeit als in der Zeit ihrer Iugendtraft, als der Islam lebenskräftig und tricgcsmuthig auch dem Christenthum noch gegenüberstand, doch unaufhaltsam gegen die im Heidenthum verbliebenen ?c'egervülker südlich vorgedrnugen sind. Alljährlich werden da zur günstigeu Jahreszeit Kriegs- und Raubzüge nnternommcn, die mit Feuer und Schwert wüthen, lind austatt ------- 115 ------ friedlichen Verkehres hat sich eine blutig abgeschlossene Grenzlinie zwischen diese Bänder gelagert, unendlich schwieriger zn überschreiten, als das vermeintliche Mondgebirge es sein würde, das man in früheren Jahren als Hemmniß des Verkehrs der afrikanischen Aequatorial-landschaften auf den Karten niederlegte. Nnn waren wir dem Herrscher von Burnn ausdrücklich empfohlen uud ihm eigentlich galt die diplomatische Mission unserer Reise. Wie konnte man da erwarten, daß er uns zu seinen Feinden, den verachteten Heiden, hätte ziehen lassen! Denn entweder mußte er annehmen, daß nns jene Völker-schuften als Feinde vernichten, oder, wenn sie uns freundlich aufnähmen, dnrch nnsere Freundschaft ihm gegenüber gekräftigt würden. Und wie sollten wir nns ihnen nähern? Nnr wenn wir auf's Reichlichste mit Waffen ausgerüstet waren, durften wir dies wagen. Eben darnm schrieb ich nach Tripoli nnd verlangte wenigstens ein Dutzend neuer Feuergewehre, aber anch diesem Verlangen wnrde so wenig wie dem ersteren gewillfahrt. Jeder Reisende aber, der sich einen Weg durch diese Völkerschaften bahnen will, hat nicht allein die erste feindliche Barriere zwischen Islam nnd Heidenthnm zu durchbrechen, fondcrn auch die ohne den geringsten Verkehr gänzlich von einander abgesperrten und in blutiger Fehde einander gegenübrrsteheudeu heiduischeu Völkerschaften selbst mit der äußersten Gefahr zu durchziehe»,. Und wie will er seine ^eute zusammenhalten, außer durch große Gescheute und treffliche Pflege? (5r müßte sich also für die im glücklichsten Falle mindestens drei Jahre in Anspruch nehmende Reise mit einer großen Menge von Habseligkeiten versehen; denn sein ganzes Unternehmen würde scheitern, wenn er zu den durch die größere Nähe der Küste an gewissen ^urus gewöhnten Völkerschaften von Umamesi ohne stattliche Geschenke käme. Grwis; ist-ein Dnrchdriugeu von Südosten, von den heidnischen Völkerschaften ausgehend, leichter, aber selbst das wird nicht das glückliche Voos ciues einzelnen Reisenden sein, sondern viele Kräfte müssen noch erst stückweise in einer langen Reihe von Jahren diesen Weg vorbahueu. Der jnuge Herr Röscher hatte diesen Plau, aber was sind daheim billig geschmiedete Pläne gegen die eiserne Wirklichkeit dieser von Menschengeist nnd Natur so abgeschlossenen Binnenlaudschaftcn Afrika's! Der Weg, den Livingstone durch die schmale südliche Hacke des Erdtheils nahm, und zwar nicht als einzelner Reisender, sondern als Anführer eines Trnpps von mehr als 100 Eingeborncn, war schon von beiden Küsten ans — 116 ------ auf weite Strecken ill's Binnenland hinein von den Portugiesen angebahnt, und dort giebt es wohl Fieber, aber keinen blutigen, vertilgenden Kampf zwischen Islam nnd Heideuthum. Nächst der südöstlichen Richtung lag dein Plane der Ncisc die östliche gegen den oberen Nil zu Grunde. Diesen Durchbruch habe ich angebahnt durch meinen Besuch nnd meine erste Erforschnng Ba-ghirmi's, und auf dieser ersten Stufe fußend hat mein rüstiger und lebeusmnthigcr, aber weniger glücklicher Nachfolger, 1)i-. Vogel, die Erforschung bis iu's Herz Wadai's ansgedchnt, nnd obgleich er gefallen ist — denn gefallen ist er — hat uns doch sein Grab in der Hauptstadt Wadai's durch die sichere Botschaft, dasi bis hierher deutscher Forschungsgeist vorgedrungen, eine zweite moralische Stütze gewonnen, mit deren Hülfe es in Zukunft einem glücklicheren Reisenden gelingen wird, auch hier die erforschten Gegenden im Westen nnd Osten durch eiu lebendiges Band mit einander zu verbinden. Aber dazu ist die Gegenwart durch den neu angefachten und schon vielfach blutig besiegelten Fanatismus zwischen Christnethmn nnd Islam völlig untauglich. Fiel doch auch Dr. Cuny, der im vorigen Jahre von Aegyftten aus nach Dar-Fur vordrang, auf öffentlichem Markte der Hnnptstadt enthauptet. Ich bin damals Wadai nahe genug gewesen, und vielleicht war es mein Glück, daß die Kargheit meiner Mittel, mich von seinem Besuche zurückhielt. Denn dem schon im vorhergehenden Jahre geführten blntigen inneren Kampfe zwischen dem Könige Mohammed Ssaleh uud dem mächtigen Bergstamme der Kodoii folgte unmittelbar nach meiner Rückkehr aus Baghirmi eiu vernichtender Bürgerkrieg zwischen Bater nnd Sohn, der mich, wenn ich dort gewesen, unwiderruflich in's Verderben gerissen hätte. Auch war einem Unternehmen nach dieser Seite hin die ans dem früher beschriebenen Einfall Wadai's entsprungene bittere Feindschaft zwischen diesem ^ande und Bornn, dessen Herrscher unser besonderer Beschützer war, überaus ungünstig. — Nach dem Aufgeben des Plans, nach Osten durch-zndringen, wäre mir in dieser Richtung nichts übrig geblieben, als noch einmal den Versuch zn machen, wenigstens das östliche Ufer des Tsad zu erreichen. Dies hätte aber nur durch abermaligen Anschluß an die ruchlose Bande der U^lad Sslimau geschehen köuncu, deren Brüderschaft mir nnn, Wo mich die englische Regierung an Richardson's Stelle zum offiziellen Vertreter der Mission gemacht hatte, um so unwillkommener sein mnßte; auch standet' im Vergleich mit den vernünftigerweise zu erwartcudeu Resultaten eines solchen Unternehmens ---- 1,7 — die damit verbundene Gefahr und der Aufwand an Zeit und Geld in keinem Verhältniß. Gegen alle diese Aussichten stellte sich nun in meiner neuen Page als ein ungleich großartigeres nnd ergiebigeres Feld ein Vordringen nach Westen an den mittleren Lauf des Niger dar. Da lag eine von einem großen schiffbaren Strome durchflosscne, vollkommen unbekannt gebliebene, weit ausgedehnte Landschaft, deren Erforschung zugleich neue große wissenschaftliche Resultate und der Negierung, die mir ihr Vertrauen geschenkt hatte, praktischen Nutzen versprach. Auch lud Lord Palmerstou's Depesche mich ausdrücklich zu dem Versuche, nach Timbuktu vorzudringen, eiu, und meiue in Agades gemachten Forschungen hatten mich das mit dieser Ncise verknüpfte große ethuo-logische Interesse ahnen lassen. Bei einer solchen Richtung meiner Bemühungen tonnte ich zu gleicher Zeit Freundschaft mit dem mächtigen Beherrscher des Reichs von Ssototo anknüpfen uud dessen Erlaubniß für mich sowohl als für andere Europäer erwirken, die südöstlichen, für wissenschaftliche wie für Handclszwccke gleich wichtigen Provinzen seines Ncichs zn erforschen, vorzugsweise Adamaua, von dessen weiterer Vereisung mich die vorgegebene oder wirkliche Furcht des Statthalters jener Provinz vor dem Mißfallen seines Lehnsherrn zurückgehalten hatte. Allerdings beruhte alle Hoffnung des Erfolgs jetzt auf mir allein; ich hatte ja meinen letzten Gefährten begraben und mein längst gestelltes Gesuch, mir neue Kräfte nachzuschicken, war uuerhört geblicbeu. Aber meine Gesundheit hatte sich wieder gekräftigt nud nach so vielen, glücklich überwundenen, Fieberanfällen konnte ich wohl hoffen, vom Mima auch noch fernerhin verschont zn bleiben, und die zahllosen überstandenen Persönlichen Gefahren hatten mir ein nnbegrcnztes Zutrauen zu mir selbst eingeflößt nnd mir zngleich in deu Augen meiner Leute und aller Ein-gcbornen ein großes moralisches Ucbcrgewicht verschafft. Ich schloß also die schon erprobten Diener durch ueue Versprechungen an mich an, gewann neue, brachte alle gewonnenen Furschungeu in Sicherheit, indem ich eine Abschrift aller meiner Tagebücher, sprachlichen Sammlungen und Karten nach Tripoli sandte, und war vollkommen gerüstet zu dem neuen zweijährigen Unternehmen. Gern wäre ich ohne weiteren Aufenthalt vou Knkaua aufgebro-cheu, aber der Einfall eines Stammes der Tuareg in das Gebiet lwn Munio verzögerte meine Abreise um ein Beträchtliches. Endlich wurde der Weg nach Westen wieder frei uud ich nahm am 19. Nov. ____ I^ß ____ (1852) in einer Privataudienz vom Scheich Omar Abschied. Da gelang es mir, die Gründe, die mich zn einer Reise zn den ihm nicht ganz freundlich gesinnten Hänptern der Fnlbe veranlaßt hatten, in der Art auseinanderzusetzen, daß aus derselben kein Anlaß zum Argwohn gegen mich zurückbleiben tonnte. Nur machte mau mir zur Bedingung, auf meiner Reise die Stadt it'auo nicht zu berühren. Der Vezier, der außer dem Scheich allein zugegcu war, nahm ius-besondere großen Antheil an meinem Unternehmen. Vor Allem bewunderte er das Vertrauen, von dem ich erfüllt war, daß der Scheich El Batay iu Timbutt», über den ich mir doch nnr nach den Berichten eingeborner Reisenden eine Meinnng hatte bilden lönueu, mich freundlich aufnehmen und mir vollen Schutz gewähren würde. — Der Scheich beschenkte mich noch mit zwei Kameelen und endlich war Alles zu meiner Abreise bereit. So verließ ich denn Kukana, mein Stand-quartier seit W Monaten, am 25. November um N)^ Uhr Morgens. Um meinem Versprechen gemäß die Stadt Knno zu umgehen, hatte ich beschlossen, meinen Weg dnrch die nördlicher gelegenen Herrschaften Mnuio und Sinder nach iüatsena zu nehmen, und hatte den englischen Konsul in Tripoli benachrichtigt, die für mich bestimmte Geldsendung nach Siuder zu schicken. Von Katsena wollte ich dann direkt nach dem uüttlereu Niger vordringen, um denselben wo möglich bei der Stadt Ssai zn erreichen. Bon hier ans den Fluß entlaug uach Timbuktu zn gelangen, daranf tonnte ich selbst im günstigsten Falle nicht rechnen, weil dieser Weg ganz in den Händen gesetzloser Tuareg-Hordeu war, deueu ich mich uicht anvertrauen konnte, ehe ich nur den Schutz eines in jenen Gegenden mächtigen Häuptlings erworben hatte. Ich mußte also erwarten, gezwnngcn zu werden, bci Ssai den Strom zu überschreiten, um auf dem Wege über Wtato, von dem ich mir schou dnrch eiuheimische Waltfahrer vorläufige Keuntuiß verschafft hatte, im Süden der großen nördlichen Äieguug des Niger, mein Ziel zu erreichen. Gelang es mir, in Timbuktu mich des uöthigen Schutzes zu versichern, dann tonnte ich vielleicht die sslnßstreckc zwischen Timbuktu uud Ssai stromabwärts bereisen und von letztcrem Orte uach Kukaua zurückkehrcu, wobei ich jedoch die Möglichkeit (die ernstliche Absicht habe ich nie gehegt) vor Angen haben mußte, von Timbuktu aus deu Versuch zur Erreichung der Westküste machen zu müssen. Meine kleine Schaar bestand ans folgenden Individuen: Die Hauptperson war Mohammed aus Gatrou, der mich als getreuer Diener voll Mursut bis zu meiner ersten Aukuuft in Kukaua begleitet - ------ N9 ------ hatte und, nachdem ich ihn vmi dort nach semer Heimath hatte beurlauben nn'issen, seinen: Verspreche,! getreu, zu mir zurückgekehrt war. Mein zweiter Diener war Abd Allahi, jener Schna, welchen ich in Kototo auf der Reise nach Baghirmi in Dienst genommen hatte, ein fromu.er Moslem von sseMiqen Manieren nnd aufrichtigeu: Charakter. Der l/ctztere sowohl als Aiohammed der Gatroner waren beritten und bildeten so zu sagen meine Leibwächter. Ansicr ihnen hatte ich noch drei Freigcborne (^darnnter einen Bruder Mohammed des Gatro-ners und einen durch seine ^cibcsstärte angezeichneten Fcrdjaner-Araber von der Grelize AegMens) und zwei entlassene Stlaven in meinem Dienst. Die beiden letzteren waren zwei junge Leute, welche durch ?>bbeac>, Dyrrenu. Hrrrn Dr. Oderweq ihre Freiheit erlangt hatten, Dyrregu, ein Haussa, und Abbega, ein Mar^hi-Bursche; sie begleiteten mich sftäter nach Europa, wo sie zum Christenthum bekehrt uud mit gutem Erfolg ____130------ unterrichtet wurden. Abbega ist dann im November 1857 nn'cdcr lmch der Westküste seines heimischen Continents abgegangen, wo cr sich als Sendbote der Niger-Expedition an die einheimischen Fürsten sehr nützlich gemacht hat, während der intelligentere Dyrregu noch längere Zeit den Unterricht des Missionärs Schön empfangen sollte. Beide sind mir auf meiner Reise recht nützlich gewesen, obgleich Abbega oft mehr Angon für seine schönen Vandsmänninnen zu haben schien als für meine ^ameclc, die seiner Sorge nnd Hut anvertraut waren, so daß mir mancher Schaden darans erwuchs und ein vortreffliches Thier durch seinc Unachtsamkeit ganz verloren giug. Auch ist es besonders die ^iebe zu einer Eingebornen gewesen, die ihn so schnell in seine Heimath zurückgeführt hat. — ^ioch hatte ich einen im Sudan wohlbewanderten Araber aus dem kleinen, bei Udjila gelegenen Djalo, Namens Ali ei Ageren, in meine Dienste genommen, einstweilen jedoch nur bis Ssototo. Er sollte mir gewissermaaßcu alo Maller dienen und eine Mittelsperson sein für den Verkehr mit den Emgebornen. Endlich hatte sich noch ein Araber, ein sogenannter Scherif von Fass, unserer Gesellschaft bis nach Sinder angeschlossen. Von der zuletzt empfangenen Geldsendung nnd den diese begleitenden Waaren war bereits vor meiner Abreise ein großer Theil verbraucht worden, da wir eine Menge Frenndc belohnen mußten, die uns so lange Zeit hindurch ihre Gastfreundschaft bewiese« und uns Wesentliche Dienste geleistet hatten, fast ohne die geringste Erkenntlichkeit dafür zu finden. Doch konnte ich darauf rechnen, daß eine Snmme von 1000 Thalern bereits nach Sinder auf dem Wege fei, und so trat ich denn, wie gesagt, am Vormittag des 35). November mit den oben erwähnten Begleitern, einer leidlichen Menge großer nnd kleiner Geschenke, 200 Thalern an baarem Geld, vier Pferden nnd eben so viel Kameeleu, reichlichen Waffen, reichlichen« Pulver nnd reichlich frischem, ungebrochenem Mnth nieine weite Ncisc an. Wie es immer meine Gewohnheit gewesen, so war auch diesmal der Marsch am erstell Reisetage nur eil, kurzer, eine Art Probemarsch, um zn sehen, ob Alles in gehöriger Ordnung nnd keine Vorsicht versäumt sei. — In unserer wohlverwahrten Wohnnng in Knkaua hatten wir bisher wenig von der winterlichen Kälte verspürt; desto empfindlicher machte sich dieselbe gleich in unsern, ersten offenen Feldlager bemerkbar. Es war aber auch die kälteste Nacht, seitdem ich Mittel-Afrika betreten hatte, denn das hundcrttheilige Thermometer zeigte am Morgen des 26. November knrz vor Sonnenaufgang nur 4z ° über — 12! ------ dem Gefrierpunkt (4- 3,«°R.), während die Mittagswärme in diesen Tagen gewöhnlich 37°—2.^° <21,.>"—22„°R.) bttrug. Der Grnnd des tiefen Sinken« der Temperatur während der Nachtzeit im Herzen dieses Kontinents, die einen so befremdenden Unterschied mit der nächtlichen Temperatur Westindiens, der Küsten und Inselu dcs Stillen und dcs Indischen Oceans bildet, mag darin zn suchen sein, daß das Meer zn weit entfernt ist, im durch feine sich gleichbleibende Wärme die Kühle der Nacht zu milderu. (5in auderer nicht minder eiuflnß-reichrr Umstand ist der, daß über die einförmigen wüsten Flächen im Norden des Ncgerlandes die kalten Winde aus nördlicheren Zonen ungebrochen herüberziehen tonnen; ihre Erhebung, obgleich nicht hoch genug, diese aufzuhalten, ist doch immer hinlänglich bedeutend, um das Klima in ihrem Bereich an und für sich schon merklich kälter zu macheu und diese kühlere Temperatur deu südlich angrenzenden Gebieten bei geeignetem Luftzüge mitzutheilen. Auch in den nächstfolgende» Nächteu waren wir genöthigt, Feuer zn unterhalten, um uns eines mäßigen Grades Kon Wärme zu erfreuen. Die Landschaft, die wir während der ersten Tage durchzogen, war mir schon Kon früher her bekannt, nur trug sie jetzt ein der Jahreszeit gemäß verändertes Anssehen, indem jene öden, unheimlichen Einsenlungen schwarzen Thonbodcns, welche bei meiner ersten Annäherung an ktukaua einen so düstern Eindruck anf mich gemacht hatten, jetzt in die reichsten Kornfelder verwandelt waren, deren üppige Saat von Winterkorn slltüou« l^i-nun^) sich anmuthig schwankend im Winde bewegte. — Wir betraten bald die Provinz Keuam, die auf meinem früheren Pfad südlich geblieben war, mit ihren weit zerstreuten Ortschaften, ihren wuhlbebauten Feldern nnd ausgedehnten Waldungen von nnttelholM Mimosen, die zahlreichen ^amcelhcerden Nahrnna, geben. Letztere bilden den Reichthum des Stammes der Keuam, welche in früheren Zeiten, ehe die alte Bornn-Dynastie von der feindlichen Familie der Bulala aus ihrer angestammten Hauptstadt Ndjimie vertrieben wurde, ein Nomadenleben auf den Weidegründen von Kanem führten. Sieben bis acht Meilen von Kul'ana betraten wir den Gau Garanda mit tiefen« sandigen Boden, reich an Korn und Vieh; unter der Bevölkerung finden sich viele von Osten her ringewanderte Schua. Wie wir dann auf unserm Marsch vorrückten, nahm der Aaumwuchs allmählich einen reichern Charakter an und gab deutlichen Beweis, daß wir uns einem bevorzugteren Gau näherten. Durch die unbestimmt von Dorf zn Dorf sich hinwindenden Pfade irre geführt und um den ------ 122 ------ Komadugu von Bornu nicht an cincr jetzt nnpassirbarcn Stcttc zu erreichen, hatten wir nämlich statt der bisher innegehaltenen westlichen eine südwestliche Richtung eingeschlagen, und diese weiter verfolgend führte uns unser Weg dnrch cinen Gau Namens Redani, der sowohl in Bezug ans den Landbau, als dnrch seinen schönen Baumschmuck und die ununterbrochene Reihe sich behaglich ausbreitender Dorfschnften den Eindruck einladender Wohlhabenheit machte. Indem wir durch diesen fruchtbaren Landstrich zogen, waren wir erstaunt über den wiederholten Abstieg, den wir zu machen hatten; es war offenbar, daß diese breiten sandigen Hügelrücken eine vollkommene Scheidewand zwischen dem Komadugu nnd dem Tsad auf dieser Seite bilden und bewirten, daß ersterer eine nördlichere Richtung annimmt. —> Um nicht zu weit nach Süden zu kommen, wendeten wir uns allmählich wieder nach Nordwesten; doch verlor die Landschaft bald sehr an Anmuth, bis wir in eiuen von nomadisirenden Tebn, die gerade nicht znr Sicherheit des Landes beitrngen, bewohnten Gau gelangten mit reichen Wcide-gründcu und vielem Vieh. Wir näherten uns mm (1. Dezember) dem Komadugu von Bornu mit feinem Netze von Wasserlä'nfen und seinen dichten, nach der Regenzeit überaus schwierig zu passirenden Waldungen. Schöne Baum-gruftpm fingen an sich zu zeigen nnd Schwärme von Perlhühnern belebten die Landschaft, bis wir nahe an einem todten Arme des Flusses, „kulugn Gussum" genannt, lagerten, südöstlich von dem berühmten See von MnggM, der in der Glanzperiode des Bornu-Reichs mit feinen fleißig angebauten Ufern eine der größten Zierden des Landes bildete, während er gegenwärtig von unwegsamen Sümpfen nmgcben ist. — Ich machte einen langen Spaziergang den Flußarm entlang, der in der malerischsten Weise ansgezackt und rund umher von der reichsten Vegetation umgeben war. Diese Fülle des Pflanzenwuchses war mir um so interessanter, als ich denselben Bezirk, nnr wenige Meilen nördlicher, in der trockenen Jahreszeit besucht hatte. Nicht minder reich ist hier die Thierwelt vertreten, denn Elephanten, mehrere Arten Antilopen und wilde Schweine sind hier häufig; außerdrm stößt man auf nnzählige Schwärme von Wasservögcln, Perl> uud Rebhühnern und gelegentlich ans einige Affen. — In Bezug auf den Stand des Wasfers muß ich bemerken, daß dasselbe, obgleich weit um sich greifend, bereits im Abnehmen begriffen war, während vi. Overweg Anfangs September den Arm noch ganz trocken gefnnden hatte. Der Komadugu von Bornu scheint daher, was auch aus den Aussagen ------ 123 ------ der Eingebornen hervorgeht, im November seine höchste Höhe zu erreichen und über seiuc Ufer zu treten; es stimmt dies mit den höchsten Fluthzeiteu des Schari und Beuuc auf keine Weise übcrein, so wie auch die Höhe keineswegs unmittelbare Folge von Regcnfall ist; denn schon im Oktober fällt nur noch sehr wenig Regen iu dieser ganzen Landschaft. Dagegen biu ich überzeugt, daß dieser höchste Wasscrstaud des Komadugu i»n November durch das Aufstauen an der Einmündung im Tsad veranlaßt wird, indem um diese Zeit das Wasser in aller Fülle in dem Becken deS letzteren angesammelt ist. — Außer dein mit dem Flußarm gleichuamigen, von Keuam bcwohuteu Dorfe Senghiri befand sich in der Nähe auch ein kleiner Weiler vichzüchtender Fulbe, die, wie es schciut, vou Adamaua her sich hier eingedrängt haben; wenigstens gehörten sie einem Stamme an, den ich bereits dort getroffen hatte. Am Ufer des fumftfigeu Gewässers entlang ziehend erreichten wir nach einein Marsch von 1^ Stuudcu die Stätte von Ghasr-Eggomu, der alten Hauptstadt des Bornn>Neichs, die, wie an einer andern Stelle ausführlicher erzählt wordeu ist, vom Könige Ali Gha-djideni gegen'Ende des 15. Jahrhunderts gegründet und 1M9 von den Fulbc eingenommen und zerstört wurde. Die Nninenstätte ist bereits von der fn'iheren Expedition besucht nud beschriebe!! worden, Weshalb ich über dieselbe hier wrz sein kann. — Die Stadt hatte nur ------134 ------ wenig mehr als drei Stunden im Umfang, und wenn frühere arabische Schriftsteller behaupteten, sie habe Kairo an Größe übertroffen, so haben sie sich einer argen Uebertreibung schnldig gemacht. Sie hatte eine fast regelmäßige ovale Gestalt und war dou einen, starken Wall mit sechs oder sieben Thoren umgeben, der jedenfalls früher regelmäßig und terrassenförmig gebaut war, jetzt aber einer natürlichen ringförmigen Hügelkette gleicht und an einzelnen Stellen — den Angriffspunkten des Feindes — nntermiuirt ist. Das Innere der früheren Stadt zeigt wellig Bemertcnswcrthes mit Ausnahme des Umstaudes, daß die Ruinen der hauplsächlichsteu Gebäude aus gut gebrannten Aack-steineu bestehen, einem Banmaterial, das man in den neuern Städten des Ncgerlaudes nirgends mehr angewendet findet. Die Dimcusioueu des Palastes scheinen sehr groß, die der benachbarten Moschee sehr klein uud diese nur für den Gebranch des Hofes bestimmt gewesen zu sein; dasselbe Verhältniß findet überall noch heut zu Tage statt, so daß der gemeine Mann selten oder nie die Moschee besuchen kann, sondern nur auf häusliche Andacht angewiesen ist. — Wenn man die hohe materielle und namentlich anch merkantile Eutwickeluug zur Zeit der höchsten Blüthe des Bornu-Reichs in Betracht zieht, die sich an dieser Stätte toucentrirte, wo Goldstcmb in bedeutender Menge zu Marttc gebracht wnrde, so kann mau leinen Allgenblick bezweifeln, daß viel barbarische Pracht sich in dieser altcu Hauptstadt entfaltete uud daß in mancher Beziehung ein höherer Grad von Bildung sich geltend machte, als man heut zu Tage in diesem ^andc antrifft. Es gewährte mir ein eigenthümliches Interesse, mich in jene Zeit zurückzuversetzen uud mir au dieser öden Stätte >— weit entfernt von den Mittelpunkten orientalischer und occidentalischer Bildung — einen glänzenden Hof vorzustellen, mit dcu königlichen Verwalter« der weit auseinander gelegenen Provinzen, seiner Menge von Hofchargen, seiner zahlreichen Reiterei uud seiucn politischen Verbindungen mit Tripoli und Aegypten. Ich dachte mir ferner jenen ansehnlichen Kreis gelehrter Männer, die sich um ihren Oberherrn und jcueu treu ergc-beneu Priester schaartcu, der die ruhlliwürdigen Thateil seines Herrn niederschrieb, um sie der Geschichte zu überliefern. — Auffallend war es, daß die Stätte nicht, Wie es sonst der Fall zu sein Pflegt, mit dichtem Gestrüpp, sondern nnr mit einem hohen Grastcppich überwachsen war, während die Stadtmancr von Außen von dichter Waldung umgebcu wurde. Um das Dorf Seughiri, die Ucbergangsstellc über den Komadugn, ------125 ------ zu erreichen, mußten wir einen weiten Umweg machen, da die Arme desselben mittelst künstlicher Nachhülfe sich über das ganze Land verbreiten nnd ein Marsch durch letzteres bei der dichten Waldung iu jetziger Jahreszeit sehr schwierig war. Erst nachdem wir verschiedene todte Arme passirt hatten, erreichten wir dcn wahren Kanal, der, von etwa 25 Fuß hohen Ufern eiugeschlosseu, durch eine reiche Landschaft sich hinwand. Wald nnd Fluß bieten denn auch den Bewohnern dieses Bezirks den größten Theil ihrer Nahrung, obgleich die Kauori nicht so gute Jäger sind als die Haussa, nnter denen eine große Zahl nur von der Jagd lebt, indem sie zahlreiche Klubs oder Jagdgesellschaften bilden, welche gemeinsam jagen nnd das erlegte Wild theilen. Der Fluß mochte hier 1W —200 Schritte breit sein und floß mit mäßig starker Strömung, von O. 12 S. kommend, in der Richtung nach N. 35 O. dem Tsad zu; das diesseitige Ufer bildete einen steilen sandigen Abhang, das jenseitige war flach und mit Schilf bewachsen. Alles war tiefe Ruhe nnd Frieden und kein Verkehr auf dem Flusse zu bemerken, außer daß zwei einheimische Reisende, ein Mann nnd eine Frau, in der gemüthlichen landesüblichen Weise auf einem Kürbisjoch bis zur Mitte des Leibes im Wasser sitzend, über den Strom ruderten. Wir selbst setzten am andern Tag über, und zwar mit Äenntzung eben solcher Kürbisjoche, die aber zu einer Art Fähre verbnnden waren. Eigenthümlich war namentlich das Hin-überschaffcn der Kamecle, die von einem anf einem Kürbisjoch reitenden Mann gezogen wnrden, wahrend ein Anderer ihren Nucken nahe am Schwänze bestieg, um sie im Gleichgewicht zu erhalten. Die Tiefe des Wassers im Strome betrug 15 Fuß, doch kam Alles glücklich hinüber. Wir hatten dann aber eine Strecke weit einen sehr beschwerlichen Marsch, der nicht ohne Schaden am Gepäck ablkf, dnrch dichten sumpfigen Wald, bis wir an der Grenze des eigentlichen Flnthbettes, das der Strom zur Zeit der höchsten Ueberschweunuung füllt, auf offenes, baumloses Wiesenland hinaustraten. Hier kreuzten wir meinen Pfad von 1851, ließen Nghurutua, wo Herr Richardson starb, in knrzcr Entfernung zu unserer Rechten liegen nnd lagerten bei der mir ebenfalls schon bekannten Stadt Alaune. Bei Alauue hatteu wir nun die Provinz des eigentlichen Manga betreten; die Verschiedenheit des Charakters derselben oon dem der Provinz Keuam, die wir so eben verlassen hatten, war auffallend; denn es begann nun jene Region hoher Dünen von rothem Sand, die sich etwa einen ganzen Längengrad weit von hier nach Wcsten erstreckt ------ 126 —- und erst hinter Surriknlo eudet. Erdnmndeln, Äohncn und die kleine Hirse (I'c>iun!>ot,uui typiiciillcnlil) sind die landesüblichen Fruchtsorten, welche anf diesem leichten, welligen Boden am besten gedeihen. Aendert sich dadurch die Art des ^andbancs, so wird man auch in der Bauweise der Wohnungen einen Unterschied gewahr, lind eS sind namentlich die von mir früher oft erwähnten, erst in Haussa allgemein üblichen Kornspeicherchen, welche hier wieder sichtbar werden und den Dörfern einen eigenthümlichen, Ruhe nnd Sicherheit verrathenden Charakter verleihen. — Aber anch die Menschen in ihrer äusseren Erscheinung werden andere; an die Stelle des Kanori-Reiters oder des iieuanl-KameelzüchtcrS tritt der Manga-Fußkämpfer mit seinem ^cderschnrze, Bogen nnd Pfeilen und seiner Streitaxt, während das schlankere Manga-Mädchen, das nnter einem schwarzen Schleier schamhaft ihr Gesicht verbirgt, die häßlichere (Gestalt der Bornauerin mit ihren breiten, unbedeckten Zügen nnd ihrem offene», fast unbekleideten Busen verdrängt hat. Es ist wunderbar, wie sich der Menschenschlag we^ nigstens in Bezug auf das weibliche (Geschlecht in der flachen, einförmigen Ebene Äornu's verschlechtert hat. — Obgleich die Manga augenscheinlich ein bedeutendes Element in der Bildung der Bornn-Nation ausmachen, kommt doch ihr Mme als solcher in den früheren Annalen des Reichs nicht vor, weshalb man wohl annehmen darf, daß sie aus einer Mischung anders benannter Stämme hervorgegangen sind. In der unglücklichen Regierungsveriode des Scheich Omar, als der Sultan von Wadai bis in das Herz des Reichs vorgedrungen War und die neue Dynastie der Kaucmi dem Untergange nahe schien (1^46), versuchten auch die Manga das Joch Äornu's abzuschütteln uud befestigte» unter andern den noch hente bedeutenden Ort Mai-konomari-kura, wurden aber von einem Feldherrn Omar's geschlagen und zur Unterwürfigkeit zurückgeführt. Der genannte Ort liegt am westlichen Ufer eines kleinen, von Norden kommenden, 40 — 50 Schritte breiten Zuflusses des Komadugu, uud unser Weg, der in nur geringer Entfernung nördlich von dem auf der Hinreise uach itutana von mir verfolgten Pfade hinlief, führte uns hart au demselben vorüber. Einige Meilen weiter westlich bogen wir etwas mehr nach Süden ab nnd gelangten durch eine keineswegs dnrch Schönheit der Scenerie ausgezeichnete (legend mit dürrem Bodm und kärglicher Vegetation uach Aonsari, einer mit Mauern und Graben umgebenen Stadt von 7-bis8Wl> Einwohnern und Sitz eiues Statthalters. Von hier würde unser Weg direkt nach dem den Lesern schon bekannten Surrikulo ge- ------ 127 ------ führt haben; allein der königliche Beamte, der mich nach Sinder begleiten sollte, wählte eine südlichere Route, die uns dnrch die mir thcilwcis unterworfene Provinz Bcdde führte. — Anfangs danertc der trockene Vandstrich fürt, dann aber kündigten Tamarindcnbäumc die Nahe von Wasser und größerer Fruchtbarkeit an, und bald erreichten wir den Saum eines der großen snmpfigen Gewässer, die mit dem südwestlichen Arm des Komadngu in Verbindung stehen und die Provinz Bedde durchschneiden. In dichtem Walde versteckt, bildet es das, was wir auf dem MnssgwZug« mit dem Kanori^Wurt „ngaldjam" bezeichneten, ein flaches sumpfiges Gewässer mit wenig oder gar keinem Fall; seine Verbindung mit dem Komadugn von Bornn taun übrigens nicht zweifelhaft sein. Die Bcdde, die Bewohner der gleichnamigen Provinz außer einer geringen Anzahl Kauori, sind Heiden und tragen nichts als einen schmalen ^cderschnrz um ihre Vendcn; ihrer Sprache nach sind sie mit den Manga eng verwandt, stehen diesen aber, so viel ich von ihnen sah, in körperlicher Entwickelung weit nach; denn ihre Gestalt hat durchaus nichis Ausgezeichnetes. (5s ist jedoch wahrscheinlich, daß sie hier an der Grenze i!,res Bandes dnrch die tägliche Berührung mit den Kanori viel von ihrer Stammescjgenthümlichkeit eingebüßt, diese aber weiter im Innern reiner erhalten haben, beschützt von den zahlreichen Armen des komadugn nnd den damit in Verbindnng stehenden Sümpfen nnd Wäldern. Sie besitzen auch eine gute Anzahl Pferde von kleiner Zucht, die sie ohne Sattel und Zanm lind ganz auf dieselbe barbarische Weise wie die Mussgu reiten. Am A. Dezember erreichten wir den südlichsten Punt't unserer Route bei der Stadt Geschia. Im Süden nnd im Westen war dieselbe dnrch einen sumpfigen Wasserlanf geschützt, den wir schon einige Stuudrn vorher einmal berührt hatten, au einer Stelle, wo er eine schöne offene Wasserfläche bildete. Die Bedde nennen ihn den Fluß von Thaba (Thaba-tenama) nach einer jetzt nur noch in Rninen vorhandenen Stadt nordöstlich von Geschia, und es ist wahrscheinlich derselbe Arm, welcher die Provinz Katagnm durchzieht. — Hier bei Geschia dient er der Stadt als ein vortreffliches Bollwerk, uud da die meisteu Städte der Beddc eiucr ähnlichen gesicherten Age sich erfreuen, scheint in den Bewohnern sich eine entschiedene Neignng zn Diebereien und Räubereien ausgebildet zn haben. Einige Bürger von Geschia gaben uns hiervon ein sehr merkwürdiges Beispiel, denn sie stahlen einen meiner Begleiter, den oben erwähnten Mäkler, mit sammt seinen: ------- 128 ------ wollenen Ueberwurf, in welchem eingehüllt er an der Seite feines Pferdes schlief. Sie ergriffen nämlich Plötzlich den ganzen Kerl, nntcr-setzt nnd lnochenfest, wie er war, und schleppten ihn eine beträchtliche Strecke fort; dabei setzten sie ihm eine Lanze auf die Brust und drohten ihn zu durchbohren, im Falle er schreien würde, bis der tapfere Haudegen trotz seiner Schußwaffen, die er bei sich hatte, seine warme Hülle fahren und im unbestrittenen Besitz der Nänber ließ. Das Ganze war mit so viel Geschick nnd Schnelligkeit angeführt, daß dic kühnen Nänber längst in der Dunkelheit verschwunden waren, ehe wir Andern etwas davon merkten. Um ähnlichen Besuchen vorzubeugen, feuerten wir mehrere scharfe Schüsse über die Stadt und ich fing an, auf einein großen Atlordion zn fpielen, so daß die Städter vom höchsten Schrecken ergriffen wurden nnd fürchteten, wir würden jeden Augenblick znr Plündcrnng heranrücken. Von Geschia ans ging es wieder nordostwärts weiter durch eine schone, mit Tamarinden- und Affcnbrodbänmen geschmückte Landschaft am Städtchen Gcssnm vorüber. Die Einwohner dieses Ortes, ebenfalls Bedde nnd nur mit ciuem Lederschurz angethan, waren beschäftigt, große Klumpen nassen Thons aus einer benachbarten Lache auf den Köpfen in die Stadt zu trageu, um die schadhafte Stadtmauer auszubessern, welche mit einem eigcuthümlicheu Kranz unregelmäßiger Zinnen ------ 129 ------ geschmückt War. — Hart ail der Stadt beobachtete ich den ersten Rimi-odcr Bcutangbanm (I'>i(,cd',nli<»n innncssi^o), den man im eigentliche!! Bornu nmsonst sucht, so daß Gessina als ein Markstein in der Ostgrenze seiner Verbreitung angesehen werden kann. — Während wir mm dnrch das schöne offene Land weiter zogen, traten nach nnd nach noch andere Arten von Bäumen auf, welche der Landschaft Haussa eigenthiinüich sind, und ich begrüßte sie alle froh als alte Bekannte. Kleine Kanäle durchschnitten das Land in jeder Richtung, und da die-selben dnrch die Ueberschwcmmnugeu mit Fischen bevölkert werden, waren in einigen derselben grüße Fischlörbc ausgelegt. Fische dienen in diesen Gegenden nicht nur zur täglichen Nahruug, sondern werden auch in getrocknetem Zustande ausgeführt, zum Theil in einer zerstampften und in Kugeln geformten Masse. Bei der durch die Kanäle herbeigeführten Feuchtigkeit des Bodens gab es aber anch Erdameisen m Menge uud überall fülltcu ihre gewaltigeu Bauteu die Zwischenräume zwischen dem Dumgestrüpp und den größeren Baumformen. Unter deu letztcrcu wurde bald in tiefem sandigen Boden die Kuka s^cllm«sm5n, clj^iww) vorherrschend; später aber, als wir uns Surri-kulo näherten, ward dieser Baumkoluß durch die Dumpalme (lÄlni'tti'a. 1'^odnicli,) verdrängt, deren Gebiet recht eigentlich hier zu suchen ist, wie sich der Leser ans der Schilderung meiner ersten Reise durch diese Gegenden erinnern wird. In Surrikulo erreichte ich abermals meine frühere Straße vom Jahr 1851, überschritt dcu nördlichen Arm des Komadugu (gegenwärtig mit 2^ Fuß Wasser) uud verließ erstere daun wieder nach mehreren Meilen, um in uurdnordöstlichcr Richtung zu der Proviuz Munio zu gelangen, die vor meinem Bcsnch nur aus sehr undeutlichen Angaben Richardson's betamtt gewesen war. — Der Charakter der Gegend war fortwährend der einer sandigen Ebene, abwechselnd mit Wald, Riedgras oder auch mit Ackerfeld bedeckt. Erst 6 bis 7 Meilen von Surrikulu, bei der Stadt Miua, sah ich die erste kleiue Grauit-hühe, welche den Aufaug des nordwestlichen hügelige,, Theils der Landschaft Manga bildet, wenigstens auf dieser Seite, während nach Südsüdwest zu der gebirgige, felsige Charakter sich wohl unzweifelhaft bis Mafchcna fortsetzt. Die Richtnng dieser ganzen Höhenzonc scheint don Nordnordost nach Südsüdwest zu geheu. — Wir ließen Miua zur Rechten liegen und erreichten nach einem starken Marsch don etwa 11 Stunden den reichen Brunnen von Berberua. Umgeben von schattenreichen Tamarinden und mit vortrefflichem Wasfer versehen, bildet Vaith'a leisen. II. S ------ 130 ------ derselbe einen bedentenden Statiousplatz für Reisende, trotz der Aerm-licht'eit des nahen Weilers; auch manche historische Eriuuerungen knüpfen sich an ihn. Die Straße war ziemlich belebt dnrch einheimische Händler, die Baumwolle nach dem später zu berührenden Ssnlleri oder bastelt irdener Töpfe nach südlicheren Gauen führten. Ueber leicht gewellten Boden, erreichte ich Iamia, hatte aber das Unglück, meine Leute zu verfehlen, die irrthümlich einen anderen Weg eingeschlagen hatten. Es ist nämlich Gebrauch im Sudan, daß Reisende oder Wanderer die etwa nachfolgenden Gefährten durch einen über den Pfad gelegten Zweig benachrichtigen, daß sie hier denselben verlassen und einen andern an derselben Stelle sich etwa abzweigenden Weg eingeschlagen haben. Einen solchen Zweig nun, der aber nicht von mir herrührte, fanden meine Ante nnd wurden dadurch verleitet, einem östlicheren Pfade zu folgen, so daß es gcranme Zeit dancrte, bis sie sich an dem genannten Orte wieder zu mir fanden. Inzwischen tonnte ich mich des Allblicks der Scenerie am Aruuncn von Iamia erfreuen, au welchem eine Hcerde schönen Viehs getränkt wurde. Der Bruuneu liegt, wie das in diesem Bezirke meist der Fall ist, au: Fuße eiuer Grauithöhc, war zwei Klaftern tief uud hatte um 1 Uhr 20 Minuten Nachmittags eine Temperatur von 26,^° E., während die Temperatur der ttuft 28,y° betrug. Nach ciucm Marsch voll etwa eiuer Meile überschritten wir am folgcudcu Tage die Grenze der Provinz Mnnio. Die Gegend war unmuthig, mit Tamarinden geschmückt nnd gelegentlich von felsigen Auhöheu unterbrochcu. So erreichten wir das ans mehreren Dörfern bestehende Ssullcri mit ungefähr 5000 Einwohnern nnd dem bedeutendsten Markt iu Munio, auf welchen vorzüglich Baumwolle zum Bertauf gebracht wird, die hier iu dem sandigen Boden nicht gedeiht.— Granithöheu spraugcn uun überall hervor und waren über die ganze Landschaft wie ausgesäet. — Iudem wir immer iu nordwestlicher Richtung weiter zogen und eine ansehnlichere Höhe zu uuserer Nechleu mit dem Dorfe Nen-Bune am Fuße derselben liegen ließen, gelangten wir iu eine Einsenkung mit Thonboden von eigenthümlichem Charakter. Zwischen cmer vereinzelten Dattelpalme nnd einer schlanken Gonda ((^i-ioa. ?n,p^a) — einer ganz nngewohnten Erscheinung in dieser Gegend — war der Boden mit einer reichen Banmwollenpflauzung bedeckt. Noch überraschender aber dnrch den Gegensatz zum ringsum sich lageruden Kranze von üppigem Pflauzengrüu war der Allblick ------ 131 ------ eines zu dieser Jahreszeit trockenen Natron-See's, dessen Becken von diesem Mineral wie von einer Schneeflächc überzogen war. Merkwürdigerweise fand sich in geringer Entfernung von dem trockenen See, dessen Boden bis zn der Tiefe von 6 Fnß unter dem Buden mit Salztheilen stark geschwängert war, süßes Wasser in reichlicher Menge dicht nnter der Oberfläche. Es waren nämlich ^cntc beschäftigt, das Mineral zu graben, und hatten zn diesem Zlueck Gruben von der angegebenen Tiefe gemacht. — In einiger Entfernung nord östlich lag das Dorf Alt-Bune (1450 Fuß über dem Meere) malerisch am westlichen AbHange einer Berghohe, in einer Einbiegung der Felsen. Auf einer die Gegend beherrschenden Anhöhe im Angesichte des schönen Panorama's schlug ich im Schatten einer Tamarinde mein Lager für die tmnmende Nacht auf. — Am folgenden Morgen (15. Dez.) veränderten wir unsere bisher innegehaltene Marschrichtung gänzlich, indem wir nns nach Nordnordosten wendeten. Die Landschaft wnrde nun immer gebirgiger nnd der Pfad wand sich durch eine Reihe unregelmäßiger Thalbildnngen nnd enger Schluchten, nmgcbcn von mehr oder weniger 'vereinzelten felsigen Höhen, die insgesammt reich mit Buschwert betleidet wareu; der Boden der Thäler bcstaud dabei aus Saud, zuweileu aus Thou. Zahlreiche Kameelheerden belebten die Gegend, gehörten aber, wir ich zu meinem Erstaunen vernahm, nicht den Eingebornen, sondern eben jenem ränberischen Tnareg - Stamm, dessen Einfall unsere Abreise von Knkana verzögert hatte. Wir beeilten nnsern Marsch so sehr wir tonnten, um wo möglich die Hauptstadt des lleinen Berglandes Mnnio am 16. Dezember zu erreichen, wobei nnsere Rontc immer eine nordnordöstliche blieb. Denn dieses Ländchen stellt ein vollkommenes Dreieck von bedentendcr ^änge dar, das von dem Herzen des fruchtbaren Tropenlandes ans nach dem Rande der Wüste vorspringt. Wie es in natürlicher Beziehung ein Mittelglied bildet zwischen dein flachen Frnchtland nnd dem höher gelegenen, von Granit nnd Sandslein dnrchzogenen Wüstengürtel, so bildet es auch in politischer Hinsicht den Gegensatz zwischen den festen Ansiedelungen des Sudans mit leidlich geordnetem Negierungswesen nnd dem ruhelosen und wirren Gebiet nomadischer Vagcrplätze im Norden des Negerlandes. Freilich kenne ich das ^and nur da, wo meine Straße sich fadenartig dnrch dasselbe hindurchzog, so daß es anf der von mir niedergelegten Nouteukarte vereinzelter und sonderbarer erscheinen mag, als es wirklich ist. Es behielt übrigens beim Weitermarsch den angegebenen Charakter bei; die engen, von Granit- ____ 132 ------ höhen umschlossenen Thäler und Schluchten waren wohlbcbaut und besäet mit kleinen Weilern, deren Hütten in ihrer Bauart Aehnlichkcit mit denjenigen im Lande Kauem hatten. Eingcborne kehrten mit ihren Packochseu von der Hauptstadt zmück, wohin sie den Zehnten ihrer Erzeugnisse abgeliefert hatten, eine hier in allen zum Islam betehrten Bändern übliche Besteucrungöwcisc; zu jeder Seite der ^astthiere hingen in einem Doppelnetzc große Körbe. Nach 3 bis 4 Stuudeu Wegs kamen wir in das vou West nach Ost ziehende Thal Tuugure, welches mit einer schönen Baumwollcnpflanzuug uud einem Hain von etwa 200 Dattelpalmen geschmückt war. Die Höheu begauuen sich dauu abzurunden uud das ^and wurde allmählich offener, so daß wir eine Fernsicht auf die beistehend abgebildete Hauptstadt Gme gewannen, die mit einer Bevölkerung von 9-bis 10,000 Köpfen am südliche» Fuße und auf dein niederen Gchäug einer Felshöhe dalag, jenseits einer breiten, mit Baumwollpflanzungcn nnd Gärten gezierten Mnldenbildnng, in welche wir auf allmählich abfallendem Aodcu über Sanohngel hinabstiegcu. Ich lagerte trotz der Gnladnngen des Statthalters vor den Mauern der Stadt, am Abhauge der Saudhöheu, machte dem Herrn aber mit den für ihn bestimmten Geschenken am andern Tage meiue Aufwartung. Ich bewunderte den soliden uud schmuckrcichen Baustyl ------ 133 ------ seines Palastes, der die hinfälligen Bauwerke Kukaua's weit hinter sich ließ. Besonders stattlich war die Audienzhalle, leider aber so dunkel, daß ich von dem anf einem Thonbett in blauem Bernus sitzenden Fürsten mir wenig sehen konnte; doch hatte ich am nächsten Tage volle Gelegenheit, die fürstliche Haltung und die fast europäischen Gesichtszüge des Fürsten von Mnnio zu bewundern. Er ertheilte mir nämlich eine zweite Audienz, um in seiner Gegenwart mein scchs^ läufiges Pistol abzufeueru; es war scharf geladen und die eiue der Kugeln, die vou der harten Vehmmauer zurückprallte, verwundete mich leicht an der Stirn. Bei dieser Gelegenheit hatte sich der Fürst mir zu Ehren bereits in den von mir ihm geschenkten weißen Vernus gekleidet. Sein eigentlicher Name war Ko-sso, sein Fürstcntitel Munioma — Herr von Munio —; als solcher war er der Mächtigste und Angesehenste unter den Statthaltern Bornu's, er machte aber anch auf mich durch seine persönliche Würde in höherem Grade den Eindruck eines Fürsteu, als irgend ein anderer Häuptling im Ncgerlande. Außer daß er durch Einsicht und Gerechtigkeit sich allgemeines An. sehen verschafft'hat, ist es ihm anch gelungen, über sein Privatleben einen geheimnißvollcn Schleier zu ziehen, so daß ihn z. B. noch niemals Jemand essen sah. Zn wiederholten Malen während seiner Negierung hat er einen bedeutenden Grad von Energie entwickelt und er war es auch, der den Sitz der Regierung von Bunc nach Gure verlegte, nachdem er dies Gebiet von dem Tuareg - Stamme der Diggera erobert oder vielmehr durch Eroberung wiedergewonnen hatte. Trotz dieses euergischcn Eharatters blieb er seinem Oberherrn Scheich Omar doch treu in der Stunde der Noth, als anch der Fürst des benachbarten Sindcr abfiel und ihn mit Krieg überzog, weil er sich ihm an-zuschließcu weigerte. Ko - sso war zur Zeit meines Vesnches ein Mann von etwa 60 Jahren, starb aber leider schon im Jahre 1854. — Was die Macht seines Bündchens anbetrifft, so soll es 1500 Reiter und 6- bis 10,000 Bogenschützen in das Feld stellen können und die jährlichen Einkünfte sollen sich auf 30 Mill. Muscheln (etwa 15,000 preuß. Thaler) belaufen. Außerdem aber erhebt der Fürst eine bedeutende Abgabe an Korn, die dem zehnten Theil der Ernte gleichkommt. Jeder erwachsene männliche Bewohner vou Munio hat ferner 1000 Muscheln für sich selbst, 2000 für jeden Sklaven und 1000 für jeden Packochsen zu entrichten. Trotz dieser bedeutenden Einnahmen soll jedoch der Fürst von Munio sehr verschuldet sein, gelegentlich aber auch fürstliche Preise bezahlen, wie er denu kürzlich ein Pferd von Tarki- ------ 134 ------ Blut für 700,000 Muscheln (in preußischem Gelde 330 Thaler) gc-kauft hatte, allcrdiugs ei» sehr hoher Preis in diesem Vande. Am Tage vor meiner Abreise Kon Hure brach der sslirst mit Heeresmacht gegen eine der Städte der Diggera auf, deren Einwohner sich neuerlich den räuberischen Tuareg hülfreich erwiesen hatten. We. nigstens wurde dieser Vorwand vom Fürsten benutzt, rine großartige Jagd anf Sklaven zu unternehmen, um diese schändliche, aber hier gangbare Münze znr Bezahlung seiner Schulden sich zu verschaffen. Er hatte mich während meines Aufenthaltes sehr gastfreundlich behandelt und fchickte mir noch vor seinem Abmarsch ein itameel zum Geschenk, das aber schon den Strapazen der Neise erlag, ehe ich noch Aatsena erreichte. Es mochte dies jedoch nur die Schuld der Höflinge sein, die seinen Auftrag auszuführen hatten und die das mir bestimmte bessere Thier wahrscheinlich vertauschten. Am 19. Dezember verließ ich die Hauptstadt von Munio, und zwar in der Richtung auf Wuschet, etwa drei Meilen westlich von Gure, mit geringer Abweichung nach Norden, da dieser Weg interessantere Ausbeute versprach, als die gerade Straße nach Siudcr. Wir erreichten den genannten Ort, indem wir erst eine Gebirgsgegend mit kleinen Paßbildungen durchzogen und dann auf offeneres Land hinaustraten; die nächste Umgebung von Wuschet selbst hatte einen ganz eigenthümlichen Eharalter, indem Fruchtbarkeit und Dürre, Anbau nnd Oede mit einander abwechselten. Die Stadt lag auf einem trocknen, unfruchtbaren Strich Landes; tiefere Einsenkungcn des Bodens aber besaßen Fcuchtigteit genng, um fruchtbar zu sein, was namentlich von zwei nicht eben tief eingcschnittcuen Thalgründeu im Osten der Stadt gilt, die mit schönen Palmenhaiuen geschmückt waren und sich im Nordeu zu einer weiten, reich mit Kraut und Baum bestandenen Thalsohle vereinigten. — Ich sah hier künstlich bewässerte Weizenfelder, Banmwollenpflanznngen uud ("arten mit Zwiebeln in den Verschiedenen Stadien des Anbaues. Wuschel ist denn auch der Hanpwrt für Weizcnbau im ganzen westlichen Theile Bornu's, und gern hätte ich mich mit diesem Artikel hier versorgt, da meine Diener, lauter freie ^eute, sich entschieden weigerten, sich dem mühevollen Stampfen des Negerkorns zu unterziehen; allein leider war kein Markttag. — Der Ort selbst wird von vier verschiedenen DorfgrnPPen gebildet nnd cnt> hält ungefähr 8- bis 0000 Einwohner mit zwei Borstehern, die mich beide sehr gastlich behandelten; auch war ich so glücklich, einen Schneider Sr. Ko'nigl. Hoheit des Munioma nut einigen großen Stopfnadeln ------ 135 — erfreuen zu können, die ihm zur Anfertigung des wattirtcn Zeugs ^Panzerhemde) für die schlurre Kavallerie sehr geeignet schienen. Bou Wuschet zogen wir iu südsüd^vestlicher Richtung weiter, hart au einem Sporu der Verfette cntlaug, dessen äußerster Punkt der etwa 3000 Fuß hohe Berg Gediyo war. Dann betraten wir cine gewellte Ebene mit sehr ärmlicher Vegetation uud wenig Anbau, die, nach Westen zu offen, nach Osten in einiger Entferuuug durch eine niedere Hügelreihe amphitheatralisch geschlossen wnirde. Jenseits derselben hatten wir dcu Höhenzng wiederlnn hart an uuscrer Liukeu und erblickten in einer Bucht dessclbcu die Nniuen vou Gabata, der ehemaligen Residenz der Herren von Munio, umschlossen von einem Wall aus Feldsteinen. Iiu innersten Wintel dieser Einbuchtung sah mall ein Steinhaus, iu welches nach alter Landessitte jeder Munioma bei seinem Regierungsantritt sich sieben Tage lang znrückziehcn mußte. Es war meine Absicht gewesen, diesen Ort zn besuchen, aber Ko-sso hatte mich dringend gebetcu, von diesem heillosen Vorhaben abzustehen, da derselbe von Geistern bewohnt sei. Es war gewiß ein eigenthümliches ZusamMutrrffeu, daß mich ciu Plötzliches Unwohlseiu gerade in dem Augeublick befiel, als ich mich diesen: Orte näherte (— in Folge der brennenden Sonnenhitze, während wir jene Ebene durchzogen —), und mich vou der Ausführung meines Vorhabens abhielt. Gerade an dem Tage aber, an welchem ich bei Abfassung mciues größeren Neisewerks die betreffende Stelle des Manuskriptes niederschrieb, erhielt ich die Nachricht, daß der nnglückliche Dr. Vogel von dem Sultan von Wadai ebeu aus dem Grnnde hingerichtet worden sei, weil er jene heilige Stelle besucht habe, welche auf dem Gipfel der Fclshühe über der Hauptstadt Wara liegt, und iu welcher auch der Herrscher jenes Laudcs bei seinem Regierungsantritt sich sieben Tage anfhalten muß. — Die Eingeborncn behaupten, daß von dem Steinhaus bei Gabata Höhlen in das Innere des Felsens führen. Unser Weg ward hier überaus interessant und belebt, denn der zu unserer Linken sich hinziehende Abhang des Höhenzugs entwickelte die anumthigste Mannichfaltigteit der Formen, uud zu unserer Rechten hatten wir einen schönen Hain prächtiger Bäume uud wohlbebaute Felder. Als wir Nachmittags das Lager für diesen Tag bezogen (20. Dczbr.), fühlte ich mich so schwach, daß ich mich weder um die nahen Nuiuen des fürstlichen Gabata, noch um seine Geisterhöhlen kümmerte und nur nach der tiefsten Ruhe Verlaugeu trug. Die Nacht war sehr kalt und im höchsten Grad uuerfreulich durch ------ 136 ------ einen heftigen Nordnordostwind, der uns beim Anfbrnch am andern Morgen außer der scharfen stalte auch noch Wollen der lästigen ge. fieberten Klette (I>6iwi^t.nin äiätioUum) zufiihrte und ulls damit dergestalt bedeckte, das; ich lebhaft an den kläglichen Aufbruch am Weihnachtsmorgen 1850 ill Damerghu erinnert wurde. Als wir endlich wieder anf dem Marfchc waren, trat der Höhenzng zu unserer Tinten bald znrück, und wir wanderten während des ganzen Tages im Allgo meinen über ebenes Land, anf welchem Holz nnd niederer Pflanzen-Wuchs in reicher Fülle mit einander wechselten. Ein kleines Thal zeigte die schönsten Tamarindenbäume, die ich mich erinnere je gesehen zu haben, beladen mit ihrer goldgelben schotenartigcn Frucht. — Ich hatte gehofft, an diesem Tage den Natronsee km« iteleno zu erreichen, mußte aber mehrere Meilen diesseits desselben lagern. Auch diese Nacht war sehr lalt, gehörte sogar zn dcu kältesten auf meiner ganzen Reise, indem das Thermometer nur 4,,-.° E. l^°N.) zeigte; dennoch war die Kälte nicht so empfindlich als in der vergangenen Nacht bei 11,,° C. (8,9' N.), weil es vollkommen windstill war. Da der erwähnte Natronsce nicht auf nnscrer direkten Straße lag, faudte ich den größeren Theil meiner Leute geraden Wegs nach Sadamnni vurans und »lahm nnr meine beiden berittenen Diener mit. Das Land gewährte denselben Anblick wie am vorhergehenden Tage, stach, mit mehreren Einsenkungen, die zum größten Theil mit hohem Gras bewachsen waren. Vor uns sprangen von Nordwest nach Südost drei einzelne Hüheu auf, nnd wir ritten anf die mittlere derfelben zu, an deren westlichem Fnß ein Dorf Namens Magadschiri liegt, der Ort des Magadschi oder Aufsehers. Dieses erwies sich als der ge-wöhuliche Markt und Stapelplatz für das Erzeugnis; des See's, das hier in großer Menge theils in Hänfen, theils in Matteusäckcn aufgeschichtet lag. Der See selbst lag in einer Einsenkuug am Südfnße der Anhöhe, war ohne Wasser und bot mit der schneeweißen Kruste des Salzes, während er ringsum von einem grünen Rande üppiger Vegetation nmgcben war, einen recht interessanten Aublick dar. Die Natrondcckc war etwa einen Zoll dick und ruhte auf schwarzem Schlamm, aus welchem das Mineral stets von Neuem sich abzusondern scheint, uud zwar trystallisirte es gegenwärtig in Krumen ans, währeud dies zu auderer Zeit deS Jahres, wie zu Eudc der Regenzeit, in größeren Stucken geschieht. Am Rande des Beckens, welches wohl ^ Stunden im Umkreis haben mag, lagen 20 bis 2li Haufen Natron aufgespeichert, etwa 30 Fnß in, Dnrchmesser nnd 12 Fuß ------ 137 ------ in der Höhe messend; der See wird von den Eingebornen „Abge" genannt. Um mit meinen Veuten wieder zusammenzutreffen, mußte ich nun eine mehr nordwestliche Richtung verfolgen. Ueber gut augebautes, leicht gewelltes Vaud mit unregelmäßigen Thalbildungen, die mit Dum> ftalmcll nnd Feigenbänmeu geschmückt waren, dahiurritend, erblickte ich nach mehreren Meilen einen kleinen blauen See und bald hatten wir das anmnthige Thal von Badanmni, in welchem er sich ausbreitete, erreicht. Obgleich die Gegend rings nm dieses kleine Thal nicht eine Wüste genannt werden kann, so zeichnete es sich doch im Vergleich mit derselben durch eine so reiche Fülle des Pflanzcnwnchses aus und bildete eine so eigenthümlich in sich abgeschlossene, anziehende Ocrtlich-teit, daß man es wohl die „Oase von Badamuui" nennen kann. Es ist eine Art flacher Thalbildnng, die sich in westostlichcr Nichtnng erstreckt und ans der West-, Nord- nud Südseite mit Hügelu von 1-bis 200 Fnß Höhe umgeben, nach Osten aber von dem Berg Schcdika begrenzt ist, welcher wohl l>- bis 6M Fuß über das durchschnittliche Nwean des lindes sich erhebt. In dieser offenen Thalmnlde entspringen mehrere sehr starte Quellen, welche zwei kleine Seebecken füllen, nachdem sie einen weiten Strich angebauten Bandes bewässert haben; neben Sorghum uud Hirse werden hier Baumwolle, Indigo, Pfeffer nnd Zwiebeln gezogen. Die beiden Seebccken, welche sich wie auch alle Hügelketten und Berge dieser Landschaft von Nordost nach Südwcst ansdehnen, sind durch eine lanalartige Verengung mit einander verbunden, durch welche jedoch, da sie dicht mit Schilf uud Nohr brwachseu ist, lein lebhafter Austansch des Wassers stattfindet; denn nngeachtet diefer, zur Zeit etwa KX) Schritte breiten und 4.^ Fuß tiefen, Verbindnng sind beide von ganz verschiedener Beschaffenheit, indem das westliche süßes Wasser enthält, das östliche dagcgcu sehr start mit Natron geschwängert ist. Beide See'n zusammen maßen in ihrer größten ^ängc etwas mehr als ^ Stunden, und die größte Breite des Natronsee's, welche die des Süßwassersee'S etwas übertraf, mochte ein wenig mehr als '/4 Stunde betragen. Das Wasser des letzteren zeigte eine dnntelblauc Farbe nnd eine ungebrochene Oberfläche, der Natronscc dagegen hatte die dunkelgrüne Färbung des Meeres nnd brach sich, dein Wind mehr ausgesetzt als jeuer, rauschend nnd schau-mmd iu beträchtlicheu Wellen am Ufer. Seine Tiefe fcheint bedenteud und sein Wasserstand das ganze Jahr über ein ziemlich gleichmäßiger zu sein; der dnntelgrnueu Färbung wegen betrachten ihn die aber- ------13«------ glänbischen Anwohner mit heiliger Scheu und als den Sitz heimtückischer Dämonen. Die brackige Beschaffenheit seines Wassers Kurd ganz und gar dnrch die des Badens bedingt nnd beschränkt sich hauptsächlich auf den mittleren Theil des See's; sogar an dem bedentend eingezackten Ufer fand ich das Wasser in den verschiedenen Einbnch-ttmgen sehr verschieden, in der einen süß, in der benachbarten ganz und gar ungenießbar. Dessen ungeachtet waren anch hier mitunter Brunnen des süßesten Wassers ganz nahe am Ufer. Schwärme von Wasser-Vögeln verschiedener Art, nnter ihnen anch ein kleiner Strandlänfer, belebten den Sanin des Wassers. — Das Dorf Badamnni (oder Gadabllni) liegt in zwei Gruppen am westlichen Ende der Thalmnlde, die kleinere Gruppe an der Südseite unten im Grunde, die größere an den Abhängen der nördlichen Hügel; letztere hatte einen Marktplatz. Anch bemerkte ich viel Weberei in dem Orte. Wir hatten am 23. Dez. einen Rasttag in dieser anmnthigcn Oase gehalten, den ich zu der Aufnahme einer topographischen Skizze derselben benntzte; am Morgen des 24. zogen wir weiter. Die ersten Meilen führten noch dnrch hügeliges Terrain mit einer schönen, von einer starken Qnclle durchströmten Thalschlucht; dann ging es etwa 3^ Meilen weit über eine Art Platean, zum Theil von einem dichten Wald dorniger Talha's bedeckt. Von ihm stiegen wir in ein flaches Thal hinab, ähnlich dem von Badamuni uud ebcufalls sehr wasserreich, in welchem wir nach ein paar Stnnden Mirria erreichten. Mirria war bis zur Gründung Sinder's vor ungefähr 25 Iahreu durch den Vater des jetzigen Statthalters eine bedeutende Stadt und der Hauptort der sämmtlichen westlichen Gebietstheile von Bornu, ist jetzt aber sehr heruntergekommen. — Am folgenden Tag, dein dritten Wcihnachtstag, den ich in Afrika feierte oder, befser gesagt, erlebte, gelangte ich nach dem nur 4^ Meileu entfernten Sinder durch eiue offene, meist mit grobem Sand nnd Kies bedeckte Landschaft nnd größeren oder kleineren Erhebungen, die sich erst in der Nähe von Sindcr zn niedrigen Hügelreihcn aneinanderschlosscn. — Um die Südseite der mit einem niedrigen Wall und einem flachen Graben umgebenen Stadt herumgehend, betraten wir sie von Westen her nnd es wurde mir ziemlich in der Mitte derselben ein Quartier, alts zwei Thougemächern bestehend, angewiesen, in welchem ich alle meine Hab-seligkciten während meines längeren Aufenthalts sicher vor Feuersgefahr unterbringen konnte; denn kein Ort im ganzen ^udan ist so berüchtigt wegen der häufigen Feucrsbrünste, als gerade Sindcr. ------- 139 ------ Da Sinder, wenigstens was das alltägliche Leben der Stadt betrifft, von Herrn Nichardson ziemlich ausführlich beschrieben worden ist, so will ich das, was ich noch zu sagen habe, in wenige Worte zusammenfassen. — Die Lage wn Sindcr ist eigenthümlich und in> teressant. Eine große Frlsmassc erhebt sich innerhalb des Ningwallcs ans der Westseite des Stadtplans, während andere in ^ängenzügen sich rnnd um die Stadt her ausbreiten, so daß sich eine reichliche Wassermenge in geringer Tiefe unter der Oberfläche ansammelt und hier cine mannichfaltigere PflanzenWc erzeugt, als man sonst iu diesen Gegenden zu sehen gewohnt ist. Ans demselben Grund ist auch der Anlmn ein reichlicher, besonders von Tabal, nnd Mar ist es vor. züglich die Ostseite der Stadt, an welcher sich die Vändcrcien und Pflanzungen fiuden; Gruppen von Palmbänmcu erhöhen hier den 1 Muhmmg de« Swtthnltn«, v^'n Maltrnwrrl um' schlössen. 2 Hau« dc« Lchrns c! ?m östlicheu Bornu nicht zu haben ist; doch lassen die Wunden immer häßlich«? rothe Narben znrück. Der vor mir liegeude Weg, selbst die uächste Strecke, war keines- ------ 142 ------ Wegs sicher, da ich wiederum, und zwar diesmal mit einer wcrthvollen Habe, jene Grenzlandschaftcn zwischen dem Gebiet der unabhängigen Haussa - Völker und demjenigen der ihnen feindlich gegenüberstehenden Fulbe zu Passiren hatte; unglücklicherweise aber zog zur Zeit keine Karawane dieselbe Straße. Ich hatte die Wahl zwischen zwei Wegen; der eine führte über Gasana im Gebiete von Gober, welchen ich bereits im Januar 1851 ftassirt hatte, der andere, südlicher verlaufend, ging durch die Fnlbe-Provinz Danra. So sehr ich nnn auch wünschte, letzteren Ort besuchen zu tonnen, der die älteste Niederlassung des Haussa - Stammes zu sein scheint, so wählte ich doch auf den Rath kundiger ^eute die zum Theil mir schon betanute Strasse, weil der Statthalter vou Danra uuter dem Deckmantel seiner Amtsmacht ein gefährlicherer Räuber zu sein schien, als die freibeuterischen Tnarcg und Waldschützcn.' Souutag den 30. Januar verließ ich die Hauptstadt der westlich steu Provinz des Boruu-Neichs. Der Boden, auf welchem wir von Siuder aus uach Westen vorrückteu, war im Allgemeinen von derselben Beschaffenheit wie im Osten dieser Stadt, steinig oder sandig mit kleinen Felsziigen, hie nnd da anfspringcnden einzelnen Massen großer Granitblöcke nnd flachen Thalbildnngcn. Die Gegend bildete jedoch nicht etwa eine nnnnterbrochene sterile Oede, sondern zeigte an den geeigneten Stellen ausgedehnte Getreidefelder, Baumwollen- und Tabaks-bau, au feuchteru Oertlichkeiten hohcu Baumwuchs, an andern, minder begünstigten, kurzes Unterholz. — Die Straße war sehr belebt; wir begegueteu einheimischen Reisenden oder. Gesellschaften Asbcnauer Salz-Händler, von denen das Vand umher jetzt voll war, gerade nicht zur Erhöhung der Sicherheit, Eine Begegnung besonderer Art war eine große Abtheilnng Itastesan, begleitet von einem Trnftp von etwa zwölf wohlberittenen Reitern, welche ein Handwert trieben, das anch in dem Wohlgeordneten Enropa existirt und mit einem gewissen romantischen Reiz ausgestattet ist; es waren nämlich Schleichhändler, die sich zwischen den Grenzen von Daura und Katseua hiudurchschmuggelteu, um die von den Herren dieser Provinzen erhobenen Abgaben zu umgehen. — Neben dieser unsteten Bevölkerung erfreute sich der Bezirk auch einer nicht unbedeutenden Einwohnerzahl, die in festen Wohnsitzen angesiedelt war; größere nnd kleinere Dörfer, die zum Theil vou Tuareg bewohnt wurden, waren zahlreich auf unserm Wege uud natürlich stets nm einen oder mehrere Banme gruppirt. In einen: der von Tnarcg bewohnten Weiler sah ich zum ersten Mal während meiner Reisen im Neger^ ------- 143 ------- lande, daß das Wasser aus dem etwa 13 Faden tiefen Brunnen nicht, wie es überall gewöhnlich ist, nnr dnrch Menschenhände hrraufbeför-dert, sondern ein junger Stier dazu benutzt wurde, der in einem großen ledernen Schöpfeimer so viel Wasser auf einmal heraufzog, daß zwei Pferde damit getränkt werden konnten. Der Stier wurde von einem hübschen Amo-scharh ') - Mädchen geführt, dem ich für seine Mühe einen Spiegel schenkte, wofür es nicht verfehlte, mit einem leichten Kuix und einem sehr anmnthigcn „agaischeka" — „ich dante dir" — sich zu bedanken. Im ganzen Boruu-Reich besteht übrigens die ans dessen Blüthezeit sich herschreibende Sitte, daß die Pferde der Reisenden am Bruuueu das Vorrecht vor allen Cingcburnen sammt ihrem Vieh genießen. Am 1. Februar überschritten wir die Grenze von Boruu nach Tcssaua, etwa 8 — 9 Meilen von Sinder. Gleich daranf betraten wir ein Thal, das von einer großen Anzahl blühender Dumpalmen bestanden war;.denn dies ist ein im Gebiet von Tcssaua sehr häufig vorkommender Baum, welchen wir gewöhnlich in jedem Thal von einiger Tiefe fanden. — Nir mochten von Sindcr bis hierher etwa um 1(X) Fnß herabgestiegen sein, wiewohl das Abfallen des Bodens tcin regelmäßig andauerndcs war, sondern zuweilen dnrch ein Ansteigen nuterbrochen wnrde. — Am nächsten Tage passirtcn wir jene ^ager-stelle der Salzkarawane der Kel - owi, von wo ans ich vor zwei Jahren I)i'. Overweg in Tessana besuchte, iudem wir sie in geringer Entfcrunng zur Rechten liegen ließen, und lagerteu in eiucm fruchtbaren Thal, in welchem ich mit großem Interesse die ersten künstlichen Reisfelder bemerkte. Wir dürfen also hier, etwa unter dem K° O. L. v. Gr., die Ostgrenze der Neistnltnr aunchmen, die von hier aus westlich iu so großer Ausdehuung betrieben wird. Als wir am 3. Febrnar vor Gasana lagerten, stellte sich sogleich auch wieder der Sserti-n-Turaua, der Konsnl der Weißen, ein, dessen sich meine ^eser alls der früher voll ihm entworfenen Schil-dcrnng als des Mnsters eiues afrikanischen Stutzers erinnern werden. Der kleine Häuptling vou Gasana und seiue Vente schienen, nachdem sie von meiner Annähernng gehört hatten, sehr besorgt gewesen zu sein, ich möchte die Stadt vermeiden, nm nicht gezwungen zu sein, ihnen eil, Geschenk zu machen, was hier zn ttande die Stelle des Zolls vertritt. Er erinnerte mich daran, daß ich ihnen auf meinem ') Slngularform von Imo-scharh. ------ 144------ früheren Durchzug (—Dank dem Schutze des wackern alten Elcidji—) nichts gegeben hätte, und ich mußte mich daher wohl dazu entschließen, in die Stadt zu gcheu und einigen der Hauptpersonen außer meinem stutzerhaften Freunde ein Geschenk zu bringen. — Wir hatten nun noch das unsichere, mit dichtem Wald bedeckte, wasserlose Grenzgebiet zwischen Gasaua und Katsena vor uns, uud es war mir deshalb sehr lieb, daß zwei Abtheilungen der Snlzlarawane der i>lel-owi sich uns hier anschlössen. Nachdem wir einen hinreichenden Vorrath von Wasser eingenommen und unsere Feuerwaffen frisch geladen hatten, traten wir Morgens um 2Z Uhr unsern Marsch durch die gefährliche Wildniß au. Fast zwölf Stunden wanderten wir ohne Unterbrechung fürt, lagerten einige Meilen jenseits der melaucholischeu Stätte von Dantama und setzteu daun uusern Marsch wieder fort; so erreichten wir schon am Morgen des 5. Februar die wohlbekannten Brunnen von Katseua. Mit einem eigenthümlichen Gefühl und nicht ohne Sorgen schlug ich mein Zelt eiuige hundert Schritte von dem Thore derselben Stadt auf, deren Herr mich bei meinem erstcu Eintritt in dies Land so sehr gequält hatte. — Das Gerücht von meiucr Aukuuft verbreitete siel, sehr schnell, und bald erschienen einige Leute von der Sippschaft des Häuvtliugs Annnr, die mich als alten Bekannten begrüßten; dann folgten die Diener des Statthalters, uud es währte uicht lange, so stand auch meiu alter Quälgeist, der Tauater Mischling uud Sserti-n-Tnraua iu Katseua, Bel-Nhet, vor mir. Damals war es, als er mir auf meine Worte, daß ich gekommen sei, um mein vor zwei Jahren gegebenes Versprechen zu erfülleu uud dem Sultan vou Ssokoto, seinem Obcrhcrru, einen Besuch zu macheu, — um deu Hals fiel und nur kaum feiu Eutznckeu darüber, daß ich Wort gehalten habe, aussprccheu touutc. So durfte ich denu hoffen, meine Befürchtuugeu nicht iu Erfüllung gehen zu sehen, uud wirklich benahm er sich von diesem Augenblick au freuudlich und anständig, wiewohl er zu Zeiten Kleinigkeiten vou mir erbettelte uud mir allerdings keine sehr noble Behandlung von Seiten des Statthalters verschaffte. Ich blieb noch bis znm andern Morgen in dem Lager vor der Stadt uud bezog daun das für mich inzwischen eingerichtete Haus. Es War geräumig, aber alt und verfallen und so voll Erdameiscu, daß ich die größte Sorgfalt anwenden mußte, um uicht allciu meiu Gepäck, souderu auch die Kleidung, die ich am Leibe trug, vor diesen gefräßigen Thiereu zn schützen. Sie zerstörten sogar Alles, was an hölzerneu Pflöckeu au der Mauer aufgehängt war, wohin sie wunderbar ------- 145 ------ schnell ihre unterirdischen Gänge führten; ja, cs Mg selbst so weit, daß ich, als ich eines Tags eine oder ein Paar Stunden auf einer Thonbant in meinem Zimmer saß, beim Aufstehen ein großes ^och in meiner Tobe fand. Die geschickten und thätigen Grubenarbeiter hatten während der kurzen Zeit ihren Weg durch das Innere der Thonwände bis zu dem Platz gefunden, wo ich saß, demgemäß ihre bedeckten Gänge gebaut und mit ungeheuerer Gefräßigkeit mein Hemd angegriffen. Der excentrische Statthalter von Katsena empfing mich als einen alten Bekannten und mit unverstellter Zufriedenheit, als ich ihm zur Ucbcrreichung meiner Geschenke — unter denen sich auch ein Taschen-ftistol befand — meine Aufwartung machte. (5s gelang mir auch, ihn durch eine lange schmeichelhafte Anrede in eine gute Stimmung zu versetzen; als er aber Kenntniß davon erhielt, daß ich einen ziemlichen Borrath schätzenswerther Dinge bei mir führe, versuchte er Alles, um mich zu überreden, ihm das Beste und Zweckmäßigste davon zu verkaufen. Ich schnitt jede weitere Verhandlung mit der Versicherung ab, daß ich kein Kaufmann sei und daher auch nicht handele; dennoch sah ich mich genöthigt, im Verlauf meines Aufenthalts ihm eine zweite kleine Pistole zu geben, worauf er sich für das Paar ein Futteral machen ließ und cs beständig mit sich herumtrug. Er machte sich dann das fürstliche Vergnügen, alle Menschen damit in Schrecken zu setzen, indem er die blind geladenen Pistolen vor ihrem Gesicht abschoß. Unter dem Schutze dieses unzuverlässigen uud gewissenlosen Mannes und bei dem überaus unruhigen Zustand aller benachbarten Provinzen würde ich kann: im Stande gewesen sein, die Residenz des Emir el Mumenin zu erreichen; es war daher eiu günstiger Umstand für mich, daß der Ghaladima von Ssokuto gerade nach Katsena gekommen war. Dieser einfache, geradsinnigc Mann hatte als Inspektor der Provinzen von Katscna uud Sanfara den Tribut derselben von deren Statthaltern erhuben und wollte nun bald seine Rückreise antreten. Um zur rechten Zeit vollständig gerüstet zu sein und ihn zu begleiten, kaufte ich mir die zur Vervollständigung meines wandernden Waarenmagazms noch fehlenden Gegenstände hier in Katsena, anstatt, wie ich anfangs beabsichtigt hatte, zu diesem Zwecke einige meiner ^eute nach Kauo zu senden, wo die einheimischen Erzeugnisse ungleich billiger M haben sind. Später eintretende Umstände aber verzögerten unsere Abreise so sehr, daß ich diesen Plan recht gut hätte ausführen und so VaKh'a z««is«„. u. 10 » ------ 146 ------ eine große Summe ersparen können. Anch in Gando hätte ich, wie ich später erfuhr, einheimische baumwollene uud seidene Waaren zwanzig Prozent billiger kaufeu tonnen, obgleich während meines Aufenthalts in Katsena eine große Karawane mit 4-bis 500 Kameelen Kon Kaufleuten aus Ghadames nnd andern Städten im Norden angekommen war. — Meine Einlaufe bestanden in Turtedi's, jenen großen Tüchern, welche die gewöhnliche Bekleidung der Frauen bilden, indem sie dieselben in verschiedener Art um den Körper schlagen (— in Timbuktu, Arauan uud Umgegend bilden sie einen allgemein gültigen Artikel nnd werden zur Anfertigung der engen Hemden für die Männer benutzt —), baumwollenen uud seidenen Toben aus Kano uud Nupe, schwarzen Gesichtsshawls, einigen feinen Tuchbernuscu uud seidcucu Schwert-gehangen. Ferner versah ich mich mit Wasserschlänchen für die ganze Reise nnd großen gegerbten Rindshänten zum Schutz des Gepäcks gegcu Regen, denn keine Stadt im Sudan ist so berühmt wegen ihrer Gerbereieu als Katseua. Endlich laufte ich noch einen guten Burrath vou Katscua - Tabak, der Hon großer Güte sein soll — denn ich selbst bin kein Raucher — uud sogar in Timbuktu geschätzt wird, wo derselbe doch die Konkurrenz mit dem im Wadi Nun (nahe der Westküste uud südlich von Marokko, zwischen 28° nnd 29° N. Br.) gezogenen vortrefflichen Tabak auszuhalten hat. — Alle diese Einkäufe hatten einen Gesammtwerth von 1,308000 Muscheln ober beinahe 1000 preußischen Thalern. — Auch mit dem früher erwähnten Araber, welcher mir als Mäkler oder Zwischenhändler mit den Eingebornen dienen sollte, Namens Ali el Ageren, schloß ich einen festen Kontrakt und war so bald vollständig zur Abreise gerüstet. Ich wünschte um so dringender, daß wir ohne längere Verzögerung anfbrechcn möchten, weil am 26. Februar die deutlichsten Zeichen der heranuahendcu Regenzeit sich einstellten. Die ganze südliche Hälfte des Himmels war dicht mit Welten bedeckt, die ^uft enthielt sehr viel Feuchtigkeit und offenbar regnete es schon stark weiter im Süden, selbst in unserer unmittelbaren Nachbarschaft sielen einige Tropfen. Allein da das Heer der Goberaua, wie ich oben erwähnt habe, im Begriff stand, einen großen Kriegszng in das Gebiet der Fulbc zu unternehmen, konnten wir unser sicheres Quartier nicht eher verlassen, als bis wir genau wußten, welche Richtung das fciudliche H«r einschlagen würde. So verzögerte sich die Abreise von Woche zu Woche und ich fand Mnße gcung, in meiner gewohntcu Weise Nachrichten Über die zn besuchenden Bänder lind Völker einznzichcn. Außer einem ------ 147 ------ Gruder des Ghaladima war mir in dieser Hinsicht besonders ein Mann ans Tauat behülflich, Namens Abd c' Rahman, ein sehr liebenswürdiger, geselliger älterer Mann, der als Mi einen gewissen Grad von Gelehrsamkeit besaß. Bisweilen unterbrachen wir wohl auch unsere Unterhaltung über geographische, ethnographische und politische Gegenstände mit einem leichten, freundschaftlichen Angriff auf unsern gegenseitigen Glauben. Bei einer solchen Gelegenheit geschah es, daß mein gelehrter Freund sich crustlich bemühte, mich davon zu überzeugen, daß die Polygamie eine durchaus naturgemäße und gerechte Einrichtung sei; er führte unter seinen Beweisen sehr naiv an, daß wir uns in Hinsicht auf unsere tägliche Kost ja anch nicht auf eine einzige Schüssel beschränkten, sondern etwas vom Hnhn, ein Stückchen Fisch und etwas Braten nähmen; wie abgeschmackt sei es daher im Verkehr mit dem andern Geschlecht, sich auf eine einzige Frau zu beschränken! Außer dem Umgang mit meinen Freunden, den Verhandlungen mit dein Statthalter und meinen Spazierritten durch das weite Gebiet der inneren Stadt oder ihrer nächsten Umgebungen hatte ich viel zu thun, nm die von den Einwohnern an meine geringen medicinischen Kenntnisse gestellten Fordcrnngen zu befriedigen. Jeden Murgen ver sammelten sich zwischen 1. und 200 Patienten in meinem Hofe; auch kranke Thiere brachte man zu mir, unter andern einen völlig erblindeten Gaul. — Uebrigcns sammelte ich während dieses meines zweiten Aufenthalts in Katscna den größten Theil der Nachrichten, die ich schon früher in Aezng auf die Geschichte dieser Stadt und des Bandes Haussa mitgetheilt habe. Wenige Tage vor unserer Abreise drohte ein höchst unangenehmer Zwischcnfall alle meine Pläne zu zerstören. Der ^eser wird sich erinnern, daß die Expedition noch unter des Herrn Richardson Leitung eine bedcntcndc Schnld bei dein Kanfmann Mohammed e' Ssfaksi kontrahirt hatte. Ich hatte den Mann in Knkaua durch 200 harte Thaler (300 Thaler preuß.) baares Geld und einen Wechsel von 1500 Thalern (2250 Thaler preusi.) auf Fesan befriedigt; groß war daher mein Erstaunen und meine Entrüstung, als er sich Plötzlich hier in Katsena einfand mit einem Brief des Herrn Gagliuffi, des englifcheu Agenten in Mnrsut und Eompagnon Mohammed's, mit der Forderung, daß ich letzteren hier im Sudan bezahlen sollte. Wäre ich auf solchen Unsinn eingegangen, so hätte ich meine gesammte Habe hingeben und auf j>>dc weitrre Reise verzichten müssen; nur mit der größten Mühe 148 tonnte ich den Kaufmann abfertigen, und der Vorfall zerstörte fast meinen ganzen Kredit in der Stadt. — So sind es gerade die unverständigen und oft böswilligen Anordnungen derjenigen Männer, deren Hauptbestrcben die Unterstützung eines Reisenden sein sollte, welche ihn den ernstlichsten Widerwärtigkeiten aussetzen, und während er durch die Schnld jener im tiefsten Ungemach sich befindet, meinen seine Freunde zu Hause, daß er, mit Allem wohlvcrsehen, auf feiner schwierigen Laufbahn ohne Hinderniß vorwärts gehen könne. Endlich am 19. März erhielten wir sichere Nachrichten über die Bewegungen des feindlichen Heeres, nach denen wir es wagen konnten, die Reise anzutreten; der Aufbruch wurde also für den nächstfolgenden Tag festgesetzt. Plan von Kalsena. Maasisslab in Nautischen- Meilen 1 Haus, wo ich während meines ersten Aufenthaltes im Jahre I85l wohnte. 2 Haus im Quartiere Dola, wo ich 1853 wohnte. 3 Dci Sinsscre (Audienz-Hütte). 4 Palast de« Statthalters, k MarNp,av. « Alte Moschee. 7 Kosll-NtGuga. » Äofa«N'Vendulli. » Kofa-n-Keua. 10 Kosa-n.Gasubi. 11 Htofa c n«Kauill. 12 Kofa-n-Maru-ssa. I» Kofa»n - Duldu. 14 Kosa Ein Quelldach. 15 Ehemaliger Lagerplatz de« Air,. Fünftes Kapitel. Reise uon Uatsena nach Muruo. — Politische Nedeutunn der «fullie. ÄuseiltljaN i>l Wurno und 8sokoto. Die ganze Stadt war in Bewegung, als wir uns Montag den 21. März auf den Weg begaben. Der Statthalter selbst wollte uns einige Tagemärsche weit begleiten und uns dann weiterhin eine zahlreiche Estorte mitgeben. Es war ein schöner Morgen, und obgleich die Regenzeit für diese Gegenden noch nicht begonnen hatte, waren doch schon viele Bäume mit jungem Laube bedeckt, gleichsam als hätten sie die befruchtende Macht des naheudcn Troftenfrühlings vorausempfunden. Es ist dies die Folge der schon vor Beginn der Niederschlage mit Wasserkünsten gesättigten Luft. Um das feindliche Heer der Goberaua zu vermeiden, sahen wir uns gezwungen, für die ersten drei Tagcmärsche uns südwärts zu halten. Die Landschaften, die wir auf diesem großen Umwege von unserer eigentlichen Route, der westlichen, durchzogen, waren im Allgemeinen sehr anmuthig und wohlgeeiguct, einen hohen Begriff von der Fruchtbarkeit, Schönheit und dem Voltsreichthum des Landes zu geben. Die ausgedehnten Felder zeigten zum Theil neue Kulturen; Tabak, von dem ich zu meiner großen Verwunderung im Mussgu-Lande allerdings ganze Felder gesehen hatte, während man ihn in Bornu kaum jemals, außer in Sindcr, findet, ward hier in ausgedehnten Pflanzungen gebaut; ferner bemerkte ich Brodwnrzcln oder Jams ^ „goasa"—, die ebenfalls im Mittel-Sudan gar nicht gezogen werden; süße Kartoffeln oder Bataten — ,,dankali" — füllten weite Felder, neben bedeutenden Baumwollen- uud Indigopflanzungcn. Zahlreiche schöne Hcerden weideten überall und die Flora der größcrn Bäume war sehr mannichfaltig und reich. Der häufigste Baum in der Provinz Katscna ist die Doroa (?arlua) mit spärlichem akazicn-artigem Laube und zur Zeit geschmückt mit herrlichen, purpurfarbenen Blüthen, die in laugen Büscheln von den Zweigen herabhingen, ____ 1H0 ____ So erreichten wir am dritten Reisetage, nachdem wir einen drei Stunden breiten, dichten Wald hinter nus hatten, die mnwallte Stadt Kuraje. Sie war vou ansehnlicher Größe nnd zählte etwa 6- bis 7000 Einwohner, enthielt aber keine Thonwohnungen; die Mauer war im besten Zustand und mit Schießscharten wohlversehen. - - Unser Seiten> marsch nach Suden hatte hier sein Ende erreicht, denn die beiden folgenden Tage verfolgten wir eine im Allgemeinen westliche Richtung. Die Landschaft jenseits der Stadt übertraf beinahe an Schönheit noch diejenige, welche wir so ebcu verlassen hatten; besonders erhob sich hier der Äentangbaum s^i-iodonäi-on (^mnoonkn) in der ganzen Fülle seines majestätischen Wuchses neben der Parkia, dem Vutterbanm, der Sykomorc und anderen bedeutenden Vertretern des Pflanzenreichs. Der stattliche Baumwuchs erinnerte uns daran, daß wir jetzt das dichte nnd ausgedehnte Netz vou Wasseradern betraten, welche den obern ^auf des Gulbi - n - Sfokuto bilden. Bald passirtm wir mehrere zu jenem Netz gehörige kleine Rinnsale, welche den leicht gewellten, hie und da mit Granitblöckcn bedeckten Boden durchschnitten, gegenwärtig aber ohne Wasser waren. Eines der größeren enthielt mehrere Brunnen, die schon in geringer Tiefe einen ansehnlichen Wasservorrath zeigten, und es war längs seiner Ränder anmnthig mit Delebpalmen geschmückt. Ueber dieses Terrain zog die bunt zusammengesetzte Schaar dahin, welche namentlich dnrch die zahlreichen Reitertrupps, die uns begleiteten, belebt wurde; denn unsere Eskorte mochte aus ungefähr M) Pferden bestehen. Uuter diescu Reitern zeichnete sich nameutlich der phautastisch aufgeputzte Trupp des Ghaladima aus, deren Anzug dem des stutzerhaften Sscrt'i-n-turaua von Gasaua ähnlich war. Unter den Pferden gab es schöne, starke Thiere, doch standen sie den Bornn-Pferden an Höhe des Wuchses nach. So erreichten wir die erst vor mchrereu Jahren gegründete und ans den Resteu der Einwohnerschaft auderer vom Feinde zerstörter Ortschaften bevölkerte Stadt «urrefi oder Kulfi von tt- bis !»<»00 Einwohueru. Wir wareu nicht wenig erstauut über die ausgedehnten Befestigungswerke dieser Stadt, die in einem großen Vorwerk und einer dreifachen, durch Gräbcu gelreuuteu Mauer bestanden, wie die nachstehende Skizze zeigt. Eine so sorgfältige Befestigung wnrde vollständig durch den Zu-staud gerade derjeuigen Bezirke gerechtfertigt, die wir jetzt durchzogen; denn diese bilden ganz vorzugsweise den Tummelplatz der immer sich Wiederholenden Kämpfe zwischen dcu heidnischen Gobcraua und den 151 1 AeuhereiEinssllNss, in einarohe« längliches Piereck führend, da« von «inem doppelten Graben umgeben ist und drei Hütten für Wächter enthält, 2 Zweiter Eingang, aus diesem Nuhenwert über den äußeren, die Stadt umgebenden Winden führend. 3 Thor, das von hier in den vorspringenden Winlel der Mauer führt, von wo ein zwritls Thoi sich nach der Stadt öffnet. 4 Granithöben im Inneren dci Stadt, d Aeußere Gräben der Stadt. « Mein Laaciplah, ? Granitböbe außerhalb der Stadt. 8 Offene Weibegmnhe mit einzelnen Bäumen. mohammedanischen Fulbe. Trotz der Nähe dcr Feinde zog ich es dennoch im Vertrauen auf meine Feuerwaffen und meiuc Wachsamkeit vor, außerhalb dcr Stadt zu lagern, ein Verfahren, welches ich ans Furcht vor Feucrsbrünstcn auch in dem weitcrn Verlanf dcr Reise fast immer beobachtete. Ich konnte in der That nicht mehr so sorglos wie in den Tagen meiner Armuth das Vand dnrchstreifen, und mancher Reisende in diesen Bändern hat durch Feuer seine ganze Habe und somit auch die Mittel zum weiter« Vordringen eingebüßt. Als ich am andern Morgen mein Pferd bestieg, trat plötzlich ein Pullo au mich heran nnd übergab mir ciuen Brief mit dcr Bitte, denselben einem seiner Verwandten in Timbuktu einzuhändigen. Dieser au sich geringfügige Umstand machte nur als ein Beweis großen Ver-trnneus viel Freude und erfüllte mich mit einem gewissen Gefühl der Sicherheit und des Erfolges. Ucberhauftt geschah der Aufbruch in einer gauz gemüthlichen und heitern Weise; denn die Einwohner von Kurrcfi hatten ihre Musilbande hcrausgeschickt, uns eiuen Abschiedsmarsch zu spielen, und unsere Reiterschaaren drängten in ihrem malerischen Anfzng mnntrr vorwärts. — Der Pfad wand sich zwischen Grcmithügclu hin, welche auf allen Seiten die Fläche unterbrachen, während Gruppen von Delcb- und Dnmpalmen mit ihrer fächerartigen Belanbung die ganze Scene überragten. — Wir pasfirten dic —__ 152 ------ Stätten mehrerer erst in neuerer Zeit verlassener Ortschaften, und wenn kleine Viehheerden, die sich weiterhin sehen ließen, auch ein Zeichen waren, daß die Gegend nicht ganz verlassen sei, bewiesen doch eben jene Ruinen nnd der nnr stellenweise betriebene Ackerban den zerstörenden Einfluß des lange anhaltenden Kricgsznstandes. Erst in der Nähe der ansehnlichen Stadt Sckla ward die Gegend ebener, uffener, niid ununterbrochener Anbau bedeckte das Land, dem zahlreiche Biehheerden Vcbcn verliehen. Nicht ohne Mühe fanden wir uns auch hier durch die vielen Gräben hindurch, welche wie cm Netz von den Stadtmauern aus-liefen, nnd lagerten mtter ein daar großen Doroabäumcn. —> Jenseits Setka hatten wir zunächst einen jener wenig oder gar nicht besiedelten, mit dichter Waldung bedeckten Landstriche zu ftassiren, wie ich sie nun schon mehrmals zu durchwandern hatte nnd beschrieben habe. Dieser Wald nmßte nicht nur iu einem angestrengten Marsche durchzogen werden, sondern konnte auch ernste Gefahr von Seiten der feindseligen Guberana für n»ö bergen. Es verließen uns daher hier vor Setka der grüßte Theil jener Händler, die sich uns nach und nach angeschlossen hatten, uud auch der Herr von Katscna blieb zurück und hielt es für genügend, uns eine Eskorte von 50 Reitern mitzugeben; den übrigen Theil der bnuten Nciterschaaren behielt er nm seine Person. Auch mein eigenes Gefolge ward hier um eine Person vermindert, indem es dem arglistigen Herrn von Katsena gelang, den Fcrdjaner Araber, den ich für die Hin- und Rückreise fest cngagirt hatte, mir abspcüstig zu machen. Ich hätte den Mann gern behalten, da er mir — vorausgesetzt, daß er sich treu erwiesen hätte — als ein erfahrener Krieger nnd rüstiger Streiter bei meinem gefährlichen Zuge vou großem Nutzen sein konnte. Er war an Strapazen aller Art gewöhnt, hatte eine Zeit lang unter den Uölad Ssliman gelebt und vorher Ibrahim Pascha's von Aegyvten Feldzug iu Syricu uud eine Ervedition nach Kordofau mitgemacht. Ncbrigcns bewies er in der Folge dieselbe Treulosigkeit, die er gegen mich gezeigt hatte, auch gegen seinen neuen Herrn; oenu kaum hatte ihn dieser gilt beritten gemacht und mit einem schönen Bernus betleidet, als er sich auf dem Wege nach Sinder davon machte und in sein Vaterland zurückkehrte. Wir blieben noch den ganzen Vormittag des 26. März vor Sekka liegen, ehe wir zu nnscrm beschwerlichen Marsch aufbrachen. Eine Stnnde westlich von der Stadt durchzogen wir ein großes Rinnsal, das gegenwärtig nur einige Brunnen, aber kein fließendes Wasser ------ 153 ------ enthielt. Es ist entschieden dasselbe, welches, mit demjenigen vereinigt, das wir zwischen K'urajc und Kurrcfi überschritten hatten, weiter unten bei Bunka und Syrmi von uns Pasfirt wurde, und bildet somit einen südlichen Zufluß im oberen sslußsystem des Gulbi-n-Ssototu. Der in vielen Stücken so verdienstvolle Clappcrton und nach ihm andere Geographen uauutcn es „Quoramma", sein wirtlicher Name aber ist „Medjidi"; denn „quoramma" oder vielmehr „toramma" bezeichnet einfach jedes kleinere Rinnsal. Uebcrhaupt leidet Clapftcrton's Darstellung der hydrographischen Verhältnisse dieser Gegenden an Nn-genauigteit und er scheint namentlich anßer Acht gelassen zu haben, daß südlich von Katscua sich eine, wenn auch flache, Wasserscheide hinzieht in der Art, daß alle die kleinen, die Straße von Katsena nach Kano dnrchschncidcnden Rinnsale einen entschieden östlichen Verlauf nehmen, mithin dein Stromsystcm des Tsad angehören. Nachdem wir an den Brunnen der Koramma uusere Schläuche gefüllt, begann der Marsch durch den gefürchtetcn Wald. Ich bildete anfangs dir Spitze des Zugs, indessen wußte der Ghaladima durch ein geschicktes Manövrc die Seinigcu in das Vordertrcffeu zu bringen, so daß ich mit meinem Gefolge als Nachhut den Rücken decken mußte. Nach einem Wege don sechs Stunden erreichten wir eine muldcn-artige, fruchtbare Thalcinsentung, in welcher noch vor drei Jahren eine seitdem zerstörte Stadt lag. Schon war es bald Mitternacht und dieser Ort daher zu einer Rast von einigen Stunden ansersehen, als unsere Gefährten die frischen Spuren der Gobcraua entdeckten, die erst vor wenigen Stunden hier gelagert haben mochten. Diese Entdeckung verscheuchte jeden Gedanken an Ruhe bei meinen Begleitern nnd der Marsch wnrde eiligst fortgesetzt. Rastlos und vorsichtig ging cS vorwärts, nnd nachdem wir die ganze Nacht hindurch bis zu gänzlicher Erschöpfung marschirt waren, traten wir beim Anbruch deS Morgens in eine offene, angebaute Landschaft hinaus und erreichten jenseits eines ansehnlich breiten Wasserbettes die bedeutende Stadt Bunka. Ich lagerte bei einer aus mehreren Hüttcngruppen bestehenden Vorstadt, deren Einwohner nicht ohne Gcwerbfteiß waren; sie boten uns nnter Auderm auch gntc Stricke zum Verkauf an, einen hier sehr scltcuen und Reisenden sehr erwünschten Artikel. Die alls dem Dnm-»rstrüpp gefertigten Stricke halten nur wenige Tage, dagegen vcr-derbe,, die auS Rindshant gedrehten, die sonst überaus trefflich sind, in der uasscn Jahreszeit auch sehr bald. — Die Stadt war zwar nicht ------ 154 ------ groß, aber dicht bevölkert, denn sie mochte etwa 5000 Einwohner zählen, nnter denen sich viele Einwanderer ans Asfben befanden. Wir hatten jetzt dic Provinz Katsena hinter nns und bereits die von Scmfara betreten. Nnr etwa ^ Stunden von Bunta liegt die bedeutende Stadt Sürmi mit ungefähr 12,000 Umwohnern, die noch zlt Kapitän Clappcrton's Zeiten die Hauptstadt von ganz Sanfara War; gegenwärtig aber ist die Macht des Statthalters bedeutend vermindert, indem es die Politit der Fulbe ist, den Herren ummauerter Städte tcin zu ausgedehntes Gebiet zu überlassen, damit nicht etwa der Abfall cines einzigen Mannes den ciucr ganzen Provinz zur Folge habe. — Wir zogen an der Südseite der Stadt entlang, gingen über das von Bunka kommende Rinnsal nnd zogcn dann ill nordwestlicher Richtung, die wir im Allgemeinen seit Scfka eingehalten hatten, nach Dutschi. Im Anfange führte der Pfad über so wohl angebantes Land nnd an so behaglichen Wohnstättcn vorüber, daß man vergessen tonnte, in einem Lande ewiger Fehden und Kriege zu sein; dann ward der Boden ranher nnd Dutschi selbst (— der Name an und für sich bedeutet schon „FelS"—) lag romantisch in einzelnen Gruppen zwischen einem wahren Labyrinth von Fclsmassen, durch welche ein wohlauögrprägtes Rinnsal sich hindnrchschlängelte. — Diesen felsigen Charakter zeigte das Land ringsumher und erst in der Mhe der ein Paar Stunden von hier entfernten Stadt Ssabo-n-birm ward die Gegend wieder offener, reicher an Bäumen uud an Allbau. Auf der Westseite war diese Stadt voll einer Koramma begrenzt, die ein stehendes Wasser von bedeutender Ausdehnung enthielt. Von Ssabo-n-birni erreichten wir die ebenfalls nur einige Sinn-den entfernte Stadt Badaraua von 8-bis 10,000 Einwohnern. Der Pfad dahin wurde von Lcuteu belebt, die dorthin zu Martto zogen und meistens große Lasten Baumwolle von schneeiger Weiße und anscheinend sehr guter Beschaffeuheit auf dem Kopfe trugen. Inmitten einer dichten Masse von Bäumen außerhalb der Mauer fanden wir deun auch einen sehr belebten Markt; or wimmelte von Leuten, so daß ich wohl glaube, die Zahl der Besucher auf 10,000 schätzen zu tönnm. Den Hauptartitel bildete Baumwolle, die gegenwärtig in der Provinz Sanfara in großer Ausdehnung gebaut wird, wie dies nach Leo's Zeugniß bereits im Anfange des 16. Jahrhunderts der Fall war. Danebm gab es auch indische Hirse (8m^num) im Ueberfluß, aber nur sehr wenig Negcrhirse (I^imi8«wm t^imiäoum). Viel Vieh wurde ebenfalls auf dem Martte geschlachtet und das Fleisch in kleinen ------ 155 ------ Portionen vorlauft; auch ein hübscher Vorrath vou frischer Butter war da. Dicse war nicht, wie mm, es sonst im Sudan sieht, in flüssigem Zu. stand und in schmutzigen ledernen Gesäßen bewahrt, sondern reinlich zubereitet und zu großen Kugeln geformt, welche in hölzernen, mit Wasser gefüllten Schüsseln schwammen. Au Zwiebeln fehlte es ebenfalls nicht, da dieselben in der Provinz Eanfara in Menge gebaut werden. Hier bei Vadaraua lagcu die Zwiebclgärten um einen wohl eine halbe Vtrile langen, selbst damals noch (furz vor der Regenzeit) mit Wasser gefüllten Teich, dessen näckistc Umgebung vou großer Fruchtbarkeit zu sein schien. — Die leiblichen Genüsse, welche die Delikatessen des Marktes boten, konnten mir aber leider zur Zeit nichts nützen, da ich an heftigem Kopfweh litt und zn meiner gewöhnlichen Kur — Fasten, außer dem Genuß eines Tamarindenaufgusses — greifen mußte. Abermals war die Zeit gekommen, in welcher die Vorbereitungen zum Bestellen der Felder nach den ersten erweichenden Regengüssen, denen man nun täglich entgegensehen konnte, begonnen werden mußten. Kleine Regenschauer hatten bereits daran gemahnt, und so sahen wir denn ans dem Wcitermarsch von Badarana die Bewohner eincS Weilers in voller Thätigkeit auf ihvcn Federn. Bei einem andern Dorfe bemerkte ich zum ersten Male ciuen „rudu"; es ist dies eine Art leichter Hütte, die auf vier 8 bis 10 Fuß hohen Pfosteu ruht und nur zum Schlafen benutzt wird. Die Bewohner müssen durch diese erhöhten Schlafkammern ihre nächtliche Nuhe vor den Mückenschwärmen schützen, welche die Landschaften an den Zuflüssen und Hinterwasscrn des Niger heimsuchen und nun auch für uns eine ständige nächtliche Plage wurden. Die beistehende Abbildung wird dem Leser cine deutliche Porstellung vou einem solchen Nudu geben; der Eingang wird durch eine dichte Matte geschlossen. So erreichten wir Ssanssanne Aissa, etwa drei Meilen von Ba-daraua. Ursprünglich war hier, wie der Name „Ssanssannc" besagt, nur ein befestigtes ?ager; allein die erponirte Lage gegen Gober und Maradi machte es nöthig, daß der Platz erweitert mid in den Stand !^srtzt werde, im Falle der Noth mit cigcncu Mitteln den, Feinde widerstehen zu könneu. So entstand hier eine bedeutende Stadt, die jctzt einer der wichtigste« Posten der Fulbc gegen die heidnischen ____ 156 ____ Haussa-Staaten ist. Vielleicht hing es mit dem Werth, welchen diese Position in den Augen der Fulbc hatte, zusammen, daß der Statthalter keine geringere Person war, als Ali Karami, der älteste Sohn und wahrscheinliche Nachfolger Aliu's, des gegenwärtigen Emir el Mmncnin oder Herrschers der Fulbe. Er führte den etwas anmaßenden Titel ,.Sserki-n-Gober" — Herr von Gober —, obgleich dieses Land noch fast ganz in den Händen der angestammten Besitzer, seiner erbittertsten Feinde, ist. Ali Karami sandte einen Boten in mein kleines Lager, welches ich vor der Stadt aufgeschlagen hatte, mich zu begrüßen, und bald darauf brachte man mir auch in seinem Namen ein fettes Schaaf. Ich machte ihm ein Gegengeschenk mit einem feinen arabischen Bernus, einer rothen Mütze und einem Turban, woranf er mir noch Korn für mein Pferd und ein halbes Dutzend Hühner schickte. Donnerstag den 31. März hatten wir abermals einen äußerst beschwerlichen Tagemarsch vor uus — die Passage der waldigen Wild-niß von Gundumi. Diese gefährliche Waldung dehnt sich Westlich von Ssanssannc Aissa etwa zwölf deutsche Meilen weit aus und kann nur in einem forcirten Marsche durchzogen werden. Ohne Rast verfolgten wir unsern Marsch durch den dichten Wald den ganzen Tag und die folgende Nacht; erst gegen 11 Uhr am Vormittag des 1. April trafen wir wieder auf die ersten Spuren von Anbau in der Nähe des Dorfes Gauassu. Von dort kamen uns Reiter entgegen, die man wohlversehen mit Wasserschläuchen ausgeschickt hatte, um die Nachzügler unserer Truppe einzubringen. In der That gab es Manche, die ihres Beistandes bedurften; dcuu obgleich der Bewohner Afrika's ein ungeheueres Maaß von Strapazen zu ertragen vermag, wenn er sein Gemüth durch belebenden Gesang erfrischen kann, so erliegt er gerade leicht auf solchen gefährlichen Märschen, wo des lauernden Feindes wegen die tiefste Stille geboten ist. — Noch hatten wir eine starte Stunde zu marschiren, bis wir endlich das genannte Dorf erreichten, welches seinen Namen von den es umgebenden Gauassu - Bäumen erhalten hat, die man hier von Osten her zuerst antrifft. Für mich hatte der Ort zur Zeit eine große Wichtigkeit; denn hier sollte ich mit dem Herrscher des mächtigen östlichen Fulbc-Reichs Aliu, dem Emir el Mumenin (d. i. Beherrscher der Gläubigen) zusammentreffen, der in der Nähe des Dorfes mit einem Heere lagerte, um gegen die Goberaua zu Felde zu ziehen. Wir waren 26 Stunden ohne Halt marschirt; in einem Zustand völliger Erschöpfung warfen sich meine Leute, kaum angekommen, zn ------ 157 ------ Boden. Mich selbst ließ die Aufregung, welche ich bei dem Gedanken empfand, in wenigen Stunden dem Emir gegenüberzustehen, von dessen Aufnahme und gutem Willen das fernere Loos meines Unternehmens abhing, die Ermüdung weniger empfinden. Ich musterte ungesäumt mein ganzes Gepäck, um ein würdiges Geschenk für den Herrscher der Gläubigen auszusuchen; allein der Nachmittag verging, ohne daß ich zu ihm entboten wurde. Ich sollte vor meiner Audienz einen Beweis seiner Gastlichkeit empfangen, denn nach dem Abendgebet stellte sich ganz unerwartet Alhattu, der jüngere Bruder des Ghaladima von Ssototo, ein, und brachte mir in des Emirs Namen einen fetten Ochsen, vier fette Schaafe und zwei große Strohsäcke mit 400 Pfund Reis — gewiß ein fürstliches Geschenk. Zugleich sagte er mir, daß Aliu mich zu sehen wünsche, doch sollte ich die Geschenke noch nicht mitbringen. Des Emirs Quartier war im nördlichen Theile des Dorfes nnd wir fanden ihn daselbst auf einer unter einem Baume befindlichen Thonbank sitzend. Er empfing mich mit großer Freundlichkeit, indem er mir die Haüd schüttelte und mich bat, ihm gegenüber Platz zu nehmen. Darauf stattete ich ihm im Namen der Königin von England meinen Gruß ab und sagte, daß es schon dor zwei Jahren meine Absicht gewesen wäre, ihm einen Besuch zu machen, aber die von uus auf dem ersten Theile unserer Reise erlittenen Verluste hätten mich bis jetzt verhindert, meinen Plan auszuführen. Ich hatte kaum meine Rede beendet, als er selbst mich versicherte, daß er den Brief, den ich ihm durch Vermittelung des Sultans von Agades zugeschickt hätte, zu rechter Zeit erhalten und daraus den Grund erfahren habe, wodurch wir damals verhindert gewesen wären, ihm unseren Besuch zu machen. Von jener Zeit an bis zum gegenwärtigen Augenblicke habe er den Gang unserer Mission und besonders meine eigenen Schritte mit dem größten Interesse verfolgt, wie er denn auch von meiner Reise nach Adamaua gehört habe. Ich kündigte ihm dann an, daß ich bei meinem Besuche böi ihm vorzüglich zwei Zwecke verfolge: der eine bestehe darin, ihn um einen Freibrief zu bitten, der allen englischen Kaufleuten bei einem Besuche seines Gebietes in Handclszweckcn volle Sicherheit für ihre Person und ihr Eigenthum gewähre; dann sei es mein dringender Wunsch, daß er mir erlauben möge, meine Reise nach Timbuktu fortzusetzen, und mir dieselbe, welche zur Zeit durch den Aufstand der Provinz Kebbi sehr erschwert würde, vermittelst feines weit reichenden Einflusses ------ 158 ------ nach Kräften erleichtere. Ohne Rückhalt und in der wohlwollendsten Weise willfahrte er meinen beiden Gcsnchen, indem er erklärte, daß sein größtes Vergnügen darin bestehen würde, mich mit allen Kräften in meinem Unternehmen zu unterstützen, da es blos menschenfreundliche Zwecke verfolge und nur dazu dienen tonne, weit von einander lebende Nationen einander näher zn rücken. Während er dieser höchst ermuthigenden Anschauung Worte gab, drückte er zugleich in sehr gemüthvoller Weise sciu Bedauern darüber ans, daß Abd - Allah (Kapitän Clapvcrton), dessen Namen ich beiläufig erwähnt hatte, auf seiner zweiten Reise gerade zu einer Zeit zu ihnen gekommen sei, wo zwischen Bello uud dem Scheich el Kanemi, dem Herrscher von Bornu, ein Kriegszustaud bestanden und so ihr freundliches Verhältniß mit dem ausgezeichneten Offizier gestört habe; unter solchen Verhältnissen hätte man ihm unmöglich gestatten können, seine Botschaft an ihre Feinde ausznrichtcn. Ich nahm mir die Freiheit, ihn bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam zu machen, daß eigentlich in Bezug auf fremde Besucher ober Boten solche Politische Zustände nie zu Rathe gezogen werden sollten, und wies anf das Beispiel des Scheich Omar von Bornn hin, der mir ohne Schwierigkeit die Reise zu den ihm feindlich gegenüberstehenden Fulbe erlaubt habe. Der Emir beschloß dann unser Gespräch, indem er mich versicherte, daß ich ihm herzlich willkommen sei, und indem er mich über das Schicksal Clapper-ton's zu beruhigen suchte. Mit sehr erleichterten: Herzen kehrte ich von dieser wichtigen Unterredung nach meinem Zelte zurück. Dichtes Gewölk verfinsterte den abendlichen Himmel uud unaufhörlich rollte der Donner, die Annäherung der Regenzeit verkündend; dazn leuchteten die zahlreichen Feuer des ringsumher lagernden Fulbe-Heeres hell durch das Dunkel des Abends, so daß die ganze Scene einen eigenthümlich feierlichen Charakter erhielt und mir diesen bedeutungsvollen Abend tief in meine Seele prägte. Am andern Morgen machte ich mich anf, dem Emir meine Geschenke zn überbringen. Sie bestanden in einem Paar reich mit Silber ausgelegter Pistolen iu sammtenen Halftern; einem prächtigen Bernus mit Kapuze, von rothem Atlas uud mit gelbem Atlas gefüttert; einem Bcrnus von gelbem und einem andern von braunem Tnch; eiuem weißen Helali-Bcrnns (ans Baumwolle und Seide gewebt) von feinster Dualität; einem rothe» Tuchtaftan mit Goldstickerei, einem Paar rother Tnchhosen; eiuem türkischen Teppich, drei Tmbaneu und einer rothen ------ 159 ------ Mütze, einigen Nasirmessern und Spiegeln, drei Hüten Zucker, endlich einer Quantität Netten und Weihrauch. Mit diesen Sachen und cinm» entsprechenden Geschenk für den Ghaladima begab ich mich erst zu diesem und in seiner Bcgleitnng zum Emir. Wir fanden ihn in einem ans Ruhr gebauten Gemach auf einem aus leichtem Holz verfertigten Ruhebett; erst jetzt erhielt ich ein genaues Bild des Häuptlings, da es am Abeud vorher schou zu duutel gewesen war, um seine Züge dentlich erkennen zu tonnen. Ich fand einen untersetzten Mann von mittlerer Größe mit einem runden, vollen Gesicht, welches eher die Züge seiner Mutter, einer Haussa - Sklavin, als die seines Vaters, eitles ächten Pullo, wiedergeben mochte. Auch seine Kleidung war überaus einfach und legte Zeuguiß davon ab, daß er den ächten Pullo (iharattcr eiuigermaaßcn aufgegeben hatte; sie bestaud fast nnr in einem Hemd von grauer Farbe. Auch sein Gesicht war unvcrhüllt, während sein Vater wenigstens vor Fremden nie mit unbedecktem Gesicht zu erscheinen Pflegte. Er empfing mich auch diesmal mit derselben ausgezeichneten Frenndlichteit, die er am verflossenen Abend gezeigt hatte, weigerte sich aber auf das Bestimmteste, mir die Fort^ setzung meiner Reise zu erlauben, ehe er von seinem Heereszug zurückgekommen Ware; den Freibrief versprach er vor seinem Anfbruch auszufertigen. Dann besah er mit wiederholten Aenßeruugcu der Freude die Geschenke; als er aber die Pistolen erblickte, die ich wohlweislich bis zuletzt zurückbehalten hatte, drückte er wiederholt meine Hände nnd rief aus: „Nagode, nagode, barka, Abd-el-ilcrim, barta!" — „meinen besten Dank, Abd-el-zicrim, Gott segne Dich!" — Offenbar hatte er nie znvor etwas AehnlicheS gesehen. Wohlbekannt mit der Etiquette afrikanischer Höfe versuchte ich gegen die Forderung, bis zu seiuer Rückkehr zu warteu, keinen Ein-sprnch, nnd tannl war ich in meiu Zelt zurückgekehrt, so erschien der Ghaladima und überreichte mir im Namen seines Herrn 1W,()M Kurdi (etwa 60 Thlr. pr. Eour.), um damit während seiner Abwesenheit meinen Hanshalt zu bestreiten. Auch den Freibrief empfing ich zur rechten Zeit, obgleich das erste Exemplar wegen uugcuügeuder Fassung zurückgcgebcu werden mußte. — Am 3. April nahm ich nnter den herzlichsten Wünschen für einen glücklichen Erfolg seines Kriegszugs — von welchem zum großen Theil der Fortgang meines eigenen Unter-nchmeus abhing — Abschied von den: Tultau, uud nachdem dieser wit soiucm Heere sich entfernt hatte, konnte auch ich au dem nun durch Räuber uud wilde Thiere doppelt unsicheren Ort nicht länger bleiben. — 160 ------ Ich zog daher noch an demselben Tage nach dem nur zwei Meilen entfernten Wurnu, der gewöhnlichen Residenz Aliu's; der kurze Marsch wurde jedoch durch die von Letzterem mir gegebenen reichen Vorräthe außerordentlich beschwert. Es war schon Nacht, als wir ankamen, und nicht ohne große Mühe nahmen wir von dem uns bestimmten Quartier im Hause des Ghaladima's Besitz. Ehe ich nun auf die Einzelheiten meines Aufenthalts in Wurno eingehe, halte ich es für Passend, dem Leser eine kurze Beschreibung von dem Wachsthum der Macht der Fulbe und dem gegenwärtigen Zustand des Reichs Ssototo zu geben. Es kann keinem Zweifel unterworfen sein, daß, wenn irgend ein afrikanischer Stamm die volle Aufmerksamkeit eines gelehrten Europäers verdient, dieses der Stamm der Fulbe ') ist; deun sowohl in seiner ganzen Erscheinung, als auch in seiner Geschichte und dem besonderen Charakter seiner Sprache bietet dieser Stamm im Vergleich mit den Bewohnern der umliegenden Länder zahlreiche merkwürdige Anomalien dar. Was die geistigen Eigenthümlichkeiten der Fulbe betrifft, so glaube ich behaupten zu dürfen, daß dieser Stamm der intelligenteste aller mittel-afritamschen Stämme ist; denn zu dieser Gruppe müssen wir sie jetzt den Sitzen nach, die sie eingenommen haben, zählen. In Hinsicht auf Körperbildung im Allgemeinen mögen andere Völkerschaften ihnen voranstehen, so namentlich im Westen des Sudans die Djoloffen in Senegambien; allein das Gesicht des Pullo wird sich immer durch die ausdrucksvolleren Züge auszeichnen, eine Folge seines größeren Verstandes, welcher es auch verhindert, daß seine Gesichtszüge jene Gleichmäßigkeit annehmen, die wir bei andern Stammen finden. Im Allgemeinen kennzeichnen kleine Züge, kleine und schlanke Extremitäten und ein schmächtiger, mittelgroßer Körperbau, so wie eine gelbröthliche oder kupferige Hautfarbe den Pullo. Hierbon bieten allerdings die verfchiedenen Abtheilungen der Fulbc-Nation in dem weiten Ländergebiet, welches dieselbe gegenwärtig einnimmt, bedeutende Abweichungen dar, die daraus zu erklären sind, daß die Fulbe als ein erobernder Stamm, der sich über einen so weiten Länderstrich ausgedehnt hat, mannichfaltige und gänzlich verschiedene nationale Elemente in sich aufgenommen haben. Je nach dem numerischen Mischungs- ') „Fulbe" ist die Plnralform des Singular« „Pullo" oder „Pulo". Die Manding» nenuen die Fulbe „Fula", die Hausscma „Fellcmi" (Singular „Va-fellantschi"), die Kanori „Fellata" und die Araber „Fullan". __ Ißi __ Verhältniß nun hat entweder das Fulbe- oder das fremde Element in der entstandenen Mischliugsrasse überwogen und Nuancen der äußern Erscheinung, namentlich in der Hautfarbe, hervorgebracht. Auf der andern Seite aber ist diese Mischuug wieder eine so innige geworden, daß es Stämme giebt, die so vollkommen von dem Hauptstamm verschlungen sind, daß man in spätern Zeiten ihre Abkunft auf die augeblichen Vorfahren der ganzen Nation zurückgeführt hat; andere Stämme, deren Stammbaum mit dem der Fulbe noch nicht identificirt worden ist, habeu doch wenigstens ihre nationale Sprache gänzlich vergessen. Es ist ganz besonders der schon erwähnte Stamm der Djoloffen, welche in die Bilduug des Stammes der Fulbe ill sehr starkem Ver-hältuiß eintraten, wenn auch die Sprache der gegenwärtig noch uu-vermischten Djoloffen und die der Fnlbe große Abweichungen darbieten. Die aus solcher Mischnng mit Djoloffen entstandene Abtheilung der Fulbe ist die der Torode') oder in der Haussa-Form Torunkana. Die zu den Torode gehörenden Fulbc zeichnen sich durch einr höhere Statur, stärkern Glicdcrban, größere Züge nnd onrch eine ganz schwarze Hautfarbe aus. Ncbeu den Djoloffen sind die Fnlbe vorzüglich mit den Wakore oder Wangara (dem großen Stamme der Mandingo ^)) verschmolzen, uud die aus dieser Verschmelzuug hervorgegangene Abtheilung sind die Ssissilbe (ans Haussa Ssüllebaua). Diese sowohl als die Torode bilden ihrer politischen uud socialen Stellung nach bevorzugte Abthciluugen. Die Torodo werden ill dell meisten von den Fulbe gegrüudetcu Königreichen als der edelste Theil der Bevölkerung betrachtet uud machen sowohl im Westen am Senegal (in Futa) wie in den östlicheru Theileu des Fulbc-Gcbietes, dem Reich vou Ssokoto, die Aristokratie aus; durch ihren Einfluß vorzugsweise wurde Aliu auf den Thron erhoben. Die Sfifsilbe dagegen macheu deu wichtigsten nnd einflußreichsten Bestandtheil der Stadt Ssototo selbst und der sie umgebenden Weiler aus; sie bildeten zur Zeit eine Art Oppositionspartei gegen das herrschende Hofpersonal. Unter diefen durch Mischnng mit andern Stämmen heruorge-gangenen Abtheiluugeu der Fulbe scheint sich überhaupt ein den ') Die richtigere Pluralform ist wohl „Torvbe". ') Ich will schon hier anführen, baß der Name „Wcmdingo" in fast ganz Mittel-Afrika nnbekannt ist. Der heimische Name ist „Wangara", der den gelehr, ten Geographen Turopa'S so unendliche Verlegenheiten bereitet hat. Var«,'« Reisen. II. it ------162 ------ Malaiischen Kasten ganz ähnliches Verhältniß ausgebildet zu haben. Hatten die Torodc und Ssissilbe die höheren und höchsten Stufen erstiegen, so uahinen andere Abtheilungen eine niedrigere und niedrigste Stellung ein. So bilden die Djauambe (wie sie von den Fnlbe genannt werden, oder Soghoran, wie sie selbst sich nennen — in der Haussa-Form Soromaua —) die kleinen Kaufleute und Mäkler und haben in Ssokoto als solche eine Art Monopol; die Laube am Senegal sind im Allgemeinen Tischler, die Mabnbe oder Mabe Weber, die Gcrgassabc Schuster, die Wailubc Schneider, die Wambaibe Sänger, die Waulube — Bettler. — Dieses Kastcnarlige in den Abtheilungen tritt dadurch noch mehr hervor, daß alle die genannten Stämme in dem angenommenen Etammliaum des Pullo-Geschlcchts sämmtlich auf einen gemeinsamen Vorfahren Namens Sso zurückgeführt werden. Andere höchst merkwürdige Gliederungen im Inneren der Familie werde ich in meinen Vokabularien zu Tage legen. Das Verschmelzen der westlichen Stämme des Negerlandcs, vornehmlich der Watore und Djoloffen, mit derPullo- oder Fulfuldc-Na-tion bietet einen uuumstößlichcu Beweis dafür, daß der Erobernngs-zug der Letzteren sich von Westen nach Osten bewegte, und nicht in entgegengesetzter Richtung, wie es sehr allgemein angenommen worden ist. Allerdings ist es uns bei unserer geringen Kenntniß von der Wanderung der verschiedenen Vülkerstämmc des Erdballes im Allgemeinen und derjenigen Afrika's im Besondern gegenwärtig noch völlig unmöglich, zu erklären, wie dieser Stamm zu seinen Wohnsitzen am untern Laufe des Senegal kam, da sein Charakter von demjenigen anderer in derselben Gegend angesessener Stämme außerordentlich abweicht, dagegen mit einigen Stämmen im fernen Osten und vorzüglich mit den Malaien oder vielmehr dem in Java nnd Sumatra angesessenen polynesischeu Stamm einige Züge gemein hat. Doch findet sich unter allen Beweisen, welche für eine wirkliche sprachliche Verwandtschaft der Fulbc uud dieser Völker des Ostens vorgebracht sind, kein einziger von Bedeutung, wenn auch der Anklang einiger Lokal- und Volksnamcn in jenem Inscllabyrinth an andere Namen der Fulbe und die A»all,gie einiger socialen Verhältnisse allerdings ausfallend sind. Auch mit den süd-afritanischen Stämmen schciut ein gewisser Grad von Verwandtschaft vorhanden zu fein, wenigstens wenn man die Identität einiger wenigen Zahlwörter in den Fnlfulde- und Kaffir-Sprachen hierfür als maaßgebend ansehen will. Ich für meinen Theil glaube, es wird sich mit der Zeit klar herausstellen, daß die Fulbe die I^ri-Iü ------ 163 ------ ^ctliiopcs des Ptolemä'uS und die helle herrschende Bevölkerung im Reiche Ghanata ') waren, dessen erster Herrscher Namens Wakadja-mangha offenbar einen Fulfnlde-Titel hat, denn „mangha" oder .finangho^ bedeutet in dieser Sprache „groß". Daneben bin ich jedoch ebenfalls der Meinung, daß ihr Ursprung in der Richtung nach Osten zu suchen sei, freilich aber in einer Zeit, die für uns in undurchdringliches Dunkel gehüllt bleiben wird. Dagegen sind wir im Stande, in Bezug auf den Fortgang der Eroberungen der Fnlbe von Westen nach Osten uns auf historische Zeiten zu beziehen, und zwar ist der Anfang des 14. Jahrhunderts der Zeitpunkt, von welchem wir diese Periode datircn können. Wichtig it, dieser Beziehung ist die (Gesandtschaft zweier geistlichen Häupter der Fulbe von Mellc, wo sie um diese Zeit ihren Sitz hatten, an Bin, den König von Burnu, welcher zn Ende des 13. und zu Anfang des 14. Jahrhunderts regierte; dieselbe dient zugleich zum Beweis, daß dieser Stamm schon in so früher Zeit durch seine Religions-kenntniß ausgezeichnet war. Um das Jahr 1509 waren die Fulbe bereits sehr mächtig, sowohl im Süden als im Westen des großen Ssonrhai-Reichs, mit dessen Beherrschern sie häufige Kämpfe zu bestehen hatten. (5s war die Politik der letzteren, den Stamm der Fnlbc niederzuhalten, nicht nur da, wo sie als Nation mit den Waffen in der Hand, sondern auch dort, wo sie als scheinbar friedliche Einwanderer auftraten. Deun als Rinderhirten — „berrorodji" — drängten sie sich, in den Waldnngcn zerstrcnt, unaufhaltsam zwischen die Bevölkerung der ostwärts gelegenen Staaten, ähnlich wie die Pionniere Nord-Amerika's als Jäger uud Randbauer in stetigem Gange in den Westen ihres Kontinents vordrangen, immer neue Gebiete für die Anknüpfung an die ältern gewinnend uud vorbereitend. So scheinen die Fulbc in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts schon in den Haussa-Bändern (Krbbi) angesessen gewesen zn sein; wenigstens darf man dies aus den Behanptuugen ihrer Nachkommen, der Fcllani-n-Haussa, schließen. Unzweifelhaft aber ist es, daß die Fulbe im Laufe des 16. Jahrhunderts anch in den Landschaften östlich vom mittleren Niger start genug wurden, um in den dynastischen Kämpfen der be» treffenden Staaten einen großen Einfluß zu üben. — So ist es denn völlig erklärlich, wie schon im Anfange des 17. Jahrh. Fulbe-Stämme sugar iu verschicdeneu Ortschaften Vaghirmi's angesessen waren. ') Die Hauptstadt des alten Ghanata lag ungefähr unter 18" N, Br. und ?' W. L. v. Gr. ------ 164 ------ Jedoch eben die Verbreitung dieser weit vorgeschobenen Abtheilungen über ein so ausgedehntes Gebiet verhinderte, daß dieselben selbst in jenen aus eigener Schwäche znsammeufallenden Reichen zu einer überwiegenden Macht gelangten; Baghena allein, der alte Sitz des Reichs von Ghanata, bildete eine Ausnahme. Es fehlte ein Band, die getrennten, ihr eigenes lokales Interesse verfolgenden Stämme zu vereinigen, und ein Impuls, sie zu gemeinsamem Handeln zu vermögen. Ein Mann, der feinem Volte beides zu geben vermochte, trat eist im Anfang dieses Jahrhunderts auf. Im Jahr 1802 lud Baun, der Herrscher von Gober, die Häuptlinge der Fulbe innerhalb der Grenzen seines Reichs vor sich nnd wies dieselben wegen der Ansprüche, welche sie in politischer uud religiöser Beziehung zu machen begannen, mit Härte zurecht. Unter diesen befand sich Othman dan Fodie (d. i. „Sohn Fodie's"), damals im Dorfe Daghel (unweit des heutigen Wurno) angesiedelt, wo er bei seinen Landsleuten das Amt eines Imam (Priesters) verwaltete und schon seit einiger Zeit begonnen hatte, einen großen religiösen Einfluß anf dieselben auszuüben. Mit Unwillen erfüllt über die Art, wie er, der große Gläubige, sich von jenen Heiden, den Goberaua, behandelt sah, beschloß er, sich und seine Stammesgenossen von der Gewalt der cingebornen?andes-beherrschcr unabhängig zu macheu. Er wußte seine Landsleute durch religiöse Gesänge') für diefe Idee zu begeistern, und nachdem er sie gesammelt nud diese ihm die Würde nnd das Amt eines Scheichs übertragen hatten, erhob er die Fahne der religiösen und politischen Genossenschaft — „djemmaa" oder „djcmmara" — der Fulbe. Scheich Othman war aber im Anfang keineswegs sehr glücklich in dem begonnenen Kampfe, wenigstens nicht gegen Gober, indem er fast in jedem Zusammentreffen besiegt wurde. Er verstand es jedoch, seine Anhänger immer wieder zu frischer Energie und nener Kampflust zu begeistern. Dem so erregten und unterhaltenen Fanatismus verdankte er es, daß er allmählich alle Hindernisse überwand nud den Grund zu jenem ausgedehnten Reiche der Fulbe legte, das zur Zeit den größteu Theil des mittleren Sndans nmfaßte. Kräftigst unterstützt wurde er durch feinen Bruder Abd-Allahi uud ganz besonders von seinem Sohne Mohammed Bcllo. — Othman nahm seine Residenz zuerst in Gando, später in Ssifaua, bis er sein Leben in einer ') Einen der berühmtesten dieser Gesänge habe ich in meinem größeren Werke im 3. Anhang zum 4. Bande aufgeführt. ------ 165 ------ gewissen fanatischen Ekstase oder einer Art Wahnsinn endete (im Jahre 1817) '). Noch vor seinem Tobe setzte er Abd-Allahi zum Herrscher über dcn westlichen, auf beiden Seiten des Niger gelegenen Theil seines großen Reichs mit Gando als Hauptstadt ein, während sein Sohn Mohammed Bello dcn östlichen Theil erhielt. Dieser wählte Ssototo zu seiner Residenz und war bemüht, das neu gegründete Reich zu befestigen und Ordnung in dasselbe zu bringen. Gewiß war Bello ein ausgezeichneter Fürst und verdient einen hohen Rang unter den afrikanischen Herrschern. Mangelte ihm auf der einen Seite ein gewisses organisatorisches Talent, so war er andererseits nicht weniger durch Liebe zur Gelehrsamkeit als durch kriegerischen Sinn ausgezeichnet, obgleich seine Kriege nicht immer erfolgreich waren. Er hatte harte Kämdfc zu bestehen gegen die einheimischen Stämme und namentlich gegen seinen großen Nebenbuhler, dcn Scheich Mohammed cl Kanemi von Bornu, der ihn gerade zur Zeit von Clavvcrton's zweiter Anwesenheit in Ssokoto hart bedrängte und sogar Kano bedrohte. Diese politische Lage, in welcher Bcllu sich damals befand, verbunden mit den Aufreizungen der Araber, die die Eröffnung einer Straße von Süden her wegen ihres Handels mit dem Sudan fürchteten, muß eiuigermaaßcnBello's Behandlung des englischen Reisenden entschuldigen; auch scheint es fast, als habe Clavfterton unter solchen Verhältnissen seine Reise zum Scheich von Vornu mit zu viel Ungestüm betrieben. Auf Bello folgte vou 1532 — 1637 sein Bruder Atiku, von dem wir leider so viel als gar nichts wissen. Wir müssen dies um so mehr bedauern, als Atiku die ungünstigen Erwartungen, welche Clav-fterton nach einem wohl übereilten Urtheil von ihm hegte, als würde er ein „gemein gesinnter Fürst" werden, wie es scheint, vollständig Lügen gestraft hat. Es soll unter seiner Negierung vollkommene Sicherheit im Reiche geherrscht haben, aber er regierte zu kurze Zeit, um die weit ausgedehnte Herrschaft befestigen zu können. Sein Nachfolger ist der gegenwärtige Herrscher Alm, ein Sohn Bello's und einer Haussa - Sklaviu. Dieser Fürst besitzt allerdings einen hohen Grad wohlmeinender Gesinuung und Gutmüthigkeit und wäre für einen wohlorganisirten, ruhigen Staat ein trefflicher Regent, ') Von dem Kampfe Othman'S hat der vortreffliche Kapitän Clapperton in einer dein Tagcbuchc seiner zweiten Reise angehängten lurzen Slizze eine gute Beschreibung geliefert. — 166 ------ aber in diesen Ländern ist zum Herrschen mehr Energie erforderlich, als Alm besitzt, der von den edlen Eigenschaften seines Vaters nicht eben viele ererbt zu haben scheint, am wenigsten dessen kriegerische Gesinnung. In Folge dessen hat sich denn der Geist nationaler Unabhängigkeit unter den unterworfenen Völkerschaften in einem weit» greifenden Befreiungskrieg kuft gemacht, der immer wieder von Neuem entbrennt. Dabei suchen sich die Statthalter der einzelnen Provinzen und Gebiete unabhängig zu machen, wie iu Kebbi, Sanfara und Ndamaua, so daß es in der That oft schwierig zu sagen ist, ob diese oder jene Stadt noch unter der Herrschaft der Fnlbe steht oder nicht. Chadcdja hat sich schon vollständig losgerissen, und es ist zu fürchten, daß das Reich seiner gänzlichen Auflösung entgegengeht, wenn nicht ein anderer kräftigerer Herrscher an Aliu's Stelle tritt. Zwar umfaßt es, mit Ausnahme Chadcdja's, noch dieselben Provinzen wie in seiner blühendsten Periode, allein sowohl die militärische Starte derselben, als die Zahlungsfähigkeit hinsichtlich des Betrags der Einkünfte sind bedeutend gesunken. Dennoch beträgt die Gesammtsnmmc der Einnahme von allen Provinzen ohne Zweifel zmu wenigste« IM Mil> lioncn Muscheln (etwa 65,000 preußische Thaler) außer einer Abgabe von etwa gleichem Werthe in Sklaven uud selbstgezogener Baumwolle oder in eingehandelten Artiteln fremden, besonders arabischen und europäischen Ursprungs. — Die ganze militärische Stärke des Reichs Ssokoto würde sicher noch immer eine imponirende Macht bilden, wenn es der zerrüttete Zustand der einzelnen Provinzen erlaubte, die Kontingente aus denselben hinwegzuziehen und zu vereinigen. Die Ge-sammtsumme der Reiterei allein, welche auf diese Art zusammengebracht werdcu tonnte, würde zwischen 22. bis 23,000 Mann betragen. Allein selbst die Provinz Kano, welche das größte Kontingent an Reiterei — der allein entscheidenden Waffe in diesen Bändern — stellt, nämlich 5- bis 7000 Mann, wurde zur Zeit meiner Reise durch die ununterbrochenen Einfälle des Herrn von Ehadedja so beunruhigt, daß ihr Statthalter kaum im Stande war, einige hundert Reiter dem Heere seines iDbcrherrn für den — wie wir bald scheu werden — sehr wenig rühmlichen Fclozug gegen die Goberaua zuzuführen. Nach diesen allgemeinen Bemerkungen kehre ich nun zu der Be-schreibnng meines Anfenthalteö in Wurno zurück. Ich hatte mein Quartier im Dunkeln betreten und wurde erst am andern Tag mit dessen Beschaffenheit bekannt. Es bestand in einem geräumigen, aber in Schmutz und Unrath begrabenen und ganz schattenlosen Hof, der ------ 167 ------ weiter nichts enthielt als eine Thouwohnnng und einen kleinen Korn-behälter, ebenfalls von Thon. Das beste der beiden Gemacher der Thonhalle wnrde von zwei massiven Säulen getragen und machte für diese Gegenden einen ganz großartigen Eindruck. Dabei War diese Halle bei einer mittleren Temperatur vou 34,^° C. (27,5° ^.) cine vortreffliche kühle Wohustätte für die heißesten Tagesstunden. Nachdem zu den vorhandenen Gebäuden noch eiue Hütte für meine Diener und ein Schattcndach für mich selbst hinzugefügt und der Hofraum gereinigt worden war, bildete daS Gehöft eine leidlich behagliche Wohnung. Ich vermehrte meinen Hansstaud noch durch ein ftaar milch-gebcude Ziegen, um zu meinen: Thee den Gcmiß von etwas frischer Milch zu haben, mnßte aber für dieselben 2700 Muscheln oder etwa 1 Thlr. 20 Sgr. bezahlen, emeu für unsere Verhältnisse ganz nichtigen, aber dort sehr aufehulichcn Preis, wie denn überhaupt außer Zwiebeln alle Lebcnsmittel, namentlich Brod und Fleisch, in Wuruo sehr theuer waren. Baumwolle sah ich in bcdcutcudcr Menge feilgeboten, sonst aber werden größere Bedürfnisse auf dem immer noch bedeutenden Markt des, etwa 4^ Meilen entfernten Ssokoto und n'cht in Wurno gekauft. Der Marktplatz von Wnrno lag außerhalb der Stadt auf einer natürlichen Terrasse uud war mit einem Graben umgeben uud befestigt, da die Marltleutc selbst vor den Thoren der Residenz fortwährend einem feindlichen Angriff ausgesetzt siud. Es ist dies cin augenfälliger Beweis für die gegenwärtige politische Schwäche der Fulbe. Der nachstehende Gruudriß wird dem Leser die eigenthümliche Lage der Stadt anschaulich macheu. Sie ist auf einem halb abgelösten Sporn des cin- und auSbiegcnden, etwa 120 Fuß über die Ebene emporragenden Sandsteinzuges erbaut — eine ganz antike Lage für eine dominirende Stadt, hier aber wegen der alljährlichen Ueber-schwemnnlngen des Gulbi-u-Ssokoto (oder Gulbi-n-Nima), welcher die Stadt im Norden und Westen umfließt uud hier einige kleine Zuflüsse empfängt, unumgänglich nöthig. Ich fand bei meiner Rückkehr im nächsten Jahre die ganze Niederung rings um die Stadt in einen Snmpf verwandelt. — Das so eingeschlossene Areal der Stadt bis hart an die Thonmanern ist ziemlich dicht bewohnt, die Wohnungen liegen aber nicht eben in großer Ordnung beisammen uud werdeu von krummen, nnr 6 bis 8 Fuß breiten Gassen durchzogen. Die Wohnstätten bestehen in etwas engen Gehöften mit runden, strohbedachten Lehmhütten, zu denen hie uud da noch eine Thonhalle 168 1 Palast Allu's. 2 Marktplatz. » Kofa-n-ssabua. 4 ss°sa'N.ssert«,n.Na»b«». 2 Kofa-n den einfachen Hansrath anf den Kövfen. — Endlich erreichten wir das von Osten kommende nnd nahe an Ssokoto vorüber dem Gnlbi-n-Ssokoto znströmendc Flüßchcn Gnlbi-n-Raba (auch „Bugga" genannt) oder, wie es in seinem obern ^auf heißt, Gulbi-n-Bakura; selbst damals, kurz vor der Regenzeit, also in der wasserarmsten Periode des Jahres, hatte es noch einen 15 Schritte breiten und 10 Zoll tiefen Wasserstrcifen. Jenseits desselben erstiegen wir dann den Abhang des etwa 100 Fuß aus der Ebene sich erhebenden Plateau'S, nahe an dessen nördlichem Nand die Stadt Ssokoto erbaut ist. Der Stadtthcil, welchen wir zunächst durch das „Kofa-n-Rimi" genannte Thor betraten, machte keinen erfreulichen Eindruck, denn überall zeigte sich Armuth und Verödung. Ich ward iu dem Hause des Ghaladima, einer leidlichen Thonwohnung, einquartiert. Mein erster Besuch am folgenden Morgen galt dem vornehmsten Einwohner der Stadt, dem ältesten noch lebenden Glied der Familie des Reformators Othman, dem 75 Jahre alten Modibo Ali, dem Sohne eines älteren Bruders Othman'S. Ich fand in ihm einen gemüthlichen alten Mann» von edlem Charakter, dessen Gesicht uud Statur die charakteristischen Viertmale der nnvermischtcu Fulbe-Nasfe zcigteu, und dessen Geist eben so große Frische bekundete, wie sie bei uns rüstige Greise in solchem Alter zu zeigen pflegen. Er hatte gleich nach meiner Ankuuft iu Wurno seine freundschaftliche Gesinnung 172 Grundriß von Eloloto. 1 MarNplah, 2 HauS des Gcdado, in welchem Kapitän Mapperwn flaib. 2 Haus Velio's, «enenwärtia dass Miu's, fthr in Verfall. 4 Haus Ätisu^. jetzt Hamedu gehöiis,, nnhe dabei d n-Kebbi, desfcu einstige Größe jetzt uur noch durch die Neste der Maner augcdeutet wird. Hier, in einer dominircuden Lage auf einer Hochterrasse, die im Süden von der eben durchschnittenen Faddama, im Norden von dem tiefen uud breiteu, aber ebcu so uugesundeu als fruchtbaren Flußthal des Gulbi-n-Ssokuto begrenzt wird, während am westlichen Fnße der Terrasse beide Thäler sich vereinigen, ward diese ehemalige Hauptstadt des Reichs Kebbi dou der eiugcborucn ------ 185 ------ Dynastic der Kanta dor der Mitte des 10. Jahrhunderts gegründet. Es war zu jener Zeit, aw das Ssourhai-Reich, mit welchem dic Kanta bald nach ihrer Erhebung in blutige Kämpfe gcriethcu, in Trümmer zerfiel, so daß das an der östlichen Grenze jener Herrschaft nnd in nicht grußer Eutfcruung Dom Niger gelegene Birni-n-Kebbi bald alle Lebensadern dieser Landschaften in sich vereinigte und seinerseits der Mittelpunkt eines mächtigen Königreichs wurde. Zur Zeit seiner Blüthe breitete sich seine Herrschaft über alle benachbarten Bänder am Niger aus nnd es bestand sogar einen nicht erfolglosen Kampf gegen den kriegerischen Herrscher des mächtigen Aornn-Reichs, Mo-hammed, den Sohn des Edriss (1526 — 1545). Nicht allein der Mittelpunkt eines großen Reichs, auch der Stapelplatz eines bedeutenden Handels wurde Birni-n-Kebbi, namentlich in der damals noch sehr regen Ausfuhr einheimischen Goldes. So blühte der Fürstensitz selbst und so blühte das ganze Land mit einer überaus dichtcu Bevölkerung in zahlreichen wohlummauerteu Städten bis znm Jahre 1,^06 (1221 d. H.), wo eS den fauatisirtcn Fulbe erlag. Noch nach der Einnahme der Stadt soll eine große Menge Gold und Silber unter den Ruinen gefunden worden sein. Seit jener Zeit bildet sie eine Stadt zweiten Ranges. Die Mauern der uencu Stadt, die nicht den Glanz, aber doch den Namen verewigt, sind von den Ruinen der alten beinahe um eine halbe Stuudc weit eingezogen und grenzen hart an den steilen Abfall, der sich hier etwa 250 Fuß tief in die weite grüne Thalcbene hinabsenkt. Dieses Flußthal, Welches die ganze Landschaft Kcbbi von ONO. nach WSW. durchzieht, ist hier iz Stuudcn breit uud bietet dcu reichsten Boden znm Anbau dar, liegt aber gegcuwärtig bei dem gäuzlich verwahrlostcu politischen Znstande des Bandes, ganz nnbcnutzt da. Jedoch war der südliche Theil des Thals voll von Vieh, das freilich sorgsam bewacht werden mnßte. — Nnßerhalb der Stadt, am Rande deö Abhanges, wurde ein Markt in einer ziemlichen Menge leichter Anden abgehalten. — Die Stadt selbst war leidlich dicht bewohnt und hatte etwa 9000 Eiuwohncr, die Gehöfte aber waren fchr eng nnd entbehrten ganz des behaglichen und Schatten spendenden Schmuckes von Bäumen. Ich selbst ward in der schmucken Hütte eines neu-verehelichten Paares einquartiert, deren Flur uud Wände niedlich geglättet und deren Hintergrund -- „nanne" — mit schneeweißem Sand frisch bestreut war. Man rieth mir in Birni n>K'cbbi, nachdem man es vergeblich versucht hatte, mich überhaupt vou meiuent Unternehmen abzubringen, wenn ------ 186 ------ ich mit einiger Sicherheit den Niger erreichen wollte, mich an den Statthalter des benachbarten Sogirma zn wenden, als den einzigen Mann von hinreichender Macht, um mir bei dem gänzlich aufgelösten Zustande des Bandes wirksame Hülfe zn leisten. Ich beschloß denn anch, diesem Rath zn folgen, nnd zog am andern Morgen weiter. — Wir stiegen von dem Plateau von Birni-n-Kebbi durch einen Paß herab, welcher die westliche Begrenzung desselben, eine malerische vorspringende Aerg> masse, durchbricht uud nach der Verciuiguugöstelle der Faddama von Gando und des großen Flußthals des Gulbi-u-Ssokoto hinabführt; der Pfad war jedoch so schmal in die Sandfelsen ciugcschnitten, daß mein Troß den vorspringenden Sporn südlich umgeheu mußte. Unser Weg führte uuu im Allgemeine« am südlichen Rande des grüßen Flnßthalcs hin, indem wir die üppige Eawanne mit ihren Weidcgründcn, herrlichen Feldern nnd schönen Aänmen zur Rechteu hatteu. — So erreichten wir nach einigen Stuuden den Fnß einer felsigen Anhöhe, auf dercn Gipfel die feste Stadt Kola lag und den Verkehr des ganzen Thales beherrschte. Der Statthalter, der sogar 70 Gewchrschiitzeu nnter seinem Äefehl hat, ist ein su wichtiger Mann in diesen Gegenden, daß ich schon hier den Tagcmarsch zn enden beschloß, nm il>m meiue Anfwartung nnd ein Geschenk zu machen; er und seine Schwester behandelten mich gastfreundlich uud letztere schickte mir sogar eiuc Gans. Ungefähr anderthalb Meilen von Kola ändert plötzlich die große Faddama des Gnlbi-n-Ssotuto ihre seit Birui>n-Kebbi westliche Richtung, um iu eine beinahe ganz südliche überzngehcu. Die Biegnnas-stellc wurde durch zwei in die Faddama vorspringende Felshügcl bezeichnet, die mit der südlichen, jetzt östlichen Randerhebung derselben eine enge Schlucht bildeten. Anf dein Marsch bis zu diesem Pnntte hatten in der Nähe der nmmancrten Stadt Djnggurn (zn nnsercr Linken) zahlreiche Heerden von Pferden die Weiden der Thalsohlc belebt, das Gras derselben aber war voll von kleinen giftigen Schlangen, die oft in großer Zahl unsern Pfad lrenzten. — Aci Diggi, der nächsten größeren Ortschaft, wnrdc ich von den drei wohlberittcnen Söhnen des Herrn von Sogirma höchst ehrenvoll empfangen nnd freundlich bewilltommt nnd überschritt in ihrer Gesellschaft die weite Faddama; aber es kostete uns mehr als drei Stunden, diese flache, sumpfige Thalcbene iu schräger Richtung zu durchschneiden. Jenseits betraten wir die früher als die östlichste Provinz des Ssonrhai-Reiches wohlbekannte uud iu mciuen Geschichtstabellen oft genannte Landschaft ------ 187 ------ Dcudina. Augenblicklich war die Fadbama nur von Mi unterbrochenen Becken stehenden Wassers durchzogen, am Ende der Regenzeit aber (nn Monat September) fließt hier ein Strom von ansehnlicher Breite. Sogirma war bcdcntendcr, als ich dachte, nnd mochte wohl 7> bis 8000 Einwohner haben, litt aber gegenwärtig an großer Thcncrnng, in Folge des auch hier bereits feit zwei Jahren dauernden Kampfes der Fnlbe mit den ursprünglichen i'andesbewohnern, den Dendi. Dennoch wurde ich gleich nach meiner Ankunft reichlich mit Tiggera (zu-bereiteter Hirse), saurer Milch und Ncis bewirthet und mit einem jungen Nind beschenkt. Ich machte dann dem Statthalter, Hamed Burtu, mciuc Aufwartung und übergab ihm nebst meinen Geschenken auch den Gelcitsbrief seines Oberherrn Chaliln. Hamed Burtn war ein sehr anständig aussehender Mann mit fast europäischen Gesichtszügen, wie auch seine Wohnung höchst stattlich nnd zu meinem Erstaunen in einem dem gothischen ähnlichen Styl crbant war. Cr ging sehr frenndlich auf meine Bitte nm sicheres Geleit bis zum Thale Fogha ein und versprach mir zuverlässige Äute zu seudeu, die mich auf einem der beiden dahin führcudcu Wege begleiten uud schützen sollten. Während ich so einige Aussicht gewann, mein Unternehmen in seinem Haupttheilc auszuführen, that es mir leid, daß mich die uu-güustigeu Verhältnisse des gesummten Landes verhinderten, die Stadt Bunsa zu besuchcu, die nur weuige Meilen südlich vou Sogirma liegt uud vielfaches Interesse für mich hatte. Bis nach Bnnsa aufwärts follte der Gulbi-u-Ssototo vom Niger aus schiffbar sein; dieö wäre demnach ein überaus auzieheuder Punkt für die Hydrographie des Landes. Dann aber sollte dort ein Mann Namens Mallem Maha-mudu lcbeu, dessen große Kenntniß der Geschichte des Reichs Kcbbi man mir von allen Seiten gerühmt hatte nnd dessen Bekanntschaft zu machen, »nein eifrigster Wnnsch war. Uuscr ursprünglicher Plan war gewesen, am Tage nach unserer Antnnft einen Rasttag zu haltcu, um uusere Kameele zu dem bevorstehende,, Marsch durch die unsichere Wildniß zu stärken; als aber am Morgen des 9. Inni die Nachricht eintraf, es sei eine Truppe Tuareg mit vielcu Vastthieren iu Tilli, an, westlichen Ufer der Faddama, gerade Diggi gegenliber, angekommen, um ebenfalls nach dem Thale Fogha zu zieheu, so ward beschlossen, eilig anfznbrechen und in ihrer Gesellschaft den Weg durch die Wildniß — allerdings anf dem gefährlichsten, aber für die Vastthierc beqnemsten der beiden dorthin führenden Wege, wenn man hier überhanpt vou Wegcu sprechen kann — ___^ 188 ------ zurückzulegen. Es ward deshalb auch für hinreichend erachtet, nur nnr zwei Reiter zu Begleitern zu geben; eö waren dies zum ^lück aber zwei höchst achtungswerthe und charakterfeste Männer, alte erprobte Krieger, so daß ich recht froh war, die beiden Geleitsreitcr von Esol'ow nnd' Gaudu znrückschickcu zu tönneu. Mit Freuden bewilligte ich meiuen neuen Begleitern den geforderten mäßigen Lohn, einen schwarzen Gc-sichtsshawl einem Jeden für seine eigene Person, ein Fläschchen Rosenöl für sein liebstes Weib und 1000 Muscheln zur Bestreitung des Haushaltes während seiner Abwesenheit. So lehrten wir denn fürerst in nordöstlicher Richtung am westlichen Ufer der breiten Faddama zurück und tameu gegen Sonncn-uutergaug uach dem nur eine Meile entfernten Tilli, einem Ort von etwa 6000 Einwohnern. Hier war die Furcht vor dcu Feinden so groß, daß man an der bedrohten Seite alle Thore zugemauert hatte, bis auf einen schmalen, mit einer Zugbrücke versehenen Eingang. Die Tnarcg lagerten '/2 Stnnde von der Stadt am Rande der waldigen Wilduiß, wo wir uns mit ihnen vereinigten. — Zu früher Stuudc am andern Morgen brachen wir ans und betraten bald die dichte Waldnng; sie gewährte jetzt einen sehr freundlichen Anblick, indem alle Bäume in Blüthe standen und einen lieblichen Geruch verbreiteten. Nach einem Marsch von einigen Stuudeu erquickten uus zwei ausgedehnte Wasserbecken mit einem frischen Trunt uud bald darauf stiegen wir auf felsigem Boden bedeutend, wohl 100 Fuß, abwärts. Uni nicht im allergefährtichsten Theil des Waldes zn übernachten, bezogen Wir schon bald nach Mittag ein Lager. Der Znfall wollte es aber, daß wir hier den ganzen folgenden Tag liegen bleiben sollten, weil sich ein Kameel verlaufen hatte, welches die Leute von Assben nicht im Stiche lassen wollten. Diese uufrciwilligc Heldenthat, einen ganzen Tag in dieser berüchtigten Wildniß gelagert zn haben, wurde mir bei meiner Rücktehr von den Anwohnern sehr hoch angerechnet. Beiuahe aber wäreu wir noch einen Tag hier festgehalten worden, denn ein heftiges Gewitter erlaubte uus am 12. Iuui erst spät aufzubrechen. Dnrch eine dichte Waldung mit uiedcren Höhenzügen auf unserer Rechten erreichten wir die berüchtigte Stätte der zerstörten nud der Wildniß überlassenen Stadt Birni-n Debe, einen schönen offenen Platz, geschmückt mit vielen Partia's uud Delebpalmen, über welche im Äiord-osteu eine Hügelkette emporragte. Fußtapfen von Elephanten ließen sich in jeder Nichtnng sehen; anch das Vorhandensein dieser Thiere war ein Beweis für die Ueppigteit des wilden Landstriches, uud in ------ 18U ------ der That würde kein Reisender ahnen, daß nur wenige Meilen nach Norden dic Provinz Manri oder Arewa liegt, welche nach den über. einstimmcnden Angaben nller Berichterstatter einen der Wüste durchaus ähnlichen Charakter hat. Wir betraten dann wicdernm dichten Wald; er wnrde oft so dicht, daß er nnseren beladenen Kameelen kaum einen Dllrchgang gestattete lind uns wiederholt Anfeuthalt vernrsachte. So erreichten wir denn nach einem Marsche von ungefähr ^', Meilen ein weites, aber flaches Thal, das von Rordosten, ans der Provinz Manri, heranzieht nnd deshalb „dallnl" oder ttrafi-n^Manri" („das Thal von Mauri") ') genannt wird. Sein Boden war mit einein reichen Teppich des frischesten Grases bekleidet nnd mit zahlreichen Deleb-, fo wie einigen wenigen Dnmpalmcn geschmückt. Hier machten wir einige Minuten Halt bei einem Brunnen, an der Stätte einer früheren Pnllo-Ansiedelnng (Na-mcns Bana), nnd trenztcn dann ans unserem weiteren Marsch den von Manri nach Jell«, der Hanptstadt der Provinz Dendina, führenden Pfad. Dies war jetzt in Folge des Anfstandes der beiden Provinzen Manri nnd 'Dendina der gefährlichste Theil der ganzen Straße, indem hier der Feind furtwährend Verkehr zwischen den beiden Quartieren nnter sich nnterhält. Unsere Reisegefährten wnrden daher nicht Wenig beunruhigt, als sich hier frische Hnfspnren von Pferden zeigten. Ungeachtet der nahen Gefahr kamen wir doch nnr langsam vom Flecke; der Grnnd davon lag theils in der schwierige» Passage des Dickichtes, theils in dem Umstände, daß die ^ente sich eifrig damit beschäftigten, die Frncht der Delebftalme, welche ich anderswo fchon beschrieben habe, einzusammeln, da Korn znr Zeit in der ganzen Gegend nnr änßerst kärglich vorhanden nnd überhaupt kaum zn haben war. Anßer^ dem hatten wir noch einigen Aufenthalt dnrch das jnnge Kamecl, welches ich von Chalilu zum Geschenk erhalten nnd wieder meinem Mäkler Ali el Ageren überlassen hatte; es wnrde nämlich verrückt, wie das bei dem Kameel in diesen Zonen gar nichts Seltenes ist, nnd stürzte nach den sonderbarsten Sätzen, dabei mit den Beinen nach allen Seiten ansschlagend, zn Boden. Endlich hatten wir den dichten Pftanzenwnchs des fruchtbaren, >) „Rafl" ist der Hausfa < ^iaine für eiu mit Mcsciignmd bedecktes Thal, wo nahe unter der Oberfläche Wasser gesunden wird; der Nieseugrund und die sumpfissc Natur unterscheiden den „rafi" von der „koramma", welche Kies» oder Sandboden hat uud außer zur Regenzeit trocken ist. „Dallnl" ist ein Ssonrhai«Wort. ------ 19N ------ aber verwilderten Thales hinter uns nud stiegen nun auf höheren Boden hinan, der das Dallul Mauri vom Dallul Fogha trennt; Weiter abwärts jedoch mögen sich diese leiden eigenthümlichen flachen Thalbildungen vereinigen. Bald darauf gewannen wir eine Ansicht von der Hügelkette, welche die Ostseite dcö Dallnl Fogha begrenzt; letzteres zieht sich hier von N. 20 O. nach S. 20 W. nnd mißt in feiner größten Breite etwa 1500 Schritte. Diese Thalbildnngcn sind ohne Zweifel ein höchst bemerkend werther Zug in dieser Vandschaft, wie sie denn durch ihren flachen Charakter und den gänzlichen Mangel einer Strömung des hier angesammelten Wassers sowohl von der geringen Neigung des ?andes znm Niger, als von der geringen Gebietsausdehnuug ihres Ent-wässerungssystemes deutlichen Beweis geben. Es dürfte in der That nichts unwahrscheinlicher sein, als daß selbst nach den reichlichsten Regengüssen, die gelegentlich im Berglandc Assben fallen, die Wasser-länfc jener Gegend mit diesen flachen Thalbildungen, die sich mit dem Niger vereinigen, auch nur die geringste Verbindung haben füllten; denn das Plateau, welches sich von Agadcs aus bei bedeutender Ausdehnung nach Westen südlich erstreckt, macht einen solchen Zusammenhang uumöglich. (5s war 4^ Uhr Nachmittags, als wir, von unserem langen uud langsamen Marsche sehr ermüdet, allmählich am Gehänge in das Thal von Fogha hinabstiegen. Die schön geneigten Ränder desselben waren mit einem Reichthum von Dnmpalmen geschmückt, aber Delebpalmen fehlten hier gänzlich; dagegen zeigten sich merkwürdigerweise einzelne Exemplare der Oelvalme. Der Buden des „raft" war mit hohem frischcu Grase bewachsen nud entfaltete nur an einzelnen Stellen ein Wasserbecken. Wir zogen hindurch uud erreichte« so den ersten Salzort, „ssilc-tscholli", wie es die Eingeborncu nennen. Es sind dies kleine Weiler, die auf großen Schutthaufen von fast regelmäßig viereckiger Gestalt nnd 30—50 Fuß Höhe erbaut sind, ähnlich wie die alten Städte Assyriens. Am Fuße dieses ersten Salzweilers breitete sich ein seichter, schmntziger Pfnhl salzhaltigen Wassers von fast schwarzer Farbe aus. Die ganze Scenerie dieses inerlwüvdigen Thales prägte sich mir um so tiefer ein, weil es außer seiucn natürlichen Eigenthümlichkeiten uoch die besondere Bedeutung besitzt, die Grenzschride zwischen den beiden großen Stämmen der Hanssana nnd der Ssonrhai im engeren Sinne zn bilden. — Da wir crfnhren, daß der nächste größere, am Westrande des Thals gelegene Ort Kalliul oder Kanra ------ 191 ------ noch ziemlich weit entfernt nach Süden sei, also anch ganz außerhalb unserer Marschrollte liege, machten wir in einem der Salzwcilcr Halt, dem vierten auf dieser Seite des Thales. Wir blieben den ganzen folgenden Tag in dem ärmlichen Dörfchen liegen, so daß ich Gelegenheit hatte, mich mit der hier üblichen Art der Salzbercitnng, so wie mit der Beschaffenheit der Schuttterrasse bekannt zn macheu, auf welcher der Weiler erbaut war. Dieselbe war von ansehnlicher Größe, nämlich etwa 300 Schritte iu's Gevierte, hatte nach der Thalfeite zu eine Erhebung vou 50 Fuß uud nach dem Thalraude hin eine Höhe von 20 Fuß. Man konutc deutlich erkennen, daß sie ihren Ursprung der Hand des Menschen verdanke; denn sie bestand ans nichts Andcrm als dem aufgeschütteten Erdreich des Thal-bodens, dem die Salztheile bereits entzogen waren. Das Salz selbst wird in folgender Weise gcwonneu. Die aus dem Bodcu des Thals genommene Erde wird in große, aus Stroh und Rohr verfertigte Trichter gethan, hieranf Wasser auf den Inhalt der gefüllte» Trichter gegossen, die heranssickernde, mit dem Salzgehalt desselben geschwängerte Flüssigkeit iu ^untergestellten Gefäße» ausgefangen uud daun verkocht; das so gewonnene Salz formt man zn einem kleinen Brode, es ist von graugclber Farbe, zum Kochen ganz geeignet nnd jedenfalls von weit besserer Beschaffenheit als das bittere Salz von Bilma auf der Fefanstraße, steht aber dem schönen Krystallsalz von Taodcnni (in der Djuf genannte» Einscnknng der westlichen Wüste, 20 Tage-reiseu NNW. von Timbnltu) bei weitem nach. Die Salzbcrcitnng ist jedoch nur während der trockenen Jahreszeit nnd ill der ersten Hälfte der Regenzeit möglich, deml am Ende der letzleren ist der gauze Thalgruud mit Wasser bedeckt, das dann eine Meuge Fische euthaltcu nnd süß sein soll, weil der Salzgehalt dcö Bodens zu un-bcdcntcnd ist, nin sich in einer so großen Menge Wasser bcmerklich zu machen. Schon znr Zeit meiucr Anwesenheit füllte das Wasser an einzelnen Stellen die ganze Breite des Thales in eiucr Tiefe von 1 — 2 Fuß; die Gewohner der Salzweiler hatten daher einen Vor-rath von Erde anfgcschichtet, um ihre Arbeit noch einige Monate fortsetzen zu können. Die Thalbewolmcr sind Fulbc mit ihren Sklaven, und das Salz allein ist es, welches sie davon abhält, den Ort zu verlassen; denn sie sind den steten Angriffen ihrer erbitterten Feinde, der Ureinwohner der Provinz Deudina, ausgesetzt. Diese, die Deudi, ciuc energische Völkerschaft, gchörcu zu dem Stamme der Ssonrhai; sie bewohnen ____ 192 ____ besonders dell untern ^'auf dos Thales in zahlreichen, meist ummcmerten Städten nnd unterhalten von dein Hauptortc ihres VandeS aus, dem nicht einmal zwei deutsche Meilen weiter nnten am Thalc Fogha gelegenen Ieln, einen erbittertet« Nationallampf gogen die eingcdruugene Nasse. Es wiirdc ihnen gewiß anch schon gelungen sein, die Fulbe aus dein Thale zu vertreiben, wenn sie selbst mehr Reiterei besäßen und wenn die Einwohner von Kalliul nicht so tapfere, abgehärtete Krieger wären. Die Häuptliugc dieser wichtigen Fulbe-Station, vier an der Zahl, statteten mir einen Besuch ab und versprachen mir, da mich die beiden Geleitsreiter aus Sogirma gleich nach der Ankunft am Thale Fogha verlassen hatten, einen Fnhrer nachznsendcn. Wir setzten daher am 14. Juni unsere Reise fort, indem wir erst wieder eine Strecke Weit thalanfwärts gingen, um den eigentlichen Waldpfad zu erreichen; dieser nämlich trcuzt das Thal nördlich don Kallinl, da diese Stadt durchaus keine kommerzielle, sondern nur eine militärische Wichtigkeit hat. Wenige hundert Schritte von der Stelle, an welcher wir das Salzthal zuerst betreten hatten, sprudelte eine reiche Quelle vortrefflichen Trintwassers ans dem hart an das Salzlagcr hinantrctenden Felsboden hervor; wir ließen dann noch einige Salzweiler znr Seite und stiegen aus dem Thalgrnnde anf höheres Terrain hinan. Es War ein schöner Morgen und die Anssicht über das Thal von der gewellten Hochfläche herab war von hohem Interesse und ließ mich alle Gefahr vergesfen. Bald aber nahm nns dichter Wald anf; es war mir daher nicht unlieb, daß einer der Häuptlinge von Kalliul mit einem kleinen befolge uns einholte nnd mir einen Fnhrer mitbrachte, der uns bis zu einem Orte Namens Garbo geleiten sollte. So hielt der Hänfttling nicht allein sein gegebenes Wort, sondern er that mehr und überreichte mir hier in der Wildniß zn meinem nicht geringen Erstannen als Gastgeschenk eine ansehnliche Menge Salz und 2000 Muscheln; als einen Beweis wohlwollender Gesinnung nahm ich das Dargebotene anch an. Garbo ist ein 7 — 8 deutsche Meilen in westnordwestlicher Richtung vom westlichen Rande des Thales Fogha entferntes Dorf, welches als die äußerste westliche Niederlassung des Hanssa Stammes bemerkenswert!) ist. Wir langten dort am folgenden Nachmittag an, nachdem wir eine ziemlich wüste, zum Theil felsige Gegend durchzogcu hatten, in welcher das Vorkommen zahlreicher Teiche der bemerkenswerteste Zng war; einzelne dieser „tcbti" waren von nicht unbedeutender Ausdehnung. Garbo hatte ------ 193 ------ ebenfalls' viel durch die Kriegsunruhen gelitteu, doch nahm jenseits dieses Ortes der Anbau des Bodens, so wie auch dcr Biehstand wieder zu; ich sah aber nichts als Negcrhirse, weder Reis noch Sorghum oder irgend eine andere Frucht war auf dem Felde. — In nordwcst^ licher Richtung weiter ziehend, gelangten wir abermals in ein Dallul oder Rafi, znr Zeit nur mit einzelnen Ansammlungen von Wasfer, bei meiner Rückkehr dagegen ganz davon bedeckt; sein Name war Dallul Bosso nnd fein Verlauf ging von Norden nach Süden. Das Land jenseits dieses Thales, welches wir in kleinen Tagesmärschen durchzogen, hatte im Allgemeinen eine gewellte Oberfläche, sandigen Boden, und wenn aufaugs dcr Baumwuchs uoch spärlich war, mehrte er sich, je weiter wir nach Westen vorrückten, so daß bebaute Strecken, Viehweiden nnd Wald mit einander wechselten. Das Land litt jedoch augenscheinlich nnter einer auffallenden Trockenheit; denn für die Jahreszeit war außergewöhnlich wenig Regen gefallen. — Die Bevölkerung der Ortschafteu bestaub zumeist aus Ssonrhai, untermischt mit einzelnen Abtheilungen dcr herrschenden Rasse der Fulbe. Es waren meist kräftige Gestalten, wenn auch der schöne symmetrische Ban der Glieder, durch deu sich die Hausfa - Natiou so vorthcilhaft auszeichnet, fehlte und die Züge weniger Regelmäßigkeit entfalteten; dagegen war die Hantfarbe, welche bei den Haussana einen gelblich-uder röthlich-schwärzlichen Ton hat, ungleich dunkler. — Der Baustyl der Hütten uud Dörfer war ebeufalls vcrfchiedcu von der Banweise in der Provinz Kebbi. Die besseren Ortschaften wenigstens bestanden aus sehr großen Gehöften, augenscheinlich auf eine große Menge Rindvieh bcrechuct, obwohl an einzelneu Orten zur Zeit kein einziges Stück zu sehen war. Die Hütten selbst hatten zwar keine Thon-wände und bestauben nur aus Stroh und Rohr, waren aber groß, luftig und geränmig; so viel ich sah, bildete je eine solche Hütte den Mittelpunkt des HofcS. Diese Einrichtung war znm Theil die Ursache, daß wir oft nur unter großen Schwierigkeiten ein Quartier fanden; anderntheils aber machte ich die Erfahrnng, daß die Ssourhai, wenigstens in ihrem gegenwärtigen gesnntencn lind meist geknechteten Zustaude, im Allgemeinen die nngastfrenndlichsten Menschen sind, mit denen ich je in Berührung gekommen biu. So näherten wir uns mehr und mehr dem großen Strom des westlichen NegerlandcS, dem Niger. Hat dieser Strom schon die Aufmerksamkeit Europa's im Allgemeinen auf sich gezogen, so mußte er für mich ein ganz besonderes Interesse haben, da ich so glücklich Vnrth'2 MIsen. II 12 ------ 194 ------ gewesen war, den oberen Lauf seines großen östlichen Armes zu entdecken. Nach ruhelos durchträumter Nacht und gehoben von den freudigsten Gefühlen brach ich am 20. Juni mit meinem rüstigen Reisetroß in früher Morgenstunde auf, nnd nach einem Marsche Hon etwas weniger als zwei Stunden durch felsige, mit dichtem Buschwert bedeckte Wildniß traf der erste Schimmer der silbernen Wasserfläche des Niger mein Gesicht. Bald lag der mächtige Strom ganz vor mir und in geringer Eutfcrnnng von seinem Ufer ging es cutlang. Noch eine Stuudc uud ich staud mit meinem Rosse auf dem Einschiffungs-ftlatze, der Stadt Ssai gegenüber. Eine jede begünstigte Nation des central ^ afrikanischen Binnenlandes hat ihreu Fluß, und wie derselbe Fluß die Gebiete verschiedener Zungen durchströmt, erhält er auch eiueu audcren Namen. So ist der große Strom West-Afrita's: der „großc Fluß", der „Dhiuliba" oder „Juli-ba" der Mandingo (Juli) oder Walore, dcr „Mayo" der Fulbe, dcr „Eghirreu" dcr Imo-scharh oder Tuareg (— daher mit Borschlag des n das Wort „Nigir" dcr Alten uud unser „Niger"—), der „I-ssa" oder „Ssai" dcr Ssonrhai, der „Kuara" (wahrscheinlich) dcr Kombori, der „Baki-n-rua" dcr Hanssana. Dieser diclnamige berühmte Strom war dem: endlich vou mir erreicht — der den Europäern seit dcr Eröffnung der afrikanischen Geographie und Forschung mystisch vor Angen nnd Sinnen schwebende Niger. Ruhig glitt er au dieser Stcllc von NNO. nach SSW. dahin, mit einer mäßigen Bewegung vou ungefähr V4 Meilen iu der Stunde; scine Brcitc betrug nur ctwa 1000 Schritte. Er ist hier vou felsigem Ufer eingeschlossen, das im Allgemeiueu eine Höhe von 20 — 30 Fuß hat; aber der Strom selbst war uugcbrochcu, ciucn einzigeu kleinen Felsen anögcnommen, der beinahe in dcr Mitte dcs Flusses, nur etwas nähcr am westlichen Ufer, gegenwärtig 12 —15 Fuß über die Oberfläche des Wassers emporragte. Ein kleinerer Fels, etwas weiterhin, war fchon beinahe vom Flusse überströmt. Dem Einschiffungsplahe gegenüber, uud zwar ans flacherem Ufcr, brcitctc sich cinc bedeutende Stadt aus, dcrcu niedrige Wälle und Hüttcu malerisch von einer Menge schlnutcr Dumpalmeu überragt wnrdcu; cs war dies die „Flußstadt", der Ncbcrfahrtöort „Ssai" (dies Wort bcdcutct nämlich in dcm östlichen Ssonrhai-Dialckt „Fluß"). Ich hatte schon am vorhergehenden Tage cincn Botcn vorausgeschickt, um bei mciucr Ankunft am Flusse geräumige Boote zur — 195 ------ Ueberfahrt bereit zu finden; aber es hatte sich bis jetzt keines fehen lassen, und ich besaß daher hinreichende Mnßc, die Flußscencrie zu betrachten. Eine große Menge Reisender, sowohl Fnlbe wie Ssonrhai, warteten ebenfalls am sandigen Ufer mit ihren Ochsen nnd Eseln auf die Uebcrfahrt, nnd es fehlte nicht an kleineren Booten, nm sie aufzunehmen. Zuletzt kamen denn anch die größeren Fahrzenge an, die mich und mein Gepäck übersetzen sollten. Sie waren von ziemlicher Größe, nämlich etwa 40 Fnß lang, aber in der Mitte nur 4—5 Fuß breit, und bestanden ans je zwei ausgehöhlten, in der Mitte zusammengebundenen Baumstämmen; das größte faßte drei meiner Kameele und das Wasser wurde viel besser ausgeschlossen, als ich sonst bei den Fahrzeugen der Einwohner des Negerlandcs zu beobachten Gelegenheit gehabt hatte. Diese größeren Voote werden hauptsächlich zum Transport des Bornes von Sindcr, das weiter aufwärts am Flusse liegt, nach Ssai benutzt und waren bei dieser Gelegenheit ausdrücklich vom Hafenbeamten für mich requirirt worden. Letzterer führt den Titel „Herr der Fahr;engc" nnd entspricht dem „Wasserlünig" in anderen an größeren Flüssen gelegenen Ortschaften. Ich legte ihm später meine Erkenntlichkeit durch ein Geschenk von 10N0 Muscheln an den Tag, fand aber hernach, daß das Fährgeld bedeutend mehr betragen haben würde. Meine Kameele, Pferde, Leute und das Gepäck wurden zuerst übergesetzt, und nachdem Alles ohne Unfall am anderen Ufer angekommen war, folgte ich selbst nach; es war ungefähr 1 Uhr Nachmittags. Ich fühlte unendliches Behagen, als ich mich auf diesem gepriesenen Strome, dessen Erforschung schon so manchem kühnen Wanderer das Leben gekostet hat, eingeschifft fand, nnd der Eindruck, den der Anblick des Flusfes auf mich machte, mußte um so tiefer sein, als ich mich bald wieder von ihm trennen sollte; denn ich hatte in Gando volle Gelegenheit gehabt, mich von der Nichtigkeit meiner früheren Ansicht zn überzeugen, daß ich im günstigsten Falle Timbuktu nicht anders als über Libtako erreichen könnte, und nährte nur eiue schwache Hoffnung, daß ich vielleicht später im Stande sein möchte, jeuen Theil des Flusses zwischen Timbuktu und Ssai zn besucheu. Von Anfang an war es mir höchst zweifelhaft, ob ich je die westliche Küste erreichen würde; auch erschien eö mir weit wichtiger, den Niger zwischm dein Punkt, wo er durch Muugo Part's und Rene Eaillie's Arbeiten leidlich bekannt geworden ist, und seinem unteren Lanfe, wo er von den Gebrüdern Lander bereist wurde, zu erforschen, als von ------ 196 ------ Timbuktu ans meine Ncise cm die Westküste fortzusetzen, um saget« zn können, ich hätte Eentral-Afrika der Breite nach durchwandert. So betrat ich denn die Stadt Ssai und erhielt, nachdem ich mich am Hause des Statthalters gezeigt hatte, alsbald Quartier; aber dies war keineswegs, wie ich es wünschte, sondern klein und eng. Die Stadt liegt so niedrig, daß kein Luftzug sie erfrischt, und hat daher in: Allgemeinen eine sehr drückende Atmosphäre. Die Hütten in diesen Ssonrhai-Städten sind mehr für Frauen als für Männer gemacht, und der größere Theil einer jeden wird von der „alkilla" (d. i. Frauengemach) eingenommen, nämlich dem Rohrlager, welches sich in einem besonderen Mattenzimmerchen befindet, das nur eiuen kleinen Eingang hat; dadurch wird natürlich das Innere der so schon beschränkten Hütte noch mehr beengt, und ich sah mich genöthigt, sogleich dieses kleine frenndliche Schlafgemach cinznrcißcn, nm nnr etwas frische Lnft in meine Wohnnng gelangen zn lassen. Bis jetzt war in der Umgegend nur sehr wenig Regen gefallen, und auch ein Gewitter, das Nachmittags am Himmel stand, erreichte nns nicht. Die Lnft war denn auch in diesem niedrigen Thale, dessen absolnte Höhe wahrscheinlich 350 Fuß nicht übersteigt, so drückend, daß es mir zuweilen vorkam, als müßte ich ersticken, nnd ganz nnfähig war, Lnft zu schöpfen. Besonders hatte ich dies Gefühl bei der Annäherung eines Gewitters und eimnal war ich in einem ganz verzweifelten Znstande, gerade als wenn mir Jemand die Kehle zuschnürte. Das Innere der mit einem niedrigen Erdwall nmgcbcnen Stadt ist nur schwach bevölkert, indem die Wohnungen wie einzelne Weiler zerstreut umherliegen; die Zahl der Einwohner mag 8000 betragen. Alle Behausungen mit Ausnahme der Wohnung des Statthalters sind ans Nohr und Mattenwcrl erbaut. Die Stadt ist iu der Richtung von Nord nach Süd von einer flachen, gegen das Ende der Regeuzeit mit Wasser gefüllten Einsenknng dnrchschnitten, deren Seiten mit Dumpalmen besetzt sind, während ich sonst keine Bäume, weder in noch außerhalb der Stadt, bemerken tonnte. Erreicht der Fluß eine außergewöhnliche Höhe, so wird die Stadt jedenfalls unter Wasser gesetzt und ein weiterer Nachtheil der niedrigen Lage ist der, daß der Platz schr ungesund ist. Täglich wird in Ssai ein Markt gehalten, der — so ärmlich er bei dem heruntergekommenen Zustand des Bandes anch sein mag -^ dennoch bei den Einwohnern des westlichen Sndan einen bedeutenden Namen hat. Wirtlich versorgt sich ein großer Theil derselben hier ____ 197____ mit den nöthige» einheimische!, Fabrikaten, namentlich Geweben, da in der ganzen Umgegend Baumwolle in nur sehr geringer Quantität gebaut und die Kunst der Weberei und Färberei sehr vernachlässigt wird. War nun auch in der Stadt selbst etwas Betriebsamkeit in kleinern Gewerben zn finden, so machte sich dafür der Mangel derselben in der Umgebung des Ortes und an den Ufern des Flnsscs in auffallender Weise geltend. Besonders war ich erstaunt, anch nicht eine Spur don Reisbau zu finden, zu welchem sich doch die flachen, einen großen Theil des Jahres überschwemmten Ufcrgelände vortrefflich eignen würden. Anch der natürliche Psianzenwuchs war äußerst sparsam, und die Landschaft auf beidcn Seiten des Niger glich mehr einer verbrannten Steppe, als den Ufern eines tropischen Stromes. Der Handel und Verkehr der Eingebornen auf dem Flusse ist nicht nnbcdcutenb, hatte aber zur Zeit meiner Anwesenheit in Ssai durch den Aufstand der östlich angrenzenden Provinzen natürlich sehr gelitten. Stromanfwärts gingen die Boote nngestört 3b — 40 deutsche Meilen weit bis Kindadji, stromabwärts aber dnrften sie sich nur bis zu der 7 — 8 Stunden entfernten, am westlichen Ufer gelegenen Stadt Kirotaschi wagen. — Immerhin aber wird Ssai für die Europäer der bedeutendste Punkt in dieser ganzen Flußlandschaft sein, wenn es ihnen einmal gelnngen sein wird, die Flußschnellen oberhalb Rabba nnd besonders zwischen Bnssa nnd Aauri ^ passiren oder überhaupt durch leichten Landtransport anch nnr zn umgehen und oberhalb dieser hemmenden Fclsriffe die schöne offene Wasserstraße zwischen den östlichen und westlichen Hälften Central-Afrit'a's zu erreichen. Der Statthalter von Ssai war höchst erfreut über meine Ankunft ; denn ich war nicht nnr der erste Christ, der jemals diesen Platz besucht hatte (— der heroische Mungo Part scheint auf seiner ewig denkwürdigcu, in romantischen Schleier halbverhüllten Nigerfahrt im Jahre 1805—1806 ganz nnbemerkt hier vorübcrgefahren zu sein, weun anders die Stadt Ssai damals schon bestand —), sondern der Statthalter hegte auch deu ernstlichsten Wunsch, die Europäer möchten von der Küste aus mit ihren Schiffen nach seiner Stadt kommen, um ben fast erstorbenen Handel derselben nen zn beleben nnd namentlich die jetzt fehlenden Araber zu ersetzen, welche in friedlichen Zeiten die Stadt mif dem Norden des Kontinents und mit Enropa in Verbindung erhielten. Ich hatte gehofft, in Ssai einen Landeseingebornen in meine Dienste nehmen zu tonnen, da weder ich noch einer meiner Diener ------ 198 ------ so weit mit der Ssonrhai-Sprache vertraut war, um in der Weise mit den Bewohnern der zu durchreisenden Bänder zu verkehren, wie ich es bisher gewohnt gewesen war. Allein ich fand mich in dieser Erwartung getäuscht und mußte nach einem Aufeuthalt von drei Tagen ohne einen Dolmetscher weiter ziehen. Der Uebcrgaug über den Niger hatte für meine Ncise eine dop-ftelte Bedeutung; denn nicht allein, daß ich den berühmten Strom erreicht und überschritten hatte, an welchen sich Interessen so vielfacher Art knüpfen, sondern als ich (am 24. Juni) das westliche Ufer desselben verließ, ließ ich zugleich die Grenze zwischen den leiblich bekannten Gegenden des mittlercu Sudan und deu noch völlig unerforschten ^äudcru hinter mir, welche der mächtige Strom mit sciucr weiten, hoch nach Norden in daö Herz der Wüste eindringenden Biegung gcu Weste», Norden uud Osteu hin umschließt. Mit ge-spamttem Interesse wareu daher meine Gedaukeu vorwärts gerichtet, als wir das trockcuc Bctt eiues klciuen Nebcuarms übcrschritteu, der zeitweilig Ssai und seine Umgebung zur Insel macht, uud den steilen Abhang hinanfstiegen, welcher dicseu tleiueu Nebruarm insbesondere und das Stromthal des Niger im Allgemeinen hier begrenzte. Allein die Elemente warcu dein Anfang des Marsches, so wie der Umschau über das Tafellaud, welches wir betreten hatten, uugünstig. Ein herannahendes schweres Unwetter hüllte Alles iu die Nacht eiucs Saudsturmcs, so das; wir für eine Weile keinen Schritt vorwärts thuu konutcu, nnd überschüttete nus daun mit einem heftigen Regen, der drei Stnnden anhielt. Wir wurden nicht nnr selbst vollständig durchnäßt, souderu der Bodeu uuter unseru Füßeu war mehrere Zoll tief ganz von Wasser bedeckt. Schon um Mittag suchteu wir daher ein Unterkommen nnd fanden es iu einem Pachtwcilcr bei einem gemüthlichen alten Pullo, der uus gastlich bewirthete. Dem Unwetter folgte ein schöner Morgen, nnd wir zogen zu früher Stuude aus, um deu Wohuort eiues ausgezcichueteu HäuMiugs Namens Galaidjo zu er-reicheu, über welcheu ich von den Cingebornen von fern und uahe schon viel Schmeichelhaftes gehört hatte. Die Landschaft, durch die unser Marsch führte, war hügelig und zeigte hier und da sehr aumuthige Thäler uud Schluchten, aber im Allgemeinen machte sich der Maugel au Baumwuchs bcmerklich, uud die Bevölkerung, so wie der Aubau wareu nur gering. Nach einem Marsche von etwa zwei Stunden erreichten wir den höchsten Puukt dieser Gcgcud, auf dem wir eiue weite Aussicht über das vor uns ------ 199 — liegende Land hatten, aber nichts als einc ausgedehnte Wildniß vor uns sahen; denn die wenigen angebanten Stellen waren inmitten des Waldes ganz und gar versteckt. Rother Sandstein, mit einer theilweisen schwarzen Färbung in Folge der Wirkung der Luft und reich mit Eisenoxyd durchsetzt, war augenscheinlich der Hauvtbcstandtheil dieses Hügellandes; iu der That war dasselbe von gleicher geologischer Beschaffenheit wie die Grenzlandschaft zwischen Kcbbi und Gober. Kurze Kräuter sproßten hier nnd da ans nnd gewährten dem Vieh, das in der Umgegend graste, nur karges Futter. Eine steile, felsige Ab> sentuug brachte uus vom höheren Buden, der mit kleinem Gestein bedeckt war, in ein tiefes Thal. Aber wir mußten bald wieder ansteigen, indem wir einen Gau durchschnitten, der einige Zeichen von Anbau an sich trug, woranf wir etwas weiterhin ein außerordentlich malerisches Thal passirten. So erreichten wir Tschamftagore, die Residenz Galaidjo's, um Mittag, zogen aber einem Quartier innerhalb des Ortes ein Lager draußen auf dem Hügel nördlich von der Stadt vor. Dieser Hügel war auf jener Seite von einem wohlbcwaldeten kleinen Thälchen lnM'nzt nnd überschaute die ganze Umgegeud. Die Stadt selbst ist im Süden voll einer kleinen Hügelkette eingeschlossen, an deren Fuße Brunnen von sieben Klaftern Tiefe find. Ein Erdwall sollte das Ganze umschließen, aber uur die vier Thore waren vorläufig mit Thon aufgebaut worden, während der übrige Theil der Stadt noch mit einer Verpallisadinm.q umschlosscu war. Das Innere des Ortes hatte ein recht eigenthümliches Aussehen, ganz abweichend von dem in Kebbi üblichen Baustyle, was bcsouders dem eigenthümlichen Charakter der Kornmagazine zuzuschreiben war. Diese bestanden !^,.,! >! nämlich ans viereckigen, thurmartigcn Gcbänden von 10 — 15 Fuß Höhe und etwa 6 Fuß im Durchmesser, mit allmählich nach dem ------ 200 .— Gipfel zu sich verjüngenden Wänden, wie der vorstehende Holzschnitt darstellt. Sic waren 1 oder 2 Fnß über den» Boden erhaben, nm das Korn vor den Erdameisen zu sichern, nnd hatten unten keinen Eingang, sondern nnr eine fensterähnliche Oeffmmg nahe am Dache, durch die das Korn hineingethan und wieder herausgenommen wird. Im Ganzen genommen, sind diese Gebäude den ägyptischen-Taubenhäusern nicht unähnlich. In jedem Hofe waren ein oder mehrere solcher Magazine. Dieselben übertrafen an stattlichem Anssehen die Wohnungen selbst, die mit wenigen Ausnahmen aus niedrigen Hütten bestanden, von denen selten mehr als zwei beisammen wareu. Die Gehöfte waren im Allgemeinen nur mit einem schwacheu Zaune von dem Rohre des einheimischen Kornes nmgrben, aber in manchen derselben bildete der halbe Umfang der Hütten selbst einen Theil der Umzäunung. Ich machte mich am Nachmittag anf, um dem Häuptling meinen Besuch abzustatten. Das Portal seiner Wohnung hatte, wie der beifolgende Holzschnitt zeigt, ein ganz stattliches Anssehcn und lieferte ein Beispiel eines Versuches bautünstlerisclier Verzierung; aber der grränmige Hof im Inneren, der von einer niedrigen Thonmaucr einge^ schlössen, mit armselig aussehenden Hütten angefüllt nnd voll Unrath war, entsprach keineswegs dein stattlichen »äharatter des Aeußcren. Die ----- 201 ------ Wohnung selbst jedoch, obwohl einfach, war keineswegs so armselig und schloß außer zwei geräumigen Thonhallen einige sehr luftige und kühle, ganz aus Holz gebaute Korridore ein. Galaidjo empfing mich iu einer der Thonhallen und führte mich dann zu einer geheimen Audicuz in einen dieser Korridore. Hier überlieferte ich mein Geschenk, das in einer rothen Mütze, einem halben Stück Musselin und einigen kleineren Gegeustäudeu bestand, und hatte eine gute Gelegenheit, das Acußere dieser keineswegs uninteressanten Persönlichkeit näher zu betrachten. Mohammed Galaidjo war zur Zeit meines Besuches ein Mann von ungefähr 70 Jahren, mit einem überaus angenehmen, fast europäischen GcstchtsausdruÄ und von mittlerem Wüchse. Er war höchst einfach mit einer hellblauen Tube bekleidet und hatte einen weißen Shawl um sein Gesicht gewuudcu. Galaidjo, Sohn Hambodedjo's, folgte seinem Vater — wahrscheinlich eben jenen: Häuptling, der Mungo Park währeud seines Aufenthaltes in Massina so gastfreundlich aufnahm ^ im Jahre 1231 der Hcdira (18'^o uuscrcr Zeitrechnung). Dieser war damals der mächtigste Häuptling Massina's oder Mclle's, das seit dem Sturze des Ssonrhai-Reichcs in viele kleine Königreiche gespalten war. Nun ereignete es sich aber, daß gerade zur Zeit, als Galaidjo zur Herrschaft kam, die große religiös-politische Bewegung der Fulbe Gobers unter dem Reformator Othman begonnen hatte. Angeregt von ihrem Beispiel uud vou religiösem Eifer entflammt, ging ein Anführer dou ihnen aus, um auch unter derjenigen Abtheilung der Flilbe, welche an« oberen Lanfc des Niger angesessen war, den Islam in der neuen gereinigten Form auszubreiten. Dieser Anführer war Mohammed oder Hamrd Lrbbo. Bei seiner Ankunft im Lande Massina (im Anfange des Jahres 1233 der Hedjra) an der Spitze einer kleinen begeisterten Heerschaar schloß Lebbo zuerst ein Bnndniß mit Galaidjo, der selbst den Islam annähn: — sein Vater nämlich war noch dem Aberglauben der Vorfahren zugethan gewesen — und eng verbunden uud verbrüdert dehnten beide gemeinsam ihre Eroberung über das benachbarte ^and aus. Nachdem sich fedoch pcbbo selbst eine starke Macht begründet hatte, verlangte er Unterwerfung und Anerkennung der Oberherrschaft von seinem Verbündeten Galaidjo, unter dem Vorwandc, daß er eö gewesen sei, der die Fahne des Glaubens vom Stammsitze der Reformation hcrbeigcbracht habe. Galaidjo, der wenig Neignng fühlte, sich der Herrschaft seines alt angestammten Bandes zn begeben, wnrdc nun in einen heftigen Kampf mit dem neuen Ankömmling verwickelt, sah sich aber nach einem ------ 202 — dreijährigen Streite gezwungen, seine frühere Hauptstadt Konari aufzugeben und sich mit dem Reste seiner Anhänger in den östlicher gelegenen Gegenden eine neue Heimath zu snchen. Hier ward er von dem Herrscher von Gando mit offenen Armen aufgenommen, welcher ihm den ausgedehnten, wenn auch nicht sehr frnchtbaren, Landstrich westlich vom Niger anwies, wo er nun fchon ungefähr 30 Jahre ansässig ist. Die Herrscher von Ssototo und Gando waren nämlich, wie oben bereits erwähnt wurde, ebenfalls nicht gut zu sprechen anf das Treiben Vebbo's und seines Sohnes Ahmedu, da jener in einer Art puritanischen Eifers den Versuch gemacht hatte, an die Stelle der von Mohammed ertaubteu Vierweiberei (Tetragamic) die Bigamie zu setzen und andere strengere Regeln einzuführen. Demgemäß hatte er an jene beiden Herrscher und deren Unterthanen uuter Androhuug eiucs fciudlichen Einfalles die Furdrruug gestellt, die Zahl ihrer Weiber auf zwei zn befchränken, so wie auch ihrer weibischen weiten Kleidung zu entsagen. Gawidjo uud seiue Stammcsgcnossen hatten übrigens die Sitten und Einrichtnngcn ihrer ursprünglichen Heimath getreu bewahrt und bildeten so eine besondere Gemeinde ohne die geringste Uebereinstimmung mit den Gebräuchen der Umwohner. Im Gegensatz zn den schlanken ssulbe in ihren weiften Gewändern waren sie untersetzte, kräftige ^ente mit offenen, ruuden Zügen nnd langem, fchwarzem, bufchigem Haar, alle gleichmäßig in hellblanc Toben gel'lcidet uud ohne Ausnahme mit Fcnergcwehr bewaffnet; viele der letzteren waren französische, vom Senegal eingeführte Doppelflinten. Die edle Haltung mehrerer Hoflente setzte mich wirtlich in Erstaunen, denn sie hatten in der That in diefer Hinsicht für Europäer gelten können. — Der alte Häuptling unterhielt damals noch einen ununterbrochenen Verkehr mit Timbnltn, wo sein ältester Sohn znr Zeit studirtc. Ueber das Geschenk eines ans Seide uud Baumwolle gewebten weißen (sogenannten Helali-) Bernus empfand Galaidjo eine große Freude und bewirthete mich, so weit seine Vermögensnmstäude es ihm erlanbten, reichlich dafür. Aus Rücksicht auf die von dcu Bewohnern der Stadt Larba bedrohte Straße blieb ich noch einen zweiten Tag in Tschampagore, um den Anschluß einiger Reisegefährten abzuwarten, nnd setzte meine Reise erst am 28. Juni fort. — Das Land, durch welches wir zogen und iu welchem auch die Herrschaft Galaidjo's liegt, führte den Namen Gurma, ein Name, der wahrscheinlich nicht von den Ureinwohnern des ------ 203 ------ Landes, sondern don den früher mächtigen Nachbarn, den Sfonrhai, herrühren mag. Der südlicher gelegene Theil von Gurma war noch im Besitz cingeborner Häuptlinge, da die Falbe sich darauf beschränkt hatten, nnr dic Hauvtverbinonngsstraße mit ihren westlichsten Besitzungen zu sichern. Allein die Macht der Fnlbe war hier sehr im Abnehmen, da nicht nnr die eiugeboruen Gurma, sondern anch die ehedem eingewandertcn Ssonrhai ihre erbitterten Feinde find. Unser Weg fährte durch eine hügelige Landschaft, die wohlbe-waldet und von einer Anzahl kleiner trockener Rinnsale durchschnitten war. An einigen begünstigten Oertlichkeiten sah man schöne Saat auf den Feldern stehen nnd auch an Vieh fehlte es nicht. Anßer den trockenen Rinnsalen mußten wir anch einen sehr reißenden Bach passircn, der, im Allgemeinen von Südwest nach Nordost fließend, nnsern Pfad in vielfach gewundenem Lanf durchschnitt. Bald darauf, etwa zwei Meilen von Tschampagore, bei dem Orte Tschmnpalaucl, hatten wir aber ein ganz ansehnliches Gewässer von 3^ Fuß Tiefe und 40—50 Schritten Breite, zn überschreiten. - Der'znlctzt genannte Ort bot einen schlagenden Beweis für den Verfall der Macht der Fulbc in diesen Gegenden. Bor etwa zwei Jahrzehnten, noch die Residenz cineS durch seine Körpcrstärke und seinen Kriegsmnth berühmten Häuptlings derTorobc oderTorodc (—des aristokratischsten Stammes der Fulbc—), war es jetzt unter einem Bruder desselben ein verfallener, verödeter Ort nnd bot, versteckt in der dichten Waldung, welche auf den geringen Resten der Erdwälle wnchs, einen gar trostlosen Anblick. Als wir diesen heruutergekommenen Sitz der Torobe am folgenden Morgen kanm verlassen hatten, kamen wir an dem Lager einer bedeutenden, etwa hundert Mann starken Karawane Guro-Händler vorüber, welche die im afrikanischen Ainncnlande unsern Kaffee vertretende Nnß von Gondja, der nördlichsten Tribntärpruvinz des Aschanti-Rciches, auf einigen hnndert Eseln in die Hanssa - Landschaften ver> führte. Hier in diesen westlichen Gegenden ist der Esel das einheimische Lastthier und besonders ansgczeichnet in dieser Beziehung ist der Esel von Mo-ssi. — Die Landschaft war hügelig, ziemlich gnt angebant und dicht bevölkert; der Baobab (Affenbroobaum) und ein anderer schöner, reich belaubter Baum, der hier „haruna" genannt wird, bildeten die Hauptzierden derselben. Unser Marsch an diesem Tage war nnr kurz, und um nicht in einer sehr unsichern Gegend, die vor nns lag, übernachten zn müssen, lagerten wir in einem Dorfe eingeborner Gurma. Es ist ein bemerkenswerther Umstand, daß da, ------ 204 ------ wo Fulbe fchlcu, auch die Viehzucht fehlt, selbst wenn ein Ort ganz auf Landwirthschaft angewiesen ist, wie dies mit diesem Gurma^ Dorfe der Fall war. Eigenthümlich war die Wohnnng, in welche man mich einquartiert hatte; sie stellte mit ihren zahlreichen Abtheilungen uud kleinen Höfen ciu vollkommenes Labyrinth dar. Für den W. Iuui hatten wir einen langen Tagemarsch vor uns; er führte durch die unsichere Wilduiß, welche die verfallene Herrschaft des Häuptlings der Torobe von dem Gebiete von Uagha trennt. Es war ein schöner, ziemlich heiterer Morgen. Kornfelder unterbrachen von Zeit zu Zeit den dichten Wuchs der Mimosen und des Dornen-gebüschcs, während dann nnd wann ein Baobab oder eine Tamarinde der Scenerie eine größere Mannichfaltigkcit verlieh. In der Entfernung von ein paar Stunden von dem Orte uufcrcS Aufbruchcs ließen wir einige eigenthümliche Schmelzöfen von etwa 6 Fuß Höhe und iz Fuß Durchmesser an der Basis zur Rechten unseres Pfades. DaS Verfahren beim Schmclzeu ist überaus einfach und natürlich: man häuft auf dcu cisenhaltigcu Stein eine große Menge Brennholz, das man in Brand steckt, bis das Metall zu schmelzen beginnt, woranf das Eisen vermittelst freier am Fuße des Schmelzofens angebrachter kleiner Rinnen in einem Becken aufgefangen wird. Es waren zufälligerweise die ersten Einrichtungen der Art, die ich im Sudan bemerkte , obgleich es in einigen Gauen eiue Menge derselben giebt. — Es fehlte auch weiterhin dem spärlich bewohnteu Vandstrich nicht an Abwechselung; dichte Waldung und Anhöhen unterbrachen die Ebene, bis allmählich das Land einen felsigen Eharakter annahm. Obgleich nun die ganze Wildniß im Allgemeinen trocken war, so war sie doch nicht ganz ohne Wasser und wir ftasfirten in der ersten Hälfte unseres Marsches einen ansehnlichen Teich mit zahlreichen Elevhantensfturen, die sich auch weiterhin an geeigneten Ocrtlichkeiten zeigten. Noch mehr Interesse für mich hatteu die Spuren vom Rhinoceros, die wir in der Nähe unseres Nachtlagers bemerkten und die mir seit Baghirmi nicht vorgekommen waren; dcun es scheint dicscö Thier zwischen dem Schari und dem Niger, mit Ausnahme einiger Gegenden von Ada-mcma, gänzlich zu fehlen. Wir lagerten endlich an der Stätte eines früheren Weilers auf ansteigendem felsigen Boden, der eine wasserreiche, mit einem schönen Wicscngrund bekleidete Niederung beherrschte. Das Ganze war recht anmuthig und zahlreiche Schmetterlinge schwelgten iu den süßen Blüthen der den Rasenteppich schmückenden Blumen; die Hö'henzügc ringsum bestanden aus Granit und rothem Sandstein.— ------ 205 ------ Ein heftiges Donnerwetter störte unsere Nachtruhe und der strömende Regen trug weder dazu bei, dieselbe behaglicher, noch nnsern Marsch am andern Morgen angenehmer zu machen, besonders da er nebm sandigem auch zmu Theil über sumpfigen Boden führte. Elephanten-spuren und Äaobabbänme waren wieder häufig. Gegen Mittag Wurde die Oberfläche des Bandes ranher, von kleinen Felszügen unter-brochen, und nachdem wir zweimal bedeutend abwärts gestiegen waren, gelangten wir in das Ssonrhai-Dorf Bo-ssebango; es lag am Fuße einer wohlbewaldeten Anhöhe, die zumeist ans Gneis und Grüustein bestand, während auch schöne Arten von Granit sich hier und da zeigten. Auf der ganzen Reise, seitdem wir uns dem Niger genähert hatten, so wie auch in den Landschaften westlich von demselben hatte überall großer Mangel an Korn geherrscht, su daß ich nur mit größter Noth den nöthigen Bedarf für meine ^cute und Thiere hatte auftreiben können. Hier in Bo-sscbango schien zum ersten Mal Uebcrfluß zn sein, nnd wir wurden von dem alten Häuptling sehr reichlich bewirthet. Mir selbst wies er in seinem eigenen Hause meine Wohnung an, so daß ich Gelegenheit hatte, etwas mehr von seinem Haushalte zu sehen. Das Interessanteste in demselben waren entschieden seine beiden Ehehälften, sehr wohlgenährte Weiber mit reichem Schmuck von Kupferringen an Arm und Bein, so wie mit Perlenschnuren mn dcn Hals; sie trugen aber außerdem noch eine dünne Zinnplattc, ähnlich derjenigen, wie sie die Marghi haben, in der Unterlippe. Dagegen vermißte ich dcn Nascnring, Welchen ich nach dcm, was ich sonst gehört, als allgemeine Sitte bei der ganzen Ssonrhai-Nation vorausgesetzt hatte. Im Ganzen genommen, würden diese modern ausstaffirten Damen mit ihrem alten schmutzigen Ehehcrrn eine überaus interessante Gruppe zur Beleuchtung der Sitten nnd Gebräuche der Eingebornen gebildet haben, wenn man von ihnen cine Zeichnung hätte machen tonnen. Seit Ssai fühlte ich mich körperlich nicht ganz so wohl und kräftig als gewöhnlich, befand mich vielmehr hänfig in einem sehr erschöpften Znstand. Dies verhinderte mich auch hier, in meiner sonst gewohnten Weife umherznstreifcn, obgleich nördlich am Dorfe der nicht unbedeutende Fluß Sfirba hinfließt. Es war mir ein sehr ungewohnter Anblick, die wasserholendcn Frauen nicht wie überall im Sudau das Wasser iu einzelnen Krugen auf dem Kopfe tragen zu sehen; sie bedienten sich eines Tragholzcs, wie dies in manchen Gegenden Deutsch- ------ 206 ------ lands im Gebrauche ist, an dessen beiden Enden Netze befestigt waren, in welchen Kruge statt der Eimer hingen. An andern Morgen (den 3. Juli), als wir kaum 100 Schritte zum Dorfe hinaus waren, kamen wir an's Ufer des Flusses Ssirba; es war etwa 20 Fuß hoch. Der Flnß beschrieb hier eine Biegung von NW. nach NO. uud machte uns bei einer Breite von fast 100 Schritten und einer Tiefe von nicht weniger als 12 Fuß (in der Mitte) einige Sorge; denn wir hatten überdies unsere Uebcrfahrt ganz allem auf Rohrbündeln zu bewerkstelligen, und mußten diese erst selbst znsammeu-binden. Nach vielem Streit gelang es uns endlich, die Eiugcborueu für eine Summe von 2000 Muscheln zu gewinnen, uus bei der Ueberfahrt behülflich zu sein. Während die großen Nohrbnndel, welche unsere schwache Fähre bilden sollten, zusammengebunden wurden, saß das Dorfoberhanpt mit einer großen Anzahl Cingeboruer auf dem hohen Ufcrraude, der eine Art Amphitheater bildete, um das Schauspiel unseres Uebcrgauges zn genießen. Die Bewohner des Ortes hatten im Ganzen einen höchst eigenthümlichen Eharaktcr. Der männliche Theil derselben bildete interessante Gruppen, im Gespräch oder in der Arbeit begriffen; ihre Ge-sichtözüge warcu doll Ausdruck, hatteu aber einen gewissen weiblichen Charakter, der wohl besonders dem in lange Ringcllockcn gewundenen Haare zuzuschreiben war, das über ihre Wangen herabhing und bei Einigen bis auf die Schulter reichte. Ihre Kleidung bestand iu kurzen blauen Hemden uud laugeu, weileu Beinkleidern von derselben Farbe. Fast Alle hatteu kleine Pfeifen im Mnnde, aus denen sie unaufhörlich rauchten. Die Frauen waren von etwas kleiner Statur uud uicht eben sehr symmetrischen Formen, dabei Beine nnd Buseu unbedeckt. Ihr Nacken uud ihre Ohreu warcu mit Reihen von Perlcu geschmückt; aber auch hier vermißte ich den Naseuring, welchen ich bei diesem Stamm als allgemein im Gebrauch vorausgesetzt hatte. Die Männer waren erfahrene Schwimmer uud brachteu alle kleinen Gegenstände uuseres Gepäckes iu großen Kummen über den Fluß; aber mit nnsercm schwereren Gepäck mußten wir selbst auf den Rohrfähren übersetzen. Durch dcu Eifer der Ssonrhai-Iugeud jedoch gelang es uns, in Zeit von zwei Stuudcu glücklich mit uuserer ganzen Schaar über den Fluß zu kommen. Wir verließen etwas nach Mittag das gegeuüberliegcude Ufer, faudcu aber bcdeuteude Schwierigkeit, unseren Weg durch die sumpfige Ebene fortzusetzen, da letztere von mehreren kleinen Wasserriunen durchzogen war, die ------ 207 ------ in tiefen Schluchten von einer nach Norden zu gelegenen Felskette Herabfamen. Am nächsten Tage erreichten wir die schon im Gebiet von Uagha liegende Stadt Bundorc. Der Weg dahin führte meist durch dichten, wenn auch nicht sehr hohen, Wald, zum Theil mit üppiger Vegetation, so daß er Elephanten nnd Büffeln zum Aufenthalt diente (von ersteren sahen wir eine ganze Heerde), zum Theil mit unebenem felsigen Vo-den, nnter dessen Gestein (Gneis) ich anch große Stücke einer schönen Art Marmor fand. Auf den Wald folgte gewelltes Terrain, geschmückt mit großen Bäumen, unter dcuen neben dem Baobab die Doroa vorherrschte. — Bnndore zeigte Spuren von Betriebsamkeit; ich bemerkte eine nicht unbedeutende Färberei und iu der Nähe meiner Wohnung einen Grobschmied. Die Hütte« wareu aus Rohr- uud Mattenwert errichtet, welches die Seitcnwä'nde bildete und neuu Fuß hoch mit Thon beworfcu war; die Dächer bestanden auffallenderweisc nicht aus Acstcn und Zweigen, sondern aus dicken Pfähleu. — Da ich mir nicht gleich das nöthige Getreide verschaffen tonnte, mußten wir eiueu ganzen Tag hier liegen bleiben. Negerhirsc wurde in der ganzen Umgegend nicht gebaut, souderu uur Sorghum. Die Laudschaft, die wir uach unserem Aufbruch vou Bundore durchzogen, war reich mit Bäumcu bestanden, vorzüglich Tamarinden, und bot deutliche Beweise ausgcdehuteu Aubaucs; ich bemerkte selbst Indigo- und Vaumwollpflanzungeu. Weiterhin wurde sie großen-thcils von dichten Waldungen bedeckt oder schmückte sich mit einem reichen Teppich schöner Blumeu, uutcr denen besonders die „amadu" genannte Äliacee häufig war; es war dies ein ganz ungewohnter lebensvoller Anblick, da diefe Gegend Afrika's im Allgemeinen etwas arm an Blumen ist. Aber Wald und Blumeu wurden von einem gewaltigen Negenfall ganz unter Wasser gesetzt, so daß wir froh wareu, in einein Dorf ein Unterkommen zn finden. — Auch der uächstc Marsch ging mit wenig Unterbrechung durch eine waldige Wildniß, erst Gebüsch, dann dichten, hohen Wald. In dieser Wildniß machte sich bald jener große, schöne Baum bcmcrklich, der auch im Flußgebiet des Schari häufig ist uud dort „korgam", hier, wenigstens von den Arabern, „mur" genannt wird und ans dessen Holz die Flußauwohncr ihre Boote bauen, während sein Mark eine Art vegetabilischer Butter liefert. Der Baum erreichte hier eine Höhe von gewiß nicht weniger als 80 Fuß und hatte eine sich weit ausbreitende Krone, aber kein sehr dichtes Laub. Im Unterholz fanden sich mehrere Sträucher ------ 208 ------- mit eßbaren Früchten, wie der „kirtsche" mit kleiner, weißer, schr süßer Frucht und der „mechct", dessen Frucht sehr hoch geschätzt wird, aber noch nicht reif war. — Auf den Wald folgte sumpfiges Wiescnland, dann felsiger Boden und endlich ein fruchtbarer, volkreicher Bezirk, bis wir nach eiuem Tagrmarsch von drei bis vier deutschen Meilen die Thunmaueru der Stadt Sscbba erreichten,, der Residenz des Herrn von Jagha. Der kleine Fiirst saß gerade vor seinem Hause inmitten einer großen Anzahl von Vcuteu, denen er einige Kapitel aus dem Kuran vorlas uud auch erklärte. Vielleicht erholten sie sich Raths in dem heiligen Buche, wie sie sich bei der Annähcrnng eines Christen zu benehmen hätten. Mag dein nun sein, wie ihm wolle, es war jedenfalls ein anzieheudcs, ächt patriarchalisches Bild. Die Vorsicht, zwei Diener vorausgesandt zu haben, verschaffte mir sehr schnell ein Quartier, und zwar war die nur angewiesene Hütte so vortrefflich eingerichtet, daß ich sie etwas näher beschreiben und durch Zeichnung erläutern will. Sie hatte etwa 20 Fuß im Durchmesser und ihre Wände waren bis zum Aufsatz drs DachgerüsteS 10 Fuß hoch, bestand aber ganz allein aus Matteuwcrl, welches mit Thon bekleidet war; 1 Eine aus den Seiten abgerundete, etwa I Fuh hohe Thonbanl an beiden Seiten de« Ainaannes. 8 Zwei runde, etwa« vertiefte Löcher in der ßlur, von etiva n Zoll Durchmesser, um die Schüsseln (runde, »iefr, leicht umfallende hölzerne Kummen) während der Mahlzeit feststellen ,u tonnen, l! Ein von einer leichten und etwa Ä^ Fuh Hoden Thonwcind umgebener baldeiförmiger Naum, der zur Aufbewahrung uon Gepäck ober anderem Gerätb, auch mitunter Korn, benutzt wird, 4 Line etwa « Fuß lange. I Fuh hohe, aber schmale Thonbank, b Drei «rohe Thonurnen zur Aufbewahrung des Korns, « Fünf lleinere solcher Urnen. ? Der Kochplah, von vier Steinen oder runden Thonkluniften gebildet und aus der nach der Thür zu befindUchln Seite durch eine leichte Mauer aeaen etivaiac Mindstöhe geschützt. Lie grohen Thonurnen allein verleihe» diesem Älaume schon ein newish« heimisches Wesen, 8 Zwei bewegbar« Sitze, der eine von runder, der andere »on ländlicher Gessal», aber beide von Hol» V Der Slühpsosten in der Mitte der Hütte, der da« Dach trägt. ------- 209 ------ das Dach ward in der Mitte von einem Pfosten getragen. Die Hütte war mit größeren und kleineren Thongefäßen angefüllt und augenscheinlich für einen anfchnlichen Haushalt bestimmt. Außer den unbeweglichen Artikeln war, wenn wir die kleinen hölzernen Schemel ansuehmcn, von der guten Hausfrau nur wenig Geräth in der Hütte zurückgelassen worden; auch das Rohrlagcr uud sogar die Schüsseln hatte man fortgetragen. Vom Dache hing nur noch ein Korb zum Anfbcwahrcn kleinerer Gegenstände herab, welcher nichts als ein Schiffchen zum Weben und eine kleine lederne Schreib-tasche enthielt. Im Ganzen wird die nachstehende Ansicht, wiewohl sie das Innere der Hütte in etwas umgekehrter Weise zeigt, dem Leser eine klare Vorstellung von ihren: Charakter geben. Da der Thon noch sehr glatt aussah — denn die Hütte war erst neu errichtet —, machte das Ganze einen überans frenndlichen Eindruck, aber, wie das im menschlichen Leben so oft der Fall ist, verdeckte all' dieser schöne Schmuck nichts als hinfällige Jämmerlichkeit. Zu meinem größten Erstaunen nnd Entsetzen gewahrte ich am nächsten Tage, daß diese freundliche Hütte nichts als cm Nest von weißen Erdameisen war, die schon im Verlauf des ersten Tages unter meinem gesammtcn Gepäck eine große Niederlage angerichtet hatten. Am Nachmittage nach meiner Ankunft machte ich dem Statthalter die Aufwartnng, und da er nicht ganz machtlos ist, hielt ich es für gut, 5hm außer einigen kleineren Gegenständen noch einen Bernus von geringerer Güte zu opfern. Er war ein wohlgewachsener Mann von Naith'a Reisen. II. 14 ------210 ------ stattlichem Aussehen und mit großen Zügen, die auf einmal seine Abstammung von den Torobc, dem dunkelfarbigen Stamme der Fulbe, hinlänglich anzeigten. Er saß gerade am Eingänge seiner geräumigen, aber einfachen Thonbehausnng uud empfing mich mit großer Freundlichkeit, indem er mir ohne Weiteres versprach, daß nichts meine Weiterreise hindern solle; auch bewies er sich nach Kräften gastfreundlich. Die kleine Herrschaft Aagha datirt ans der Zeit, die der Eroberung der Fulbe vorausging. Die Hauptstadt befand sich jedoch damals in dem armseligsten Zustande und glich eher einer durch eine Mauer eingehegten und gepflegten Wildnis;, als einer Stadt; denn sie enthielt ein eng verwachsenes Dickicht schöner, von einem ansehnlichen Wasserbecken genährter Bäume. Allerdings bekam sie dadurch ein malerisches Ansehen, dabei zählte sie aber kaum 200 Hütten und hatte nichts, was einem Markte ähnlich sah. Es machte uns denn auch große Schwierigkeit, den nöthigen Bedarf an Nahrung und Futter herbeizuschaffen, zumal man sich auffallenderweise weigerte, Mnschelu an Zahlnngsstatt anzltnchmen. — Ungeachtet der armseligen Beschaffenheit des Ortes mußte ich zwei volle Tage hier bleibeu, um meinen von der Regenzeit angegriffenen Kameelen einige Ruhe zu gönnen; anch wollte ich das Fest des nFotr" (Aufhören der Fastenzeit) vorübergehen lassen. Hätte ich aber das fast bäum- und futtcrlose und von bcfrnchtendcn Regen noch ganz unberührte Terrain der Provinz Libtalo bereits gekannt, ich würde hier noch eine längere Rast gehalten haben. Am 8. Juli wurde jeues Fest gefeiert; Trommelschall hatte schon nm Mitternacht den Fastenbrnch verkündet und am Morgen zog die gesammtc Bevölkerung zur Stadt hinaus, um in ciuer Entfernung von etwa einer halben Stunde von der Mauer ihr Gebet zu verrichten. Die Fulbc erschienen bei dieser Gelegenheit ohne Ausnahme in schneeweiße Hemden gekleidet, ein Zeichen der Reinheit ihres Glaubeus. Den 9. Znli verließen wir Ssebba, diese „Residenz der Wild-niß" —„birni - n - dadji"—, wie ich sie nannte, und durchzogen einen Gan, in welchem Wald nnd Nnban mit einander wechselten. Auf den Aeckern waren Sklaven mit dein Ausjäten des zwischen der Saat wuchernden Unkrantcs beschäftigt, ^lach cincm Marsche von etwa einer Meile mnßten wir dann ein recht ansehnliches Gewässer überschreite», das hier ..Mi" genannt wird. Aali ist wahrscheinlich der allgemeine Gurma-Name für „Fluß", und als der eigentliche Jali dieser Gegend ist wohl der im weiter« Verlaufe meines Marsches zu erwähnende Fluß zu betrachten, der mit dem jetzt genannten in ------ 211 ------ keiner Verbindung zu stehen scheint, obgleich ich außer Stand bin, über seiueu Lauf etwas Genaueres mitzutheilen; den Angaben der Eingebornen zufolge soll er von Mo-ssi kommen. Einige, mit denen ich über diesen Gegenstand sprach, behaupteten, daß dies Wasser sich unweit von Bo-sfebaugo mit dem Flusse Ssirba vereinige; aber daran ist gar nicht zu denken. Genug, es machte uns dieser zur Zeit sehr bedeutende Waldstrom bei einer Tiefe von 4^ Fuß und einer Breite von wenigstens 600 Schritten viel zu schaffen, und der größte Theil unseres Gepäckes ward durchnäßt. Weiterhin nahm die Landschaft einen felsigeren Charakter an; Grünstein, Granit und Gneis wechselten mit einander ab; der Granit zeigte sich an vielen Stellen in großen Blöcken. Auch der Pftanzen-wuchs entwickelte eine größere Mannichfaltigkeit und im Allgemeinen hatte die Waldung ein frisches und gefälliges Ansehen. So erreichten wir nach einem Marsch von 5^ Stunden das nicht unwichtige Dorf Namantugu, einen Ort, der auch für mich bedeutungsvoll werden sollte. Hier uämlich, wo die Straße von Belanga (— Land und Hauptstadt des mächtigsten der > unabhängigen Gurma - Fürsten-^), von Süden kommend, mit derjenigen sich vereinigt, welche ich verfolgte, traf ich einen Arabermischling aus Walata — einer altberühmtcn, etwa 50 Meilen westlich von Timbuktu gelegenen Stadt —, der bestimmt war, im weiteren Verlauf meiner Reise bis Timbuktu eine höchst wichtige, jedoch nicht immer segensreiche Nolle zu spielen. Dieser Mann nannte sich Schcicho, aber dies war nicht sein eigentlicher Name; ich werde ihn deshalb auch, um Verwechselungen zu vermeiden, in meiner Erzählung künftig Ueled Ammer Walati, d. i. Sohn Ammer's aus Walata, nennen. Mleo Ammer war jedenfalls ein höchst eigenthümlicher Bursche, und ich werde im Verlauf meiner Neise öfter Gelegenheit haben, auf seine Thaten zurückzukommen. Aus seiner Heimath nach Timbuktu übergesiedelt, hatte er sich von da aus viel unter den Tuareg und Fulbc umhcrgetricbcn und war eben jetzt auf dem Rückweg von Bclauga begriffen; als Ertrag seiner Neise führte er einen hübschen Vorrath breiter Baumwollstreifcn aus Mo-ssi mit sich, welche die gangbarste Münze in dem ganzen Landstrich zwischen Libtako uud Timbnktn bilden (10 „Dra" oder kurze Ellen haben einen Werth von 100 Muscheln). Außer Arabisch sprach mein neuer Freund auch Fulfulde, Ssonrhai, Mo - ssj und Bambara fließend und fast eben so geläufig Tema - schirht oder die Sprache der Tnareg. Er war von mittlerem, etwas schlautem 14' ------ 212 ------ Wuchs und hatte feingeschnittene, ausdrucksvolle Züge, in denen eine gewisse Gutmüthigkcit zu liegen schien. Seine gewöhnliche Klciduug bestand aus einer langen schwarzen Tobe und einem gleichfarbigen Shawl, den er um den Kopf gewunden hatte; seine ganze Er-scheinuug, wie er nachdenklich und feierlichen Schrittes einherwandelte, gemahnte mich oft an die ernsten Diener der Inquisition. Er erwies sich denn auch wirtlich als einen der verschlageustcu Männer, denen ich überhaupt auf meiner Reise jemals begegnet bin, und ich kann ihm die Auerl'cunnng seiner vielfachen Talente uicht versagen, trotz der vielen Schwierigkeiten, welche er mir bereitete, uud der argen Streiche, die er mir spielte. Damals war ich erfreut, eiuen solchen Manu ge-fundeu zu habeu, dessen Begleitung nud Freundschaft mir sicher dafür zu bürgeu schienen, daß ich Timbuktu wirklich erreichen würde. Bor der Hand aber schloß ich noch keinen festen Kontrakt mit ihm ab; dies sollte erst in der Hauptstadt von Libtako, ill Dorc, gescheheu. Das Dorf Namantugu ward fast ausschließlich von Fulbe bewohnt, die — vom gestrigen Feste her — noch alle in das reinste Weiß gekleidet waren; selbst die kleinen Kinder hatten ihren Kopf mit einem großen Turban von weißen Baumwollstreifen geschmückt. Bei unserm Aufbruch legteu wir eine Strecke Wegs in Begleitung einer wohlhabenden Fulbe-Familie zurück, bestehend aus Vater, Mutter, Sohn und Tochter, alle beritten nnd von einer zahlreichen Viehheerde begleitet. Die unverdorbenen nomadischen Fulbe des Westens unterscheiden sich sehr vorthcilhaft von den entarteten und verweichlichten Fellani-n-Ssokoto. Die Gegend, die wir dnrchzogcu, war aufangs sehr wasserreich, da bei der geringen Neiguug des Bodens sich leicht Wasseransammlungen bildeten. Felder sah man wenig, dagegen viel Wald, und als wir nns der Hauptstadt vou Wtako näherten, wechselten Weidegrüude mit nacktein, dürrem Land. Namentlich iu der nächsten Nähe vou Dorc bot die Landschaft den Allblick einer ausgedörrten Ebene, über die aber — für mich ein ungewohnter Aublick — zahlreiche Gazellenhcerden dahin jagten. Nichts, kein Baum, außer einigen wuuderbar verkrüppelten Baobabs, unterbrach die unbegrenzte Fläche; nur im Süden schlössen fern zwei kleine Anhöhen den Horizont ab. Wir erreichten Dorc, etwa 10 Meilen von Namantngu, am zweiten Tag, seitdem wir letzteres verlassen, indem wir von dort aus unsere bis dahin im Allgemeinen wcstnordwestliche Marschrichtung in eine mehr nordwestliche geändert^hatten. ------ 213------ Dore verdankt seine Entstehung ben von Othman dan Fodie hervorgerufenen Religionstämpfen. Etwa auf der Halbscheid des Wegs von Namantugu lag die Stadt Tumftenga — wir ftassirten die Stätte am Anfang des zweiten Tageinarsches —, bewohnt von mohammedanischen Fnlbe und heidnischen Eingebornen, zwischen denen nach dem Auftreten des Reformators ein blntiger Zwist sich entspann. Die Heiden wurden besiegt und flohen in das südliche Gurma; aber auch die Fnlbe verließen den zerstörten Ort und gründeten Dore. Ich fand mich jedoch in der Erwartung, ein hübsches, regsames Städtchen zu finden, sehr getäuscht; nichts als die augenscheinlichsten Beweise von Elend und Verfall traten uns überall entgegen. So wenig nun das Aeußere des Ortes irgend eine Bedeutung verspricht, so ist Dore dennoch ein Verkehrspunkt von einiger Wichtigkeit, an dem ein ganz ansehnliches Geschäft gemacht wird. Hierher kommen vorzüglich die Araber vou Asauad, den: nördlich von Timbuktu gelegenen Wüstenstrich, und bringen das berühmte Steinsalz von Taodcnm in großer Menge zu Markte. Sie überschreiten den Niger östlich von Timbuktu, entweder bei der Flußcngc von To-sfe oder, indem sie dem ^auf des Stroms noch bis nach Gogo oder Ga-rho folgen, südlich von diesem Ort bei Gona; aber welchen Weg diese Leute auch immer nehmen mögen, alle Straßen vereinigen sich an dem großen seeartigen Hinterwasser des Niger, dem Chalebleb (etwa zehn Meilen nördlich von Dore), welches ohne Zweifel nach der Regenzeit mit dem Strome selbst in Verbindung steht. — Von diesen Arabern erfuhr ich, daß Hameo Uilled Habib, der Häuptling von Arauan (— ungefähr unter 10° 2l)' n. Br. und 4° w. ^. v. Gr. —), welcher in Folge von CaiW's Angabe in Europa gewöhnlich für den Hauftt-mörder des englischen Reiseudcu Major Kaing angesehen wird, nach einer Herrschaft von beinahe 40 Jahren endlich vor Kurzem gestorben sei. Außer diesen Arabern tommcn hierher zn Markte die Ssonrhai, vor Allen die Bewohner der alten Ssonrhai-Hauptstadt und des ehemaligen Mittelpunktes des Goldhandcls im ganzen Sndan, Gogo oder Ga-rho; sie sowohl als die Anwohner des Niger im Allgemeinen bringen besonders Butter und Korn und zwar fast allein Negerhirse (?6nm3 wl'stlich»'. 'i'nlfie-Al'ich non AtaWa. ^>l!i,lilst i» 8slna>i>nno. ^ Mchsahrt ,wu l^a »lach ^üil)ar«i. -wm äi«tmwim), die wir zweibeinigen Wanderer zu nnscrer größten persönlichen Zufriedenheit seit Ssukoto nicht angetroffen hatten. Heftiger Regen nöthigte nns am andern Tage, bis zum Nachmittag in dem sehr nnbehaglich gewordenen Lager liegen zu bleiben^ In Folge der überaus großeu Nässe lag mein Freuud aus Walata am Fieber trank nnd aus demselben Grnnde war mein zweitbester Diener schon seit einer Reihe von Tagen vom Guineawurme so heim- ____ 22Z ____ gesucht, daß er dollständig gelähmt und zu jedem Dienste unfähig war, Zufälligkeiten, die gewiß nicht geeignet waren, die ohnehin überaus beschwerliche Reise angenehmer zu machen. Ich selbst empfand noch leine üble Einwirtnng der Jahreszeit, obgleich ich mich seit unserem Aufenthalt in Ssai mehrere Tage sehr angegriffen gefühlt hatte. Erst am Nachmittag konnten wir weiter marschircn nnd erreichten, nachdem wir bei einbrechender Nacht nicht ohne Gefahr cin höchst ausgedehntes und tiefes Wasser Passirt hatten, das Dorf Film, desfen eigenthümliche Banweisc, die auch in anderen Dörfern dieser Gegend herrscht, eineu gauz unheimlichen Eindruck auf mich machte. Diese besteht darin, daß die Thonwohnnngcn nach Anßen hin sich hart an einander reihen, wodurch das Ganze cin düsteres, festnngsartigcs Ansehen bekommt, zumal wenn die Hütten, wie es hier in Filio der Fall war, hohe, thurmähnlichc Eingänge haben, nach Art der oben abgebildeten Kornmagazine in Tschamdagore. Das Dorf bestand ans meh> rcrcn einzelnen solcher Kastelle ober Hüttengrnppcn. Dem Namen nach stand Filio schon nnter dem Statthalter von Gilgodji loder Djilgodi), der östlichsten Provinz des Fnlbc-Ncichs Massina, in Wirf-lichkeit aber schienen die Einwohner unabhängig zn sein. Sie hegten sogar einen grimmigen Haß gegen die Fulbc und das Gefühl der Unabhängigkeit drückte sich dcntlich in ihrer Haltung und in ihrem Betragen aus. Die Männer geben sich dem von den fanatischen Fnlbe von Massina verpönten Tabaksrauchen ohne Einschränkung hin uud die Fraucu tragen einen Ueberfluß an Schmuck; außer den sonst iiblichen Arm- und Bciuringcn sah ich bei ihnen noch einen Knpfer-ling am Handgelenk. Auch in Filio mußte ich einen Tag liegen bleiben, um deu nöthigen Vorrath an Korn, hier ausschließlich Ncgerhirsc, einznkaufen. Als Tauschmittcls bediente ich mich in diesen Gegenden der sogenannten »Farrauel", die ich mir in Libtato verschafft hatte; es waren dies grobe baumwollene Schurzen, aus acht Stücken zusammengenäht. Nachdem so wieder für dcu nächsten Bedarf gesorgt war, zogen wir am 30. Juli weiter. Die Richtung nnsercs Marsches war eine westliche mit nur geringer nördlicher Abweichung, als hätten wir Tim-buktn unter dem fünfzehnten Breitengrade zn fnchen. Es war cin anmnthiger Morgen; starker Than war über Nacht gefallen und die Wasscrtropfen glänzten in den Strahlen der Morgcn-sonne, wie sie von dem stämmigen Kornrohr hinabglitten; denn schöne Saaten umgabeu rings den Ort. Reicher Baumwnchs verschönerte ------ 224 ------ das Land nach Silben hm; die Baobabs waren in voller Blüthe und die glockenähnlichen weißen Bluinen hiugeu von dcn kolossalen Zweigen herab und gaben dcr Seeuc eincn eigenthiimlichen Charakter. — Durch eine solche Landschaft führte unser Pfad auf höherem Boden entlang, bis wir nach eiucm Marsch von sieben Stunden die Ssonrhai-Stadt Tinge erreichten. Dieselbe war ebenfalls als „kasr" gebaut, wie die Araber die vorhin beschriebenen, festungsartig aus Thon gebauten Orte nennen; nur fehlten hier die thurmähnlichen Eingänge. Das eigentliche Städtchen lag auf dem Rücken eines Hügels, uud an desscu Fuß befand sich eiu ziemlich tiefer Teich, überwachsen mit vielen Wasserpflanzen, darnnter namentlich die1'i8tili,3tl'n,tiut,o8. Dem Ort gegenüber, auf einer aus der Ebene hervortretenden Erhöhung, lag eiu kleines Weberdorf von Mattenhütten, ein Zeichen der Betriebsamkeit dcr Bewohner von Tinge, für welche ebenfalls die wohlgepflcgtc Saat im Thale fprach. Der Ort (von dem ich hier eine Skizze beifüge) hatte denn auch Ucberfluß an Korn, und ich tonnte meinen Bedarf zu billigen Preisen eiutaufeu. Da es aber uoch auf dem Felde war und erst ausgestampft werdeu mußte, sah ich mich wieder zu eiuem eintägigen Halt genöthigt. Wie die Bewohner von Filio, so erfreuen sich auch die von Tinge, männliche sowohl wie weibliche, ihrer Freiheit und Unabhängigkeit in Vollem Maaße nach ihrem eigenen Geschmack. Sie rauchen den ganzen Tag, uud jeden Abeud, wenn es nicht regnet oder nicht gar zu finster ------ 225 -— ist, wird getanzt — eine Belustigung, die schon im 11. Jahrhundert der berühmte geographische Forscher El Bekri als den Ssonrhai ei. genthümlich beschrieben hat. — Außer mit Ackerbau beschäftigen sie sich, wie gesagt, mit Weberei, und ihre Erzeugnisse warm besser als meine von Vibtako mitgebrachten Farranel, jedoch nicht so gut wie das Gewebe von Gando. Außerdem verfertigen sie halbwollene Shawls und Decken, wozn ihnen meine englischen Stopfnadeln sehr geeignet erschienen, weshalb sie dieselben gern in Tausch nahmen. In diesen Landschaften nämlich giebt es schon wieder eine andere. Rasse Schaafe als die der Aequatorialläuder und sie liefern hinreichend Wolle, um eine nicht nubcdcuteude einheimische Industrie zn begründen. — Der einheimische Name der Bewohner von Tinge ist Beleede, die Fulbe, gegen welche sie sich bisher erfolgreich vertheidigt haben, geben ihnen den Stammnamen Kurmintobe. Die Edleren nnter ihnen entstellen ihr Gesicht nicht dnrch Einschnitte; Andere machen sich einen Einschnitt nnter dem Auge, von der Nase nach dem Backenknochen, nnd das be-" zeichnende Merkmal des gemeinen Voltes sind drei an der Schläfe, drei an der Wange und drei am nntcrn Theil des Gesichts gemachte Einschnitte. Aus dem beabsichtigten eintägigen Halt ward ein zweitägiger. Ein überaus gewaltiger Negeu war die Veranlassung dazu; deun nicht nur die ganze Thalcbene am Fuße des Hügels von Tinge war unter Wasser gesetzt, sondern anch alle Wege weit in's Vcmd hinein waren ungangbar geworden. Der vierte Theil aller Thon wohnnngen des Städtchens, die bei ihren flachen Dächern solchen Wolken-brnchartigen Güssen nur ungenügenden Widerstand leisten tonnen, litt mehr oder weniger; die Wohnung, in welcher ich einquartiert war, wurde gänzlich zerstört, wobei elf Ziegen umkamen, während die Haus-bewohner selbst kaun: noch Zeit hatten zn entkommen. Am 2. August endlich brachen wir auf, den Marsch dnrch diese gesetzlosen nnd zur Zeit von der Natur fast unzugänglich gemachten Landschaften fortznfctzen. Die Gefahr ward mm noch außerordentlich vergrößert, da wir nns denjenigen Bezirken oder Provinzen näherten, deren Statthalter dem fanatischen, in Hamd-Mahi residirenden Beherrscher von Massina in direkter Abhängigkeit unterworfen sind. Dieser, M- Zeit ein jnnger, eben znr Regierung gelangter Prinz, defsen Großvater den Major Lama, aus Timbuktu vertrieben und seinen Tod veran-laltt hatte, würde unter leinen Umständen einem Ehristcn erlaubt haben, die Ganzen seines Reichs zn überschreiten. Schon hatten mir Narth'« Meise,, ,, 15 ------ 226 ------ die Bcwohucr dieser Gegenden den Titel eines „Modibo" gegeben und ich mnßte mich mm entschliefen, ganz die Rolle eines vornehmen Arabers zu übernehmen nnd als „Scherif Abd el Kerim e' Schami" auf-zutreten. Die zunächst vor uns liegende Provinz von Massina war die Provinz Dalla. Entweder nun um dem Statthalter von Dalla auszuweichen, oder nni die Stadt Hombori zu erreichen, schlug mein Führer aus Walata vou Tinge aus eine ganz nördliche Richtung ein, statt der bisher cingehaltcueu nordwestlichen, ja, wir bogen sogar zugleich etwas nach Osten ab. Hombori mußte allerdings für mich ein recht anziehender Punlt sein, sowohl als Mittelpuutt ciucr gebirgigen Landschaft, als auch weil diese Stadt einer der ältesten fcsteu Wohn-Plätze des Sudans ist und schon von El Betri (im 11. Jahrh. n. Chr.) als unabhängige Residenz erwähnt wird. Später, zur Zeit der Blüthe des Ssourhai-Reichs, war sie ebenfalls stets der Sitz eines Statthalters sdesHomboriloi) nud sie bildet noch jetzt eiucu wichtigen Mart> platz. — In der Richtung uach dieser Stadt hin zog ich also wohl-gemuth mit meiner bunt znsammcngesetztcu Schaar ans Tinge aus. Viel Volts mit Hühnern und Milch begegnete uns auf dem Wege uach der Stadt, denn dic heftigen Regeiigüssc in den vergangenen Tagen hatten den Verkehr mit den benachbarten Plätzen gänzlich unterbrochen ; diese aber wnrden zumeist vou viehzüchtcndcn Fnlbe bewohnt, wenigstens in der vor nnö liegenden Landschaft. Wir tamen an mehreren Lagerstätten dieses Wauderstammes mit ovalen Hütteu aus Mattcnwert vorüber uud sahen Rindvieh in großer Menge; auch Schaafe und Ziegen fchltcu uicht. Der Auban des Bodens dagegen war spärlich, die Gegend einförmig uud aller anziehenden Züge bar. Wir überschritten mehrere uach Osten abfließende Rinnsale, darunter eins von etwa M) Fnß Breite, und übcruachtetcn in einem elenden, von armen, hier uicht mehr unabhängigen Ssonrhai bewohnten Weiler. Mittlerweile hatten wir in Hinsicht anf den Besuch der Stadt Hombori unsere Meinung geändert; derselbe wurde aufgegebeu, aus Furcht, daß in dem vou Araberu viel besuchten Marktort mein wahrer, noch in geringer Ferne wohlbekannter Charakter leicht an das Ncht kommen mochte. Dennoch behielten wir die Marschrichtung nach Norden bei, bis wir das Dorf Kubo crrcichteu, ti —7 deutsche Meilen von Tinge. Auf dem Wege dahin sah ich zum ersten Male seit Aaghirmi jenen in dichten Massen vernichtend einherziehenden großen schwarzen Wurm wieder, und bald darauf traten an seine Stelle große, in un- ------ 227 ------ begreiflicher Menge an einander gereihte Hänfen des kleineren rothen Wurms, einer nicht minder großen und wahrhaft abschreckenden Plage des Landmanns. — Die Umgebung von Kubo war sehr wasserreich, indem sich mehrere Teiche um das Dorf zogen; wohl aus diesem Grunde war der Bodcu voll von Erdamcisen, aber auch Schildkröten gab es iu großer Mrugc. Heftige Regengüsse zwaugen mich, hier abermals einen Tag liegen zu bleiben. Es war nicht allein der Verlust der Zeit, den ich zn beklagen hatte, auch die Schwierigkeiten der Reise mußten sich erhöhen, je langsamer dieselbe von Statten ging nnd je weiter die Kunde meines Unternehmens sich vor mir her verbreitete. Zunächst mußte ich befürchten, daß ich mit dein Herrn von Dalla zusammentreffen würde, der zur Zeit ganz in der Nähe, bei dem Orte Duua, sein Standquartier haben sollte; dahin glaubte nach langer Uueutschiedcuhcit der Walater auch unserm Marsch richten zu müssen. Ich bin später zu der Ucberzcngung gekommen, daß der durchtriebeue Araber während dieser ganzen Zeit daranf rechnete, es möchte sich ein günstiger Umstand darbieten, sich meiner zu cutledigeu und mein Eigenthum in Beschlag zu nehmen, und daß dies der Grund seiner Unschlüssigkeit und seines fortwährenden Verzugs uud Umhertappens war. Um nach Duna zu gelangen, mußten wir von Kubo aus eine westliche oder vielmehr westsüdwestliche Richtuug einschlagen, so daß meine Ronte seit Tinge aussah wie der Kurs eiues gegen uugünstigcn Wind kämpfenden Fahrzeugs. — Nicht lauge, uachdem wir Kubo hinter uns hatten, bemerkten wir wirklich mit Schrecken, daß alle Pfade von jenen kleinen rothen Würmern angefüllt waren, die in ununterbrochener Reihe auf das Dorf losmarschirten. Selbst meine Leute hatten eiu solches Schauspiel noch nie gesehen und wareu ganz entsetzt darüber. Die so arg heimgesuchte Gegend war keineswegs ganz unfruchtbar; die Oberfläche war gewellt und nicht unähnlich den Sanddünen von Kanem, wie wir denn hier den Breitengrad dieses Landes (15° n.Br.) erreicht hatten. Nach nngefähr ein paar Wegstunden kamen wir zu einen» höher gelegenen Puukt, Volt wo wir einen weiten, mit Unterholz bestandenen Landstrich, nur hier uud da durch eiuen Baobab unterbrochen, überschauen konnten; nur im Nordet» erhoben sich einige vereinzelte Kuppcu der Hombori-Kette — wenn man es eine Kette nennen darf — mid verliehen der Landschaft einen sehr eigenthümlichen Reiz. Diese Höhen ober Felsen stiegen nämlich in sonderbaren schroffen Formen, wie sie der nachstehende Holzschnitt zu verauschaulichen sucht, ganz 15' ------ 228 ------ Vereinzelt und mauerähnlich aus der Ebene auf, schienen aber ziemlich eine und dieselbeZDiaguualc als Basis zn haben.— Die Wohnstätten, welche wir passirten, bestanden nicist in dm nomadischen Lagerplätzen dorFnlbe; nur Ein Meiler lag auf unserem Weg, der mir Gelegenheit glil,, die hier beigefügte Zeichnung der von dem gewöhnlichen Baustyl sehr abweicheudeu Hütten und Konnnagazine zu entwerfen. Gegen Mittag gelangten wir nach Duua, einem alls mehreren Grnppen bestehenden armen Dorf. Auch hier fauden wir die hohen spitzen Strohdächer, während die Kornmagazine thnrmartig waren, so 5mß das Ganze einen sehr eigenthümlichen Anblick gewährte. (5s ist dies der non Massiua ans zugleich mit dem Islam über diesen ganzen Theil des Sudans eingeführte Baustyl, vou welchem der nachfolgende Holzschnitt dein ^eser eine Burstelluug geben wird. Wir fanden hier die Nachricht bestätigt, daß der Statthalter vun DlUla mit seinem Vagrr in geringer Entferunng vemn'ile, nnd zwar Milde auf der Straße, N'^lch^ wir am andern Tag einschlagen mußten. Es würde Thorheit gewesen sein, jetzt noch den Versnch zn machen, uns unbemcrlt vorüberzuschleichcu; ich beschloß also, zwei meiner Gefährtcn mit einigen (Neschmleu zn ihm zu senden, während 229 ich selbst mit dem Neste meiner Schaar den geraden Weg Weiler ver folgte. Doch machte mir die Sorge wegen der bevorstehenden Begegnung eine schlaflose Nacht. Schon bei unserem Aufbruch am anderen Morgen waren eine Menge ^eute ans dom ^ager des Statthalters herbeigekommen, die mit grußer Neugicrde mein fremdartiges (Gepäck, namentlich die Kisten mit den Schlössern, betrachteten. Endlich waren wir wieder in Bewegung nnd abermals begegneten wir in der spärlich mit Kräutern bewachsenen sandigen Ebene enormen wandernden Massen des ruthen Wnrms. Sie waren bedentender als Alles, was wir vorher der Art gesehen hatten; große Haufen dieser Würmer bedeckten den Pfad nnd lange, mmntcrbrochenc Züge rückten in dichten Massen gen Osten vor. — Schon nach einer Stnnde erreichten wir den Ort, wo der Herr von Dalla lagerte. Als wenn er mich erwartet hätte, war er mit all' seinen Leuten zu Pferde gestiegen, und wie ich nuu del, Walater nnd Ali el Agcreu abschickte, dem Häuptling meinen Gruß zu briugeu, selbst aber Miene machte, weiter zu ziehen, kamen sämmtliche Reiter zn mir, baten um meinen Segcu und luden mich so dringend ein, ihren Herrn persönlich zu begrüßen, daß ich mich iu ihren Wunsch fügen mußte. Ich uahte mich also dem Statthalter; mein unerwartetes Erscheiueu mußte aber irgend einen Plau des Walaters durchkreuzen, vielleicht irgend eine Schurkerei vereiteln; denn cr fiel so sehr aus der Rolle, daß er mir mit einem 230 wilden Blick gebot, mich davon zu machen. Da ich ganz in die Hände dieses Menschen gegeben war, so hielt ich es in diesem kritischen An-genblicke für das Gerathenste, ihn nicht weiter zn reizen; ich bezeigte also dem Statthalter, der seinem Aeußeren nach ein schlichter, einfacher Mann zn sein schien, meine Ehrerbietung, zog mich dann rnhig znrnck und folgte meinen Renten. So war denn die gefnrchtetc Begegnung uhne übele Folgen vorübergegangen und unangefochten zogen wir weiter. Das^andnmher war eine sandige Fläche, zum Theil mit Mimosen, zum Theil mit mächtigen Baobabs bewachsen. Der Rest des Tages bot eben nichts Bemertcns-werthes mehr, und nachdem wir in dem halbverlassenen Ssonrhai-Dorfe Mnn-doro übernachtet hatten, änderten wir abermals die Richtung unseres Marsches in eine nordnordwrstliche uud nähcrteu uns mit diesem itnrse anf geradem Wcgc dem gebirgigen Distrikt „Tondi" (d. i. „Berg" in der Ssonrhai-Sftrache) oder „El Hadjiri" bei den Arabern. In weitester Ausdchnnng gehörte allerdings schon das Dorf Knbo zu diesem Distrikt, die eigentliche gebirgige oder felsige Region desselben wird aber durch die merkwürdigen Hombori-Berge gebildet, die wir während des nach Westen gerichteten Marsches der letzten Tage zur Rechten gehabt hatten. — Von Mundoro aus zeigte das Terrain eine mäsiige Steigung, und schon nach anderthalb Stunden, als wir den höchsten Pnntt der Gegend erreichten, erhielten wir die beistchende höchst interessante Ansicht der vereinzelten Berghohen des Hombori - Zugs. Dann stiegen wir wieder abwärts über gewellten sandigen Boden mit der Akazie als vorherrschendem „__^. 231 ____ Baum; doch litt die Landschaft nicht eben an Dürre, denn wir kamen an einer nicht unbedeutenden Ansammlung stehenden Wassers vorüber, bis wir endlich die fruchtbare Gemarkung von Issaie oder Isse erreichten. Isse ist ein Ort von einiger Bedeutung und besteht, wie es bei den Ortschaften dieser Gegend allgemein der Fall ist, aus zwei besonderen Theilen; der eine, der „kasr" oder „koira" (wie die Ssourhai es nenneu) ist alts Thon in demselben Styl gebaut, wie ihn oben die Abbildnng dou Duna zeigte; der andere bildet eine kleine Vorstadt ans Nohr- uttd StrohlMen, welche hier in Isse die mannichfaltigstc Gestalt hatten. Einige dieser oft wunderlichen Formen giebt die nach-steheude Zeichnung wieder. Sie waren zum Theil groß und ganz vortrefflich eingerichtet, oft aber nicht ganz wasserdicht gegen die Regen-strömc der nassen Jahreszeit. Dennoch nahmen wir unser Qnarticr in diesen Hütten nnd würden uns auch — da es nicht regnete nnd , Korn und Milch ziemlich wohlfeil zu taufen waren —, ganz behaglich hier befunden haben, hätten uns nicht die Mücken die nächtliche Rnhe geraubt. Dieses Hnälendc Iusett war hier besonders häufig, da zahlreiche Wasserlachen in der Nähe waren nebst einem größeren Teich, aus welchem die Einwohner ihren Wasserbedarf holten, nud zwar bedieuten sie sich hier zn diesem Zweck ebenfalls eines über der Schulter liegenden Tragholzcs. Bewohnt wurde Isse von Fulbe und Ssonrhai gemeinschaftlich; Letztere schienen arm zu sein nnd sich in gedrückten Verhältnissen zn befinden; dennoch waren Alle bekleidet, wenn auch nur mit einem Hemd oder iu ciuigeu Fällen nur mit einem Schurz-Als gewissenhafte Mohammedaner trugen sie am kleinen Finger einen Silberring, der ihnen, wie sie meinen, beim Gebet göttliche Erhörnug Erschafft.' Wir waren am 7. Angnst in Isse angekommen, hatten den folgenden Tag einen Rasttag gehalten und standen am 9. bereit, unsere ------ 232 -— Rcise fortzusetzen. Zwei Wege lagen dor uns; beide führten nach Norden oder vielmehr Nurdwesteu und durchschnitte« die herrenlose Landschaft, welche uns von: Niger treuutc und jetzt austatt fester städtischer Ausicdelungen unr zeitweilige Lagerstätten der Tuareg oder Inw-scharh auszuweisen hat; diese habeu bei dem gegenwärtigen politischen Verfalle der einheimischen Rasse das gauze, anch das am südlichen Ufer dcö großen Stromes und dem ungeheueren wirreu Knäuel seiner Hiuterwasscr liegende Laud auf weite Strecken hin in Be> schlag genommen. Der eine dieser Wege führte in mehr nördlicher Richtung nach Laro, der andere in nordwestlicher über Bone. Der Führer, deu wir von Mundoro mitgenommen hatten, versicherte uns, daß wir in Vonc weder Onartier noch gastliche Behandlung finden würden; aber dessenungeachtet zog mciu Gefährte ans Walata aus irgend eiuem Grunde die letztere Straße vor. Dieser Marsch war nuu für uns Alle bei dem geschwächten Zustand, iu dem ich mich sammt meinen Leuten uud Thieren befand, sehr angreifend, aber auf der anderen Seite anch überaus iutcressaut wegen der eigenthümliche!! Beschaffenheit und malerischen Form der verschiedenen einzelnen kuppen der Homliori - Berge, durch die uus der Pfad mitten hindurch führte. Diese Kette, wenn man es so nennen will, ist so eigenthümlicher Art, das; es gauz unmöglich war, nach den Mittheilungen der Eingebor> neu eine ziemlich richtige Vorstellung von ihr zu gewiuueu, uud ich selbst hatte sie mir viel höher und zusammenhängender gedacht. Die höchste Erhcbuug einiger dieser hupften, an denen uuser Weg hinführte, steigt allem Auscheiu nach nicht 800 Fuß über das Niveau der Ebene; manche entlegenere Kuppen mögen einige hnudert Fnß höher sein. Das durchschnittliche Niveau der Ebene, von welcher diese Höhen aufsteigen, schätze ich auf 1500 Fuß. Im Anfange unseres Marsches von Isse nach Bouc war der Aublick der Landschaft mehr gleichförmig und die Berge, von dein auf. steigeudeu Boden zu unserer Rechteu verdeckt, hatten vollkommen das Ausseheu vou Hügeln; der Pfad selbst führte über noch flacheren, bald mit Unterholz bestandeueu, bald kahlen Boden. Aber die Sceucrie gewann beträchtlich an Interesse, als wir den westliche,! Fuß einer breiteren sselshöhe erreichten, die schon am vorigen Tage unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Auf ciuem aus Trümmern nnd größeren Blöcken bestehenden Gc-hänge erhob sich eine Mauer steiler Klippen, einer lnnstlicheu Bcfesti-quug nicht unähulich. Auf ihrem Gipfel bildeten diese Höhen dem ------ 233 ------ Anscheine nach eine geräumige Terrasse, cms welcher drei llcinc Weiler liegen sollen, bewohnt vun einer muthigen Schaar Eingcborncr, die auf dieser Felsenfeste ihre Unabhängigkeit gegen dic Anmaßung der erobernden Fulbc bis jetzt mit Erfolg behauptet hat. Wir bemerkten selbst am Abhänge der Höhe unter den steilen Klippen, die mehrere Höhlen enthalten, einige Veute, welche ihre Ziegen weideten, nnd Felder mit Mgcrhirsc und „larass" (X'nl'(!imru8 uliwiin^), welches znr Würze ihres Hirseubreies dient, bezeugten die Thatsache, daß die freien Bewohuer dieser Äcrgfeste von Zeit zn Zeit selbst in die Ebene herab-steigen, um sich ihren nothwendigsten Vebcnsbedarf zn verschaffen. Mchdem wir diese Berghohe umgaugeu hatten uud nun eine inehr nordwestliche Richtnng einschlugen, näherten wir uns einer an. deren Höhe, die anf einem breiteren Geröll als ganz vereinzelte schmale Kuppe anfstieg und mit ihrem engen, jähen und eingezackten Kamme der Ruine eines mittelalterlichen BergschlosscS genau ähnelte. An dieser vereinzelten Höhe hin zieht sich der Pfad nach der Ssonrhm - Stadt ^aro - wir licsicn ihn znr Rechten nnd näherten nns dem Fußc cmcr anderen ausgezackten Fclshöhe, die sich m größerer Länge hinzog, aber sonst mit ihren steilen Trachytwä'nden wicdrrnm ganz das Bild von Zinnenmanern und Thnrmru darbot. Da, wo der 3uh der Felshöhe in den Pfad vorspringt, hatten die Äcrgbcwohner 334 auf dem Gipfel der ^elsblöcke, die die Vorhöheu bilden, eine kleine 5tapelle oder vielulchr eine heidnische Kultusstätte errichtet, die einen höchst eigenthiiullichen Anblick gewährte. Hier betraten wir eine Art breiten Passes, gebildet durch dieses natürliche Verglastet! und eine andere mehr westliche Kuppe, die, obgleich von bedeutender Höhe, nicht so scharf ausgezackt war und einen weniger malerischen Anblick gewährte. Am Morgen hatte eine frische Vrise geweht, aber währcud der Mittagsstunden war die Hitze sehr drückend, und so erreichten wir überaus ermüdet um 5 Uhr Nachmittags das Fulbe-Dorf Bone, das am Fuße der östlichen Fclichöhe liegt. Ich hatte ;wei meiner ^eutc vorausgeschickt, aber dcuuoch waren wir nicht im Stande, uus Quartier zu verschaffen, uud sahen uus nach unnützem Streite genöthigt, draußeu in der grasreichcn, von den beiden Äerggruppeu eingeschlossenen Thal-ebene zu lagern; deuu die Bewuhuer dieses Dorfes, die ausschließlich Fulbe silid, sehen es nicht gern, dasi Fremde ihre Wohnungen betreten, wenigstens nicht, um zu übernachten. Jedoch bewirtheteu sie uns am Abend mit ciurm ansehnlichen Borrath von Milch. Wir erfuhren zugleich von ihnen, daß ein großes ^ager derjenigen Abtheilung der Tuareg, welche Ircgcnateu genannt werden (d. h. die „gemischten Stämme"), in einer (5ntfcrnuug von weuigeu Meilen sich befiude. Der Walater vermuthete oder gab vor, daß dies der Stamm eines ------ 235 ------ mächtigen Häuptlings Namens Ssomti sei, und versicherte mich, daß cs unumgänglich nöthig wäre, diesem Manne ein ansehnliches Geschenk zu machen, um uns seinen Schutz zu verschaffen. Letzteren bedurften wir allerdings, denn nm nicht auf dem südwestlicheren Wege durch das Gebiet des fanatischen Fulbe - Herrschers von Hamd-Allahi ziehen zu müssen, blieb uns nichts weiter übrig, als der Versuch, durch das in der Gewalt der Tuareg befindliche Gebiet von Lager zu Lager bis zu den Ufern des Niger vorwärts zu dringen. Demgemäß brach ich mit dem Walater nnd zwei berittenen Dienern am Morgen des 10. Augnst nach dem Lager der Tuareg auf, mein Gepäck unter der Fürsorge der Uebrigen zurücklassend. In der Voraussetzung, daß wir wirklich das Vager Ssomki's vor uus hätten, nahm ich Geschenke im Werth von etwa A»,cn wctuqen hölzernen Schüsseln und Schalen als Eß- und Trint^schirren auö Vcderschläuchen vou auSgezeichuetcr Arbeit und zuweilen sehr Geschmack» dull verziert; in dieseu Lederbehältnissru bewahren sie sämmtliche Kleidung nnd Mnndvorräthc. Obgleich keiner der vornchinstcn Häuptlinge, hatten uuser Wirth sMohl wie seine Vcrwaudteu uud Freuude etwas höchst Edles uud Eiuuchlncndcs in ihrer gauzeu Erscheinung. Alle waren breitschulterig, untersetzt und von schönem Ebemnaaß der Glieder, mit einem gefälligen Gcsichtsansdrlick nnd weißer Hautfarbe. Nur ausnahmsweise zeigten die dunklere Farbe nnd die gröberen Züge, das; das reine Bcrbcrblut nicht immer unvermischt erhalten worden war. — Die Kleiduug der Männer bestand dnrchgängig, anch bei allen anderen Stämmen dieser Abtheilung, die ich auf meinem Marsche traf, in einem ungefärbten, turzcn, ziemlich eng anschließenden Hemd mit kurzen offenen Acrmcln, aus ciucr groben Art breiter Baumwollstreifcu verfertigt. Nur einige juuge Bursche, Sühue des Häuptlings, trugru auch hier im Vager blaugcfärbte Hemdcu mit einem Stnck rothen Tuches als Schmuck der ------237 — großen Brusttasche. Ihre Kopfbedeckung bestand nicht in einen, ganzen Shawl („haram"), sondern aus einzelnen znsammengesetztcn Baum-Wollstreifen lion verschiedenen Farben, blau, weiß und dergleichen; einige Wohlhabende sahen sich im Stande, auch einen Streifen des beliebten rothen Tuchs hinzuzufügen. — Die Kleidung der Frauen besteht meist ans zwei Stücken, einein Veibtnch und einem Kopftuch, die aus Streifen desselben groben Zeugs zusammengenäht sind. Unsere neuen Frcuudc bewieseu auch, daß sie die angestammte Gastlichkeit in fremdem Vande nicht vergessen hatte»,. Kaum hatten wir nns in einem besonders angewiesenen Zelte leidlich behaglich niedergelassen, als man uns mit einem großen Ueberfluß an frischer und sauerer Milch bewirthete; zugleich ward ein Schaaf geschlachtet nnd für unsere Abendmahlzeit zugerichtet. Natürlich mußte ich solche Gastlichkeit mit einem hübscheu beschenke lohnen; es bestand in einer schönen schwarzen Tobe, einer Turtedi uud eiuem schwarzen Haram (Shawl). Ich bedürfte des Schutzes dieser Leute und anch ihres Beistandes; denn meine Kameele waren von der beständigen Nässe so erschöpft und geschwächt, daß sie vollkommen unfähig waren, mein Gepäck noch länger zu tragen; auch hatte ich erst kürzlich vor Duna beim Uebergang über einen Morast eins verloren nnd verlor ein zweites bei Äone. Es ward daher bestimmt, daß wir hier ei» paar Packochsen miethen und nns dem Stamm am anderen Tage anschließen sollten; die Tuareg versprachen dagegen, nns auf den Weg zn dem Häuptling Ssomti zn bringen. Nachdem wir die nöthigen Verabredungen getroffen hatten, machten wir uns auf den Rückweg nach Boue; zuvor aber zeichnete ich eine oberflächliche Skizze der Umrisse der Berghohen in der Richtung nach Südwesten, welche an ihrem Abfalle folgende Gestalt hatten. Dieser gauze Distrikt soll den Namen Bnlli führen n»d tleinc Salzgrnbcn sollen sich in einiger Entfernnng nach Osten befinden. ~^ ------ 238 ------ Wir machten unseren Rückweg nicht ohlic große Unannehmlichkeit, indem wir von einem Menschen, der mit der Gegend wohlbekannt zu sein vorgab, irre geführt wurden und so in einen gefährlichen Morast geriethcn, aus dein wir nur mit grußer Noth einen Answeg fanden. In unserem ^ager angekommen, wurden wir dann noch im Laufe des Abends von einem sehr heftigen Donnerwetter heimgesucht, welches das ganze ^and unter Wasser setzte, eins meiner Kamecle töotete, Zelt und Mattenbehansnng zertrümmerte und uns eine überaus unbehagliche Nacht verursachte. Eine weitere Folge dieses Gewitters uud des dasselbe begleitenden heftigen Negenfalls war, daß wir nnseren Pfad am folgenden Tage auf dem Wege zu unseren Tuareg - Freunden in überaus traurigem Zustande fauden, so daß wir große Schwierigkeit hatten, die Sümpfe zu vermeiden. Aber dafür belohnte mich der malerische Anblick der Scenerie. Ein hübscher Wasscrfall stürzte sich näm-lich über die steilen Klippen der Bone überragenden Felshöhe herab, ans einer Höhe von etwa 200 Fnß, uud bildete in der Thalsohle eineu mächtigen Gießbach, der, von schönem Pflanzenwuchs umgürtet, in der Nichtnng nach Bone hinabströmte. Endlich hatten wir das ^agcr nnsercr ncueu Freunde erreicht. Unser Zelt, welches allgemeine Aufmerksamkeit erregte, war bald von einer großen Anzahl Frauenzimmer umgeben, von denen einige durch ihre vollen Forincu sich auszeichneten, besonders durch die charakteristische Schönheit, welche, wie ich bereits früher einmal erwähnte, „tebulloden" genannt wird. beider sah ich mich gezwuugcn, diese schönen Vesncherinncn fortznschcuchcn, da ich mich in Folge des letzten Unwetters sehr unwohl fühlte uud mich genöthigt gesehen hatte, ein Brechmittel zu nehmen. Am folgenden Tag (den 12. August) tratcu wir uuseren Marsch in Gesellschaft der Tuareg an. Der größte Theil der Männer ritt kleine, unansehnliche, aber, wie es schien, ausdauernde Pferde; die Fraueu saßcu auf ihrem-Hausgcräth, das auf Ochsen und Esel gepackt war. Wir sollten nnS jedoch dieser bunten Gesellschaft nicht lange erfreuen, denn schon nach einer halben Stunde Wegs fanden die Tuareg iu der Nähe eines ausgedehnten Wiesenwasscrs mit guten: Graswuchs einen passenden Platz, sich einen neuen zeitlichen Wohnort aufzubauen. Wir zogen daher, dic wandernde Gemeinde in voller Thätigkeit zurücklassend, weiter und erstiegen bald darauf eine Erhebung des Bodens, au deren Abhang die Sklaven der Tnareg einigen Feldbau trieben, während ihre Herren nomadisircnd umherzogen. ------ 239 — Nach etwa anderthalb Stunden erreichten wir bereits die Lagerstätte („amasarh") ciues anderen Stammes, wo wir wiederum Halt zu machen hatten. Sie lag in dem Vandstrich Imeggegele, der hier von einer Art unregelmäßiger Thalbilduug eiugenolumeu wird, die —in der Nähe des Amasarh nur nut einigen kümmerlichcu Talhabäumen bctleidct —^ nach Südwcsten sich zu einer flacheu Ebene ausbreitete. Diese zeigte schou eiuigeu Reichthum au Pflauzcnwuchs und bot zahlreichen Schaaf- uud Ziegcuhcerdeu üppige Weide; nach Norden war sie dou einer Hügelkette luit geringer Erhebung und im Westen vou einer Gruppe flachgegipfclter Kuppeu begrenzt. Iu dem Vager befauden sich drei Häufttliuge und alle drei mußtcu beschenkt werdeu. Dauu mußte ich mir hier zwei Packochsen laufeu, da ich die im ersten KaMr gemietheten zurückschicken mußte, und der Walater eudlich suchte ein Pferd zu verhandeln; allcS das verursachte mir ciuen Aufcuthalt dou einem ganzen Tag. — Am 14. August giug es danu über hügeliges, zum Theil steil abfalleudeö Terrain iu das ^agcr Vcle'ö, ciues augeseheueu Häuptlings der Hau-u-adat; das ^ager war nur etwa 2^ Meilen von dem vorigeu eutfcrnt. — Der Stamm der Hau-u -adat hat das Berberblut uicht uuvermischt crhalteu, so daß auch der Häuptling Bele wenig Züge edler Berberrassc au sich truq; denn er war vou ziemlich kleiner Statur uud feist bis zur Uu-beholfenheit. Freilich erzählte mau auch vuu ihm, daß er täglich ein Schaaf, so wie die Milch vuu siebeu Kühen verzehre, alsu eiue Art Vitellius sei. Ucbrigeus fehlte es ihm uicht au natürlichem Verstaub; er bemerkte sehr bald au mciuem Gepäck, dass ich uicht das sei, für was ich mich ausgab — ein Scherif auS dem fernen Ostcu. Indessen wußte er uicht recht, was er aus mir machen sollte; er hielt nuch für einen ^mismauu aus Agadcs oder Marokko, jedeufalls aber für eiueu „Berber aus dem Norden". Seiue Vcwirthuug war gastfrei und —wie es sich von eiuem Manne, der selbst ciucu so Men Appetit hat, erwarten ließ ~ reichlicl, (zwei zubereitete Schaafe und große Schüsseln mit Reis iu vieler Butter, aber ohne Salz ablocht); seine Habflicht aber war nicht minder groß als sein Appetit. Mit meinem reichlichen (beschenk nicht zufrieden, verlangte er sogar mein eigenes Reitpferd, und es kostete wirklich Mühe, endlich vom dem Vielfraß in Frieden loszukommen. Glücklicherweise hatte ich nicht überall so viel Noth als bei dem Häuptling Belc; im nächsten Vager, zu welchem uns ein Marsch von sieben Stunden, erst über eine grasreichc (5bene, dann über trockenes, mit Mimosen lmd der giftigen Euphorbie bewachsenes Vand, führte, hatte ich mehr Ruhe und weniger hohe Ansprüche zn befriedigen. Die Leute dieses Lagers schienen eine sehr niedrige politische Stellung in der Gemeinschaft der Tnareg einzunehmen, die ihnen nicht einmal erlaubte, ein Schwert zu tragen — denn dies ist das Kennzeichen des freien, edelu Amo-scharh—, sie führten außer ihren Speeren nur einen langen Dolch — „telak" — an: linken Arme. Anch diese Tuareg warm mit kurzen, knapp anschließenden Hemden und kurzen engen Hosen bekleidet; den oberen nnd nntcren Theil des Gesichts hatten sie mit einem auö verschiedenfarbigen Streifen mannichfachen Stuffes zusammengenähten Shawl bedeckt. Nur der Häuptling trug eine schwarze Tobe und einen schwarzen Gesichtsshawl. Als wir (am 16. Angnst) aufbrachen, drängte fich die gefammte Bevölkerung des Vagers heran, meinen Segen zn empfangen. Unter den Weibern bemerkte ich einige recht hübsche junge Frauen, zum Theil sehr ärmlich in groben Baumwollstosf gekleidet, der nm den Veib gewickelt und wieder über den Kopf herabgezogen war. Bei allen Knaben unter zwölf Jahren war die linke Seite des Kopfes ganz geschoren, während auf der rechten eine Haarlocke weit herabhing. Nach einem Marsch von wenigen Stunden befanden wir uus schon wieder iu einem anderen Nager, dessen Häuptling mir der Wa< later als einen Mann von besonders großem Ansehen schilderte. Ich mußte ihm daher ein hübsches Geschenk machen, ferner anch einem benachbarten Tarki-Häuptling ein Geschenk senden und endlich die Begleiter aus Äele's Vager ablohuen. Alles dies ging durch die Hände des ^alatcrs, nnd obgleich ich gewiß wnßtc, daß von sämmtlichen Gegenständen ein gnter Theil nur dazu diente, ihn selbst zu bereichern, und das schnelle Schwinden meines BeMes mir ernste Besorgnisse einstoßen mußte, war ich doch genöthigt, Alles ruhig, geschehen zu lassen, mn nicht verrathen zn werden. Anßerdem verursachte mir - 241 mein theurer Freund überall störenden Aufenthalt; in jedem Lager hatte cr zu handeln, bald tauschte er gegen ein Pferd eine Anzahl Rindvieh, bald, wie in dem letzten Vager, gegen ein junges Kameel 60 Stück Schaafe. Meist verzögerte dieser Handel unseren Aufbruch und seine Heerdrn, die er durch die mitgenommenen Führer treiben ließ, erschwerten den Marsch. - Unsere Wirthe in diesem Vager erwiesen uns jedoch viel Gastfreundschaft, wir erhielte», sogar eine Schüssel „megata", eine Art Macwroni, aus Weizenmehl mit viel Butter angemacht, ein Gericht, das schon zu El Bekri's Zeit in» N. Iahrhun» dert bekannt und berühmt gewesen zn sein scheint. Die Nähe des civilisirtcn Timbuktu aber verrieth sich hier in dein Verlangen der Veute nach Thee, dein „Wasser von Zsimssinl", wie sie dieses Getränk nach dem berühmteu Brunnen gleiches Namens i» Mekka nannten. Am 17. Angust folgte abermals ein kurzer Marsch nach einem benachbarten Vager durch den Distrikt Minta. Diese Landschaft ist reich an Eisenstein nnd die Trümmer früherer Schmelzöfen waren an verschiedenen Stellen sichtbar; sonst war sie durchaus dürr nnd ausgedehnte Strecke», nackten harteu Bodens ermüdeten das Auge. Weiterhin ward der Boden sumpfig uud zeigte zahlreiche Elefthantensfturen, zuletzt aber betraten wir einen gewellten, sandigen, reich mit Buschwerk bekleideten Vandstrich. Hatte dieser Tagemarsch uns nur wenige Stunden vorwärts gebracht, so sollte der folgende endlich einmal wieder eine größere Ansdehnnng gewinnen. Es galt, das etwa vier deutsche Meilen entfernte Städtchen Baiubara zu erreichen, das die südlichste der festen Ansiedelungen der Ssonrhai in diesem Vaudestheile an den hintern Armen des Niger bildet. Die Vandschaft war anfaugs, wie am Tage zuvor, ziemlich eben nnd mit Buschwerk überwachsen, zn welchem sich bald die gefiederte Mette <1'onm«ctmn 'li^ti^nmi) gesellte, und das Gras, welches letztere bildete, erreichte allmählich eine solche Höhe, daß es selbst den Reitern lästig wurde. Zn Zeiten herrschte auch die giftige Envhorbie vor uud in der zweiteil Hälfte des Marsches sahen wir auch unseren alten Bekannten, den Hadjilidj t,iÄcu8), wieder, den ich mich kanm erinnerte seit dem Thal Fogha gesehen zu haben. Weit mehr noch entzückte inich aber der Blick auf ein ausgedehntes Wasserbecken, das sich etwa 1^ Stnndcn weiterhin zu unserer Rechten zeigte nnd in mir die erste Vorstellung von der Größe und dem weit ausgedehnten Netz des oberen Vanfs des Niger erweckte, wovon ich bisher nicht die leiseste Ahnung gehabt hatte. Der nee, den wir sahen, heißt hier „Do", aber in seiner weiteren närd- Varch'« Äl,s,n. li. 1Ü 242 lichen Entwickclnug, wo das Auge den gegenüberliegenden Rand nicht mehr erreichen konnte, führt er den Namen „Ssileddu" und steht wenigstens zu gewissen Jahreszeiten in direkter Verbindung mit dem Niger selbst. Ein Strich augebanwl Vaudes unterbrach die nackte Oberfläche; dann lief die leicht gewellte Landschaft in eine Muscheln an Ssomki ab; auch diesmal benutzte mein hinterlistiger Gefährte diese Gelegenheit nur dazu, auf meine Kosten seinen eigenen Frieden mit Ssomti zu schließen. Während seiner mehrtägigen Abwesenheit hatte ich nun Muße genug, die topographischen und anderen Verhältnisse Bambara's etwas näher zu studiren. Das ganze Land westlich und nordwestlich von Bambara bis zum Hauptarm des Niger hin, da wv dieser in nordöstlicher Richtung seiner großen nördlichen Biegung zueilt, ist von zahlreichen Wasseradern durchzogen, die mehrfach unter einander und mit dem Haupt-ström in Verbindung stehen. Derjenige Faden dieses Netzes von sogenannten Hintcrwassern (oder todten Annen), welcher die am weitesten nach Süden reichende Masche desselben bildet, erreicht bei der Stadt Kanima seinen südlichsten Punkt und tritt von hier aus in nordöstlicher Richtung bis nach Bambara heran. Hier scheidet ihn von dem bereits genannte» Sec Do nur ein schmaler Landstrich, auf welchem die Stadt Bambara zwischen den beiden Gewässern liegt, am Fuße eines den todten Arm des Niger uud den See Do uach Nordwesten hin begrenzenden Höhenzngs. Jener cuthielt gegenwärtig wenig Wasser, so daß die Verbindnng mit dem Niger unterbrochen war; von der Mitte September an soll er sich aber Men und dann sollen vier bis fünf Monate lang Boote von Bambara ungehindert nach Timbuktu gelangen tonnen, natürlich bei den Verschlingnngeu jener Hinterwasser auf mehr als Einem Wege. Es wurde zwar auch während meiner Anwesenheit täglich Martt gehalten, doch war derselbe ärmlich und überhaupt gab es zur Zeit nnr wenig Verkehr im Orte, da er erst mit dem Schiffbarwerden des Wasserwegs auflebt und größere Bedeutung gewinnt. Auch hier, wie in den östlichen Gebieten der Fnlbe, wird Alles, was auf dem Markte verkauft wird, vou einem Marktvogt nachgemessen und einer genauen Untersuchung unterworfen. Auf meiner ganzen Reise von Ssai her war ich wiederholt nach dem Erscheinen des „Mehedi" befragt worden; denn die Wiederkehr des Messiah, des Erlösers aus aller irdischen Noth, wird von Osten her erwartet. Diesem Umstände hatte ich es zuzuschreiben, wenn namentlich die armen, ungebildeten und gedrückten Eingebornen mich, den ebenfalls von Osten kommenden Fremdling, mit jenem Glauben an den wiederkehrenden Messias in Verbindung brachten und oft sogar — 245 ------ geneigt schienen, mich für den ersehnten Propheten selbst zu halten. Auch hier in Aambarc, stand ich in dem Rufe, meine Gunst bei dem Allmächtigen sei so groß, daß ich sogar Einfluß auf die Witterung habe. So kamen denn sämmtliche Bewohner des Orts mit dem Emir an der Spitze in festlichem Aufzuge zu mir und beanspruchten meine Vermittelung, um einen guten Rcgen zu erhalten. Es gelang mir jedoch, ihren Bitten um ein direktes Gebet auszuweichen und sie mit dem Ausdruck meiner warmen Hoffnung, der Allmächtige möge sich ihrer erbarmen, zu befriedigen. Wirtlich fiel anch am Abend ein mäßiger Regen, der dem ausgedörrten Boden zwar unendlich wohl that, leider aber nicht hinreichend war, dir unerträgliche Hitze zu vermindern. Diese war gewiß nicht geringer als der höchste Grad von Wärme, den ich in Kukana erlebt hatte. Leider hatten damals meine regelmäßigen Beobachtungen über die Temperatur der Luft eine Unterbrechung erlitten, da ich dcr Meinnng war, daß das letzte meiner Thermometer zerbrochen sei; doch fand sich später bei einer Revision meines Gepäckes in -Timbuktu noch cin vergessenes Exemplar. Endlich am dritten Tage nach sciucm Aufbruch kehlte der Walater zurück. Er bemühte sich, mich glauben zu machen, Ssomki habe sich anfänglich hartnäckig geweigert, meine Geschenke anzunehmen, und habe darauf bestanden, daß ich ihm noch eins meiner Pferde zum Geschenk mache. In der That aber hatte er jene Geschenke gar nicht in meinem Namen überreicht, sondern dazu benutzt, den Häuptling mit sich auszusöhnen uud überdies einen Handel mit ihm abzuschließen. Nach allcoem war er uuvcrschämt genug, darauf zu bestehen, ich müsse nun selbst mit neuen Geschenken zu Ssomti aufbrechen. Aber auch dies war noch nicht genug. Am Tage vor unserer Abreise verkaufte er meinen besten Packochsen an die Tuareg und behauptete dann, der Ochse habe sich verlaufen. Zu allen diesen Schurkereien mußte ich fchwcigen und mich fügen. Am 25. August trat ich endlich meine Weiterreise nach Ssarayamo an. Der direkte Weg nach Timbuktu würde uns gerade nach Norden geführt haben; jetzt verfolgten wir eine nordwestliche Richtnng über leicht gewellten Boden, dcr dieselbe Beschaffenheit und Vegetation zeigte, die wir jenseits Bambara beobachtet hatten. Nachdem wir einen mäßigen Sandrücken erstiegen, erblickten Nur zn nnscrer Linken kin weit ausgedehntes Wasserbecken, dessen Oberfläche von einer starken Brise meerartig bewegt wurde; sein Rand war mit Rohr bewachsen und von einer großen Anzahl Menschen belebt, die des Fischfangs ------ 34ss halber hierher gekommen waren. Dieses sccartige Becken, von den Arabern „Nycngai", von den Tnareg ,,Isse-enga" genannt, ist ein zu größeren Dimensionen erweitertes Hinterwasser von bedeutender Tiefe; denn es soll immer voll Wasser sein nnd einen fo starken Wellenschlag haben, daß die eiugeborueu Bootsleute sich nicht getrauen, mit ihren zerbrechlichen Nachen dasselbe zu befahren. Nach Südwesten hin mochte es eine Ausdehnung von iz — 2 deutschen Meilen haben und es steht in dieser Richtung mit dein Arm von Aambara in Ver^ bindung; au seinem entgegengesetzten Eude bog es, zu einem schmalen Strom sich verengend, nach Nordwestcn um und entzog sich dann unseren Blicken. Etwa -'/4 Stunden folgteu Kur dem Naude dieses schöllen, groß-artigen Gewässers, dann erstiegen wir die Sanddünen zn unserer Rechten uud erreichten bald das Lager eines der beiden Häuptliugc, die mich in Bambara besncht hatten. Ich mußte hier wieder manches Stück meiner Habe weggeben, doch wurden wir dafür in Ileberflus; mit Fleisch nnd Neitz bewirthet. Reis scheint hier überall das Hanpt-Nahrungsmittel zu seil« nnd wird demgemäß in den sumpfigen Niede. rungen in Menge gebaut. So lag bei uuserm Weitcrmarsch ein Wasserbecken zn unserer Rechte»,, welches jährlich anstrocknet und dessen Boden alsdann von deu Einwohnern des noch mehrere Meilen abgelegenen Ssarayamo in Reisfelder umgewandelt wird. Der Name dieses See's ist „Gerrn", er ist jedoch kleiner als der Nyengai. Nachdem wir diese interessanten seeartigen G^ässer ^iter uns gelassen, durchzogen wir eine mit Akazien reicher bewaldete Vandschafl nnd durchschnitten dann ein Thal, in welchem der Ssiwat oder Irak (OaiiMrik, ««slkts^, den ich seit Kauem nicht gesehen hatte, in grußer Fülle wuchs; auch die so nützliche Gerrrdh ^Wmn«». Nilotic) war in Menge vorhanden. Dann folgte ein ausgedehntes Sumpfbeckcn, das zur Zeit so Welt trockeu gelegt war, um reiche Wieseugründe zn bilden. Hier trafen wir auch auf die Lagerstätte des gefürchtetcn Ssomki mit seiner Familie nnd seinem Stamme; zahlreiche Viehheerden und etwa 20 Kameele weideten rings mn die Vederzclte. Der Haupt Ung war ein Manu von nuttlerem, untersetztem Wuchs, dem der weiße, unter dem Gesichtsshawl herabhängende Bart ein ehrwürdiges Ansehen verlieh. Er nahm meiu nicht unbedeutendes Gescheut, ohne dasselbe durch das geringste Zeichen von Gastfreundschaft zn erwiedern, und ich überzeugte mich bald, daß er gar keine Ahnung davon hatte, daß die frühere Sendung von mir herrührte. 247 Ssomki's Verstand war jedoch für meine nicht ganz klaren Verhältnisse fast zu scharf und or beargwohnte offenbar meinen angenommenen Charakter. Es schien absichtlich zn geschehen, daß er plötzlich in mein Hclt eintrat nnd dann sehr darüber erstaunt schien, mich in einem Bnche lesend zn finden, dessen Schrift nicht arabisch war. Er gab jedoch seinem Argwohn keinen vollen Ausdruck und ich ließ mich nicht im Geringsten irre machen; allein ich mußte mit großer Energie auftreten, nm feine — vielleicht vom Walater angeregte — Forderung, ihm mein Reitpferd abzutreten, zurückzuweisen. — Das Begehren der Frauen in dicseu Lagerplätzen nach Tabak war überaus auffallend; hier im ^ager Ssomki's fetzten sie während der Nacht meinen Dienern mit derartigen Betteleien fortwährend zu. Der 27. August sollte endlich der letzte Tag meiner ^andrcise fein. Vom Lager Sfomki's zogen wir noch etwa eine Stunde über Sumpf-land und Sanddünen (letztere unter anderen Pflanzen häufig mit Burekteba —?a.nioum ovionuni—> bewachsen) nnd tamen dann abermals an ein HintcMasscr, den Arm von Fatta. Dieser bildete in seinem Anfang einen engen, ziemlich regelmäßigen Kanal von etwa 300 Schritten Breite, der vollkommen aussah, als wenn er künstlich angelegt wäre, wie dies mit vielen dieser Hinterwasser der Fall ist; bald aber wnrde er breiter, indem die Ufer sich abflachten und ausgezeichneten Boden zum Reisbau lieferten. Der Reis wird hier stets gesäet, ehe das steigende Wasser die Felder nberfluthet, da der starke Thau Feuchtigkeit geling zum Keimen des Samens liefert, bis das ^and überschwemmt wird; er reift dann bei dem hohen Wasserstand und wird zu Boot eingeerntet. — Wir verfolgten den Arm stromabwärts, ließen ihn später in einiger Entfernung zur Rechten und erreichten nach etwa zwei Meilen Ssarayanw, den bedeutendsten Ort der Provinz Ki-sso. Eine Menge Volk hatte sich auf die Nachricht vou unferer Ankunft hin versammelt; wir begrüßten sie mit einigen Pistolenschüssen, hatten dann aber lange zu suchen, ehe wir ein passendes Quartier fanden. Die Eingänge der meisten Hütten waren nämlich so niedrig, daß wir nnser Gepäck tamn hindnrchzwängen konnten; die Hütten selbst hatten dagegen eine bcdentende Größe. Sie bildeten ein Vor-d°rf auf der Ostseitc der eigentlichen Stadt, während diefe selbst als "tllsr" oder „toira" gebaut war, mit Thonwohnungen, welche sehr enge, unbehagliche Straßen bildeten. Der Fluß erweiterte sich da, wo er das Städtchen bespülte, zu — 248------ einer schonen offenen Wasserfläche von 450—500 Schritten »nil 25-30 Fuß hohen Ufern. Natürlich wechselt die Ufcrhöhc mit dein Vor« schreiten der Regenzeit und bei seinen, höchsten Stande soll der Fluß sein Bett vollständig ausfüllen nnd bis hart an den Ort selbst Hinansreichen. Zur Zeit bemerkte ich leine Strömung in dieser Wasserader, Wie sie denn eine entschiedene Zwitternatnr zwischen Fluß und stehen» dem Gewässer hatte. Auch der Verkehr ans derselben hatte noch nicht begonnen; denn eine so ausgedehnte Wasserverbiudung die unzähligen netzartig verbundenen Hinterwasser in diesem Theil des Niger - Strom-systems auch bilden, so beschränkt sich die Benutzung dieser Verbin dung für den Vertehr doch uur auf eiue bestimmte Zeit im Jahre; diese begann eben jetzt, im Anfang der Flußschwelle. Doch sah ich zur Zeit erst ein einziges Boot am Ufer liegen, das in brauchbaren Zustand gesetzt war; dasselbe zeichnete sich weder durch Größe noch durch bequeme Einrichtnng aus, war jedoch mit zwei einfachen Kajüten oder vielmehr Hütten ans Mattenwert im Vorder- und Hintertheil des Bootes versehen. Ein anderes Boot, etwa 40 Fuß lang nnd 8 Fuß breit, wurde eben ausgebessert. Die Fahrzeuge waren aus Brettern vermittelst Stricke und Rohr ziemlich mangelhaft zusammengefügt. Begünstigt durch ihre ^agc au diesem schiffbaren Arme des Niger, erfreut sich die Stadt Ssarayamo eines leidlich blühenden Zustandes, dennoch scheint weder der (Nowrrbflciß noch auch der Handel so rege zu sein, als man wohl erwarten dürftc. So wird die einheimische Baumwolle, welche die Ssourhai sonst so geschickt nnd trefflich zu weben verstehen, hier gar nickt verarbeitet; auch scheint kein regelmäßiger Markt gehalten zn werden. Doch l'am am zweitcu Tagc meines Aufenthaltes ein großes Boot vou Timbnktu an, daS mit 18 ..russ" (Sing. „rass", d. i. ein Stück Salz von etwa 60 Pfund Gewicht), einer bedeutenden Menge Tabat nnd einer hübschen Anzahl Passagiere befrachtet war. - Die Fulbe unter den Einwohnern von Ssarayamo treiben, wie es scheint, starke Viehzucht, denn Milch war in reichlicher Menge vorhanden und ich zählte eines Abends R) Stück Pferde, die von der Weide heimkehrten, während noch eine ansehnliche Menge in einiger Entfernung außerhalb der Stadt blieb. Die Zahl der gesammten Bevölkerung mag sich auf 5000 Seelen belaufen. Auch der Emir (Statthalter) des Orts, der direkt unter dem Obcrherrn in Hamd-Allahi steht, machte mir einen Besuch; er war ein freundlicher Herr nnd seine erste Sorge war, sich genau nach dem ^. 249 ------ politischen Zustand in Stambul zn erkundigen, worauf er mich dann anch nach den Neuigkeiten in den Bändern des Orients im Allgemeinen befragte. Bald nachdem er mich verlassen, kam er wieder, begleitet von den Hauptpersonen der Stadt, um mich zn bitten, ihnen bei der gegenwärtigen Dürre Negen zn verschaffe!». Ich tonnte diesmal nicht ausweichen nnd sah mich genöthigt, vor der ganzen Ver> sammlung das Eröffnnngsgcbct des Kuran herzusagen. Als aber nun wirklich während der Nacht ein heftiges Gewitter mit startem Regen losbrach nnd dir Einwohner am anderen Tag abermals erschienen und mich um Wiederholung meines kräftigen Gebetes baten, verweigerte ich es und ermähnte znr Gednld. Doch mußte ich dem Emir, der noch während meiner Anwesenheit nach Hamd-Allahi an den Hof abreisen mnßte und mit einigem Bangen au seinen dortigen Empfang dachte, zuvor meinen Segen ertheilen. Wirklich wurde ihm ein sehr wohlwollender Empfang zu Theil; obgleich er also nnr Ursache gehabt hätte, mit der Wirksamkeit meines Segens zufrieden zu sein, so war er doch in der,Folge sehr entrüstet, als er hörte, ich sei ein Christ. Dies machte mcjncm Vorurtheilsfreien Frennd, dem Scheich El Bakay in Timbnltu, nicht geringen Spaß; er schrieb mehrmals an den Emir von Ssarayamo und bedentete ihn, er solle doch zufrieden sein, daß ihm ein so böser Mensch wie ein Ehrist nicht nnr Regen, sondern sogar eiue gute Aufnahme bei seinem Oberherrn verschafft habe. Währeud meines Anfenthaltes an diesem Orte bennruhigte mich die Nähe der Stadt Dar ^e'-Ssalam, der Residenz eines Fnlbe-Prinzcn, eines Sohnes des jüngst verstorbenen Herrschers von Hamd-Allahi, des fanatischen Mohammed ^cbbo, nicht wenig. Sie war nnr etwa 7^ Meilen (oder 13 Stunden in gewöhnlichem Pferdeschritt) vonSsaray-amo entfernt uud lag an einem die beiden Hauptarme des Niger — den „Mayo dhanneo" oder „weißen Flnß" uud „Mayo balleo" oder »schwarzen Flnß" — verbindenden Querarm. Ich suchte daher meine Abreise auf jede Weise zu beschleunigen nnd es gelang mir am Ende, das von Timbuktu gekommene Boot zn meinem ausschließlichen Gebranch für 10,000 Muscheln zu miethen. ^ Meine fünf Kameelc und zwei meiner Pferde ließ ich in Ssarayamo nntcr der Obhut eines vornehmen Tarti Namens Mohammed Bonyami zurück, der in der Nähe der Stadt begütert nnd mir befreundet worden war; mein Reitpferd aber schickte ich mit Abbega, meinen» freigelassenen Schwarzen, auf dem Landwege nach Kabara, dem Hafenort von Timbuktu. An A^nd des letzten August (1853) schiffte ich mich auf -----------25) wandten Pflanzen bewachsen. Das Wasser war hier frei und offen, aber nach einiger Zeit war dcr Fluß wieder voll von Gras, zwischen welchem er sich in mehreren freien Armen hindurchwand; bei einer ansehnlichen Breite hatte dcr Fluß eine Tiefe von ss —7 Fuß. — Einige Fischerlahne gaben uns Gelegenheit, drei große Fische von der Gattung <^>riim« zu erhandeln, die ein vortreffliches Mahl abgaben. — In großen Windungen verfolgten wir die nördliche Hauvtrichtuug, bis wir eine Stunde nach Mittag das Städtchen Fatta am rechten Ufer erreichten, von wo dcr Fluß ciue westliche, baun fogar eine süd» westliche Richtung annahm. Diese Abwcichuug von unseren: direkten nördlichen Kurs begann durch ihre lauge Dauer (über 2z deutsche Meilen) meine Geduld anf eine harte Probe zu stellen, zumal ein Widriger Nordwestwind unser Fortkommen noch mehr erschwerte. Einigermaaßen unterhielt mich während dessen der Gesang unserer Boots- ------ 251 ------ leute, mit welchem sie ihre Rudcrschlage begleiteten; in einer barbarischen, aber keineswegs unmelodischen Wrise sangen sie cin Preislied auf die Thaten ihres nationalen Helden, des großen Ssonrhai-Königs Askia. Ich selbst hatte in historisch-antiquarischem Eifer nnscr bescheidenes Fahrzeng nach diesem Manne „Mohammed Astia" getauft. Zahlreiche Nindviehheerden belebten das linke (jetzt südliche) Ufer; je weiter wir vorrückten, nm so mehr erweiterte sich der Kanal und ward allmählich wieder frei von Gras nnd Rohr; es deckte ihn nnr noch dann nnd wann, wie zum Schmuck, ein schwimmender Ueberzug von Wasserlilien. Leider hatten wir aber eine heftige Strömung gegen uns, da diese im Allgemeinen vom Hanvtstrom her landeinwärts geht; durch lokale Verhältnisse erhält dieselbe jedoch hänfig eine andere Richtung. Die Tiefe schien mit der Breite des Wassers zuznnehmen, denn bald reichten die 18 Fnß langen Nnderstangen nicht mehr auf den Grnnd. — Endlich bog zu meiner großen Freude der Fluß wieder allmählich nach Norden um und hielt alsdann eine nordnordwcstliche Richtung ein. Ein cwfsteigendcs Unwetter nöthigte uns aber bald, in einem dicht überwachsenen Hinterarm Schntz gegeu den heftigen, die Gewitter begleitenden Sturm zu suchen nnd den „Mohammed Askia" für die Nacht vor Anker zn bringen. Dies geschieht, indem man zwei Stangen zu beiden Seiten des Fahrzeugs und eine an dein breiten Hintertheil in den Boden treibt. So endete meine erste Tagfahrt anf den Nebenarmen des Niger. Es ist ein großer Uebelstand, daß die größeren Nigerboote, die nie bis ganz dicht an das Ufer heraufahrcn können, teine Vorrichtung besitzen, um trockenen Fnsies das Land betreten zu können; dabei ist man stets genöthigt, täglich mehrmals zu landen,, da die vorgeschriebenen Gebete auf dem festen Boden verrichtet werden muffen. Dieses öftere Waden durch Schlamm nnd Wasser, so wie die große Menge Wasser, welche fortwährend in die undichten Fahrzeuge eindringt, ist die Ursache, daß Nigerreisende fast durchgängig an Rheumatismus leiden. Außer den unvermeidlichen Mückenschwärmen verging die Nacht ohne Störung und wir verließen unseren Ankerplatz um 6^ Uhr Morgens. Im Allgemeinen hielten wir uns ziemlich dicht am Ufer, bald näher an dein rinen, bald an dem andern rndernd oder mit einer günstigen Strömung treibend; die Geschwindigkeit, mit der wir uns fortbewegten, betrug nach meiner Schätzung 3 — 2,^ Seemeilen die stunde, war also eine sehr mäßige, etwa die eines gewöhnlichen Fußgängers. Man darf aber nicht vergessen, daß diese überaus gewun- ------ 252------ denc Wasserftartie zwischen Ssarayamo und Kabara, obgleich sie in den Windungen selbst mit drr größten Genauigkeit von mir niedergelegt wurde, doch eben wegen der verschiedenen Geschwindigkeit in den einzelnen Theilen der schwächste Theil in der Konstruktion der mein größeres Reisewerk begleitenden Karten ist; auf Grund dieser Unsicherheit glanbe ich auch annehmen zn müssen, daß Timbuktu 2 — 3 deutsche Meilen nördlicher liegt, als es auf jener Karte angegeben ist. Wie gestern, so passirtcn wir auch am zweiten Tag bald offenes, bald mit Gras überwachsenes Wasser; nur wnchs der Fluß durch Hinzutreten anderer Arme au Breite (900—1U00 Schritte), wahrend die Tiefe bald 14H, bald Itt Fuß, bald bedeutend mehr bctrng; jetzt zeigten sich auch Kaimauc und Krokodile im Wasser. Die Ufer waren anfangs einförmig, zeigten aber weiterhin etwas Anbau, wurden von Menschen, Vieh und wilden: Geflügel (Pelikanen) belebt und waren stellenweise dicht uud schön bewaldet. — Die erste Haupttrümmung des Flusses führte uns nach Osten, die zweite nach Norden und die dritte wieder nach Osten. Am Ende der letzteren, da wo der Strom — eine weite schöne Bucht bildend - abermals nach Norden umbog, lag am rechten (südlichen) Ufer der Ort Banai. Schon war es Abend, als wir, an dem bewaldeten nördlichen Ufer hinfahrend, dem Städtchen gegenüber kamen, und die Fahrt quer über den spiegelglatten breiten Strom gerade auf die hell leuchtenden Abendfcucr von Banai zu bildete einen entzückenden Schluß der genußreichen Tagereise. Strahlend rein war der Himmel, als ich am folgenden Morgen an Bord des Fahrzeugs erwachte, und in Ruhe genoß ich einige Stunden den herrlichen Anblick des Flnsfes und feiner Umgebungen. An dem südlichen, etwa bis zu 50 Fuß ansteigenden Ufer lag das Städtchen Banai, am Rande der schönen Bucht sich entlang ziehend; einer kleinen Vorstadt von einzeln stehenden Hütten gerade gegenüber war unser Boot befestigt. Zahlreiche Viehhecrden waren am sandigen Ufer versammelt, um in der Frühe gemolken zu werden, so daß der reizenden frischen Flußscene auch die Staffage nicht fehlte. Das ganze anziehende Bild aber war in einen grünen Rahmen schöner Bäume gefaßt und der Schmuck, welchen der reiche Pflanzenwuchs der Landschaft verlieh, ward noch erhöht, als kurz nachdem wir uns in Bewegung gefetzt hatten, cine große Menge Duniftalmen sichtbar wurden; doch schien die Kadcna iche de6 3iigergel)iele5 uor dem Auftreten der Mlüe. — Beschreibung der 6tadt Timliuklu. Timbuktu ist teincswegs, wie mau in Enropa bisher allgemein angenommen hatte, der Mittclftuutt eiues großeu sclbstständigeu Reichs gewesen. Mächtige staatliche Gemeinwesen bestanden schon lange vor seiner Gründung ringsumher, und Jahrhunderte laug, nachdem die Stadt in's ^cben gerufen war, wuchs dieselbe zwar frei uud nnabhäugig, aber ohne die Hauptstadt eines Reichs von einiger Bcdentnng zu sein. Nach der Augabe unseres Gewährsmannes für die Geschichte der Niger-lander, Ahlued Baba, von welchem ich gleich ausführlicher reden werde, wnrde dieser berühmte Ort gegen Ende des fünften Jahrhunderts der Hcdjra (nm 11M n. Chr.) von einer Abtheilung der Inw-scharh oder Tuareg gegründet, nachdem schon längere Zeit dieselbe Stätte gelegentlich ihr Lagerplatz gewesen war. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, daß vom ersteu Anfang an ein Theil der Vcwohner der ncncn Stadt der Ssonrhai Natwn angehörte, uud ich bin daher der Ausicht, daß die ursprüngliche Form des Namens die Ssonrhai-Form „Tumbutu" War, indem mau mit diesem Namen, der eigentlich „?cib", „Bauchhöhle" bedeutet, eiuc Vertiefung in den Sanddüncn dieser Landschaft bezeichnete '). Die ^mo-scharh verwandelten diesen Namen in „Tum-bütku", woraus im Laufe der Zeit „Tnmbnltu" wurde, oder, wie die Araber der Gegenwart fast allgemein sprccheu und schreiben, „Timbuktu" (eigentlich Ti n buktn, ohne langen Vokal und mit der Betonung auf der zweiten Sylbe). Aus den ersten zweihundert Jahren ihres Bestehens ist uus nichts ') In derselben Wcisc kommt da« gleichbedelitendc arabische W^rt El Djuf sehr häufig als Ortsbezeichnung vor. ------ 263 ------ von den Schicksalen der Stadt überliefert worden; sie scheint bis dahin weder eine Rolle von einiger Bedeutung gespielt zu haben, noch überhaupt mit der Geschichte der umgebenden Landschaft eng verknüpft gewesen zn sein, wie sie denn durch ihre ^age am Naude der Wüste dem gewöhnlichen Verkehr entrückt war. Selbst durch die Eroberung und Einverleibung in das damals mächtigste Negerreich, das von Melle am oberen Stromsystem des Niger, im ersten Viertel des 14. Jahrh, erlangte Timbuktu noch feine hervorragende Bedeutung, da der ganze Verkehr mit dem Norden sich damals noch westlich über Walata zog; erst mit der Zertrümmerung jenes Reiches, der Verödung Walata's und dem mächtigen Aufblühe» des Ssourhai-Reiches an der großen nördlichen Biegung des Niger nimmt es eine hervorragende Rolle in der Geschichte ein und erlaugt nuu schucll eine namhafte Wichtigkeit. Sein Geschick war fortan verwebt in die Geschicke der benachbarten Reiche, und nm das geschichtliche ^ebcn dieser Wüstenstadt zu verstehen, müssen wir einen Blick auf die Entwickelung der Niger-landcr im Allgemeinen werfen; diese aber bietet schon an sich eine Menge der interessantesten Thatsachen dar und ist wohl ciner näheren Berücksichtigung werth. Vor meiner Reise waren kaum irgendwelche Daten in Bezug auf die Geschichte dieses ausgedehnten uud wichtigen Randgebiets bekannt, mit Ausnahme weniger ganz vereinzelter Umstände, die der gelehrte und kritische englische Geograph Herr William DcSborough Cooley, uach meines vortrefflichen Lehrers Karl Ritter allgemeinen Zusammenstellungen aus El Bekri, der Geschichte Ebn Chaldun's, dem dunkeln und verworrenen Berichte Leo's über den großen Astia und einer gauz kurzen Andeutung der Eroberung Timbuktu's und Ga - rho's durch den Feldherrn des Kaisers von Marokko von Seiten einiger spanischen Schriftsteller, mit großen: Scharfsinn combinirt hatte '). Mir selbst erst war das Glück vorbehalten, eine vollständige Geschichte des Königreichs Ssonrhai bis zum Jahre 1640 unserer Zcitrechnnng durchzusehen. Die Handschrift bildete einen ansehnlichen Quartband, und wenn ich leider auch nicht im Stande war, ein vollständiges Exemplar derselben mit nach Europa zn bringen, so tonnte ich doch während weniger Tage meines Aufenthalts in Gando kurze Auszüge derjenigen Abschnitte machen, welche ich für Geographie und Geschichte am wichtigsten hielt. Diese Anszüge, so wie andere ') ^ooie^, Ko^ralllnä ot' ttw H,rubg. 1841. -----264------ Quellen und an Ort und Stelle gemachte Forschungen habe ich dazu benutzt, nm im Anhange znm vierten Bande meines größeren Werkes eine ziemlich vollständige Chronik des Ssonrhai-Reichs nnd der bc> nachbarten Königreiche zusammenzustellen; hier werde ich so diel ans derselben mittheilen, als nöthig ist, nm einen Ueberblick über die poli-tische Geschichte des Nigcrlandes zn gewinnen. Jene handschriftlichen Jahrbücher Ssonrhai's wnrden nach der allgemeinen Annahme der Gelehrten des Negerlandes von einem hochgestellten Manne Namens Ahmed Baba nntcr dem Titel „tarich e' Ssndan" nm die Mitte des 17. Jahrhunderts abgefaßt, obwohl im Werke selbst der Verfasser nnr in der dritten Person lion sich spricht. Ahmed Baba war ein Mann von großer Gelehrsamkeit, wenn man das Land, in welchem er lebte, in Betracht zieht, und hat anßer jenen Jahrbüchern mehrere andere Werke verfaßt. Nebet« seiner Gelehrsamkeit aber zeichnete sich Ahmed Baba anch durch den eifrigsten Patriotismus nnd einen überaus achtnngswcrthen Charakter aus, so daß er, von dem marokkanischen Eroberer seines Vaterlandes — am Ende des 16. Iahrhnnderts — in Gefangenschaft geschleppt, selbst vom Feinde hoch geehrt nnd mit Achtnng behandelt wnrde. Viegt nun hierin schon eine große Bürgschaft für die Glanbwürdigteit der Anfzeichnnngen Ahmed Baba's, so spricht anch weiter noch dafür die vorsichtige nnd verständige Art, in welcher der Verfasser über die früheste, noch in mystisches Dnntel gehüllte Periode seiner Gcschichtserzählung berichtet, und die große annalistische Gcnanigkeit, die besonders im Gegensatze zu den Chronitenschreibern Bornn's auf das Vorthcilhafteste sich auszeichnet. Wir können also, gestützt auf eiue solche Persönlichkeit, die folgenden Data ill Bezug auf ihren historischen Werth mit dem größten Vertrauen anfnehmen. Das älteste Ncich in den Nigergegcnden, von welchem unser Gewährsmann Kunde giebt, war das Königreich Ghana oder Ghanata im Westen von Timbnktu, dessen wir schon bei der früheren Geschichte der Fulbe Erwähnung gethan haben. Bei dieser Gelegenheit habe ich bereits daranf anfmerl'sam gemacht, daß der Name oder Titel des Gründers jenes Reichs, „Waladja - mangha", offenbar der Fnlfulde-Sprachc („mangha" oder „mangho" bedentet in derselben „groß") entnommen sei, weshalb wir annehmen dürfen, daß die Fulbe die herrschende hellfarbige Bevölkerung Ghanata's waren. Die gleichnamige Hauptstadt lag etwa nnter dem 18° n. Br. nnd dem 7° w. L. v. Gr., den centralen Theil des Reichs aber bildete die südlich davon ------- 265 ------ gelegene Landschaft, die jetzige Provinz Baghena, oder das Land zwischen dem oberen Senegal nnd dem Niger, da wo sich dieser Strom unterhalb Djinni nach Norden umbiegt. Gegründet wurde das Reich etwa um das Jahr 300 n. Chr., gerade zn der Zeit, als das Christenthum in allen Küstenländern des Mittclmeers und vornehmlich auch in Mauritanicn so gewaltige Fortschritte machte und so große Umwälzungen hervorrief. Unsere Kenntniß der frühesten Geschichte des Reichs von Ghauata ist äußerst gering, doch sollen bis zum Beginn der mohammedanischen Zeitrechnung lim ersten Viertel des 7. Jahrhunderts nach Chr.) bereits 22 Könige über Ghauata geherrscht haben; auch wissen wir, daß der Islam sehr früh sich hier Eingang verschaffte und daß spätestens schon im Anfang des 10. Iahrhuuderts in der Hauptstadt Ghauata ein ausgedehutes mohammedanisches Stadtviertel mit zwölf Moscheen bestand. Was nun die Einführung des Islam in diese westlichen Theile des Negerlandes betrifft, so waren die von Norden herabgedrängten Berberstämme die Träger uud Verbreiter der neueu ^ehre. Zuerst trat der iu der Wüste mächtige Stamm der Nmtuna auf und nach ihrer Besiegung der Staunn der Senagha oder, wie sie von den Arabern genannt werden, Senhadja. Siegreich scheinen sie ihre Macht über den westlichen Theil der Wüste, die ganze Nachbarschaft des Negerlandes nnd einen großen Theil des Reichs von Ghanata ausgedehnt zu haben. Etwa drei Längengrade westlich von der Stadt Ghanata besaßen sie nm die Mitte des 10. Iahrhuudcrts n. Chr. die wichtige Handclskolome Audaghost, welche nach meiner Berechnung in der Nähe des heutigen Kasr-el-Barka (zwischen dem 10° nnd 11° w. L. v. Gr. nnd dem 18° nnd 19° n. Br.) lag, und nicht weniger als 23 Negerkönigc ') sollen in demselben Jahrhundert einem der Häuptlinge der Scnagha tributpflichtig geweseu sein. Inzwischen war weiter östlich, in den Uferlandschaftcn des mittleren Niger, ein anderes Reich emporgewachsen, das Reich der Ssonrhai. Ueber die ursprüngliche Heimath dieses Bölt'erstammes läßt uus Ahmed Äaba vollständig im Duuteln, doch scheinen manche Traditionen dafür zu sprechen, daß wir sie an den vielfach verschlungenen Zinnen des ') Zu jener Zeit nämlich erstreckte sich das Land der Neger durchschnittlich uoch bis zum 20. Breitengrade, und erst damals wurden sie durch das Herab-brangen der Berber zurückgeschoben; zu gleicher Zeit hatte das Eindringen dieser Horden die Verödung jeuer Landschaften zur Folge, die bis dahin iu den mehr begünstigten Theilen sehr dicht bevölkert waren. ------ 266 ------ Niger oberhalb Timbuktu zu suchen haben. Jedenfalls aber glaube ich annehmen zu dürfen, daß die historische Bedeutung der Ssourhai als Nation von Burrum ausging, einer Vandschaft an dein großen östlichen Knie des Niger, wo dieser seinen nach Osten gerichteten Lauf am Nande der Wüste entlang gegen einen südsüdöstlichcu vertauscht. Von diesem Mittelpunkte dehnte sich der (5'influß der Ssonrhai nach beiden Seiten längs des Niger aus und koncentrirte sich stromabwärts im Umkreis ihrer alten Hanptstadt Kutia, die in der Nahe des hcntigen Gogo oder Ga rho lag. Hierher soll nun im Beginn des 7. Iahrhuuderts n. Chr., also zur Zeit der Hedjra, eiu Mann Namens Ssa von Osten her gekommen sein und die nach ihm benannte älteste Ssonrhai-Dynastie gegründet haben. Die nationale Abkunft dieses Mannes bleibt ill Dunkel gehüllt, doch knüpft sie die Tradition an Jemen (Arabien); wahrscheinlicher jedoch gehörte er dem Äerberstamm an. Jedenfalls aber wird dadurch, daß die Sage dcu Gründer der ersten Dynastie von Osten her in das ^and kommen läßt, uud durch viele andere Umstände darauf hingewiesen, daß für diesen Tl,eil des Negerlandcs die Anfänge der Civilisation von Osten her, von Aegypten, ausgingen. — Die erste Wirkung dieses umbildenden Cinflnsses bestand darin, die bezeichnendsten Züge heidnischen Aberglaubens zu zrrstöreu oder wenigstens zu übertünchen, vor Allem die Verehrung einer besondern Art eines großen Fisches. Es war dies wahrscheinlich der berühmte Ayu (Nn,-nktuk Vogolii), den ich bereits mehrfach erwähnt habe uud auf dessen Vorhandensein im Hauptarm des Niger ich noch zurückkommen werde. Die anfänglich kleine Herrschaft, die so ihren Mittelpuukt in Kntia gefunden hatte, scheint schnell zu Ausdehnung und Macht gelangt zu sein. Namentlich bildete sich in der Nachbarschaft der Residenz die Stadt Gogo oder Ga-rho am Niger zu eiuem wichtigcu Handelsplätze heran, so baß sie nach deutlichen Spuren schon am Ende des 9. Jahrhunderts mit Uarghela, dem ältesten Handelsplatz an der nördlichen Grenze der Wüste, in Verbindung stand. Hieraus aber folgt, daß der Handel zwischen Nord-Afrika uud dem Negerland uucndlich viel älter ist, als mau jemals vermuthet hat. — Um die Mitte des 10. Jahrhunderts war der König von Ssonrhai schon so mächtig, daß man in dem weit entfernten Audaghost, wo der Häuptling der Senagha damals seine Residenz hatte, es für gerathen hielt, jenem Fürsten Geschenke zn schicken, um cincu Krieg mit ihm zu vermeiden. — Immer aber waren die Ssonrhai mit wenigen Ausnahmeu noch ------ 267 ------ Heiden und erst der 15. Fürst aus der Dynastie der Ssa, Sfa Kassi, nahm um das Jahr 1009 n. Chr. (400 n. d. H.) den Islam an. Mit der Religion wechselte man auch die Residenz, indem Kukia dem nen aufblühenden Gogo oder Ga-rho weichen mußte. Schnell scheint der Islam tiefe Wnrzcln geschlafen zn haben, wenn auch vorerst noch nicht das ganze Volt bekehrt ward, sondern vorzugsweise nur der Hof und die Großen sich zn der neuen Lehre bekannten. Um das Jahr U>67 n. Chr. bestand die Hauptstadt Gogo aus zwei Städten oder Quartieren, von denen das eine Residenz dcö Mugs und von Mohammedanern bewohnt war, während die Bevölkerung des anderen noch dem Götzendienst auhiug. Indcsscu war doch der Islam schon so vorherrschend, daß das Bekenntniß desselben eine Gruudbedinguug der Berechtigung znr Herrschaft war; auch wurden bei der Thronbesteigung eines neuen Herrschers diesem feierlich drei Embleme des Königthums übergeben, ein Ring, ein Schwert und ein Kuran. Diese heiligen Pfänder waren einst, so hieß es, einem Ssourhai-Fürsten als „Emir el Mumenin" (— der König von Ssonrhai führte also schon damals den vielsagenden Titel „Beherrscher der Gläubigen"—) aus Aegypten gesandt worden. Neben semer neuen Bedeutung als Residenz behauptete Gogo aber auch seine frühere Wichtigkeit als Mittelpunkt für den Handel. Salz war um diese Zeit der Stapclartikel; es kam vou der Berberstadt Talttek, 15 Tagerciseu nördlich von Gogo und mitten in der Wüste gelegen. Auch die frühere Hauptstadt Knlia, die schon ganz von Mohammedanern bewohnt war uud am Anfang der Karawanenstraße nach Aegypteu lag, trieb um diese Zeit ciuen lebhaften Handel nnd zwar vorzugsweise mit Gold; sie war damals für dieses edle Metall der größte Markt im ganzen Negerlande, obschon die Qualität des aus deu Landschaften zwischen Senegal und Niger (von Bambut und Bure) nach Audaghost gebrachten Goldes besser gewesen sein soll. Außer Salz und Gold waren Muscheln, Kupfer und Glasperlen die Haupthandelsartikel in Kukia. So sehen wir denn bereits Städte der Ssonrhai-Nation groß und blühend durch politische Macht und ausgedehnten Handel, ehe noch die erste Hütte anf dcr Stätte des nachherigen Timbuktu aufgeschlagen war. Erst jetzt müssen wir der Zeitfolge der Ereignisse nach die Gründung Timbuktu's erwähnen; ich verweise deshalb auf das, was ich Eingangs dieser historischen Uebersicht über dieselbe gesagt habe, und kehre einstweilen zu den Schicksalen der Länder im Westen von ------ 268 ------ Timbuktu zurück, bis auch diese zu höherem Ruhme bestimmte Stadt berechtigt wird, mit iu den Vordergrund der Erzählung zu treteu. Wir fanden im 10. Jahrhundert deu Stauuu der Scuagha als den hcrrschcliden iiu westlichen Theil der Wiistc uud den südlich a,v greuzeudcu Vandschafteu; auch das Reich vou Ghauata war zum Theil unter ihre Herrschaft gekommen. Es scheint jedoch, daß dieses letztere sich später ermauute uud uuu sciuerscits ciucu Theil des Gebietes der Senagha-Herrschaft uuter sciuc Botmäßigkeit brachte. So war Au-daghost vou Ghauata abhängig gewordeu, wurde aber im Jahre 1052 n. Chr. von deu Merabetin, den Schülern eines kurz zuvor unter deu Senagha aufgctrctcucu Religiuuslehrers, Abd Allah Ebu Jassin, erobert und geplündert. Wcuigc Jahre darauf stehen die Könige von Ghauata iu ciucm Abhängigteitsverhältniß zu dem Häuptling der Merabetin, bis im Jahre 1076 Letztcrc Ghanata erobern und einen großen Theil der Einwohner zwingen, deu Islam anzunehmen; auch über die benachbarteu Distrikte des Negerlandes ward derselbe durch die Waffcu der Mcrabetin ausgebreitet. Dic Senagha bleiben uun zwar auch der herrschende Stamm in Ghanata, doch sinkt ihre Macht schuell. Bereits im Jahre 1203—1204 (600 n. d. H.) sind sie so schwach geworden, daß sie deu von Süden andriugcudcu Ssussu, einem mit den Wakorc (Mandingo) verwaudtcn Stanune, nicht widerstehen tonnen und Ghanata in den Händen derselben lassen müssen. Um das Jahr 1233 aber erreicht die Herrschaft der Senagha auch iu der Wüste ihr Ende uud die in dem südlichen Theile derselben ansässigen Ueberbleibscl des einst großen und mächtigen Volkes (die ^imtuua und Messnfa) sinken nach uud nach znr Tributpflichtigkeit herab; denn eine andere Macht tritt nun in den Vordergrund, das Reich vuu Mclle am oberen Niger. Ueber die Entstehung des Reichs von Melle, das bald das mächtigste im gauzcu Ncgerlaude wurde, wissen wir nichts. Als der erste Moslemkönig von Mclle wird Baramindana genannt, der im Jahre 1213 n. Ehr. eine Pilgerfahrt unternommen haben soll, uud einer seiner Nachfolger, Mari Djatah (1235 — 1260 u. Ehr.), unterwarf die Ssussu, die damaligen Herren von Ghanata. Als der größte König von Melle aber mnß Manssa Mussa (eigentlich Kuntur Musfa) genannt werden. Er regierte don 1311—1331 uud brachte die politische und militärische Macht seines Reiches zu einer solchen Entfaltung, daß es nach Ahmed Vaba's Worten ..eine Stärke zum Angriff ohne Maaß uud Greuze" besaß. Zunächst unterwarf Mansfa Mussa ------ 269 ------ Bagheua oder die Überbleibsel des Königreichs Ghanata mit Einschluß des ganzcu bewohnten LaudeS von Taganet und Adcrer (also den West-licheu Theil der Wüste), dann das westliche Tekrur') und auf der Rückkehr von einer Wallfahrt nach Mekka, um das Jahr 1326, das Königreich Ssonrhai sammt seiner Hauptstadt Gogo, so wie endlich Timbuktu. Nur eine der damals blühenden Städte des Negerlandes widerstand dem König von Melle, obgleich sie fortwährend mit ihm im Krieg begriffen war. Es war dies Djcnni, eine sehr ansehnliche Stadt südsüdwestlich von dem heutigen Hamd - Allahi am oberen 'Niger, der dieselbe beinahe ganz umfließt. Djiuni war bereits mn die Mitte des 11. Jahrh. n. Chr. gegründet und schon damals zu großer kommerzieller Wichtigkeit herangewachsen. Timbuktu scheint sich dem Eroberer ohne Widerstand ergeben zn haben und nahm uuu als Provinzialresideuz an Glanz uud Ansehen zu; denn der kuustlicbeudc und energische Herrscher errichtete dort neue Paläste und Moscheen. Das war der Vortheil, den Timbuktu für den Verlust seiner Unabhängigkeit davon trug, so wie daß die Stadt, iudcm sie ein Theil eines mächtigen Königreichs wurde, mm auch gegm jede Gewaltthat der benachbarten Berber geschützt war. Die Folge davon war, daß sie sich schnell vergrößerte uud bald ein Marktplatz ersten Ranges wurde. Bisher war nämlich Ghanata das Hauptempurimn des Handels mit Nord-Afrika für diesen Theil des Negerlandes und der Sitz vieler fremder Kaufherren ans dem Fcsan, aus Ghadames, Tauat, Tasilct u. s. w. gewesen; alle diese siedeltcu nun allmählich nach Timbuktu über und vcrgrößertcu natürlich dessen Handel und Reichthum. Freilich erwuchsen der reichen Stadt auch neue Feinde. Gegen Ende der Negieruugszcit Manssa Mussa's kä'mftftcu die heidnischen Mossi, welche bis auf die Gegenwart die Sache des Heidcnthums nicht ohne Erfolg gegen den Islam verfochten haben, mit Glück gegen die Mohammedaner von Melle und draugen aus ihren Sitzen im Südcu des großen, vom Niger beschriebenen Dreiecks bis nach Timbuktu vor. Die Besatzung von Mcllc floh und der König von Mossi verheerte nun die unglückliche Stadt mit Feuer und Schwert. Sieben Jahre lang scheint Timbuktu uach dieser Eroberuug vou Mclle aus nicht wieder besetzt, sondern sich selbst überlassen gewesen zu sein, bis ') Tekrur bezeichnet ursprünglich den Hecrd z^g Islams im Negerland, hier das Land zu beiden Seiten des mittleren Niger, in dessen sildsüdöstlichem Laufe. ------ 270 ------ Mansfa Sslimcm, der von 1335 an König von Mclle war, das Ansehen dieses Reichs wieder herstellte, Timbuttn von Neuem in Besitz nahm und wieder anfbaute. Die Stadt blieb nun für die nächsten hundert Jahre ununterbrochen in diesem Abhängigteitsuerhältniß. Wahrend dieser Zeit, etwa um das Jahr 1373 n. Chr., wurde Timbuktu zuerst in Europa bekannt, indem es in dem spanischen Kartenwerk Uappainonäo Oatn^n als Timbntsch aufgeführt ward. ^ange Zeit bleiben mm die Politischen Verhältnisse des Niger-landes ohne nenucnswerthe Aenderung. Zwar gelang es schon unter dem Nachfolger des großen Manssa Mnssa dem Ssmirhai ^ Priuzen Ali Killun oder Mlnn mit seinem Bruder von dem Hofe zn Mclle, wo sie als Geißeln gehalten wurden, zu entfliehen, in sein Heimathland zurückzukchreu und dort eine neue Dynastie zu stiften, die Dynastie der Ssonni, doch ohne eine danernde und vollständige Unabhängigkeit von Mellc zn erlangen. —- Crst gegen die Mitte des folgenden, des 15. Jahrh, beginnt die Macht des Reichs Mclle, in Folge der Par-tcinngen nnter del« verschiedenen Statthaltern zu sinken. So kam es denn, daß Mellc nicht mehr im Stande war, dem Andringen der Berberstämmc zu widerstehen, nnd diese (wahrscheinlich der Stamm der Massufa, an der Grenze der Wüste ansässig) nnter ihrem Häuptling Mil Timbnltn eroberten nnd dauernd in Aesitz nahmen; niemals erstreckte sich jedoch ihre Herrschaft bis jenseits des Niger (1433 n. Chr.). — Trotz dieses Verlnstes nnd seiner innern Zwistigteiten bleibt Mclle noch eine Reihe von Jahren hindnrch das mächtigste Königreich des ganzen NegerlandcS. Bon großer Wichtigkeit war namentlich der Handel mit Gold, der um diese Zeit von der Hauptstadt Melle') aus nach drei Richtungen hin betrieben wnrdc. Derselbe ging nämlich erstens von Melle nach Kukia hiu und von da nach Acgyptcn, zweitens von Melle nach Timbuktu und von da nach Tauat und endlich ebenfalls nach Timbnltu, daun aber von hier nach Wadan oder Hoden ^—20° u. Br. und 11° w. ?. v. Gr.—), welches damals ein sehr wichtiger Plah nicht nnr für diesen Handelszweig, sondern anch für den Sklavenhandel war. Timbuktu sclbst war zur Zeit eiu bedeutm-der Stapelplatz für Salz, das sämmtlich ans den Salzmincn von Teghasa kam (— 1? bis 18 Meilen nordlich von Taodenni —). Da bestieg im Jahre 869 der Hedjra (1464—1465 n. Chr.) ') Die Stavl Mclle lag an cincm der nördlicheren Nigerarme, südwestlich vvn Timbuktu. ------- 271 - Ssonni Ali, „der große Tyrann und berüchtigte Bösewicht", den Thron von Ssonrhai. Er war der Sechzehnte in der neuen Dynastic der Ssonni und sollte ein Mann von der höchsten historischen Wichtigfeit fiir das Ncgerland werden, ein grausamer, aber kräftiger Herrscher, der alle staatlichen Verhältnisse dieses Theils des Negerlandcs umgestaltete, indem er das Königreich Melle niederwarf. — Als die Berber unter Atil Timbuktu erobert hatten, bestellten sie aus der bereits hier ansässigen berberischcn Bevölkerung einen Statthalter als Tumbutu-koy, indem sie selbst ihr gewohntes Nomadenleben städtischer Siede-lung vorzogen. Bald aber behandelten sie diese Statthalter mit solchem Uebermuth, daß der zweite derselben Ssonni Ali veranlaßte, gegen Timbuktu zu marschiren (146^—1469). Solche Aufforderung kam dem Eroberer ganz gelegen, aber er erschien nicht eben als Freund, sondern richtete eine so schreckliche Plündernng nnd ein so entsetzliches Blutbad an, daß selbst die Gräuel, die der Heidcnköuig von Mossi an der Stadt verübt hatte, dagegen in den Hintergrund traten. Besonders scheint Sfonni'Ali gegen die Klasse der Gelehrten gewüthet zu haben, die Timbuktu vorzugsweise zu ihrem Sitz erwählt hatteu. — Dennoch muß sich die Stadt von diesem Schlage schnell erholt haben, wenigstens war sie im letzten Theil desselben Jahrhunderts dichter bevölkert als jemals zuvor. Es läßt sich dies wohl daraus erklären, daß in Folge der Eroberungen Ali's die arabischen Kanflente aus dein Norden den Handel mit Ghauata abbrachen und statt desseu anfingen, die Märkte von Timbuktu und Gogo zu besuchen. Ssonni Ali eroberte auch Bagheua oder den centralen ursprünglichen Theil des alten Königreichs Ghcmata, er begnügte sich aber damit, den Hänptling dieses Landes tributpflichtig zu machen. Eben so verfuhr er hierauf mit Djenui, dehnte also seine Eroberungen noch über die Grenzen von Melle hinaus, da Djinni allem Anscheine nach nie unter die Botmäßigkeit des letztcrn gekommen war. Aber auch in dieser Stadt, die zu jener Zeit durch ihren Gewcrbstciß in Erzeugung einheimischen Gewebes blühte, bezeichnete er seine Eroberung mit einem furchtbaren Blutbad. — Ssouui Ali muß es auch gewesen sein, an welchen Johann II. von Portugal eine Gesandtschaft abschickte; jedenfalls war er der König, welcher den Portugiesen die Erlaubniß gab, in Wadan oder Hoden eine Faktorei zu errichten. Dieselbe ging jedoch bald wieder ein, da der Platz zu unfruchtbar und von der Küste zu weit entfernt war. — Ssouni Ali ertrank (den 5. Nov. 1492) in einem der von mir in ungleich ungünstigerer Jahreszeit passirten reißen- ------ 272 ------ den Ströme bei seiner Rückkehr von einem Kriegszug gegen Gurma. Ihm folgte sein Sohn Abu Balr Dau, jedoch nur um gleich nach seiner Thronbesteigung von einem Heerführer seilies Vaters besiegt und entthront zu werden. Der ^eser wird sich erinnern, daß die Dynastie der Ssa, von welcher die der Ssonni nnr ein Zweig war, eine fremdländische und cingewanderte war. Ssouui Ali nun mochte sich dnrch seine Grausamkeit verhaßt gemacht haben, ein Haß, der auf die ganze Familie übertragen wurde. Bei dem Tode des gcfürchtctcn Ali sammelt daher Mohammed, der Sohn eines cingebornen Ssonrhai Namens Abu Balr, die Unzufriedenen um sich, greift den neuen König an, wird zwar anfänglich zurückgeschlagen, besiegt ihn aber endlich doch in der Nähe der Hauptstadt und zwingt ihn zur Flucht in das Ausland, wo Abu Batr Dau starb. So sehen wir die fremde Dynastie dnrch eine eingelwrue, die der Astia ersetzt; denn Muhammed ben Abu Äatr war auf der Nigerinscl Neui, unterhalb der Insclstadt Sindcr, geboren. Das Erste, was dieser große Ssonrhai-König that, um sich in seiner neuen Herrschaft zu befestigen, war, daß er seinem Volke eine Zeit lang Ruhe gönnte, da fast sämmtliche männliche Bewohner von Ali zum Kriegsdienst verwandt worden waren. Ahmed Baba sagt denn auch von Askia, „Gott habe sich seiner bedient, um die wahren Gläubigen von ihrem beiden und ihrem Elend zu erlösen". ^ Den einen seiner Brüder berief er zum Statthalter von Timbuktu (Tum-butn-loy), einen andern sandte er ans, die Grenzen des Reichs nach Westen zu sichern; auch den Herrscher vou Djcuni, den Ssonni Ali zwar tributär gemacht, aber dem er doch die Regierung seines Landes gelassen hatte, nahm er gefangen und hielt ihn lebenslänglich in Gogu zurück. Nachdem er so sein Reich befestigt und erweitert hatte, unternahm er mit seinen Prinzen nnd Gelehrten eine Pilgerfahrt nach Mekka, die viel zur Verbreitung seines Ruhms beitrng. Nicht nnr die ausgezeichnetsten Mäuner aller ihm untergebenen Stämme begleiteten ihn ans diesem weiten, mühseligen Zuge, sondern auch 1000 Be-Waffuetc zu Fuß und 500 zu Pferd. Er uahm 300,000 Mithkal Gold mit sich, ungefähr 550,000 preuß. Thaler, damals eine ungeheuere Summe; seine Freigebigkeit aber war so groß, daß er unterwegs noch ein Anlehen vou weiteru 150,000 Mithtal machcu mußte; auch gründete er in Mekka eine milde Stiftung für die Pilger aus dem Negerlande. Diese Wallfahrt fand statt in den Jahren 1495 bis 1497 (oder 1496) n. Ehr. ------ 273 Zunächst fordert or nun die Mo-ssi auf, sich zum Islam zu bekehren, nnd da diese sich dessen weigerten, zog er gegen sic und verwüstete ihr ^aud. Dann eroberte er Baghena, dessen König von Ssomli Ali lnlr tributpflichtig gemacht worden war, und besiegte die damals schon mächtigen Fulbe (1499-1500). Sein Bruder Omar Kumsaghu unterwarf das Königreich Melle vollends und eroberte die Hauptstadt, damals die größte Stadt im Negcrland, mit MM Wohn Häusern. In demselben Jahre (1501) begann Hadj Mohammed einen heftigen Kamps gegen Bargu, das ^and zwischen Gurma, Aoruba und dem Niger. Die Bewohner desselben scheinen jedoch sehr kriegerisch gewesen zu sein, so das; der Ssonrhai-Köuig 4 — 5, Jahre mit ihnen kämpfen mußte. Bon 1506 an scheint eine längere Wasfenrnhc geherrscht zu haben. Der König beschäftigte sich mehr mit den innern Angelegenheiten seines ausgedehnten Reiches, welches sich Volt Kebbi im Osten bis zu dem heutigen Kaarta (an den nördlichen Owellflüsseu des Senegal) er-streckte. Offenbar lu'ült er sich während dieser Zeit meist in der Nähe von Timbuktu auf, wo er sich wenigsteus jedenfalls befand, als Leu Afritanns diesen Theil Afrika's besuchte. — Vom Jahre 1512 beginnen auf's Neue die kriegerischen Unternehmungen des großen Askia; es galt zunächst, die Macht des Reichs nach Westell hin auszudehnen. Es gelang dies auch in einer Weise, daß der Einfluß des Askia sich bis zur Westküste des Kontinents erstreckte und die Portugiesen am Seucgal höchlich erstaunten über die gewaltige Kriegsfurie, die „wie eine große Feuersbrunst'i alle Bänder von Osten nach Westen verheerte. - Im Jahre 1513 zog der König nach Katscna, kehrte im folgenden Jahr von dort zurück nnd unternahm 1515 einen Heercszng gegen das 1460 gegründete AgadeS, vertrieb die Berberstämme von dort und verpflanzte eine große Anzahl seiner eigenen ^ente dahin. Mit diesem Erfolg war jedoch nicht uur die Herrschaft Hadj Mohammed's, sondern auch die Macht des Ssonrhcw Reiches überhaupt auf die höchste Stufe gelangt. Dcnu bei drr Rückkehr deö Ersteren verlangte Kauta, der Statthalter von Veka in der Provinz Kebbi, welcher jenem lehnspflichtig war und ihn auf dem Zuge nach AgadeS begleitet hatte, einen Antheil an der wahrscheinlich sehr reichen Beute. Als dieser ihm nicht gestattet wurde, empörte er sich gegen seinen Vehusherrn (151tt>, blieb Sieger in einer großen Schlacht und hielt auch im folgenden Jahre die Unabhängigkeit des neuen Königreichs Batch'« R.isen. ,1, 18 ------ 274 ------ Kcbbi gegen den Askia aufrecht. Wir haben früher gesehen, daß Kanta in diesem Streite von den Fulbc unterstützt wurde. Hadj Ntohammed besuchte 1518 abermals den westlichen Theil feines Reiches und verweilte bei dieser Gelegenheit auch wieder in Timbuktu. In den nächstfolgenden Jahren aber hatte er das Unglück, zwei feiner Brüder, die kräftigsten Stützen feiner Macht, durch den Tod zu verlieren. Selbst alt geworden, ward er nun ciu Spielzeug in den Händen seiner übermüthigen Sühne, deren Rauke gegen ihn namentlich seit dem Jahre 1524 hervortrete». Wenige Jahre nachher (1527) droht sogar sein ältester Sohn, Hadj Mussa (— er hatte den Vater auf seiner Pilgerfahrt begleitet —), ihn zu todten, und zwang ihn zur Flucht. Noch einmal wurde das Einverständnis; zwischen Bater und Sohn wieder hergestellt, bald darauf aber empörte fich Mnsfa offen gegen Mohammed, tö'dtcte desfcn Bruder Iahia, der seine Partie nahm, und zwang ihn selbst abzudanken (1529). So eudcte die ausgezeichnete Regiernng Hadj Mohammed Askia's, nachdem er 36 Jahre 6 Monate den Throu innegehabt hatte. Sein Sohn Mnssa hatte ihn noch frei im Besitz des königlichen Palastes tn Gogo gelassen, dessen Nachfolger aber, ein Sohn seines Bruders Omar Kumsaghu, vertrieb ihu daraus und hielt ihn gefangen. Erst nachdem abermals einer seiner Söhne den Thron eingenommen hatte, ward der alte König aus seiner Gefangenschaft befreit, starb aber bald darauf (1537) iu der Hauptstadt und wnrdc daselbst in der großen Moschee begraben. — Die letzten Schicksale Hadj Mohammed's können als eine Sühne für den ungerechten Aufang seiner glorreichen Herr-schaft angesehen werden, in welchem er seinen Söhnen das Beispiel der Empörung gegeben hatte. Abgesehen hiervon aber muß Hadj Mohammed Askia wohl als der größte Regent betrachtet werden, wel-chen das Negerlaud überhaupt hervorgebracht hat. Er bewies sich als ein treuer und eifriger Anhänger des Islam, liebte mohammedanifche Gelehrsamkeit, war ein Freund der Gelehrten und folgte ihrem Rathe; auch sprechen die gelehrtestell uud strengsten Mohammedaner nur mit der höchstcu Achtuug und Verehrung von dem Gründer der cingcbornen Dynastie der Astia. Aber gerade deshalb, weil Hadj Mohammed Askia eiu eiugcborner Neger war uud nicht, wie andere berühmte Herrscher in der früheren Geschichte des Sudans, aus der Fremde eingewandert, verdient er unsere höchste Theilnahme. Denn in ihm sehen wir ein Beispiel des höchsten Grades intellektueller Entwickelung, deren dir schwarze Rasse fähig zu sein scheint. Wahrlich, eö lauu für ------ 275 -- Jemanden, der sich bemüht, die verschiedenen Menschenrassen gründlich zu begreifen, kein geringes Interesse haben, einen vergleichenden Blick auf jene Periode der Geschichte Afrika's zu werfen. Zn derselben Zeit, als die Portugiesen — damals eine der ersten nnter den thatkräftigen Nationen Europa's — fortgerissen von hcldemnüthigem Unternehmungsgeist, stufenweise die ganze Westküste Afrila's entdecken, dann das südlichste Vorgebirge umsegeln und endlich ihr indisches Reich gründen — zn derselben Zeit dehnt ein Regerlönig im Innern des Festlandes nicht allein seine Eroberungen über weite Gebiete aus (— vom Mittelpunkte Hanssa's an bis beinahe zu den Küsten des Atlantischen Meeres und von dem Heidcnlande Mo-ssi uuter dem 12° n. Br. bis nach Tanat im Süden Marokko's —), sondern regiert auch die unterworfenen Stämme mit Gerechtigkeit und Billigkeit, ruft aller Orten innerhalb der Grcnzcu dieses weiten Reichs Fülle und Wohlhabenheit hervor und schafft Einrichtnngen mohammedanischer Bilduug, wie er sie für feine Unterthanen nützlich erachtet! — Leider verbietet mir der Raum, auch uur das. Wenige anzuführen, was wir von Ahmed Baba und aus andern Quellen über Sitten und Gebräuche, so wie über den gesellschaftlichen Znstaud der Ssourhai zur Zeit der Blüthe ihres Reichs wissen; so wenig es ist, so ist es doch hinreicheud, das oben Gesagte zn rechtfertigen. Ich will als Beispiel nur auf die gewissenhafte Sorgsamteit verweisen, welche die Ssonrhai auf ihre Todten verwendeten. So wurden Könige, welche in den entlegensten Theilen des Reichs starben, mit der größten Mühe (— man sccirte sie nnd füllte den Leichnam mit Hollig zur Bewahrung vor Fäulnis; —) nach der Hauptstadt geschafft, um dort in angemessener Weise bestattet zu werden. Selbst wenn ausgezeichnete Feinde anf dem Schlachtfeld geblieben waren, finden wir strengen Befehl ertheilt, an ihnen die üblichen Todtengebräuche zu vollziehen. — Doch kehren wir zur Geschichte Ssonrhai's und znnächst zu dem Nachfolger des großen Askia zurück. Von Astia Mussa ist wenig mehr zu erwähnen, als daß er seine Brüder unermüdct verfolgte und jeden derselben tödtete, dessen er habhaft werden konnte, während diese ihrerseits sich bemühten, sich seiner zu entledigen. Unter seine Regiernng fällt jedoch eine Gesandtschaft, welche die Portugiesen von Mina an der Goldtnste aus an den Ssonrhai-Statthalter der früheren Hanfttprovmz von Melle sendeten '(1534). Anch die folgenden Herrscher thaten nichts zur Stärkung und Mehrung des Reichs; erst Iss-Hal, auch ein Sohn Hadj Mohan,- ------276 ------ med's, der etwa 1541 zur Regierung gelangte, zeigte sich wieder als em kräftiger König, aber auch als der strengste Herr, den Ssonrhai jemals gehabt hat. Er kam zuerst mit Marokko oder dein westlichsten Maghreb in feindliche Berührung, von welchem bald der Untergang des Ssonrhai. Reichs ausgeheu sollte. Mulai Ahmed, der mächtige Herrscher jenes Bandes, warf seine Blicke anf das goldreiche Neger^ land nnd verlangte, nm Anlaß znm Streit zn haben, die Salzminen von Teghasa; Iss-Hat wies die Forderung jedoch kräftig zurück, indem er mit einem Einfall von 2000 Tuareg antwortete, und so verhielt sich denn der Herrscher von Marokko viele Jahre rnhig. — Auf Iff-hat folgte sein Bruder Dand (1553), ein friedliebender König, der gar keinen Kriegszug unternahm und unter dessen langer uud weiser Regierung das Reich neue Kräfte schöpfte. Sein ältester Sohn bestieg nach ihm den Thron (1582); er hieß El Hadj Mohammed und führte diesen Namen seinem Großvater zu Ehren, welchem er an Tapferkeit und beharrlicher Ausdauer gleich gekommen sein soll, leider aber nicht au Glück. Vom Tage seiner Thronbesteigung an hatte er mit Nebenbuhlern um die Herrschaft zu kämpfen; Empörnngcn und Bürgerkriege wütheten fast ohne Unterlaß nnd füllten das Staats-gcfängniß in Kautu mit Gefangenen ans der königlichen Familie. Der Grund aller dieser Uuordmmgeu war kein audercr als die Vielweiberei und die daraus entspringende große Anzahl von Brüdern, Söhnen und Bettern cincs Herrschers. Während man in andern Bändern des Sudans, wie in Wadai, bei dem Regierungsantritt eines nenen Königs die nächsten männlichen Blutsverwandten und möglichen Prätendenten tödtet oder ihres Augenlichts beraubt, nm sie unfähig zum Streben nach der Herrschaft zu machen, geschah dies in Ssonrhai nicht, vielmehr wurden ihnen die wichtigsten Aemter und Statthaltercien anvertraut ; aber gerade die Macht in ihren Händen reizte zur Empörung. Nicht nur die Zwietracht im Innern bedrohte das Reich, — auch von Norden her nahte wiederum die Gefahr. Mulai Ahmed von Marokko, begierig, die Macht von Tekrnr nnd Ssonrhai auszukundschaften, schickte Gesandte mit kostbaren Geschenken. El Hadj Mohammed empfing sie freundlich und schickte sie mit noch wcit werthvollcren Gegengeschenken — unter andern 80 Ennnchcn — wiederum heim. Da saudte der Kaiser von Marokko ein zahlreiches Heer aus — wie es heißt, 20,000 Mann - in der Richtung uach Wadau und mit dem Befehl, alle Orte längs des Senegal und Niger sdic er für Einen nack, Westen strömenden Fluß gehalten zu haben scheint) zu erobern und ------277------ so gegen Timbuktu vorzurücken. Allein die Gefahr ging noch einmal vorüber; eben die Größe des Heeres war sein Untergang — es erlag dem Mangel in der Wüste. Um hierfür wenigstens einige Rache zu nehmen, schickte der Kaiser einen Offizier mit einer geringen Anzahl Musketiere, welche sich der Salzmincn vo» Teghasa bemächtigten, aus denen damals das ganze westliche Ncgcrland mit diesem nothwendigen Artikel versehen wurde. Dies war der Zeitpunkt, wo jenes berühmte Salzlagcr aufgegeben wurde und wo mau anfing, die südlicher gelc-» gene Stcinsalzmine von Taodeuni zu bearbeiten, die noch bis auf den heutigen Tag jeue Gegenden versorgt. Ungeachtet seiner Energie und seiner trefflichen Eigenschaften sollte El Hadj Mohammed Askia nicht auf dem Throne sterben. Die ursprüngliche Mannhaftigkeit dieses Fürsten scheint am Ende durch eine langwierige Krankheit gebrochen worden zu sein, so daß es 1587 seinen Gegnern gelang, ihn vom Throne zu stoßen. Wenige Tage darauf starb er, doch, wie mau annehmen darf, eincö natürlichen Todes. — Aus deu uuu folgcudeu dämpfen zwischen den zahlreichen Söhnen deö Askia Daud ging endlich Einer derselben, Iss-Hak, als Sieger hervor. Auch Timbnltn halte sich bei diesem Streite zu Gunsten eines Gegners Iss-Hal's betheiligt und sogar die Boten, welche des letzteren Thronbesteiguug verkündeten, in's Gefängniß geworfen. Fiir diese offene Parteinahme wurden die Einwohner der Stadt, wie es scheint, einer schweren Strafe unterworfen. Als es Iss-Hak Aötia dnrch einige glückliche Kriegszüge eben gelungen war, das erschütterte Reich etwas zu bcfcstigeu, erhielt er die Kunde von dem feindlichen Anmarsch der Mahalla oder des KriegS-heercs deS Pascha Djodar, eines taftfern Eunuchen Mulai Ahmed's, des Kaisers von Marokko. Dieses Heer bestand zwar nur ans 3600 Musketieren (in 174 Abtheilungen, jede zu 20 Manu), bewies aber sogleich seine Ucberlegenhcit über die uudisciplinirten uud vou Feuerwaffen nicht unterstützten zahllosen Kriegsschwärmc der Ssonrhai und schlug deu Iss-Hat, der ihm eutgegcurücktc, in die Flucht. -— Djodar rückte nun in die Hauptstadt Gogo ein, fand sich aber durch das bescheidene Aeußcrc und Innere deS königlichen Palastes sehr in Hinsicht auf die erwarteten Schätze getauscht und bekam eine so geringe Meinung von dem Werthe seiner Eroberung, daß er auf den Porschlag Iss-Hat's einging, gegen eine Abgabe von 1000 Sklaven und 100,000 Mithkal Gold ihn im Besitze seiner Bänder zu lassen. Hierauf zog er nach Timbuktu, um dort die Einwilligung seines Herrn zu diesem ------ 278------ Vertrage abzuwarten. Der ehrgeizige Mulai Ahmed, der große Reiche erobern wollte, um seinem Zeitgenossen und Freund Philipp II. von Spanien nachzueifern, gerieth in Wuth beim Empfang der Nachricht seines Feldherrn Djodar, setzte ihn auf der Stelle ab und seudcte den Pascha Mahmud ben Sarkud, deu Befehl des Heeres zu übernehmen uud den Aölia Iss-Hat aus seine»! Neiche zu vertreiben. Nach der Aukuuft Mahmud's in Timbuktu war es seiue erste Sorge, eine neue Flotte zu bauen, da der Hafeuinspektor bei der Annäherung Djodar's mit sämmtliche» Booten geflohen war. Zu diesem Zweck ließ der Pascha alle Bäume in der Stadt umhauen, so daß dieselbe uoch heute schattenlos ist. Dann zog er gegen den Astia aus und besiegte ihu bei Gogo trotz tapferer Gegenwehr (1591). Es waren die Feuergewehrc, welche dcu Marokkanern auch jetzt wieder ein unwiderstehliches Uebergewicht gaben; denn während zu derselben Zeit der Sultan von Bornu, Edriss Alaoma, eine Anzahl MuSkcteu-träger in seinem Heere hatte, besaßen die Ssonrhai kein einziges Feuer-gcwehr. Eine kleine Kanone, welche die Marokkaner nnter der Beute fanden, wahrscheinlich ein (beschenk der Portugiesen, war für sie nutzlos gewesen, da sie keinen Gebrauch von derselben zu machen verstanden. Der Ssonrhai-Köuig sah ein, daß gegen eine so bewaffnete und wohlgeordnete Armee ein großes undiseiplinirtes Heer nutzlos sei. Er schickte daher seinen tapfersten Offizier mit einer auscrleseucn Schaar von 12W Reitern, die noch nie vor einem Feinde geflohen waren, gegen den Pafcha aus. Allein das Geschick von Ssonrhai war entschieden ; Vcrrächerei nnd Uneinigkeit zersplitterten die noch vorhandene Macht. Als daher jene Ncitcrschaar den Askia verließ und einem Prätendenten, Mohammed Kagho, huldigte, erkannte Iss-Hat, daß Alles verloren sei, nnd floh in der Richtuug nach Kcbbi. Von den Grenzen dieses jnngcn Reichs, dessen Herrscher feit dein Zug nach Agadcs der Dynastie der Askia feindlich gesinnt waren nnd wohl auch die Marokkaner und den Douuer ihrer Musketen fürchteten, zurückgewiesen, ging der flüchtige König über den Mger zurück und snchte Schutz bei den Heiden in Gurma. Bei der Stadt Tera trennte er sich von deu letzten ihm treu gebliebenen freunden. "Hier«, sagt unser Gewährt mann, „schied man von einander nnd wünschte sich Lebewohl. Der König weinte nnd seine Höflinge weinten, denn es war das letzte Mal, daß sie einander sahen." — Und sicherlich hakte man guten Grund, über den Untergang dieses ausgedehnten, vor wenigen Monden noch so ------ 279 ------ mächtigen Reichs zu trauern. — Die Heiden von Gnrma erwiesen sich barmherziger als die Mohammedaner lion Kebbi und nahmen den unglücklichen Aslia auf. Doch scheint seine Gegenwart auch ihnen bald Besorguiß eingeflößt zu habeu, deuu sie tö'dteteu ihn mit Allen, die ihm gefolgt waren. — Dies geschah im letzten Jahre des 10. Jahrhunderts der Hcdjra (15)91 — 1592 n. lähr.). Noch wäre für deu Prätendenten Mohammed Kaghu einige Aussicht gewesen, wenigstens einen Theil des Reichs zu retten, da Alles, was von der Macht Ssourhai's übrig geblieben war, sich um ihn sammelte und ihm huldigte; allein auch jetzt konnte man zu keiner Einheit kommen. Während Mohammed einige seiuer Brüder aus dem Gefängniß in Kantu befreite und sich durch sie verstärkte, gingen andere zu dein Feinde über; so gelaug es deun der kleinen Schaar der Marokkaner und der Energie ihres Führers, der die Flüchtlinge bis in die entferutesten östlichen Proviuzeu, sogar bis jenseits des Niger (Dendina) verfolgte, den letzten Krim der Unabhängigkeit Ssourhai's zu zerstören. Das ganze weite Gebiet von der Proviuz Dendina, östlich vom Niger, bis nach Djenni, ja selbst mit einem Theile von Baghena, dazu im Süden des Niger die Provinz Hombori uud sogar ein Theil vou Tombo lagen dem Kaiser von Marokko zu Füßen, der dadurch plötzlich zum Erstaunen aller Machthaber Europa's zu einem unbegrenzten Reichthum an Gold gelangte. — In den bedeutendsten Orten des eroberten Gebietes blieben marokkanische Soldaten als Besatzungen, die dadurch eiuen starken Halt fanden, daß sie sich mit eingebornen Weibern verheirathcten. Ans diesen Verbindnngen entstand im Laufe der Zeit eine besondere Klasse der Bevölkerung, die noch hentigen Tages unter dem Namen der „Erma" oder „Ruma" (d. i. Schützen) unterschieden wird und einen besondern Dialekt der Ssonrhai-Sprache redet. Iu diesen letzten Kämpfen um das Bestehen des Ssonrhai-Neichs spielte auch Timbuktu eine hervorragende Nolle; denn hier — an dem Sitze mohammedanischer Gelehrsamkeit — war der große Mittelpunkt des Nationalgcfühls uud der Begeisterung für nationale Unabhängigkeit. In diesem Gefühle widersetzten sich die Einwohner den Be-schränlnngcn, welche der marokkanische Statthalter Kaid El Mustapha sich gegen ihre Freiheiten erlaubte. Es kam zu einem blutigen Tumult m der Stadt, und als ein Tnareg-Hä'nptlmg, wohl nur iu der Absicht zu plündern, dem bedrängten Kaid zu Hülfe kam, ging die Stadt iu Flammen auf uud es war ein schrecklicher Tag für die ____ 2fto ____ Einwohner. Kaum gelang es einem andern marokkanischen Befehls' Haber, den wüthenden Mnstapha davon abzuhalten, die gcsammte Bc^ vülkernng hinznmorden, und den Frieden zwischen dieser nnd dem Kaid zn vermitteln. Allnlählich jedoch stellte sich Nnhe nnd Behaglich' keit wieder ein, die Ausgewanderten wendeten sich der alten Hcimath wieder zn nnd selbst der entflohene Hafeninspettor tau, mit der ganzen Flotte znrück. Auch Ahmed Baba, unser Gewährsmann für die beschichte von Ssonrhai, ward persönlich schwer von dem Untergang seines Vaterlandes betroffen. Er verlor alle seine Habe nnd wnrde als Gefangener in das ^and des Eroberers geschleppt, bis er Dank der uubegrenzten Achtung, welche selbst der ,^eind vor der Gelehrsamkeit nnd den Tugenden des Gefangenen empfand — die Freiheit nnd die Erlaubniß erhielt, nach Ssunrl,ai ;urückzukehren. Hier scheint er seine Tage geendet zn haben, iudcm er sich dnrch die Wissenschaft und das Niederschreiben der Geschichte seines unglücklichen Hcimathlandes für den Verlust alles dessen zn trösten suchte, was ihm theuer gewesen war. Die Abfassnng oder wenigstens die Abschließung seines geschichtlichen Wertes fällt in das Jahr 1640. Die Lander am Niger waren »nn eine Provinz von Marokko, ohne jedoch eine besondere staatliche Organisation zn erhalten. Im Anfang blieben die alten Formen so ziemlich bestehen, selbst das Schattenbild eines Astia wnrde eine Zeit lang anfrecht erhalten. Bald aber erwiesen sich diese formen als gänzlich nnwirksam; Thronstrcitig-leiten, die auch ill Marokko die nächsten Iahrzehcnte ausfüllten, übten natürlich auf das eroberte Vand einen ungünstigen (5'inflnsi, und schließlich wnrden die Numa die eigentlichen Herren des Vandes. Diesc Mischlinge fanden natürlich bald alle ihre Interessen in der neuen Heimath nnd lümmerten sich wenig nm Marokko, von welchem sie schon sehr bald ziemlich' unabhängig geworden sein müssen; denn schon im Jahr 1667 fand der anfrührcrische marokkanische Statthalter von Ssnss, der südlichsten Provinz des Reiches, Znflucht in Ssonrhai. Allerdings will es scheinen, als wenn diese Nnma zn keiner Zeit eine von einem einzigen Individuum regierte Genossenschaft gebildet hätten; sie waren vielmehr in eine Anzahl kleiner aristokratischer (Gemeinden getheilt, die durch höhere Disciplin einen politischen Vorrang ermöglichten; selbst jetzt haben die Nnma noch immer Ansprnch auf eine Art geistigen Uobergewickts. ^ Es ist erklärlich, dasi nnter solchen Umständen die von diesem Mischlingsstamm geübte Herrschaft nur eine zeitweilige soin konnte, und nach einem langen dampfe wurden dmn auch die Numa von den Tuareg übermaunt und bilden zur Zeit in den meisten Ssourhai-Städten einen Theil der gewöhnlichen Bevölteruug. Zum hcrrscheuden Stamm anl mittleren Niger erhoben sich im Vaufe des 18. Jahrhunderts die Auelimmideu. Bereits nm das Jahr 1640 vertrieben sie ihre Stammesgenossen, die Tademetlet, aus Aderer, worauf diese in der Gegend um Timbuktu, namentlich zwischen den Hinterwasseru des Niger südwestlich von der Stadt, sich ansiedelten; 1770 aber eroberten die Auelimmiden die frühere Hauptstadt Gogo, bisher in der Gewalt der Ruma, und gründeten unter ihrem Häuptling Kaua zehn Jahre später ein mächtiges Reich am Nurdufer des Niger (— Aussa -), so daß sie noch heutigen Tages die Herren dieses Landstrichs sind. Mit ihnen im Streit nm den Besitz des mittleren Niger und Timbuktu's sind aber gegenwärtig die Fulbe, welche seit ihrer religiösen Erhebung in, Anfang des gegenwärtigen Iahrhnnderts die Ufer dieses Stroms in seinem oberen und nnteren ^anf beherrschen. Wenden wir nnsere Blicke noch einmal nach Timbuktn und überschauen die Geschichte der Stadt, so weit sie in dem Vorhergehenden berührt worden ist, so finden wir bestätigt, was ich bereits am Anfange dieses Kapitels hervorhob, daß nämlich Timbuktu keineswegs ganz mit Recht in Enropa als der politische Mittelpunkt nnd die Hauptstadt eines großen Negcrreichs fignrirt hat, indem es zu l'einer Zeit, wenigstens nicht in den älteren blühenden Perioden des ^andeS, mehr als eine untergeordnete politische Rolle spielte. Dagegen war es der berühmte Sitz mohammedanischer (Gelehrsamkeit, der Mittelpnnkt religiösen Lebens; keine Stadt des Reichs besaß so stattliche Moscheen, keine überhaupt so schöne und massive Gebäude. Schon aus diesem Grunde verdiente sie vorzugsweise den auszeichnenden Namen einer „mcdinah" — „Stadt". Wie groß aber der Einfluß war, den Timbuktu als Sitz der Intelligenz beanspruchte, g«ht schou daraus hervor, daß der Tnmbntu-koy oder Statthalter, wie es scheint, stets ein .,Fati", d. h. ein gelehrter Mann, sein nmßte. Dort waren in Anbetracht des Landes nnd der Zeit große Bncherschätzc angehäuft; Ahmed Baba selbst, der uns ein langes Perzeichniß von gelehrten Männern des Sndans gegeben hat uud für feine eigene Person als ein schönes Beispiel der damals in Timbuktu betriebenen Gelehrsamkeit dienen kann, besaß eine Bibliothek von 1600 Büchern oder Handschriften, allerdings wohl nicht dnrelMNgig dicke Qnartanten uud Fo-l'antm, aber doch war es gewiß immer eine hübsche Sammlung. Ja, ------282 ------ es ereignete sich, daß Einer jener vielen Prätendenten, als er, voll^ kommen zum Kampfe gernstet, auf dein Wege nach Gogo war nnd zufällig Timbuktu besuchte, sich überreden ließ, plötzlich seine ehrgeizigen Pläne aufzngeben; zum größten Mißmuth seines Heeres, das vor Ungeduld brannte, von seinen: Anführer in blutigein Kampfe zu Macht nud Reichthum geführt zu werden, warf er Schwert und Lanze weg und vertiefte sich in die Bücherschätze Timbuktu's. — Hierzu kommt endlich noch die Wichtigkeit Timbuktu's als Haudelsplatz. Erlangte es eine solche Bedeutung schon früh nach der Zerstörung Ghanata's und dem Verfall Walata's, so diente ihm auch die Vernichtung des Ssonrhai-Reichs, mit welcher die Blüthe von Gogo dahinsant, zu nenem Anfschwnug. Wegen seiner größeren Nähe an Marokko zog sich allmählich der ganze Rest des Handels in dem zerrissenen Nigerlande nach Timbuktu hiu und setzte sich dort fest. — Immer aber hat der Ruhn: Timbnktu's in Enropa eine übertriebene, ja eine fabelhafte Größe erreicht; besonders in Folge der phantastischen Beschreibungen nnd unbegreiflichen ^nflblasen des ehemaligen englischen Konsuls Jackson iu Marokko machte man sich eine Vorstellung von der Bedeutung der Stadt, hinter der die Wirklichkeit unendlich zurückbleibt. Es bleibt uns nur noch übrig, einen flüchtigen Blick auf die Schicksale der Stadt in der neueren Zeit zu werfen. — Wenn anch nach der Zertrümmerung des Ssonrhai-Reichs der Handel in den Landschaften des mittleren Niger in Timbuktu sich konccntrirte nnd dies das einzige Ziel aller Handelskarawanen von Norden her wurde, so fehlten doch gesicherte staatliche Zustände, nm aus diesen günstigen Grundbedingungen den möglichste« Nutzen zn ziehen. Es kam bald die Zeit der Anarchie, welche der Eroberung des Laudcs durch die Ruma folgte; daun die Herrschaft und die Erpressungen der Tuareg von Norden, die bisher von der überwältigenden Macht der Ssonrhai nicdcrgehaltcu nnd vollkommen gebändigt worden waren, während von Süden her das kriegerische Heidenvolk der Bambara drängte oder die immer mehr nm sich greifenden Fulbe. Unter solchen Verhältnissen konnte der Zustand der Dinge in der Stadt kein geordneter sein; doch fristete sie ihr Leben auch als Handelsplatz unter dem Wechsels, weise vorwaltenden Einfluß des Hcidenthums und des Islam, bis die Einnahme der Stadt durch die fanatischen Fulbc von Massina im Jahre 1820 aller Handclsthätigteit ein Ende zu machen drohte. Einwohner und Fremde sahen sich mit äußerster Härte behandelt nnd es beschränkten sich die Bedrückungen nicht blos auf die heidnischen ------283 ------ Händler aus dem Süden, aus Wangara nnd Mo-ssi, sondern die vor-urthcilsvollen Fulbe dehnen dieselben gleichinäßig ans ihre Glaubens genossen aus dem Norden ans, besonders auf die Handelslente ans Ohadames nnd Tauat. In Folge dieser Unterdrückungen, besonders aber nach einer weiteren Verstärkung der Fnlbe im Jahre 1831 vermochten die Ghadam-ssier den nnter den arabisch-berberischen Stämmen hoch angesehenen Scheich El Muchtar, den älteren Brndcr und Vorgänger El Bakay's, feine Residenz aus Asanad nach Timbnktn zn verlegen. So finden wir denn in dieser zerrissenen Gemeinde eine dritte Macht zwischen den Fnlbe anf der einen nnd den Tuareg anf der anderen Seite auftreten und sich der letzteren gegen die Anmaßungen der Ersteren bedienen, so weit es eben der mangelhafte Znsammenhalt jener crlanbt. In Folge dieser nnanfhörlichen Reibungen trieben die Tnareg die Fulbe um das Jahr 1844 völlig zur Stadt hinaus, worauf dann an den Ufern des Flusses eine Schlacht gefochten wnrde, in welcher eine große Anzahl der Letzteren entweder erschlagen oder ertränkt ward. Aber dieser Sieg der Tuareg war ohne Früchte nnd gewichtige Folgen nnd diente nnr dazn, die nnglückliche Stadt tiefer in's Elend zu stürzen; deuu wegeu seiner eigenthümlichen ^age am Rande cincS Wüsten-strichcs kann sich Timbnktn nicht anf seine eigenen Hülfsmittel verlassen, sondern mns; stets von dem Stamme abhängen, welcher den fruchtbaren Landstrich höher am Flnssc aufwärts beherrscht, und der Gebieter von Massina hatte nichts weiter zn thnn, als die Ausfuhr vou Korn ans seinem Gebiete zu verbieten, nm die Einwohner von Timbuktu in die größte Noth zn bringen. So ward denn im Jahre 1846 durch Vermittelung des Scheichs El Bakay zwischen den verschiedenen Parteien ein Abkommen der Art getroffen, dasi Timbnktu den Fulbe nnterworfen sein sollte, ohne von einer militärischen Macht besetzt zu sein, indem der Tribut von zwei Kadhi's, einem Pnllo uud einem Ssonrhai, eingesammelt würde; zu gleicher Zeit sollten diese Beamten anch alle Fälle von geringerer Vcdcutnng entscheiden, während die wichtigeren an die Hanvtstadt gingen. Dennoch ist die Re-giernng der Stadt oder vielmehr die Polizei, so weit sie geht, in den Händen eines oder zweier Ssonrhai-Amtlcntc mit dem Titel Emir, welche jedoch sehr wenig Gewalt besitzen, da sie zwischen den Fulbe auf der einen und den Tnareg auf der anderen Seite stehen und ihre Stellung so gut wie möglich den Fulbe gegenüber vermittelst der beiden Kadhi, und den Tuareg gegenüber auf den Scheich El Äakay ^_ 2X4 ------- gestützt, zu behanpten silchen. Dor gesannnte Tribut, der an die Fnlbe abgeliefert wird, übersteigt jedoch gewiß nicht 4000 Mithtal Gold (etwa 7000 Thaler preußisch); aber die im Namen der Obrigkeit verübten Plackereien gehen in's Unendliche. Daneben sind die unglücklichen Einwohner den Erpressungen der Tuareg fortwährend ausgesetzt; diese, wohl wissend, daß die Regierung zu schwach ist, ihre Opfer zu schlitzen, kommen täglich in die Stadt, um ihre Forderungen mit Ungestüm geltend zu machen. Sie lassen sich nicht abweisen, sondern schlagen an die Thüren, bis sie eingelassen werden, und geschieht dieS nicht, so dringen sie in die Gehöfte, indem sie die Mauern erklettern. — Endlich müssen auch der Scheich El Vakay und seine Brüder reichlich beschenkt werden. Das ist der verwahrloste Zustand des heutigen Timbuktu; ihm wird nicht eher abgeholfen werden, als bis eine starte und einsichtsvolle Macht an der Stelle der fanatischen Fnlbe des oberen Niger sich bemächtigt hat. Dann erst wird es auch möglich werden, die vortreffliche i^age Timbuktu's für den Handel völlig auszubeuten. Der in: Vorstehenden gegebenen geschichtlichen Uebersicht über die Nigerlandschaften nnd die Stadt Timbuktn füge ich eine topographische Skizze der letzteren hinzu, um dem ^eser sowohl der Zeit als dem Raume nach ein möglichst anschauliches Bild von dem berühmten Orte zu verschaffen, in welchem es mir bcschicdcn war, über ein halbes Jahr unter den eigenthümlichsten, freilich keineswegs erfreuliche« Umständen zu verweilen. Was zunächst die geographische Lage Timbnktu'ö anbetrifft, so hat der bekannte Geograph I)i-. A. Petermann in Gotha bei der Anfertigung der Routenkarten zn meinem größeren Reisewerle nach den von mir auf der Hinreife sowohl als auf der Rückreise längs des Stroms gemessenen Winkeln nnd Distanzen dieselbe in 17° 37' n. Br. nnd 3°5'w. L. v. Gr. angesetzt. Meiner eigenen Ansicht uach, die sich allerdings nur auf jene Beobachtungen gründet, welche ich während der Hinreise anstellte, dürfte die Stadt dem 18. Breitengrade etwas näher liegen. Doch bin ich überzeugt, daß, wenn einmal eine gute astronomische Beobachtung an Ort uud Stelle vorgenommen werden kann, das Resultat von dem hier angegebenen in der Breite höchstens nm 20 und in der Vängr höchstens um 30 Minuten abweichen wird. Die von dem französischen Ingenieur - Geographen Iomard nach Caillw's Rmttc der Stadt angewiesene Lage hat sich also, im Ganzen genommen, glänzend bestätigt. Timbuktu liegt nur wenige Fuß über dein mittleren Nivean des Niger uud ist 1^ bis 2 deutsche Meilen von dem Hauptarme des Flusses entfernt. Die Stadt bildet, wie der nachstehende Gruudplau zeigt, ein etwas abgerundetes Dreieck, desseu Basis uach Süden, also uach dem Niger, gekehrt ist. Der Plan giebt natürlich die Stadt iu ihrem jetzigen Umfang, während sie iu der Blüthe ihrer Macht sich wohl zweitausend Schritte weiter uach Norden erstreckte uud das Grab des Fali 1 Wohnhaus des Scheichs Ahmed el Nakay nebst einem anderen, aleichfalls dem Scheich g«, höriaen, hart an das erstere stoßenden Hause i davor ein kielner P!cch, wo der Scheich einen Netplatz für seine Schüler eingerichtet hatte. 2 Win dritte« dem Scheich nehöriges Haus, wo ich selbst einquartiert war. Den Mrundpla» desselben siehe weiter unten. 'l Die 'große Moschee» — »Gin^ere (DjNMre ober Sangere) -der, Djama rl lcbira«, 4 Die Moschee Ssan-tore, im Quartiere Ssan-kore gelegen, das gewöhnlich als das älteste der Stadt annesehen wird. 5 Molch« Ssidi ?)ahia. « Großer Marktplatz (>yubu'). ? Fleilchermarkt, wo in sri'chcrcn Zeilen der Palast der Ssixirhai-Köm«e «estnnden haben sull. 8 Thor, das nach Kabara führt, " Vrnnnen, uc>n einer kleinen Dattelpalmenpfianzun^ nmaebl,,, ^ Ei« anderer Brunnen mit einem kleinen Garten, il Stelle in einer fachen Thalmulde, bis n'ohin im Winter l8z.1 —l»s>< uom Ni,ier auss kleine ^oot« gelanuen konnten. 286 Mahmud einschloß; ja nach einigen meiner Berichterstatter soll dieser Grabhügel damals inmitten der Stadt gelegen haben. Der gegenwärtige Umfang beträgt 1^ bis 1^ Swudeu. Zeichnet sich demnach die Stadt anch nicht dnrch ihre Größe ans, so unterscheidet sie sich docl, dnrch ihre solide Banart wesentlich von den hinfälligen Wohnstätten im ganzen übrigen Sndan. Die Hänser sind alle in gutem Zustand nnd die Zahl der Thonwohuungen betrug zlir Zeit meiner Anwesenheit 980, die der Mattenhütteu belief sich entschieden ebenfalls anf einige hnndert. Die letzteren sind von halbtugelförmiger Gestalt nnd bilden mit wenigen Anönahmen die äußere Umschließung der Stadt anf der ganzen Nord- nnd Nordostseitr, wo sich gewaltige Schutt hänfen im Lanfe der Jahrhunderte angesammelt haben. Die Thongebäude zeigen einen mannichfaltigen, im Ganzen aber den Grundrissen Pomvcjanischer Wohnungen sich annähernden Styl; einige sind niedrig und unansehnlich, andere von größereu Dimensionen nnd mit einer Art zweiten Stockwerks versehen; ja selbst Versuche architektonischer Verzierung weisen einzelne Hänser auf. Die Dächer sind flach und mit einer Brüstung eingefaßt; das erwähnte zweite Stockwerk besteht bei den Häusern, welche überhaupt damit verschen sind, in einem auf dem flachen Dach erbanten Zimmer, das aber immer nur die Fac.-ade des Hanfes einnimmt. Dieses Dachzimmer ist der Lieblingsanfenthalt vieler Bewohner Timbnktu's, da es luftig und in Folge dessen kühl ist. Ich füge nachstehend den Grnndriß des mir als Wohuuug angewiesenen Hauses bei; alle anderen Thonwohmmgen waren in der- 1 Erst«« Vorzimmer. 2 Zweites Vorzimmer mit einer Treppe IZ), welche zur Terrasse und dem an der Vorderscile ausgebauten Dachzimmer hmaussührte, 4 Innerer Hofraum. 5 Eine mit zwei offenen Mngänncn versehene Halle, in der ich mich Tag und Nacht aufhielt i iccht« vom zweiten Vinganae ein Nllhrbett, « Verschließbares Gcpäclzimmer, ? Vedcllter Nan« oder Kl'wdlir. 8 Zweiter Hofraum «nrspn'malick zur Wohnuna für die Krauen bestimmt,, >„ dem ich mein Pferd untrrnebiacht hatte. Lie llnftohendei! Gemächer, so wie die Hintermauer des Hause« waren in Versa«, ____2ft7____ selben Weise erbaut, nur mit dem Unterschied, daß diejenigen der ärmeren Veute nur einen Hofraum und auch kein Gemach auf der Terrasse oder dem stachen Dach besitzen. Zur Zeit ist Timbuktu vou keiner Mauer umgeben, indem die frühere — wühl auch mehr ein Erdwall als eine Maner — von den Fulbe bei der Besitznahme der Stadt im Anfange des Jahrs 1826 zerstört wurde. — Die Stadt hat theils regelmäßige, theils gewundene Straßen; letztere sind nicht gepflastert, sondern bestehen zum größeren Theil aus hartem Sand und Kies; einige haben einen Rinnstein in der Mitte, nm den beträchtlichen Nassermassen, welche sich bei bedeutenden Negcufällcn von den Dächern der Häuser in die Straßen ergießen, einen bessern Abzug zu verschaffen. — In den, am dichtesten bewohnten südlichen Stadtthcil mangelt es an freien Plätzen; denn außer dein großen und kleinen Marktplatz findet sich dort nur ein kleines freies Plätzchen vor der Moschee Ssidi Iahia. Da von dem königlichen Palaste, in welchem die Könige von Ssonrhai zu Zeiten ihre Residenz zu nehmen Pflegten, eben so wenig zu sehen ist, als von der durch die Marokkaner während ihrer ersten Besctznng der Stadt erbauten Citadelle, so bilden die drei großen Moscheen die einzigen öffentlichen Gebände des heutigen Timbnktn; es sind die Moscheen Djingere-ber, Ssan-kore nnd Ssidi ?)ahia. Die erstere <— die „Große Moschee" — bildet die südwestliche Ecke der Stadt und ist, obgleich in den nenercn Theilen nur aus runden Thonklumpen erbaut, doch ein wahrhaft stattliches Gebäude; die größte Vänge desselben mißt gegen 262 Pariser Fuß, die größte breite 194. Einen ansehnlichen Theil des umfangreichen Gebäudes nimmt ein offener Hofraum ein, außerdem aber enthält es zwölf Schiffe; der westliche, aus drei Schiffen bestehende Theil ist der älteste und gehört augenscheinlich der alten Moschee an, welche Manssa Mussa, König von Melle, im Jahre 1327 erbantc, lme eine fast unleserliche Inschrift über dem Hauptthore den Beschauer belehrt. Eaillio, dessen Angaben überhaupt, wie ich mich wiederholt überzeugte, bei aller Unvullstän-digkeit doch vottkommeu glaubwürdig siud, hat auch don dieser Moschee — einige uuwichtige Irrthümer abgerechnet — eine recht gute Beschreibung geliefert, deren Durchsicht ich einem Jeden empfehle, der sich für diesen Gegenstand besonders interessirt. Wenn CaiW aber von sieben Moscheen spricht, so hat er drei früher bestandene und vielleicht noch einen kleineu Betplatz mitgerechnet. Es darf dies nicht auffallen, da Eailliü nur wenige Tage uud unter sehr un-- ------ 28? ------ günstigen Umständen in Timbnttn verweilte und sich nicht von Allem durch eigene Anschannug nberzengen tonnte. Ich erwähne bei dieser Gelegenheit auch die gcmz unrichtige bildliche Darstellung, welche dieser verdienstvolle, aber ungebildete Reisende von Timbuktu gegeben hat. Der Hauptfehler derselben besteht darin, daß nach ihr die ganze Stadt nur aus zerstreut umherliegenden Wohnungen zu bestehen scheint, während man in Wirllichteit alts zusammeuhängcndcn Häuserreihen gebildete Straften findet; aber auch hierbei muß man berücksichtigen, daß Cailll ein unerträglicher Gedanke war, daß einem armen, schutzlosen französischen Abenteurer ein Unternehmen gelingen sollte, den, einer der kühnsten nnd hochherzigsten Offiziere ihrer Armee ;um Opfer gefallen war. ____ 2^9 tore („Stadt der Weißen, Vornehmen") heißt und von jeher Vorzugs-weise von Ssonrhai bewohnt wurde. Die Nioschee hatte daher auch eine gewisse nationale Bedeutuu.q für dir Ssonrhai erhalten und wurde eben aus diesem Grunde von Ven Fulbe, sobald fie sich der Stadt bemächtigt, absichtlich vernachlässigt und dem Verfall anheiln gegeben, bis fie zur Zeit meines Dortseine« durch den Emflnß des Scheichs El Batay in ihrer ganzen früheren Größe und Stattlickteit wieder hergestellt wurde. Die Moschee ist 120 Pariser Fuß lang, ,^<> breit und enthält fiinf Schiffe; sie verleiht der ganzen Stadt ein höchst imposantes Aussehen, da sie uicht nnr eben so wie die große Moschee nut einem sehr massiven, hohen viereckige», Thurm geslsimiukt ist, sondern anch bei der hohen Vage des Viertels Ssan-tore eine dominirende Position einnimmt.— Die Moschee Ssidi Hahia ist die kleinste, liegt im südlichen Viertel der Stadt nnd wnrde in der Mitte des 15>. Jahrhunderts von eiuem ikadhi erbaut. Die verschiedenen Stadtviertel lassen sich in dem Grnndplan deutlich unterscheiden, weshalb ich es unterlasse, dieselben namentlich aufzuführen. Ich will nnr erwähnen, daß das südlichste Viertel, Ssane-gungn, sich dnrch seinen Reichthum nnd durch die besteu Wohuungen auszeichnet, so wie daß, während Ssaii-tore das höchstgelegene Stadtviertel ist —der Abhang, welchen es gegen Nordosten hin bildet, beträgt an einzelnen Stellen mehr als 80 Fuß ^, Bagindi am niedrigsten liegt. So soll denn anch bei der großen Ileberschweunnuug im Jahre 1640 das letztere Quartier gänzlich nnter Wasser gesetzt worden scm nnd während meiner Anwesenheit war man wegen eines ähnlichen Ereignisses besorgt. Znr Charakteristik Timbuktu's musi noch ausdrücklich erwähnt werden, das; der Stadt fast aller Bamnschmnck fehlt; innerhalb derselben giebt es jetzt nnr noch vier oder fünf Bänme mittlerer Grüße -— ärmliche Exemplare der Hadjilidj (ünltmitck ^<>^>tili,c:u8) —. Eben so arm an Pflanzenwnchs ist ihre Umgebung-, einige ganz unbedeutende, ans wenigen Bäumen bestehende Palmengruvpeu im Süd« Westen der Stadt sind Alles, was von dem früheren Baumreichthum übrig geblieben ist. - Die Straßen Timbuktu's find meistens wenig belebt nnd bieten nicht das rege Treiben einer großen Handelsstadt. Die Zahl der wirklich Angesiedelte» >md dauernd hier Wohnenden beträgt nnr etwa 13M) Seelen; dagegen mögen zur Zeit des lebendigsten Geschäftsverkehrs, besonders von November bis Januar. 5000, ja Kelegeutlich selbst bis l0,000 Fremde die Stadt besucheu uud sich Vaith's Nelsn,, ll, 1» hier längere oder kürzere Zeit aufhalten. Diese sind theils Mauren der Wüste nebst den arabischen Handelsleuten aus dem Norden, theils und ganz besonders die im Betrieb des Binnenhandels dieser Gegenden eine unendlich wichtige Rolle spielenden Wangaraua oder östlichen Mandingu nebst den beuten umi Mu-sfi. ^>on den Handelsverhältnissen Timbuktu's werde ich an einer linderen Stelle sprechen und kehre nun im nächsten Capitel znr Schilderung meiner persönlichen Erlebnisse zurück. Neuntes Kapitel. A<»lrielie der ,/lülie ge^ll dl^ll Rinftn^ll. — Dil? aiwmalc» Erschei-nun^ell iil dem Miomscheil 5chmelle>l de6 3ii^r. So hatte ich also das Ziel meines schwierigen Unternehmens erreicht. Aber von den ersten Stnnden meines Aufenthalts in Tim buktn an war es mir einlenchtend, daß ich den Triumph, alle die mannichfaltigcu Schwierigkeiten und Fährlichleiten des Wegs glücklich überstanden zu haben, nicht in geistiger und körperlicher Nuhe genießen würde. Die ununterbrochene Aufregung über die immer von Neuem verzögerte Reise, die Ungewißheit, ob mir das vorgesteckte Werk gelingen würde, hatten meine geschwächte Gesundheit aufrecht erhalten, bis ich wirtlich die Stadt betreten; aber sobald ich nun am Ziele war, und zwar fast in dem Augenblick, als ich den Fuß in meine Wohnung setzte, ward ich von einem heftigen Fieberanfall ergriffen. Und doch waren Geistesgegenwart und körperliche Energie zu keiner Zeit mehr Vonnöthen. Es war bestimmt worden, daß während der Abwesenheit des Scheichs El Aatay meine Wohnung verschlossen bleiben und es Niemand gestattet werden sollte, mich zu besuchen. Dessenungeachtet erhielten in dem Augenblick, als mein Gcftäck in das Haus geschafft wurde, eine Menge Veute Zutritt; sie durchmusterten die einzelnen Gepäckstücke, und da sich unter denselben allerdings manches von fremdartigem Ausfehen fand, so konnte es nicht ausbleiben, daß schon jetzt Einige dieser Besucher au meiner Nationalität zu zweifeln begannen, ^un hatte ich zwar nie die Absicht gehabt, die Leute in Timbuktu glauben zu machen, ich sei ein Moslem - denn die Rolle eines Arabers ^ar ja nur für den letzten Theil der Neise angenommen worden und konnte auch wegen der Nähe der Orte, in denen ich noch als Christ aufgetreten war, unmöglich lauge aufrecht erhalten werden —, dennoch 19» ____ 292 ____ konnte mir ein zu frühes Bekanntwerden meines wahren Charakters nicht erwünscht sein. Aber das Erste, was ich am Morgen des 8. September hörte, war, daß Hammadi, der Nebenbuhler und persönliche Feind El Valay's — er war ein Sohl, seines älteren Bruders Ssidi Mohammed mit einer Sklavin — die Fulbe davon in Kenntniß gesetzt habe, daß ein Christ die Stadt betreten hätte, und daß man in Folge dessen den Entschluß gefaßt habe, mich zu todten. Als man mir diese Nachricht überbrachte, hegte ich anfänglich wenig Besorgniß, da ich noch der Hoffnung lebte, mich anf den Schutz meines Wirthes, Ssidi Alauate, verlassen zu können; allein dies Sicher-heitsgefnhl ward bald zerstört, denn ich erkannte Ssidi Alauate als einen höchst habsüchtigen und gewissenlosen Menschen, der mich nur schützen würde, so weit es seiu Vortheil geböte — ja, er ward sogar bald mein größter Quälgeist. Ich hatte ihm nämlich ein recht schönes Gescheut auserschcn, doch weit entfernt, damit zufrieden zu sein, stellte er ganz bestimmte Forderungen in den großartigsten Verhältnisse». So verlangte er Klcidnngsstücke im Werth von mehr als 190,000 Muscheln, anßerdem noch ein Paar kleine Pistolen nnd 7 Pfuud Pnlver, zehn harte spanische Thaler (— Silber ist nämlich in diesen Gegenden änßerst selten uud hochgeschätzt -), ein Paar englische Nasirmesser und viele andere Artikel. Der Werth dieser Forderung stand namentlich in keinem Verhältniß zu meinem damaligen Vermögen, denn ich mochte an Waaren nnd baarem Geld kaum noch 1000 Thaler besitzen nnd sollte damit meine Rückreise bestreiten. Ich mnßte mich jedoch fügen und das Verlaugte ansliefern; dennoch war Ssidi Alauatc nu-verschämt genng, schon mn nächsten Tage eiu weiteres Gescheut von nngefähr gleichem Werth von mir zn erpressen. Freilich versprach er, nicht allein mehrere dieser Gegenstände zn meinen Gunsten an Tuareg-Häuptlinge abzugeben, sondern auch dein Herrscher in Hamd-Allahi ein schönes Geschenk zn macheu; leider aber wurde dies letztere Versprechen nie erfüllt, obwohl es für mich von großer Bedeutung gewesen wäre, dcu Oberherrn Timbuktu's mir günstig gestimmt;u sehen. Nachdem so die Habsucht meines Wirthes einigermaaßcn befriedigt War, hatte ich zwar vor ähnlichen direkten Angriffen desselben in großem Maasistabe anf »nein Hab nnd Gut für eiuigc Zeit Ruhe, doch glaube ich, daß er trotz seines Versprechens aufrichtiger Freundschaft auf Verrath sann und bei den gegen mich gerichteten Drohungen und Umtrieben aller Art seine Hand stets nut im Spiele hatte, in der Hoffnung, irgendwie sich iu den Besitz des Meinigcu setzen zu können.— ------ 293------ Indessen suchte ich mich so behaglich als möglich einzurichten und hielt mich, da ich nicht ausgehen durste, so oft, als es anging, auf der luftigen Terrasse meines Hauses auf. Bon diesem eine weite Umsicht gestattenden Punkte aus bemühte ich mich auch, mit den hauptsächlichsten Eigenthümlichkeiten der Stadt bekannt zu werden. Nach Süden und Südostcn hemmten freilich die stattlichen Gebäude der reichen Kaufleute von Ghadames im Viertel Ssanegnngu die Aussicht nnd auch nach Südwesten hin war Weber die Moschee Ssidi Iahia noch die „Große Moschee" zu sehen; dagegen entfaltete sich ein interessanter Blick über das nördliche Stadtviertel mit der imposanten Moschee Ssan-t'orc und über den Theil der Wüste, welcher die Stadt im Osten begrenzt. — Verweilte ich nicht ans der Terrasse, so beschäftigte ich mich mit meinem Tagebuch oder erfrischte mich durch das Abfassen von Briefen an meine Freunde in Europa; es mußte mir natürlich viel daran gelegen sein, denselben die Nachricht von meiner glücklichen Ankunft in dieser weltberühmten Stadt mitzutheilen. Doch sollte ich mich nicht lange ohne Störnng diesen Beschäftigungen hingeben. Am Morgen des 1l). September, als ich gerade wieder an einem Fieberanfall litt, wurde ich durch die Nachricht aufgeschreckt, das; meine Feinde sich zu einem Angriff auf mein Hans rüsteten; zu gleicher Zeit ließ mir Ssidi Alauate sagen, ich möchte meine ganze Habe der größeren Sicherheit wegen zn dem Schatzmeister El Vakay's schaffen lassen. Unverzüglich bewaffnete ich mich selbst und meine Leute, und mein Wirth, als er sich in Gesellschaft des Walatcrs einstellte, war nicht Wenig erstannt, mich vollständig gerüstet und gefaßt zu sehen, jeden Angriff mit dcu Waffen in der Hand znrückznwcisen. Alles blieb indessen ruhig und unzweifelhaft hatte mein energisches Auftreten die Wolken vcrschcncht, die über meinem Haupte schweben mochten. Dennoch fuhr Ssidi Alauatc fort, fast täglich dies oder jenes zu erbetteln, und fügte zn diesen Plackereien anch noch hartnäckige Versuche, mich zum Islam zu bekehren. Endlich am Abend des 13. September erhielt ich einen Brief von dem Scheich El Bakay mit den bindendsten Zusagen seines Schutzes und trotz meines fieberhaften Zustandes machte ich mich sogleich an die Beantwortung dieses willkommenen Schreibens. Ich setzte dem Scheich die Motive meines Besuchs in Timbuktu auseinander und wie ich nur im Vertrauen auf seine Einsicht nnd Gerechtigkeit das Unternehmen gewagt hätte. Ich war denn anch so glücklich, das; mein Schreiben die vollkommenste Billigung El Bakay's fand und den Grund ------- 294 ------ zu dein nuten Einvernehmen legte, das fortan zwischen uns herrschte. — Drei Tage später, am 26. September Morgens 3 Uhr, traf der Scheich selbst ein. Sogleich begann ihm zu (5hrcn vor seinem, dem meinigcn gegenüberliegenden Hanse eine Musik, in welcher die große Trommel die Hauptrolle spielte und mir leider die in meinem krankhaften Znstand doppelt nothwendige Nachtruhe vollständig raubte; ich fühlte mich denn auch am audereu Tag nicht kräftig genug, meinem Beschützer mich Persönlich vorzustellen. Dieser dagegen schickte gleich am Morgen zn mir und ließ mich bitten, wegen meiner Sicherheit unbesorgt zu sein; wenn mich der Himmel gesund erhielte, sollte mich nichts hiubern, wohlbehalten in meine Heimath zurüekzutehrcu. Neben dieser beruhigenden Versilberung sendete er als Beweis seiucr gastfreundlichen Gesinnung zwei Rinder, ein paar Schaafc, zwei große Gefäße mit Butter, emc Kamcelladung Reis und ebensoviel Negerhirse; ja, er forderte mich sogar ans, mir jetzt schon diejenige Straße auszuwählen, auf welcher ich zurückkehren wollte. Es gab nämlich drei Wege, auf welchen ich von Timbuktu aus versuchen konnte, meiue Rückreise nach Europa zu bewerkstelligen, nmn^ lich entweder durch das Gebiet der Fulbe von Massina nach der West> küste des Kontinents, oder dnrch das Gebiet der Tnarcg nach Norden an die Küste des Mittelläudischru MecreS, oder ich konutc endlich in der Richtung, in der ich gekommen war, zurückkehren, und zwar zu Boot auf dem Niger. Abgesehen davon, daß mir weder der Fanatismus der Fulbc uud namentlich ihres zeitigeu Herrschers iu Hamd-Allahi, noch auch meine Mittel erlaubt habcu würdcu, die westliche Route zu wählen, hielt ich es für ungleich wichtiger, den ^auf des Niger von Timbuktu abwärts bis Ssai zu crforscheu, als durch das obere Nigcrlaud uach dem Senegal zu reisen. Zugleich aber mochte ich nicht zu großes Gewicht auf die Beschiffuug des Niger legen uud erachtete es für klüger, iu meiner Antwort an den Scheich den Besuch der alten Ssonrhai-Hauptstadt Gogo in den Vordergrund zu stellen; ohnedies tonnte ich erwarten, daß ich auf diesem Wege dcu größten Theil des Stroms zu sehen bekommen würde, beider aber war, wie wir sehcu werden, der Gedanke au die Abreise eiu noch sehr nnzcitiger. So brach der 37. September an, der Todestag Dr. Overweg's. Wohl hatte ich Ursache, in Betreff meiner Gesuudheit und meiner zweifclhaftcn Vage mich trübeu Gedanken au dem Sterbetage meines letzten l-uropäischen Gefährten hinzugeben — schien es doch nur zu glaublich, daß ich ihm bald folgen würde! Doch gelang es mir, an _— 395 ------ dent Vertrauen zu dm« redlichen <^harattcr meines Beschützers lnich anfzurichten und die dunkeln Bilder meiuer fieberhaft aufgeregten Phantasie durch die beseligende Hoffnung eiuer glücklichen Heimkehr zu verscheuchen. Ich niachtc nuch also wohlgemuth zu meiner ersten Audienz fertig, nahm jedoch von den für den Scheich bestiimuteu Geschenken nur ciue kleiue scchsläufigc Pistole mit, welche ich ihm vorläufig überreichen Wollte. Sein Haus lag dem meinigen fast gerade gegenüber nnd sie waren nur dnrch eine enge Gasse nnd einen llcinen Platz geschieden, den der Scheich zu seinem „mssid" (d. i. täglichen Betplatze) gemacht hatte. Ahmed el Bakay, Sohn Ssidi Mohammed's und Enkel Ssidi Mnchtar's, vom Stamme der Kuuta, war zu jener Zeit ein Mann vun ungefähr 50 Jahren, dabei von etwas mehr wie mittlerer Größe uud vollem Wüchse; er hatte gemüthreichc, kluge, ja beinahe europäische Gesichtszüge, eine etwas schwärzliche Hautfarbe, einen zwar nicht starken, aber ziemlich langen nnd schon etwas ergrauten Backenbart uud duulele Augenwimpern. Seiüe Kleidung bestaud damals nur ans einer schwarzen Tobe, einem mit Fransen besetzten, lose um seiu Haupt geschlungenen Shawl und Beinkleidern; die beiden letzten Stücke waren don derselben Farbe wie das erste. Ich faud meinen Beschützer iu dem klciuen Dachzimmer, nnd zwar in Gesellschaft seines juugen Neffen Mohammed Acn Chottar nnd zweier seiner Schüler, die in engeren Beziehungen zu ihm standen. Bei dem erstcu Blick, den ich auf ihn warf, war ich angenehm überrascht, einen Mann vor mir zn haben, dessen Gcsichtsznge schon allein don einem geraden nnd männlichen Wesen Zengniß ablegten, während ich beide Eigenschaften in seinem jüngeren Brndcr Ssidi Alauate ver. gebens gesucht hatte. — Ucberaus ermnthigt durch sein gauzes Auf treten, wie er sich von seinem Sitze erhob, um mich zu empfangen, begrüßte ich ihn nuu mit vollem Zntranen. Hierauf begann eine Unter-haltnng, die nicht nur frei war von allen affektirten, hohlen Phrasen eitler Ceremonie, sondern im Gegentheil gleich dom ersten Augenblick an einen ungezwnngenen Austausch von Gedanken zwischen zwei Personen bildete, die sich bei großer nationaler Verschiedenheit in Sitten und Vorstellungen zum ersten Male begegnen. Das Pistol, mit dem ich den Scheich beschenkte, lenkte jedoch unsere Unterhaltung bald ans die Ucbcrlegenheit der Europäer hinsichtlich ihrer Geschicklichkeit in den Erzengnissen ihrer Hände und in Bezug auf ihre gesammtc Cinrichtnng im mcuschlichcu Leben. Eine ------ 296 -— der ersten Fragen, welche der Scheich au mich richtete, war die, 0b es wahr sei, daß, wie der Nals (Major ^aing) während seines Aufenthaltes in Ascmad seinem Vater Ssidi Mohammed berichtet habe, die Hauptstadt des britischen Reiches 20mal 100,000 Menschen enthielte. Ich erfuhr dann zu meiner großeu Freude und fand dieß auch in der Folge durch die in Major king's Briefverkehr ') angeführten Umstände vollkommen bestätigt, daß dieser <>öchst unternehmende, aber unglückliche Reisende auf seiner Weiterreise von Tauat, nachdem er von den Tuareg vollständig ausgeplündert und mit vielen höchst gefährlichen Wunden für todt auf dem Platze liegen gelassen, von seineu Fiihrern nach dem Standlagrr Ssidi Mohammed's, des Baters Scheich Ahmed el Bakay's, iu drr Hillet Ssidi el Muchtar geleitet worden sei »md daß er sich hier in der Folge lange Zeit aufgehalten und dun seinen Wunden geheilt habe. Major Vaing war der erste und einzige Christ gewesen, den mein Wirth (.— von nun an war dies El Bakay, nicht mehr Ssidi Alauatc—) und der grüßte Theil der Eingcbornen jemals gesehen hatte. Der Major bildete denn anch während der ganzen Zeit unseres Zusammenlebens einen der Hauptgcgcustäude unserer Unterhaltung, uud mein edler Freund verfehlte niemals, seine Bewunderung auszudrücken nicht allein über des Majors Körper-stärke, sondern auch nber dessen edeln uud ritterlichen Charakter. Ich forschte sogleich nach etwa noch erhaltenen Papieren, erfuhr aber, daß hier an 3)rt uud Stelle leine derselben vorhanden seien; doch versicherte mich der Scheich, das; Major Vaing während seines Anfent-halts iu Asauad bei seinem Vater cine Karte über den ganzcu nördlichen Theil der Wüste von Tauat bis zur Hillet e' Scheich herab angefertigt habe. Veider aber haben wir vuu dieser ganzen Reise des Majors von Iussalah abwärts gar keinen Nutzen, da wir nicht einmal wissen, welchen der beiden vorhandenen Wege er einschlug. — Nachdem nur der Scheich nochmals seinen kräftigsten Schutz und seinen Beistaud zur baldigeu Weiterreise verheißen hatte, eudtte meine Audienz. Ich tehrte iu meiue Wohmmg zurück und sandte nun erst dein Scheich das für ihn bestimmte beschenk. Dasselbe bestand ans drei Bernuseu, uämlich einem „helali" (aus einer Mischung von weißer Seide und Bainnwolle gewebt) uud zweien vom feinsten Tuche, der eine von grüner, der andere von rother Farbe; zwei Tuchkaftauen, ') Siehe Major «amc,'s Bviesc in der (^untsl^ Nov^w, Vc>1. XXXVIII, I>. 101; XXXIX, p. 172;XI.II, l>- N2. 4l>5. ------- 297 ------ einem schwarzen und einem gelben; einem Teppich von Konstantinopel; vier Toben, nämlich einer sehr reichen von der „harir" genannten Art, die mir beim Einkaufe in Kano 30,000 Muscheln (12 Dollars) kostete, einer don der „filfil" genannten Art nnd zwei schwar;en von der besten Sorte; 20 spanischen Thalern in Silber; drei schwarzen Shawls und mehreren kleineren Artikeln. Der Werth des Ganzen belief sich auf etwa 200 Thaler. Bald daranf sandte der Scheich einen Boten zu mir, um für die Freigebigkeit der Regierung,, in deren Diensten ich zu ihm gekommen sei, seinen Dank ansznsprechcn und mir zu sagen, daß er mit dem Geschenke vollkommen zufrieden sei und nichts Weiter von 4Uir haben wolle; er ließ mich aber noch bitten, daß ich ihn bei meil griffcu, daß ich den beabsichtigten Gang sogleich aufgab. Dieses Unwohlsein abgerechnet, ging der Monat September glücklich zn Ende und lneiue Angelegenheiten schienen einen bessern Vcrlanf nehmen zu wollen, als ich anfangs hatte erwarten dürfen. Da bekam Alles mit dem ersten Tage des nächsten Monats eine ganz andere, drohende Wendung. Am Nachmittage des 1. Oktober traf nämlich eine ansehnliche Schaar Bewaffneter, unter welchen fich ungefähr zwanzig mit Feuer> gewehren versehene Leute befanden, don Hamd-Allahi ein, der Residenz Ahmedu's ben Ahmedu, des Herrschers von Massina nnd Oberherrn der Stadt Timbuktu. Sie überbrachten dem Emir den einfache« und ') Dies ist wirklich geschehen und ein Gescheul der Art zum Werthe vvl! mehr al« 2000 Thalern ist ihm dnrch den edlen Grafen Clarendon zugesandt worden. ____ 295------ bestimmten Befehl, „den Christel! Mi; in derselben Weise, wie eö mil dem früheren (Major Vamg) geschehen, ans der Stadt zu jagen". Hammadi, der oben erwähnte Nebenbuhler El Aakah's, sänmtc nicht, die Ankunft dieser i'cute zu seinen Zwecken zu benutzen; er erließ daher einen Aufruf an die Bewohner Timbnttn's, den Befehlen des Emir nachzukommen und, wcnn ich etwa Widerstand leisten füllte, selbst mein i/cbm nicht zn schonen. — Ans der anderen Seite aber fühlte sich El Batay durch den von Hamd--Allahi eingelaufenen Befehl als mein Wirth und Beschützer tief beleidigt und aufgefordert, dem Willen der Fulbe entgegenzutreten, um diesen wie der gcsammten Einwohnerschaft zn zeigen, daß sein Ansehen und seine Macht die größere und er recht wohl im Stande sei, mich hier in der Stadt zu beschützen, beider fehlten meinem vortrefflichen und würdigen Frennd gerade die Eigenschaften, die nöthig gewesen wären, einen solchen Widerpart mit Nachdruck nnd Ernst durchzuführen, nämlich Thatkraft und kriegerischer Sinu. Von meiner unmittelbaren Abreise — wenn eine solche vorher anch wirtlich im Willen des Scheichs gelegen hatte — konnte jedenfalls nuter diesen Umständen keine Ncdc mehr sein. Um meine ^age aber noch peinlicher zu machen, schien es sogar einen Augenblick, als sollten sich zwischen mir uud El Batay selbst ernstliche Schwierigkeiten erheben. Ich verdankte dies den Intriguen meiner eigenen ^rnte, denn nicht nnr mein Mäkler Ali el Ageren gab mich gänzlich auf, als er das Bedenkliche meiner?agc gewahrte, sondern auch der Valater begann sein Spiel auf's Neue, indem er sich bemühte, mich den Händen des Scheichs zu entziehen uud uns einander zu entfremden. — El Bakay hatte beschlossen, einen eigenhändigen Brief an die grosibritmmische Negierung zu richten, durch welchen er seine Zufriedenheit über mein ilommeu ausdrücken, del» iibcln Eindruck der Ermordung des Major Laing durch den Häuptling der Berabisch mildern nnd wo möglich anch einige Geschenke für sich erwirken wollte. ES war beschlossen gewesen, daß ich selbst anf meiner Rückkehr der Ucberbringer des Briefs sein sollte; da lies? mich der Scheich Plötzlich am Abeud deS 3. Oktober wissen, daß ich das Schreiben mit einigen Zeilen von meiner Hand dnrch Ali el Agercn nach Gha-dames oder Tripoli schicken, mittlerweile aber selbst in Timbuktu als eine Art Geißel zurückbleiben sollte, bis die vom Scheich geforderten Gegenstände eingetroffen wären. — Ich muß gestehen, daß diese Nach richt mich wirtlich mit großem Schrecken erfüllte. Ich schickte daher am anderen Morgen einen entschiedenen Protest an den Scheich ab, ------- 299 ------- in welchem ich hervorhob, daß er allerdings mit mir verfahren könne, wie es ihm gutdüute, nur dürfe er nicht erwarten, von der Regierung, die, mich gesandt habe, anch nnr den Werth cincr Nadel zu erhalten, bis ich felbst in Sicherheit heimgekehrt wäre. — Fast zn gleicher Zeit hatte mir mein Wirth anch andentcn lassen, daß es am besten für mich sein würde, mein Pferd und meine Flinte in seine Hände zu überliefern. Ich ließ ihm einfach sagen, daß kcins von beiden aus meinem Hause kommen würde, so lange noch mein Kopf zwischen den Schultern stände. Um mm mein Ungemach voll zu machen, kam zu allen diesen bennrnhigendcn Verhältnissen noch eine andere Sorge hinzu; ein Gewitter, begleitet von dem stärksten Regen, den ich überhaupt in Timbuktu erlebte, hatte am Nachmittag des 3. Oktober meine so schon hinfällige Wohnung völlig unter Wasser gesetzt; die Wassernlasse hatte die Maner meines Gcpäckraums durchbrochen und meine ganze Habe, als Bücher, Arzneien, Geschenke und Alles, was ich zum kleinen Tanschhandcl besaß, beschädigt. Dieser Verlust war aber nicht das einzigcUnangenchmc der angerichteten Zerstörung, denn anch die Sicherheit meiner Wohnung war dnrch jene Beschädigung noch mehr gefährdet. Um unö daher vor einem Uebcrfall zu schützen, mnßten wir die entstandene Wcke und die halb eingefallene Hintermaucr des Hauses so gut wie möglich selbst verbarritadiren, da die Handwerker der Stadt ans Furcht vor meinen Widersachern es nicht wagten, die Ausbesserung des Hanfes zn übernehmen. Meine l'agc sollte sich jedoch bald wieder verbessern. War cs überhaupt auffallend gewesen, daß ein Mensch von so niedriger Gesinnung wie der Walatcr auch nnr für einen Augenblick einen Mann mit so ausgezeichneten Eigenschaften, wie sie der Scheich besaß, in seine Hand bekommen konnte, so überzeugte sich doch letzterer sehr bald von dein verächtlichen Charakter des gewandten Intriganten. Nachdem er ihn dnrchschant und alle seine Verräthereien gegen mich in Erfahrung gebracht, befahl er ihm sogleich, meine Kameclc von Aribinda herbei zuschaffen; es war jetzt offenbar geworden, daß er die Thiere, anstatt sie nnr in Pflege zn geben, auf feine eigene Rechnung verkanft hatte oder doch wenigstens vertanfen wollte, was ich nur dadurch verhindern konnte, daß ich sie dem Scheich zum Geschenk «nachte. Die Rührigkeit unserer Feinde, deren Zahl noch dnrch eine Bande Tuareg vermehrt worden war, welche, wie Jedermann wnßtc, eben keine freundliche Gcsinnnng gegen den Scheich hegten, zwang ^ctztern endlich, einen entscheidenden Entschlnß zu fasfen. Diefcr bestand darin, ------ 800------ daß er die Stadt verlassen und ein Lager außerhalb derselben beziehen wollte, um sich mit seiue» Freunden, den Hauvtstämmen der Imo-scharh, in nähere Verbindung zu setzen; gegen Mittag des N. October brachen Nur denn auch wirtlich auf, die Stadt zu verlassen, nachdem der Scheich seine Familie bereits nach der Stätte des zu beziehenden Lagers vorausgesandt hatte. Mir vollkommen der kritischen Lage bewußt, iu welcher ich mich befand, folgte ich meinem Beschützer durch die Straßen der Stadt, umdrängt von den Schaaren der Einwohner, die sich emsig bemühten, mich zu Gesicht zu bekommen. In's Freie gelangt, ließen wir den nördlichen Theil der Stadt zur linken nnd ritten in nordnordöstlicher Richtung über einen mit niedrigem Buschwert bekleideten sandigen Landstrich. Nach einem Ritt von 1^/4 Meilen erreichten wir die Lagerstätte gegen Sonnenuutergaug; das offene Laud bot nüt seinen reichen Mimosen nnd dein ans ansteigendem Boden, dessen weiße sandige Oberfläche von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne belenchtct ward, errichteten Lager ein interessantes Schauspiel bar. Die jüngeren Bewohner des Lagers mit Einschlnß der beiden Lieblings^ knabcn des Scheichs, im Alter von vier und fünf Jahren, kamen uus entgegen und bald befand ich mich in einem niedrigen, aus Kameel-haar verfertigten Zelte, welches einem iungen Manne ans der Wnsten-landschaft Tins am Gestade des Atlantischen Oceans, einem Neffen des Scheichs, gehörte. Die übrigen Zelte bestanden, die größeren und besseren aus weißem Baumwollzeug, die kleinerm und geringeren aus Ledcrdecken. In diesem Lager brachten wir in größter Ruhe und Zurückgezo-genhcit mehrere Tage zn. Das Lagcrlebcn war für mich eiuc sehr angeuehmc uud heilsame Abwechselung, sowohl in Hinsicht der Luftveränderung als auch durch die Verschiedenheit der Scenerie. War ich doch seit meiner Ankunft in Timbuktu, feit dem 8. September, nur auf die Terrasse meines Hanscs oder aus den gelegentlichen Besuch der der meinigen ganz nahe gelegenen Wohnung des Scheichs beschränkt gewesen. Hier war ich nun im Stande, mir etwas mehr Bewegung zu machen, obwohl die Rücksicht auf meine Sicherheit mir immer noch große Vorsicht nöthig machte und nicht gestattete, meine Wanderungen allzn weit auszudehnen. Das Lager gewährte besonders am Morgen einen höchst belebten Anblick. Die beiden großen, höchst stattlichen, weißen baumwollenen Zelte mit ihrem äußeren Deckmantel von gewürfeltem, in Schwarz ------301 und Weiß ausgeführtem Muster und ihren ill verschiedenen Farben Prangenden wollenen Dcckenverhängcn an den Seiten waren dann halb geöffnet, nm der Morgenluft den Dnrchzug zn Matten; an dein von Kamceleu, Rindern nnd Ziegen belebten Gehänge der Saudhöhe ent lang sah man die klciuercu Vederzelte malerisch gruppirt. Die ganze Natur war wach nnd voller Gebell nnd in den Bäumen schwärmten zahlreiche Waldtauben. Am Abend sah mau wiederum das Vieh von der Weide heimkehren, von Sklaven geleitete Esel Wasser herbeischaffen nnd die frommen Schüler des Scheichs an dem einfachen, mit einer Doruheäe umzäunten Bctftlatze zusammengruppirt, nm, von der melodischen Stimme ihres Lehrers geleitet, ihr Gebet zu verrichteu. Wenn sich anch der Scheich am Tage meistens im Zelte aufzuhalten pflegte, so versäumte er es doch nie, sich zn dieser Abendandacht einzustellen. Um diese Zeit ward von den Tüchtigsten seiner Schüler eine Ssure (Abschnitt) aus dem Kuran gesungen; dies dauerte oft bis zu später nächtlicher Stunde nnd trug viel zur Belebung des Ganzen bei, indem ein Echo diese 'schönen Bcrse in ihrem melodischen Halle von den umliegenden Sanddünen widerhallte. Manchmal fand auch eine lebhafte Unterhaltung statt, wozu sich auf dem offenen Platze zahlreiche Gruppen am Feuer versammelten. So flössen die welligen Tage, während welcher wir uns in diesem Lager befanden, ziemlich ruhig dahin. Nur eiu Trupp von einem Dutzend Imo-scharh fand sich eines Tages eiu, die Gastlichkeit des Scheichs anzusprecheu. Als ich mir die Schwerter dieser Lentc näher ansah, war ich überrascht, zn finden, das> sie insgesammt in der Stadt Solingen, jener altberühmten dentschen Waffenwerlstättc, fabricirt waren, wie dies denn in der That mit fast allen Schwertern der Tuareg der Fall ist - - sie müßten denn sonst irgendwo gefälscht sein. Am 13. Oktober lehrten wir wieder in die Stadt zurück; die Besuche im Lager wiederholte»« sich aber noch mehrmals in der zweiten Hälfte dieses Monats. Die wachsende Erbitterung meiner Feinde nud die dermchrteu Austalten zur Aufregung des Volles wider mich nnd meinen Beschützer machten inciue zeitweilige Eutferuuug aus der Stadt nöthig, wenn dieselbe sich anch immer nnr anf wenige Tage beschränkte. Während unseres Aufenthaltes in Timbuktu selbst dürfte ich auf deu ausdrücklichen Wunsch des Scheichs nnr noch mit scharf geladener Flinte nud Pistolen bewaffnet vor ihm und im Kreise der ihn Besucheudeu erscheinen. Bon meiuer Abreise war natürlich uuter dieseu Umstäudeu gar nicht inehr die Rede, so oft ich dieselbe auch bei ------ 302 ------ meinem Freunde in den ernstesten Ausdrücken in Erinnerung brachte. Hätte ich die Erforschung des ^iiger uou Timbuktu bis Ssai aufge> geben und der unerfreulichen und gänzlich unersprießlichen Noute des Major ^aing folgen wollen, so hätte mir die Abreise einer Karawane der Kaufleute von Tauat, die am 20. Oktober nach Norden aufbrach, hierzu Gelegenheit geboten; beides aber wollte ich nicht und so benutzte ich die Kafla nur zur Beförderung meiner Briefschaften. Eine angenehme Abwechselung unter diesen peinlichen und drückenden Verhältnissen war ein Ausflug nach Kabara. El Bakay unternahm ihu aus Trutz gegen die Fulbc don Timbuktu, um ihnen zu zeigen, wie groß sein Ansehen und wie sicher ich unter seinein Schutze fei; denn iu Kabara, hart am Flusse gelegen und der Macht der Tuareg mehr entrückt, waren dic Fulbe vergleichungsweise noch mächtiger als in Timbuktu selbst. Hätte der Scheich die Stärke seines Eiuflusses überschätzt, so würde ich allerdings das Opfer dieses Irrthums gc-wordeu sein; der Ausflug war also durchaus nicht ohuc große persönliche Gefahr für mich, dennoch begleitete ich meiucu Freund willig uud gern, um den durch die Regen des Septembers und Oktobers veränderten Zustand der Landschaft in der Umgebung des Flusses zu beobachten. Wirtlich hatte sich denn auch die ganze sandige Fläche, vor zwei Monaten so o'dc und trocken, mit frischem Kraut bedeckt, und als wir uns dein Dorfe felbst näherten, waren alle Felder mit Wassermelonen überwachsen, deren Anbau die Einwohner in ausgedehntem Maaßstab betreiben. Der Fluß hatte das ganze Flachland überschwemmt und der uach Kabara sich hinziehende Arm, welcher bei meiner Ankunft nur ciucu schmalen Kanal bildete, breitete sich jetzt zu einem weiten offenen Becken aus und bot den einheimischen Fahrzeugen jeder Größe leichten Zugang. In Kabara sammelte sich bald eine große Anzahl Leute um miä, herum, unter denen sich auch viele Eiuwohuer Timbuktu's befanden, aber man wagte nicht, mich irgendwie zu belästigen. Ungehindert, wie wir gckommeu waren, ritten wir Nachmittags wieder heim. Vor Tim-lmktu besuchten wir die beiden kleinen Dattelpflanzungeu im Südwesten der Stadt und nahmen dann unseren Weg zur großen Moschee Djingcre-bcr; ich hatte bis dahin keine Gelegenheit gehabt, dieselbe näher zu betrachten, der schöne, großartige Bau machte daher einen desto größeren Eindruck auf mich. Der Baumeister, welcher sie unter Manssa Mussa ausführte, war ein spanischer Maure aus Granada (,,(Ii-!m:Ü!d vir .^ilioi^inmk", wie ihn ^eo Afrilanus ncunt). Wäh- —^ 303 ------ rend wir dieses stattliche Banwert besichtigten, sammelten sich Viele der Einwohner um uns und folgten uns auch, als wir unseren Heimweg antraten, durch die Straßen nach. Äcin Einziger nnter der Menge zeigte sich auch nur im Geringsten feindselig gegen mich, im Gegentheil reichten mir Viele sugar freundlich die Hand, nnd ich kann nicht umhin, die eigentlichen Bewohner der Stadt, die Ssourhai, als einen sehr friedlichen Menschenschlag anzuerkennen. Wir ritten dann über den Marktplatz nach Hause. So hatte der Oktober sein Ende erreicht und der November seinen Anfang genommen; auch dieser Monat sollte noch vergehen, ohne daß in meinen Angelegenheiten eine entscheidende Wendung eingetreten wäre. Im Anfang desselben verweilten wir sechs Tage lang im Lager nnd anch später wnrdcn wir durch die drohende Haltung unserer Feinde Wiederholt genöthigt, unseren Aufenthalt in der Stadt mit dem im Zeltlager zu vertauschen. So interessant das letztere nnn auch im Anfang für mich gewesen war, so mußte ich doch bald die größte Langeweile unter den Zelten fühlen, da mir dort die Mittel zu geistiger Beschäftigung- fehlten. Nur wenn eS der Scheich für gut faud, feiu stattliches Zelt zn «erlassen und uns mit seiner Gesellschaft zu bc> glücken, hatten wir manche angenehme nnd belehrende Unterhaltnng, zumal sich häufig Leute aus entfernteren Gegenden, oft ganz interessante Persönlichkeiten, um die Person des Scheichs befanden. Die Borzüge unserer verschiedenen Religionsbekenntnisse, des christlichen und mohammedanischen, bildeten natürlich häufig das Thema der Gespräche und Erörterungen in diesem Kreise. Der Scheich selbst bewies sich bei solchen Gelegenheiten wiederholt als einen Mann von durchaus vor-nrtheilsfrcicm und über kleinliche Ansichten erhabenem Geiste; dagegen hatte ich gcgeu andere, in den vermeintlichen Vorzügen des Islam mehr befangene Männer oft einen ernstlichen ilampf zu bestehen. Zum Glück war ich nicht ganz nnbewandcrt in den Satzungen des Islam und halte gewisse Dogmen nicht gerade für daö Wesen des Christenthums, nnd wcuu ich auch nicht erwarten konnte, meine hartnäckigen Gegner uon der Nichtigkeit meiner eigenen Anschauungen zu überzeugen, so gelang es mir doch stets, dieselben zum Schwcigeu zu bringen und die wiederholten Vekchrnngsversuche von mir abznwehren. Das tägliche Leben der Leute in diesen Lagerstätten fließt zu Zeiten, wo tein Naubeinfall stattfindet, was jedoch oft genug der Fall ist, sehr rnhig dahin. Die Meisten dieser Mischlings - Araber haben gegenwärtig nnr ein einziges Weib und sie scheinen ein stilles haus- ------ 304 ------ liches Leben zu führen, ähnlich demjenigen, welches der Scheich selbst führte. Ich glaube kaum, daß os in Enropa Eheniänncr giebt, besonders aus den höheren Ständen, die an Weib und ^ind mit mehr Innigkeit hängen, als mein Wirth mTimbnktu; ja, man könnte sagen, daß er vom Willen seiner Gattin etwas zu sehr abhängig war. Der Unterschied, dcu ich bei alledem zwischen der gesellschaftlichen Stellung der Frau unter dicseu maurischen Stämmen nnd derjenigen, welche sie nnter den Tnarcg einnimmt, wahrnahm, ist außerordentlich, wie^ wohl anch die Tuareg im Allgemeinen nur Ein Weib haben. Aber während das Weib des Amo-scharh volle Freiheit hat, nach Belieben unvcrschleicrt überall hingehen zn können, sieht man selbst die Fran des ärmsten Arabers oder Mauren zu keiner Zeit unverschleiert; sie ist gemeiniglich in ein schwarzes Ober- und Untergewand gekleidet nnd verhüllt sich sorgfältig mit dein ersteren — die koketten Weiber von Walata ausgenommen, die gern ihr Gesicht von der Seite nnd ihre nackten Arme zeigen. Die Frauen der Wohlhabenderen nnd Vornehmen verlassen sogar niemals ihr Zelt. — Ich bin der Ueberzeugung, daß die Sitten des weiblichen Theiles der Bevölkernng dieser Zeltlager im Allgemeinen sehr rein sind; denn die Bestrafnng, welche auf eine derartige Uebertrctnng folgt, ist streng, indeut z. B. eine verhei-rathete des Ehebruches überführte Frau unbedingt gesteinigt wird. Ich muß jedoch gestehen, daß ich kanm im Stande bin, von der Lebensweise in einein arabischen oder maurischen Vager unter gewöhn-lichen Verhältnissen zu sprechen; denn das Vager des Scheichs, eines Religioushauptes, bildete natürlich ganz und gar eine Ausnahme von der Regel. Dazu kam noch die Nähe der Fnlbe, welche bei ihren strengen religiösen Grundsätzen alle Vergnügungen mit argwöhnischem Auge ansehen, so daß diese in der Umgebung der Stadt errichteten maurischen Zeltlager ihren ursprünglichen Charakter zum großen Theil verloren haben. Es mag eine Folge dieses Einflnsses sein, daß hier Tanz und Gesang gänzlich vermißt wnrden. Was meine persönlichen Beziehungen zum Scheich El Batay an« belangte, so waren dieselben vollkommen befriedigender Art. Hatte ich in ihm einen liebenswürdigen und in seiner Art aufgeklärten Mann kennen lernen, so darf ich wohl annehmen, daß er gegen mich eine anfrichtigc persönliche Zuneigung fühlte und mir daneben diejenige Achtung zollte, welche ihm die höhere Bildung des Enropm-rs ein flößte. Nur Einen großen Fehler besaß mein würdiger Freund: seine Vangsamkeit und Bedachtsamkeit da, wo es galt, entschlossen zn handeln, ------305 ------ war unbesiegbar, so fest ich auf der anderen Seite jetzt darauf rechnen konnte, daß er mich niemals meinen Feinden überliefern würde. Ungehalten über den endlosen Verzug und Zeitverlust drang ich ans Beschleuuiguug der Abreise; er versprach auch, mich nicht lange mehr zurückzuhalten, es schien ihm aber immer wieder der geeignete Zeit-Puutt noch uicht gekommen, uud als endlich auch die letzteu vier meiner jenseits des Flusses zurückgelassenen Kmncclc, freilich höchst abgemagert, eintrafen, bot ihm der elende Zustand der Thiere einen nenen Vorwand, meine Abreise aufzuschieben. Trutz alles Zauderns aber häuften sich nur die Schwierigkeiten rings um uns her; Krieg und Fehde begannen nach allen Richtungen hin zu wütheu. So war im Norden aller Verkehr mit Marokko abgebrochen in Foll^ eines Bürgerkriegs im Stamme dcr Tadjal'ant, in deren Händen ausschließlich die Verbindung mit jenem ^andc lag. Im Südeu erneuerten die Auclimmiden unter ihrem Häuptling El Chadir den alten Kampf gegen die verhaßten Fulbe, in welchem dieser Äcrbcrstauun stets wcitcr uud weiter in das Herz des Negcrlandes vordringt. Dienten diese kriegerischen Vorgänge nuu dazu, die Gc müther im Allgemeinen zu erregen, so vermehrte sich die Mißlichteit meiner eigenen ^agc durch erneuerten Befehl ans Hamd-Allahi, mich aus der Stadt zu vertreiben, während zugleich die Kuude eiutraf, daß die UMad Ssliman, jene Abthcilnng der Berabisch, zu welcher der Mörder des Major ^aing gehörte, durch einen Eid gelobt hätten, mich zu todten. Wiederum hatten wir gegen Ende des Monats uus iu das Zeltlager begeben, als die Nachricht eintraf, daß abermals Fulbe aus der Hauptstadt angekommen wären uud unter den härtesten Drohungen den Befehl überbracht hätten, mich todt oder lebendig einzubringen. So brachte ich dir Nacht zum 1. Dezember wachsam uud sorgenvoll hin, die Pistolen im Gurt und auf das Schlimmste gefaßt. Am früheu Morgen brachte Einer meiucr Diener die Nachricht aus der Stadt, daß die Einwohner in großer Aufregung wären und daß ein Angriff auf meiue Wohnung zu erwarteu sei; meine Diener hatten deshalb den werthvollcn Rest meiner Habe zu dem Schatzmeister El Vatay's in Sicherheit gebracht. Noch aber ahnte ich uicht, wie nahe mir selbst schon die Gefahr war. — Es war ein trüber Tag nnd eine gedrückte Stimmung herrschte in dem Lager. Da nahten gegen 3 Uhr Nachmittags Reiter in der Ferne und ich war tamn in mein Zelt getreten, um nach meinen Sachen zu sehen, als ciu vertrauter «ai,h'a Rtlsen, II, 20 " ------ 306 ------ Schüler des Scheichs athemlos hereinstürzte und mir zurief, die Waffen zu ergreifen. Ich erfaßte Alles, was ich bei mir hatte, eine Dovvel fiinte, drei Pistolen und ein Schwert, und da es ini ^ager angen blicklich fast gänzlich an Waffen fehlte, versah ich zwei der energischsten Anhänger des Scheichs mit einen Theil der meinigen. El Vakay selbst hatte seinc edle weiß0 Reisigen, die sämmtlich in der Nähe unserer Wohnungen ein quartiert wurden. Gleich am andern Morgen nach Anab's Ankunft ließ mich der Scheich rufen, diesem meine Aufwartung zu machen. Ich fand in ihm eine, recht stattliche Persönlichkeit von stolzer, gebietender Haltung, angethan mit einer sogenannten Djellaba - Tobe mit rothen und weißen Streifen, die noch mit Stickerei in grüuer Seide verziert war; auf dem Kopfe trug er eine hohe rothe Mütze — ciu Kleidungsstück, das man hier nur selten zu sehen bekommt, weder bei den Tuareg noch bei den Arabern. Ich begrüßte ihn und erklärte ihm den Zweck meines Kommens und wofür ich mir ihren Schntz erbäte. Doch anch Auab schien einigen Anstoß au mciuem Glauben zu nehmen, weil ich Mohammed nicht als eülen Propheten anerkenne; ich suchte seinen Einwurf zurückzuweisen, indem ich ihm vorstellte, wie ja sie selbst Mohammed nicht als den einzigen Propheten anerkennten, sondern auch Mu-ssa und Aisfa (Moses und Jesus) als solche verehrten nnd des letzteren Vorrang dadurch einräumten, daß sie seine Wiedcrerscheinung an» Ende der Welt erwarteteu. Ich wies feruer darauf hin, wie wir bei dem Glauben an einen und denselben Gott trotz der Verschiedenheit uuserer Propheten und einiger geringen Abweichungen in unseren Sitten denselben religiösen Grundsätzen folgten, so daß wir einander näher ständen, als er glaube, und wohl gute Frenude sein könnten. Dann fing ich an, von der Geschichte seines Stammes zu sprechen, nud erzählte ihm, daß ich dessen alten Wohnsitz in Air, Tiggcoa, besucht habe, wie alt der Islam in seiuem Stamme sei und was ich sonst noch an historischen Daten über denselben wußte. Der Häuptling war entzückt über diese Mittheilungen; cr fühlte sich ,------ 308 ------ offenbar geschmeichelt, und es gelang mir auf diese Weise vollkommen, den Sohn der Wüste freundlich gegen mich zn stimmen, und als ich Nachmittags mit einem hübschen Geschenl zurückkehrte, war er su dankbar, wie diese Barbaren es nnr eben sein können. Dennoch hatte ich mit ihm nnd seinm Gefährten noch dann nnd wann einen kleinen Strauß über meine Religion zn bestehen. Während dic Aufhetzereien der Fulbe nnd ihre Vorwürfe gegen meinen Beschützer nicht ruhten, ward die Misilichteit meiner Vage nuch vermehrt dnrch die große Menge von Fremden, die — man tonnte sagen — zur Meßzcit sich hier cinfanden und in der Regel ungleich fanatischer waren, als die eigentlichen Stadtbewohner. Auch die Berabisch, die ja geschworen, mich zn todten, hatten sich eingestellt; sie brachten Salz nnd waren mit etwa 1000 beladcnen Kameelen und 120 Pferden in Timbuktu eingerückt; Ali, der älteste Sohn Hamed Ni>lcd Abeda's, des anerkannten Mörders des Major ^aing, war ihr Anführer. Aufgeregt von dem bewegten und tobenden Leben der vielherrigen Wüstenstadt saß ich am Abend deö 7. Dezember in meiner Halle, als ein Sklave über den Hof geschritten kam und nur die Nachricht brachte, daß ein Brief ans Norden für mich angekommen wäre. Ihm folgte tnrze Zeit daranf Mohammed el Aisch, ein mir befreundeter Tauater, nnd brachte mir ein kleines Packet, welches sammt dem Vriefc, den es enthielt, geöffnet worden war. Der Brief war Kon Herrn Charles Dickson, dein englischen Vice-Konsul in Ghadames und trng das Datum vom 18. Inni; er enthielt einige Empfehlungen an hier augesiedelte ghadamsier Kanflentc. Dabei lag auch eine Nmnmer des „Galiguani", eines für auswärts lebende Europäer schähcnswer-then Tageblattes, woraus ich denn die ersten Bewcgnngcn der Rnssen an der Dunan kennen lernte. Die Ghadamsier selbst, die mir den Brief überbrachten, hatten schon die Nachricht verbreitet, daß eine erschrecklich blntige Schlacht zwischen Türken nnd Russen geliefert worden sei, ill der die letzteren 30,000 Todte und 40,000 Gefangene verloren hätten. Mau hatte das Packet angeblich in dem Glauben geöffnet, es wäre au einen Ghadamsier Namens Abd el Kcrim adressirt, aber der wahre Grund war wohl Argwohn. Doch meine Gedanken mußten sich bald don ocn Ereignissen in Europa hinweg meiner eigenen ^age zuwenden, denn die mich um drängende Gefahr erreichte endlich am folgenden Tag (tt. Dezember) ihren Gipfclpuukt. Vou den beiden MdhiS oder Emirs der Stadt war der Eine, Nmnens Kanri, ein höchst wohlwollender Manu, der Andere, Hamed Uulcd Faamme, einer ineiner erbittertsteli Feinde. Das Gebet des „dhohor" (in diesen (senden zwischen zwei ilnd drei Uhr Nachmittag) war an dem genannten Tag eben beendet, als dir Fulbe vor der in dcr Großeu Nlofchee vcrsaunnelteu Menge eine Rathsver-saunnlnng hielten; in dieser ermähnte Faamme — dcr mit strengeren Befehlen so eben von Hamd-Allahi zurückgekehrt war —- in einer lei> dcnschaftlichen Rede die Menge, sich uuvcrzüglich zu bewaffnen, NlN das Gebot ihres Oberherrn gegen mich zu vollstrecken, nnd wenn sie mich wider El Bakay, Nnub und Kauri zn gleicher Zeit kämpfen mußten. Zum Glück war der Mensch selbst ein großer Feigling, und als ein Frcnnd Kauri's ihn scheinbar wohlmeinend aufforderte, fich doch felbst au die Spitze der Kämpfer zu stellen nud den Angriff zu beginnen — zog der (Großsprecher sich zurück und AlleS blieb beim Alteu; die Spießbürger gingen nach Hans nnd mich ließ man fiir's Erste in Ruhe. Und wirtlich sollten die direkten Angriffe gegen mich für längere Zeit hiermit ein Ende nehmen, mit Ansuahme eiurs Versuchs, der iu deu nächsten Tagen unternommen wurde, den Scheich in gütlicher Weise zum Nachgeben gegen die Befehle von HamdAllahi zu bewegen. Wir hatten uns am Tage nach jenem Auftritt in der Großen Moschee unter dem Schutze Auab's nnd femes Neffen auf kurze Zeit wieder nach deu Zelteu hinansbegebeu. Das Vager war in größere Entfernung von der Stadt verlegt worden, nahe an den Rand der Ueber-schwemmung, au eineu Ort, der im Schmucke schöner Bäume einen ganz angenehmen Anfenthalt gewährte. Mit innigem Behagen schlürfte ich am crstcu Morgen uufcres Dortseins die frische, stärkende Vuft iu dieser halben Wüstenlandschaft ein, die von Pferden, Kameeleu, Rindvieh und iuterefsanten Gruppen menschlicher Wesen belebt war; mit wahrem Genuß erfreute ich mich eiumal wieder deö offenen Lagers. Doch laum war es Mittag, als ein Trnpp Reiter, die in der Ferne sich zeigten, Alles alarnürten; wir eilten zn den Pferden und ich und Mmu' Vente schwangen uns auf. Der erwartete Feind tau« näher, erwies sich aber zn unserer Vernhigung als eine Schaar von etwa 25 drr angesehensten Einwohner Timbuktu's mit Mnlai Abd c' Ssalam, dem Vornehmsten der marokkanischen Kaufleute, und einem alten edlen Herrn Namens Fassidi au der Spitze. Sie schmeichelten sich, durch ihreu persönlichen Einfluß und iu Frieden zu erlangen, was dcr Scheich der offenen Gewalt verweigert hatte, nämlich erstens eine Abschrift des Briefes, den ich angeblich von Stambul mitgebracht hatte, uud ------ 310------ zweitens das Versprechen, daß ich unbedingt nicht in die Stadt zurück» lehren sollte. Einen Brief, wie den verlangten, hatte ich leider nicht; da ich jedoch einige andere Briefe von mohammedanischen Großen bc> saß, so versprach der Scheich, den, ersten Verlangen nachzukommen, verweigerte aber dem zweiten jede Berücksichtigung. Die Folge war, daß die Gesandtschaft nnverrichteter Sachc heimkehrte. Am folgenden Abend ritten anch wir zur Stadt zurück; wir fanden die Leute von Timbuktu in freudiger Erregung, dcun sie hatten so eben an der Erscheinung des Mondes entdeckt — wie das in diesen Ge> gendeu so oft der Fall ist - , daß sie sich in ihrer Zeitrechnung um einen Tag versehen hättcu, und daß schon der folgende Tag das Fest des „Mlllud", das Geburtsfest des Propheten, sei. — Es war mir nun möglich, ungestört mein Quartier wieder in Besitz zu nehmen. Es mußte zunächst mein Bestreben, sein, die Hänptlinge der Tuareg, meine einzige kriegerische Stütze, deren Gebiet allein auch einen leidlich sicheren Rückzug gewährte, iuniger an mich zn ketten. Dem Neffen Anab's hatte ich bereits ein Geschenk von gleichem Werth wie diesem selbst gemacht, und da Letzterer etwas Silber zu habeu wünschte, um sein geliebtes Weib damit zu schmückeu, gab ich ihm mein silbernes Besteck, dem ich noch einige silberne Ringe hinzufügte. Die wenigen Dollars, die ich noch besaß, hatte ich für meine Rückreise zurückgelegt. Diese Opfer schieneu deuu auch nicht vergebens von nur gebracht zn fein; die Freundschaft Nuab'ö wurde wärmer und er sowohl als sein Neffe stellten mir einen überaus güustigeu SichcrheitsÜrief aus für jeden Engländer, der ihr Gebiet besuchen würde; leider aber ist dir Macht der Tademekket zur Zeit nicht bedeutend genug, einen Christen gegen die Fulbe am oberen Niger zn schlitzen. Hatte ich mm zur Zeit auch nicht mehr durch direkte Angriffe auf meine persönliche Sicherheit von Seiten dieser Letzteren zu leiden, so waren sie doch weit davon entfernt, sich meinetwegen beruhigt zn haben. Sselo Ahmedu ließ sogar die Drohung an die Bewohner Timbuktu's ergehe«, der Stadt die Zufnhr von Korn ans dem oberen Niger abzuschneiden, wenn sie nicht dazu behülflich wären, mich aus ihrer Heimath zu vertreiben. Dies veranlaßte deu mir wohlgesinnten Emir Kauri, persönlich nach Hamd Allahi sich zu begeben, um deu böswilligen ^utrigueu seines Amtsgenosseu ssaamme entgegenzuwirteu. Indessen trat ein für meine Vage entscheidelidcö Ereigniß eiu. ^ch habe schon oben bemerkt, daß die Karawane der Berabisch mit einer großen Anzahl Bewaffneter unter Anführung Ali's, eines Sohnes des ----- 31! ------ alten Ahmed oder Hamed Ui^led Abeda, angekommen war. Dieser sowohl wie seine Begleiter hatten ihre feindselige Gesinnung Men mich bei mehreren Gelcgcuhcitcu offen an den Tag gelegt und es sogar der mir dou dieser Seite erwiesenen Freundschaft wessen absichtlich unterlassen, dem Scheich ihre Aufwartung zu machen. Aber durch eine wunderbare Fügung der Vorsehung ward Ali, ein Mann >.wu etwa 40 Jahren, der bei dem hohen Alter seines Vaters fast alle Macht eiues Häuptlings besaß, plötzlich von einer Krankheit ergriffen nnd starb am Morgen des 19. Dezember. Der so plötzliche und unerwartete Tod dieses Mannes machte einen außerordentlichen Eindruck, da es eine allgemein bekannte Thatsache war, daß sein Vater der Mörder des Christen sei, welcher früher diese Stadt besucht hatte, und dieser Eindruck war um so größer, als man allgemein glaubte, daß ich Major Vaing'S Sohn wäre. Die Wirkung dieses Ereignisses auf mciue Sicherheit war um su gewaltiger, als das Gerücht, daß die Uslad Ssliman, die vorzüglichste uud vornehmste Abtheilung der Verabisch, sich durch einen Schwur verpflichtet hätten, mich zu todten, sich allgemein verbreitet hatte; die Veute wurden daher in ganz natürlicher Schlußfolgerung darauf geführt, zu glauben, daß irgend ein übernatürlicher Zusammenhang zwischen dem Tode dieses Mannes an diesem Orte und zu dieser Zeit und dem von seinem Vater begangenen Morde stattfinde. Wirklich flößte der plötzliche Tod Ali's seinen verlassenen Begleitern einen solchen Schrecken ciu, daß sie in feierlicher Prozession zum Scheich El Äatay kamen, um ihn für ihre bisherige Vernachlässigung um Verzeihung zu bitten uud seinen Segen zu erflehen; ja, der alte Gauuer selbst, Ahmed Mled Abeda, sandte kurze Zeit darauf die Votschaft, daß er in keiner Weise meine Abreise hemmen würde, son> dcrn im Gegentheil keine»» innigeren Wunsch hege, als daß ich meine Heimath in Sicherheit erreichen möge. So legte sich dcun die Aufregung wegen meines Aufenthaltes in dieser Stadt ein wenig und die Partei der Fulbe schicu abwarten zu wollen, welchen Erfolg die vom Scheich El Vakay an den Sseko Ahmedu nach Hamd-Allahi gesandten Schreiben haben würden. Viach dieser glücklichen Wendung meiner Angelegenheiten dürfte ich mich der Hoffnnng hingeben, die letzten Tage des Jahres 1A53 verhältnißmäßig ruhig verleben zu können; auch bedürfte ich der Nuhc in hohem Grade. Meine Gesundheit hatte während des Aufenthalts in Timbuktu bedeutend gelitten und wiederholt ward ich von heftigen —_ 312 ------ Ficbcranfä'llcn heimgesucht. Um so angenchincr war es mir, daß ich meinen edlen Veschützcr wieder nach denl Zeltlager begleiten konnte, wo wir diesmal mehrere Tage verweilten. Die Wüste but ein überaus interessantes Schauspiel, denn Alles schien plötzlich ganz verändert und ein ansehnlicher Strom ergoß seine Wasser mit großer Gewalt in die Thäler nnd Emscnknngen dieser Sandzone. Rnhe nnd Frieden herrschten in dem kleinen ^ager nnd ringsumher in der stillen Landschaft. Nur für ein paar Tage wurden wir durch einen hier seltenen Eindringling gestört; denn während im Allgemeinen der ganze nörd. lich an den Niger grenzende Landstrich frei von Raubthiercu ist, mit Ausnahme des Schakals, war mit dem übcrflnthcndcn Wasser, das den Charakter der Landschaft so ganz verändert hatte, ein Vöwe in diesen Wüstenbczirk eingedrungen nnd tödtcte an einem Tage drei Ziegen nnd am folgenden zwei Esel. Anziehende und fesselnde Gespräche mit dem Scheich im Kreise seiner Kinder und Schüler verkürzten die Zeit; meist nahm unsere Untcrhaltnng jetzt dnrchgängig einen religiösen Charakter an, da meinen: Beschützer daran gelegen war, seine Freunde nnd Anhänger von der Tiefe der religiösen Ueberzeugung des Christen zn überführen. Nichts aber übte anch in diesen Tagen einen größeren Zauber über mich aus, als wenn am Abend unter dem herrlichen unbegrenzten Himmelsgewölbe die Schü'ler des Scheichs mit klangreichen melodischen Stimmen Abschnitte aus dem Kurau sangen. Wahrlich, ein Christ muß Zengc solcher Scenen gewesen sein, nm die Mohammedaner und ihren Glau-ben mit Gerechtigkeit beurtheilcu zn tüunen; es ist ihr Stolz, den Christen darauf aufmerksam zn machen, wie sie den Schöpfer nnd Erhalter des Weltalls überall auf freiem Felde verehren und dort ihre Andacht eben so gut verrichten als innerhalb geheiligter Kirchenmancrn.— In solcher Umgcbnng nnd unter solchen Eindrücken feierte ich das Wcihnachtsfcst des Jahres 1853; es war schon das vierte, welches ich auf dieser Reise in Afrika erlebte '). Die gute Einwirkung des Vebens im freien Zeltlager nnd der stärkenden Nahrung von Fleisch und Milch auf meine Gesundheit war schnell nnd nnvcrtennbar. Mein Kopf ward viel freier, nnd als sich meine Kräfte einigcrmaaßen wieder eingefunden hatten, machte ich an einem ') Zwei andere Male hatte ich schon srüber da« Nx'ihnachlsfch iu Asriw begangen, nämlich während meiner Wanderungen i» den Nordgestadeländcrn dieses WeMheils, in den Jahren 1845 uud 184«. ____ 3l3 ------ schönen Morgen einen langen Sftazicrgang nach einer in einiger Ent^ fcrnnng nördlich von meinem Zelte gelegenen Anhöhe, von wo aus sich mir eine weitc Aussicht anf die Landschaft bot. Das ^and hatte einen Charakter zwischen dem der Wüste und einem weniger begüu> stigten Weideland, indem seine gewellte Oberfläche sandigen Boden zeigte, leidlich bestanden mit mittelgroßen Akazien und Dorngebüsch, an denen Ziegen hinreichend Futter fanden. Die Ströme fließenden Wassers, welche mit ihre», Silbcrfäden diese nackten Wnstenstrecken be lebten, drangen anf ansehnliche Ferne Weiler in's Vand hinein, als es vor einigen Tagen der Fall gewesen war, nnd das gcsammtc ^and gewährte in seinem jetzigen Gewände ein eigenthümliches, höchst wunderbares Schauspiel, das ohne Zweifel Reisende, die aus der nackten nördlichen Wüste kommen und Timbuktu zu dieser Jahreszeit brsucheu, in Erstaunen setzen muß. So geschah es denn, daß solche fremde Handelsleute bei ihrer Heimkehr von den Ufern dieses großen Stromes des Negerlandes die irrige Kunde von den zahllosen Strömen verbreiteten, welche 'sich mit dem Hanptstrom an jeucr denkwürdigen Stätte vereinigen sollten (— einige Angaben sprechen von 36 Flüssen—), während doch im Gegentheil diese Ströme vom Flusse ihren Ansgang nehmen nnd ihm ihr Entstehen verdanken. Denn sie fließen, nachdem sie eine kurze Strecke ihren Vauf landeinwärts verfolgt haben, beim Sinken des Hauptstromcs in einer ihrer früheren entgegengesetzten Richtung wieder zurück, wenn anch mit verringerter Wasscrmasse in Folge der Einsangnng des Bodens und der, ubschon in dieser kalten Jahreszeit geringeren, Vcrdnnstuug durch die Sonne. Da ich hier einmal von der Ueberschwemmnng des Niger rede, so will ich an dieser Stelle diejenigen Äeobachtnngcn einschalten, welche ich über die mit dem Hochwasser dieses Stromes, seinem Steigen nnd Fallen, in Zusammenhang stehenden Verhältnisse gemacht habe, wenn anch einzelne hiermit verknüpfte Erscheinungen der Zeit nach schon früher fallen. Im Vergleich mit der Periode des AnschwellenS anderer Flüsse Afrika's nördlich vom Acqnator zeigt der Niger eine höchst wunderbare Anomalie - wohl geeignet, tiefes Erstaunen und Nachdenken bei Jedem zu erregen, der mit dem Gegenstand cinigcrmaaßen vertraut ist. Da das periodische Steigcu der Flüsse in diesem Kontinente sein Entstehen der Periode der tropischen Regen verdankt, so wird man naturgemäß erwarten, daß der Niger gleich anderen Strömen, wie der Bcnnc oder der Nil, sein höchstes Niveau im August oder ------ 314 ------ September erreichen müsse. Der anffallellde Thatbestand aber, daß dies für den ganzen Vauf des Niger nicht dor Fall ist, kann mit don uns zu Gebote stehenden Mitteln und bei dem gegenwärtigen Zustand unserer Kenntniß dieses Theils von Afrika nnr theilwcisc erklärt werden. — Nach der genauesten Erkundigung, die ich an Ort uud Stelle einzuziehen vermochte, steigt der mittlere Niger jedes Jahr bis zum Ende des Dezember oder bis zum Anfange des Januar, fängt aber vor dem Februar nicht an zn fallen; der untere Niger dagegen, da wo er Knara heißt, erreicht den höchsten Wasserstand Ende August oder Aufang September und beginnt wirtlich mit der ersten Hälfte des Oktober wieder abzuurhmcu, ganz so, wie es bei dem Nil oder bei dein großen östlichen Zufluß des unteren Niger, den» Bcuue, der Fall ist. Um die Verschiedenheit nnd Anomalie dieser Phänomene zu erklären, müssen wir dcu verschiedeueu Charakter dieser Flüsse iu's Auge fasfcu. Der Benue nämlich, nachdem er einmal eine westliche Rich-tuug eiugcschlagen hat, folgt derselben mit nnr sehr geringer Abweichung; der große westliche Hanptstrom aber beschreibt drei Viertel eines großen Kreises, und da er im größeren Theile seines höchst gewun-deucu Kaufes mir sehr wcuig Gefalle hat, gebrauchen die Wasser, welche ihm von den entfernteren Quartieren zufließen, eine lauge Zeit, um seinen mittleren Lauf zu erreicheu. So hört denn der Regen, welcher während des September uud Oktober im Gebiete der Wau-garaua oder der südöstlichen Mandingo fällt, bis zu Eude November oder selbst Dezember nicht ans, den Fluß bei Timbuktu anzuschwelleu. Denu daß in dem Hinterland der Küste von Sierra ^eoue uud Kap Palmas bis zu Ende September oder sogar uoch im Oktober Regen fällt, kann man mit einem ziemlichen Grade von Gewißheit aus dem Umstände schließen, daß dies an der Küste selbst der Fall ist '); auch Wird diese Erscheiuuug durch Cailliü's Beobachtungen in Bezug auf den Regeufall in Kakondi und Timbo bestätigt 2). Elm, so hat man ') Siehe Isert in der Zeitschrift Hertha, Th. X, Jahrg. 1827, S. 374, sr wie M'Gill in Berghans' Zeitschrift, Th. Vlll, Jahrg. 1848, S. 59 —U1, uud m Beznc, auf Kap Palniaö: Fraissinet in den NouveN^ «imal«« g«« vc^:^«», 1855, Th, II, S. 2','1—2!N, vor Allein aber das inhaltreiche Biichclchcn von Herrn Prus. Schirren: dcr Nyassa '(Riga 1«l»7), ') Siehe Tomaro nach Catlli, aber besonders Eaillw'ö eigenen Bericht seines Aufenthaltes in Time (Th. I, S. 328 der engl. Ausgabe): ^,Der Negeufall war allerdings nicht so un- ------ 315 —- in dm gebirgigen südlichen Provinzen Abessiniens, deren Breite mit derjenigen der Oucllgcbiete des Niger genau übereinstimmt, im September einen ganz beständigen Ncgenfall beobachtet. Nun hat die ganze Gegend zwischen Djenni und Timbuktu einen höchst flachen Charakter, so daß der Flnß, welcher sehr langsam und in eiucm höchst gewundenen ^anfe dahinfließt, nicht allein ein sehr breites Bette ausfüllt nnd sich weit über das benachbarte Flachland ausbreitet, sondern auch eine große Menge Hinterwasser oder Becken und Sce'n bildet, von denen der durch Part nnd Caillii> so bekannt gewordene Dcbu oder Debo nur Einer, aber allerdings wahrscheinlich der größte ist. Dagegen ist nun der Fluß weiter abwärts, unterhalb Bamba und besonders in dem Distrikte, der den Namen Tin-schcrifeu führt, überaus eingeengt und auf die Breite von wenigen hundert Schritten beschränkt, so daß das Wasser, nachdem es sich über einen so ungeheueren Landstrich ausgebreitet hat und aus eben diesem Grunde nicht denselben Drnck ausüben kann, den eö nnter anderen Umständen und in einem engeren Kanal zusammengehalten ausüben müßte, seinen hohen Stand lange Zeit bewahrt oder selbst an Breite und Tiefe noch zunimmt zn einer Zeit, wo der vom Negenfalle in: oberen ^ande erzeugte Zufluß schon abgenommen hat. Dies ist die Art, wie ich mir eine Erscheinuug erkläre, welche in so hohem Maaße allen Phänomenen widerspricht, die in Bezug auf die Wirlungen deS Regens und das Steigen der Flüsfe nördlich und südlich vom Acqnator Gegenstand nnsercr Beobachtung geworden sind und welche dem oberen Vaufe des Niger denselben Charakter verleihen, der dem Gabun nnd anderen Flüssen der Aequatoriallinie eigen ist, unterbrochen, aber wir hatten täglich etwas Regen bis ;um Oktober, wo er seltener wnrde." Auch wissen wir von Cailliö, daß der Milo, der südöstliche Arm deö oberen Niger oder Dhinlida, seinen höchsten Wasserstand im September erreicht. — Part'« Veobachtnngen zeigen, daß der Regen in den von ihm durchwanderten ^andschasten bis znm November anhält. Der Gambia hat natürlich, obgleich seine Quellen fast in demselben Gebiete liegen, wo die westlichen Arme des Niger entspringen, bei seinem kurzen ^'aufe ein ganz anderes Verhältniß als der langgcwundcne Niger; doch auch er erreicht seinen höchsten Stand viel spä'ter als der Venue, nämlich, wie wir von Part (Erste Reise. 4. 3. Ausgabe, S. 18) erfahren, im Anfang Oktober; im Anfang November aber war derselbe schon wieder ;n seinem früheren Wasscrstande hcradgefnnken. Allerdings beobachtete Park (Zweite Reise. Bd. II, S. 274) am «. Oftober bei ssan-ssandi, daß der Niger selbst um 4 Zoll gesunken war; dies war aber nur ein temporäres Schwalileu. — 81« — die ihren höchsten Stand im Vaufe deö Februar erreichru. Weitere Forschltugell und die Beobachtungen europäischer Reisenden, welche nnter klngcr Veitung dor an den Küsten in Algerien, am Senegal, Gambia, an dcr Sierra Veone oder der ^iigcr^Mnudung gegründeten enropäischcn Ansiedelnngcn leicht in diese Gegenden des Inneren cin> dringen könnten, worden weiter dazn beitragen, diese interessante Erscheinung zu beleuchten. Natürlich kann es nicht fehlen, daß diese Eigenthümlichkeit des oberen Theiles des Niger-Hanfes, widvohl das Wasser hier »Nllit im^ mer dasselbe Niveau erreicht, selbst ans den unteren Lauf, wo der Flnsi Kllara heißt nnd zn wiederhlilten Malen vl)n (5nl->ländern besucht wurden ist, einen ^inflnß ansül't. Allerdings haben die europäischen Reisenden, weil sie von diesem eigeuthümlicheu Charalter des Flusses keine Ahnung hatten, seiner Beschaffenheit am Anfange der heißen Jahreszeit nicht viel Anfmerlsanüeit gezollt und ihu während dieser Periode wegen dcö dnrchschnittlich niedrigen Wasscrstandes auch seltener besucht. Dennoch hat Herr Vaivd, der verdienstvolle weiter der englisch - afrikanischen Dampfschifsfahrti« - Gesellschaft, welcher mehrere Nionate auf dem Kuara zubrachte, eine Erscheinung beobachtet, welche dem Zustande des Flnsses, wie ich ihn so eben beschrieben habe, genau entspricht. Herr i^aird berichtet nämlich die crstauuliche Thatsache, das; dcr Fluß bei der bedcuteudeu Stadt Idda am 22. März zu steigeu anfing '). Dieser Umstand mußte früher gauz unverständlich bleiben, erhält nun aber durch die Eutwickeluug desseu, was ich so eben angeführt habe, seine volle Beleuchtung. Laird selbst betrachtete das Anschwellen des Flnsseö irrthümlicherwcise als die nmnittelbarc Folge des Regen-falls etwaö höher aufwärts im Äiunculaude; es fällt aber im gauzen März durchaus kein Regen nnd selbst in der zweiten Hälfte des April kommen nur wenige leichte Schauer vor. Diese Erscheinung ist vielmehr augenscheinlich die Wirkung davon, daß die Wasser im oberen und weiten Theile des Flnsses um die Mitte des Februar zn sinken anfangen. Wir müsscu nämlich die Schnelligkeit des „Großeu Flnsses" zu 2,^ — 3 Seemeilen annehmen, während die ganze Vänge desselben längs seines vielfach gewundenen Lanfes zwifchen Kabara uud Idda wohl nicht viel uuter 2000 Seemeilen beträgt. Die Erhcbnng des Flnsfcs über das Meerrsniveau nehme ich bei Timbuktu zu etwa 900 Fuß an. ') Siehe Laird's and Oldfiold's Jounml, vol. IT, p. 275. ------ 317 ------ Diese meine Bcmcrtnngen, wie ich sie ilN Jahre 1857 niederschrieb, sind nun seitdem ans daö Schiinste und Vollständigste liestätigt luurden, indem die Mitglieder der letzten Niger Spedition in Folge des Scheiterns ihres Dampfbootes sich gezwungen sahen, die ganze trockene Jahreszeit in jenen legenden zuzubringen. Da haben sie nun in ihrem ^ager bei Ieba sich überzeugt, daß gegen (äude Februars 1A5K der Fluß, anstatt weiter zu fallen, wie er bisher gethan, Plötzlich nm 12 Zoll stieg, und sie erfnhren dabei von den (5ingebornen, daß diese Erscheinung alljährlich eintritt '). Ich tehre von dieser Abschweifung über das überaus interessante anomale Steigeu des Niger zu meinen Erlebnissen in Timbuktu während der ersten Monate drö Jahres 1K54 zurück. ') Ueber diese höchst interessante Erscheinung haben wir vorläufig »ur den Bericht der beiden die Expedition begleitenden Missionäre Crowther nnd Taylor; ich will ans ihrem vor Knrzein erschienenen Tagebuch ('I'll« (s<>^i>«I on tl«, KauK» <»s tllo Kissü,. I.uinlun, 1V!») die betreffende Stell? hier ssanz miithcilcn. Es heißt S. ^iii! „^dullt tlw Ulii>! tl>^ ilvor >emuin6«ßii!nin^ nt ^iiil, vixin u lliüil Iiüt i'l^nd full Keg.lli." — Hier haben wir also eine einen ganzen Monat dauernde, »lit dem Herabtommcn des oberen Wassers korrcspondirende Unterbrechung im Sinken des Niger in seinein unteren Laufe. Zehntes Kapitel. D>> »'ijli'l, Atonal»' »!'u>',l»' .<1»<,!iss<' ill',' .s»!l>e. D»'!' ^i'isi'üd»' üüis; iii«' ^!»<»l »«'i las!,'!,. — .s>'»l!'»!i!l in ill', Müsii» s»i> /,!>! l'üilliis,»'!, .»N'n l'is!'. Di>> ^«'»ü'i l'!«' In den letzten Tagen des Dezember war ich aus den, Zeltlager nach Timbuktu zurückgekehrt, aber das alte Jahr schloß und liest niich ill dieser Wüstenstadt iu einer höchst nngelvissell Vazie. Vergeblich hatte ich die Hoffnung geuährt, dast der Ian»ar 1^5,4 luich auf meiner Heiiureife weit vorgerückt fiudeu wilrde, — ich fah mich iu dieser Er-Wartung bitter getäuscht nud trat nun das neue Jahr mit dem in^ brünstigen Gebete au, daß Gott mir wenigstens in semem Verlaufe eiue glückliche Heimlehr gewähreu lnöge. Mein Gesiludheitiiznstand war noch immer ein sehr ungewisser, doch fiihlte ich mich türftcrlich und geistig su weit hergestellt, daß ich daran ging, deu Nest meines (Nepäckeö zn ordnen, als eiue erste Vorbereitung für meine leider uoch ganz nubcstimmte, aber sehnlichst herbeigewünschte Abreise. Bei dieser tNelegenlieit war es, wo ich zu meiuem grosieu Erstauueu und Vergnüge»' uitter meineu Eacheu eiu uoch in gutem Zustaud befindliches Thermometer fand; ich touute nn>! meinen meteorologischen Aufzeichnungen auch wieder Temperatur bcobachtuugeu hiuzufua.cn, was seit eiuem halbeu Jahre nicht gesche hen war. Ohne ein Crcigniß von namhafter Wichtigkeit nud ohne ernstliche Beunrnhiguug meiner Persönlichen Sicherheit flössen die ersten Wochen deS Januar ruhig dahin. Hiusichtlich des Verkehrs mit anderen Veu ten war ich auf deu Scheich, seine Verwandten und Auhäuger beschränkt uud uuserr Unterhaltungen nahmen um so mehr eine vorwie^ geud religiöse Weudnng, da gerade religiöse Puutte duu meinen Feinden mel,r nnd lllehr in deu Vordergrund geschoben wurden. Doch ------ 319 ------ ließ es sich mein Beschützer anch angrlrgel^ sein, mich mit dem politischen Verhältniß bekannt zu machen, in welchen« er zu seinen beiden Brüdern, Ssidi Mohammed uud Sen el Abidin, stand, deren baldige Aukunft ans Asauad er erwartete, beider herrschte keine Einhelligkeit der politischen Ansichten nnter den Gliedern dieser Familie, so daß dadurch deren Macht, die sich alls ihre grüßen Geistesvorzüge grün-dctc, eine nicht unbeträchtliche Einbnße erlitt. Damit nun der ^cscr sich ein vollständiges Bild meines Vebcns in Timbuktu machen könne, will ich nicht unterlassen, ein Paar Worte über meine tägliche Nahrung zn sagen nnd den Küchenzettel nützn theilen, nach welchen: gewöhnlich meine Tafel bestellt wurde. Wenn ich in der Stadt war, genoß ich als Frühstück Milch nnd Brod, denn in dieser „Großstadt" des Negerlandrs, dem civilisirten Timbuktu, kann man sehr gutes Wcizcnbrod auf dem Markte taufeu, ein Burzug, den außerdem uur itauo gcuicßt. Uu« zwei Uhr Nachmittags pflegte ich ans der Küche des Scheichs ein Gericht Kustus (das bekannte Gericht von Nord-Afrika, ans geriebenen nnd in Dampf gekochten Weizenkügelchen bestehend) zu erhalten und tnrz nach Sonnenuntergang genoß ich etwas zubereitete Negcrhirsc mit ein wenig Fleisch oder auch gewürzt mit der Brühe der (!m'url»iw Nl,1opc^><»; aus letzterer bereitet mau zwar auch ein ausgezeichnet schmackhaftes Gemüse, mir aber bekam es während meines Aufenthaltes in Timbuktu nie gut. Der Scheich Pflegte mir noch eiu Gericht spät iu der Nacht zn schicken, bisweilen sogar erst nach Mitternacht; der späten Stuude wegeu berührte ich dasselbe jedoch uie, sondern überließ es meinen Veuten. Durch diese unnatürliche Lebensweise, spät in der Nacht, ja oft erst lange nach Mitternacht noch eiumal zu speisen, was in Tnnbnkln keineswegs ungewöhnlich war, charatterisirt sich diese Stadt ebenfalls als „Großstadt" nnd läßt sogar in dieser Hinsicht London und Paris weit hinter sich. Im Anfang meines Aufenthaltes in Timbnktn hatte ich eine große Menge iuugrr Tauben verzehrt, die hier einen beliebten Leckerbissen bilden nud zu dein unglaublich billigen Preise von zehn Muscheln das Stück, oder 300 zum Werth eines spanischen Thalers, ver-tanft wnrden; die armen Thicrchcn waren jedoch zn jnng und daher fast ohne Geschmack, weshalb ich dieser Speise auch bald überdrüssig ward. — Einen sehr seltenen Leckerbissen bildete ein Straußenei, das mir eines Tags gebracht wnrde; natürlich sind diese Cier in der Wüste häufiger zu haben, als in den bewohnten Gegenden am Niger, sie ------ 320 ------ bilden aber auch eine so schwer verdauliche Nahrung, daß sic oft ge-ilosscn für den Älagcn eines ruhigen Städters keineswegs znträglich sein möchten. — Als gelegentlichen Iinbiß nahm ich wohl dann nnd wann einige Datteln; diese frucht der nördlicheren, geniäßigteren und truckncreu Zone ist jedoch nicht immer in Timbuktu zu haben, zumal zu Zeiten, wo der Karawancnverlehr mit dem worden unterbrochen ist. In den letzten Tagen des verfangenen Iahrco aber hatte die Ankunft der Kasia don Tauat inich in den Stand gesetzt, mir einen hübschen Vorrath davuu zu laufen; inein schon früher erwähnter Freund Mohantined el Aisch, der ans Tauat gebürtig war, machte mir außerdem eine ansehnliche Menge dieser nicht zu vcrachtcndcn Frucht zum Geschenk. — Wenige Tage nach der Ankunft dieser ita-rawaue um« Tana-t traf auch eine kleine Schaar Tadjalant-Händler ein, jenes Stammes, der den Verkehr der Nigerlaudschaft mit Marokko vermittelt. Bon ihnen konnte ich mir höchst erwünscht einige Pfund Znckcr und ein halbes Pfund Thee erhandeln, beides Waaren, die man von diesen beuten nicht im Einzelnen, sondern nur in größeren Quantitäten nnd nur auf einmal erhalten kann, d. h. anf je ein Pfund Thee zwölf Pfund Zucker, als bilde beides zusammen Eine Waare. Ausserdem verdankte ich diesen Tadjatant noch den luxuriösen Gennß einiger Granatäpfel, welche aus dem Gharb (Marokko) kamen, wäh^ rend sie das ^and um Timbuktu eben so gut erzeugen könnte. Selbst Citronen, die in Kano in großer Menge wachsen, wurden zur Zcit hier nicht gezogen, was ebenfalls recht gut geschehen könnte; ich hatte mir ein paar Exemplare dieser schönen und gesunden Frucht nur von Djenni am oberen Niger verschaffen können. — So war also der tägliche Verlauf meiner materiellen Existenz mit nur kleinen Veränderungen ein sehr gleichmäßiger. Hätte ich mich vollkommen frei nnd ungefährdet bewegen können, so würde mir in del, ersten Wochen des Jahrs das Hochwasser des Niger eine willkommene Gelegenheit zu den interessantesten Ausflügen geboten haben. Am 4. Januar näherte sich das erste Boot von Ka-bara den Mauern Timbuktu's bis auf wenige hundert Schritte, nnd es entfaltete sich so vor meinen Augen ein Verhältniß, von dem ich bis dahin leine Ahnung gehabt hatte. Die unmittelbare Folge des auf diese Weise erleichterten Verkehrs war ein größerer Vorrath von Korn und damit ein Fallen seines Preises; die Ssnnie (b. i. etwas mehr als 2 Pfnnd Gewicht) Nrgerhirsl' wnrde mm für 30lX) Muscheln oder nach dortigem Kurs für einen spanischen Thaler verkauft, ------ 321 ^- gewiß ein billiger Preis. Ich als Fremder hatte allerdings etwas mehr zu zahlen, nämlich 3750 Muscheln. Am 9. Januar machte ich iu Begleitung des Scheichs doch einen Ritt nach dem Ufer der Ueberschwemmung, denn die wunderbare Erscheinung des ungewöhulich hohen Wasserstaudes lief; mir keine Ruhe. Wir fanden das nächste Wasser im Sndwcsten der Stadt und nicht mehr als 6- bis 700 Schritte von der Großen Moschee entfernt. Acht bis zehn kleine Boote belebten das Becken nnd es war leicht er^ sichtlich, daß ein noch höheres Steigen die Sicherheit eines Theils der Stadt gefährdet haben würde. Am 12. Januar machten wir nns wiederum auf deu Weg hinaus zu den Zelten, die abermals ihren Platz gewechselt hatten uud jetzt ungefähr drei Stunden von Timbnttn entfernt waren. Dieser Aufenthalt im ^ager wnrde für mich durch folgenden eigenthümlichen Vorfall merkwürdig, ja - beinahe vcrhängnißvoll. Ich hatte mich am 13. Januar leidlich wohl gefühlt und mit meinem Beschützer eine lebhafte Unterhaltung über meiue Abreise gehabt, die stets besprochen wurde, aber uie zur Ausführung kam. Diesmal schien es ihm jedoch wirtlich Ernst zu sein und ich war daher ill der frcndigsten Stimmnng, als ich am Nachmittag des folgenden Tages plötzlich von einem so ungewöhnlich heftigen, von kalten Schauern begleiteten Fieber-anfall ergriffen wnrde, daß mein besorgter Wirth fürchtete, ich möchte vergiftet sein. Wirtlich hatte ich kurz zuvor etwas sauere Milch getrunken, die mir ein Berbnschi ') gebracht hatte, also ein Mann, der, obgleich zur Zeit eng mit der Familie des Scheichs vcrbnndcn, doch ursprünglich dem Stamme der Berabisch augehürtc, deren Häuptling der Mörder des Major Vaing gewesen war nnd von deuen es ja hieß, daß sie anch meinen Tod beschlossen hätten. Mag nun der Argwohn der Vergiftung begründet gewesen sein oder nicht, so benahm sich doch der Scheich anch bei dieser (Gelegenheit sehr wohlwollend und theilnehmend gegen mich; er schickte mir wiederholt Thee nnd sah mehrmals selbst nach, wie ich mich befände. Glücklicherweise stellte ein ^egenunttel nnd eine ruhige Nacht meine Gesundheit wieder her. Von meiner Abreise aber ward es bald wieder ganz still. Die uächste Veranlassung zu diesen: neuen Aufschub gab die Ankunft eines sehr intimen Frcnndes des Scheichs, eines angesehene!, Pullo-Häuptlings Namens Mohammed bei, Abd-Allahi el Futaui (Gngeborner ') Ei» Manu all« dem Stamme der Berabisch. Barch'« Reise», n. 21 ____ Hyy____ der Landschaft Futa), der gekommen war, einige Zeit bei El Bakay zu verweilen und sich wa möglich von einer schweren, langwierigen Krankheit durch mich heilen zu lassen. Ich bewunderte den edeln Ausdruck der Züge dieses Mamies, über welche sein chronisches beiden einen Zng von Melancholie verbreitet hatte, und bedauerte es sehr, ihm teine Erleichterung verschaffen zu tönneu; es würde dies natürlich auch für meine Person vom größten Vortheil gewesen sein. So ging anch der Monat Iannar zu Ende nnd ich sah mich der Erfüllung meiner Hoffnungen um nichts näher. War in der letzten Zeit die bevorstehende Anlmift der Brüder des Scheichs als Grund der Verzögerung meiner Reise genannt worden - einer derselben sollte nämlich El Batay's Stelle in Timbnttn vertreten, im Falle dieser genöthigt sein würde, mir für den ersten Theil der Reise das Geleite zn geben —^, so drängte sich mir endlich in Folge dieses ewigen Aufschubs die Befürchtung auf, mein Wirth tonnte trotz seiner wohlwollenden Gesinnung doch mit dem Gedanken nmgehcn, mich den ganzen Sommer noch zurückzuhalten; hatte er selbst nur doch oft erklärt, daß es hier zn ^ande Sitte fei, an einem Befnchenden ein ganzes Jahr lang Gastfreundschaft zu üben. Da setzte ich mich eines Morgens nach einer sorgenvollen, schlaflosen Nacht nieder, nm meinen Freund in einem eindringlichen Schreiben an das oft wiederholte Ver sprechen zu mahnen. So aufgerüttelt gestaud er mir denn in einer Prwatuntcrrednng, indem er alle politischen Gründe bei Seite setzte und an meine menschlichen Gefühle appellirtc, daß der Hauptgrund der Verzögerung meiner Abreise — die Schwangerschaft seines geliebten Weibes fei; er bat mich ans das Dringendste, rnhig das ungewisse Resultat dieses wichtigen Familienercignisses abznwartcn. Gegen solche Gründe waren Einwendungen uumöglich; ich konnte nichts thun, als mich in Geduld fassen mld wünschen, daß die Stunde der Frau „Bat" (dies war der Name der damaligen Frau meines Frcuudcs) recht bald möchte geschlageu haben. Während wir nun bald in der Stadt, bald im Lager weilten, kam die Mitte des Februar heran und der Scheich theilte mir au: 16. dieses Monats mit, daß die Ankunft seines ältern Bruders Ssidi Mohammed im Zeltlager stündlich erfolgen könne. Am Abend verkündete denn auch die große Trommel, daß dies wirklich geschehen sei, und eine halbe Stunde vor Mitternacht stiegen wir zu Pferde und ritten noch nach den Zelten hinans; trotz der späten Stunde herrschte im ^ager ein festliches Treiben, dem hohen Gaste zu Ehren. Dieser, ____ZIZ ^.__ das älteste Mitglied der Familie des Scheichs, war ein Mami von etwas über mittlerer Grüße und untersetztem Körperbau, mit edlen, würdevollen Zügen. Sein ganzer Character war ernster und kriegerischer als derjenige El Balay's, aber keineswegs ohne ^icbcnswür< digtcit und gemüthlichen Sinn. - Ich tonnte meinerseits nicht erwarten, das; mich Ssidi Mohammed bei unserer ersten Zusammenkunft mit besonderer Freundlichkeit empfangen würde; war ich doch ein Fremder, nicht nur dem Vaude meiner Geburt und meiner Natio-nalität, sondern auch meinem klauben nach, und hatte ich doch diesen beuten so manche Schwierigkeiten in ihren politischen Angelegenheiten verursacht. Am anderen Tage waren sämmtliche Glieder der Familie bei den Zelten versammelt, denn auch Hammadi, der Neffe und politische Widersacher des Scheichs, stellte sich ein, und ich fand so Gelegenheit, zum ersten Male diesen Mauu zu sehen, der mir schon so viel Unruhe bereitet hatte. Hammadi war, wie bereits früher erwähnt, der Sohn Ssidi Mohammed's von einer schwarzen Sklavin und glaubte teineswegs, seiner unedleren Abkunft mütterlicherseits wegen sich etwas von seinen natürlichen Vorrechten vergeben zu dürfen, während seine Brüder ihn als Bastard gern bei Seite geschoben hätten. Vom ersten Augenblick meines Hierseins au aber hatte ich gewüuscht, mir Ham-madi befreunden zu können, zumal mir sciue Gelehrsamkeit gerühmt wnrdc; allein in Folge der Politik meines Wirthes ward jeder Verkehr mit ihm unmöglich. Er war ein Mann von tnrzer, untersetzter Statur nud breiten, grobcu Zügeu, die vou deu Blattern start gezeichnet waren, uud als Sohn einer schwarzen Sklavin der größte Makel, der au ihm haftete ^ war seine Hautfarbe eiue sehr duulle. Mit Ssidi Mohammed schien Hammadi keineswegs anf feindlichem Fuße zu stehen, auch zwaug sich der Scheich seines Bruders wegen, mit seinem Nebenbuhler in Einem Zelte zu verweilen; dagegen war Ssidi Alanate nicht zu bewegen, dasselbe zu betreten. Beide aber verbaten sich die Gesellschaft ihres schwarzen Verwandten bei dem Einzug in die Stadt, die am Nachmittag gegen den Willen des zögernden Scheichs stattfand, der gcru noch bei seiner Frau geblieben wäre. Waren diese Vorgänge bezeichnend genug für die Zwistigkeiten im Schooßc dieser sonst so ausgezeichneten und mächtigen Familie, so war die Art des Empfangs Ssidi Mohammed's in Timbuktu nicht minder charakteristisch für die Zustäude der Stadt. Da keine starte Negierung dort die Herrschaft führt, so übt natürlich jeder große Herr 2l» 324 ------ allen Einfluß und alle die Macht aus, deren er fähig ist, und so wurden denn auch diesem Gewaltherrn der Wüste, als er kam, die Gemeinde mit seinem Besuch zu beehren, die Huldignngen des Gehorsams und der Achtung von den Städtern dargebracht. Eine musikalische Feier fand vor dem Hanse des Scheichs statt, in welchem der hohe Herr abgestiegen war, uud jeder fremde Kaufmann setzte nach dem Maaßstabe seines Neichthnms ein nicht unbeträchtliches Geschenk m Bereitschaft, um sich den Schutz des mächtigen Ankömmlings zu verschaffen oder dessen Intriguen vorznbcugeu. Auch ich fand es für nöthig, mich dem Herrn lion Asauad mit einem hübschen Geschenke zu nahen, und überreichte ihm den feinsten Vernns, der mir übrig geblieben War, nebst einer schwarzen Tobe und einigen kleineren Artikeln. Der 17. Februar war, auch abgesehen von diesem feierlichen Einzug Ssidi Mohammed's, ein bemertenswerthcr Tag für Timbuktu: er bezeichnete den wirtlichen Anfang der Abnahme des Hochwassers im Niger. Fast der ganze Iauuar und der Anfang des Februar waren im Allgemeinen kalt gewesen, mit unreiner und nebeliger Atmosphäre, und gaben so ein vollkommen treues Bild von jener Jahreszeit, welche die Tuareg mit dem emphatischen nnd ausdrucksvollen Namen die,,Schwarzen Nächte" („ehaden essattafnen") benennen. Diese ganze Zeit über war der Fluß fortwähreud im Steigen oder bewahrte das höchste Niveau, das er erreicht hatte, dann setzte er uns mehrmals in Ungewißheit in Bezug auf seinen wirklichen Stand und fing endlich am 17. wirklich zu fallen an. Das war auch im Wetter die Epoche des Wechfcls und ummttelbar darauf wurde die i-uft reiner — die „Weißen Nächte" („ehadcn emcllulen") meiner Berberfreunde traten ein. So genaue Naturbeobachter siud diese von den nackten Kies-und Sandstcinflächen der Wüste hier an den Grcuzdistritt der fruchtbaren Zone und an das Ufer dieses wunderbaren, gewaltigen StromcS verpflanzten Imo-scharh, nnd nichts ist wahrer als ihre Behauptung, daß der Fluß nicht vor dem Ende der vierzig schwarzen oder Winter-nachte zu fallen anfange. Gerade um diese Zeit ist die Gefahr in Folge der Flußanschwellnng für die anliegenden Weiler am größten, da das höher gelegene Terrain, auf dem die Weiler längs des Ufers gelegen sind, vom hohen Wasserstandc nntcrhöhlt ist und nun, da es beim Sinkeu des Wassers seinen früheren Widerstand verliert, häufig nachstürzt. So erhielten Wir denn am 22. die Kunde, daß der Weiler Betagunglt, der zwischen Kabara und Gundam liegt, auf diese Weise zerstört worden sei. ------325 ^ Während "aber der Himmel über uns sich klärte und sonniger wurde, hatte sich mittlerweile der politische Horizont mit düsteren Wolken und drohendem Unwetter umzogen. Das ganze ?and war durch Ranbzügc unrnhiger Stämme in eine Kriegsstamme eingehüllt und anch die Fulbe schienen entschlossen zu fein, den Kampf um die Oberherrschaft über Timbuktu den Tuareg gegenüber mit erneuerter Energie wieder aufzuuehmen. Fiir mich sollte ebenfalls die Zeit der Ruhe vorüber sein, deren ich mich seit mehreren Wochen erfreut hatte, und meine Vage sollte wieder einen ernsten Charakter aunehmeu. Die entscheidende Gesandtschaft aus der Hauptstadt, von welcher wir bereits Kunde bekommen hatten, nahte heran und am 36. Februar hielt ein mächtiger Pnllo-Anführer uud Prinz von Geblüt, Namens Ha-medu, mit einer zahlreichen Schaar zu Fuß und zn Roß, darunter einige Musketiere, seinen Einzug in die Stadt, absichtlich gerade an meinem Hause vorüber. Am Abend des folgenden Tages wurde ich in einer Weise in das Hans des Scheichs gerufeu, daß ich wohl erkennen konnte, es sei 'etwas Besonderes im Werte. Ich fand denn auch die drei Brüder in ernster Berathung über zwei Schreiben, welche ihnen ein hoch angeschener Mann Namens Mohammed el Ferredji aus Kabara übersandt hatte, wo derselbe mit den: Emir Kauri aus Timbuktu (— der ^cser wird sich erinnern, daß Vetzterer in meiner Angelegenheit persönlich in die Hauptstadt von Massina gereist war —) so eben von Hamd-Allahi angekommen war in Begleitung von hundert Bewaffneten. Die beiden Briefe nun waren sehr verschiedenen Inhalts; der eine enthielt nur FreundschaftSvcrsicherungen, der andere aber war in höchst drohenden Ausdrücken abgefaßt und besagte, daß man auf die strengsten Maaßregeln gefaßt sein müßte, wenn der Scheich mich nicht fortschicke, bevor Fcrrcdji Timbuktu beträte. Man wußte offenbar nicht, was man aus diesen Briefen machen sollte nnd welches die eigentliche Meinung des Abgesandten wäre. Mit charakteristischer ^angsamteit berieth mau über die einzuschlagenden Wege und über verschiedene Vorschläge in Bezug auf meine Sicherheit, ohne daß man zu einem Entschluß kommen konnte. Endlich setzte sich Ssidi Mohammed nieder und schrieb einen förmlichen Protest zu meinen Gunsten, den er an den Emir Kauri sandte. Der Inhalt war jedoch etwas sonderbarer Art nnd für mich keineswegs sehr schmeichelhaft; denn der Hauptgrund, den mein neuer Freund für mich vorbrachte, bestand in der Bemerkung, daß ich kein größerer „kafir" (Ungläubiger) wäre, als Major ^aiug es gewesen sei, und daher auch ------ 326 ------ nicht schlechter behandelt zu werden verdiene. Er bedachte nicht, daß dies Miseren Gegnern die Antwort offen ließ, es sei auch durchaus nicht ihre Absicht, mich gransanier zu behandeln als jenen, und sie seien vollkommen zufrieden gestellt, wenn ich zur Stadt hinansgetrie-ben und in der Wüste erdrosselt würde. - Auch Scheich El Bakah sprach kräftig zn meinen Gnnsten gegenüber einem Boten, der von Kabara geschickt worden war, nnd schloß mit der Bemerkung, daß jetzt keine andere Wahl für ihn bliebe, als ein ehrenvoller Ansgang dieser Mißhelligkeiten oder Krieg. Und wirklich erhielt es auch den Anschein, als sollten die Waffen entscheiden. Ich kehrte für eine kurze Zeit in meine Wohnung zurück, um meine beste Habe zu verbergen und das Haus für einen Angriff vorzubereiten. Als ich darauf nach Mitternacht zu dem Scheich zurückkehrte, faud ich den sonst so friedlichen Mann mit einer Doppel flinte bewaffnet in der großen Vorhalle, wo sich bald gegen vierzig bewaffnete Männer nm ihn schaarten. Es ward beschlossen, Boten zn einigen benachbarten Tnareg-Häuptlingen zn senden und einen andern an den Stamm der Kcl-nlli, nm diese Veute zu unserer Hülfe zu entbieten. — Mittlerweile unterhielt der Scheich die schläfrige Versammlung mit beschichten von den Propheten, vorzüglich Moses und Mohammed, nnd von den Siegen, die der große Prophet seiner Na^ tion im Anfang seiner Laufbahn über zahlreiche Gegner erkämpft hatte. Die ganze Nacht blieb man beisammen nnd erst um 5 Uhr Morgens kehrte ich in mein Quartier zurück, nm meine erschöpften Lebensgeister durch eine Tasse Kaffee aufzufrischen. Der Tag (der 2tt. Febrnar) verging unter kriegerischen Vorbereitungen — ich fand, als ich mich wiederum nach der Wohnung des Scheichs begab, 200 meist bewaffnete Leute dort versammelt — nud unter dem Absenden von allerhand Botschaften hin und her zwischen den feindlichen Lagern. Abends war wiederum Kriegsrath im Ter-rasseuzimmcr des Scheichs, in welchen: man endlich dahin übereinkam, Ssidi Alanate au Ferredji abzuschicken, um ihn in klaren Ausdrücken nm seine wirklichen Absichten zn befragen. Um nun die Zeit bis znr Rückkunft des Abgesandten angenehm ansznfüllen, eröffnete einstweilen der ältere Bruder Ssidi Muhammed eine joviale Unterhaltung, indem er mich über die sociale Stellung nnd sonstigen Verhältnisse des schönen Geschlechts in meinem Vaterlandc befragte - ein Gegenstand, der selbst für die Ernstesten nnter den Moslemin stets eine große Anziehungskraft besitzt. Als endlich Alanate zurückkam, wollte er ------ 327------ seine Botschaft nur dcm Scheich El Batay allein mittheilen. Ich zog mich daher in meine Wohnuug zurück, wo mich der Scheich noch nach Mitternacht aufsuchte nnd nur die eben so überraschende als angenehme Nachricht brachte, daß Ferredji nur günstigen Bescheid ans der Hauptstadt mitbringe nnd daß jener drohende Brief nur auf Antrieb der Kaufleute in Marollo geschrieben sei. Er selbst (El Batay) habe nun Ferredji versichert, daß, wenn der Sscko Ahmedu von Hamd-Allahi mich unbelästigt lassen wolle, ich schleunigst meine Heimreise antreten sollte. Dies Alles klang nun sehr beruhigend, erwies sich aber leider nicht ganz mit der Wirklichkeit übereinstimmend; es war eine der wenigen Schwächen meines edlen Beschützers, es mit der Wahrheit nicht ganz genau zu nehmen, wenn er glaubte, damit einen guten Zweck erfüllen zu können. — In der That war die Erbitterung der Herr-scheudcu Partei gegen mich so groß, daß Ferrcdji, als er am folgenden Tage dem Scheich eiucn Besuch abstattete, den Versuch machte, mich als einen Kriegshanfttmann und Freibeuter darzustellen, dcm der Aufenthalt in der Stadt in keiner Weise länger zu gestatten sei. So war es denn recht gut, daß sich El Bakay für den schlimmsten Fall vorgesehen und die Kel-ulli zu Hülfe gerufen hatte, die sich auch etwa 6N Mann stark im Laufe des Nachmittags einstellten und ihren Einzug unter großem kriegerischen ^ärm hielten. Ich machte bei dieser Gelegenheit zum ersten Male Bekanntschaft mit diesem kleinen, aber kriegstüchtigen Stamme. Obgleich gegenwärtig erniedrigt in ihrer Stellung als Imrhad (oder als halb seiner Freiheit beraubter, tribut« Pflichtiger Stamm), haben sich die Kcl-ulli doch in früheren Zeiten durch die gänzliche Vernichtung der einst sehr beträchtlichen Macht der Igelab und Imediddcren berühmt gemacht, welche damals über Timbuktu herrfchteu uud den Kunta (dem Stamme Scheich El Bakay's) feindlich gesiuut warcu. Sie zeichnen sich ferner nnter allen Stämmen der Umgegend durch drei Eigenschaften aus, deren Vereinigung in einer und derselben Person dem Europäer kaum möglich scheint, die sich aber doch bei arabischen oder überhaupt halbbarbarischcn Stämmen nicht selten findet, nämlich männliche Tapferkeit, diebische Gelüste und großmüthige Gastfreundschaft. Unter dem Schutze dieser befreundeten Kel-ulli hätte ich nun sicher und auf ehrenvolle Weife die Stadt verlassen können; allein der Scheich ließ diesen passenden Zeitpunkt abermals vorübergehen, indem n sich zu sehr auf die versprochene Ankunft des großen Tuareghauftt- ------325------ lings Altuttabu, des Herrn des am »nittlrren Niger mächtigsten Stammes der Anelimmiden, verließ. Der Grund, miter welchem er mich früher zurückgehalten hatte, ward durch die Niederkunft seiner Frau — sie beschenkte den nbersorgsamen satten am 4. März mit einem Sohne — hinweggeräumt und der erfreute Vater versprach mir mm bestimmt, daß ich an, nächstfolgenden Dienstag abreisen füllte; bis dahin hoffte er sicher auf die Antunft deS großen Heerbanns der Tuareg, mit desfcn Hülfe er über seine Feinde zu triumfthiren go dachte. Ich wußte zu gut, was ich von des Scheichs Versprechen zu halten hatte, und hatte Grnnd, später mit meiner Zweifelsucht zufrieden zu sein, denn der große Heerbann („tabu") — blieb aus. Zwar erhielten wir am Nachmittag des 5. März unzweideutige ^nndc von dem Anrücken des „tabu", der in der Nähe der Stadt Bamba angekommen war. Schon gcrieth Alles in Alarm; Hirten ergriffen die Flucht mit ihren Hecrdeu, ihr Eigenthum vor den ungestümen Raubhorden in Sicherheit zn bringen, und Alle, die Grund hatten, die Nahenden zu fürchten, beeilten sich, hinter den Nebenarmen und auf den Inseln des Niger Schutz zu suchen. Zn voreilig zeigte El Balay die Antunft Alkuttabu's schon am folgenden Tage A Fcrrcdji in offizieller siegesfroher Votschaft an, erhielt aber die männliche Antwort, auch er werde eine Hecresmacht aufbieten; der Zweck seines Hierseins sei kein anderer, als mich aus der Stadt zu treiben, und diesen werde er erreichen, möge es nun kosten, was es wolle. Demgemäß trafen uuscre Widersacher ihre Vorbereitungen und es lag klar zu Tage, daß, weuu die Hülfe des „tabu" nicht erscheinen sollte, die Lage des Scheichs eine sehr bedenkliche werden würde. Seine Brüder, selbst Ssidi Mohammed, mißbilligten denn auch des Scheichs Verfahren auf das Entschiedenste uud letzterer that von nuu an Alles, mich ohne Weiteres aus der Stadt zu entfernen und in das Vager zn verbannen. In einen: ernsten Gespräch mit El Bakay legte er diesem die Frage vor, ob sie sich wirtlich wegen eines einzigen Menschen, der noch dazu Anhänger eines anderen Glaubens sei, mit den Fnlbe schlagen sollten, nnd machte ihm Vorwürfe, daß die Vorbereitungen zu meiner Abreise gar teincn Fortgang nähmen. El Batay antwortete ausweichend und erNärtc, daß er erst an mehrere Haupt-linge schreiben müsse, durch deren Gebiet mein Weg mich führen würde. Während dessen hatte ich einigermaaßen nnter der erregten und gereizten Stimmung Ssidi Mohammed's zu leiden, der furtwährend ernste Angriffe auf meine Religion machte und mich nur mit dem I29 ____ eben nicht ehrenvollen Prädikat „tafir" bezeichnete. Erbittert über diese Behandlung, da ich selbst nichts dringender wünschte, als fortzukommen, benutzte ich eine Gelegenheit, ihm in Gegenwart seiner Ornder nnd in einer wärmeren nnd ernsteren Weife, als sonst mcinc (Gewohnheit war, anscinandcrznsetzcn, wie ich in meinem Glanben an Einen Gott ein „Moslem" in: wahren nnd ursprünglichen Sinne des Wortes nnd ein Anhänger des reinen Is lau: sei, so gut und mit größerem Rechte als er selbst; denn die Meisten derer, welche sich den Namen Moslemin beilegten, verdienten denselben nicht, sondern müßten eher „Mohammedan" genannt werden, wie wir Christen sie auch wirklich bezeichneten, da sie ihren Propheten über ihren Gott gesetzt hatten. Ich wies ihn ferner darauf hin, daß dieser reine Islam, selbst nach Angabe des Kuran, schon von der Schöpfung des Menschengeschlechts an datire nnd nicht erst seit dem Auftreten Mohammed's. Da mein Widersacher mir nichts entgegnen konnte, sah er sich genöthigt zu schweigen und mich in Ruhe zu lassen. Ich erwähne dieses Vorfalls hauptsächlich deshalb, um zu zeigen, daß es dem ftrute^ stantischen Christen, der mit einiger Kenntniß der Satzungen des Kuran ausgerüstet ist, nicht schwer fallen kann, sich der Aligriffe selbst gelehrter Mohammedaner bezüglich seiner Religion zu erwehren, ohne sie dabei zu verletzen; denn gewiß nichts ist thörichter als das Letz> tere und führt nur zu Unheil. Am Tage nach diefcr Unterredung (am 19. März) zogen wir Nachmittags hinans in das Vager, um dort das „Ssebua", das Nr--sprünglich am „siebenten" Tage narb der Geburt festgesetzte Namens-fest, nach christlichen Begriffen das Tanffcst, des Neugcborncnzu feiern. Unterwegs bemerkte ich, daß das Wasser derjenigen Ucberschwemmnngs-armc, die wir zu Passiren hatten, seit dem 17. Februar um 3 Fuß oder täglich um 2 Zoll gefältelt war; es ist mir jedoch wahrscheinlich, daß der Hauptstrum schneller abnimmt als diese gewundenen Hinterwasser. — Wir fanden vielerlei Bolt und reges Vcbcn im ^ager und der Scheich, der sich überhaupt durch seine Gastlichkeit auszeichnete, ließ noch an diesem Abend fünf Rinder fchlachten und es wurde bis tief in die Nacht hinein geschmaust. Am andern Morgen kamen noch eine Menge Gäste aus der Stadt und der Umgegend, zu deren Be-wirthnng eine nngehenrc Masse Reis und Fleisch gekocht und in Schüsseln anfgetragcn wurde, von denen einige 5> bis 6 ssuß im Durch« »lesser hatten; sechs Leute tonnten diese Niescnschüsseln nur mit Noth fortschleppen. Dies ist eine durchaus altarabische Sitte, nur daß bei 3W den alten Arabern die Hauptschüssel von Kupfer sein mußte. Uuter solcher Gasterei wurde dem ncngebornen Kinde der Name Mohammed beigelegt. Am 13. März lehrte» wir wieder nach Timbuktu zurück und nun endlich schien in dcu chrouischeu Zuständen bezüglich meiner Ent» fernuug aus der Stadt eine entscheidende Krisis eintreten zu wollen, die entweder zu meinem Heil »der zn meinem Untergang zu führen drohte. Die Nachricht nämlich von der Autuuft des „tabu" tauchte zum zweitcu Male auf und es entstand in Folge desfcu die höchste Aufregung unter den Fnlbe. Man benutzte die Abwesenheit des Scheichs, der wieder hinaus zu den Zelten geritten war, und forderte ungestüm uud mit der größten Hartnäckigkeit meine Entfernung; lieber, sagteu sie, sollte der Tabu sie Alle vernichten, als das; ich auch nur noch Einen Tag länger in der Stadt bliebe. Die Kausieute des Nordens traten ebenfalls zusammen uud schwuren, daß ich die Sonne nicht wieder über der Stadt sollte aufgeheu sehen; ja, Einer der von Hamd-Allahi gekommeneu Auführer erhob sich unter dcu Versammelten und gelobte mit einem Eid, mich mit eigener Hand zu todten, wenn ich nicht sofort die Stadt verlassen würde. Da trat Ssidi Alauatc unter sie und legte Protest ein gegen ihre fanatischen Beschlüsse; zwar sollte ich dru Untergang und Aufgang der Souue noch einmal in Timbuktu sehen, aber er vcrftfäudctc sein Wort, daß ich die Stadt verlassen sollte, ehe die Sonne jene Höhe erreicht hätte, welche die Araber „dahar" nennen (gegen 9 Uhr Morgens); wenn ich nach jener Stunde noch in der Stadt wäre, möchten sie mit mir verfahren, wie es ihnen gutdüuke. Am andern Morgen also (den 17. März) vor Sonnenaufgang, als ich noch im Schlafe lag, ließ Ssidi Mohammed nur sagen, baß ich mich zn Pferde setzen und ihm aus der Stadt hinaus folgen sollte. Ich weigerte mich anfangs, ohne Geheiß des Scheichs dies zu thun; da erschien er selbst vor meiner Thüre und forderte mich nochmals, uud zwar durch Einen der vertrautesten Schüler El Äakay's auf, ihm zum Grabmal oder zur „rodha" ') Ssidi Much-tar's zu folgeu; dort würde auch der Scheich zu uns stoßen. Ich zweifelte nun nicht mehr an dem Vorwissen des Letzteren, ergriff meine ') Diese „rodha" erinnert an ähnliche Verhältnisse im fernen Orient, wo so manche berühmte Wallfahrtsstätte in dein (Grabmal eines verehrten Herrschers oder Religionsgelchrten besteht, nur dahsich dort lim diese heilig gehaltenen Grab' statten schöne Gartenanlagen breiten, woher dcr Name „rodha" entstanden ist. ------ 331 ------ Waffen und stieg zu Pferds meinen zurückbleibenden beuten die Sorge für das Gepäck »belassend. — Vorsichtig öffneten die Städter ihre Thüren, um noch einen Blick auf mich zu werfen, ehe ich die Stadt verließe, und einige lauernde Fulbe-Rcitcr folgten uns durch die lassen und zur Stadt hinaus; anstatt mm aber bei dem bezeichneten Grab^ mal Halt zu macheu, führte mich Ssidi Mohammed direkt nach dem Lager. Diefes hatte sich seit meiner letzten Anwesenheit durch einen Mattcnwciler vergrößert, bewohnt von den Kel-nlli und anderen Tuareg; alle diese ^cute empfingen mich mit Herzlichkeit und ich versuchte es alsbald, mich behaglich einzurichten. Aber fchon um 3 Uhr Nachmittags erfchien ein Neffe des Scheichs, der, während wir zum Vager ritten, aus diesem zur Stadt zurückgekehrt war, und überbrachte an Ssidi Mohammed die strenge Weisung, mich unverzüglich in die Stadt zurückzuführen; die Fnlbe wären im Begriff, meine Wohnung zu plündern, uud es sei dies nur eine Folge seiner eigenen Voreiligkeit. Erregt durch diese zornige Botschaft, schien der edele Sohn der Wüste zu bereuen, daß er gegen den Willen und das Interesse seines geistig ihm weit überlegenen Bruders gehandelt habe, und ließ ohne Weiteres die große Kriegstrommel rühren, die seit dem ersten Ueber^ fall auf dem Gipfel der Sanddünen stets bereit hing, um alles waf^ fenfähige Volt der Umgegend zufammcnzurufen. Er schwaug sich auf seine Stute und feine wnndcrbarc Feuerwaffe (— eine vierläufige Flinte von ausgezeichneter nnd höchst ungewöhnlicher Arbeit, die schon früher meine Aufmerksamkeit erregt hatte —) vor sich ans dem Sattel führte er uns wieder gen Timbuktu. So fchicu es deun, als sollte ich diese Stadt noch einmal betreten, und zwar ging es so rasch vorwärts, als sollten wir sie im Sturme nehmen, bis wir endlich auf einer Anhöhe Halt machten, wo anch Ssidi Alanate zn uns stieß. Mittlerweile war die Dunkelheit hereingebrochen, und da wir nicht wußten, wo der Scheich zu finden war, ritten wir nach einer anderen Höhe Angesichts der Stadt nnd schickten Boten nach dem Scheich aus, der, wie wir hörten, mit einer großen Schaar seiner Anhänger Timbuktu verlassen hatte, Niemand wußte wohin. Die Nacht war überaus duntcl, doch fanden wir meinen Beschützer zuletzt ganz nahe bei der Stadt, südlich von der oben erwähnteu -ttodha, mit einem ansehnlichen Gefolge von Arabern, Tuareg, Ssonrhai und sogar von einigen Fnlbe. Es war eine bunt gemischte wilde Schaar und ihr Anblick, wie sie sich im falben Mondenschein auf den Sandhügeln mnherdrängte, war in hohem Grade interessant, Wäre ___^ IZ2 ____ aber uugleich anziehender gewesen, hätte ich richer Zuschauer der Scene seiu köuuen. Allein ich war ja die Ursache aller dieser Wirren und darum vielleicht auch das Ziel von Nachstelliliigen; ich durfte mir dies uicht verhehlen und mußte auf mciuer Hut sciu. Der Scheich selbst saudtc sciuou vertrautesten Dieller, u^n mich vor sciucn eigenen Vaudöleuten, den Arabern, zu warnen und mir sagen zu lassen, daß ich besser thäte, mich inmitten der Tuareg aufzuhalten. So bil-deteu denn die Kel-ulli ein Viereck um mich her uud, gelangweilt durch die unthätige Ruhe, kürzten sie sich die Zeit damit, deu Muth meines Pferdes zu erproben. Sie rückten zu diesem Zweck mit der einen Seite des Vierecks gegen mich au uuter Zusammenschlagen ihrer Schilde, bis sie mich auf die entgegengesetzte Seite zurückgedrängt hatten; dann aber spornte ich meinen Hengst an uud drängte sie meinerseits iu ihre frühere Stellung zurück. Bei diesem Spiel ward meiu edles Noß so feurig erregt, daß es laut zu wiehern anfing, was denn diesen wilden Gesellen uuendlich viel Spaß machte. Mittlerweile hielten der Scheich uud seine Brüder Kricgsrath und endlich rückten wir näher an die Nordostseite der Stadt heran. Dort aber stellten die Fulbe nebst deujcuigen unter der Ssonrhai-Bevölke-rung, die zu ihnen hielten, sich uns ebenfalls iu Schlachtordnung entgegen uud Kampf liud Blutvergießen schien unvermeidlich. Wiederholt bat ich den Scheich, eine friedliche Lösung herbeizuführen; nichts könne mir peinlicher sein, als meinetwegen das ^cbcu Audcrer, vielleicht sogar das seinige, zu gefährden. Zahlreiche Boten wurdeu hin- uud hergeschickt und eudlich eiu Pergleich zu Stande gebracht, nach welchem ich zwar uicht in die Stadt kommen, sondern uach deu Zelten zurückkehren sollte, nach dem aber auch die Fulbe sich verpflichteten, ihre Streit-kräftc ans Timbuktn zu zicheu uud Alles der Entscheidung des Scheichs anheimzugeben. So geschah es deun auch; der Scheich zog mit Ssidi Alauatc in die Stadt nnd wir Nudern kehrten iu das Lager zurück. Später legte sich jedoch El Vakay noch ein dreitägiges Fasten ans, weil er seinen Schwur, mich ill die Stadt zurückzuführen, nicht hatte erfüllen können. Ich freute mich um so mehr, daß der Streit friedlich beigelegt worden uud es nicht zum Aeußersten gekommen war, weil am andern Tage die Nachricht eintraf, daß der große Heerbaun der Auelimmideu iu seine Heimath zurückgekehrt wäre, wegeu eiues heftigen Streites, der zwischen zwei zu demselben gehörenden Stämmen ausgcbrochen sei. Wäre es zwischen den Anhängern des Scheichs und den Fulbc wirklich ZZI____ zum Allsbruch der Fciudseligteiten getommm, so würde mein Beschützer durch das Ausblcibeu der sicher erwarteten Hülfe des Tabu iu eine sehr übelc Vage gerathcu uud alles Unheil auf mein Haupt zurüÄ-gefallelc seiu. Allerdings toiumt dcr Reisende u Einzelheiten vorliessen, so will ich derselben hier nnr der Hauptsache nach Erwähnung thnu. Sie umfaßten daö große Landgcbict im Süden des Niger bis nach Assianti und den benachbarten Küstenländern hinab, mit Einschluß des oberu Qncllgcbicts des Niger, und nach Westen daö zwischen Senegal nud Niger weit nach Norden vorgeschobene, einst ausschließlich von schwarzsarbigen Stämmen bewohnte Mittelland zwischen der Wüste uud dem Fruchtlande des Sndans. In diesen Landschaften waren die Hanptpuukle, die ich zn entwickeln im Stande war, die wahre Bedeutung dcr großen, vielverzweigten Nation der Wat'ore oder Wangarana, ein Name, dcr bei alten nud neuen Geographen ;n den größten Mißverständnissen Anlaß gegeben hat, und ferner das unendlich mannichfattig verzweigte, dicht bevölkerte Becken der zahlreichen Znflnsse dcö oberen Niger. Dcnicmgen, der sich siir diese Forschnngen eingeliendcr interessirt, verweise ich ans die Anhänge znm IV. uud V, Band mcineö größeren Nciscwetteö. 337 den günstigsten Punkt zum Verkehre findet, während zugleich der herrliche Strum die Anwohner in den Stand setzt, sich auch mit einheimischen Bedürfnissen dun ausien zu versehen. Namentlich Korn wird hier in der nächsten Um-gebnng von Timbuktu, wie in vielen anderen Uferlandschaftcn des mittleren Niger, nicht in gehöriger Menge ge-bllnt, um auch nur einen kleinen Thril der Bevölkerung zn versorgen, und fast alle Lcbcnsmittel müssen zu Wasser von Sscm-ssandi (am oberen Niger) und der Nachbarschaft eingeführt werden. Die einzigen Gewerkc, welche in der Stadt blühen — so weit ich zu beobachten Gelegenheit hatte — beschränken sich auf das Handwerk des Grobschmicdes uud auf etwas Lederarbeit. Einige dieser Artikel, wie Bor-rathsschläuche oder Gepäcksschläuche, runde Federkissen, kleine Lcdertaschen (die berühmten „biut" ^Singular "bet"^) für Tabak und Feuerzeug, so wie Flintenfuttcrale siud, wie die beistchendcn Holzschnitte zeigen, von niedlicher Arbeit, besonders die Schläuche; aber selbst diese werden meist von Tuareg verfertigt, Earth's Reisen, II, « 338 und zwar hmchtsächlich von Frauen. Bon einer Industrie Timbuktu's kann man also laum reden, wenn mau nicht dic bedeutende Betriebsamkeit einher benachbarter Landschaften (z. B. Fermagha) hierher rechnen will, wo sehr vortreffliche wollene und halbwollene Decken und Teppiche von verschiedenen Farben in Mensze erzeugt werden. Die VrrarbeitUW des GoldeS zu Ringen und Echmncksachen, die allerdings rccht hübsch in Timbuktu gearbeitet werdon, ist zu gering, ------ 339------ nm sie als eignen Gewerbszweig aufzufiihren, und auch das Wenige, was darin geschieht, ist nur schwache Ucbertraguuq der ausgezeichnete»! Goldarbeit von Walata. Mau nahm früher allgemein an, daß sich Timbuktu durch seine Weberei auszeichne und daß die Ausfuhr gefärbter Hemden von hier aus bedeutend sei. Allerdings mag in früherer Zeit dieser Industriezweig hier in gewisser Weise geblüht haben, da die Kunst vom oberen Niger am Flusse herab gekommen zu sein scheint; aber in Aezug auf die jetzigen Verhältnisse bernht diese Meinnng ganz nnd gar auf einem Irrthum, indem fast alle Kleidung der Eingebornen selbst, besonders aber die der wohlhabenderen Klassen, entweder aus Kano oder Ssan-sfandi eingeführt wird, abgesehen von dem aus England eingeführten Kaliko. Ueber die Ausfuhr baumwollener Kleiderstoffe von Kanu nach Timbuktu und bis zur Atlantischen Küste habe ich bereits früher au der betreffenden Stelle gesprochen. Die gefärbten Hemden von Ssan-ssandi dagegen, welche, so viel ich davon gesehen habe, ans englischein oder sonstigem fremden Kaliko gemacht zu seil, scheinen, haben keine so weite Verbreitung. Sie zeichnen sich jedoch im Allgemeinen durch ihren reichen Schmuck an Stickerei in gefärbter, besonders grüner Seide aus, eine Kunst, welche auch die Einwohner Timbuktn's, aber nur zum eigenen Äedarfe, mit großer Geschicklichteit üben. Der auswärtige Handel hat hauptsächlich drei große Straßen: nämlich den Handclswcg am Fluß entlang von Südwcstcn her (denn den Fluß abwärts von Timbuktu giebt es heut zu Tage so gut wie gar keinen Handel) und zwei Straßen vom Norden des Kontinents, diejenige von Oharb oder Marokko nnd die von Ghadamcs. In diesem gesannntcn Handel bildet Gold den Hanptartilel, obwohl der Gesammtwerth dieses von Timbuktu ausgeführten edlen Metalles nach europäischen Begriffen nicht sehr bedeutend ist nnd im Dnrck,-schnitt den jährlichen Werth von 150' bis 200,000 preußischen Thalern kaum übersteigen wird; so wenigstens war es zur Zeit meines Dortseins bei den damaligen gedrückten Handelöverhältnisseu. Das Gold wird aus den Landschaften am oberen Senegal (von Ämnbuk) oder des oberen Niger (von Aurc) gebracht; deun das im ^ande der Wangaraua oder südöstlich in den Ninnenlandschafteu nördlich von Asianti angesiedelten Mandiugo gewonnene Gold wird seit dem Itt. Jahrhundert zum größteu Theil direkt nach der ans diesem Grunde sogenannten Ooldlüstc ausgeführt; nur ein kleiner Theil davon geht nach Kanu. - Das beim Goldhandel eingeführte Gewicht ist der ------ 340 ------ „mithkal", der aber in den verschiedenen Ländern Binnen - Afrika's einen sehr verschiedenen Werth hat. Der Mithkal von Timbuktu enthält das Gewicht von 24 Körnern des Charubenbaumes oder von W Weizentürncru nnd entspricht — je nach dein herrschenden Knrs — dem Werth von 3- bis 4000 Mnschcln; nach unserem Geld kann man den Werth des Mithlal Gold heutigen Tages durchschnittlich zu 1^4 Thaler preußisch annehmen. Der zweitwichtigstc Handelsartikel Timbuktu's ist das Salz, welches schon seit den ältesten Zeiten zugleich mit dem Golde längs des ganzen Niger Haufttgegenstand des Austausches war. Dieses Salz wird heut zu Tage von Taodenni (nnter 22° n. Br. und etwa 4° w. L. v. Gr.) gebracht, dessen Minen seit dem Jahre 1b!)6 bearbeitet worden sind, nachdem die Salzminen von Teghasa, welche etwa 17^ deutsche Meilen weiter nördlich lagen, aufgegebeu worden waren. — Die Salzlagcr von Taodenni nehmen einen sehr ausgedehnten Flächcnraum der Landschaft El Djof ein uud bestehen aus fünf Schichten, die alle besondere Namen führeu. Die drei oberen haben allem Anschein nach nur wenig Werth und die unterste oder füuftc liegt im Wasser, während die vierte die gesuchteste ist; die Farbe ihrer Salzmassen ist eiue Mischung von Schwarz und Weiß, so daß diese dem Marmor überaus ähnlich sehen. Die Vodenfläche, welche diese Salzlagcr enthält, wird von einem an Ort und Stelle ansässigen Kaid (d. i. Vorsteher) in kleinen Strecken an die Salzkauf-lcute überlassen; er erhebt von jeder Grube den Fünften, währeud das Ucbrige den Kanfleuten als Eigenthum zufällt. — Die Salztafeln, welche dort ausgcgraben werden, sind bei allgemeiner Achulichkeit der Form von verschiedener Grüße und wechseln im Gewicht von 50 bis 65 Pfund; die größten haben 3 Fuß 5 Zoll in der Länge, sind 13 Zoll breit nnd 2z Zoll dick. Es ist dies jedoch nur die Hälfte der Schicht, da jeder Salzsteiu der Dicke nach in zwei Hälften zersägt wird. Die Preise dieser Salztafeln sind großen Schwankungen uuterworfeu, je nach der Jahreszeit uud dem politischen Zustande jener Gebiete, so daß während meiner Anwesenheit am Niger der Preis für Tafeln von mittlerer Größe von 3000 bis 6000 Muscheln schwankte. Dieser Preis wird in Timbuktu ausschließlich mit baumwollenen Waareu (Turkedi's) von Kano gedeckt, so daß also der Salzhandel eine doppelte Nichtigkeit hat, indem er den Umsatz noch eines zweiten Handelsartikels bedingt. Uebrigens erstreckt sich der Vertrieb des Steinsalzes vou Taodcnui noch weit über Timbuktu hinaus, südwestlich bis nach ------ 341 ------ Ssan-ssandi hm, während im Süden seines mittleren Laufes die von mir berührten Orte Derc und Nbtako ebenfalls Hauptstapelplätzc für dieses Salz sind. Die Guro- oder Kolanuß, welche im ^ande der Schwarzen einen der größten Luxusartikel bildet, ist cm dritter wichtiger Handelsartitel für Timbuktu. Diese einer wilden Kastanie sehr ähnliche Nuß vertritt die Stelle des Kaffee's bei deu (äingebornen, obschon sie in rohem Zustand genossen uud zwar langsam getaut wird; aber wenigstens jeder Wohlhabende nimmt gleich am Morgen als ersten Imbiß, oder, wie die Haussa-ttente sagen, „um die Bitterkeit der Nüchternheit zu brechen", eine solche Nnß oder einen Theil davon zu sich; mit ihr bewirthet man den Fremden nnd besonders den Gast bei seiner Ankunft und verschafft sich überhaupt diesen Genuß so oft als möglich. Ohue Zweifel tonnte man anch wirtlichen Kaffee in diesen Läudern ziehen, da der Kaffcebaum in vielen Gegenden des Innern einheimisch zn sein scheint. Die Art der Kolanuß, welche auf den Markt von Timbuktu kommt, wird aus den westlichen, von deu oberen Zuflüssen des Niger bewässerten Landschaften der mehr erwähnten Maudiugo oder Wan-garana eingeführt, während die Frucht aus der nördlichen Provinz des benachbarten Assianti nach Kano verführt wird. Die Bäume, welche die verschiedenen Arten von Kolanüssen liefern, gehören auch verschiedenen Species an, der 8wicu1i.^ acumina.tH, welche die rothe, nach Osten ausgeführte Kolanuß erzeugt, uud der Ltoreulia mnero-clN'iiH, von welcher die weiße, größere, in Timbuktu gewöhnliche Nuß stammt; Blüthe und Blatt der beiden Bäume sind sich jedoch einander sehr ähnlich. Beim Vcrkanfe werden nach Güte und Größe noch drei bis vier Sorten der Waare unterschieden; daß die heidnischen Mo-ssi den Transport derselben mit ihren ausgezeichneten Eseln vom Süden nach dem mittleren Niger vermitteln, habe ich schon mehrmals zu erwähnen Gelegenheit gehabt. Die alltäglichen Lcbcnsmittel, welche die Wüstenstadt konsumirt, werden — wenigstens was Cercalien anbelangt — vom oberen Niger her, besonders von Ssan-ssandi, eingeführt. Die gewöhnlichsten Vodcnproduktc ans dem Markte von Timbuktu bestehen aber aus Reis und Negerkorn; ich bin jedoch leider nicht im Stande, die Menge der Einfuhr anzugeben. Neben diesen beiden Artikeln ist eins der gesuchtesten Produkte vegetabilische, aus dcu Früchten der N^i^ dut^-i'ÄWl», bereitete Butter, welche außer ihrer ausgedehnten Anwendung als Vrennöl auch als Surrogat für animalische Butter zum Kochen ------ 342 ------ gebraucht wird, wenigstens bei der ärmeren Klasse der Einwohner. Endlich werden noch kleinere Artikel, wie Pfeffer, Ingwer, der in grußer Menge gebraucht wird, und viele andere Dinge eingeführt, darunter auch etwas Baumwolle aus den nächsten Fulbe-Provinzen im Südwesten der Stadt (z. B. Djimballa). Den bei weitem wichtigsten Theil des ganzen Handels von Timbuktu bildet der Karawanenhandel mit Marokko, wenn derselbe auch znweilen durch die Fehden der längs der Straße angesiedelten halbgcsetzlosen Stämme nnterbruchen wird. Gewöhnlich kommen die Karawanen im Anfang des November in Timbuktu an und kehren von da im Dezember und Januar zurück, haben aber keineswegs die ungeheuere Grüße, welche ihnen von einigen Schriftstellern beigelegt wird, z. B. von Jackson in seiner Beschreibung von Marokko, der von 10,000 Kameelen fabelt, ans denen diese Handelszüge beständen; ich bin vielmehr überzeugt, daß eiuc einzelne Karawane nur in sehr seltenen Fälleu höchstens 1000 Kameele mit sich führt. — Na-mentlich für gewisse Artikel europäischer Manufaktur ist die Straße von Marokko noch immer die bedeutendste, wie z. B. für rothes Tuch, Matratzen, Leibbinden, Spiegel, Messer, Tabak; Kaliko dagegen, gebleichter sowohl als ungebleichter, wird auch über Ghadamcs und zwar in neuerer Zeit in großer Menge eingeführt. Die Einwohner von Ghadames sind unzweifelhaft die Hanptvermittler, nm dies einfache, aber wohlgefällige und billige Erzengniß englischer Industrie'), dem Deutschland leider nichts an die Seite zu setzen hat, über den ganzen nordwestlichen Theil des afrikanischen Festlandes zu verbreiten; so hatten denn auch in Timbuktu mehrere der wohlhabenderen Kanf-leute von Ghadames ihre eigenen Geschäftsführer. — Alle Messer-schmiedwaaren in Timbuktu sind ebenfalls englisches Fabrikat und selbst die sonst so weit in's Innere gehenden steierischen Nasirmcsscr sucht man hier vergebens. — Thee bildet bei den innerhalb und in der Nachbarschaft der Stadt angesiedelten Arabern einen stehenden Verbrauchsartilel; dieselben schätzen eine Tasse Thee sehr hoch und hüben wo möglich ein vollständiges Theegeschirr, während dieses Ge- ') Mcr Kaliko, dei! ich sal', irug den Namen eine« und desselben Mau-chesler-Hauseö, dcr in arabischen Buchstaben dannis gcdniclt war. Der Kalito wird auch vrn Timbultu n^ch weiter siromansw'N'tS versührt, bis nach Ssan» ssandi, wo cr mit demselben Artikel, dci von tcr VcsMsie Nsrila's importirt wird, zusammentrifst. -----343 ----- tränk mit seinem nothwendigen Zubehör, dem Zucker — der ebenfalls von Norden her eingeführt wird — für die Eingcbornen zn theuer ist. — Der Hafen, über welchen der größte Theil aller genannten europäischen Waaren nach Marokko gebracht wird, ist Sfnera (oder Mogador); leider aber kann ich von keinem dieser Artikel eine Schätzung der jährlich ans dem Markt von Timbuktu kommenden Menge geben. Noch bemerke ich in Bezug auf den Markt von europäischen Erzeugnissen in Kauo uud Timbuktu, daß letzteres seinen» östlichen Nebenbuhler allerdings nicht an Menge der Waaren gleichkommt, ihn aber an Güte derselben übertrifft. Unter den zum Theil im Norden Afrika's selbst erzeugten sogenannten arabischen Waaren auf dem Martt von Timbuktu sind Vernuse (arabische Mäntel mit Kapuzeu) zu nennen, die zwar von Arabern und Manren im Norden verfertigt werden, jedoch auö europäischen Stoffen. Ganz besonders aber gehört hierher Tabak, ein trotz des erwähnten Verbotes bedeutender Verbrauchsartitel, vorzüglich der im Wadi Nun (zwischm dem 2,^° und 29° n. Vr. und etwa nnter 10° w. L. v. Gr.) gezogene. Tabak und Datteln bilden die Haupteinfuhr der Händler aus der Oase von Tauat. Was die Ausfuhr betrifft, so bestand sie während meines Aufenthaltes in Timbuktu ill wenig mehr als Gold und einer mäßigen Menge von Gummi und Wachs, während Elfenbein und Sklaven, so weit ich im Stande war, mich zn vergewissern, nur in sehr geringem Maaßstab ausgeführt wurden. Jedoch muß man dabei in Anschlag bringen, daß ein ansehnlicher Theil der gesammten Ausfuhr aus diesen Gegenden seinen Weg über Aranan nimmt, nordnordöstlich von Timbuktu, ohne letzteres zu berühren; immerhin aber bleibt es gewiß, daß jene Männer, welche die jährliche Ausfuhr von Sklaven aus dem Sudan nach Marokko auf etwa 4000 ') schätzen, sehr im Irrthum sind. Die meisten Kanflente in Timbuktu führen ihr Geschäft nicht für eigene Rechnung, sondern sind nur Agenten für die Handelsherren m Ghadames, Ssucra, Marokko und Fez. Auch dürfen wir ihren ') ttr.lkoi^ äo llemso: ßpooeino lU Narool!o, p. 146. Dieser Schriftsteller zählt als Ausfuhrartikel von Timbuktu nach Marokko außer Sklaven noch auf: Elfenbein, NlMocereShörner, Weihrauch, Gl'ldstaub, v^l", (?), Edelsteine, Straußenfedern der besten Qualität, Kopal, Baumwolle, Pfeffer, Kardamomen, äs» lostiä» und Indigo. ------- 344 ------ Reichthum nicht mit dem europäischer Großhändler vergleichen, denn ich glaube gewiß, daß das wirkliche Eigeuthnm tcincS derselben die Summe von 10,000 spanischen Thalern übersteigt; vielmehr dürfte ein Vermögen von dieser Größe schon zn den seltensten Ansnahmen gehören. Aber so viel ist gewiß, daß hier ein ungeheueres Feld für europäische Wirksamkeit offen liegt, nm den Handel dieser Gegenden wieder zn heben, der in früherer Zeit unter einer starten Regierung diesen Theil der Erde belebte und nntcr günstigen Umständen wieder in großartiger Weise aufblühen könnte; denn Timbuktu ist von Natur von der höchsten kommerziellen Bedeutung, wegen seiner Lage an der Stelle, wo der große Fluß Wcst-Afrita's in gewundenen» ^aufc jener weit von Norden her in die Wüste vorgefchobencn und höchst anSge-dehnten Oase des äußersten Westens — des „Maghreb el Aksa" der mohammedanischen Welt — am nächsten rückt. Tanat aber bildet mit seiner nordwestlichen Verlängernng Tefilelet, dem mittelalterlichen Sidjilmesfa, den natürlichen Vermittler in dem Handelsverkehre dieser frnchtbaren und wohlbevöltertcn Landschaft mit dem Norden, nnd mag es nnn Timbuttn, Walata oder Ghanata sein, stets wird diese Nachbarschaft eine große Handelsniederlagc enthalten — so lange als die Völker ihr Streben nach internationalem Verkehr und Austausch ihrer Erzeugnisse bewahren. Auf der anderen Seite sind die Schwierigkeiten, welche ein Platz wie Timbnttn einein freien Handelsverkehre mit den Europäern entgegensetzt, unzweifelhaft fehr groß. Die eigenthümliche ^age der Stadt — an dem Rande der Wüste und an der Grenzlinie verschiedener Rassen — macht in dem gegenwärtigen entarteten Zustande der einheimischen Königreiche eine energische Regieruug sehr schwierig, ja fast unmöglich, und die Entfernung sowohl von der Westküste als anch von der Mündnng des Niger ist höchst bedeutend. Immer aber wird daö größte Hinderniß — wenigstens für jetzt — die fanatische Regierung von Massina sein; diese muß vor allen Dingen gebrochen und dnrch eine andere Volt größerer Einsicht und Thattraft erfetzt werden, ehe an eine gedeihliche Entwickelung des Handels mit Enropa zn denken ist. Doch auch von enropäischer Seite her werden derselben Hindernisse in den Weg gelegt, denn es ist nnlcugbar, daß die kommerzielle und Politische Nebenbuhlerei zwischen Eugland nnd Frankreich diese schon von Natur so abgeschlossenen Landschaften noch nnzngänglichcr macht. Elftes Kapitel. MMlmpm<;r Nersuch der kreise >l»i) rnckgnuin'lU' ^>!'»»<'^>l»>i noch Timbuktu. — Wirklich« ^lureift. — ^isü a»i »ördlichen )lftr tle^ Aiger liis zur Änkm»st i>l Hogo. Der 19. April 1854 war also endlich vom Scheich El Bakay für unsere Abreise bestimmt wurden. Es war schon gegen Mittag, als wir aufbrachen, dcun nicht einmal an dem Murgen dieses Tages tonnte der Scheich seme Gewohnheit, alle Dinge leicht zu nehmen, überwinden; er schlief bis zu später Morgenstunde und erst nach 11 Uhr, als die Sunne bereits anfing, lästig zu werden, setzte sich unsere langsame Karawane in Bewegung. Es fiel mciuem Wirthe schwer auf's Herz, sich auf längere Zeit von Weib und And trennen zu müssen, die er mit grosser Innigkeit liebte; auch ich selbst war feinen beiden jungen Söhnen, deren kindische Spiele oft meine einzige Unterhaltnng in dem langweiligen Lager gewesen waren, von Herzen zugethan, so daß ich wirtlich mit inniger Wehmnth von ihnen schied, und ich denke, daß auch sie ihren Freund Abd-cl-Kcrim lange in Gedächtniß behalten werden. Die Karawane bestand außer meinen und des Scheichs Kameelen noch aus einer ansehnlichen Menge Esel, welche den Guanin gehörten und mit Vaumwollstrcifen beladen waren. Meine eigenen Leute waren dieselben wie bei meinem Einzng in Timbuktu, nur daß ich mich des Walaters entledigt hatte; der Scheich wurde von einer Anzahl seiner Schüler begleitet. So zogen wir denn von Bo-ssebango aus, ich selbst mit dem freudigen Gefühl, die ersten Schritte nach der Hcimath hin zu thun, wenn mich auch ein weiter Umweg von mehreren hundert deutschen Meilen längs des Niger und durch den ganzen mittleren Sudan dahin führen sollte. Ich gab mich der Hoffnung hin, in 40 bis 50 Tagen in Ssoloto zu fein, und aHute nicht, wie bald ungünstige Umstände abermals meine Neise unterbrechen und meine Hoffnungen vereiteln sollten. ------ 34ss ------ Der erste Tagesmarsch war nur ein sehr wrzer, denn schon nach wenigen Ttnnden erblickte ich die voransgesandten Zelte in der Nähe eiilcs Araberlagers aufgeschlagen. Hiev blieben wir den Nest des Tages liegen, nnd so unangenehm mir auch jeder Verzug war, tröstete ich mich mit dem Gedanken, daß wir unsere Reise wenigstens wirtlich angetreten hatten. In einem etwas weiter südöstlich hart am Ufer des Stroms gelegenen Tnareg-Lager der Kel-n-Notnndcr befand sich noch ein Theil der zur Begleitung des Scheichs gehörenden ^cnte, nnd es wnrde am andern Morgen beschlossen, daß wir selbst dahin gehen nnd sie abholen sollten, anstatt sie durch Boten von unserem Anfbrnch zn benachrichtigen nnd zu nns zn entbieten. Der Umweg über jenes ^ager, obgleich sehr beschwerlich, diente dazn, mir noch einmal ein recht charakteristisches Stück dieser eigenthümlichen Uferland-schaftcn des Niger vor Augen zn führen nnd hatte daher großes Interesse für mich. Wir befanden nns nämlich hier in dein nördlichen Ueberschweln-mnngsbctt des Nigerstromes, welches sich von der großen Biegung desselben südlich von Kabara in einer Vänge von etwa l2 deutschen Meilen und bei einer wechselnden Breite von 1 bis 3 Stnnden nach Osten hinzieht. Nach dem Binnenlandc zn wird dieses Bett von einer höheren Dünenreihe begrenzt, während eine minder hohe den größten Theil des eigentlichen Stromufers einsänmt, zngleich aber auch quer dnrch die Niedernng einzelne Zweige entsendet, welche dieselbe gleich sandigen, mit dichtem, verwickeltem Unterholz bestandenen Dämmen oder Deichen durchziehen; endlich wird die Niedernng auch noch von einzelnen kanalartigen Flnßarmen dnrchschnitten. Diese gcsammte Uferstrecke bildet demnach ein höchst eigenthümliches, änßerst verwickeltes Terrain nnd bietet je nach der Jahreszeit einen ganz verschiedenen Anblick dar. So erbeben sich während des höchsten Standes der Uebrrschwemmnng nur die bedeutendsten Dünen über die Oberfläche des Wassers, bilden abgesonderte Inseln nnd sind dann nur mit Booten zugänglich; im Sommer dagegen bietet der von dem znrück-getrctencn Wasser bloßgelcgrc nnd reich befruchtete Sumpfboden eine ausgezeichnete Weide für unzählige Nindcrheerdcn. So war im Allgemeinen die Beschaffenheit des Bodens, über welchen wir am andern Morgen (20. April) nnseren Weg nach dem Lager der Kcl-n-Nolnnder snchen mnßten. Dieser führte uns zuerst über Flachland, welches noch vor wenigen Tagen unter Wasser gestanden hatte; es war mit dem Gestrüpp der lüuciloi-H, mit Akazien ------ 347 ------ und anderem Unterholz bedeckt, welches zahlreichen Löwen zum Aufenthalt diente. Obschon ich keinen derselben zu sehen bctam, halte ich doch die Angabe, nach welcher die hier hausende Löwcnart keine Mähne haben soll, für glaubwürdig; ob es aber wahr ist, das; die in dieser Gegend häufige giftige Euphorbie oft den Tod dieses Königs der Thiere zur Folge habe, wie man mir ebenfalls berichtete, bezweifle ich sehr, es sei denn, daß man ihm das Gift in Fleisch oder sonst auf eine Art beibrächte. — Zahlreiche Schaaren einiger verkommener Stämme der Imo-scharh') zogen an uns vorüber oder hatten znr Zeit ihre Lager am Saume der Niederung aufgeschlagen. In einem derselben ließen wir unser Gepäck zurück und betraten dann den nach dem Strom sich hinziehenden Sumpfboden. Nir folgten einer schmalen, mit Gestrüpp uud Dumftalmcn dicht besetzten Landzunge, die weit nach Süden hin in das Sumpflaud eiuschnitt, passirten einen nicht sehr tiefen Wasserarm, Amalellc genannt, und gelangten dann zu dcu Dünen des Flnßufers selbst; ich sprengte dieselben hinan und begrüßte freudig den schönsn Strom. Längs der Dünen nach Wcsteu weiter ziehend, gelangten wir gegen Sonnenuntergang zu dem Lager der Kel-n-Nokunder und wurden von ihueu mit großer Gastlichkeit aufgenommen. Diese Tuareg sind insgesammt sogenannte „Tolba" oder „Lernbeflissene" und können Alle den Kurau leseu, einige Wenige sogar etwas arabisch schreiben; Keiner von ihnen hat sich aber in ucncrer Zeit zu einem wirtlichen Gelehrten nach hiesigen Äegrisfen emporgeschwungen, obgleich der Stamm in früheren Zeiteu sich ausgezeichneter Männer rühmen konnte. Auf-fallendcrweise fand ich bei diesen Leuten eine schon srnhcr gemachte Ncmertnug bestätigt, daß Alle, die zur Kategorie der Tolba gehören — obgleich sie nicht wie bei uns ihre Weisheit in engen Schnlstuben holen — sich durch eiue blässere Farbe anszeichnen nnd nicht die muskulöse Stärke besitzen, welche gewöhnlich den freien Amo-scharh kennzeichnet. Als wir am andern Morgen mit nnscrem gesammtcn Troß abzogen, hatte ich tciue Ahnuug davon, daß ich m Kurzem auf längere Zeit hierher nach Erncsse zurückkehren sollte; so hieß die Stätte, an welcher das Lager der Kcl-n-Nokunber sich befand. Von sicheren Führern den geradesten Weg durch das Sumpfland geleitet, erreichte« ') Ich erinneie hier noch einmal daran, baß dcr Name Imo-scharh (Sin» gularform: Amo-scharh) identisch ist mit Tnaress (Singular: Targi). ------ 348 ------ wir schnell das Lager der Ideuan, wo wir am Tag» vorher unser Gchäck zurückgelassen hatten, nnd zogen dann noch einige Meilen Weiter bis zn cincm Lager der Kel-ulli, derselben Leute, welche mir während meines Aufenthaltes in der Stadt zu wiederholten Malen Schntz verliehen hatten. Sic empfingen uns mit kriegerischem Lärm, indem sie laut ihre Schilde zusammenschlugen, nnd bewirtheten uusern zahlreichen Trupp mit solcher Gastlichkeit, daß ich wahres Mitleiden mit ihucu empfaud. Die ^el-ulli siud „ein Stamm von Ziegenhirtcn" (wörtliche Uebersetzung des Namens) in keineswegs glänzenden Verhältnissen, dennoch schlachteten sie drei Rinder und nicht weniger als 20 Ziegen, um unsere hungrige Gesellschaft zn sättigen, da sie weder Neis noch Milch besaßen. Während dieser nächtlichen Schmauscrci — wir waren erst nach Sonnenuntergang eingetroffen — bildete das von einer Menge Menschen, Pferden und Lastthieren belebte Lager, rings von Bäumen umgeben, eine höchst interessante Scene. Auf dem Marsche nach dem Lager der Kel-ulli hatten wir uns von der Flußniederung entfernt nud waren auf die höhere Du'nen^ reihe hinaufgestiegen; der nächste Marsch führte uus wieder abwärts an den Rand des Snmpflandes nnd in daö nur 3^ Stunden entfernte Lager eines jener beiden Stämme, deren Widersetzlichkeit gegen ihren Oberhcrrn Allutwbn die Ursache gewesen war, daß der Heerbann der Anclimmideu Timbuktu nicht erreicht hatte. Es war der Stamm der Tarabanassa unter ihrem Hänptling Teni oder E' Tcni. Zum ersten Mal sah ich hier diese östlicheren Tuareg in ihrem eignen Gebiete und ihr edleres Aussehcu sowohl hinsichtlich ihrer Gesichtsziige als anch ihrer Kleiduug im Vergleich mit ihreu Stammcsgenosfeu in der Nachbarschaft don Timbuktu erregte bald meine Aufmerksamkeit. Sie trugen kleine Metattbnchsen, sehr nett ans Zinn und Kupfer gearbeitet, als Schmnck uud außerdem ein Gehänge um den Hals, das bis zur Grust herabfiel und aus vielen weißen Ringen bestand; diese waren aus den Kuocheu jenes höchst merkwürdigen Thieres, des Ayu (Nlmawk VoF«1ii) verfertigt, welches im westlichen Hauptarm des Niger nicht weniger häufig zu sein scheint, als in dem großen östlichen Nebenfluß, dem Venue. Als Zeichen ihrer edlen Abkunft und freien Gcbnrt waren Alle mit eisernen Speeren und langen Schwertern bewaffnet; der uufreic Targi nud folchc Stämme, die ihr berberisches Vlut nicht rein erhalten haben, dürfen nur einen hölzernen Speer und einen Armdolch führen. Es mußte dem Scheich daran liegen, jene Streitigkeiten zu ------- 349 ------ schlichten, und dies mochte der Grund unseres zweitägigen Vcrweileus in dem Lager Teni's sein, der uns übrigens eben so ungastlich be^ handelte, als wir bisher von den Tnareg freundlich bewirthet worden waren. Auch sonst noch war der Aufenthalt hier für mich sehr unam genehm; ich geriech mit einem Haupte der räuberischen nud überaus verrufenen Kel-Hetikan, von denen ciue Abtheilung ebenfalls hier lagerte und die allem vou allen Tuareg mich stets nnfrenndlich behandelt hatten, in einen so bitteren religiösen Streit, daß ernste Unannehm' lichteitcn daraus für mich hatten entstehen können, Ich war daher recht froh, als wir am 25. April unseren Marsch weiter fortsetzten. Das Lager, welches unser nächstes Reiseziel bildete, befand sich unfern des Niger, und es kostete uus nicht geringe Mühe, durch das sumpfige, zum Theil mit dichtem Wald bedeckte Marschland dahin zu gelangen. Die Stätte hieß Tautilt und der Häuptling des Stammes Uorhda. Diese Tuareg wareu bei unserer Auiuuft gerade beschäftigt, einen Theil ihres Gepäcks nach einer kleiuen Nigerinscl hiuüberzu-schaffcn, auf der ein anderer Tuareg-Hnuptlmg mit dem biblischen Namen Ssanl gelagert war und deren Ufer von zahlreichen Heerdcn Hornvieh belebt wurden. Ich wurde hier recht lebhaft an die Ver-änderuugeu eriuucrt, welche die Tuareg in ihrer Lebensweise dadurch erlitten habcu, daß sie ihre ehemalige Heimath in den begünstigtercn Thälern der Wüste mit den Marschländern und Inseln des Niger vertauschten. Während sie früher als wilde Freibenter die wasserlose Wüste durchzogen, schwimmen sie jetzt mit ihren Hccrden von einem Fluß-ufcr zum andern und von einer Insel zur anderu, eine Lebensweise, welche sie gezwungen hat, die wesentlichste Bedingung ihrer früheren Existenz, das Kamecl, fast ganz aufzugeben. Zunächst vor uns sahen wir nnr ein paar Arme dcS Niger, der Hanptstrom war noch 1 bis 1^ Stunden eutferut. Hart am Rande des Wassers unter großen schönen Bäumen gelagert, blieben wir hier zur Nacht und Besuch aus benachbarten Lagern, so wie die Erzählungen des kleinen lebhaften und freundlichen Uorhda gewährten hinreichende Unterhaltung. Dieser Mann war nämlich in seiner Jugend bei dem Angriff zugegeu gewesen, welchen die Ignadaren im Jahre 1806 bei (Zgedcsch auf Muugo Park gemacht hatten, wie denn dieser heldenmüthige Reisende überhaupt, natürlich nicht dem Namen nach, sondern nach seiner auffallenden Erschcinnng in einem seltsam aussehenden Boote mit weißem Segel, seinen; langen Rock, seinem Strohhut nnd großen Fausthandschnhen, allen' alten Leuten an: mittleren ------ 350 ------ Niger (dcm „Eghirri'U") entlaug noch hent zu Tage wohl im Gedächtniß ist. Der geheimnißvolle Schiffer, der in Ssan-ssaudi sein Doppelboot gczinnuert, hatte bei Bamba Halt gemacht, um Hühner zu kaufen, und wurde bei dem weiter flußabwärts gelegenen Egedesch von den Tuareg angegriffen. Uorhda behauptete auch, daß seine ^andsleute damals zwei zur Bootsmannschaft gehörige Christen ge-tödtet hätten; allem dies ist jedenfalls ein Irrthum, da es gewiß ist, daß zwei von jenen vier muthigen Männern, welche allein und verlassen in ihrem wohlverschanztcn, mit Ochsenhäuten umgebenen Boote — ihrer Wohnung, ihrer Festung und ihrer einzigen Rettung — diesen gewaltigen, ihnen völlig nnbckannten und oft durch Klipften-risfe und Ttromschuellen gefährlichen Strom so diele hnndert Meilen weit innütten feindlicher Stämme bcfuhrcn, viel weiter abwärts ihrem Heldenmut!) zum Opfer fielen, wahrscheinlich noch unterhalb Gogo. Unter den Besuchern aus benachbarten lagern waren viele Uelad Molnk, kleine untersetzte Veute von heller Farbe, mit hoher Stirn — wie sie den Berbern eigenthümlich ist — und ausdrucksvollen, einnehmenden Zügen. Mehrere unter ihnen litten aber an einer schrecklichen Krankheit, krebsartigen Geschwüren, welche sie dein schlechten Trinkwasser znschriebeu und die bei ^incm oder zwei dieser Leute einen großen Theil des Gesichts zerstört hatten. Auch Ssaul, der Hä'uftt-liug der Kel-tamulait, kam von seiner Nigerinsel herüber, ein Mann von stolzem Sinn uud einer entsprechenden hohen, stattlichen Gestalt. Als wir am andern Morgen das Gepäck zum Aufbruch orductru, stellte er sich wieder eiu uud saß eine lange Zeit schweigend neben mir, UN! mich zu beobachten. Weiter ziehend folgten wir den Windungen des herrlichen Stromes, der sich zu Zeiten zu einem schönen Wasserbecken erweiterte und dann wieder hinter den Sanddünen sich verbarg. Bald begegneten Wir einem fürstlich aussehenden hochgewachsenen Anw-scharh, welcher das höchste Kameel oder Meheri ritt, das ich je gesehen habe. Es war Uorhdugu, der Schwiegervater des alten Uorhda, der Tapferste von allen südlichen Tuareg (der Auelimmiden, Iguadarcu und Tade-metkct) uud ein treuer Freund El Vakay's. Uorhdngu war ein schöner, breitschulteriger, auffallend großer Mann und augenscheinlich von gewaltiger Muöleltraft; zahlreiche Thaten der Tapferkeit werden von ihm erzählt, die nns an die besten Zeiteu des christlicheu und arabischeu Ritterthums erinnern. Als die Tuareg deu Fnlbe die — 35: — Stadt Gundam (südwestlich dun Timbuktu) wieder almahinen, soll er von seinem Pferde auf die Stadtmauer gesprungen sein und, indem er alle Speere der dort aufgestellten Feinde mit seinem Schilde auffing, seinen Kameraden den Weg in die Stadt gebahnt haben. Erst vor wenigen Tagen hatte er sich durch zehn bis zwölf Bewaffnete, An Hänger des Häuptlings Teni, die ihn überfielen, ganz allein durchgeschlagen. — Uuter der Führung dieses tapferen Kriegers uud seines ihn begleitenden jünger» Brndcrs erreichten wir bald das Ziel unseres heutigen Marsches, einen Ort Namens Iseberen oder Iscberaten, von zwei an dem stachen sandigen Ufer des Niger vereinzelt aufsteigenden Sanddünen so genannt. Hier lagerte Achbi, das Haupt der Iguadareu, der andere jener beiden Häuptlinge, welche ihrem Oberherrn Altuttabu den Gehorsam aufgesagt hatten. Drei oder vier Tage verflossen daher an dieser Stätte in vergeblichen Verhandlungen zwischen ihm uud meinem Beschützer, dem Scheich; denn Achbi verharrte ill seiuem aufrührerischen Betragen und weigerte sich hartnäckig, das einigen unter dem Schutz Altuttabu's stehenden Stämmen gewaltsam entrissene Eigenthum wieder herauszugeben. Sein Streit mit Letzterem war jedenfalls die Folge der Raute Hammadi's und der Fulbe, welche hierdurch die Politische Macht des Scheichs zu uutergraben suchten, die allerdings zum großen Theil auf die Verbindung mit dem Oberhaupt der Aue-limmiden gegründet war. Achbi schien denn anch fest entschlossen zu seiu, den Eingebungen Hammadi's Folge zu lcisteu und sich den Fulbe und ihrem Haupte, dem Herrscher von Hamd-Allahi, in die Arme zu werfcu; er ward anf diese Weise die Ursache maaßloser Verwirrung, so daß bald, nachdem ich endlich diese Gegenden verlassen hatte, ein blutiger Krieg ausbrach und Timbuktu von einem zahlreichen Heere der Fulbe von Massina besetzt wurde, bis es dann gegen Ende des Jahres 1855 zu einein zweiten Kompromiß zwischen dem Scheich uud diesen Eindringlingen kam. Zunächst hatte dieses Benehmen Achbi's eiue höchst traurige Einwirkung anf unsere Neise lind drohte, für meine eigene Person im wahren Sinne des Wortes verhä'ngnißvoll zn werden. Scheich El Bakay konnte nur mit der lebhaftesten Sorge sehen, wie es allen Auschcin hatte, daß seine früheren Bnudesgenosscn die Helfershelfer feiner Feinde werden würden; denn Achbi stand im Begriff, mit seinem Mizen Stamm westwärts anszuwandern, um sich im Bereich der Macht der Fulbe anzusiedeln. Ueberdies erreichte uns hier ein Eilbote Ssidi ^^ 352 ------ Mohammed's, dm der Scheich an seiner Statt in Timlmktn gelassen hatte, mit dem dringenden Ersuchen an letzteren, zu einer persönlichen Berathung nüt ihm sich einzufinden. Unter diesen Umständen blieb meinem Beschützer nichts weiter übrig, als — nach Timbnltu zurückzukehren. Ich selbst aber mußte durch diese Umkehr auf das Tiefste berührt nnd mit der ernstlichsten Bcsorgniß für meine Sicherheit erfüllt werden. Unzweifelhaft schwebte mein ^eben iu größerer Gefahr als je zuvor, wenn ich noch einmal Timbuktu unter so ungünstig veränderten Umständen betrat. Ich ließ daher lein Mittel unversucht, von meinem Freuude die Erlaubnis; zur Weiterreise zu erhalten, iu Gesellschaft derjenigen seiner Schüler und Anhänger, die er mir mitzugeben verbrochen hatte; allein der Scheich weigerte sich standhaft, dies Gesuch zu genehmigen. — Um das Mißliche meiner ^age noch zu vermehren, traf gerade in diesen Tagen die Nachricht ein, daß die Franzosen in den südlichen Landschaften Algeriens den Stamm der Schaamba vollständig besiegt nnd einen Streifzug bis nach Uarghcla und Metlili unternommen hätten. Iu Folge dcsseu ward die Furcht vor dem Vorrücken der verhaßten Fremdlinge allgemein, und als wenige Tage nachher, während wir schon auf dem Rückmarsch nach Westen begriffen waren, diese Nachricht nicht nur wiederholt bestätigt, sondern auch be« tannt wurde, daß Uarghela, die altberühmte Stätte des ausgedehntesten Handels mit dem Negcrlande, von den Franzosen wirklich in dauernden Besitz genommen sei, hegte sogar der Scheich eine Zeit laug den Plan, alle Streitkräfte der Auelimmidcn uud die von Tauat zu vereinigen und den fremden Eroberern entgegenzugehen. Zwar gab er diese abenteuerliche Idee auf mein Zureden auf, allein er hielt es doch für nöthig, den Franzosen ein Schreiben zu übersenden, worin er ihnen verbot, weiter nach Süden vorzndringcn und die Wüste zu betreten. Es kounte aber nicht fehlen, daß diese Ereignisse iu Verbindung mit andern Umständen, auf die ich nicht näher eingehen kann, den Verdacht rege machen mußten, mein Besuch in diesem ^cmdc hänge mit dem Vordringen der Franzosen zusammen, oder mit anderen Worten, ich sei ein französischer Spion. Nur nm so mehr mußte ich die Rückkehr nach Timbuktu fürchten. Der 30. April war der Tag traurigen Andenkens, an welchem ich mit den düstersten Gefühlen meinen Rückmarsch nach Westen autrat. Meinem Beschützer konnte der Zustand meines Gemüthes nicht verborgen bleiben und er that Alles, mn mich zu beruhigen; noch im ------353----- Aussenblicke dcs Aufbruchs kam er zu mir, sich Wegen der Nothwendigkeit zu entschuldig«, daß er in diesem Falle mciu eigenes Jitter» esse gegen das allgemeine zurücksetzen müsse. — Schweifend ritt ich an der Spitze unserer Schaar einher; der Anblick des herrlichen Flusses, längs dessen Ufer uuser Weg hinführte, gewährte mir allein ill meiner ticfcu Verstimmung einigen Trost. Wir hielten uns diesmal näher an den Düueu und erreichten bald unseren früheren Lagerplatz Tautilt und einige Stunden weiter eiueu Ort "Namens Erassar, wo die Iguadaren sich gelagert hatten. Hier an einer uugesnnden, bäum- und schattenlosen Stätte, zwischen zwei Sümpfen und etwa 1200 Schritte vom Ufer des Niger, blieben wir zwei Tage liegen, die abermals mit erfolglosen Unterhandlungen hingebracht wurdeu. Diese sumpfigen Niederungen, die in der nächsten Zeit so oft meine Lagerstätte bildeten, wurden für mich die Ursache eines schweren rheumatischen Leidens, von welchem ich später in Äornu so viel zu duldeu hatte und das sich noch nach meiner Ankunft in Europa zu Zeiten einstellte. Alle Anstrcuguugeu dcs Scheichs, Achbi zum Nachgebeu zu überreden, waren vergeblich und das aufrührerische Haupt der Iguadaren brach das Lager ab, um seinen Wanderzug nach Westell fortzusetzen, wo er neue Verbündete uud Äcschntzcr zu finden hoffte. Wir folgten ihm, indem wir uns den Kel-gogi anschlössen, derjenigen Abtheilung der Iguadareu, zu welcher Achbi selbst gehörte. Nach zwei kurzen Märschen machten wir wiederum mitten in der sumpfigcu Nicdcruug unfern dcs Flusses einen mehrtägige« Halt, doch setzte mich glücklicherweise eine aus dem Flachland emporsteigende Erhebung des VodeuS M den Stand, mein Zelt so aufzuschlagen, daß ich die schöne Aussicht über dcu herrlichen Strom nach dem gegenüberliegenden Ufer von Anbindn genießen konnte, welches einen lieblichen Hintergruud bildete. Die höhere Lage meines Zeltes aber ermöglichte mir nicht nur die erheiternde Fernsicht mit dem Blick anf den prächtigen Niger, den großen Gegenstand europäischer Forschung, sondern gewährte uns auch noch einen andern sehr wesentlichen Nutzen. Schon am Tage vorher, den 4. Mai, hatte unS ein starkes Gewitter n,it heftigem Regen ernstlich an das Eintreten der Regenzeit gemahnt. Nun hatten mich meine Gefährten, die mir stets die Versicherung gegeben, daß ich trotz aller Verzögerung lange vor dem Eintritt dieser Jahreszeit in Ssototo sein würbe, damit zu trösten versucht, das Gewitter sei eine Erscheinung für sich und hänge mit dem Untergang der Plejaden zusammen; V«MH'a Uiei,en, I>. 2» — 354 — aber ein gewaltiges Unwetter, welches am Nachmittag des 5. Mm über uns hereinbrach, so daß der Stnrm mein Zelt zu zerstören drohte, bis es sich endlich in einen zwei Stunde»» anhaltenden Wolken-bruchartigen Regen anflöste, der die ganze Ebene rings um unsere tleincn Hügel in einen weiten See verwandelte, — ließ keinen Zweifel mehr, daß die Regenzeit allen Ernstes hereingebrochen sei. Fünf Tage blieben wir an dieser Stätte nnd es war ein Glück, daß es mir in meinem bekümmerten Gemnthsznstand wenigstens nicht an mannichfacher Unterhaltung fehlte. Ich war zu Einigen der Igua-daren in freundschaftliche Beziehungen getreten und verdankte Einzelnen dieser neuen Freunde manche interessante Untcrhaltnng und Belehrung. Auffallcud waren mir die Namen Schamurl, Ssaul und Daniel, die bei diesem Stamme häufig vorkamen, während doch meines Wissens keiner derselben sich bei den Arabern findet; sie scheinen mir also das Verhältniß engerer Verwandtschaft zn bestätigen, das zwischen diesen berberischen Stämmen und den kanaanitischen Völkerschaften obwaltet. — Ferner gewährt? cs eine anziehende Zerstreuung, verschiedene Abtheilungen der Iguadareu zu beobachten, welche dicht an meinem Zelte vorüberzogen; denn der ganze Stamm, Männer, Weiber und Kinder, folgte seinem Hanftte gen Westen nach. Am meisten interessirten mich unter den Vorüberziehenden drei Frauen von vornehmer Geburt, welche zu dem Stamm der Kel-Hekitan gehörten und an der Sftitze des Zugs sich befanden. Sie faßen auf dem Rücken ihrer Kameele in einer Art offener Käfige, wie es die beigefügte Zeichnung veranschaulicht; Koftf und Hals der Thiere waren mit Leoertrodoeln reich behängen und die edlen Frauen selbst waren wohlgcbildet und von vollen Formen, aber sehr einfach in ihren gewöhnlichsten Anzug gekleidet. Am 10. Mai setzten wir unsern unerwünschten Rückzug weiter ------ 355 ------ fort. Wir ließen die hohen weißen Sanddünen von Ule-Teharge, die höchsten dieser Uferstrecke, die schon von der eben verlassenen Lager-statt aus meine Anfmerksamteit erregt hatten, zur Tinten liegen und erreichten bald jenen Amalclle genannten Wasserarm, an dem wir bei unserm ersten Besnch der Kel-u-Noknnder in Ernesse entlang gekommen waren. Hier ward wieder ein Vager bezogen; die Tuareg schlugen ihre Zelte unten in der sumpfigen Niederung, ich das meinige ans den mit Talhabäumen nnd Ssiwak bewachsenen Dünen auf. Dort genoß ich, im Schatten hingestreckt, den Allblick der anmnthigen, wechsclvollcn Landschaft; am Fuße der Dünen stand das Lager unserer Freunde mit seinen größeren nnd kleineren Vcderzelten, zum Theil uffeu und einen Blick in das Innere dieser leichten Behausungen gewährend ; dahinter der jetzt seichte Arm Amalellc, von weidendem Biet, belebt, das oft mit dem halben Leib im Wasser stand; dann eilt dichter Rand von BanmwuchS, besonders Dnmpalmen, nnd jenseits in der Ferne die weißen Dünen von Ernesse, hinter denen ein schmaler glänzender Streif des Niger gerade noch sichtbar war. Das Ganze bot ein dnrchaus charakteristisches Bild einer voll todten Hinterwassern und seichten, mit dem großen Hanptstrom in Verbindung stehenden Armen durchschnittenen Nigerlandschaft. Nach reiflicher Ucberlegnng hatte der Scheich endlich entschieden, daß ich mit seinem Neffen, Mohammed bcn Chottar, und dem größeren Theile seiner Schüler und seines Gefolges nach (5rnesse gehen sollte. Ich nahm also am andern Morgen von meinen mir recht lieb gewordenen Freunden nnter den Iguadaren herzlichen Abschied und machte mich mit fast der ganzen Umgebung des Scheichs nach dem Ort auf, wo wir desseu Rückkehr erwarten sollten. Dasi es des Scheichs Wille war, uns nicht sehr lange dort warten zu lassen, erkannte ich nicht sowohl alts der Begleitung seiner vertrautesten Schüler, sondern daraus, daß auch seine Lciblöchin, die traute Dito, mit uns zog, ohne deren Dienstleistungen mein vortrefflicher Frennd und Beschützer, wie ich wohl wußte, nicht lange sein konnte. Ich hatte auf diesem kurze» Marsche noch einmal Gelegenheit, den fuchst eigenthümlichen Charakter dieser Flnßlandschaftcn zu genießen, wit ihren zahlreichen Armen, ihren kleinen Landrücken nnd ausge« dehnten Sümpfen. Letztere waren jedoch fehr viel trockner geworden, denn das Wasser hatte sich seit unserem letzten Besuch (am 20. und 21. April) bedeutend zurückgezogen und ohne Schwierigkeit gelangten wir zu dem wohlbekannten Lager der Kel-n-Notunder in Ernesse, wo ------ 356 ------- ich gleich bei meiner Ankunft zum Willkommen mit einem Trunk, einer Schale Ghussub-Nasser, gastlich bewirthet wurde. Ernesse war ein schöner Platz für ein ^ager, denn die ^uft war dort rein und gut, aber er bestand einzig und allein aus einem schmalen Dünentamm, nach Norden begrenzt von einem ausgedehnten Sumpf, dessen Rand mit dem üppigsten Pflanzcnwuchs geschmückt war, durchwoben von Schlingpflanzen und von Dumgcbüsch durchbrochen. Dieses Dickicht bildete einen Schlupfwinkel für eine große Menge wilder Bestien, besonders ^öwen, die hier am Rande der bewohnten Zone in grußer Anzahl hansm, während sie in den dichtbevölkerten (legenden des Negerlmidcö überaus selten sind. So gaben mir die Bewohner des Vagers eine lebendige Beschreibung eines nächtlichen Kampfes, der ein paar Tage zuvor zwischen zwei Löwen um eiue Löwin gewüthet hatte. — Der Niger, der hier sehr breit war, umschloß eine großc flache Insel 'Namens Banga-gungu (d. i. Hippopotamus-Insel) neben einer kleineren; an das Ufer des Stromes fclbst zu dringen, machte mir eine Art sehr hohen Grases mit gefährlichen Stacheln unmöglich. Es war zwar beschlossen worden, daß wir hier die Ankunft des Scheichs erwarten sollten, aber schon am zweiten Morgen unseres Hierseins schienen die Kel-n-Noknnder der Ehre, eine so zahlreiche Gesellschaft auf unbestimmte Zeit bewirthen zu müssen, genug zu haben und machten den Versnch, nns unter den Händen zu entwischen. Ohne ein Wort zu sagen, brachen sie Murgcnö plötzlich ihre Zelte ab und zogen von danncn. Glücklicherweise wanderten sie ostwärts und in dieser Richtung wäre ich damals gern bis au's Ende der Welt gefolgt; während daher meine Kameraden, die Schüler deS Scheichs, ihnen nachstürzten, um sie zurückzuhalten, hatte ich meine Habfclig-teiten im Augeublick gepackt und folgte ihnen längs desselben schmalen Dünenzugs, an welchem unser Weg bei unserer Herkunft entlang geführt hatte. Nach einiger Zeit nahmen die Dünen an Höhe ab, bekleideten sich jedoch mit allerhand Pflanzen und zwar znerst mit Kolo-quinten, weiterhin mit der ^,«c1«iüa« giganwu, und einer blauen ()u-«Kra; zuletzt aber hörten sie ganz auf und machten einem niedrigen Ufer Platz, das während des höchsten Standes der Ucbcrschwemmnng die Verbindung zwischen dem Fluß und der sumpfigen Niederuug bildet, die sich hinter den Dünen ausdehnte. Der Strom machte hier eine schöne Biegung nach Südosteu und durch das mit Byrgu und ____ I57 ____ hohem Rohrgras reichlich überwachsene niedrige Ufergelände erreichten Wir die hohen Dünen von Ule-Tcharge, auf deren höchsten: Punkt die Kel-n-Notunder ihr Lager aufschlugen. — Es war abermals ein herrlicher Lagerplatz, der, etwa 150 Fuß über dem Spiegel des Flusses erhaben, eine prächtige Aussicht über denselben eröffnete; denn daman jener Biegung nach Süden entlang sah, gewährte der majestätische Strom hier den Anblick eines ausgedehnten See's, in welchen die hohen Dünen wie ein Vorgebirge hineinragten, da sie auch im Osten durch einen aus der grünen Sumftfeocnc in den Hauptstrom sich mündenden Arm vom Lande getrennt waren. Die Eingebornen behaupten, daß der Fluß während der größten Trockenheit an einer Stelle unfern von hier furthbar wäre, was bei seiner großen Breite allerdings nicht unwahrscheinlich ist. Näher am gegenüberliegenden Ufer dehnte sich eine niedrige grasreichr Insel aus und ein anderer schmaler Inselstrcifen war diesseits durch eiucu engen, mit dem schönsten Byrgu überwachsenen Kanal vom Ufer getrennt. Dieser letztere war voller Krokodile, don denen einige nicht weniger als 18 Fuß maßen, die größte Länge, welche ich dieses Thier überhaupt in Afrika erreichen sah. Indem sie hart unter der Oberfläche des Wassers schwammen, bedrohten sie in hohem Grade die Sicherheit dcs Viehes, welches das hohe Gras abweidete, und gleich am ersten Tag raubten sie unseren Wirtheu zwei ihrrr Kühe. Es war dies leider nicht das einzige Unheil, welches sie anrichteten; einem Manne, der für meine Pferde Vyrgu abschnitt, riß eines dieser gefräßigen Ungeheuer fast den ganzen Fuß weg. Unsere flüchtigen Wirthe schienen, als sie unsere Beharrlichkeit sahen, sich in ihr Schicksal ergeben zu wollen, wenigstens hielten sie hier auf den hohcu Dünen von Ulc-Teharge Stand. Der interessante Charakter unserer Lagerstätte genügte jedoch nicht zum materiellen Wohlsein, und da uns unsere Wirthe nur mit einem sehr geringen Maaß von Nahrung versahen, warteten meine Gefährten mit nicht Mingerer Sehnsucht als ich selbst auf Nachrichten vom Scheich. Auch Meine eigenen Reiseprovisionen näherten sich ihrem Ende und ich hatte deshalb schon von Ernesse aus meinen treucstcn Diener nach Timbuktu geschickt, um neueu Vorrath einzukaufen. Am 14. Mai kam er von da Mrück und sah sich bald von allen Seiten mit Fragen nach Neuigkeiten umdrängt. Er war kurz vor Sonnenuntergang in der Stadt angekommen, hatte sich sogleich beeilt, das Nöthige einznkaufen, und sich dann schleunigst nach dem Lager des Scheichs zurückgezogen. Denn ------ 358 — sobald seine Ankunft in Timbuttu und die Rückkehr El Bakay's bekannt geworden war, hatte sich der Stadtbewohner die größte Ans-regung bemächtigt, weil sie glaubten, daß auch ich mich wieder ein-finden würde; ja, man hatte sogar angenblicklich die Alarmtrommel rühren lassen. Vom Scheich selbst brachte mein Diener leider keine Nachricht, denn er war gleich am frühen Morgen aus dessen Lager wieber aufgebrochen, ohne ihn gesehen oder gesprochen zu haben; dagegen bestätigte er die Nachricht, die man mir schon während unseres Rückmarsches mitgetheilt hatte, daß nämlich Briefe für mich ange-kommen wären. Da wurde am 17. Mai gegen Mittag das ganze Lager durch die Ankunft zweier Anhänger des Scheichs in die frendigste Anfregnna. versetzt. Sie meldeten uns, daß mein Beschützer nicht allein schon Wieder ostwärts aufgebrochen sei, sondern daß er uns sogar in dieser Richtung schon überholt habe, indem er an dem nördlichen Rande des Snmftfes, der sich hinter unserm Lagerplatz erstreckte, hingezogen wäre. Alles war voller Jubel und in einem Augenblick war unser Gepäck auf dem Rücken der Kameele. Aber wir mußten unsere Ungeduld zügeln, denn nnr auf einem weiten Umweg tonnten wir die von tiefen Sümpfen umgebene und halbinselartig abgeschlossene Dünenkette verlassen, da es unmöglich war, den dieselbe ostwärts begrenzenden Wasserlauf mit den schwer bepackten Vastthicrcn zn passircn. Erst nach drei Stunden befanden wir uns wieder dem verlassenen Lager ganz nahe gegenüber, nnd auch dann noch währte es lange Zeit, ehe wir in dem buschrcichen und durchschnittenen Terrain den Aufenthaltsort des Scheichs auskundschaften tonnten. Als wir sein Lager endlich erspähten, sprengten wir in salopp daranf zu und fanden meinen ehrwürdigen Freund im Schatten eines Ssiwak ruhig schlummernd, ohne daß das Geräusch der nahenden Pferde ihn erweckte. Um das Erwachen des Scheichs ans seinen: friedlichen Schlummer abzuwarten, setzte ich mich nnter einem andern jener Bäume nieder nnd überließ mich einstweilen dem frohen Gedanken an die Heimreise; tonnte ich doch min mit Sicherheit hoffen, daß dieselbe nach so mancher bitteren Täuschung nnd so mancher meine Geduld auf die härteste Probe stellenden Verzögerung jetzt wirklich ungehindert stattfinden sollte. Endlich erwachte mein Freund und ich begab mich zu ihm. Er empfing mich mit einem janfteu Lächeln, indem er mir sagte, daß er nun bereit sei, mich ohne weiteren Anfenthalt und ohne irgend eine Behinderung auf meiner Reise zu geleiten. Bei ------- 359 ------- diesen Worten überreichte mir mein Beschützer ein Packet Briefe und sonstiger Papiere; es befanden sich dabei die Abschriften zweier Briefe von i>ord John Russell vom 19. Februar 1^53, ein Schreiben Lord Clarendon's vom 24. desselben Monats, ein Arief von Ritter Bunsen, ein anderer vom englischen Konsul in Tripoli und eudlich deren zwei vom Agenten in Fcsan. Anßerdem enthielt das Packet weiter keine Briefe, weder von meiner Familie, noch sonst von irgend einem meiner Freunde, aber es waren noch beigelegt zwei Nummern des „Galig-nani" nnd das „Athenäum" vom 19. März 1853. Die Freude, welche ich empfand, wieder einmal etwas von Europa zu hören, kann ich kaum beschreiben, aber noch mehr Vergnügen verursachte mir der allgemein gehaltene Brief Lord John Russell's, welcher das wärmste Interesse an meinem Unternehmen ausdrückte. Die übrigen Briefe betrafen besonders die Ausscndung Dr. Vogel's nnd seiner Gefährten und so eröffuetc sich mir die AuS-sicht, einige europäische Gefährten in Bornu zu finden — im Fall, baß es mir gclmM sollte, mein afrikanisches Standquartier, Kukaua, in Sicherheit zn erreichen. Von der Expedition ') nach dem Tsadda oder Benue, die, wie ich später erfuhr, eiuige Zeit vor dem Empfang dieser Briefe anfgebrochcn war, erhielt ich jedoch bei dieser Gelegenheit auch nicht die geringste Andeutung, sondern dies geschah erst im Dezember, als die Expedition schon wieder nach England zurückgekehrt war, uud doch hatte ich selbst in gewisser Beziehung daran Theil nehmen sollen. Die Geschichte dieses Packetes war eine sehr wunderbare, denn offenbar war es über Bornu gekommen und dessenungeachtet befand sich zu meinem nicht geringen Befremden auch nicht eine einzige Zeile vom Vczier dabei, der mir, wenn Alles in Ordnung gewesen wäre, ohne Zweifel geschrieben haben würde. Dazu kam, daß der äußere Umschlag abgenommen worden war, während doch die Siegel der Briefschaften selbst keine Spur von Verletzung zeigten. Die Ursache dieses Umstandes erfuhr ich erst viel später; sie bestand darin, daß, ehe das Packet Ssokoto verließ, die Nachricht von der Enthauptung des Veziers schon jene Stadt erreicht hatte; da wurde denn der bei« liegeudc, an mich gerichtete Brief Hadj Bcschir's herausgenommen und vielleicht auch noch irgend eine Kleinigkeit, die er für mich bestimmt hatte. — Nun aber ereignete es sich, daß der Reisende, welcher ') Siehe Bd. I, S. 439, Anmerkung. — 360 ------ beauftragt war, das Packet nach Timbuktu 5», bringen, unterwegs, zwischen Gando und Ssai, von den Gobcrana odor Mariadaua er schlagen wurde; glücklicherweise geschah dies gerade iu ciuem Augenblick, wo er das Packet zufällig eiuem (Gefährten übcrgebcu hatte; Letzterer setzte sciuc Reise glücklich fort uud brachte es uach Asauad, wo es wenigstens zwei Monate liegen blieb, wahrscheinlich weil es der Häuptling der Berabisch, durch das Vordringen der Franzosen mißtrauisch gemacht, aus Furcht, es möchte eine für sein Land uach-theiligc Nachricht cuthaltcn, zurückbehielt. Iudesseu trug der Tod des eigentlichen Boten, der jenes an mich adressirtc Packet hatte überbringen sollen, wahrscheinlich viel zur Verbreitung des Gerüchtes bei, daß ich selbst iu der Nähe von Maradi erschlagen worden wäre. Damals und sogar noch viel später hatte ich jedoch noch keine Ahnung davon, daß solche Gerüchte über mich in den Gegenden umliefen, die ich hinter mir gelassen hatte'). Ueberaus freudige Gefühle waren es, die mich bewegten, als ich am 15v Mai in Gesellschaft meines edlen Beschützers die Ncise gen Osten zum zweiten Male antrat, und mit einer Nnhe und Freudigkeit, wie ich sie seit lauge nicht gcuosseu hatte, ließ ich meine Blicke bald auf der bunt zusammengesetzten Schaar rnhen, die uns begleitete, bald auf den besonderen Zügen der Landschaft, die uns nmgab. Der Pfad, den wir verfolgten, wich etwas von demjenigen ab, den wir auf der veruuglückten ersten Fahrt gen Osten eingehalten hatten; er verlief jedoch im Allgemeinen nördlich von der Flußniederung, bis wir uns in der Gegend von Iseberen, von wo jener traurige Rückzug begann, dem Strome wieder näherten. Hier angekommen ritt ich selbst, wäh- ') Weniger zu verwundern war cö, baß während meiner Reise nach Tim« buktu und zurlick sich auch in meiner Heimath daß Gerücht von meinem Tode verbreitet hatte. Gegen Ende des Oktober 1MA hatte ich die Nachricht von meiner Ankunft in Tumbuktu uach Europa geschickt und später, im Februar 1854, mit einem kleinen Trupp tauater Kaufleute ein Packet an den englischen Agenten in GbadameS gesandt. Dieser aber war mittlerweile a!ö Dolmetsch des Herzogs von Cambridge in die Krim geschickt worden, ohne mir vorher davon Anzeige gemacht zn haben; jenes Packet blieb deshalb nber 2 ,^ahrc im englischen ^ou« sulatshause zu Ghadamcs liegen und meine Familie wnrdc in Folge dessen dnrch die fast bestimmte Nachricht von meinem Tode in die tiefste Traner versetzt; alle meine Angelegenheiten geriethen in Verwirrung, und als ich cudlich verarmt und tief verschuldet in Haussa ankam, wo ich Alles zu finden hoffte, dessen ich bedürfte, waren selbst die Mittel, die ich dort zurückgelassen hatte, — weil man mich todt glaubte, eingezogen worden. ^ 361 rend meine Gefährten etwas weiter landeinwärts dahin zogen, möglichst nahe am Ufer entlang um mich davon zu überzeugen, daß wir jenr unglückselige Stelle anch wirtlich hinter uns ließen, und nm noch einmal den prächtigen Anblick des Stroms von jenem Punkte aus zu genießen. Die ersten darauf folgenden Tage ging es ziemlich langsam vorwärts, denn auch bei dem besten Willen tonnte der Scheich seine Neigung zu Aufschub und Zögerung nicht ganz unterdrücken; zahl» reiche Seitenarme und Sümpfe, zwischen denen wir uns mühsam hiudurchwinden mußten, thaten ebenfalls das Ihrige, den Marsch zu verzögern. Mr auf kürzere Strecken erlaubte es eine wohlmarkirte und scharfe Begrenzung des Flusses, hart am Rand des klaren Ge^ Wassers auf schönem sandigen Ufer dahin zu ziehen. An einer solchen Stelle bemerkte ich auch zum ersten Mal die Fußtapfen des „Sangnai" genannten Thieres, welches allem Anschein nach ganz verschieden vom Krokodil und vielleicht dem amerikanischen Iguana ähnlich ist. Es soll viel kleiner als'ein Krokodil sein, doch ließen die dem Sande eingedrückten Spuren auf einen viel breiteren Fuß schließen, dessen Zehen augenscheinlich durch eine Schwimmhaut nuter einander verbunden sind; der Schwanz scheint anch kleiner zu sein als beim Krokodil. Das Thier selbst kam mir unglücklicherweise nie zu Gesicht, sondern nur die Abdrücke seiner Füße im Sande; seine Länge scheint nur 6—8 Fuß zu betragen. Der Pflanzenwuchs war im Allgemeinen üppig uud die (^^aris soäata der vorherrschende Baum, dessen kleine rothe Beeren, die gerade reif wurdeu, uns gelegentlich einige Erfrischung gewährten. Man kann jedoch diese Beeren, wenn sie frisch find, nur in höchst geringer Menge zu sich nehmen, da sie einen sehr starken Geschmack, wie Pfeffer, haben; getrocknet dagegen schmecken sie angenehmer und bilden in diesem Zustande einen nicht unbedentcnden Nahrungsartikcl der nomadischen Bevölkerung dieser Gegend. — In einigen zwischen höhere Dünenzüge eingeschnittenen Thälern, welche von nicht unbe^ deutenden todten Flußarmen durchzogen wurden, waren diese letzteren von cinem dichten Gürtel größerer Bäume (Dmupalmcn) eingeschlossen, die durch Schlingpflanzen cög mit einander verflochten waren. Auch auf, dem südlichen Ufer des Niger waren mehrere ^ager im Schatten schöner Dnmpalmen nnd belebt von zahlreichen Schaaf^ und Ziegen-heerden sichtbar. — Weiterhin gelangten wir zn einem bedeutenderen Hinterwasser, das sich einige Meilen weit fast parallel mit dem Haupt- ------ 362------ ström hinzog. Die größeren Bäume wilrdcn hier seltener, dagegen zeigte sich Anbau vun Tabak und Reis, beides unverkennbare Zeichen, daß wir uns wieder festen Ansiedelungen näherten; denn die ganze bisher durchzogene Uferstrecke war nur von nomadisirenden Tuareg-Stämmen bevölkert worden. Aber an mehr als Einer jetzt öden Stätte waren wir vorübergezogen, wo einst voltreiche Orte gestanden hatten, und cs ist schwer, sich eine Vorstellung zu machen von dem verschiedenen Anblick, den dieses Land in früheren Zeiten dargeboten habeu nnch, wo alle gimstig gelegenen Stellen von blühenden Wohn-Plätzen eingenommen wurden und sich am Flusse entlang ein lebhafter Verkehr ausbreitete. Wir folgten den Windungen des zuletzt erwähnten Wasscrlaufs und langteu (am A2. Mai) an der Stelle seines nördlichen Ufers an, welcher auf dem südlichen das Städtchen Nh?rgo gegenüberliegt. Dieser Ort, etwa 19 deutsche Mcileu vou Timbuktu entfernt, ist nicht ohne Interesse, dem« er soll einheimischer Ueberlieferung zufolge sieben Jahre älter sein als Timbuktu selbst, nnd er dürfte sich daher vielleicht mit einem der historischen, von den arabischen Geographen erwähnten Mittelpunkte des Lebens dieser Gegenden in frühester Zeit ideutific'ircu lassen. Die Einwohner sind natürlich Ssourhai, schienen mir aber nach ihrer Gestalt und ihren Zügen eine starte Vermischung mit Mo-ssi-Sklaven zu verrathen. Sie trugen meist eng anschließende Hemden und Hosen, aus Baumwollstreifeu von einem fehr groben Gewebe verfertigt; auf dem Kopf hatten sie einen armseligen zerlumpten Turban, wenn man anders einen schmalen Lappen eben jenen Stoffes so ncuueu kann. Sie ziehen in dem der Ucbcrschwcmmung ausgesetzten sumpfigen Flachland viel Neis und Tabak, treiben Viehzucht und halten namentlich eine Menge Gänse von ansehnlicher Grüße. Da aber seltsamerweise das nahrhafte Byrgugras hier ganz fehlt, müssen sie ihr Vieh in ziemliche Entfernung zur Weide treiben; ich tonnte aus diesem Gruud zu meinem großen Leidwesen hier nicht einmal einen Trunk Milch erhalten. Da wir einen ganzen Tag dem Städtchen gegenüber liegen blieben, machte ich einen Spaziergang dic nach worden zu schwach ansteigenden Dünen hinauf. Sie bestanden theils ans Sand und Kies, theils aus noch gröberein Gestein und ich überblickte im auffallenden Gegensatz zn der weiten grünen Thalebene des Niger eine nackte Wüstenlandschaft, deren Boden nach Norden zu gewellt, aber ganz ohne Pflanzenwuchs war, vereinzelte Büschel trockenen Krautes ausgenommen. ------ 363 ------ Am 33. Mai brachen wir in der Morgenkühle auf und hielten uns hart an dem Rande des flachen, sumpfigen Wassers, das allmählich schmäler wurde und sich drm Hauptarm des Flusses näherte. Als kür uns uach etwa ^ Stunden Wegs wieder etwas vom Wasser entfernten und in die Wüste einbogen, erblickten wir zahlreiche Fuß-tapsen der Giraffe, gewöhnlich drei oder vier zusammen. Diese Thiere kamen offenbar nur zur Tränte hierher, denn der Pftanzcnwuchs war höchst spärlich und der Bodeu meist nur mit niederem Gestrüpp bedeckt. — Ein Häuptling der Kcl-antsar war zu uns gestoßen und lud uns ein, die heißen Tagesstunden in seinem Lager zuzubriua.cn, das unweit auf einem hohen Vorsprung des Nigerufers lag, jenseits eines reichen Thaleinschnittes. Wir folgten der Einladung und die Stammgenossen unseres Wirths schlachteten uns zu Ehren ein ganzes Rind und brachten uus eiue große Menge Schüsseln mit Reis und saurer Milch. Der Stamm der Kel-antsar ist sehr zahlreich und um> faßt mehr als 1000 erwachsene Männer, lebt aber über einen großen Landstrich zerstreu^ von Gogo bis westlich von Timbuktu und selbst bis in das Innere von Taganct, einer Landschaft in der Wüste zwischen Timbuktu uud Asauad. Wir hatten von dem hohen Ufer aus eine herrliche Aussicht über den Niger, da wo er sich jenseits einer Insel, die ihn in zwei Arme gespalten hatte, wieder verewigte, mußten ihn aber bei unserem Wei-trrmarsch am Nachmittag etwas zur Seite liegen lassen. Nu einem großen, ziemlich ausgetrockneten Hmtcrwasser trafen wir gegen Abend auf eine heimkchreude Heerdc, und iudem wir derselben folgten, kamen wir zu einem andern Lager der Kel^autsar, die uns uicht minder gastfrei bewirtheten als ihre Brüder. Als wir uus am andern Morgen zum Aufbruch rüsteten, überzog sich der Himmel dicht mit Woltcu, die sich im Süden des Niger, iu Aribinda, in einem sehr heftigen Regen entluden; auf unserer Seite aber ließ es ein starker Wind nicht zum Regen kommen. Ucberhaupt fällt auf der Südseite des Flusses eine bei weitem größere Menge Regen als auf der nördlichen oder der Seite von Aussa. Blieben wir nun auch von oben her trocken, so zeichnete sich doch der heutige Tagemarsch, der uns uach Bamba briugen sollte, dadurch aus, daß wir ein ganzes Labyrinth von Hintcrwassern Passiren mußten, da wir uns nicht weit genug landeinwärts hielten. Die große Schwierigkeit ihrer Passage lag uicht in der Tiefe, sondern in den dichten Massen von Byrgu, womit sie durchwachsen waren, in Folge dessen die Pferde ------ 364 ------ mit den Hufen sich so in das GraS verwickelten, daß mehrere derselben zum großen Uubchagen ihrer Gleiter stürzten. An einer Stolle vereinigten sich mehrere, dieser todten Ariue iu einer seichton, 1—iz Stunden breiten Ausbuchtung des Hauptstroms, halb Fluß, halb sumpfige Grasfläche, die ganz mit Wasserlilien (X^mpImcH l^w») bedeckt war. Weiterhin sahen wir uns plötzlich in einen Sumpf verwickelt, welcher von kleinen Deichen durchzogen war, um das Wasser für den Reisbau zurückzuhalten; wir folgten einem derselben, fanden aber, daß nahe an dem gegenüberliegenden festen Ufer der Deich von einem Kanal durchschnitten war, über den unsere Pferde hinwegsetzen mußten. Mein edles Roß trug mich glücklich hinüber, Andere da-Men, deren Pferde den Sprung verweigerten, mußten sich mühsam durch den Sumpf hindurcharbeiten. Endlich hatten wir auch diesen Sumpfboden hinter uns und nun bezeugte Alles, daß wir uns einem anderen der kleinen, weit auseinander gelegenen ^>rtc näherten, in deneu sich das Leben der seßhaften Bevölkerung dieser verwilderten Gegenden koncentrirt. Zuerst zeigten sich überall jene Deiche zur Herstellung von Reisfeldern und Plätze, wo Byrgu iu Haufen über ein schwaches Feuer gehalten wurde, um die kleinen Blätter abzubrennen und dann um so leichter aus dem getrockneten Halme den Byrguhouig zu gewinnen; dann folgten kleine Tabaksfolder und Weizcnbeete, — denn der Weizen kann nur in kleinen, von Wasscrrinncn durchzogenen Beeten gepflanzt werden, — ja, selbst Gerste sah man hier, einen sonst in allen diesen Gegeuden ganz uuerhörten Artikel. Dabei zeigten die tiefen, zur Bewässerung dieser Anlagen geleiteten Rinnen einen Grad von Betriebsamkeit, den ich lange nicht gesehen hatte. Jetzt war natürlich Alles trocken und nur die Stoppeln allein standen auf den Feldern; denn Bewässerung kann man nur währcud des höchsten Flußstandes anwenden, wenn das Wasser hart an diese Pftanzuugen herantritt. Hier erhielten wir auch die erste Ansicht von Bamba oder vielmehr von seinen Dattelpalmen, deren Fächerkronen über ein sandiges Vorgebirge emporragten, nnd bald hatten wir das Städtchen selbst erreicht. Da ich fast nicht eine einzige Dattelpalme gesehen hatte, seitdem ich Kano verlassen, machte es mir großes Vergnügen, wieder einmal einige schöne Exemplare dieses majestätischen Baumes zu erblicken. Auf der Westseite des Dorfes bildeten die Bäume Gruppen und gewährten in ihrem verwilderten Zustande, mit den alten, trockenen Blättern, die zwischen den frischen herabhiugen, einen recht malerischen ------ 365 ------ Anblick. Auch auf der Ostseite des Ortes, wo wir unseren Lagerplatz nahe bei ciuem prächtigen Tamarindenbaume wählten, schössen zwei hohe, schlautc Palmen auf und bildeten eine besonders anmuthige Gruppe; aber im Ganzen überstieg die Anzahl aller völlig ausgewachsenen Dattelpalmen kaum 4!» Stück, die übrigens eine gute Frucht liefern sullen. Das Dorf oder Städtchen selbst besteht im Augenblick aus etwa 200 Hütten, die ans Mattenwert in ovaler Gestalt erbaut sind; eine kleine Moschee nnd zwei oder drei andere Thongcbäudc oder vielmehr Magazine machen davon eine Ausnahme. Von den letzteren ist eines das Eigenthum Ahmed Baba's, eines jüngeren Bruders des Scheichs El Bakay, der gewöhnlich hier seinen Wohnsitz hat, zur Zeit aber abwesend war. So unbedeutend ist der Zustand des Ortes in gegenwärtiger Zeit, aber es kann lein Zweifel herrschen, daß Bamba vor drei Jahrhunderten ungleich bedeutender war. Dafür bürgt schon allein seine häufige Erwähnung in der Geschichte Ssonrhai's. Anch mnß seine Lage — an einem Punkte, wo der Fluß, uachdem er sich wenia/ stcns während eines großen Theiles des Jahres über eine Oberfläche von mehreren Meilen Weite ausgebreitet hat, von hohen, abschüssigen Felsufern eingeschlossen uud auf eiue Breite vou 900 bis 1000 Schritte zusammengepreßt wird — von der höchsten Wichtigkeit gewesen sein zu einer Zeit, wo die ganze Landschaft längs dieses großen, schiffbaren Flusses in dem Bereich eines mächtigen und sehr ansgedehntcn Königreiches mit Inbegriffen war, ja selbst in späterer Zeit, Wo sie eiue Provinz von Marokko geworden. Ich hege nicht den geringsten Zweifel, daß es der Statthalter von Bamba war, der den trefflichen Reisenden Ebn Batuta so gastfreundlich auf seiner Schifffahrt von Timbuktu nach Gogo aufnahm, beider führte mein Reifetollegc ans dem 14. Jahrhundert kein genaues Tagebuch und vergaß den Namen dieser gastlichen Stadt. Der Wichtigkeit seiner Lage wegen war Bamba in früheren Zeiten höchst wahrscheinlich stark befestigt und beständig der Sitz einer Garnison; darans würde sich auch der Name „Kaöbah" —„Festung" — erklären lassen, den die Tuareg noch heute dem Orte geben, so wie ferner der Umstand, daß die gesammte Bevölkerung von Bamba noch hent zu Tage nur aus sogcnanutcn Numa oder Erma besteht, jenen Mischlingen, die aus der Verheirathuug der marokkanischen Musketen-träger mit eingebornen Weibern nach der Eroberuug des Landes durch ------ 366 ------ Marokko hervorgegangen sind. Während ihre Väter aber lange Zeit die wirtlichen Herren des Bandes waren, führen sie selbst ein ziemlich armseliges Dasein, nnd kamn vermag das Ausehen Ahmed Baba's sie vor den täglichen Erpressungen der Tuareg, der übermüthigen Herrscher der Wüste, zu bewahren. Wir Reiter waren dem Trosse vorausgeeilt, und während wir auf die Ankunft nnserer Kameele warteten, setzte ich mich auf einer das steile, hier etwa 25 Fuß hohe Ufer überragenden Klippe nieder und genoß die prächtige Aussicht auf den Strom, diese große Wasserstraße des westlichen Binnen-Afrika. Gerade für die Eigenthümlichkeiten im Laufe des Niger ist Aamba ebenfalls ein bemerlenswerther Ort, denn bis hierher fließt derselbe zwischen ineist flachen, sumpfigen Ufern, über die er weithin sein Netz von todten Armen ausbreitet; von Bamba aus aber, stromabwärts, wird er mit wenigen lokalen Ausnahmen zwischen scharfmartirten Ufern eingeschlossen und zuweilen sogar bedeutend eingeengt. Während ich noch hier saß und mich der interessanten Scenerie erfreute, lameu eiuige Bewohner des Städtchens zu uns heraus und gaben mir Gelegenheit, diese Nachkommen der gefürchtcten Ruma etwas näher iu's Auge zu fassen. Sie zeichneten sich vor den ge^ Wohnlichen Ssonrhai durch größeren Glanz und größere Helle ihrer Hautfarbe aus, auch waren ihre Züge regelmäßiger uud ihre Augen hatten mehr Ausdruck. Als äußeres Zeichen ihrer edleren Abkunft trugcu sie eine rothe Binde von etwa zwei Zoll Breite über dem Shawl, der den obern Theil ihres Gesichts verhüllte, und einen ledernen Gurt, der eigentlich dazu bestimmt ist, nm die Hüften befestigt zu wcrdeu, gewöhnlich aber lose über die Schulter häugend getragen Wird. — Der Ort mochte zur Zeit etwa 700 Einwohner haben, und obgleich der sorgsame Anbau ringsum auf Wohlhabenheit schließen ließ, hatten wir große Mühe, einen kleinen Vorrath von Reis und Butter zu erhalten, indem die Bewohner aller Ortschaften dieser Gegenden ans Furcht vor den brandschatzenden Tuareg eine größere Armuth vorschützen, als sie in Wirklichkeit zu ertragen haben. Tabak war der einzige Artikel, den die Einwohner don Aamba freiwillig zum Verlauf anboten. Der Tabak von Bamba ist längs des ganzen Niger unter dem Namen „Scherikie" weit berühmt und sehr gesucht, denn alle Anwohner des Stroms lieben das Raucheu gleich sehr. Wirtlich legen diese Leute ihre kleinen niedlichen Thonvfeifchen fast nie aus der Hand, halten aber — Numa sowohl als Tuareg — ------367 ------ auch beim Rauchen den Mund bedeckt, so daß nur der kleine Pfeifentupf unter dem Mundstück des Shawls hervorsteht. Wir blieben dcu größeren Theil des folgenden Tages noch hiev liegen, so daß ich noch einmal Gelegenheit hatte, am frühen Morgen bei wunderschön klaren, Himmel eine Stunde auf dem Felsen an, Ufer des Stromes zu verträumen, dessen Oberfläche nun ruhig nnd glatt vor mir lag, während sie am Tage vorher vou einem heftigen Winde stürmisch aufgeregt war. Es zeigten sich zwar einige Boote, die nach einer gegenüberliegenden Insel rndcrtcn, doch ist anch hier, wie überall ans dem herrlichen Fluß, so weit er in gewaltigem Bogen am Nande der Wüste durch spärlich bevölkerte Landschaften strömt, an einen auch nnr cinigermaaßen regen Flußvcrkehr nicht zu denken. Später im Laufe des Bormittags stattete ich dem Scheich einen Besuch ab in seiner geräumigen, auS vortrefflichem Flechtwcrk errichteten Matteuhütte, welche die Bewohner von Bamba cigends für ihn aufgeschlagen hatten. Die dort versammelten Glieder der edlen Familie Ssidi Mohammed's' vom Stamme der ktunta waren durch einen jüngern Bruder El Batay's vermehrt worden, Namens Ssidi Ile-min, der schon am Tage zuvor sich cingefunden hatte, seinen Bruder auf dem Durchzug durch das Land zn begrüßen. Seine wohlgefälligen Züge verriethen unverkennbar den angebornen Adel, der in der That diese ganze Familie in hohem Grad auszeichnet. Ssidi Ilemin lMte einen Sohn bei sich, einen hübschen siebcuiährigen Knaben, und kam mir, als ich mich der Hütte näherte, freundlich grüßend entgegen. Erst spät am Nachmittag (des 25. April) brachen wir wieder auf. Wir näherten uns jetzt einer sehr bemerkcnswerthcn Stelle im Laufe des Niger; denn nur wenige Meilen stromabwärts vou Bamba erreicht derselbe den nördlichsten Punkt in seiner großen, der Wüste zugekehrten Biegung. Gerade hier aber ist das linke Ufer noch einmal auf eine größere Strecke hin flach und sumpfig, mit zahlreichen Wasser!äufcn und künstlichen Deichen durchzogen. Da nun bald die Dunkelheit über uns hereinbrach nnd wir, die Schwierigkeiten des Bodens nicht achtend, gerade auf die Feuer eines vor uns liegende» Tuarcg-Lagers lossteuerten, gelang es uns nur mit der größten Mühe und nnter steter Lebensgefahr über die schmalen Dämme nnd durch tiefe sumpfige Furchen nnser Ziel zn erreichen. Beinahe hätte ich hier den Verlust meines getreuen Gatroncrs zu beklagen gehabt, denn er stürzte mit seinem Pferde von dem schmalen Dammweg in ein tiefes, mit ------- 36« — Wasser gefälltes ^?och hinab, so dasi nur seine Gewandtheit sein Leben rettete; aber große Anstrengung kostete eö, auch das Pferd aus seiner gefährlichen Lage zu befreien. Um ähnlichein Uugemachc zn entgehen, liesi ich am andern Morgen meine Vcute sich iu ziemlicher Entfernung vom Flusse halten, wo der Weg über sanft gewellte Dünen führte. Unsere Marschrichtung, die bisher im Allgemeinen, dem ^auf des Stromes folgend, eine ostuurdöstliche gewesen war, mußten wir an diesem Morgen mit einer nordöstlichen vertauschen, um eben den vorhin erwähnten nördlichsten Punkt des Niger zu umgehen. Dieser aber besteht iu einer stachen, etwa ^/4 eiuer deutschcu Meile laugcu Einbuchtung, welche von der Höhe der Biegung, mit welcher der majestätische Strom sich hier nach Ostsiid-ostcn wendet, in der entgegengesetzten Richtung in das umgebeude flache Sumvfland hineinragt. Diese merkwürdige Einbuchtung heisst Tera-rart') und bildet an ihrem Ursprung mit dein Haufttstrom eine schmale Landzunge, ans deren Dünen der oben in Verbindung mit Mungo Part'S Schicksalen erwähnte und besonders durch seineu Tabak berühmte Weiler Egedesch liegt. Diese höchst bcmerkcnswcrthe Stelle im Laufe des Niger wird ferner durch einige Iufeln im Strome und am südlichen Ufer ebenfalls durch mehrere eng an einander gereihte Durfschaften bezeichnet; in Hinsicht der geographischen Position aber wird der Fluß nach meiner Aufnahme nur wenige Minuten weiter nach Westen zu von dem ersten Meridian (westlich von Greenwich) durchschnitten nnd die Mitte des Stromes erreicht wenigstens die nördliche Breite von 17° 4ü'. Wie verschieden ist also der Lauf des Niger, wie ich ihn hier nach einer ununterbrochenen Reihe vou Kompaßbeobachtuugen und nach genauer Schätzung der Eutfcrnuugen niedergelegt habe, und wie man sich denselben vor meiner Reise dachte! Nicht bei Timbuktu, wie mau wähnte, sondern erst hier, mehr als 30 deutsche Meilen ^ also mehr als zwei Längengrade — östlich von dieser Stadt, hatten wir den uördlichsteu Punkt des Flusses erreicht und begannen nun erst in ostsüdöstlicher Richtung nach dem nächsten wichtigen Abschnitt seines Laufs, dem Knie von Aurrum, hinabznstcigen. ') Ich will nicht unbemerkt lassen, daß ich diesen wichtigen Punkt zu einer Jahreszeit besnchte, wo der Fluß fast scincu niedrigsten Stand erreicht hatte; zur Zeit war diese lange, schmale Bucht ganz mit Wasserpflanzen bedeckt und diente zahlreichen Schwärmen wilder Gänse zmn Anseuthalt; in der Periode deß Hoch-Wassers mnh dieselbe natürlich einen ganz veränderten Anblick gewähren. ------ 369 ------ Wo der Strom die eben genannte Richtung anzunehmen beginnt, erstiegen wir eine mäßige Erhebnng des Ufers, die aus halb-verwittertem Sandstein bestand, gelangten aber nach etwaN Stunden wieder an den Rand des Flusses hinab; er war hier voll grüuer Inseln, anf denen eine hübsche Anzahl fetten Viehes weidete. Eine Stunde weiterhin schlugen Kur unsere Zelte für die Nacht an einem Ort Namens Tewilaten oder Stewilatcn in der Nähe eines Lagers der Kel-Tebankerit anf. Auch während dieses Tagcmarsches hatte es in Ari-binda heftig geregnet, während wir am nördlichen Ufer bei etwas Wetterleuchten, das den ganzen Abend anhielt, nur einen leichten Schauer hatten. Ms hierher waren wir seit unserem zweiten Anfbruche mit ziemlicher Schnelligkeit vorgerückt; nun aber, als wir das Gebiet der eigentlichen Anelimmideu, deren heimathlicher Sitz Aderar in nicht großer Entfernung gen Osten lag, erreicht hatten, verfielen wir wieder in unsere gewöhnliche Langsamkeit und lagerten schon nach einem kurzen Marsche von kaum drei Meilen, der über einen mit Kieseln und kleinen Steinen bestreuten nud nnr sparsam mit Pflanzcnwuchö bekleideten Boden führte, hart am steilen AbHange des Flußufcrs, der Insel Samgm gegenüber. Hier, hieß es, sei die Residenz Ssa-daktu's, des Häuptlings, der von den Einwohnern Bamba's vor Kurzem 70 Kühe und 10 Sklaven erpreßt hatte und den man daher znr Wiedererstattung eines Theiles des Geraubten bewegen müsse. Das Land selbst bot nichts von Interesse dar, wohl aber war dieser Punkt in Bezug auf den Fluß wiederum interessant. Es machte sich na'm lich an dieser Stelle zuerst der felsige Charakter des Landstriches bc-Mertbar, durch deu der Strom weiterhin seinen Lauf uimmt, nnd das westliche Ende einer kleinen Insel war von großen Granitblöcken vollständig umgeben. Dieselbe hat daher auch den höchst bezeichnenden Namen „Tahont-n-eggisch" — „Eingangsfels" — von den bcrbcrischen Anwohnern erhalten, als der Anfang der felsigen Passage für denjenigen, der den Fluß herabkommt. Wir blieben drei Tage hier liegen, nnd da der benachbarte Wüstenstrich mlßer den Ruinen einiger Steinhäuser nichts Aemert'euswerthes darbot, mußte mir der Anblick des Stromes nnd die Unterhaltung Mit dm Eiugeborncn die einzige Zerstreuung gewähren. — Die Insel Samgoi liegt näher am südlichen Ufer nnd ist allem Anschein nach von bedeutender Ausdehnung; sie war mit dichtem Buschwert nnd einem kleinen Weiler besetzt. — Unter den Männern, mit de.nen ich ____ 370 ____ in Berührung kam, waren Einige, dic anf's Neue meine Anfmert-samleit allf das stattliche Aussehen dieser östlichen Tuareg leutteu. Fast insgesammt zeichnen sich diese durch eine sehr stolze Haltung ans, nnd nm so mehr überraschte mich bei näherer Bekanntschaft die tiefe Gcmüthlichtcit nnd das freundliche Wesen dieser ^eute, die, obschou von wildcln Charakter nnd kriegerischen Gelüsten, doch viel Umgang-lichkeit zeigen nnd nicht schwer zu leiteit sind. Der Häuptling Ssa-dattn machte sich jedoch gerade nicht durch liebenswürdige Eigeuschaften bemertbar; er war wenig mittheilsam nnd so knauserig, daß er meinen Eifer nicht einmal dnrch einen Trunl Milch belohnen wallte, als ich ihn eines Unwohlseins wegen mit einem überaus starten Pur-girmittcl trattirt hatte. Allch die armen (Einwohner von Bamba fanden sich hier ein, nm wo möglich dnrch unseren Einfluß wieder zu ihrem Eigenthum zu gelangen nnd wendeten sich auch an mich mit der Bitte den Vermittler abzngeben; aber nur nach dem heftigsten Streit gab Ssadat'tn den Ranb znr Hälfte wieder heraus. Am 31. Mai waren wir zwar endlich wieder auf dem Marsch, kamen aber nur wenig mehr als zwei Stunden weit vorwärts, um dann für diesen nnd den folgenden Tag abermals Halt zu machen. Dieser Aufenthalt war nm so widerlicher, als unser Lagerplatz nicht den mindesten Schatten bot, obgleich ein schöner Hain von (Herredh-bäumen sehr einladend weuigc hundert Schritte davon entfernt lag; da cr aber zn einem Bcgräbnißplatz diente, crlanbte es der Aberglaube meiner Gefährten nicht, ihn zum ^ager zu benutzen. Hier war es auch, wo wir eine schwarze giftige Spinne von gewaltiger Größe und scheußlichem Ansehen in meinem Zelt entdeckten. Der Veib war nahe au zwei Zoll breit nnd selbst meine Freunde aus Timbnttn hatten nie etwas Achnlichcs gesehen; leider konnte ich das Thier nicht näher betrachten, denn die Tuareg iu unserer Gesellschaft waren so entsetzt über den Anblick, daß sie das Thier sogleich tödtetcn und weit hinwcgschlcudcrten. — Der Tag (1. Juni) war einer der heißesten, die wir auf uuscrer ganzen Reise erlebten, nnd während wir bisher von den fast täglich weiter im Süden stattfindenden Gewittern nichts als einen höchst lästigen Sandsturm gehabt hatten, wurden auch wir heute dnrch einen mäßigen Regen erquickt, der die brennende Hitze des glühenden Sandbodens sehr milderte. Am 2. Inni rückten wir abermals nnr etwa zwei Meilen vor-wärts, bis zu dem Zeltlager eines wohlhabenden Mannes Namens Ssidi Ilemin, der, obwohl ein Pullo, hier seit Iahreu unter den ------ 371 ------ Tuareg sich angesiedelt hatte. Der Ort hieß Igomaren und bot einen höchst auffallenden Gegensatz zwifchcu der offenen Flußlaudschaft, umsäumt vun schöneu grasrcichen ^iicderungen, die zur Zeit von den siuteudeu Gewässern des Stromes bloßgclegt waren, auf der einen und der nackten, dürren Wüstr auf der anderen Seite, die, wie überall in diefem Theil des Nigerthales, bis hart an den Saum der befruchteten Wasserader herantrat. Der Strom selbst war von unserm Lagerplatz etwa 14(A) Schritte entfernt und hatte ein sehr seichtes und keineswegs großartiges Aussehen. Unsere Kameelc hatten auf dem ganzen, laugdauernden Marfch von Timbuktu hierher sehr gelitten, da das saftrciche, nahrhafte Byrgu dicfeu Thieren keineswegs zusagt, die an das ^aub juugcr Akazien-bäume und das trockene Gras der Wüste gewöhnt sind; beides aber war nur spärlich zu haben gewesen. Der Scheich beschloß daher, von diesem Punkte aus die nächste seiner in den fntterrcichcn Gegenden von Titimsfi') weidenden Kamcclheerden zu besuchen, um frische Thiere herbeizuschaffen, während wir in der etwas weiter stromabwärts gelegenen Landschaft Tin-scherifen auf seine Rückkehr warten sollten. Demgemäß wandte mein Beschützer am anderen Morgen seine Schritte der Wüste zu und ich fetzte mittlerweile in Gesellschaft des größeren Theils seiner Umgebung meine Reise längs des FlußuferS fort. Wir ftasfirten eine gute Anzahl von Tuareg-^agern, für welche die zurücktrcteuden Dünen Raum gaben, kamen anch einmal wieder an einer sumpfigen Niederung vou einiger Ausdehuuug vorüber und erreichten dann den Anfang der felsigen Landschaft, durch welche sich der Strom Bahn brechen muß. Sehr frühzeitig scholl machten wir Halt, weil der Neffe des Scheichs sich unwohl fühlte. Die Stätte, an der wir rasteten, hieß Himberimmc uud der Düueuabhaug war hier mit schauen schattigen Taborat (oder Hadjilidj, I'»n,Ilinito8 ^0A'ptili,(!U8) aumuthig geschmückt, der Fluß zwar frei von Felfcn, aber durch eine niedrige Sandbank in zwei Arme getheilt. Ein Paar tausend Schritte weiter aufwärts sprang dagegen ciu mächtiges Riff von ') Ich will schon hier bewerten, daß ans meiner Karte die ganze UmMcud von der Hillct c' Scheich (nördlich vun Timbultu) wahrscheinlich um ciiu-ü ssanzcn Grad östlicher sserückt werden muß. Vcider liegt die Aussicht fern, daß ein Europäer bald in jene Gegenden lommen nnd durch Me Beobachtung einen sicheren Haltpnnkt gewähren werde, 24» ------ 372 ------ Granitfelsen in das Wasser vor und auch etwa 1500 Schritte unterhalb uuseres Nuhepunktes but der Flnß einen überaus wilden Anblick. Eine felsige Insel von ansehnlicher Größe, ails nngcheneren Granitblöcke» gebildet, hemmte nämlich zugleich mit einem Felsriff, das vom rechten Ufer ansging, die halbe Breite des Flusses ein nnd zwang ihn in einen Kanal von wahrscheinlich nicht mehr als !XD Schritten Breite hinein. Diese merkwürdige Stelle, wo der Flnß, wenn er voll Wasser ist, allem Anschein nach eine sehr mächtige Strom-schnellc bildet, heißt Tinalschiden. Als die größte Tagcshitze vorüber war, setzten wir unseren Marsch fort. Wir verloren den Fluß bald aus dem Besicht, uud als wir uach einer Stunde Wegs ihm wieder nahe kamen, war er frei von Felsen uud vou grasreichen Niederungen umgcbcu. Weiterhiu wir betrateu hier bereits deu Distritt Tin^scherifeu — hatte der Strom einen sehr gewundenen ttauf nnd schlangelte sich zwischen steilen Ufern hm; während er sich wieder von uuserm Pfad entfernte, stiegen wir durch ciuc sumpfige Niederung auf hö'hcreu Boden und daun, als bereits die Dunkelheit einbrach, wieder abwärts nach dem grünen Ufer, wo der Flnß von Inseln eingehemmt zu sein schien. Auf der größten und uns zunächst gelegenen Insel wohnte der Vater eines der Schüler El Bakay'S in nnserer Gesellschaft; wir lagerten deshalb an dieser Stelle anf einem schmaleu Landrücken, welcher den Fluß von einem Sumpfe trennte. Hier in Tin-scherifen blieben wir die vier folgenden Tage liegen (vom 4. bis tt. Juni), da der Icheich erst am drittcu Tag von seinen Kameelheerdell zurückkam, allerdings wiederum eine kleine Probe fiir meine Gednld; aber Alles in Allem genommen, war der Aufenthalt hier nicht so unangenehm, da wir eine Menge Besuche von den Be-Wohueru dieses uud des benachbarten Gaues bekamen. Zunächst kam der Vater jenes Schillers von seiner Insel herüber; er hieß Kara und bekleidete dort das Amt eines Vorstehers. Er war eine ganz interessante Erscheinung, uud kaum hatte ich mich nut ihm in ein Gespräch eingelassen, als er mir von freien Stücken erzählte, daß vor etwa 50 Jahren ein Ehrist in einem großen Boot mit weißem Zelt den Flnß herabgelommen fei nnd daß er, da der Flnß gerade voll Wasser gewesen wäre, ohne Unfall die felsige Passage, die hier den Fluß sperrt uud vou der ich gleich reden werde, passirt hätte. Es sei dies au einem Morgen geschehen, während er, Kara, mit seinen beuten auf den Sanddüuen don Aribinda gelagert war; doch sei der ___ 373 ------ wunderbare Fremdling kurz vorher bei der Insel Samgoi von den Anwohnerli angegriffen worden. Anßcr von inehreren angesel>enen Männern des Stammes der Kel-c'^Ssnk, welche nnter diesen noinadischen Stäimnen besondere Ans-inerksanüeit verdienen und zu denen ich erst hier in nähere Berührung trat, erhielt ich auch einen Vesuch von Nassarn, rincr Tochter eines ihrer Häuptlinge, Nainens Choseniaten. Sic war eine der schönsten Frauen, die ich hier zn Vande zu Gesicht bekommen, nnd ihr zierlicher Anzug trug nicht!venig da;n bei, ihre Schönheit noch zn erhöhen; d^in über ihrem Ilntcrgewand lrng sie ein ^bergewand von abwechselnd rothen nnd schwarzen Scidcnstreifen, das sie gelegentlich znr Erhöhung ihres l^nten Aussehens nber den ii'opf ;og. Ihre Znge tvaren ans^ezeichnet dnrch sanften Anöornck nnd ^lV^elinäßigteit, aber sie war ctwaö znr Velcibtheit geneigt, die jedoch von den Tuareg gerade sehr geschätzt Wird. Da sie sal), dasi sie mir gefiel, schlng sie mir halb im Scherze vor, daß ich sie heir^then möchte, und ich erklärte mich bereit, sie mit zunehmen, wenn eines meiner etwas geschwächten Kameele im Stand sein sollte, sie mit ihrer ^ast zn tragen. Ich gab ihr als Zeichen besonderer Nnszeichmmg einen kleinen Svicgcl, wie ich stets die Gewohnheit hatte, rinen solchen der schönsten ssrau in jedem Lager zu schcnten, während die Ucbrigen nur Nadeln erhielten. Sie kehrte am nächsten Tage mit Einigen ihrer weiblichen Verwandten znriick, die sich gleichfalls dnrch ihr gntes Ansschen auszeichneten nnd den Wunsch hegten, mich sowohl als anch den Scheich El Batay zn sehen. Diese Tuareg - Edeldamen gewährten ein merkwürdiges Beispiel von der außerordentlichen Freiheit, welche der weibliche Theil dieses Stammes genießt; anch war ich höchst erstaunt zn sehen, wie die Pfeife beständig aus ihrem Munde in den der Männer überging und von Letzteren wiederum in den Mnnd der Frauen. In anderen Äeziehnngen, glaube ich entschieden, stehen diese Frauen höher als das schöne Geschlecht von Tademekta, von dessen Tugenden schon EI Bekri in etwas zweifelhaften Ansdrücken spricht. Die ganze Zeit über während unseres Aufenthaltes in Tin-sche-rifen war das Wetter außerordentlich heis? nnd die Hitze ward um su fühlbarer, weil iu der Nähe uusercs Lagers wiederum nicht der geringste Schatten zn finden war. Um dessen mich zu erfreuen, mußte ich crst eine beträchtliche Entfernung den Uferabhang, der hier höher als gewöhnlich war, hinanfwandcrn, wo ein kleiner Hadjilidj die gesuchte Erqnicknng gewährte. Von diesem Punkte hatte' ich eine ____ 374 ____ sehr gute Aussicht auf den Fluß, dor gerade an dieser Stelle meine volle Aufmerksamkeit verdiente; ich konnte ihm diese jedoch uicht in dcm Maaße widmen, Wie ich es gern gethan hätte, da meine Gefährten während des Scheichs Abwesenheit nicht ganz ohne Sorge für meine Sicherheit waren und dessen Neffe, Mohammed ben Chotar, durch fortdauerndes Unwohlsein abgehalten wurde, mich zu begleiten. Ich habe schon erwähnt, daß unserem Lagerplatz gegenüber mehrere Inseln den Lauf des Flusses beengten; da nun, wo er zwischen diesen hervortrat, stieß er auf zwei mächtige Felsmasfcn, Schabor und Bar-ror genannt, die ihn wie zwei kolossale Thorpfcilcr nöthigten, den größten Theil seiner Wassermaffc zwischen ihnen hindurch zu drängen; diese enge Passage selbst war übrigens anscheinend frei von Hindernissen und wird es namentlich während des Hochwassers sein. Im Summer jedoch, während des niedrigsten Flußstandcs, wird die Schwierigkeit der Schifffahrt in Folge der Sandbank, welche sich etwas oberhalb dieser Verengung zwischen den Inseln und dein Ufer gebildet hat, in hohem Grade vermehrt. Anch auf der Insel, wo der Häuptling Kara seinen Sitz hat, stieg eine Fclsmasse, welche zu Zeiten in der Beleuchtung des Nachmittags wie ein schneeweißer Quarzblock erschien, einer künstlichen Terrasse ähnlich empor. Höher aufwärts war der Fluß in seiucm gewundenen Laufe von steilen Ufern eingeschlossen, aber an einer Stelle des gegenüberliegenden Ufers, wo die Sanddünen eine Einbucht bildeten, zeigte sich ein niedriges grasiges Vorland — vielleicht war es auch inselartig abgesondert — und dies war zur Zeit von einer Anzahl Pferde, Hornvieh nud Schaafe belebt und mit stattlichen Bäumen geschmückt, vor allen mit einer schönen Gruppe Dumpalmen; denn Dumpalmen fangen hier augenscheinlich an vorzuherrschcn und finden sich weiter abwärts am Flüsse gelegentlich in großer Anzahl beisammen. Der Abhang selbst, von wo aus ich diese Scenerie überschaute, ward gauz und gar von Felsen aus Quarz nud Grünstem gebildet und eil, ununterbrochenes Riff setzte mit eiucr Neigung nach Osten gerade durch den Fluß, während die Felsen nach der Landseitc hm iu ein Plateau anslicfen, das 300 bis 400 Fuß über dcm Fluß erhaben fein mochte. Die Abende waren schön und nichts verursachte mir größeres Vcr-anügen, als auf der schöueu Sandbank weit iu den Fluß hinaus zu spazieren. Diese Sandbank bildet während des niedrigsten Wasser-standcs eine Verbindung zwischen dein Festlande und der Insel, wo Kara feinen Sitz hat. ------ 375 ------ Meine Aufmerksamkeit wurde hier abermals auf daS du» den Niger^Auwohueru Sauguai genannte Thier geleitet. 2lus dem gras> durchwachsenen Sumpf hinter dem Lager tonnte man zuweilen ein dein Hnndegebcll ähnliches Geschrei vernehmen und es wurde mir Versichort, daß es das Geschrei junger, von ihrer Mnttcr an diesem für ihr Fortkommen besonders geeigneten Ort zurückgelassener San-guai wäre. Eudlich im Verlauft des 8. Iuui kam der Scheich von seiner Kameclhecrdc zurück und brachte sieben frische Kameele mit, von denen er auch mir eiucs Mb, zum Ersatz für das am meisten erschürfte meiner eigenen Thiere. Er selbst kam noch im Laufe dieses Tages iu mein Zelt, ausdrücklich in der Absicht, um zu erfahren, ob wohl unsere Dampfschiffe die eben beschriebene Stelle im Flnsse pasfireu könnten; ich stand nicht an, ihn: die Versicherung zu geben, daß, so weit ich die Beschaffenheit des Flnßbettes beurtheilen könne, dies für ein kleines und dabei starkes Boot allerdings möglich wäre. Am anderen Tag, als der Morgen schon weit vorgerückt war, verließen wir diese interessante Oertlichtcit. Erst ging es eine Strecke weit hart am Ufer entlang, dann wendeten wir uus von demselben ab und erstiegen iu nordöstlicher Richtung den steilen Abhaug des Wüstcnplatcau's, das hier ans halbvcrwittcrtem schwarzen Sandstein besteht. An der Stelle, wo wir uns von dem Ufer entfernen mußten, setzt das große Felsenriff, zu welchem Barror gehört, mitten durch den Fluß uud sperrt ohue Zweifel die Schifffahrt für größere Vootc währeud mehrerer Mouatc im Jahr. Vou dem schwärzlichen felsigen Ufergebirge kamen wir bald auf Sanddünen, umgebcu von klei-uen unregelmäßigen Thälcru, dercu Boden ebenfalls ans duukcl gefärbtem Geröll bestand, bis wir etwa eine Meile von dem eben verlassenen Lagerplatz wieder das Ufer des Flusses erreichten, uud zwar bei jener merkwürdigen, „To-ssaie" oder „To-sse" genannten Stelle, wo der edle Niger zwischen steilen Ufern auf ciuc Breite vou nicht Mehr als anscheinend 200 bis 250 Schritten zusammengedrängt wird. Die Einengung beginnt zwar schon bei dem .»eisernen Thor« der bcideu Felsen Barror und Schabor, von wo der Strom für einige Meilen eine nordöstliche Richtung innehält, erreicht aber den höchsten Grad bei dem Durchbrüche durch die von beiden Seiten herantretenden Hügel all der genannten Stelle. Da ich vou jenem Fclsthor an dem Uferraud nicht folgen konnte, bin ich leider nicht im Stande anzugeben, in wie weit auf dieser ganzen Strecke die Schifffahrt durch 376 — die Beschaffenheit des Belles behindert ist, und wir müsscn uns vor der Hand mit dem Fattnm begnügen, daft Part mit seinem großen Boot ungehindert hier durchpasfirte. Was die Tiefe an der Ellgc von To ssaie betrifft, so soll nach der Aussage der Anwohner eine anS schmalen Streifen einer ganzen Nindshaut genlachte ^eine nicht lang genng sein, den Boden deS Flnsses zu erreichen. Auch kann die Strömung nicht sehr bedentend sein, denn hier ist die gewöhnliche Nebergangsstt'lle auf der Verkehrs^ straße von der Wüste nach der Provinz Vibtato, und die Araber Pas-siren dieselbe ohne Schwierigkeit mit ihren Kameelen nnd ihrem Hornvieh, wobei die Thiere natürlich schwimmen müssen, was bei einer bedeutenden Strömung unthnnlich wäre. Unmittelbar jenseits dieser Flußcugc hörten die Sanddünen anf und ein flacher, steiniger Boden von schwarzer, unheimlicher Farbnng und einem ächten Wüstencharakter breitete sich vor uns ans. Der Fluß aber, wie er sich in nordöstlicher Biegung dnrch diesen Landstrich hinwaud, schien kaum der große cdlc Strom zu sein, den ich höher aufwärts so sehr bewundert hatte; allerdings spaltete er sich hier in zwei Arme uud umschloß eine große Insel Namens Adar-u-haut. Da wo die beiden Arme sich wiedernm vereinigten, sah mau bei dem zur Zcit herrschenden niederen Wasserstand ein Felsenriff weit in den Fluß vorspringen und auch auö der Mitte des Stromes erhoben sich einzelne Klippen. Dieser Stelle gegenüber wählten wir unseren Lagerplatz; zum Glück gewährten diesmal einige Bäume meinem Zelte etwas Schatten. Ein anderer wichtiger Abschnitt des mittleren Niger lag vor uns, — die Stelle, wo er zum zweiten Mal in einer scharfen Äie> guug seinen ^anf ändert, nnd zwar in der Art, daß er den Saum der Wüste verläßt nnd für eine weite Strecke — fast für feinen ganzen übrigen Lauf — nach Sndosteu strömt. Dicfc Biegung, die wir schon mehrfach als das Knie von Anrrum bezeichnet haben, findet statt wenige Minuten westlich vom Meridian vmi Greenwich nnd fast nnter derselben geographischen Breite wie die frühere Umbiegung des Stromes südlich von Timbuktu aus seiner nördlichen in eine östliche Richtnng; denn mit einer Differenz von nnr etwa zwei oder drei Minnten liegen diese beiden für die ganze geographische wie lultnr> historische Entwickelung dieser Länder überaus bedeutsamen Wendepunkte des Stromlaufes nnter 17° 30' n. Br. Vergleichen wir damit dcu nördlichstcu Pnntt, den der Fluß zwischen diesen beiden Pnnkten erreicht — dcreu Eutfernung uui ein Geringes mehr als drei Längengrade (45 deutsche Meilen) beträgt —, so sehen wir, der nach der Wüste z,i beschriebene Bogen ist ein so flacher, daß man die Richtung des Niger auf dieser gauzcn Strecke wohl als eine rcin wcstö'stlichc bezeichnen darf. Das Bett des Stromes, da wo er das Mic vou Burruin bildet, ist stach und durch zahlreiche Inseln so in die Breite gedrängt, daß ich mich nicht wunderte zu vernehmen, er sei hier mitunter furthbar; au eiuigeu Stellen mochte die Breite des Bettes 1 ^ Stuuden betragen. Nur au Einem Puut'tr, gerade da, wo er zuerst entschieden mehr nach Süden sich wendet, steigen mu nördlichen Ufer steile Klippen bis zu 120 Fuß Höhe empor; außerdem ist das nördliche Ufer zwar felsig und steinig, aber ohne uenncnswerthc Erhebung und gewährt hier und da durch Einbuchtungen marschigem Vorland Naum. Diese Strecke Wegs (etwa 3^ Meilen) durchzogen wir vom 10. bis zum 13. Juni uutcr mancherlei Aufenthalt, indem der Scheich mit den Vewohuern der unserm Lager (vom 9. Juni) gegenüberliegenden Inseln, welche ebenfalls zu dem Mschlingsstammc der Numa gehörten, viel zu verhandeln hatte. Eine interessante Begeguuug während dieser Tage war ein Manu von Gogo, welcher mit acht Gefährten in einem mittelgroße» Boote von seinem Wohnorte nachBamba unterwegs war und mir den Beweis lieferte, daß die Wasserverbin duug zwischen diesen beiden Plätzen auch bei dem gänzlichen politischen Verfall des Bandes nud selbst in dieser Jahreszeit noch aufrecht ei> halten wird. Die ganze inselreichc Flußlandschaft, durch welche hier der Niger sich krümmt, heißt Burrum und war einst einer der Hauptsitzc der Ssonrhai. Eine merkwürdige Tradition haftet an dieser Stelle, welche sagt, daß vor Alters ein Pharao von Aegyptcn her in diese Landschaft gekommen und vou hier wieder zurückgekehrt sei. Diese Geschichte, die, wenn sie wahr wäre, einen so überaus frühen Verkehr des Landes mit Acgyptcu beurkuudcu würde, sollte nach meinem Erachten selbst in ihrer uähcreu Beziehung nicht ganz mit Ungläubig? kcit betrachtet werden; dcuu wenu diese Ueberlieferung durchaus keine Begründung hätte, sondern nur eine allgemeine, später entstandene, Idee ohne reelle Grundlage ausdrückte, fo würde sie sich sicherlich an die Hauptstadt der Ssonrhai-Natiou tnüpfeu und nicht an eineu Platz, der me große historische Bedeutung besessen hat. Dabei ist es von >Whem Interesse, zn beachten, daß dies der Punkt ist, wo sich der große Fluß, der hier in schöner Birgung seine bisher wcstüstliche ^ 375 ------ Richtung in eine nichr südliche verwandelt, Aegyptcn am meisten nähert. Wir müssen ferner in Betracht ziehen, daß die Bewohner der Oase Don Andjila, die auf der grüßen Handelsstraße von Aegyp-ten nach diesen Gegenden liesst, die Ersten waren, welche diesen Westlichen Theil des Sudans dein Verkehre der Araber eröffneten, nnd so finden Wir in neuerer Zeit schon im Anfange des 11. Jahrhunderts nnscrcr Zeitrechnung den Islam nnd die Formen königlicher Hcrrschcrwürde von dorther eingeführt. Die ganze Geschichte Sson-rhai's weist nach Aegypten; die Angaben über die von den Rasa-muuen verfolgte Straße setzen, wenn richtig anf der Karte niedergelegt, deren Reiseziel in diese Gegend, nnd man versteht bei Berücksichtigung dieser Daten viel leichter, wie Herodot') beim Empfang der Nachricht, dasi ein so grußer Fluß ostwärts fließe — in einer so nördlichen Breite, beinahe unter dein 18. Grade — die Ansicht gewinnen konnte, daß dies der obere Nil sei. Selbst in neueren Zeiten finden wir wieder ägyptische Kauflente vom 11. Jahrhundert an in der Stadt Biru oder Walata, dem früheren Ghanata, in Gesellschaft derer von GhadamcS und Tafilclct; der Hanpthandcl von Gogo oder Knkia war auf Aegyptcu gerichtet und das große Handelscmporium — Sfut — des Bcrberstammeö der Tadcmclka, auf jenem wichtigen Handelswegc, etwa 190 Meilen vmi Äurrum gelegen, war augenscheinlich zu diesem Zwecke gegründet. Ein anderer Umstand, der auf einen frühzeitigen Verkehr dieser Gegenden mit Aegypten hinweist, ist, daß der hier bedeutende Auban von Reis von eben dieser Vand-schaft Bnrrunl ausgegangen sein soll. Von hier aus ist nach meiner Ueberzeugung auch die Kultur der Dattelpalme am Niger ausge-gangcn; denn den Hauptpruviaut der Handelslente von Audjila touute nur die Dattel bilden, und so war es natürlich, daft das Volk, zu dem ihre Reisen führten, diese Kultur von ihnen erlernte. Früher gab eö in Burrnm mehrere volkreiche Ortschaften, die aber im Jahre 1843 oder 1844 durch die Fulbe von Massina zerstört wurden, welche die Einwohner nach Gnndam, südwestlich von Timbuktn, übersiedelten. Am 13. Juni hatten wir also die Umgchnng des Knie's von Änrrnm vollendet nnd schlugeu unsere Zelte am Fuß etwa 80 Fuß huhcr Klippen auf. Ringsum, so wie auf einer ziemlich großen Insel im Fluß, waren zahlreiche Stämme der Tnarcg (Kel-c'-Ssut), Nnma ') Im 32. Kapitel dcö N, Vuchcs. ------ 379 ------ und Sfonrhai angesiedelt, bei denen dor Scheich wiedernm so viel zn thun fand, daß wir am anderen Tag ohne ihn weiter zogen. Das Ufer war anfangs eben und mit Dumgcbüsch und kleinen Talha-bänmcn besetzt; dann kamen wir zwar wieder zu einer Reihe von Sanddnnen, doch zog sich hinter denselben ein Gürtel sumpfigen Wicsenlandes von mehr als einer halben deutschen Meile Breite entlang. In der Mhe des Flusses wurde der höher gelegene Boden nach nnd nach felsiger und ein Niff dun Sand- nnd Kalkstein durchschnitt wic eine Mauer die anmuthig gewellte Landschaft. Wir brachten die Nacht in einem ^agcr von Arabern nnd Tua^ reg zu, die so arm waren, daß sie den Appetit meiner Begleiter nur sehr unvollständig befriedigen konnten. Der Scheich, der mittlerweile sich anch anfgemacht hatte nnd der die Arnmth dieser ^eutc recht gut tanute, war eine halbe Stunde weiter den Fluß hinab gegangen, wo er an einem Assakan Imbcgge genannten Ort lagerte. Dort vereinigten wir uns am andern Morgen (15. Inni) mit ihm, ohne aber an diesem Tage weiter zu ziehen. Wie es gewöhnlich in diesen Gegenden der Fall war, sammelten sich anch hier, sobald wir nnserc Zelte aufgeschlagen hatten, schnell eine Menge Ante aus den benachbarten lagern um uns. Es waren Tuareg aus dem Stamme der Tm - ger - egcdcsch, die sich durch edlere Haltnng nnd bessere Kleidung auszeichneten, als man gewöhnlich zu seheu bclam; die meisten ^eute waren in Toben gekleidet, die aus abwechselnd weißen und schwarzen Streifen zusammengenäht waren. Obgleich wir bald recht gute Freunde wurden, waren sie anfangs doch sehr zurückhaltend, deuu die Tiu-ger-egcdesch hatten ebenfalls mit Mnngo Park ein blutiges Zusammentreffen. Dieser Reifende hatte es sich nämlich — gewiß gegen seine Neigung — seiner verlassenen ^age wegen znm Grnndsatz gemacht, ans Jeden, der sich seinem Boote näherte, sofort zu schießeu, obwohl er wissen mußte, daß er durch dieses Verfahren späteren Reisenden fast unvermeidliches Verderben bereite. Auf diese Weise hatten auch die Tin-gcr-egedesch Einige der Ihrigen verloren und betrachteten mich daher zuerst mit höchst verdächtigen, böswilligen Blicken, bis es mir gelang, sie davon zu überzeugen, daß ich nicht zn den „wilden Thieren" — „tauakasst" — gehöre, für welche sie die Europäer im Allgemeinen zu halten schienen. Um sie zutraulicher zu machen, zeigte ich ihnen einige Abbildungen, die verschiedenen Menschcnstämme darstellend; die Bilder fanden großen Anklang, namentlich unter dem weiblichen Theil der Besnchcr, ____ Zft<) ____ und ich bin überzeugt, es blieb an diesem Tage keiue Frail im Lager der Tinker egedesch, obwohl dasselbe ziemlich entfernt war. Dabei waren sie in ihrem Verlangen, die Abbildungen zu sehen, fo hartnäckig, daß sic nicht vom Platze gingen, bis ich ihnen dieselben gezeigt hatte, dic ihnen denn bald Behagen, bald Entsetzen einflößten. Als ich nach meiner (Gewohnheit derjenigen einen kleinen Spiegel verehrte, die ich für die schönste hielt, hatte ich das Ungli'ick, einen heftigen Streit zwischen einer Mntter nnd ihrer Tochter zn errege». Die Lagerstätte bei Assakan Imbegge war hoch gelegen, öde nnd dürr, von Bäumen nnd Büschen fast ganz entblößt; der Eanm des Flusses hatte anch hier ein davon ganz verschiedenes Ansehen, denn eine sumpfige Niederung, die reich mit Kräutern bewachsen war, erstreckte sich weit hinaus. Der Blick nach Osten traf in einer Entfernung von etwa "/, Meilen auf einen nicht ganz unerheblichen Höhenzug, die kleine Bergkette Asfegharbu, die uus schou am vorigen Nachmittag in die Angen gefallen war und sich von Ost uach West mit gcriugcr Abweichuug nach Slid hinzog. Sie bildet wohl uach dieser Seite hin dic kreuze der Gebirgslandschaft Aderar, der eigentlichen Hei-math der Anelimmiden. Am Nachmittag des 10. Juni verließen wir diese öde Stätte. Es trennten uus von Gogo, der früheren Hauptstadt des alten Sscm-rhai'Rcichs, noch etwa 10 bis I! deutsche Meilen, die wir in vier Tagemarschen sden Tag des Aufbruchs von Affakan Imbcgge mitgerechnet) zurücklegten, ohne daß irgend cin Ereignis; von Wichtigkeit unsere Reise unterbrach. — Das Flußthal des Niger uahm allgemach an Breite zu und war für die ersteu 6 bis 7 Mcilcu auf unserer, der östlichen Seite (— nach der Bicgnug bei Burrum müssen wir im Allgemeinen von einem östlichen nnd westlichen, nicht mehr von ciucm nördlichen nnd südlichen Nigcrnfcr reden —) von dem unregelmäßig ausgezackten, immer aber scharf martirten Abhang begrenzt, mit welchem das höher gelegene wüste uud steinige ^aud gegen den Fluß hiu abfiel. Iu unregelmäßigen Abständen erstreckte fich aber das Wüsten-platean mit schmalen Auöläuferu bis hart an den Nand des Wassers, so daß wir dieselben übersteigen mnßtcn, während wir sonst in der Flußniederung dahinzogen, die am diesseitigen Ufer eiue Wechselude Breite von '/4 bis '/^ Meile hatte. Das bedeuteudste jener Vorgebirge war der Berg oder Hügel Toudibi, fast drei Mcilcu südlich vou dem höhereu Assegharbu und eben su weit von unserer Lagerstätte bei Assaknn Imbcgge. Einige Stnuden nördlich uud südlich vou dem Tondibi war das Ufcrgcläube ------ 381 ------ besonders wasserreich und sumpfig, so daß wir uns Wohl bisweilen in unserem Marsch behindert sahen; dagegen hatte der frische Sumpf boden den Vortheil, daß er die glühende Hitze etwas milderte, die uns gerade in diesen Tagen empfindlich drückte. Demwch sah ich mich zeitweilig für meine eigene Person genöthigt, der ungesunden Luft der Niederungen wegen am Rande der Wüstciiflache hinznreitcn, von wo ans ich alsdann eine gute Uebersicht über die für dieses Land höchst charakteristische Gegend erhielt; anch gewährte eö viel Vergnügen, so von oben herab nnserc kleine bunte Karawane zu überblicken. Es waren etwa an 30 Individuen, Einige zu Pferd, einzeln oder in Paaren reitend, Andere zu Kameel, noch Andere zu Fuß sich fortarbeitend, die Einen mit Feucrgewehren, die Anderen mit Speeren bewaffnet und Alle in verschiedenen: Anzüge, bald in dunkel- nnd hellblane, bald in Weiße Hemden gekleidet, den Kopf oder vielmehr ihren dicken Haar-Wulst meist unbedeckt, mit Ausnahme meiller eigenen Leute, welche rothe baumwollene Mützen trugen. So zogen sie auf dem niedrigen Snmpfboden dahin, die Stellen sich auswählend, wo derselbe sich einige Fuß erhob und mit Gebüsch, meist Dnmgebüsch, bewachsen war. Am 17. Juni schlugen wir unsere Zelte auf einem andern ncn-nenswerthen Borhügel anf, Fagona genannt, drei Meilen südöstlich vom Berg Tondibi oder, nm eine geographische Bezeichnnng zu brauchen, gerade da, wo nach meiner Aufnahme des Flnßlanfs der 17. Parallelkreis den Niger schneidet. Diese hohe Düne beherrschte das umherliegende Land der Art, daß mein Zelt auf große Entfernung über das Thal hin sichtbar wurde nud die benachbarte Acvölkernng in Schaaren herbeilockte. Die während der letzten Tage ftassirten Lager hatten fast alle noch dem großen Stamm der Kcl-e'-Ssnt zugehört; hier waren es besonders Ssonrhai, die sich einstellten, nebst einigen Rnma. Mehrere waren selbst zu Pferde, obgleich diese gerade keiner sehr edlen Nasse angehörten. Die Reiter faßen auf einem sehr eigenthümlichen und cinigermaaßen unbequemen Sattel, der einfach über den Nucken des Pferdes geworfen wurde, ohne dnrch einen Leibgurt befestigt zu sein, und an der Rückseite statt der hohen Rückenlehne der arabischen Sättel ganz niedrig war. Die Kleidung dieser Leute war gleichfalls ärmlich nnd von derselben Art, wie die der Ve-wohner von Bamba und Rhcrgu; sie gehörten insgesammt zn dem Stamm der Ibanadiiten nnd zeichneten sich dnrch mehr als gewöhnliche Unwissenheit aus. ------382 ------ Wir stiegen am anderen Tag von der hohen Düne von Fagona zu ciuem breiten Slilnpf hinab, der sich hier weit in's ^and hineinzog nnd schwierig zu umgehen war. Jenseits desselben ersticken wir noch einmal die Sanddünen, deren Rand reich nut Pflanzenwuchs betleidet war, während anch hier, wic überall in diesem Wüstonstrich, der melancholische nnd der I<'>,z»1ü», 1>i:^ ('.^n!U'ü>n^ sehr ähnliche Fernanbusch neben Pfrn'montrant nnd Talhabänmcn sein Recht behauptete. — Die Aussicht von der hohen Diiucnterrasse war äußerst interessant, da sie einen weiten Blick über den von großen stachen Inseln durchbrochenen sslnß darbot, oder vielmehr anscheinend nur über ein breites, snmpfigcs, von steilen Rändern umschlossenes Thal, dicht bewachsen mit Rohr nnd Schilf; denn von cincm offenen Wasserfadcn sah man zur Zeit so viel wie nichts, dafür hatte sich ein Labyrinth von kleinerm oder größeren Hintcrwassern nnd von ansgcdehnteu Sümpfen nach allen Richtungen hin bis an die Hochnfcr gebildet. Noch eigenthümlicher abcr war es, wenn man etwas stromaufwärts schaute, wo, entsprechend der tiefen smnpfigcn Einbuchtung, welche wir am Morgen umgangen hatten, cin anderer sumpfiger Golf auf der gegenüberliegen^ den Seite sich zrigte. Hier betrug die Breite des ganzen Flußthales jedenfalls über zwei deutsche Meilen, während sie von dem Lagerplatz bei Assalan Imbegge an durchschnittlich V4 bis iz Meilen betragen haben mochte. Anch hier wnrde mir nach Allem, was ich sah, ganz llar, daß das offene Fahrwasser in dieser Stromstrecke auf der Seite von Aribinda, d. h. anf der Westseite, sich hinzieht. Als wir am Vormittag des 19. Juni von nnserer hohen Vagerstatt herabfliegen, beraten wir ciuc holzrcichc Ebene, deren Baum-Wuchs außer den schon genannten, dieser Zone eigcnthnmlichcn Holzarten anch Exemplare des Hadjilidj anfznweisen hatte. Noch einmal, nach etwa zwei Meilen, trat ein Dnnenrücken von mäßiger Erhebnng aus der Ebene hervor, von welchem aus wir die Spitzen der Dattelpalmen von Gogo begrüßten. Höchlich erfreut, diesen historisch so wichtigen Ort endlich zu erreichen, trieb ich meine säumige Reisegesellschaft zur Eile an, die schon wieder verlangende Blicke nach den Fleischtöpfen eines allerdings sehr behaglich allssehenden Lagers warf, das, nahe seitab liegend, ihnen eine wünschenswertere Ruhestätte dünkte, als das heruntergekommene, halbverlassene Gogo. Znm Glück fluß zwischen nns nnd icnem ^ager ein bedeutender Nebenarm des Niger, dcr dem Bcrlangen meiner M'fährten hemmend in den Weg trat. So zogen wir denn weiter und bald überraschte mich der An- — 383 ------ blick eines arußcn Stücks mit Negerhirse bestellten Ackerlandes, und als nach und nach das ganze Land sich in eine angebaute Fläche verwandelte, freute ich mich schon des (Gedankens, daß wir der Wüste mm Lebewohl gesagt nnd wieder die frnchtbarc Zone des mittleren Negerlandcs betreten hätten; leider wnrde diese Hoffnnng in der Folge nicht völlig verwirklicht. Alls die.Kornfelder folgten Tabatspsializnngen und nach tnrzcr Unterbrechung nnter Wasfer gesetzte Reisfelder, bis wir nnS endlich nach eingebrochener Duutelheit zwischen den bescheidenen Mattcnhütten eines ärmlichen Durfcs bcfallden — es war Gogo, einst die berühmte Hanptstadt des großen Negerreiches der Ssonrhai. Zwölftes Kapitel. Dl'r MM non Hogo m'6 3sai. — Rlickreiso nnch Anka,ln. Wir hatten uns in der Dunkelheit dcs Abends anf einem offenen Platz gelagert, der von einzelnen halbkngclförnligen Mattcnhüttcn und auf der westlichen oder der Flnßseitc von einer dichten Grnppe großer, schön belaubter Vänme umgeben war; au der Südseite ragte ein hohes, thnrinartiges Gebände empor. Frühzeitig erhob ich mich am andern Morgen nach einer erquickenden nächtlichen Ruhe, begierig, meine Umgebung und den altberühmten Ort auch bei Tageslicht zn sehen; denn von dem Angcnblick an, als ich aus dem Manuskripte Ahmed Vaba's die feste Ueberzeugung gewann, Gogo sei der Mittelpunkt dcs großen Ssunrhai-Rcichs gewesen, hegte ich den sehnlichsten Wuusch, diese geschichtlich merkwürdige Stätte zn betreten, von der so mächtige und siegreiche Fürsten ansgezogcn nnd welche die Hauptstadt eines so gewaltigen Reiches geworden war. Als ich ans meinem Zelte heraustrat, erblickte ich mir gerade gegenüber jenes thnrmartige (^cbände, das in seinen rohen Umrissen mich schon am Abend zuvor lebhaft an die Baulichkeiten von Agadrs erinnert hatte. Dieser verfallene massive Thurm war der letzte Nest der Haupt-Moschee (Djingere^ber) der früheren Residenz nnd zugleich die Grabstätte dcs großen Königs nnd Eroberers Muhammed cl Hadi Askia. Das war aber auch Alles, was von der alten Herrlichkeit übrig geblieben war! Mr die Natur schien ihre Fülle und Ueppigkeit, die man ehemals von diesem Ort gerühmt hatte, anch heute noch bewahrt zn haben, denn rings nm den weiten freien Platz wand sich ein reicher Manz der schönsten Bänme, hochgewachsene Dattelpalmen, Tamarinden und Sykomorcu; selbst den Niprcsfcuartigen Bombaz- bemerkte ich nnter ihnen, obwohl die Exemplare desselben nicht eben sehr ansehnlich waren. Nachdem ich mich eine Zeit lang an der schönen Scenerie geweidet ------385 ------ ging ich, begleitet von meinem Schua-Diener, nach der Flußseite hin, mir einen Anblick deö Niger zu verschaffen, von dem ich bis jetzt noch nichts bemertt hatte. Aus dem Banmdickicht hinaustretend, fand ich aber statt deö mächtigen Niger nur einen kleinen, unbedeutenden Nebenarm, der, blind endigend, bis hart an den Ort Herautritt und bei niederem Wasserstandc gar nicht schiffbar ist. Zwischen diesem seichten Arm und dem Hanptstrom dehnte sich zur Seit eine weite Niederung aus, die nur während der Periode der Neberschwcmmuug unter Wasser steht; dann mag auch der Bootvertehr lebendiger sein, denn gegenwärtig lag blos ein einziges branchbares Boot auf dem Wasser neben einigen andern, die mehr oder weniger unbrauchbar waren. Auf den höheren Stellen der Niederung standen noch einige Hütten, lvie auch auf dem gegenüberliegenden Ufer von Aribiuda, — traurige Ueberbleibsel der früheren Ausdehnung des Ortes, der zur Zeit fewer Blüthe bis jeuscits deö Flusses reichte und einen Umfang von etwa drei Stunden gehabt zu haben scheint. Gegenwärtig dagegen taun Gogu nnr ein Dorf, genannt werden und besteht aus 300 bis 400 Hütten, die in einzelnen Gruppcu umherliegeu. Als ich, vom Fluß zurückkehrend, zwischen denselben nmherging, kamen die Frauen aus den leichten Wohnungen herans uud begannen in heiterer, gemüthlicher Weise sich um uus zu sammeln, indem Eine um die Andere ausrief: "Nassara, Nassara, Allah Atbar?" (— »ein Christ, ein Christ, Gott ist groß" —). Aber es schien, als nähmen sie ein nngleich größeres Interesse an meinen: jungen Schua-Burschen als an mir, denn sie mntanzten ihn in sehr lebhafter nnd wirtlich bezanberudcr Weife. Einige nnter ihnen hatten ziemlich regelmäßige Züge, waren von hohem Wuchs und zeigten gute Proportionen. Sie waren Alle auf eine uud diefelbe Weise gekleidet, indem cm breites Stück Zeug aus verschiedenfarbigen Streifcu von dickem wollenem Stoff uuter dem Busen befestigt war nnd fast bis auf die Knöchel hinabreichte; dieS einfache, grobe Gewand wnrde entweder vermittelst ein Paar tnrzer, über die Schultern laufeuder Träger gehalten oder auch blos hinten zusammengeknüpft. Ich wendete mich hierauf zu dem früheren Mittelpunkte der Stadt, den Ucbcrrcsten der Großen Moschee. Dieselbe bestand ursprünglich aus einem niedrigen Gebäude, an dessen Ost- uud Westseite sich je ein großer Thnrm anlehnte; der sie umgebende Hofranm war durch eiue Mauer umschlossen. Der östliche Thnrm lag in Ruineu, der westliche befand sich noch in einem leidlich erhaltenen «"Nh'a Rtlsen. II. 20 ------386 ------ Zustand, zeichnete sich aber nicht etwa durch architektonische Schönheit, sondern vielmehr durch die Schwerfälligkeit seiner Formen aus. Er erhob sich in sieben Terrassen, deren Durchmesser allmählich abnahm, so daß die oberste augenscheinlich nicht mehr als 15 Fuß auf jeder Seite maß, während die Seiten der untersten 40 bis 50 Fuß messen mochten; die Höhe des Thurms betrng etwa 60 Fuß. Ungeachtet des Verfalles dieses Gebäudes verrichten dennoch die Aewohner von Gogo ihre täglichen Gebete an diesem heiligen Orte, welcher die Ueberrcste ihres größten Herrschers einschließt und einst der Mittelpunkt des belebtesten Stadttheils war. Jetzt freilich war die Stätte öde und halb verlassen, verschwunden war das bewegte Leben der Känigsstadt nnd des größten Handelsplatzes seiner Zeit. Tief ergriffen von dem Gedanken an alle die Wandelnngen, die der Ort erfahren, und an die wunderbaren, geheimnißvollcn Völkerwogen in diesem erst halb erschlossenen Weltthcile, die einander unaufhaltsam folgen und verschlingen nnd kaum eine Spur ihres Daseins zurücklassen, ohne dem Ailscheine nach einen Fortschritt im Gcsammtleben zu bezeichnen, — kehrte ich zu meinem Zelte zurück. Erst am zweiten Tage nach unserer Ankunft stieß auch der Scheich zu uns, in Gesellschaft mehrerer Häuptlinge und anderer angesehener Leute der Kel-e'^Ssuk, die gekommen waren, sich mit ihm zu bereden; unter ihnen befanden sich auch der Vater und die -Brüder jenes schönen Tuareg-Mädchens, das mich im Lager von Tiu^scherifen besucht hatte. Außer deu Verhandlungen mit diesen Leuten, deren Wohlwollen zu erwerben, für mich besonders wichtig war, da sie die öffentliche Meinung in den Nigergegcnden beherrschten, gingen die Vorbereitungen zu meiner Heimreise vor sich, wiewohl nur langsam, und der Scheich verfaßte mit großer Gelehrsamkeit ein Schreiben zu meinen Gunsten an die Häuptlinge, durch deren Gebiet meine Neise führen follte. War nun auch der Aufenthalt hier nicht gerade einförmig, fo wurde mir die Oertlichkeit doch wegen der hier herrschenden Hitze sehr lästig, und es war mir daher ganz recht, daß der Scheich veranlaßt wurde, unsern Aufenthalt in Gogo durch einen kurzen Ansflug nach einem Lager der Gabero zu unterbrechen. Die Gabero (oder Ssudu-kamil) sind ein zahlreicher Stamm der Fulbe, der, in diesen Gegenden seit mehreren Jahrhunderten angesessen, aus Furcht vor der Verfolgung der Ssonrhai-Könige seine angestammte Sprache gegen die der Lanbeseingebornen vertauscht hat. Nach dem Zerfall jenes Neiches einer ungestörten Freiheit genießend und nur ganz in neuerer Zeit nominell unter dein Statthalter von Ssai stehend, waren sie unlängst gezwungen worden, die ungleich nähere und oriicken-dere Oberherrschaft des Fnlbc-Reichs von Massina anzuerkennen, indem der Statthalter des nnr vier Tagereisen entfernten Hombori einen Heereszug gegen sie unternommen und ihnen in einem feindlichen Zusammentreffen einige 30 Männer getödtet hatte. Sie richteten daher das dringende Gesuch an den Scheich, zn ihnen zu kommen, seinen Politischen Schntz über sie auszudehnen und anch ihr inneres Leben durch seiuen Segen zu heiligen. Auf dem Wege zu diesen beuten verließen wir ain Nachmittag des 25. Juni Gogo und erreichten nach einem Marsch von ein paar Stunden dnrch die bäum- und buschreiche Ebene im Süden der alten Stadt den grasbewachsenen Nand des Flnsses. Nachdem wir inmitten des flachen Sumpfbodens in einem kleinen, von Gabero und Rnma bewohnten Weiler übernachtet hatten, setzten wir unsern Weg über die Flußniederung fort, wo mau gerade beschäftigt war, die kleinen Deiche für die Abdämmung der Reisfelder auszubessern. Abwechselnd über festen Boden nnd dnrch Sumpfniedernngen gelangten wir dann an eine Stelle, wo das hohe, steile Felsnfer hart an den offenen Fluß herantrat, indem die zu einem höheren Kamm ansteigenden Klippen nur einen schmalen Saun« zwischen sich und den: letzteren zur Passage frei ließen; da an dieser Stelle anch das gegenüberliegende Ufer hoch war und gegen den Fluß vortrat, so hatten wir hier abermals eine, obfchon nicht bedentende, Flußenge vor uus, die den Namen Tin» scheran führte. Noch eine halbe Stnnde auf den, schmalen Ufersaume weiter gehend, fanden wir uns dem ^ager der Gabero gegenüber, das sich an der Aribinda-Scitc auf einem sandigen Vorland ausbreitete, dem Saum einer ausgedehnten grasreichen Ebene, welcher jenseits das wiederum zurücktretende Ufer Raum gewährte; diesseits dagegen erhoben sich die Klippen 2- bis 300 Fuß hoch hinter einigen sandigen Vorhügeln mit weit umfassender Aussicht, auf denen wir unsern Lagerplatz wählten. Bald kamen anch die Gabero über den Fluß herüber; sie brachten ein Gastgeschenk von drei Nindern mit und machten sich sogleich an's Werk, für mich und den Scheich zwei artige Matten-Wohnungen herzurichten. Diese Gabero zeigten sowohl in körperlicher Haltuug, als auch in geistiger Hinsicht große Ueberlegenheit über die Ssonrhai; ihre Kleidung war nicht sehr verschieden von derjenigen der Fulbe, nur etwas voller und weniger schäbig. Die Tracht der Frauen war die- ------ 388 ------ selbe wie die der Bewohnerinnen don Gogo. Die guten Leute begnügten sich nicht mit dem moslemischen Segen des Scheichs allein, denn trotz meiner anfänglichen Weigerung mnßte auch ich ^als lährist) ihnen den meinigcn ertheilen. Äci dieser Gelegenheit erfuhr ich denn, daß Mehrere von ihnen meine persönliche Bekanntschaft schon früher gemacht hatten, indem sie sich unter der Schaar Eingeborner befanden, welche mir bei der Passage des gefährlichen Snmpfes wenige Meilen vor Aribinda thätige Hülfe leisteten. An diesem Lagerplatz, der Bornu oder Bavnu genannt wurde, blieben wir die vier folgenden Tage nnd ich mußte die Ungcdnld, mit welcher ich meiner Weiterreise entgegensah, dnrch die reizende Aussicht über den großartigen Strom zu beschwichtigen snchen, während die reine ^uft startend anf meine Gesundheit einwirkte. Die Verbindung mit nnsern Freunden am gegenüberliegenden Ufer ward durch die große Breite des offenen Flusses sehr erschwert; außerdem wurde derselbe zu wiederholten Malen durch Gewitter aufgeregt und mehrere Flnßpferde gefährdeten das Fahrwasser. Zu Zeiten tobten diese unbändigen Thiere ganz wüthend im Flusse herum, als wenn sie zornig darüber wären, daß man sie iu ihrem Zufluchtsorte beun-rnhigte, uud deu Tag nach unserer Ankunft setzten sie unseren ganzen Troß Pferde, die am Ufer des Stromes weideten, in Schrecken und trieben sie in wilde Flucht. Zuweilen hemmten sie in ihrer Wuth den Bootvcrtchr zwischen beiden Ufern vollkommen und zeigten überhaupt ein überaus streitsüchtiges und unruhiges Naturell, besonders Abends und während der Nacht, wenn sie zu ihrem gewöhnlichen Futter an's Ufer kommen wollten. Diefe Flußftferde waren hier die Hauftwertreter der animalischen Welt; fönst wurden noch zwei weiße „ar", eine in diesen Gegenden etwas seltene Art Antilope, von einigen meiner Gefährten auf den über uns rageuden Fclsenhöhcn erblickt. Am 1. Juli, fpät am Nachmittag, traten wir nnfern Rückweg nach Gogo an. Jenseits der Flnßcnge von Tin-scheran übernachteten wir in einem über hundert ^ederzclte haltendeu ^ager einer Abtheilung der Kel-e'-Ssuk, das voll junger Sklaven war; sie waren sämmtlich, die männlichen sowohl als die weiblichen, ganz in ^eder gekleidet, woraus überhaupt in der Regel die Kleidung der Sklaven der Tuareg besteht. Von hier nahmen wir unsern Weg nicht wieder durch das sumpfige Flachland, sondern folgten dem felsigen Abhang, welcher dasselbe iu einem weiten Bogen nach Osten begrenzte und viele Höhlen und Schluchten enthielt. Da der Scheich unterwegs in einem ------ 389 ------ andern Lager der Kel-e'-Ssuk zurückblieb, ?am ich allein in Gogo wieder an. Hier begann ich nun, mich ernstlich mit den Vorbereitungen zur Weiterreise zn beschäftigen, Alle meine Freunde, als sie sahen, daß meine Abreise nun wirtlich nahe bevorstehe, suchten mir ihre Anhänglichkeit in eindringlicherer und herzlicherer Weise als jemals zuvor zu bezeigen. Namentlich hatte ich an diesem Abend beim Thee — denn mit Thee hatte ich mich iu Timbuktu reichlich versehen — mit dem Neffen des Scheichs, Mohammed ben Chotar, der mir unter Allen am nächsten stand, eine recht lebhafte Unterhaltung und sprach den dringenden Wunsch gegen ihn aus, daß er doch zum Besuch nach Europa kommen möge. Ein solcher Besuch der aufgeweckteren Eingrbornen würde die größten Resultate haben, wenn man wirtlich das ernste Bestreben hat, einen freundschaftlichen Verkehr mit jeueu Gegenden zu eröffnen; aber an solche weiter gehende Pläne deukeu gewöhnlich die Regierungen nicht, die ein paar hundert Thaler zu solchen Forschungsreisen hergeben und deren ganzer Zweck nur darin liegt, für den Augenblick mit einigen glänzenden Resultaten zu prunken. Am folgenden Morgen, als ich im Genuß der frischen Morgenluft vor meiuem Zelte lag, wie das früh meine Gewohnheit war, sammelten sich alle näher Befreundeten um mich und ich musste ihnen verschiedene Stellen aus europäischen Büchern mit Einschluß des griechischen Textes der Evangelien vorlesen. Das Deutsche zog gauz besonders die Aufmerksamkeit dieser Leute auf sich, indem ihnen die vollen, schweren Worte unserer Sprache einige Aehnlichkeit mit ihrem eigenen Idiom zu haben schienen, und sie geriethen in eine wahre Begeisterung, als ich ihnen aus dem Gedächtnis; einige Verse aus „Harras", dem kühnen Springer, vortrug. Auch meine Leute waren voll Begeisterung über die hoffnungsvolle Aussicht eines schnellen Aufbruchcs zur Heimreise und so empfingen sie denn den Scheich El Bakay, als er im Laufe des Morgens zu uns stieß, recht herzlich und ließen eine hübsche Menge Pulver in Salutschüssen ihm zu Ehren dranfgehcn. Mein edler Beschützer selbst zeigte in seinem Benehmen ebenfalls deutlich, daß ihn der Gedanke an unsere nahe bevorstehende Trennung beschäftige. Ich brachte den Abend nach seiner Ankunft iu seiner Gesellschaft zu; der Gegenstand unseres lebhaften Gesprächs war die Kugelgestalt der Erde und die Kreisbewegung des ganzen Planetensystems, und es gelang mir auch endlich, meinen Zuhörern beides klar zu machen, obschon Manches ------390 — dabei zur Sprache konnneu mußte, was den ihnen geläufigen Satzungen des Kuran zuwiderlief. Schon war Alles am 5. Juli zum Aufbruch in Bereitschaft, als derselbe durch die Ankunft eines Neffen des mehrgenannten Oberhaupts der Auelimmiden, Muttabu, Namens Thaltcsi, verschoben werden mußte. Doch war mir die Ankunft dieses Mannes im Ganzen höchst willkommen, da er beauftragt war, mir für alle in dem Gebiet Al-kuttabn's reisenden »der Handel treibenden Engländer volle Freiheit und Sicherheit zu bewilligen, ein Versprechen, daS anch schriftlich in einem Sichcrheitsbriefe niedergelegt wurde. In einer geheimen Unterredung aber gab er mir seiucu und seines Oheims dringenden Wuusch zu erkennen, die Engländer möchten drei wohlbemannte Boote den Niger heraufschicke!,, um mit ihnen einen Verkehr zu eröffnen. Ich wies ihn darauf hin, daß die Erfüllung dieses Wnnsches von dem Umstand abhingc, ob die Engländer im Stande sein würden, die Flußschnellen und Klippen zu Passiren, die den Vauf des Stroms unterhalb Bussa und Rabba hemmten, und daß ich ihm deshalb nichts Sicheres versprechen könne. Nachdem die Angelegenheit mit Thakkefi erledigt war, stand der Abreise nichts mehr im Wege und der 5. Juli (1854) wurde dafür bestimmt. Am Abend vorher zeigte das Lager ein rühriges Treiben, um Alles für den morgenden Tag in Bereitschaft zu setzen. Einige der zuverlässigsten Schüler des Scheichs sollten mich begleiten und es war ursprünglich des letzteren Absicht gewesen, feinen mehrfach erwähnten Neffen, Mohammed ben Chotar, mir bis Ssokoto mitzugeben; leider aber erlaubte der schwache Gesundheitszustand dieses mir so lieb gewordenen jnngen Mannes nicht, an die Ausführung dieser Bestimmung zu denken. An seiner Stelle wurde ein anderer, entfernterer Verwandter El VatcN/s, Namens Mohammed bcn Mnchtar, bestellt, ein energischer, verständiger junger Mann, aber von weniger angeborenem Adel des Eharakters. Nebst ihm wurdcu mir noch Folgende als Begleiter zugetheilt: der Hartani Malet, Sohn eines befreiten Sklaven, der mit dem Vorgenannten bei Tamkala umkehren sollte; Mustafa und Mohammed Daddeb, Letzterer ein Eingeborner von Timbuktu, beide bis Ssokoto, und endlich Ahmed el Wadaui, der gelehrteste unter des Scheichs Schülern, und <5adj Ahmed, die mich bis Bornu begleiten sollten. Der Scheich übergab mir jedoch alle Geschenke, welche diese Vcnte iu seinem Namen den verschiedenen Haupt-lwgeu darbriugen sollten, und versah mich außerdem mit einheimischem ------391 ------ Tabak mid Banmwollenzeug, zn gelegentlichen Gaben für die Tuareg und Ssonrhai. Ferner händigte er mir auch je ein Gewand für meine Leute ein und ich that dasselbe für diejenigen unter seinen Schülern, die mir am meisten ergeben waren; ich sah mich sogar be« wogen, eine sehr hübsche Tobe von Ssan-ssandi-Arbeit, reich mit Seidenstickerei verziert, die ich eigentlich als ein Mnster jener höchst interessanten Manufaktur hatte mit nach Europa nehmen wollen, dem Sohne des Scheichs, Ssidi Mohammed, zum Geschenk zu machen, da seine Kleidung in Folge unserer langen Abwesenheit Kon Timbuktu etwas abgerissen war. So brachen wir denn den 8. Juli wirklich auf. Es war überaus crfrcnlich für mich, daß, als ich unsern Lagerplatz in Gogo verließ, sich eine große Anzahl Leute zu mir drängten, um mir ein herzliches Lebewohl und eine glückliche Reise zu wünschen; ja, Thaktefi trug nur sogar einen besonderen Gruß an die Königin Viktoria auf, mit dereu Mamen er durch mich bekannt geworden war. Endlich ging es vorwärts und wir verfolgten nun zunächst den Weg durch die uns schon bekannte Ebene südlich von Gogo, in einiger Entfernung vom Fluß, und wählten unsern ersten Lagerplatz zur Seite eines Lagers der Kel-e'-Ssuk, etwa fünf Stunden von der alten Königsstadt, da wo ich den Niger überschreiten sollte, um die Reise von mm an am westlichen Ufer fortzusetzen. — Ich will hier erwähnen, daß die Tuareg das ganze Land am linken Ufer des Niger von Timbuktu nach Gogo „Tarmnt" und von da abwärts „Aghelc" (oder Arhele) nennen '). Auf diesem ersten Tagcmarsch hatte mich der Scheich, mein liebenswürdiger und edler Veschützcr, noch begleitet; erst am andern Morgen brach der Tag an, an welchem ich mich von dem Manne trennen sollte, den ich unter allen Leuten, mit denen ich je im Laufe meiner langen Ncise in Berührung kam, am höchsten schätzte und, abgesehen van feinem Hang zum Zögern und seiner phlegmatischen Indifferenz, als einen höchst ausgezeichneten und zuverlässigen Mann lennen gelernt hatte. Ich hatte mit ihm so lange in täglichem Verkehr und unter den unruhigsten Verhältnissen gelebt, an allen seinen Verwickelungen und Besorgnissen theilnehmend, baß ich das Scheiden recht tief fühlen mußte. ') Ich bin überzeugt, daß bie Benennung «Taramt", d. h. Aram mit dem gewöhnlichen bcrberischen Prä» und Sussixum, auf alte Heimathssitze im fernen Osten zurückweist. ------ 392 ------ Er crmahnte die Leute, welche mich begleiten sollten, nie sich zu streiten, sondern meinen Rath in allen Dingen zn befolgen, und zwar ganz besonders in Bezug auf die Schnelligkeit unseres Marsches, da cs ihm wohlbekannt War, mit welcher Ungeduld ich meiner Heimreise ontgegenblickte; dann gab er mir seinen Segen nnd versicherte mich, daß ich mm lnit Zuversicht anf sichere Rückkehr bauen könne. Mohammed ben Chotar, der durch sein ernstliches Unwohlsein verhindert war, mir weiter das Geleit zn geben, sowie Ssidi Mohammed, des Scheichs Sohn, nahmen erst im Boote Abschied von mir; — eine aufrichtige Frenndschaft schien zwischen weit entfernten Zweigen des Menschenstammes geschlossen. Nach sicherer Landung am anderen Ufer schoß ich, dem Wunsche des Scheichs gemäß, als Abschiedsgruß meine Doppelflinte ab. Der Fluß war an dieser Stelle voller Sandbänke, die das Durchschwimmen meiner Pferde und Kameele in hohem Grade erleichterten, wiewohl sich zwischen ihucu uud dem südwestlichen Ufer ein ansehnlich tiefer Kanal hinzog. Die Stätte, wo ich das südwestliche Ufer erreichte, heißt Gona, ein Name, der mit demjenigen einer wegen ihrer Gelehrsamkeit nnd Schnlcn hoch berühmten Ortschaft in den Landschaften der mohammedanischen Mandiugo (im Süden) identisch ist. Die Sanddünen waren mit einem schönen Gürtel von Baumwuchs geschmückt und über sie führten drei verschiedene Pfade in das Innere; der bedeutendste von ihnen ist derjenige, welcher gcradenwegs nach Dore, dem Hauhtortc von Libtako, führt nnd sich bei einem höchst ausgedehnten, mit dem Niger in Verbindung stehenden, sceartigen Hinterwasser Namens Lhaleblcb mit dein von Bnrre (im Süden von Anssongho) ebenfalls nach Dorc gehenden Pfade vereinigt. Erst zu später Stnnde am Nachmittag tonnten wir Gona verlassen, da Ahmed cl Wadaui, der unter den mich begleitenden Schüler» des Scheichs den ersten Nang einnahm, noch einmal anf das andere Ufer zn diesem entboten wurde, fo daß wir kaum noch anderthalb Meilen an diesem Tage zurücklegten. Wir hielten uns so nahe wie möglich am Flnsi, mußten aber bisweilen die vorspringenden Spitzen des höheren Ufers übersteigen. Bei einer Insel Namens Bcrta, die ein nur schmaler Arm vom Ufer trennte, sahen wir viele Krokodile nnd Flußpferde und es war namentlich ein interessanter Anblick, zu sehen, wie ein Hippo-potamns-Weibchen von ungeheuerer Größe, halb aus dem Wasser ragend, sein Junges vor sich hertrieb, welchem die Mutter sorgsam den Rücken hütete vor etwa nahenden Feinden. Auch viele Sanguai ------ 393 ------ sahen wir, die sich cms den Sandbänken sonnten, aber bei unserer Annäherung zu schnell in dem Wasser verschwanden, als daß ich sie näher hätte beobachten können. Dieser erste Reisetag alls' dem rechten (— dem westlichen oder genaner dem südwestlichen ^ ) Ufer des Niger hätte leicht durch einen ernstlichen Unfall bezeichnet werden können. Bei dem Uebersteigen einer jener rauhen und mit Buschwert bekleideten Landspitzen schoß Plötzlich eine giftige Schlange empor und auf eineu meiner beritteueu Diener zu, der dicht hinter mir folgte; zum Glück wurde sie im Augenblick des Angriffs von mcineu andereu beuten erblickt nnd getödtet, ehe sie ihr Opfer erreichte. Sie zeichnete sich jedoch keineswegs durch ihre Größe aus, sondern maß nur uugcfähr 4^ Fuß in der Länge, während die Dicke wohl nicht mehr als 1^ Zoll betrug. Als wir das schöne Sandufer bei der Enge von Tin-schcran erreichten, waren unsere Freunde, die Gabcro, deren zahlreiche Lagerstätten dasselbe noch vor wenigen Tagen belebt hatten, verschwunden; sie hatten ihre Zelte eine halbe Stunde weiter unten auf der Insel Bornu-gungu aufgeschlagen, die ein ansehnlicher Flußarm mit einer lleinen, über ein Felsenriff hinstiirzeuden Stromschnellc umspannte. Hier schlugcu auch wir uuser Lager auf uud ich vertheilte uun, nm mich des guten Willens meiner Leute für die bevorstehende Reise zu versichern, einige Geschenke unter sie aus. Vor alleu Diugeu mußte mir darau gelegen sein, künftig schneller, als dies bisher geschehen war, vorwärts zu kommen; die Befürchtung aber, daß ich in diesem Bestreben durch die angeborne nationale Lässigkeit der mich begleitenden Schüler des Scheichs, trotz dessen eindringlicher Ermahnung, oft behindert werden würde, bestätigte sich bereits im nächsten Lagerplatz bei Duuiame (d. i. „Trä'ulstätte", weil ein Einschnitt in den Düneurand des Flußthales hier leichten Zutritt, wie zu dem Fluß, so auch in das Iuncrc des Landes gewährt). An diesem Punkte nämlich sollte sich ein Führer aus dem Stamme der Gabero mit uus vereinigen, um uus bis uach Ssai zu begleiten; als aber der Mann ausblieb und uns nnr ein Kel-e'-Ssuk Namens Mohammed in gleicher Eigenschaft, aber für eine weit kürzere Strecke zur Benutzung blieb, tonnte ich nur mit vieler Mühe meine Gefährten aus Timbuktu zum Aufbruch bewegen. Auch im Verlaufe der Reise fehlte es diesen Leuten nie an einem Grnnd zur Zögcrung; bald waren es geringe Hindernisse uud Beschwerden, die sich uns in den Weg stellten, etwa ein heftiges Gewitter, das uns durchnäßt hatte,— ------- 394 ------- bald das Gegentheil, eine besonders behagliche Oertlichkeit und gast« freie Bcwirthung, die sie einen Aufschub der Neise versuchen ließen. Ja, sie versteckten sogar einmal eins ihrer Kameele, nnter dem Vorgeben, es habe sich verloren, mn mich zn bewegen, an einem solchen gastlichen Orte noch einen Tag länger zn verweilen. Sie fanden in mir iedoch stets einen unerschütterlichen Gegner und auch die eben erwähnte Kriegslist half ihnen nichts; dennoch gelang es selten, mehr als A? Meilen in einem Tage zurückzulegen. Wie ich aber die lässigen Schüler meines langsamen und gemüthlichen Freundes El Bakay so schnell als möglich am Ufer des Flnsses entlang führte, so muß ich auch den Leser bitten, mir fortan in Gedanken mit schnellerem Gange auf meiner Heimreise zn folgen. Wenn mich derselbe bisher über jede Verschiedenheit der Bodenbildung längs des Nigerufers auf dem langen Marsche don Timbuktu bis Gogo und bis jenseits des Flnsses begleitete, so darf ich hoffen, daß es mir gelungen sein wird, ihm durch diese in's Einzelne gehende Beschreibung ein anschauliches Bild des Flnßthalcs zu verschaffen, welches sich der mächtigste Strom des westlichen Negerlandcs in das ihn begrenzende Tafelland gegraben hat; aber ich müßte ihn zu ermüden fürchten, wollte ich auch fernerhin erzählen, wie oft wir über die feuchte Marsch oder den stachen Strand dahinschritten und wie oft wir über vorspringende Dünen und Felskämme stiegen. Der uns schon bekannte Charakter dieser Thalrinne bleibt auch weiterhin, für die zunächst von nur zn durchwandernden Strecken, im Allgemeinen derselbe: eine weite — 1 bis 1^ Stunden durchschnittlich breite — Mulde, deren äußerste Begrenzung eine Dünenreihe oder ein, mehrfach bis zn 300 Fuß über den Spiegel des Flusses sich erhebender, steil abfüllender Felsrand ist, bald von den Wellen desselben bespült, bald zurücktretend nnd ein sandiges oder sumpfiges Vorland zwischen sich und dem nächsten Arm des Flusses lassend. In diesem Bette strömt der geheimnißvolle Niger dahin, meist zahlreiche, oft langgedehnte, grasrciche Inseln umspannend, deren höheres Land — oft in gleichem Niveau mit dem anstoßenden Ufer, von dem sie getrennt wurden — allein aus den Fluthen hervorschaut, wenn der bis zu seinem höchsten Stande angeschwollene Strom das ganze mächtige Bett füllt und durch gelegentliche Einschnitte des Ufers auch noch über diese beengenden Grenzen hinaus seine Wasser ergießt. Zur Zeit war dies nicht der Fall, dagegen wucherte üppiger Pflanzenwuchs auf dem vom Wasser freien Boden des Strombettes, so daß die ------- 395 ------ schmäler gewordenen Wasserarme dann nnd wann sich wohl gänzlich in dieser grünen Hülle verbargen nnd man auf eine waldige Faddama zu blicken glanbte. Da wo der Fluß offen zu Tage trat, strömte er nnter a/wöhnlichon Umstäuden mit mäßiger Geschwindigkeit, wenn er nicht gezwungen wurde, über abschüssige Felsenriffe sich zu stürzen oder zwischen mächtigen Steinmafscn sich hindurchzudrängen; aber nur an wenigen Stellen bildete er solche die Schifffahrt hindernde Flußschnelleu, außerdem bot sein tiefes, nur äußerst selten furthbares Wasser eine herrliche — leider unbenutzte Bahn für ungehinderten Verkehr. So haben wir den Niger kennen lernen nördlich von Gogo und so war im Allgemeinen der Strom nnd sein Bett beschaffen weiter im Süden von dieser Stadt. Fassen wir aber die Strecke des Stroms bis dahin in's Auge, wo die Städte Garn nnd Sindcr ans dessen Mitte sich erheben, so müssen wir die mehr felsige Beschaffenheit des Bettes in diesem Abschnitte seines Laufs hervorheben. Für den Fluß selbst ergiebt sich ans dieser Eigenthümlichkeit die bedeutend vermehrte Anzahl von Stromschnellcn und über das Wasser hervorragender Klippen nnd Steinmasscn, für das Vorland aber oder die zeitweilig trockene, zeitweilig überschwemmte Niederung zwischen dem Rand des Wassers und dem höheren wirtlichen Ufer das seltenere Vorkommen von Sümftfen auch zur Zeit des niedrigen Wnsfcrstandcs, wenigstens solcher, die eine bedeutendere Ausdehnung haben; denn nur Einmal, am zweiten Tage nach dem Flußübergang bei Gona, kamen wir anf eine ausgedehntere sumpfige Marsch, die über eine halbe Stunde breit und mit Bäumen bestanden war. Eine andere Folge der felsigen Beschaffenheit des Landes, in welches der Strom auf der genannten Strecke fein Bett sich wühlen mußte, ist die, daß er häufig in mehrere Arme zerspalten wurde, die Meist langgcdrhnte Inseln unispannen. Die erste charakteristische Stelle in dieser Hinsicht war die Adar-ndurren genannte Oertlichkeit, acht Meilen unterhalb Gona. Nachdem er kurz vorher durch eine Insel zerspalten und mehrfach von Riffen nnd Klippen durchscht war, bildete er hier zuerst ein ungetheiltes offenes Wasserbecken von mäßiger Breite, ^- die gewöhnliche Uebergangsstelle derjenigen Reisenden, welche von Asauad über Kurnman nach Libtako gehen. Dann theilte sich der Prächtige Strom in vier schmale Arme und schuf so eiue jener Stellen, an denen der des Fahrwassers unkundige Schiffer auf seinen guten Stern bauen muß, um zu entscheiden, welcher der geheimnißvollen .------ .396 ------ Windmiqen er sich und sein Fahrzeug anvertrauen sott. Auch Mungo Park kam hier vorüber und wählte zu seinem Glück den östlichsten Arm. Dort hatte er nur mit den Menschen, den auf der Aussa-Scite anwohnenden Idan-Mussa, zu kämpfen, die ihn mit Wuth angriffen; hätte der kühne Mann dagegen sein Boot in einen der beiden westlichen Arme gesteuert, er wäre unvermeidlich an den Hindernissen zu Grunde gegangen, welche die Natur selbst ihm hier in den Weg ge stellt haben würde'). Diese beideu westlichcu Anne vereinigen sich nämlich bald wieder zu einem einzigen, der die vier Meilen lange grasreiche Insel Anssongho von dem rechten Ufer trennt. In diesem Arme vou geringer Breite ragten fast überall, wo ich einen Vlict auf denselben werfen konnte, die gefährlichsten Felsen und Klippen über das Wasser empor. Am brmcrkenswerthesten war eine wie ein künstlicher, aber eingefallener Thurmbau hoch aufsteigende Stcinmasse mit deutlicher Schichtenbildung, währcud aus dem Weidebodcn der Insel ähnliche Felsenthürmc sich erhoben; sie mochten 70 bis 80 Fuß hoch sein. Weiterhin folgte ein Riff, an einer Stelle Namens Tasori, welches uugebrochen durch den Flnß hindurchsehtc und zur Zeit über das Wasser emporragte, indem nur ein gauz schmaler Kanal an der Seite der Insel die Verbindung mit dem Wasser oberhalb und uuter-halb des Riffs zu vermitteln schien. Schon 2000 Schritte unterhalb des letzteren thnrmten sich neue Hindernisse auf; der Fluß war gezwungen, zwischen bedcnteuden Felsmasscu, die 35 bis 40 Fuß über seine schäumenden Wellen lunansreichten, durchzubrechen. Ueber einzelne Klippen und ganze Riffe, die bei dem zeitigen niedern Wasfcrstand wild durcheiuauder lagen, strömte dann dieser westliche Arm der Spitze der Insel zn, um sich wieder einmal für kurze Zeit mit dem östlichen zu Einem Strome zu vereinigen. Hier ist die Ucberfahrts-stätte von Burre, einem Ssourhai-Dorf auf der Nusfa-Seite, und die Breite des Niger mag hier an verschiedenen Punkten 12- bis 1500 Schritte betragen. Aber kaum V» Meilen war es dem schönen Strom vergönnt, so rnhig dahin zu fließen. Abermals treten dort, wo in geringer Entfernung vom Ufer die vereinzelten Berghöhen Ayola und Tikcmasiten (anf der Aussa-Seite) weithin sichtbar sind, eine Menge felsiger ') Einmal aus seiner abenteuerlichen Fahrt vor seinem Untergang an den SttomschiicNcn vou Vnssa qericth er in eine solche sselspassage und entging dem Verderbeu nur nüt ungeheuerer Anstrengung, ------ 397------ Inseln und Riffe auf, welche ihn auf Meilen Weit in ein solches Labyrinth von Flußschnellen und schmalen Rinnen zerreißen, daß diese zusammen wohl eine Breite von 1 bis 1^ Stuuden einnehmen und, dun ferne gesehen, der Strum fast ganz verloren geht. Gegen das Ende dieser Strumschnellen, an einer Tiboranen genannten Oertlichleit, mochte die Strömung eine Geschwindigkeit von sechs Seemeilen in der Stunde haben. Einzelne, mir nicht so ausgedehnte Stromstreckeu voller Hindernisse finden wir bis Sinder noch mehrere; besonders bemertenswerth dürfte noch das hakenartig in das Flußbett vorspringende Kap Em-n-ischib (oder Em-n-aschid, ,,Eselsvurgcbirge") sein, unterhalb dessen der Strom durch schmale Inseln und Felsen ill eine Breite von wohl einer ganzen deutschen Meile auseinander gedrängt wird; ferner die insel- und felsenreiche Partie stromabwärts von dem Mündungsdelta des Flusses Guredjende. Zum Glück scheint in der Nähe des linken Ufers, selbst bei den gefährlichsten und zerrissensten Stellen, immer noch ein prat-tikables Fahrwasser sich hinzuziehen, so daß bei fleißigem Gebrauche des Senkbleies der Schifffahrt sich keine allzu großen Hindernisse entgegenstellen werden, wenigstens für kleinere Fahrzeuge. Von der hier geschilderten Art also war der Charakter deS Nigerabschnittes, dem entlang wir vom 11. bis zum 21. Juli nach Sinder zogen. Schon in den ersten Tagen unserer Reife am rechten Ufer bewiesen Schwärme von Heuschrecken, die nns der Wind in's Gesicht trieb, daß wir uns wieder fruchtbaren Gegendcu näherten, m denen selbst jene gefräßigen Gäste ihr Fortkommen fanden; doch mußten wir noch mehr als einen Tag wandern, ehe wir gesegnetere, des Anbaues fähige Gefilde erreichten. Einstweilen erfreute wenigstens oft schon schöner Baumwnchs (Ssiwak, Talha, Gerredh) das Ange und selbst der höher gelegene Boden schmückte sich nicht selten mit einem dichten Teppich grünen Krautes. Solche Ocrtlichkeiten waren außer der bereits genannten Sumpfebene Sungai einige schmale Kesselthäler, welche sich gegen das Ende derselben nach dem Flusse zu öffneten. Die Insel Anfsongho zeigte außer schönem Wcideboden gegen ihre südliche Spitze hin Dumpalmen und Tamarindcnbäumc, und einige Stunden weiter stromabwärts trafen wir bei einem Fnlbe-Dorf — gegenüber dem Berg Ayola - die ersten Felder von nennens^erther Ausdehnung; sie wareu mit Negcrhirse besäet. Im Laufe der Tage vom 16. bis zum Itt. Juli (— wir befanden uus währeud derselben zwischen dem 1ü° uuo 16° u. Br. —) ------398 ------ besserte sich schon das Ansehen der Landschaft; Weidegründe begannen den mehr gewellten Boden zu übcrklciden, wenn dieselben auch noch auf weite Strecken von steinigen Landstrichen durchbrochen wurden. Wir passirten mehrere jetzt trockene Rinnsale, von dcueu eins, Galiudu genannt, die Fortsetzung des Buggoma sein sott, den wir auf der Hinreise nach Timbuktu unter su vielen Schwierigkeiten bei Aribinda passirten. Ein paar Stunden weiter abwärts vereinigte sich das Flüßchen Bitib mit dem Niger; es war zur Zeit nur etwa 25 Fuß breit und I^Fuß tief, durchzog aber eine schöne, frische Thalsenkuug. Es mehrte sich nun der Aaumwuchs, das Land wurde hügeliger, Korna und Hadjilidj traten auf, und nachdem wir dnrch ein besonders reiches Thal, dessen schönste Zierde in einigen Tamarindenbäumcn bestand, gegangen waren, staubcu wir an den schon geuauuteu Stromschnellcn von Em-n-ischib, an einer Stelle, wo ein kleiner Gottesacker eine frühere Wohnstätte der Imeliggisen bezeichnete. Der nächste Marsch führte uns bald durch eiuen dichten Wald, in welchem ich die Kuka (Baobab, ^.clan^oni«. äiZitata) zum ersten Mal seit langer Zeit wiedersah, dann folgte noch einmal ein meilenbreiter Strich öden Landes; am Abend aber lagerten wir in einer freuudlicheu Eiusentung und cutdeckten jenseits eines reichen Banm-gürtels ein für diese Jahreszeit nicht nubedeuteudeS Flüßcheu. Es war der Fluß Goredjende, voller Krokodile und selbst damals (im Juli) nicht zu durchwaten, so daß wir den Uebergaug in seinem Mündnngs-delta, wo er sich in mehrere Arme theilte, suchen mußten; der größte derselben war über 75 Schritte breit und etwa 2^ Fuß tief. Dieser Nebenfluß des Niger bezeichnete nnscrn Eintritt in dichter bevölkertes nnd gnt bebautes Land. Feste Wohnplätze hatten wir bis dahin wenig getroffen (— sie schienen jedoch auf der Aussa-Seite häufiger zu sein —); denn dann und wann ein Ssonrhai-Weiler auf einer der Inseln und die oben erwähnte ganz vereinzelte Niederlassung der Fulbe, — das waren die eiuzigen dauernden Sitze, die mir zu Gesicht gekommen waren. Im Allgemeinen bildete das bis dahin durchzogene Land das Wandcrgebiet unsteter Tuareg-Stämme. Das ward mm anders. Die Inseln waren gnt bewaldet oder, wie die kleine Insel Ayoru, mit Hütten nnd Feldern bedeckt, auf denen die Einwohner mit Landarbeit beschäftigt waren; aber friedlich waren die Verhältnisse hier noch keineswegs und neben der Hacke mit langem Stiel trug jeder Landbancr zum Schutz auch Bogeu und Pfeil. Etwa zwei Meilen unterhalb der Mündung des Goredjende lagen — 399 ------- Insel und Dorf Kendadji mit wohl 2000 Einwohnern, die Abends in kleinen Kanoe's vom Festland nach ihrer wasserumströmten Hei» math in ansehnlicher Zahl zurückkehrten. Dieser gegenüber standen die getrennten Hüttcngrnpvcn eines Fnlbe-Dorfs am Fuße des 300 Fuß hohen Hügels Warba, nud Heerden von Rindern und Schaafen so wie zahlreiche Pferde gaben Zeugniß von dem reichen Viehstand dieser ^eute. Die Landschaft zunächst dem Ufer war dicht mit sorg-sam beschatteten Feldern bestellt; die verschiedenen Fluren stießen eng zusammen uud wir kouuteu hier auf breitem, wohlbetretcnem Weg weiter ziehen. Alles das bildete den auffallendsten Gegensatz zu der öden Gegend, die wir eben durchzogen hatten, und ich war iu der That erstaunt über dieseu Volksreichthnm, als uach ein paar Stunden abermals drei große Ortschaften dicht gedrängt auf ebeu so dielen Inseln sichtbar wurden; unter ihnen war Fitschile die bedeutendste, voller Leben und Thätigkeit. Was mich aber am meisten erfreute, war der hier von Nachen bedeckte Fluß, der während des größeren Theils uuserer Reise seinen mächtigen Wasserstrom so nnbenutzt dahin gerollt hatte. Wir näherten uns nun mehr und mehr dem diesseits Ssai wichtigste» Orte, der Dovftelstadt (Aaru uud Siuder. Einige Meilen oberhalb dieser Orte fanden wir einige Dörfer ansässiger Tuareg, zum Stamm der Eratafani oder Rhatafau gehörend, welcher höchst merkwürdige Schicksale erlebt haben muß. Ursprünglich sind die Nha-tafan nämlich reine Araber und jedenfalls bei der großen Wanderung der arabischen Stämme aus AegMen, die in der Mitte des 11. Jahrhunderts Verheerung über die schöusten Gegenden Nord-Afrila's verbreitete, eben dahin eingewandert. Dort verschmolz der Stamm mit andern Stämmen, warb allmählich berberisirt nnd dann hier an die Ufer des Niger herabgcdrängt. Unlängst hatte er hier noch eine bedeutende Macht, indem der Großvater des jetzigen Häuptlings alle Städte bis Ssai in seine Gewalt brachte; er wnrde jedoch von einem nebenbuhlerischeu Neffen ermordet uud seitdem zerfiel die Herrschaft und die Macht des Stammes. Ehe wir Sinder erreichten, rasteten wir noch einmal iu einer breiten Einbuchtung in das höhere Ufer, die zur Zeit der Ueber ^ schwemmung eine bedeutende Wasfermasse enthalten und den schönen Hain von Dumftalmen (— auch Tamarinden und Hadjilidj waren häufig in dieser Niederung —), in dessen Schatten wir ruhten, zu einer waldigen Insel machen muß. Ueberhauftt war das Ufer des ___ 400 ____ Stroms nach mid nach im Allgemeinen bedeutend flacher und dadurch sumpfiger geworden, so daß in der Nachbarschaft von Sindcr die Neistultnr wieder begann. Nur an einzelnen Stellen erhob sich der Boden zn kleinen Anhöhen; von einer dieser Erhabenheiten gewannen wir eine gute Uebersicht über dcn Strom, dessen nächster Arm — es begann hier eine Reihe von Inseln — abermals Felsen und Stromschnellen zeigte; ein großes, etwa 35 Fuß langes Boot, welches, mit sechs Ruderern bemannt, schnell an uns voriibereilte, bewies jedoch, daß die Schifffahrt auch hier, selbst bei dem zeitigen niedrigen Wasser-stand, nicht gänzlich gehemmt war. Lange schauten wir vergeblich nach der Stadt Sinder ans, bis wir endlich vom Gipfel einer andern Hügelreihe eine ausgedehnte Hüttenmasse erkannten, die sich über eine oder zwei Inseln ausbreitete nnd den beiden benachbarten Inselstädtcn Garn und Sinder ang» hörte. Beide Orte liegen auf den südlichen Spitzen zweier benachbarter, nur durch cineu schmalen Arm getrennter Inseln, werden von Fulbe und Ssourhai gemeinschaftlich bewohut und mögen zusammen 16- bis 18,000 Einwohner haben. Der Fluß ist hier mit ausgedehnten Inseln angefüllt nnd das ganze Flnßthal aller Wahrschein lichleit nach nicht weniger als drei bis vier Stunden breit; es ist sehr fruchtbar nnd, wie die obigen Zahlen beweisen, gut bevölkert. — Die beiden Orte sind fnr Europäer, welche versnchen wollen, dcn obern Theil des Niger zu befahren, vou der höchsten Bedeutung; denn von hier aus stromaufwärts müssen sie anf größere Schwierigkeiten Kon Seiten der Einwohner gefaßt nnd vorbereitet sein, anderntheils sind sie gezwungen, sich hier mit einer hinreichenden Menge 5toru zu versehen, um damit wo möglich bis Timbuktu auszureichen. Sinder nämlich ist der große Kornmartt für diese ganze Landschaft und zu jeder Zeit ist hier eine reichliche Menge Hirse zu haben; während meiner Reise wnrden große Qnantitäten ausgeführt, um dem Bedürfniß der gesammten Provinzen Saberma und Dcndina zu genügen. Trotz der großen Nachfrage ist der Preis des Getreides iu Sinder dennoch ein sehr niedriger; so kanfte ich eiue halbe Sunnie (nngcfähr 200 Pfund) für ein Stück einheimischen gefärbten Vanmwollenzenges, das ich in Gando für 1050 Muscheln, also etwa für 20 Sgr., gekauft hatte. Eine große Anzahl Leute besuchteu mich nnd benahmen sich im Ganzen mit großer Freundlichkeit. In der kleinen Borstabt, wo wir uns gelagert hatten, weilte anch ein recht aufgeweckter Fati Namens Mohammed Ssaleh, der ursprünglich zum Stamme der Gabero ge- ------ 401 —^- härte. Zu meinem nicht geringen Erstaun on wnrdc ich nun gewahr, daß dieser Mann mit meiner ganzen Geschichte bctannt war, und auf mein Nachforschen, wie er denn zu dieser Kenntniß gekommen sei, erfnhr ich, daß vor einiger Zeit ein Wallfahrer zu Boote den Fluß herangekommen Ware und die Leute mit allen meinen Erlebnissen in Timbuttn bekannt gemacht habe. Dieser Faki setzte mich auch von dem gegenwärtigen Zustande Haussa's iu Kenntniß. Er erzählte mir unter Anderm, daß Dand, der aufrührerische Fürst vou Saberma oder Serma, sein ganzes Heer durch das scharfe Schwert Abu 'l Hassan's, des Fulbe-Statthalters vou Tamtala, eingebüßt und sich nach Jelu, der Hauptstadt der benachbarten Provinz Dendiua, geflüchtet habe, und daß sich die Aufrührer in dieser letzteren Stadt noch behaupteten; mittlerweile sei Aliu, der Emir el Mumeuiu, vor Ar-gungo, der Residenz des aufrührerischen Fürsten vm« Kcbbi, gerückt, alier auö eigener Kriegsnnlust lllid in Folge eines Streites mit Eha-liln wieder umgekehrt, ohne das Geringste vou Bedeutuug auszuführen. Anch erfuhr ich, daß in Folge des noch fortdauernden Auf-standes der Dendi die Straße von Tamtala nach Fogha unsicherer als je sei; dagegen war ein Theil von Mauri zum Gehorsam zurückgekehrt. Geru würde ich die Stadt Siudcr besucht haben, aber da ich mich nicht ganz wohl befand, Und auch aus anderen Gründet, hielt ich es für besfer, zu bleiben, wo ich war. Die Abhängigkeit des dortigen Amtmanns von dem Statthalter von Ssai war nämlich mir sehr beschränkter und ungewisser Art nnd eine ansehnliche Anzahl Tuareg oder vielmehr Tuareg-Mischlinge schwärmten hier umher, weshalb es mir räthlich erschieu, mich nicht zn weit von meinem Gepäcke zu cut-ferueu; ich gab daher meiucn Frcuuoen aus Timbuktu ciu tleiucs Gescheut, das sie in meinem Namen dem Haupt vou Sinder darbringen sollten. Es ward diesen meinen Abgesandten eine ehrenvolle Aufnahme zu Theil, iudem ihnen der Amtmann in Person auf dem halben Wege zwischen den Städten Sinder nnd Garu entgegenkam und sich sehr freundlich gegen sie bezeigte. Nachdem wir eiucn Tag vor Sinder gerastet hatten, trateu wir am Morgen des 23. Juli die Weiterreise nach Ssai an; wir legten den Wcg dahin, der uugefähr 25 bis 30 deutsche Meilen betragen Mochte, iu acht Tagen zurück. Das Erste, was unsere Aufmerksam teit rege machte, iudem wir nahe am Ufer des Niger entlang zogen, Waren einige junge, mit Früchten belaoette Palmbüschc, nicht weit ent- ^^ 402 ------ fernt von dem eben verlassenen Lagerplatz. Es entspann sich ein Streit zwischen mcincu eigenen beutelt und meinen Gefährten ans Timbuktu, indem diese behaupteten, es sei die Oclpalme, während jene eA für die Dattelpalme erklärten, letztere Meiuuug erwies sich denn auch als die richtige; deun die Oclpalme gedeiht llicht in gewisser Entfernung von der See oder überhaupt von salzhaltigem Wasser und auf meiner ganzen Neise dnrch das Innere dieses Kontinents begegnete ich ihr nur im Salzthalc von Fogha. Der Niger war gleich nntcrhalb Sindcr voller schön bewaldeter Inseln, unter denen sich die Insel Ncni befand, bemerkenHwcrth als der (Geburtsort des großen Ssonrhai-Königs Hadj Muhammed, des Begründers der emgeborneu Dynastie der Astia. Bon dieser be^ rühmten Regentenfamilie sollen noch mehrere Prinzen am ^cben sein, wie mir der oben erwähnte Faki Mohammed Ssaleh, der mir ein Stück Weges das Geleite gab, mittheilte; sie leben in Darghol, dem Hauptsitz der unabhängigen Ssunrhai, über dessen Bedeutuug mir der Faki viel zu sagen wußte. Dieser war überhaupt riu su mittheilsamer Mann und von so geselligem Wesen, daß ich es herzlich bedauerte, nicht mit ihm das ganze Gebiet der unabhängigen Ssonrhai durchwandern zn tonnen. Das Land südlich von Sinder war eben so wie in» Norden der Inselstadt sorgsam angebaut und dicht bevölkert; feme Oberfläche ward jedoch weiterhin etwas mehr gewellt und bot, mit hohem Gras bewachsen nnd im Schmnckc schöner Bäume, einen gar freundlichen Anblick dar. Die vorherrschende Äaumspeeies war der Affeubrodbaum, der selbst größere Gruppcu bildete; neben Talhabä'nmcn von recht üppigem Wüchse nahm ich indessen auch den Kalgo wieder wahr in reichlicher Fülle nebst andern in letzter Zeit öfter gescheneu uud genannten Arten. — Die Bevölkerung war zwar immer noch gemischt aus deu drei Elementen, den Ssonrhai, den Tuareg nud Fulbe, letztere aber begannen allmählich überhandzunehmen. Die Tuareg gehörten meist zu den Nhatafan, doch waren in dcm Orte Asemay (etwa fünf Meilen nntcrhalb Sinder), dessen Vcvöltcrnng aus allen drei Rassen bestand, - die hier ganz friedlich neben einander wohnten, anch Einige aus dem Stamme der Kel-e'-Ssuk an-ssesesscu. Wenige Stunden unterhalb des eben genannten Dorfes ftassirten wir ein kleines, von den Tnareg „Tedcrimt" ssonst Iali) genanntes Flühchen, das uns seiner steilen Ufer wegen einigen Aufenthalt verursachte ; ------403 ------ sonst war es nur einige 20 Fuß breit und sein Wasser etwa 1 Fuß tief. So unbedeutend das Flusichcn an sich selbst war, so erhielt es doch dadurch einige Bedeutung für mich, daß hier zum ersten Male wieder der in Hausfa übliche Gruß an mein Ohr drang uud mich plötzlich in eiue Gegend versetzte, für die ich nun einmal cine grüße Vorliebe gewonnen hatte, Eiue Meile weiter zeigte denn anch das hart am Nigerufcr liegende Dörfchen Bosse Hütten, die nicht mehr nach der Art der Ssonrhai, sondern insgesammt iu der Bauweise vou Haussa errichtet waren. Ihre Bewohner waren Götzendiener, selbst mit Einschluß ihres Oberhauptes, bewirtheten uns aber gastfreundlich nud drängteu sich alle herzu, meinen Segen zu empfangen. Indem wir die auf der Hinreise nach Timbuktu erwähnte Stadt ^arba soder ^araba) mit ihrer kriegerischen und unruhigen Bevölkerung einige Meilen zu unserer Rechten liegen ließen, betraten wir einen Strich Landes — wie es sich in der Folge herausstellte vou ungefähr 5 bis 6 Meilen Breite —, der weit weniger dicht bevölkert uud fast ohne alle Kultur war; doch konnte nur zum genügen Theil der Beschaffeuheit des Budeus die Schuld dieser Erscheiuung zugeschrieben werden, denn er war meist mit Holzung gnt bestanden lind hatte auch teiucn Mangel an niederem Pflanzenwuchs. Auf dieser Strecke pas-sirtcu wir deu uns schon dou der Hiureise her betanuten Fluß Ssirba, Über den ich damals bei den: Orte Bossc-baugo gesetzt war. Er war hier, in der Nähe seiner Müuduug, zur Zeit von nur geringer Tiefe nnd floß in einem über 50 Schritte breiten felsigen Bett, welches einen so wilden Anblick gewährte, daß ich zweifle, ob der Fluß zur Zeit des Hochwassers an dieser Stelle passirt werdcu tauu. Auf deu Ssirba folgte bald uoch ein anderes Flüßchcu von mittlerer Größe und hübsch vou Bäumen eingefaßt. Einzelne Hitgelzüge ausgenommen, war bisher das dem Strome zunächst angrcuzeude ^aud im Ganzeu stach gcweseu uud es hatte auf dieser Seite jeue scharf markirte Grenze des Nigerthales gefehlt, die bis in die Nähe von Siuder mit wcuigcn Ausnahmen bemerkbar war und, wie wir gesehen haben, in einem mehr oder weuiger hohen und steilen Abfall des anstoßenden Hochlandes bestand. Jenseits des Ssirba aber mehrten sich die hügelartigrn Erhebuugcu des Äu^ dens und traten bald zu eiucr fortlaufeudcn Hügelreihe zusammen, die nun das Flußthal in ähulicher Weise wie im oberen ^aufe des Stromes wieder scharf begrenzte. Anders waren die Äooenvcrhält- 2«» ------ 404 ------ nisfe des linken Users, so viel ich von diesseits beobachten konnte. Dort hatte sich schon mehrere Meilen oberhalb Sindcr ein mäßiger Höhcnzug erhoben, der nmmterbruchen 17 bis 18 deutsche Meilen in südsüdöstlicher Richtung sich erstreckte nnd welchem der Niger in geringer Entfernung entlang strömte. Es ist dies die Kette von Bafcle oder Fatadjemma. Erst nahe ihren: südöstlichen Ende, etwa da, wo die bedeutende Ssonrhai-Stadt Farma oder Karma an ihrem Fuße liegt, erhob sie sich mit steilem Abfall zu bedeutenderer Höhe, die ich zu 800 bis 1000 Fuß schätzte, nnd bildete drei gesonderte Berg-gruppcn; diese wurden mir in der Reihenfolge von Nord nach Süd mit den Namen Äiugaui, Wagata und Bubo bezeichnet. Am Fuße der mittleren Gruppe lag das Dorf Tagabata und an den südlichsten Ausläufern der Kette lagen fünf Ssonrhai-Dörfer dicht gedrängt beisammen. Diesem Punkte gegenüber lag ans unserem, dem rechten Ufer des Flnsses der Ort Ssenu-Debu, von Fulbe nnd Ssonrhai gemeinschaftlich bewohnt, nach welchem der diesseitige, das Flußthal begrenzende Hngelzng genannt wurde. Hier entgingen wir, als wir durch ein Dickicht von Unterholz zogen, mit genauer Noth einem feindlichen Angriff der Eingcbornrn; sie hatten von ferne die sechs bewaffneten Reiter unseres Zuges bcmertt, uns für Feinde gehalten und lauerten uns, über hundert Mann start, in dem Dickicht auf, als glücklicherweise das Mißverständnis; noch zur rechten Zeit sich aufklärte. Die ^'cutc, Einwohner von Debu, waren meist nur mit einem Veder-schurz betleidet, obschon ein Theil derselben Fnlbc waren; ihre Bewaffnung bcstaud durchgehende ans Speeren, Bugen und runden Schilden aus Elephantcnhant, wuzu bei Vielen noch eine Streitart tam. Froh über deu glücklichen Ausgaug dieses Abenteuers, das bei der Ueberzahl der Feinde leicht unser Aller Untergang hätte herbeiführen können, zogen wir Weiter und ich wurde bald dnrch den Anblick eines weiten Strich Bandes überrascht, der mit schönen Baum-wollenftflanznngen bedeckt war; sogar der minder begünstigte Buden auf dem Nucken der sandigen Dünen prangte mit schöner Saat. Bon hier aus bis nach Ssai war denn auch wiederum das Land, so weit die Beschaffenheit dcs Bodens es zuließ, gut bebaut nnd namentlich trafen wir noch Baumwollcnpflanzungcn zn wiederholten Malen. Im Verhältniß mit der Zunahme der Kultur des Bodens mehrten sich natürlich die Ortschaften nnd von dem Städtchen Birni an reihte sich für mehrere Meilen weit Dorf an Dorf in geringen Abständen. ------ 405------ Das eben genannte Städtchen ist nock, in anderer Beziehung bemerkenswerth. Als wir uns demselben näherten, schien nämlich die Passage längs des Flusses ganz abgesperrt zu sein. Die Hügelkette zu unserer Rechten schloß sich dicht an eine Gruppe von Fclshöheu an, die ganz nahe an den Fluß herantrat; jenseits derselben aber be> fanden wir uns in einem hufeisenförmig abgeschlossenen Raum, indem die zurückweichende Hügelkette in kurzer Entfernung sich abermals nach dem Flußc umbog und zwischen sich und einer dicht über dem Rand des Wassers vereinzelt sich erhebenden Kuppe nur einen sehr engen Durchgang ließ. All dem Abhang des so gebildeten Amphitheaters, das selbst den Namen Ssarc-gorn führte, etwa halben Wegs die Höhe hinauf, lag das Städtchen Birni, welches ungeachtet seiner hinfälligen Wohnungen einen sehr malerischen Anblick gewährte. Nie )»er Name dieser Stelle und der Stadt ') andeutet und aus der Äe-schreibuug der Oertlichteit klar hervorgeht, ist dieser Punkt für die Beherrschung des Flusses nnd die Vertheidigung des Landes von der größten Wichtigkeit. Hier war es auch, wo im Jahre ltt44 die Fulbe sich den Tuareg, die uutcr ihrem Anführer Ssinnefcl einen großen Raubzug unternahmen, entgegenstellten, aber mit bedeutendem Verlust geschlagen wnrden, so daß Ssinnefel bis nahe an die Manern von Ssai vordrang. Virni, das ganz ausschließlich von Fulbe bewohnt wird, bezeichnet ferner die Ausbreitung der Oberherrschaft dieses eingedrnngenen Stam^ mrs an diesen: Theil des Niger, nicht nnr in Politischer, sondern anch in sprachlicher Hinsicht, drnn von hier aus stromabwärts reden die unterworfenen Ssonrhai die Sprache der Eroberer. Zwischen zahlreichen Dörfern und Gehöften wand sich unfer Pfad auf dem Vorland des Flusses hiu. Einzelne höhere Kuppen und Kegel erhoben sich aus den Hügeln zu nnserer Rechten, die sich zeitweise in malerische, mit Frlsblöcken und Bäumen angefüllte Schluchten öffneten und von einer Reihe vou Riunsalen durchbrochen wurden. Weiterhin traten steile Klippen, aus l^neis nnd Grünstein bestehend, bis hart an den Fluß heran, der in schöner offener Wasserfläche und mit mäßiger Geschwindigkeit dahiufloß. Oft waren für den Weg nur ') »Birni" sowohl als „ssare" bedeuten „Stadt", „Festung", „goru" aber "Fluß", „Rinusal", Ssare-goru wilrde also so viel heißen als «die Festung des Flusses". ------ 406------ wenige Fuß Naum geblieben und wir nnißteu dann dicht am Rande des Wassers hinziehen, und dennoch war der schniale Ufersanin an> muthig mit Duntubäumcu geschmückt, deren dunkelgrünes Laub einen schönen Kontrast mit den weißen Klippen dahinter bildete. Als die steile Felswand eine kurze Strecke weiter uuterbrocheu war, gewährte sie den Anblick einer eingefallenen Mauer, setzte sich dann aber wieder fort, wenn auch in einer weniger regelmäßigen Schichtung nnd nach nnd nach sich abflachend. — Bald sahen wir lins anch genöthigt, endlich den Raud des schönen Stroms zu verlasseu; denn vor uns drängte sich eine breite Aergmasse mächtig vorwärts und zwang den Niger, der — etwa von der Mündung des Ssirba au — seincu Vans von Südsüdost nach Südost gerichtet hatte, in einem flachen Bogen hart um den steilen Bergrand hcrnm sich nach Süden umzubiegen. Iu dieser Richtung strömt er dann anch an Tsai vorüber. Da wir mm dem Ufer nicht mehr folgen kouuteu, stiegcu wir dcu Abhang jenes Vorgebirges hiuau, der überall mit schönen Saaten bedeckt war. Wir lagerten an einem Punkte mit weiter Aussicht über den Fluß hinaus, die uur uach Südostcu hin durch höher ansteigende Hügel beschränkt wurde, ubschou wir uuS bereits üOO Fuß über dem Spiegel des Niger befinden mochten. Meine Leute entdecktet, am Abhang unterhalb unseres Lagerplatzes eine aus demselbeu hervorsprudelnde Quelle und von der Seltenheit dieser Erscheimmg angezogen, folgte ich ihnen an Ort uud Stelle, war aber kaum im Staude, die Höhe wieder zu erklimmen. Ich hatte mich während der letzten Wochen oft in einem fieberhaften Zustand bcfuudcn uud fühlte meine Kräfte bedeutend geschwächt. Am anderen Morgen — dem letzten Marschtage vor Ssai, das noch 4H Meilen eutfernt war — erstiegcu wir deu Gipfelpunkt des breiten Hügelrückens, der, hier etwa 700 Fuß hoch, in eine ausgedehnte Hochcbeue überging, bedeckt mit Grasland lind Buschwert (— darunter auch wieder der Gondabusch, den ich am obereu Niger niemals ge-seheu hatte —) und mit ansgedehnten Kornfeldern. Wir hielten nns nnfcrn des östlichen Randes dieser Hochebene, deren Höhe allmählich bedeutend abnahm, kamen au ein paar Dörfern vorüber und stiegen im letzten Dritthcil unseres Weges nach Ssai wieder in das snmpfige Flußthal hinab, an dessen westlichem Saum wir hinzogen, bis wir uns der Stadt gegenüber befanden. Es bleibt mir mm nur noch übrig, einige Worte znr Charak-ttrisirung des Niger von Siudcr bis Ssai hinzuzufügeu. Dieser —'_ 497 ------ Abschnitt des Stromes nuterscheidct sich von dem zunächst vorhergehendeil hauptsächlich durch das Fehlen jeiler Hindernisse, welche weiter obcrhalli so hällfig den ruhigen ^auf desselben unterbrechen. Stromschnelleu konnte ich nirgends beobachten und Felsen sah ich nur dem Städtchen Birni gegenüber über das Wasser emporragen. Die ineist gut bewaldeten und bewohnten Inseln sind geringer an Zahl und namentlich an Umfang, liegen auch nie in größeren Grnppen beisammen, drängen alsu nicht den Strom zn einer solchen Breite auseinander, wie dies weiter stromaufwärts so häufig der Fall ist. Die Entfernung der beiden Ufer voneinander ist vielmehr eine bei weitem gleichmäßigere und mag im Durchschnitt 2500 bis 3000 Schritte betrage«. Von deu das Flußthal begrenzenden Hügclreihen ist bereits die Rede gewesen. (5s war am 30. Juli zeitig am Nachmittag, als ich Ssai wieder erreichte, von wo ich etwas mehr als ein Jahr zuvor, am 24. Juni l853, nach Timbuktu abgereist war; aber wie verschieden war jetzt )er Anblick der Stadt nnd ihrer Umgebuug! Damals die außerordentlichste Dürre und Einförmigkeit, jetzt eilte solche Fülle der Begc> tition auf allen Seiten, daß von der Stadt selbst kaum etwas zu sehen viar; dabei war sie im Innern von einem breiten Wasserbecken durchschnitten, so daß es Mühe kostete, das Haus des Statthalters zn cr> re'chen. — Ich und mein Roß wurden beide als alte Bekannte freundlich gegrüßt und mir dieselbe kleine Hütte zum Quartier angewiesen, die ich vor einem Jahre bewohnt hatte. Nach einer tnrzen Nnhc folgte ich nebst meinen Gefährten von Timbuktu der Aufforderung des Statthalters, ihn zn besuchen. Ich fand nieinen altcu Freund Abu-Bakr in einem bedaueruswerthcn Zustand, denn ein rhcumatifches Leiden, das er fich in früheren Jahren bei encr Expedition zn Boote den Niger hinanf bis Tondibi zugezogen hatte, war seit meinem ersten Besuch in gänzliche Lähmung übergegangen. Er hatte sich bei jener Gelegenheit eine solche Ortstcnntniß den Ustrn des Stroms entlang erworben, daß ich jetzt, nachdem ich diesclbci, ebenfalls kennen gelernt hatte, durch feme Bemerkungen zu der Reiscerzählung meines Gefährten Ahmed cl Wadaui mehr als Einmal in Verwunderung gesetzt wnrde. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Herr von Ssai für die Bemiihnngen von Seiten der Europäer, den Niger zu beschissen, von der größten Wichtigkeit ist, nnd Man k,nm es nur bedauern, das; er nicht über größere Mittel gebietet, sowohl in ftetnniärer alö in militärischer Beziehung. Seine Umstände ------ 408 ------ waren aber gerade zur Zeit meines zweiten Besuchs, besonders in Folge des Aufstandes der Provinz Dendina, anßerordelttlich beschränkt, was sogar einm merkbaren Einfluß ans unsere Bewirthuug luährend unseres dreitägigen Aufenthaltes ausübte. Dennoch »nachte ich ihm diesmal ein wcrthvolleres Gescheut als bei meinem ersten Besuch, wofür cr mich mit einem Pfund Zucker erfreute, dm ich schon lange zu meinen: Thee hatte entbehren müssen; auch war Abn-Bakr großmüthig genug, mciue Reisegefährten mit einem Mmeel zu beschenken, dessen sie dringend bedurfteu. Da es bei der vorgerückten Jahreszeit unumgänglich nothwendig war, unsere Ncisc nach Ssokoto zu beschleunigen, so brachen wir am Nachmittag des 2. August wieder auf, nachdem ich mich in einer Audienz bei dein Statthalter verabschiedet hatte. Der schwache, aber wohlmeinende Mann, der sich nun dnrch mein freundschaftliches Verhältniß znm Scheich El Batay von den friedlichen Absichten der Enropäer vollkommen überzcngt hatte, lanschte mit großem Behagen meinen Worten, als ich ihn hoffen ließ, daß mit Gottes Hülfe bald cin Dampfer der Engländer den Strom heraufkommen würde, um sciuc Stadt mit europäischen Artikeln aller Art zu versehen uud sie zu einem wichtigeu Handelsplatz zu machen '). Das Niveau des Niger mochte nur etwa fünf Fnß hö'hcr sein, als es zu etwas früherer Jahreszeit bei meiner Hinreise gewesen war. Der größere der beiden Felsblöcke, welche hier bei Ssai über der Oberfläche des Flusses, etwa iu der Mitte desselben, zum B.n> schein kommeu, ragte jetzt nur etwa 1^ Fuß aus dem Wasser hervor und muß allen: Anschein nach zu Zeiten ganz von demselben bedeckt sein, wie dies mit dem kleinern bereits schon damals der Fall war; es ist auch wohl nicht unwahrscheinlich, daß hier noch mehr Felsen im Wasser verborgen sind. Ohne Unfall setzten wir über den Fluß, der jetzt selbst an dieser Verengung nicht weniger als 13- bis 1400 Schritte breit war, und mit einem tiefen Gefühl der Freude passirtc ich diesen prächtigen Strom ') Eine schlaffe, unentschiedene Politik uud verkehrtes Beginnen haben bis jetzt — Ansang des Jahres I860 — ein solches Uuttrnehmeu nicht ^u Staude lomrneu lassen, »„zweifelhaft aber ist eö mir. daß selbst dieser oberr Theil des Stromes iu uicht ;n ferner Zeit vou Europäern befahren werden wird; denn lleiue Dampsboote taun man zur Noth selbst zu ^'ande nm die schmerze Fels« passage bei Biissa herumschaffcn uud weiter abwärt« wieder flott macheu. ------ 409 —- zurück; hatte ich doch sc, lange Zeit au seinen Ufern gelebt und seinen Vauf so viele huuoert Mcilcu weit verfugt, l^eluiß würde es von nicht geringer Bedeutung gewesen s^n, wenn ich iin Stande gewesen Ware, seine Ufer bis nach Jauri zn erforschen und so den mittleren Vauf dieses edlen Stromes mit seinem nnteren Theil, so weit er von den Gebrüdern Lander und, wenigstens theilwcisc, von verschiedenen englischen Offizieren besucht worden war, durch eigene Anschannng zu verbinden. Aber ein solches Unternehmen kam ganz außer Frage, so-wühl in Folge des erschöpften Zustandes meiner Mittel, als auch wegen meines geschwächten Gesundheitszustandes und der sehr vorgerückten Regenzeit, die es unabweisbar nöthig für mich machte, Sso-koto so bald als möglich zn erreichen. Dazu kam der noch gewichtigere Grund des aufrührerischen Zustandes der Provinz Den-diua, welcher zur Zeit jeden Verkehr längs des Flusses für eine so kleine Schaar, wie ich sie unter meiucm Befehle hatte, ganz unmöglich machte. Wir setzteil unseren Marsch längs des dein ^eser von früher her bekannten Pfades fort, aber in dem reicheren Gewände des Pflanzenlebens, welches zur Zeit überall in der Natur erwacht war und oft da den Boden mit üppig wucherndem Kraut und schöner Saat überdeckte, wo er früher dem Auge nnr ei»e uackte, öde Fläche dargeboten hatte, gewährte meine alte Straße einen ganz anderen Allblick, als da ich zum ersten Mal auf ihr einherzog. Ich habe diese periodischen Veränderungen, welche die Vanoschaftcn des mittleren Afrika je nach der Jahreszeit erleiden, fchon zn oft geschildert, als daß ich es für nöthig erachten müßte, diese Schilderungen für den Rückweg nach Kut'aua Schritt für Schritt zu wiederhole,:; es wird genügen, diesen in seinen Hauptzügcu dem ^cscr in das Gedächtniß zurückzurufen und nur bedeutende Abweichungen von dem früheren Wege näher zu beschreibe». Zum ersten Male verließen wir diesen schon einige Stunden jenseits deS Niger, indem wir von dem Fulbe-Dorfe Tanna aus unferen Marsch nach dem etwa 4^ Meilen gerade östlich davon gelegenen Tamkala richteten, einer zu dem Fulbe Reich von Gando gehörigen Stadt, die durch den kriegerischen Charakter ihres Statthalters Abn 'l Hassan, des Siegers über den aufrührerischen Fürsten Daud von Saberma, eine gewisse Berühmtheit erlaugt hat. Der Weg dahin führte durch dichten Wald, Tamkala selbst aber war so eng von hoher Hirsensaat umgeben, daß wir nm das uus angewiesene ------ 410 ------ O.uartier hernm tcmm Platz fanden, unsere Pferde anzubinden. Daneben zeichneten sich die Hütten durch die Menge des darin Haufendell Ilngeziefers aus; denn außer der alle» Orten hier zu ^ande gemeinsamen Plage verschiedener Arten Ameisen und zahlloser Schwärme Mücken fand ich zu meinem prusten Erstannen anch eine Menge ^ Flöhe — ein Insett, das ich seit ikukalia uicht wieder gesehen hatte' und das früher im tropischen Afrika gar uicht vorhanden gewesen sein soll. Gern hätte ich mein Zelt außerhalb des Ortes aufgc^ schlagen, aber die Saat umgab, wie gesagt, uicht nur die Hütten, sondern auch die Stadtmaner so dicht, daß ich keinen Raum dazu fand, und außerdem lag die Stadt hart au dem Rande eines snmpfi-geu Thales, des ..Dallul Bosso", das zur Zeit neben seiner Fülle von Dumpalmen voll Wasser war. Ich begab mich mit den Schülern El Bakay's, die ein Gescheut für ihn zu überbringen hatten, zu dem Statthalter nud wurde sehr freundlich und gnädig von ihm empfangen, obgleich er im vergangenen Jahre vergeblich vier Reiter nach nur ansgesandt, um mich zu ihm zu entbieten, nud obschon man mir gesagt hatte, dasi er mir zürne, weil ich ihm damals keinen Befuch gemacht habe. Ich bemühte mich, in einer wohlberechneten Anrede mich zn entschuldigen, nnd da dieselbe von einem annehmbaren Geschellt begleitet war, brachte sie denn auch -einen sehr günstigen Eindrnck auf ihn hervor, zumal da er hörte, daß ich es sei, der den Scheich veranlaßt habe, ihn durch eine Gesandt schaft begrüßen zu lassen. Er ließ sogar den versammelteu Höftingeu das Gedicht vorlesen, welches mein Beschützer El Batay verfaßt hatte, nm die ssnlbe von Hamd^Allahi zu verspotten, daß sie mich nicht hatten gefangen nehmen tonnen. — In: Allgemeinen machte Abu 'l Hassan, der kanm unter 60 Iahreu sein tonnte, besonders durch die Einfachheit feiner Manieren einen günstigen Eindruck auf mich; er war auf der Insel Anssungho geboren, wo seine Borfahren von alten Zeiten her angesessen waren, nnd verdankte die Stellung, die er gegenwärtig einnahm, ganz allein seinem persönlichen Muth und dem bescheidenen Maaße seiner Gelehrsamkeit. Jedenfalls schien er es in aller Hinsicht zu verdienen, daß er einein energischeren Oberhaupte untergeben wäre, als den« mönchischen nnd lässigen Ehaliln, der sein Reich anf die schmachvollste Weise zerfallen läßt. Bei jedem Versuche, den Niger zn beschiffm, mnß der Herr von Tamlala von der größten Bedeutung sein. Die Hanptschwäche seiner Stelluug besteht iu dem Mangel au Reiterei/so daß es ihm unmöglich ist, den theil- ------4N ------ weisen Vortheil, den er zuweilen über seine Feinde davonträgt, zu verfolgen. Die Audienzhalle, wo lm'r llnser interessantes Zusammentreffen mit Abu 'l Hassan hatten, überraschte mich durch ihre einfache Bauweise, indem sie ans einem langen, schmalen nnd mit gegiebeltem Rohrdache versehenen Gemache bestand, wie sie in Ioruba gewöhnlich sind. Froh über den Erfolg unserer Verhandlung zogen wir uns in nuser Quartier zurück; ich vertheilte nnter diejenigen meiner Tim-bultuer Freunde, welche hier zurückbleiben sollten, meine letzten Geschenke nnd übergab ihnen einen Brief an den Scheich, worin ich ihn abermals meiner Anhänglichkeit an sein Haus versicherte nnd die Hoffnung aussprach, daß wir selbst bei der grüßteu Entfernung von einander nicht aufhören würden, unsere gegenseitige Freundschaft zu pflegen. Ehe wir am 6. August von Tamkala aufbrachen, schickte mir Abu 'l Hassan ein Kamcel zmn Geschenk, das ich jedoch meinen Freunden von Timbuktu gab, obschon meine eigenen Thiere sich in einem sehr geschwächten Znstand befanden. Unser Marsch ging gerade nach Süden am westlichen Nandc des Dallnl Bosso hin, welches nach Osten zu von einer Hügelkette begrenzt wurde, die zu bedeutender Erhebung aufstieg nnd auf deren Gipfel ein vereinzelter riefigcr Baobab die Stätte einer untergegangenen Ortschaft bezeichnete. Erst am' anderen Tag kamen wir anf die alte Strafte znrück, da, wo ich früher das Dallul Passirt hatte. Unterwegs trafen Mr eine für diese Vä'ndcr sehr charakteristische Persönlichkeit, einen einheimischen kleinen Gaugrafen, der der Anordnung des Herrn von Tamtala gema'si die Reife durch die gefährliche Wildniß von Fogha in unserer Gesellschaft machen sollte. Es war Abdu, Sscrki-n ^Tschiko, Herr von Tfchiko, oder vielmehr, nm der Wahrheit näher zu kommen, Herr der Wild-niß; sein adeliger Titel — „ranani" (wörtlich Shawl oder Tnrban) — war nämlich gerade eben so leer und eitel, wie so mancher in Eurova, und das Städtchen Tschito mit seiner Grafschaft war schon vor vielen Jahren vom Feinde verheert worden. Aber wie hohl auch sein Titel fein mochte, er selbst war von adeliger Geburt, der Sohu Abd c' Ssalnm's, des hier ;n Vandc wohlbekannten, einst auf seine Unabhängigkeit trotzenden Herrn der politisch wichtigen nnd wohlhabenden Stadt Djrga, die dem Reformator Othman dan Fodie so lange erfolgreichen Widerstand leistete. Bochari, der gegenwärtige Herrscher dieses Ortes, war Abdu's Bruder. ------4l2------ Abgesehen von der adeligen, vornehmen Abkunft dieses Herrn, war seine Gesellschaft auch recht interessant durch die Entfaltung des ganzen, den kleinen Haussa-Hanptlingen eigenthümlichen Gepränges. So inarschirte sein kleiner Troß beim Schalle von Trommeln nnd Hörnern, obgleich die gesammten militärischen Streitlräftc nur auö drei Reitern und sechs Bogenschützen bestanden. Er selbst war mit einem grünen, prächtigen Bernns bekleidet nnd ritt ein mnthiges, feuriges Streitroß; dagegen hatte sein Troß keineswegs ein fürstliches Aussehen, sondern bestand in einem ungeordneten, abenteuerlichen Gewirre von Sklaven, Hornvieh, Schaafeu nnd allen möglichen Arten von lästigem Gepäck. Ungeachtet all' seines leeren Gepränges war mir der Graf von Tschiko ein willkommener Gefährte auf der vor mir liegenden gefahrvollen Straße, nnd als er so frenndlich war, mir einen Besuch in meiner Hütte abzustatten, verehrte ich ihm sogleich einen schwarzen »rauani" uud bestätigte ihn so gleichsam meinerseits in allen seinen Titeln. Einige Diener eines Brnders des SnllanS Chalilu von Gandc» schlössen sich uns ebenfalls an, nnd so konnten wir uns denn getrosten Muthes dem öden uud unsicheren Landstrich nähern, der zwischen der westlichsten Hausse Kolonie, dem Dorfe Garbo, nnd dem Salzthal Fogha und von da bis zu der Stadt Tilli am Rande dcs Flnßthalcs des Gulbi n Ssokoto sich erstreckt. Dagegen bereitete uns die morastige Beschaffenheit des Weges manches Hinderniß nnd viel Beschwerde, denn Menschrn und Thiere befanden sich in einem angegriffenen uud erschöpften Znstand und ich hatte das Unglück bei der Passage eines SnmpfeS noch vor Garbo eines meiner entkräfteten Kameele zn verlieren. Ich nahm diesmal meinen Weg über Kalliul, die wichtige Grenzfeste der Fulbe, am Rande des Thales von Fogha, wo mir ein recht freundlicher Empfang von Seiten der dortigen Befehlshaber zu Theil wurde. Dort war es auch, wo ich mit Gewißheit den Tod meines Freundes, des Veziers von Borun, erfuhr. Allerdings hatte schon der Herr vou Ssai, als wir ihm den Empfehlungsbrief vorlafcu, den der Scheich El Balay zu meiucm Gunsten geschrieben, bemerkt, daß Omar nicht mehr Herrscher von Vornn sei, und auch einige leichte Andeutungru auf den Tod des Beziers gemacht, aber ich setzte noch keinen Glauben darein. Jetzt dagegen wurden mir die Umstände in so bestimmter Woise dargelegt, das; ich die Wahrheit der Angabe nicht länger bezweifeln touute, und ich dachte mit einiger Besurgniß ____ 41A ____ an Or. Vogel und seine Begleiter, so wic an meine eigenen Angelegenheiten in Bornu. Bon dem größten Interesse fiir mich war es, daß ich hier ein Exemplar der Oelpalme (I^i^^ s)um«sn8i«) fand; obschou gauz vereinzelt, lieferte es doch in Verbindung mit einigen Büschen derselben Gattuug den Beweis, daß diese Paliue selbst im Innern des Kontinents, in grußer Entfernung von dem Meere, an Stellen fortkommen kann, wo der Boden mit Salz geschwängert ist, wie hier am Rande des Salzthalcs von Fogha. Im Allgemeinen aber muß man, wie ich schon bei früherer Gelegenheit bemerkte, dies allerdings als eine Ansnahme von der Regel betrachten. In Kallinl schloß sich uns eine bedentende Schaar einheimischer Händler an, um in unserer Gesellschaft sicher die gefahrvolle waldige Wildniß nach Tilli hin zu passircn, wo wir denn auch, ohne irgend wie von Feinden bennrnhigt worden zu fein, am zweiten Tag (den 13. August) ankamen, gerade zu rechter Zeit, um noch die sumpfige Faddama des (Nnlln - n - Ssokotu überschreiten zu können. In etwas späterer Jahreszeit ist ihre Passage mit außerordentlicher Schwierigkeit verknüpft, selbst jetzt mußten wir über drei Wasserbecken setzen, deren erstes von ansehnlicher Breite und etwa drei ssnß tief war; das zweite, weniger breit, bildete das eigentliche Flnßbett und zog mit südwestlicher Biegung dem Kuara (dein unteren Niger) zu, uud das dritte endlich bildete ein stehendes Hinterwasscr. Ein Marsch von anderthalb Stunden brachte uns aus der sumpfigen Thalrinne hinaus auf höheren Boden nnd auf wohlbekannten Pfaden ritt ich nun meinem Tröffe voraus nach Birnen Kebbi, dessen fast erblindeter Statthalter, Mohammed ^ocl, mich freundlich empfing. Von Birni-n-Kebbi nach Gando verfolgten wir ebenfalls den alten Wrg, unr daß die Uebcrschweinmnngen uns nöthigten, nns fiir ein Paar Stunden da südlicher zu haltcu, wo wir auf der Hiureife die Faddama überschritten hatten. Eben diese schlechte Beschaffenheit der Wege und die häufigen Regengüsse verhinderten mich, auf diesen« Marsch die etwa drei Meilen weiter südlich gelegene Stadt Djega zu besuchen, die außer dem daran haftenden historifchen Interesse immer noch eine gewisse merkantile Bedeutung besitzt. Bei meiner Ankunft in Oando vor dem Hanse des fürstlichen Mönches nmgaben mich sogleich eine Menge Vente, die mir zu meiner glücklichen Rückkehr gratulirten. Die unfreundliche Thuuhalle, iu der ich früher gcwolM hatte, war zerfallen, und lauin hatte ich mich in ------ 414 ------ einer anderen Wohnung etwas eingerichtet, als mich mein früherer Führer vou hier bis Dorc, der Hauptstadt von ^ibtato, besuchte. Meine erste Frage war natürlich, ob er daS Briefpacket, welches ich ihm bei seinem Abschied in Dore anvertraut, dem Mallem Abd el Kader in Ssoloto treulich überliefert habe. Da machte er denn ein etwas trübseliges Gesicht, nahm aus feiner Mütze ein kleines ^eder-täschchen, öffnete es und zog ciu schmutziges Stück Papier hervor, wobei er zu meinem äußersten Erstaunen nud meiner bittersten (lut-tä'uschuug ausrief: „Hier ist Deiu Brief!" Ich erfuhr nun, dass in Folge der heftigen Regengüsse, in deueu dieser Bote seiueu Neg zu machen hatte, und wegen der vielen Flüsse uud Sümpfe, welche er passireu mußte, der ganze Umschlag des Briefpacketes, der die Zeileu euthielt, die ich iu Betreff der Weitcrbeförderuug der ^iutage an inciueu gelehrten Freund in Ssokoto geschrieben hatte, vernichtet wurden sei, so daß Abd cl Kader uur die englisch geschriebene Einlage selbst erhielt und in der Ungewißheit, waö er mit diesem für ihn hieroglyphischen Schreiben machen solle, es endlich dein Ueberbringer wieder zurückgegeben hatte, der, höchlichst zufrieden mit dieser Wen-, dung, unbekümmert um meiueu geistigen Verkehr mit der fernen Hci-math, das geheimmßvoUe Schreiben als schützcudcu Talisman anf seinem Halipte zu tragcu beschloß. Außerdem erwartete mich hier noch einc zweite unerfreuliche Knnde; während meiner Abwesenheit war nämlich die eine Hälfte der das Innere der Stadt bildenden Hütten dou eiuer Fencrsdruust verzehrt wordeu uud so wareu alle die Bücher, welche ich hier zurückgclasseu hatte, gleichfalls ciu Naub der Flammen geworden. Ich blieb vier Tage in Gando, indem ich mich auch diesmal vergeblich bemüht hatte, eine Audienz beim Fürsten zu erhalteu. Dabei uährteu meine Begleiter, die Tclamid oder Schüler des Scheichs, die Huffnnng, von diesem kargen, ungroßmüthigen Fürsten ein hübsches Geschenk zn erhalten, nnd es iuard :nir schwer, ihnen diesen Gedanken auszureden nnd sie zur Abreise anzutreiben, beider war auch ich durch meine erschöpften finanziellen Verhältnisse gezwungen, mich nach eiuer kleinen Unterstützung umzusehen, und ich hatte für die bedeutendcu Gescheute, welche ich dem Fürsteu gemacht, wohl einigen Anspruch darauf; aber Alles, was er mir schickte (wenn ich das Verfahren seiner Sklaven ihm selbst anrechnen darf), bestand in einer gewöhnlichen schwarzen Tobe nnd :i00(> Muscheln. Ich hatte erwartet, wenigstens ein K'ameel von ihm zn erhalten, denn die beiden ------ 415 ------ Thiere, Welche ich noch besaß, waren fast ganz aufgerieben. Jedoch verfaß ich über dies kleinliche Betragen nicht den Dank, welchen id, Chaliln schnldig war dafür, daß ich sein ansgedehntes Gebiet sowohl auf meiner Hinreise als bei meiner Rückkehr hatte unbelästigt durchziehen können; ja, so weit es seine Hinfällilie Macht vermochte, hatte ich selbst Schutz genossen. Diese aber hatte sich im Verlaufe des verflossenen Jahres um nichts gehoben uud es herrschte noch dieselbe Unsicherheit in der nächsten Umgebung der Residenz wie damals; denn ganz so, wie es bei meinem ersten Aufenthalt der Fall gewesen war, mußte auch jetzt noch jeden Dienstag nnd Donnerstag der größte Theil der waffenfähigen männlichen Bevölkerung mit den Weibern hinausziehen, nm nur mit einiger Sicherheit vor feindlichen Angriffen Holz zur Feuerung in der nächsten Umgebung der Stadt einsammeln zu tüuneu. Im Ganzen genommen, ereignete sich nichts voll Interesse; nnr will ich noch der ungeheueren Regenmenge gedenken, welche sowohl während meines Aufcuthaltcs in Oando fiel, als auch schon vor meiner Ankunft da gefallen sein sollte. Diese ErscheiH^ng bestätigte voll kommen den schon früher auf mich gemachte», Eindruck, daß Gando zu jenen Orten gehöre, welche am reichlichsteu mit Wasser versehcu sind; es war mir überaus interessant, bei näherer Ertundignng über dieses Phänomen von den Eingebornen zn hören, daß sie jährlich im Durchschnitt 92 Regentage rechnen. Wenigstens davon bin ich völlig überzeugt, daß der durchschuittliche Regenfall in Gando sicherlich nicht weniger als 60 Zoll beträgt; eher mag er über kl), ja vielleicht sogar NX) Zoll messen. Am 23. August brachen wir von Gando auf und ich war herz^ lich froh, diese Stadt endlich hinter mir zu haben; denu ich halte hier viel Noth und Unannehmlichkeit erfahren. — Eine kurze Strecke jenseits der Stadt ließen wir nnsere frühere Straße zur Viukeu liegen und schlugeu eiuen südlicheren, zunächst uach der Stadt Dogo-n^dadji führenden Pfad eiu. Dort ward gerade Markt gehckten, der wirtlich viel bedeutender war als derjenige der Hanvtstadt Gando selbst; Horn-Vieh, Schaafe, Salz und Glasperlen bildeteu die Hanpt.qegenstäude des Verkaufs. Aber gerade im Allgenblick unserer Ankunft brach ein heftiges Gewitter los, die Marttleute stobeu insgesammt auseinander und wir mnßtcn znsehcn, wie wir das, was wir bedurften, uns verschaffe« könnten. Der Distrikt, den wir von hier über die Stadt Kussada nach Schagali, wo wir wieder auf die alte Straße kamen, ------ 416 ------ durchzogen, war dicht bevölkert und reich an Triften, so wie fleißig ausgelebt iu Ncis- und Sorghum-Felder; auch weiterhin, über Schagali hinaus, war die ganze Landschaft mit dem reichsten Pflanzenwuchs bekleidet und die herrlichen Saaten gingen bereits der Reife entgegen, nur fiel mir die geringe Anzahl von Rindvieh und Pferden auf. So erreichten wir nach einem starten Marsch die Stadt Bodinga, wo der Sohn meines Freundes Modibo Ali in Ssototo Statthalter war. Es war dies ein sehr günstiger Umstand für mich, da ich des Beistandes eines freundlich gesinnten Mannes dringend bedürfte, denn ich hatte das Unglück gehabt, bei der Passage eines jener sumpfigru Thäler, wie sie in diesem Theile Iuner-Afrika's so häufig sind, abermals ein Kamecl einzubüßen; es fiel plötzlich mit' seiner Last rücklings hin, nm nicht wieder aufzustehen. Ich erhielt deuu auch vom Statthalter von Bodinga die uö'thigeu Thiere, um deu Nest meiner Habe weiter schaffen zu töuueu, ja er geleitete mich sogar in Person am folgeudcu Morgen aus der Stadt hinaus gen Ssokoto. Ich fühlte mich in diesen Tagen nubehaglich, schwach nnd ohne Appetit; die fortwährende Nässe, mit welcher wir von oben nnd von unten zu kämpfen hatten, war nicht allein für unsere Thiere, sondern auch für nns selbst verderblich gewesen und fast meine sämmtlichen Begleiter waren mehr udcr weniger leidend. Wirtlich trng ich schon damals die Keime der Dysenterie iu mir, die sich bald cntwickelu und meiue Gesundheit in der ernstlichsten Weise uutergraben sollte. Neben dem Gefühle der in mir Wummernden Krankheit erfüllte mich aber auch, als ich mm endlich am 26. August die alte Residenz Ssototo wiederum betrat, das befühl unendlicher Beruhigung nnd Dankbarkeit gegen die Vorsehung, die mich uuter ihrem barmherzigen Schlitze hierher znrückgeleitet hatte, nachdem nur mehr gelungen war, als ich jemals hatte erwarten dürfen. Ganz Ssukoto, Vorstädte, Stadtmauer, Hütten, Gehöfte nud Gärten, — Alles umhüllte jetzt eiue dichte Masse von Pflanzenwnchs, und es war in der That nicht leicht, durch diese reiche Fülle hindurch sich einen Weg zu bahnen und Plätze wiederzuerkennen, welche Einem von früher her wohlbelanut waren, ktanm hatte ich eiue bequeme Hütte zum Quartier angewieseu bekommen, als mir meiu Freund Abd el Kader dan Taffa seinen Grnsi bieten ließ, uud es währte nicht lange, so stellte er sich selbst ein. Er gab die lrbhaftcho Frende zu erkennen, mich wiederzusehen, drückte aber zugleich anfrichtiges Mit. leid über meinen sichtlich schwachen Gesnudheilsznstand ans. ------ 417 ------ Nicht weniger ermuthlgend war die Anfnahme, welche ich bei meinem alten Freunde, dem trefflichen Modibo Ali, fand. Als ich ihm ei» kleines Geschenk machte, mit dem Bedauern, daß ich, weil ich so lange ohne neue Mittel geblieben sei, nicht im Stande wäre, ihm etwas Besseres zu verehren, war er so freundlich, sein Erstaunen darüber auszudrücken, daß ich überhaupt uoch etwas besäße. Er bat mich auch, nicht ohne Weiteres nach Wurno zn gehen, sondern erst vorher au Aliu zu schreiben und ihm meine glückliche Rückkehr anzuzeigen, mit dem Bemerken, daft ich seiner Unterstützung bedürfte. Dies that ich denn auch, und während ich dein Emir el Mnmcnin andeutete, wie dankbar ich ihm sein würde, wenn er mich mit Pferden und Ka-meelcu unterstützen wollte, benutzte ich zugleich diese Gelegenheit, denselben zu ersuchen, mich mit so wenig Verzug als möglich meine Neise fort-setzen zn lassen. Um mit Einem Male alle nieine Wünsche anszu» fftrechen, erklärte ich ihm noch beiläufig, daß ich, da mir selbst meiuer geschwächten Gesundheit halber Alles daran liege, auf drin geradesten Wege in meine Heimath zurückzukehren, für einen Vandsmann, der so eben in Boruu angekommen sei, nm die Erlammiß bäte, die südöstlichen Provinzen seines Reiches besuchen zu dürfen. Mein Sendschreiben ward sogleich befördert nud am folgenden Abend traf ein Bote ein, der mir allzeigte, daß ich am nächsten Tage nach Wurno aufbrechen sollte, wo ich dann auf der audcrcn Seite des Flusses von Ssokoto Kameele finden würde. Schon vorher hatte ich erfahren, daß dies Flüßchcn, welches ich bei meiuem früheren Besuche fast ausgetrocknet gesehen hatte, sehr start angeschwollen und die Pasfage in Folge seiner reißenden Strömuug höchst schwierig sei. So bezeigten mir denn meine schwarzen moslemischen Freunde die grüßte Liebe und Freundlichkeit und behandelten mich auf die gastlichste Weise. Ein Gleiches tonnte ich leider damals nicht rühmen von meinen Freunden in Europa; dcun dereu Benehmen gegen mich bewies zur Zeit nur weuig Theiluahme uud war keineswegs dazu geeignet, meinen sinkenden Mnth aufzurichten. So erfuhr ich denn rein dnrch Zufall von einer Freigelassenen aus Koustantinupel, die mich bald nach meiner Ankunft besuchte, den mir so unendlich wichtigen Umstand, daß fünf Christen mit einem Troß von 40 Ktamcclen in Kutaua angekommen seien. Mr mil größter Mühe tonnte ich dabei die Mitglieder der Expedition, wie sie mir diefe Person in ihrem eben nicht offiziellen Berichte von einem höchst eigennützigen Gesichtspunkte aus beschrieb, mit den Augabcu in ^urd Russell's Depesche identifici- V°rih'« Reisen. II. »? ------ 418 ------ reu. Die letztere hatte ich, wie ich zu seiner Zeit angegeben, bei Timbuktu erhalten; sie setzte mich davon in Kenntniß, daß eine neue Expedition ausgerüstet sei, um nur zu Hülfe zn tummcn, und gab mir einige Details über die sie bildenden Persönlichkeiten. Während ich nun so von dieser Sl'lavin, die imt jenen Enropäern von Tripoli gekommen war, die Nachricht erhielt, daß sie vor geraumer Zeit glück-lich in Bornu angekommen wären, konnte es nicht fehlen, daß ich höchst erstannt nnd unangenehm beriihrt war, nicht einmal eine einzige Zeile von diesen Herren erhalten zu haben, die doch wenigstens eben so leicht einen Brief hätten senden können, als es jener Person möglich war, ihren Weg hierher zu nehmen. Aus allen: diesem zog ich schon damals den Schluß, daß etwas nicht ganz in Ordnung sei; jedoch hatte ich noch immer keine klare Andentung von dem Gerücht, das über meinen vermeintlichen Tod in Umlanf gesetzt worden war. Wir blieben zwei Tage in Ssokuto nnd brachen dann am 29. August nach Wnrno ans. Nicht ohne Mühe setzten wir in schwache» Barken über deu vor riuem Jahre so unscheinbaren Gulbi-u-Naba oder Vugga, der zetzt als ein reißender Strom dun 300 Schritten Breite am Fuße des Stadthügels dahinstürzte. Jenseits desselben trafen nns die Kameele, welche nns von Wurno entgegengeschickt waren, wo wir am folgenden Tage glücklich ankamen. — Anch hier, am Hofe des Emir el Mumeuin Alin, wurde ich mit Freundlichkeit aufgenommen und mein feindliches Verhältniß zn ihren eigenen Stammesgenossen in Hamd-Mahi schien mein Ansehen in den Augen der Be-lvohuer Wurno's nur erhöht zu haben. Es wird dies weniger auffallend erscheinen, wenn wir uns criunern, daß die gemäßigteren Fulbe des Ostens mit ihren fauatischeu Brüdern im Westen selbst nicht im besten EinVerständniß standen. Anch zn Alin's Ohren war schon die Kunde von dem so ganz verschiedenen Benehmen der beiden Brüder, El Batay und Ssidi Alanatc, gedruugcn, und während er den Scheich in Lobeserhebungen pries, tadelte er den letzteren bitter wegen seiner niedrigen Gesinnung. Wir Alle bedurften in hohem Grade der Erholung und mußten hier in Wnrno, wo uns die jetzt vollkommen unpassirbaren Flüsse und Smnpfnicdcrnngcn eine Zeit lang zurückhielten, die Kräfte wieder zu gewinnen sncheu, die wir zu dem uns noch bevorstehenden langen Marsch nöthig hatten; nnsrr Anfenthalt in der Residenz Aliu's zog sich daher m die M,ge und währte den ganzen folgenden Monat. Für Nicine eigne Person bemühte ich mich, dnrch strenge Diät und mög- ------ 419 ------ lichste Ruhe die in mir keimende Krankheit zu ersticken und meine erschöpften Kräfte zn heben; anch fühlte ich anfangs einen gntcn Erfolg, der aber leider nnr scheinbar war, denn am 13. September brach die Rnhr in der größten Heftigkeit bei mir aus und brachte mein Veben in ernstliche Gefahr. Es gelang jedoch, die KX'autheit zu brechen, und eine nach einheimischen ärztlichen Borschriften geregelte Diät — gestampfter Reis, mit dicker Milch nnd den Samenkörnern der Wms^li. Xilotiol», vermischt — stellte mich so weit wieder her, das; ich schon am 2^. September den ersten Ausritt wagen dnrfte; von da an besserte sich meine' Gesundheit von Tag zu Tag. Es blieb nnn noch ein anderer Uebelstand zn heben. Meine Geldmittel waren durch die Reise nicht minder erschöpft worden als die Kräfte meines Körpers; dazu kam der theuere Aufenthalt in Wurno, wo bei der zunehmenden Unsicherheit des Landes der Preis der tte-bensmittel eine enorme Höhe erreicht hatte. Denn während wir in Timbnktu, an: Rande der Wüste, ein Schaaf mit 5- bis 600 Muscheln bezahlt hatten, war hier keins unter 3000 zu bekommen, nnd für eine ^nantität Korn, für welche wir dort 3- bis 4000 Muscheln zu zahlen Pflegten, hätten wir hier gern 10,000 gegeben, wenn überhaupt nnr eine so grosse Quantität jemals anf den Markt gekommen wäre. Mein trenes, edles Bornn-Roß, das mich dnrch so viele Gefahren glücklich getragen hatte, war gänzlich anfgerieben nnd für fernere An-streugungeu völlig unbrauchbar geworden; meiuc Kamcrle waren gefallen oder ebenfalls vollkommen erschöpft. Was blieb mir also anders übrig, als gegen meiuc Neignng den Beistand und die Großmnth Aliu's anzusprechen? Veidev aber war Freigebigkeit keine der Tugenden dieses als Herrscher zwar schwachen, sonst aber redlichen Mannes, nnd trotzdem, daß ich ihm außer dem Geschenk, welches ich gleich bei meiner ersten Audienz überreicht hatte, noch den Nest meines Besitzes an baarem Silber — diesen: hier eben so schwer zn beschaffenden als geschätzten Metall — übergab, erhielt ich doch nnr ein zwar ziemlich kräftiges, aber sehr nnansehnliches Pferd nnd einen großen englischen Hut Hucker als Gegengeschenk.— Dessenungeachtet fühlte ich mich dem Sultan Alm zn großem Danke verpflichtet, denn für das gewagte Unternehmen meiner Reise nach Timbuktn hatte er mich mit einem einflußreichen Schreiben an den Herrscher von Gando versehen, bei meiner Rückkehr mich freundlich aufgenommen nnd im Ganzen mit vieler Rücksicht behandelt, und endlich versah er mich jetzt noch mit Empfehlungsbriefen an die Statthalter feines Reichs, deren Provinzen ich passiven mußte. Auch für den Statthalter von Ndamaua erhielt ich ein besonderes Schreiben von ihm, das ich später I>i-. Vogel übergab; es würde diesem von großem Nutzen gewesen sein nnd ihn« einen ganz anderen Empfang verschafft haben, als mir dort zn Theil wurde, hätte er seiner Absicht gemäß jenes von mir znerst betretene ^and von Hamarrna aus erreichen können. Nach mancherlei Verzögerungen von Seiten meiner Gefährten, und nachdem ich mich am 4. Oktober bei Alm verabschiedet hatte, befanden wir uns am 5. wieder auf dem Marsche nach Osten, und zwar znfällig wicdernm in Gesellschaft des Ghaladima, mit dem ich auch auf dem Hinweg von Katsena nach Wurno gereift war. Wir folgten diesmal einem mehr südlicheren Pfad, der uns zunächst nach Gaudi führte. Auf dem Wege dahin umßten wir zweimal über den Gulbi-u-Nabba setzen, der weiter oberhalb den Namen Bakura führt; das eiue Mal war er furthbar, das zweite Mal aber, obwohl ein paar Stunden weiter stromaufwärts, hatte er eine Breite von nnge-fähr 400 Schritten bei einer Tiefe von mehr als fünf Fuß, so daß wir Boote zum Uebersetzen gebranchcn mußten. Ich überzeugte mich hier, daß wir durchaus nicht früher hätten reisen können, denn erst jetzt, gegen das Ende der Regenzeit, begannen die Gewässer zn fallen. — Von Gaudi aus folgte der erschöpfende Marsch von elf deutschen Meilen durch die Wildnis; von Gmidumi, aus der wir in der Nähe der Stadt Danfaua herauskamen nnd nun wieder in das Stromgebiet der oberen Zuflüsse des Gulbi-u-Sfokoto oder Rima traten. Jenseits des ersten dieser Wasserarme, bei dem Orte Dole, erblickte ich den längsten Halm von Sorghum, der mir je vorgekommen war, denn er maß nicht weuiger als 2^ Fuß. Das Korn ging gerade der Reife entgegen. Durch einen steinigen Strich Bandes gelaugteu wir nach dem wohlbekannten Fclsendorf Dutschi und hier auf nusere alte Straße, der wir bis zur Stadt Syrmi folgten, von wo ans wir dieselbe wiederum verließen, um die 2—3 Meilen weiter südlich gelegene Stadt Kamlnane zu besuchen. Dieser Ort zeichnet sich inmitten der traurigeu Zerfahrenheit des Bandes dnrch rege Betriebsamkeit aus, indem seine Äcwohucr viel Baumwolle und Indigo baucu und Weberei und Färberei in schwnughafter Weise betreiben; daneben wissen sie ihre in Mem Zustand erhaltene Stadt tapfer gegen die Cinfälle der heidnischen Goberaua zn vertheidigen. Dann folgte abermals ein ____421 - forcirter Marsch von zwölf Stunden durch jenen wüsten, gefährlichen Walddistrikt, den wir auf drin Hinmarsch von Setta aus betreten hatten. Indem wir die eftheuumrankte Mauer von Rubo zu unserer bitten hatten lieben lassen, erreichten wir das Ende des Waldes etwas nördlich von Sclta bei der Stadt Ummndan. Hier trennte ich mich vom Ghaladima, der zunächst nach Katsena gehen wollte, während ich den geraden Weg nach Kano tvählte. Zwischen Kuraje nnd Knrrcft krenzte ich noch einmal die im vorigen Jahr von Katsena her verfolgte Route uud befand mich sieben Meilen weiter bei Kusfada auf derselben Straße, anf welcher ich in den ersten beiden Tagen des Februar 1851 von Katscna nach Kano gereist war. So überschritt ich denn wieder die Grenze der schönen nnd reichen Provinz Haussa nnd erreichte die Hauptstadt, den gewerbreichsten Platz des SndanS und die Handelsmonopole dieses Theils von Binnen-Afrita, am Nach« mittag des 17. Oktober. Ich betrat Kano in der sichern Erwartung, hier Briefe aus Eu« ropa zu finden, das liebste, die erfreulichste Erquickung nach Krankheit und langer Mühsal, die mir hätte werden können; aber weder Briefe waren da, noch anch das Geringste von den erwarteten neuen Hülfsmitteln. Kaum war ich im Stande, mir zu erklären, wie dies Alles habe geschehen können; meine Täuschung war um so größer, je fester ich überzeugt gewesen war, hier Alles vorzufinden, dessen ich bedürfte, so wie befonders auch günstige Nachrichteu über die Unternehmungen l)r. Vogel's nnd seiner Gefährten, deren Ankuuft in Kukaua ich bis jetzt nur aus dem Munde jener Freigelassenen in Ssokoto vernommen hatte. Das Erste, was ich daher that, nachdem ich am nächsten Morgen dem Statthalter und dem Ghaladima meine Anfwartung gemacht und die besten Geschenke, die ich noch besaß, ihnen überreicht und fast alles Andere an Werth aus meiner Habe dem von meinen: ersten Aufenthalt her mir als ziemlich zuverlässig bekannten Kaufmann Ssidi Ali übergeben hatte, um mich seines Wohlwollens nnd Beistandes zu versichern —, war, daß ich meinen getreuestcn Diener nach Sinder, der nordwestlichsten Grenzstadt Bornu's schickte, um die dort deponirtc frühere Sendnng — eine Kiste mit englischen Stahl-Waaren und 400 Dollars baarem Geld — oder was davon noch nicht in den Besitz Anderer übergegangen wäre, herbeizuschaffen. Mittlerweile, bis znr Rückkehr meines Boten, bemühte ich mich, die Zeit so nützlich als möglich hinzubringen, indem ich eine oberfläch' 422 liche Aufnahme der Stadt zum Abschluß brachte, dic ich während meines ersten Aufenthalts angefauM hatte. Zugleich erforderte der Zustand meiucr Gesundheit ununterbrochene lörfterliche Bewegung, da ich in Folge der grossen Veränderung in meiner ^cbell^weise während der Reise uud hier iu der Stadt zu uuederhulteu Malm rwu starleu P! nn uon K ll !1 ll. JYIaaJsstalj in. Seemeilen 1 Meine eig«ne Wohnunss in Dala, während meines eisten AusenthliUes in Knno (Auch bri meineui zn'eitcn Ä»se,ttl?^Itc i» Klinu wohnle ich in Dala, in <,rri!iss?l Äntfernunn von meinem nlten lDuarliere.) 2 Grohei Mnrltplah. » ssltinei Marltplah. 4 Palast des Sseili. b Palast des Ghniadima, « K°fc> (Thor, Mn-ssuaer, ? Kofll'N-Ädnmn, 8 Kofa°n-N'K«n,ssala«, 10 Kosa-n-Limun oder K, N'Kal'oga, 11 Kosan.Dasanyc oder K.°n«Dulama, 12 ÄofaolDalainci. 13 Kosa'N-Naissa. 14 Kosa'NlKma. Ill Kofa, 1« Kofa-n-Mata. 1? Kosa-n^Wcimbal), 18 .«ofli'N'Masillrdi. 19 Kosa-n°Dala. '^1 Ko«°-n-Dutsl, ____ 423 ____ Ficbcranfällcn heimgesucht wurde. Kano wird für Europäer stets einer der ungesundesten Orte bleiben, und es war daher wohlgethan, daß Di-. Vogel während des ersten Jahres nach seiner Aut'unft im Sudan absichtlich diese Stadt vermied. Selbst mciue Thiere entgingen dem verderblichen Einflüsse des Klima's nicht und meine drei Pferde wurden nach einander von eiucr ansteckenden Krankheit ergriffen. Dieselbe nahn: mit einem Anschwellen der Schenkel ihren Anfang, das sich von da nach Brust nnd Kopf verbreitete, bis es gewöhnlich in sechs oder acht Tagen den Tod herbeiführte. Auf diese Weise verlor ich zwei vou meincu drei Pferden, mit Einschluß meines allen Gefährten, der alle Mühen und Leiden fast drei Jahre hindnrch mii mir getheilt hatte; dagegen kam das kleine, häßliche, aber starke Pferd, das mir der Snltan von Ssokoto zum Geschenk gemacht hatte, mit dem Leben davon. Mehrcrc meiner Kamcelc hatte ich bereits nmerwegs, von Wurno bis Kano, verloren. Außer meincn persönlichen Sorgen nnd der mir durch meine Schuldeu verursachten Bedrängnis; — ich war meinen Dienern allein fast zweijährigen Lohn schuldig — so wie der Ungewißheit in Vezug auf das von mir in Sinder zurückgelassene Eigenthum, zogeu besonders zwei Umstäudc meine ganze Aufmerksamkeit auf sich und verursachten mir viel Sorge und Noth. Zuerst und, vor Allem beschäftigte mich die von der englischen Regierung den Benue hmanfgesandte Expedition. Von dieser Unternehmung hatte ich znr Zeit, wo sie ausgeführt wurde, auch nicht die leiseste Ahnung, da die Depeschen, welche ich nach so langem Verzug iu Timbuktu erhalten hatte, nicht ein einziges Nort über dieses Vorhaben enthielten; die Ariefe, welche mir später zugesandt worden waren und die die Nachricht enthielten, daß eine solche Expedition ausgcsandt werden sollte, blieben nämlich in Kukaua liegen nnd ich erhielt sie erst bei meiner Ankunft in jener Stadt, zu Ende Dezembers. So erfuhr ich denn erst den 29. Oktober l854, gerade ans dieselbe zufällige Weise, wie ich gelegentlich in Sso' koto die Anknnft des Herrn Dr. Vogcl in Kukaua erfahren hatte, aus dem Munde der Eingcbornen, daß eine solche Expedition stattgefunden hätte. Zncrst war ich der Ansicht, daß dieses Unternehmen von dem Captain Mac Leob ausgegangen sein möchte, da ich von dessen Vorhaben, den Niger hinanfznschiffcn, dnrch eine Nummer des „Galignani" Kenntniß erhalten, und erst am 13. November gelang es mir, mit einem Manne zusammenzutreffen, der die Expedition mit eigenen Augen ____ 424 ____ gesehen hatte. Er erzählte mir denn, daß sie aus einem großen und zwei kleiucrcu Gooteu — ob ans Eisen oder Holz, wissc cr nicht — bestanden habe; die Bemannung derselben gab er auf sieben Herren und 70 Sklaven an '). Ich hörte überdies vou ihm, daß die Mit> glieder dieser Expedition nicht bis Zola hinaufgegangen wnrcn, da sie der Herr von Hamarrua vor einer von den Bergen gebildeten Verengung der Flußpassagc gewarnt habe. Anch sagte er mir, daß sie ihre Heimreise früher angetreten hätten, als man allgemein erwartet habe, und daß er selbst sie bei seiner Rückkehr von Moba, wohin er gegangen sei, nm mehr Elfenbein für die Ervedition zu holen, zu seinem großen Erstaunen nicht mehr angetroffen habe. Der andere Gegenstand, welcher mich zu dieser Zeit start beschäftigte, war der politische Zustand von Kukana. Im Allfange, ?ls ich die erste Nachricht von der politischen Umwälzung in Vornu erhielt und erfuhr, daß Scheich Omar entthront und sein Vezier erschlagen worden fei, hatte ich mein Vorhaben, über Bornu zurückzukehren, aufgegeben und den Plan gefaßt, noch einmal die schwierige Straße durch Air uud mitten durch die Tuareg zu versucheu. Als ich jedoch später vernahm, daß Omar wieder eingesetzt sei, nährte ich die Hoffnung, es könnte doch möglich sein, die in Vergleich sicherere Straße durch das Tcbu-Laud einzuschlagen, zumal da ich zu gleicher Zeit die Nachricht vou dem höchst blutigen Kampfe erhielt, der zwischen den Kcl-owi und Kcl geress stattgefunden habe. In diesem Kampfe sollte eine große Menge der edelsten Männer des ersteren Stammes gefallen sein, so wie auch mehrere huudert Maun vom gemeinen Kriegs-Volke auf beiden Seiten. Großen Knmmer verursachte mir die Kunde, daß meiue besten Frcuudc unter den Kel-owi ebenfalls nmgetommeu wären, besonders Hamma uud Ayrgu. Mittlerweile blieb die Nachricht von Kukaua doch im Ganzen sehr unerfreulich uud falsche Gerüchte kamen beständig von dorther. Erst am 9. Nov. erhielten wir zuverlässige Kunde, daß der legitime Herrscher seine Stellung gegeu die Intriguen der Partei seiues Bruders mit Kraft behaupte uud daß er deu letzteren im Gefängniß bewahre; jedoch gewann ich erst volles Zutranen und fühlte mich ganz beruhigt, als ich nach Verlauf einiger Tage Omar's Botcu ankommen sah, um ') Er muszte natürlich die schwarze Vcmamimi^ der Fahrzeuge für Sklaven balten; diese bestand anö Neger» dl'ü der lirulMe, die häufis, auf europäischen Schiffen m den «Manischen Gewässern Matrosendicnste verrichten. ------ 425 ^- dessen Friedcnsgruß dem Statthalter von Kano zu überbringen. Ich ließ diese Boten sogleich zu mir einladen und machte ihnen ein ftaar kleine Geschenke, um meine Freude darüber zu ertenncu zu geben, daß ihr Gebieter sein Königthum wieder erlangt habe und sich in seiner Wiirde erhalte. Denn es war ein überaus wichtiger Pnnkt für mich, meinen Weg nach Bornu offcu zn sehen und dort mit Oi. Vogel nnd dessen Gesellschaft zusammenzutreffen, um ihm meinen Rath uud Beistand zukommen zu lassen iu Bezug auf dir Bänder, von denen es am wünschcnswerthesteu sei, daß er sie besuche. Obgleich sich nun der politische Horizont etwas aufgeklärt, hatte ich doch noch immer große Schwierigkeit, Kutana zu erreichen, da mir kein Geld zur Verfügung stand; denn zu meiuem großen Entsetzen war der Diener, den ich am 18. Oktober nach Sinder geschickt hatte, um mein daselbst beponirtes Eigenthnm zn holen, am 4. November mit leeren Händen zurückgekommen. Ein paar Briefe von altem Datum und ohne Bedeutung waren das ganze Resultat seiner weiten Reise'). Durch ihn erfuhr ich nun, daß das Gerücht von meinem Tode überall Glauben gefnnden habe und daß ein Diener Dr. Vogel's mit eiuclu Stlavru Abd c' Rahman's, des Usurpators von Kuko.ua, von da nach Sindcr gekommen sei, um alle Waaren, die für mich dort angekommen wären, mitzunehmen; die Kiste mit Stahtwaaren und baarcm Geld sei schou lange zuvor, unmittelbar nach der Ermordung des Scherif el Fasst, in dessen Verwahruug sie gewesen war, gestohlen worden. So war ich denn von allen Seiten verlassen und fühlte den Mangel an Mitteln um so mehr, als mein erster Diener, Ali el Age-ren, dessen verächtliches Betragen in Timbuktu ich schon früher erwähnte und der mir anch auf der ganzen Rückreise von wcuig Nutzen gewesen war, dem Wortlaute uuseres Vertrages nach auf das Entschiedenste verlangte, hier an Ort und Stelle abgelohnt zu werben; ich schuldete ihm 111 spanische Thaler nnd sah mich genöthigt, Ssidi Ali mit Auszahlung dieser Summe auf mciuc Rechnung zu beauftragen. Meine übrigen Diener, deren gesammter Lohn sich auf bei- ') Unter diesen Papieren befanden sich zwei arabisch geschriebene Empfehlungsbriefe, einer silr den Sultan Aliu in Wurno nnb ei» anderer allgemeine« ren Inlialtes, an alle Häuptlinge der Fnlbe gerichtet. Sie wurden mir zwei Jahre früher von grohem Nutzen gewesen sein. ------ 426 ------ nahe 200 spanisch».' Thaler belief, waren zum Glück geneigt, auf ihre Bezahlung zu warten, bis wir itukaua erreicht hä'tteu. Endlich erklärte sich ein fesaucr Kaufmann, der mir schou früher einmal mit vieler Freundlichkeit begegnet war, zu eiucm Darlehen von 200 spanischen Thalern bereit, die er mir auch wirklich wenige Tage darauf überschickte. Da ich aber den Plan nicht aufgeben mochte, eiuige Proben des l^ewerbfleißes von Kanu mit nach Europa zu bringen, anch Pferde uud Kameele, so wie tauseud audcre Dinge kanfeu mußte, so endete meine Verlegeuheit uoch uicht mit jeuem Darlehen. Ich sah mich also genöthigt, die Hülfe des Ghaladima iu Anspruch zu uehmeu, der dcuu altch denjenigen Kaufleuten von Gha> dauics, die mit dem dortigen englischen Agenten ill Verbindung standen und Waaren vou diesem im Besitz hatten, befahl, mir die Summe vorzuschießen, deren ich noch bedürfte. So erhielt ich weitere 200 Dollars, natürlich gegeu deu landesüblichen wucherischen Zins; dcuu ich mußte mich verbindlich macheu, daß nach vier Monaten die doppelte Summe au ihre Agenten in Tripoli ausgezahlt würde, mußte also 300 Proeent bezahlen! — Ich genoß jedoch dadurch deu Bortheil, schnell und sicher Depeschen und Briefe nach Tripoli senden zu fönneu; beuu jene Herren schickten sogleich einen zuverlässigen Eilboten mit meinen Schuldverschreibungen auf dem sichersten Wege dahin ab. Nach Beendigung dieser peinlichen Angelegenheiten gelang es mir cudlich, für den 2;i. November (1^5)4) reisefertig zu sciu, und ich trat au diesem Tage den lctzteu Abschnitt meiner langen Wande-ruug im Sudau mit frohem Herzen uud mit der Hoffnnug au, in uugefähr sechs Monaten wiederum die stärwidc Vuft des Nurdeus zu athmen. — Ssidi Ali gab mir das Geleite nebst den beiden letzten meiner Freuudc aus Timbuktu — zwei Andere waren in Nurno zurückgeblieben —, die mir in Kurzem uach Kukaua nachfolgen wolltcu. Da Bochari, der Herr vou Ehadcdja, gegen den Statthalter von Ka,w im Felde stand, mußte ich für deu Aufang eine etwas nördlichere Route als die früher verfolgte einschlagen; doch glich der Charakter der Landschaft demjenigen, welchen ich auf mciuer ersten Reise von Kano gen Kukaua beobachtet uud beschrieben habe, uud war das ?and weniger volkreich, so hatte es den Vorzug eines reicheren Pflauzeuwuchses, namentlich was die größercu Baumformcu anbetraf (Deleb- uud Dnmpalmen, Doroa, Tamarinden und srlbst Dattel- ------ 427 ------ Palmen). — Zwischen Gerki und Gumel überschritt ich dir Grenze von Borult, ward aber gleich in letzterer Stadt in trauriger Weise an den Bürgerkrieg erinnert, der mittlerweile in diesem Reiche gewüthet hatte. Drei Jahre früher erfreute sich Gunuuel, das Entrepot des Natronhandels in dieser Gegend, einer zahlreichen Bevölkerung und eines verhältnißmäßigen Wohlstandes unter der Statthalterschaft des alten Dan Tanoma. Nach dessen Tode vertrieb ein Usurpator, Scheri mit Namen, den rechtmäßigen Nachfolger, ward dann zwar seinerseits von dem Herrn von Sinder verjagt, kehrte aber mit neuer Macht zurück, die er in den: Gebiete von Kau» gesammelt hatte, und bemächtigte sich abermals der Stadt, so das; Scheich Omar, selbst geschwächt durch den Kampf mit seinem rebellischen Bruder, ihn schliesslich in seiner Würde anerkennen mnsite. Früher so voller Leben und Regsamkeit, war Gummel zur Zeit fast ganz verlassen, das Hans des Statthalters ausgeplündert und der glückliche Sieger selbst resi-dirte mitten nnter den Trümmern der halb eingestürzten nud von Feuer verheerten fürstlichen Wohnung. Interessant war es mir aber, hier den tunesischen Kaufmann Mohammed e' Ssfalsi zn treffru, der uus im Jahr I^bt) von Mursuk aus begleitet und von dem Herr Richardson eine so bedeutende Summe entlieheu hatte. Es war ein großes Glück für mich, daß ihm diese Schuld eidlich ausgezahlt worden war und nnser alter Glä'nbiger, der für mich früher die Quelle so vieler Unannehmlichkeit gewesen war, nun das größte Wohlwollen an den Tag legte. Er besuchte mich in meinem Lager, bewirthete mich mit allerhand Leckerbissen und, was für mich sehr erwünscht und wichtig war, gab mir zuerst einen anthcutischen Bericht über den politischen Znstand in Bornn, so wie anch weitere Kunde über die neue Erpedition, dir dort angekommen war. Der folgende Tagesmarsch lieferte wieder einen recht traurigen Beweis von den Verheernngen, welche der erwähnte Streit nm den Besitz von Gummel angerichtet hatte; alle Ortschaften standen leer, die gc^ reifte Saat auf den Feldern war verlassen nnd kein menschliches Wesen ließ sich auf einer Strecke von mehr als sechs deutscheu Meilen blicken, bis wir endlich einigen Reisenden begegneten, die auf dem Wege nach Kano begriffen waren. >— Die große Unsicherheit, welche in Folge eben derselben Streitigkeiten längs der von mir im Jahre 1851 von Gummel aus verfolgten Straße zur Zeit noch herrschte, hatte mich veranlaßt, einen uicht unbedeutend Weiler nördlich verlaufenden Weg ------ 428 ------ einznschlageu. (5rst von Maschena ans folgte ich dann znnächst wieder der alten Straße, wenigstens ohne namhaft von derselben abzuweichen. So hatte ich am Vormittag des 1. Dezember die Stadt Bundi erreicht und jenseits die waldige Wildniß betreten, welche sich im Osten dieser Stadt ausbreitet. Begleitet von meinem getreuen Gatroner, war ich dem Zuge etwa 1^ Stunden weit vorausgeritten, als ich eine Person höchst fremdartigen Anssehens anf mich zukommen sah; es war ein junger Mann, dessen überaus helle, mir schneeweiß erscheinende Gesichtsfarbe anf den ersten Blick zeigte, daß seine Kleidung, eine Filfiltobe, wie ich sie selbst trug, und der nm seine rothe Mütze in vielen Falten gewundene weiße Tnrban, nicht seine eigenthümliche Tracht sei. Da erkannte ich in einem seiner schwarzen berittenen Begleiter meinen Diener Madi, den ich bei meinem Anfbruchc von Kukaua als Aufseher in meiner Wohnung zurückgelassen hatte, und der, sobald er mich sah, seinen weißen Begleiter benachrichtigte, wer ich sei. Nun eilte !>,-. Vogel (—denn er war es —) auf mich zu und wir hießen nns einander in höchster Ueberraschung von: Pferde herab herzlich willkommen. Ich selbst hatte in der That nicht die entfernteste Ahnung, daß ich diesem mir zur Hülfe nachgesandten Reisenden begegnen tonnte, uud er seinerseits hatte erst kurz zuvor die Kunde erhalten, daß ich noch am ^cben nud glücklich aus dem Wcsteu zurückgekehrt sei. Ich hatte ihm von Kano ans einen Brief geschrieben, der ihm unterwegs zugekommen war; aber wegen der arabischen Adresse, die ich der sichereren Besorgung halber anf den Umschlag gesetzt, hatte er gemeint, es wäre ein Brief von einem Araber, und hatte denselben, ohne ihn ;n öffnen, zu sich gesteckt, m's er Jemanden träfe, der ihn vorlesen tonnte. Es war ein unendlich erfreuliches, überraschendes Ereigniß. Inmitten dieser ungastlichen Waldung stiegen Wir nun vom Pferde nnd setzten uns nieder. Mittlerweile kamen auch meine Kameele nach nnd meine ^ente waren höchst erstannt darüber, einen weißen ?andsmann neben mir zu finden. Ich holte einen kleinen Vorrathsfack hervor, wir ließen uns Kaffee kochen nnd waren ganz wie zu Hause. Seit länger als zwei Jahren hatte ich kein dentsches oder überhaupt europäisches Wort gehört und es war ein unendlicher Gennß für mich, mich wieder mnnal in der heimischen Sprache unterhalten zu tonnen. Aber unser Gespräch wandte sich bald Gegenständen zu, die keineswegs so ganz erfreulich waren. So hörte ich zn meinem großen Entsetzen von Herrn I>. Vogel, daß in Ku-taua keine Mittel vorhaudon seien nub daß, was er selbst mitgebracht ------ 429 — hätte, herbraucht sei. Der Usurpator Abd e' Rahman, sagte er mir, habe ihn sehr schlecht behandelt und das von mir iu Sindcr zurückgelassene Eigenthum in Besitz genommen. Er theilte mir auch mit, daß er selbst auf dem Wege uach Sindcr wäre, theils um zu sehe»,, ob etwa durt frische Hülfsmittel angekommen wären, theils um die Lage jener Stadt durch eine gute astrouomische Beobachtung auf das Genaueste zu bestimmen und so meinen Arbeiten eiue festere Grund-läge zu geben. Die Nachricht von dem Mangel au Geldmitteln berührte mich kaum so unangenehm als die Angabe, daß er nicht eine einzige Flasche Wein besitze. Ich war nämlich damals länger als drei Jahre ohne einen Tropfen irgend eines Reizmittels außer Kaffee gewesen und fühlte, da ich von häufigem Fieber uud Dysenterie start gelitten hatte, ein unwiderstehliches Verlangen nach dem startenden uud belebenden Nebensafte, dessen wohlthuende Wirkung ich durch frühere Erfahrungen kennen gelernt. So gewann ich, als ich mir auf mciuer früheren Reise durch Klein-Asien in den Sümpfen Lyciens ein ernstliches Fieber zugezogen hatte, meine Kräfte schnell wieder durch den Genuß von gutem französischen Wein. Es hatte mir unendlichen Schaden gebracht, daß Herr Dr. Vogel der Nachricht von meinem Tode so schnell Glauben geschenkt hatte, ohne znvor genügende Nachforschungen anzustellen; aber da er erst vor Kurzem iu dies ^and gekommen uud mit der Sprache unbctauut war, konnte ich wohl einschen, daß ihm kein Mittel zu Gebote gestanden hatte, die Wahrheit oder Unwahrheit jenes Gerüchtes zu untersnchen. Bei diesen wenig erfreulichen 'Nachrichten tonnte mich die Mit-theiluug des Herrn Dr. Vogel, daß in Knkaua Depeschen für mich lägen, nicht trösten, da die Kunde, die sie enthielten, nämlich über die den Benne hinaufgesaudte Expcditiou, mir nnn doch vollkommen uu-nütz war. Er selbst hatte die Absicht gehabt, sich jener Unternehmung vom Inneren aus anzuschließen, und das war, wie er mir sagte, der einzige Zweck bei seiner Reise uach Mandara gewesen, von der ich auf dem Marsch nach Maschena von arabischen Händlern gehört hatte. Er habe sich nämlich durch die irrthümlichc Meinung meiner Freunde in Europa täuscheu lassen, die da meinten, ich sei über Mandara nach Adamaua gegangen; erst iu Mora, der Hauptstadt oder vielmehr, bei dem jetzigeu steten Vordringen der Fulbe, deut einzigen noch selbst-ständigen Mittelpunkte jenes Händchens, sei er sich seines Irrthumes bewußt geworden, aber leider zu spät, und sein Äemühen, durch eiuen Marsch auf Udjc die richtige Straße zu gewinnen, habe leinen Er- ------ 430------ folg gehabt, da der Sturz des Usurpators Abd e' Rahman und die Wiedereiusetznng seines Bruders Ouiar ihn gezwuugeu hätte, nach Mtana zurückzukehren. Er erzählte mir auch, wie ihn der Herrscher von Maudara, wahrscheinlich auf Antrieb Abd e' Rahman's, äußerst schlecht behandelt und sogar »nit dein Tode bedroht habe. So drehte sich denn unsere Unterhaltung um Vergangenes und Zlltüuftiges; inittlerweile kamen die übrigeu Mitglieder der Karawane an, in deren Gesellschaft I>i. Vogel reiste. Sie wareu meinen Veuten begegnet, dencn ich geheißen hatte, mich in Kalcmri jenseits des Waldes, in dem wir uns befanden, zu erwarten, und waren außer sich, als sie uns beidc hier inmitten der rings von Feinden bedrohten Wilduiß ruhig dasitzen sahen. Diese feigen arabischen Händler hatten es uur iu Begleitung meines ^andsmanus gewagt, weiter zu reiseu, weil sich eiue tleinc Schaar Straßenräuber hatte blicken lassen. Nach einer etwa zweistündigen Uutcrhaltnng mußteu wir uns wieder trennen; 1>r. Vogel setzte seinen Marsch nach Siudcr fort, von wo ans er vor Ende des Monats wieder nach Kukaua zurück-lehren wollte, und ich selbst eilte, meine ^eute einznholen. Ich beschleunigte nuu meinen Marsch nach Kntaua so viel als möglich. Am zweiten Dezember tan« ich zum dritten Male während meiner Reiseu im Tudau uach Surrikulo. Die Tuareg beunruhigteu die Gegend, Alles war in Verwirrung und der tommandirende Kriegs-hauptmann in Begriff, die Stadt sammt den Einwohuern zn verlasse«,. Um die Gefahr auch für mich zu verringern, reiste ich zum Theil während der Nacht weiter, erfuhr jedoch nicht die geringste Behinde-ruug von Seiten jener gefürchteten Freibeuter. — Ich berührte und kreuzte meine Noute von Il^üi mehrfach, eben so, indem ich mich von Wadi ans über Borsari südlicher wendete, die auf meiner Reise nach Timbuktu (zu Eudc 1852) verfolgte Straße, zog am 6. Dezember unweit deS Flusses von Thaba eutlaug und überschritt an demselben Tage den mit ihm vereinten Komadugu von Waubc, so wie am folgenden die übrigen von Süden kommenden Zuflüsse des letzteren. Keiner derselben war znr Zeit tiefer als vier Fuß und ich fand die früher gemachten Beobachtungen über die Natur des Komadugu voMommcn bestätigt. — Die letzten vier Tagcmärsche führten mich endlich durch deu Distrikt ^ojam mit seineu wohlhabenden, weit auseinander liegenden Ortschaften, seineu schönen Kameclheerden und tiefen Brunnen (von denen einige mehr als 40 Fnß Tiefe haben), und als ich mich am N. Dezember der Hauptstadt Boruu's näherte, ------ 431 ------ fand ich den ersten Eunuchen des Scheichs mit 30 Neiteru bei dein Dürfe Kalilua aufgestellt, um mich ehrenvoll in die Stadt zu geleiten. So betrat ich denn in stattlichem Aufzng, über den mit Menschen gefüllten Marktplatz vor dem westlichen Thore hinziehend, Kutaua wieder, von wo ans ich vor mehr als zwei Jahren meine lange und gefährliche Wanderung nach dein Westen angetreten hatte. Bei den: Eintritt in mein altes Quartier, das „Englische Haus", fand ich anch die beiden europäischen Gefährten des I>i. Bogel, zwei Sappeurs der englischen Armee, den Korporal Church nnd den Gemeinen Macguire. 432 Topographic oon Kulaua. ------ 433 ------ 1 Das Englische Haus. 2 Palast des Scheichs in bei westlichen Sladt — dcr »billa jutebc. — mi! einer Moschee an bcr Ecte, K Minaret der Moschee. 4 Pla!) hintel den, Palaslc »üt cmem fchr schönen GummiMlasticum-Vaum, dem schönsten in Kukaua. l» Der Vendal, die Haufttstraßr. « Tiefnclegcncv Pla!K »or den« Südthorc, wo allcr Äbfcill, Nnialh und Aas uml todlen Kuincrlcn »nb Hornvieh und selbst zxwl'Uen uon Stlaven hingeworfen wird, und der sich dann wählrnb dcr RrsscnMi in cnic nvoße, tiefe Pfü^e verwandelt. ? Palast dc<5 Scheich« in dcr östlichen Stadt — dcr »Villa «edibe«. 8 Palast deil Veziers .El Had, Ncschir.. !> Haus, wu ich zuerst bei meiner Ankunft einquartiert wurde, daß aber nachher von Vamino, dc»i Hauptdienev Hadj Ncschir^, einsienoninien wuroe, W Residenz AbU'Vakr's, des ällesten und LieblinzzKsohncs de« Scheich« Ovesslich an dem vorigen Haus nelegcn), mit einem «rohen GumnwGlasticu»>ic Gräber sind uon der «eniciüsteü Arl, bll)ßc Löcher, in denen die >n Naiih'g Reisen, II, 2» Dreizehntes Kapitel. L»!lM' ^luslmihlüt in Aiikaua. — Heimrcisc tlurch tlil? Mlsk nnch Tripoli. — ^Illl'wllst ill Vmsi'mld. Ich hätte Wohl mit voller Berechtigung hoffen dürfen, nach meiner Rückkehr in die Hauptstadt von Bornu, mit welcher meine Erforfchuugsreiseu im Sudan ihren Abschluß fanden, im Genusse behaglicher Ruhe eiuigc Zcit verweilen zn können, um meine zum Opfer gebrachte Gesundheit, meine durch Strapazen aufgeriebenen Kräfte für die beschwerliche Heimreise durch die Wüste zu stärken, beider aber sMc es mir uicht so gut werdeu, denu mancherlei Um-stäude kamen zusammen, meiuen Aufenthalt in Kutaua nicht nur auf Monate hiuauS zu verlängern, fouderu mich auch diese Zeit in recht unerfreulicher Weise hiubriugcn zu lasseu. Schon mehr als Einmal war ich genöthigt, den Leser mit der Erzählung der Unannehmlichkeiten zu behelligen, welche die oft wiederkehrende Geldnoth mir verursachte. So wenig anziehend die Auseinandersetzungen seiu mochten, kouute ich sie doch nicht übergchcu, da die Schwierigkeiten, die mir dadurch in den Weg gelegt wurden, nicht zu dcu tleiusteu gchürtcu, welche ich zu besiegen hatte. Auch bei meiner Rückkehr nach Kutaua wicdcrholteu sich dieselbell uud ich sehe mich gezwungen, sie hier abermals wenigstens zu erwähnen. Dr. Vogel hatte mir bereits bei uuserem Zusammentreffen im Walde don Aundi zu meinem Schrecke» mitgetheilt, daß ich die erwarteten Geldmittel hier uicht finden würde; nuu war ich aber in Kano Verpflichtungen eingegangen, die ich in Kutaua lösen sollte, uud da es sich herausstellte, daß von dcu zuletzt nach Siuder gesandten und auf l)r. Vogel's Anordnnng vou da nach Kutaua trausftortirten Waaren ciu großer Theil entwendet worden war, — so drang ich iu meiner ersten Andicnz bei Scheich Omar nicht nnr auf Erstattung dieser Gegenstände, sondern auch des baareu Geldes, welches iu Sinder bei ------ 435 ------ dem Scherif cl Fa-ssi friiher für mich dcponirt und während der durch seinen Vrnder Abd-c-Rhamau angestifteten Nevolntion und nach Ermordung des Scherifs mir geraubt worden war. Ich that dies nicht nur, weil ich dessen bedürftig war, sondern auch aus Princip, um nicht zu dulden, daß mau Räuber und Diebe mit dem Eigenthum europäischer Reisenden nach Willkür schalten lasse. Vor Allem zog ich mir dnrch diese Forderung die Feindschaft eines angeseheneu Hustings Diggama, zu, dcsfeu ^ente jenen Transport von Sindcr her besorgt hatten. Den Intriguen dieses Mannes und der Saumseligkeit des Scheichs (der ebenso wenig einen Begriff vom Werthe der Zeit hatte, wie überhanftt jeder andere Mensch in diesen Bändern), der von ihm als vollkommen berechtigt anerkannten Forderung nachzukommen, war die Hauptursache der stets erueutcn Verzögerung meiner Abreise nnd der damit vcrbuudencu Unannehmlichkeiten. Ein anderer Umstand, der zur Unbehaglichteit dieses meines letzten Aufenthalts in Kulaua beitrug, war das nicht genug zu beklagende, unfreundliche Verhältniß, welches zwischen Or. Vogel und den beiden euglischen Saftftcurs obwaltete und das den Erfolg des Unternehmens ernstlich bedrohte. Ersterer nämlich, fortgerissen von feinen: feurigen Enthusiasmus und nur mit dem Zweck seiner Sendung erfüllt, hatte für seine Person alle Ansprüche auf die Bequemlichkeiten und Annehmlichkeiten des Lebens aufgegeben, aber unglücklicherweise das Versehen begangen, auch vou jenen beiden Männern, die natürlich nicht von seinen erhabenen Ideen begeistert sein tonnten, dennoch gleiche Aufopferung zu verlangen; dazu kam, daß er bei seiner Ingend den beiden Soldaten nicht hinlänglich imponirtc. So hatte sich ein bedauerlicher Zwist zwifcheu ihnen erhoben, uud obgleich ich mir alle Mühe gab, die beiden Sapfteurs umzustimmen, gelang mir dies nur mit Macguire und ich sah mich in der Folge genöthigt, den Korporal Ehurch mit mir nach Europa znrückznnehmen. Auf das traurige Ende seines fügsameren Kameraden werde ich später zurückkommen. Die von Dr. Vogel mitgebrachten Bücher und ein Packet alter Briefschaften, die mich nicht erreicht hatten, verkürzten mir die Zeit bis zur Rückkehr meines jungen Freundes aus Sinder. Diese erfolgte am 29. Dezember nnd es ward mir nun für eine — nur zu kurze — Reihe von Tagen der seit Jahren entbehrte Genuß zu Theil, in der Gemeinschaft eines mir an Bildung gleichstehenden Europäers uud ^andsmannes zu leben, — ein Genuß, der durch die Persönlichkeit meines unglücklichen Freundes noch bedeutend erhöht wurde. Es war auffallend, mit welcher Leichtigkeit sich dieser unternehmende, ------ 430 ------ umthue junge Mann iu alle Berhältnissc des ihn unigebenden freniden Bebens fand. — Voller Hofsuuug lrateu wir beide das Jahr 1.^55 an, in welchen: ich von incincr fünfjährigen Laufbahn voller Mühsal und Eutbehrnngcn endlich nach Ellropa heiinlelirell, mein nell augckomiuencr Gefährte hingeben meine Entdecknugcn nnd llntersuchullgeu vcrvoll-ständigen sollte. In den ersten Tageu des ncnen Jahres gewährten einige Aus> singe nach den Ufern des Tsadsce'S eine augenehine Abwechselnng; sie gewannen ein besonderes Interesse dnrch die wunderbare Art, in welcher die Ufer jenes sumpfigen Scc's verändert waren, seitdem ich sie im Herbst des Jahres 1852 anf meiner Rückkehr ans Baghirmi znln letzten Male gesehen hatte. Fast die ganze Stadt Ngornu war vom Wasser zerstört worden nnd die Seefläche breitete sich nun bis zu dem Dorfe Kukia ans, wo wir auf dem Heereszug nach Mussgu daS erste Nachtlager gehalten hatten. DaS erfreuliche Znsannncnleben mit I>. Vogel endete init dessen Reise nach der Provinz Äautschi, wohin er von Kutaua aln 20. Januar 1855 aufbrach. Ich gab ihm das Geleite für die beidcu ersten Marschtage und verließ ihn dann nnter den besten Wünschen für seinen Erfolg — ich ahnte nicht, daß ich meinen huffnnngövollen jungen Freund niemals wiedersehen sollte! Man kaun sich denken, daß ich mich nnn in Knkana recht einsam nnd verlassen fühlte. Dazu kam ein sehr heftiges rheumatisches beiden, welches ich von diesem Ansflug mit uach Hause brachte; es warf mich für mehrere Tage hart darnieder und schwächte mich außerordentlich. Da ich mm sah, daß meine Kräfte eher abnahmen, als fich mehrten, drang ich um so eifriger beim Scheich auf Erlcdignug meiner Angelegenheiten und anf meine Abreise; ja, ich verließ einstweilen schon die Stadt, die mir nnerträglich geworden war, uud zog am 20. Februar hiuaus auf die Sandhügel von Danerghn, um dort die Vorbercituugcu zu vollenden. Der Scheich schickte mir fünf Kameele zum Geschenk, ich selbst t'anfte zwei andere dazu, miethete einen Führer bis Fesan nnd zahlte ihm sogar die Hälfte des Vohncs voraus, dcun ich glaubte meinen Anfbruch wirtlich nahe. Wie sehr hatte ich mich abermals geirrt! Es mochten verschiedene Gründe sein, die den Scheich dazu be-wogeu, mich noch zwei volle Monate zurückzuhalten; er schien nicht geneigt zn sci„, meinen Ansprüchen anf Ersatz des Gestohlenen (etwa 1M0 Prenß. Thaler im Werth) nachzukommen, mochte vielleicht anch wohl Gefahr fürchten, wenn ich zur Zeit reisen würde, oder dnrch ------ 437 ------ die Nachrichten, welche ihm in diesen Tagen cm Tebu-Bote ans dem Norden brachte, zu dem vou ihm eingehaltenen Verfahren bestimmt wurdet« sein, — turz, er ließ mich wiederholt bitten, in die Stadt zurückzukehren, nnd da ich mich weigerte, durch einen Diener meines Widersachers Diggelma nnter bewaffnetem Geleit endlich in einer Weise dazn auffordern, daß ich mich genöthigt fah, ihm zu willfahren. Ich bezog fortan also wieder mein Quartier in der Stadt. Am 23. März kam eine Karawane, anö IM Arabern mit sechzig Kameclen bestehend, in Knkaua an, deren Vorstand Namens Hadj Djabcr 1000 Dollars für die Mission mit sich führte; allein die Sendung war nicht an mich, fondern an I)i', Vogel adressirt. Man hielt mich ja für todt nnd die Karawane war auö Fcsau aufgebrochen in der vollen Ueberzeugung, daß ich es sei; die Araber waren daher nicht wenig erstaunt, mich noch am ^ebcn zu finden. Zwar erbot sich Hadj Djabcr in der Folge, mir das Geld auszuliefern, allein dennoch vermehrte die, dnrch das Gerücht meines Todes verursachte Verwirrung die Schwierigkeit meiner ^age bedeutend. Mußte es nicht weuigstcns scheinen, als habe mau mich in C'ngland aufgegeben nnd die Leitung der Expedition aus meinen Händen in die eines Andern gelegt?— Unter folchen Umständen war es doppelt erfreulich, daß Scheich Omar mir endlich am 2ls>i»!ni8 «oäaw), währclld an einer andercu Stelle eine Hecrde Elephanten oder ein 8üldel Büffel in den morastigen ssluthcu des See's Fühlung fuchteu. Am 22. Mai erreichten wir Ngegimi, das heißt den neuen Ort dieses Namens, denu das alte Ngegimi, welches ich anf der Nrifc nach Kanem, so wie anf dem Rückweg voll da nach Knlaua berührt hatte, war im Winter von 1853 auf 1854 von den Wellen des Tsad verschlungen worden, die zur Zeit uoch dessen Stätte bedeckten; die Einwohner des zerstörten Dorfes hatten sich aber weiter landeinwärts anf der Höhe der Dünen wieder angebant. Das ^agcr belebte sich bald mit den wohlpropurtionirten Gestalten der Kanembn-Francn, welche Hühner, Milch und „wmmni'i", d. i. Sameu der Bamnwoll-staudc, feilboteu; auch Fische, im getrockneten sowohl als im frischen Zustande, brachten sie zu Marltc. Sie tauschten am liebsten dafür Korn, aber auch Glasperlen znm Schmuck ihrer ebeuholzfarbencn Körper, deren glänzendes Schwarz durch diese weißen Pcrlenschnüre und ihre nicht minder schöllen weißen Zähue angenehm gehoben wurde. Von Ngegimi aus verließen wir die von mir bereits zweimal, nach Kancm und von da zurück, verfolgte Straße, um unsern Knrs für eiue lauge Strecke im Allgemeinen gerade nach Norden zu nehmen. Ueber hügeliges ^and erreichten wir die fchön belaubte Thalsentnng von Kibbo, etwa 2<^ Meilcu von Ngegimi, welche, abgesehen von der Wichtigkeit seiner Brnnneu, als die nördliche Verbreitungsgrenzc der weißen Ameise bemerkenswert!) ist. Der nächste Tagrmarsch führte uns unweit des Bruuncns Kufe vorüber und durch eine Gegend, die deshalb besonders nnsichcr ist, weil sie im Wege jener räuberischen Tnnrcg-Hurdeu liegt, die aus ihren Wohnsitzen im Süden von Damcrghn nach dem zerrissenen nnglücklichen Vande Kanem ziehen. Mehrere Meilen jenseits Kufe begegneten wir einem Eilboten aus dem Thale Kanar, dem Hauptsitze der Tebn, der nns die wichtige Nachricht Mittheilte, daß Hassan Vascha, der Statthalter des Äaschalits Fesan, ------44! —- gestorben sei und, was uns zunächst noch mehr berührte, daß die Straße vor uns durch die (5fade bedroht wäre, eben jenem unruhigen und räuberischen Stamm auf der Nordgrcnze von Assben, der uns schon früher in dem ersten Abschnitt unserer Reise durch die Wüste nach dem Sudan so viele Noth verursacht hatte. Diese drängende Gefahr uud die große Hitze während der Mittags-stuudeu iu dieser heißesten Jahreszeit nöthigte uns, ohne die geringste Rücksicht auf unsere Bequemlichkeit den größten Theil der Nacht zur Reise zu benutzen und dieselbe nach Kräften zu beschleunigen; doch machte die Beschwerlichkeit der Märsche, welche die armen überbürdeten St'lavcn der Tcbn am meisten fühlten, dann und wann einen Rasttag nöthig. Die Eile, mit der wir vorwärts zogen, uud das Reisen zur Nachtzeit war deuu auch der Grund, daß ich mit ciuzelneu Ausnahmen nicht im Stande war, die Angaben der früheren Spedition unter Dcnham uud Clapperton über die Terrainvcrhältuisse dieser Wüstenstraße zu verbessern oder zu vervollständigen; ich muß dies um so mehr bcdaueru, als auch Dr. Vogel, welcher unlängst diese Straße ans seiner Reise von der Küste nach dem Sudan benutzte, feine Aufmerksamkeit nur auf die Feststellung der Lage derselben in ihren Hanptpunkten durch astronomische Beobachtungen gerichtet hatte. Noch wanderten wir über hügeliges ^and mit schönen Thälern und — ubschon öde und verlassen — dennoch wohlgeeignet für Kameel- und Schaafweidcn, Am 28. Mai rastcteu wir eine Weile an den« Brunnen Belkaschi-farri oder Beduaram, derselben Station, wo bestimmten Nachrichten zufolge der Sappeur Macguire auf seiner Heimreise im Jahr 1^57, die er antrat, nachdem er den Tod seiucs Vorgesetzten iu Wadai vernommen hatte, nach tapferer Gegenwehr von einer Tuareg-Bande erschlagen wurde und Or. Vogel's Papiere, so weit sie iu Macguire'ö Besitz waren, verloren giugen. — Jenseits dieser Stätte, die nuu also ebenfalls durch das Grab eines Europäers bezeichnet wird, nahten wir nns mehr und mehr dem Herzen der Sahara nnd am Nachmittag des letzten Mai betraten wir znm ersten Mal das offene Sandmeer, desfen unaussprechliche Großartigkeit ich hier von Neuem tief empfand. Die leblose, schreckhafte Wüste vou Tintumma lag vor uns nnd in einem langen, Peinigend ermüdenden Marsch zogen wir hindurch, oft eingehüllt in Sandwolken, die ein heftiger Wind aufwirbelte, bis wir endlich die Fels-Höhen von Agadem erblickten und zuletzt auch die eigenthümliche Thal-bildung zwischen ihnen betraten. Zwei Tage mußten wir hier ruhen, damit namentlich die uns begleitenden armen Sklaven sich nur einiger- ------ 442 ------ maaßen wieder erholen konnten; doch anch noch während dieser Rast peinigten uns die hefligcu Sandwehen und daneben, da diese Stätte der allgemeine Lagerplatz aller Karawanen ist, eine andere Plage — zahllose Kameclläuse, von denen der Boden überall voll war. Als wir am 5. Inni weiter zogen, überzeugte ich mich, daß ganz Agadem eine Art ansehnlich weiter Vertiefnng bildet, die im Osten von einem etwa 300 Fuß ') über der umgebenden Ebene sich erhebenden Fclszug, im Westen dagegen (in ciner Entfernung von 1^ Stunden) mid im Norden von Sandhügeln begrenzt wird; die west> liche Erhebung ist noch höher als die östliche. Der Strauch des Ssiwak (^:^>^iui» koc^w) wächst in diesem eigenthümlichen Thale in großer Menge uud zeitweilig halten sich wohl auch einzelne Ansiedler, namentlich aus dein Stamme der Bolodna uud Am-wadebe, in demselben auf. Das Plateau des zunächst gelegenen Wüstenstrichs war häufig von Einsenlnngen durchschnitten, die, von steilen Abhängen eingeschlossen, von Ost uach West verliefen; dann aber wurde der Buden wieder so volllommeu ebeu, daß mau deu Anblick wohl mit dem der Mecresfläche vergleichen tonnte. Nur hin und wieder brachen uoch tleine Felsrückrn hervor; anch fanden wir eine Mcuge jener eigenthümlich tnistallisirten Sandstangeu oder Röhren, „Erdschoten" von den Eingeborncu genannt, deren Entstehung noch nicht hinlänglich erklärt ist. Am 7. Juni erreichten wir deu Bruuncu von Dibbeln. Als wir uns der Stätte näherten, überraschte mich ihr romantischer Charakter und der wilde Zauber, welcher der ganzen Oertlichfeit eigen war: rings nmher hohe Sandhügel, ans denen schwarze Felsenmassrn emporragten, und tiefe Eiusentungen, mit vereinzelten Dumpalmeu geschmückt; dagegen war das Wasser des Bruuuens abscheulich, indem es sehr viel Natron enthielt. Es war hier am Brunnen von Dibbeln, wo Herr Henry Waniugtou, welcher Nr. Vogel als Dolmetsch nach Kukaua begleitet hatte, auf seiner Rückreise den Folgen der Dysenteric erlag, vou der er auf dem Marsche befallen wordeu war; wahrscheinlich hatte die schlechte Beschaffenheit des Wassers das Uebel zu diesem tödtlichen Ende gebracht. — Gleich hinter der Eiuseukuug, in welcher sich die Brunnen befanden, war eine zweite, in der ich aber statt der Dnmpalmen uur ?alhabämue bemerlte. Nachdem wir die Düueu voll Dibbcia erstiege» hatten, führte unser Weg über eine höher gelegene sandige Ebene, die aber vou einem noch höheren Saudrückcn ') Die Zahlen neben OrtSuanir» aus dcr dieses Wert begleitenden Ueber-sichtSlarte geben die Höhe ilbcr dem Mcerc a«. ------ 443------ überragt wurde, bis wir am späten Abend auf dem nackten Sandboden lagerten. Es war für mich auf dieser mühevollen Nüstenreise stets ein unendliches Vergnügen, mich bei uusercr Ankunft auf den, Lagerplatz der Vänge nach anf dein reinen Sand auszustrecken; denn gemeiniglich ist derselbe so fein uud weich, daß man gar kein besseres Lager haben tauu. Und dazu der prachtvolle nächtliche Himmel! Es waren stets ein paar schöne Stunden, aber die Nast war nur zu kurz und daö Bedürfniß nach Ruhe und Schlaf ward blos halb befriedigt. Bei dem Weitermarsch am folgenden Tag fanden wir, wie schon öfter, seitdem wir die Wüste betreten hatten, den Boden durch eiuen mäßigen Regenschauer befeuchtet, gegen die gewöhnliche Annahme, daß es in diesem ganzen Wüstenstrich niemals regne; freilich aber ist der Nicderschlag zu gering, nm Gras und Kraut hervorsprießen zu lassen. Dennoch trug der Sand zahlreiche Spuren der ^,uti1(»i,(> lmimlit,. Ein anstrengender, überaus mühsamer Marsch, auf den» wir vier unserer schwachen Aornu-Kameelc durch Entkräftung verloren, brachte uns am 9. Juni in einem Zustand äußerster Erschöpfnng nach dem Brunnen Sau-tura. Die Thalebene, in welcher die Brun> nen nnr wenige Fnß unter der Oberfläche lagen, gewährte einen ganz frcnndlichcn Anblick, denn die Tränkstätten waren mit Ssiwak und Pallngebüsch dicht bewachsen. Eine kleine Tebu-Karawane, die hier lagerte, gab uns überdies die beruhigende Versicherung, daß die räuberischen Tuareg vom Stamme der Efade bereits in ihre Heimath zurückgegangen wären, wir also nichts mehr von ihnen zu befürchten hätten. Mit um so größerem Vertrauen für unsere Sicherheit konnten wir nns nnn der uns Allen so nöthigen erquickenden Ruhe eines Rasttages hingeben, um dann nach der großen Oase der Tebu aufzubrechen. Nach ciuem Marsch von 15 Stunden erreichten wir die süd> lichstc (Grenze dieser Oase, die Tränkstättc Mnsstatenu, welche jedoch erst einen leichten Ucbergaug von der Wüste zn dem Fruchtlande bildet, denn sie besteht nnr in einer unbedeutenden flachen Ein^ senkung voll Mergel und Alaun. Die Hitze war an diesem Tage stärker als gewöhnlich, indem das Thermometer 43,,,° C. (34,7° R.) zeigte; aber wir waren so begierig, die eigentliche Oase zu erreichen, daß wir mit großem Eifer Nachmittags wieder aufbräche». Dort sollte nicht allein der erste große Abschnitt unserer Wüstenrrise enden, sondern die Oase ist auch im Allgemeinen ein höchst wichtiger Pnntl im ganzen ^eben dieses Theiles der Wüste, der Sitz eiuer eignen kleinen Nationalität, der Tcbu mit ihrer eigenthümlichen Bildnngs^ weise hier im Herzen der Sahara, wo die Natur diese Kulturstätte ----- 444 ------ geschaffen hat, inn don Verkehr zwischen weit getrennten Völkerschaften zu erleichtern. Ehe wir den eigentlichen Anfang des Thales erreichten, hatten wir mehrere Sandhügelrncken zu übersteigen, die sich nns eittgegen^ stellten, obgleich der Sand nicht so tief lvar, wie ich nach der Be schreibung Anderer crlvartet hätte. Da öffnete sich das Palmenthal der Tcbn — „henderi Tege oder Ted-i", wie es die Eingebornen selbst, „Kmmr", wie es die Araber nennen — am westlichen Fuße einer großen nnd brritknppigen Felshöhe. Die Landschaft ward sogleich höchst mteressa»t nnd der grnne Boden, wo kleine, mit leichten Zäunen von Pallnblattern uingebene Gärtchen mit „ghedeb" (M>lilow») und etwas Gemüse bepflanzt waren, wnrde von schönen Palmbaumgruppen überragt. Dieser Anblick belebte nnd erfrente nnch nach dem öden Marsche, den wir zurückgelegt hatten, so sehr, daß ich meinen Lenten ein paar Schüsse nicht versagen tonnte; denn sonst sparte ich meinen kleinen Pulvervorrath immer für dringende Fälle auf. Unsere Freunde, die Dasa-Salzhändler, trennten sich hicr von lins nnd wählten ihren Lagerplatz znr Seite des dichtesten Patinen-Haines, wo das verfallene Städtchen Vilma gelegen ist; wir selbst lagerten unsern, Gefährten K'ow zn Viebe etwa eine Mcilc weiter in einer nackten Salzmnldc bei einem kleinen elenden Dörfchen Namens Kalala, unter desfen Bewohnern ikolo Freunde besaß. Indessen verschaffte mir voll dieser keineswegs angenehmen Lagerstätte ans der Besllch der berühmten Salzgruben von Bilma einige Unterhaltung. Sie waren mehrere hundert Schritte östlich von derselben gelegen und bildeten kleine regelmäßige Becken von 12 bis 15> Fnß Durchmesser, die, nmgeben von Schntthanfen, tief in den harten Buden eingehanen waren. Hier sammelte sich das mit Salztheilen reich gefchwä'ngertc Wasser des nmliegendcn Bodens, das man in Thonformm von der Größe und Gestalt gießt und darin verdunsten läßt, wie ich sie bei früherer Gelegenheit beschrieben habe'). An den Wänden der Gruben, so weit dieselben trocken waren, hing das Salz in Gestalt langer Eiszapfen herab. ,Hnr Zeit sah ich nnr einen kleinen Vorrath zubereiteten Salzes, denn die Periode, wo die Kel-owi dasselbe holen, trat erst einige Monate später ein; dann muß freilich die ganze Umgebung der Gruben einen äußerst belebte« nnd interessanten Anblick bieten. Au dem Tage, an welchen, wir bei Kalala lagerten (13. Juni), ') Band I. S. 212. hatten wir abermals gegen zwei Uhr Nachinittags bei einem Thcr-moilieterstand von 42° C. (ZZ,.i" N.) iin tuhlsten Schatten einen kleinen Regeufchaucr. Zu früher Zeit am andern Morgen setzten wir dann uuscrn Niarsch in: Thalc Kauar weiter fort uud sahen bald zu unserer Rechten steile Fclstlippen, die zu Zeiten malerische Terrassen bildeten. Mittlerweile ward das Thal auch schön bewaldet, uud als die Morgendämmerung hereinbrach, zeugten zahlreiche Wan> derer für einen gewissen Grad von Rührigteit iu dieser merkwürdigen Oase. Unweit des Dorfes Eggir setzte ein niederer Felsrückm durch das Thal uud engte es etwas ein; hier hielten wir Mittagsrast an der Seite eines Palmenhains, wo mit Hülfe einer Menge Ziehbrunnen jede Art von Vegctabilien leicht gezogen werden tonnte; denn schon alls eigner Kraft brachte der Boden Aghul (II»'l1)s«lli'm>l /VI-lüul.ii) nnd Moluchia ((!,il<^!>l!l^ ulitoiiu^) hervor. Am Nachmittag passirten wir »nchrcre Dörfer und betraten dann die Dattelpflanzung von Dirti. Der Palmenhain, welcher dieselbe bildet und den wir durchzogen, war sehr schön nnd die edle Frncht der Datteln ging gerade der Reife entgegen; allein die Stadt selbst nebst ihrer Mauer bot einen über die Maßen elendeil Anblick dar. Dcssennngeachtet ist Dirti ein Ort von einiger Bedeutung im ganzen Umtreis der Wüste und war es auch für mich, denn hier wohnte der einzige Grobfchmied ill der Oase und ich hatte Hufeisen für meine Nossc nöthig, da wir jenseits des Thales einen sehr steinigen Strich Vandes zn dnrchzirhen hatten. Der Mann versprach mir zwar, das Gewünschte zu liefern und nach Aschenunlma nachzuschicken, hielt aber sein Wort nicht und war so Schuld darau, daß meiue Pferde erlahmten nnd ich sogar eines derselben verlor. Nachdem wir nochmals zwei Dörfer rechts zur Seite gelassen, erreichten wir Aschcnumma, die Residenz des Häuptlings der Tebn. Das Städtchen liegt auf einer niedrigen Terrasse, die von einem sanften Gehänge am Fuße der steilcu Klippen gebildet wirb, welche als nackter, abcr regelmäßig geschichteter Fclsenzng das Thal hier nach Osten hin begrenzen. Wir lagerten jedoch nicht bei dem Städtchen, wo die von den bleichen Felsen abprallende Hitze nngehencr ist, sondern stiegen ill das Thal hinab, wo ein lichter Palmenhaiu um eine vereinzelte Grnppc von Sandstcinfelsru sich ausbreitete, an deren Fuß in einigen großen Wchern, kaum einen Fuß unter der Oberfläche, sich Wasser angesammelt hatte. Das Städtchen Nschennmma scheint schon sehr frühe die Auf-merlsamkcit der arabischen Geographen auf sich gezogen zu haben; ------ 446 ------ zur Zeit bestand es nur aus etwa 120 modrig«, Hütten, die ohne Ordnung und Symmetrie über den Abhang zerstreut standen. Ich begab mich am Nachmittag dahin, um dem Häuptling meine Aufwartung zu machen, und fand in ihm einen Mann von vorgerücktem Lebensalter, der zwar nur ärmlich gekleidet, dessen Benehmen aber recht anständig und achtungswerth war. Dankbar nahm er mein Gescheut an, daö in einer schwarzen Tube, einigen Turtcdi und einem Gesichtsshawl bestand, und sprach die Hoffuuug aus, daß ich den noch vor mir liegenden Wüstcustrich in Sicherheit durchziehen würde, wenn ich keine Zeit mehr verlöre. Wir blieben m«h nur noch den folgenden Tag an unserm angenehmen Lagerplatz liegen, der mit seinem offenen, durch die Wasser schöpfenden Frauen der Tebu belebten Brunnen, mit dem Städtchen nnd dem erwähnten Felszug im Hintergrund ein so anziehendes nnd charakteristisches Bild gewährte, daß ich eine Skizze dieser interessanten Oertlichl'eit entwarf, welche der beigegebenen Ansicht zu Grunde liegt. — Korporal Church bestieg auf mein Ansuchen die felsige Höhe, welche Ascheuumma überragte, um sich zu überzeugen, ob das Thal anch im Westeu von einen: Höhenzug begrenzt würde, wie Captain Clappcrton auf seiner Karte angiebt; vermittelst meiues Fernrohres gelang es ihm auch, sich von der Richtigkeit dieser Angabe zu überzeugen. Das Thal Kauar mochte hier eine Breite von vier deutschen Meilen erreichen. Am 17. Juni verließen wir die Residenz des kleinen Wiistcn-fürsten und erreichten nach 1L Meilen die Stadt Nnitimma, nachdem wir ans dieser knrzeu Strecke zweimal eine bedeuteudc Verengerung des Thals dnrch Felsen, die von beiden Scitcu herautratcu, durchzöge» hatteu. Anikimma, an und für sich uhue Äcdeutuug, bildete filr mich ciue nicht nnwichtige Station, denn eS war die Hcimath meines Reisegefährten Kolo nnd dou hier aus sollte ich mm mit meiuen paar beuten ganz allein die noch übrige zweite Hälfte der Wüstenreisc znrücklegen. Gastlich bewirthet von Kolo am Rande deS Palmcnhains, an dem wir lagerten, nahinen wir Abschied von nnscrm bisherigen trcucu Gefährten nnd bcgabeu uus nach dem nur ^ Stundeu entferuten Anay, der letzten, nördlichsten Ortschaft im Thale Kanar, um dort unsere Vorbereitungen für die Weiterreise zu treffeu; es bestanden dieselben vorzüglich in dcm Antanf einer hinreichenden Menge nahrhaften Futters für die Kamccle, um sie in den Stand zn setzen, dic Beschwerden des fast zwanzigtägigeil schwierigen Marsches bis zu den lwwohuten südlichsten Punkten des Baschalits Fesan zu ertrage«,. * dumma, rbeufallö umstanden, befand sich nur noch ein einziges vereinzeltes Eremplar der Dum^ Palme, das letzte, welches ich zu sehen bekam. — Eineu zweiten Vruuucn Nameuö Maferass Passirteu wir am 26. Juni, 4^ Meilen weiter nördlich; dieser ist es, dessen astronomische Position von !>»-. Vogel bestimmt worden ist. Der Marsch dahin führte über eine weite offene Wüstenebene, eine wahre Spiegelfläche — „mcraie" —, ganz geeignet, unter begünstigende!! Umstäudeu jene betauutcu täuschenden ^uftspiegeluugen (mirago) hervorzubringen. An diesen: Tage verloren wir seit Anilimma das erste uuserer Kameclc, nnd zluar gerade ein Thier, auf dessen ausdauerude Kraft wir am meisten gebaut hattcu; es mußte uus dies mit banger Vesorguiß für die Weiterreise erfüllen und wirklich erlagen noch drei andere meiner Kameelc und einö der beiden Pferde den ungeheueren Strapazen, bevor ich Mursul erreichte. Die nächste Tränlstätte nach dem nördlichen Mafcrafs war der 9z Meilen cutferute Vruuneu El Ahmar oder Maddema, in offener Wüstenlandschllft gelegen, die nach Südwesten zu don einer imposanten Vcrggruppe begrenzt tvird uud reich mit allerlei Wüstcukräutcrn uud Koloquiutcu bewachst, war; aber auch mit den bleichenden Knochen von Menschen uud Thieren war der Boden übersät. Wir brachten ____ 449 ____ hier cinen ungemein heißen Tag zu (27. Juni), den heißesten auf meiner ganzen Wüstenreise; das Therinometer zeigte im kühlsten Schatten, den ich finden tonnte, um 2 Uhr Nachmittags 45,«.° E. (36,,° R.) und nm Sonnenuntergang immer nach 40,,. °E. (32^° R.)'). Erst nm Ätitternacht brachte ein heftiger Wind einige Kühlung. Indessen war an dieser Stelle nicht alles animalische Leben erstorben, denn eine Art Käfer fand sich in anßerordentlicher Menge vor, anch tam uns ciue Hecrde Gazellen zn Gesicht, aber lein einziges Nanbthier. Die nächsten Märsche erheischten ganz vorzugsweise die äußerste Anstrengung aller unserer Kräfte; sie waren nicht nur lang, sondern anch doppelt ermüdend durch das oft schwierige, bergige Terrain, welches wir zu überwinden hatteu. Am 30. Juni drangen wir in ein eug gewuudeues Thal, welches in das Herz einer überaus rauhen und wilden Verggruppc führte, und lagerten dort bei dem Brunnen El War, zu dentsch „die Schwierigkeit", ein Name, den der Ort mit vollem Rechte trug. Weiterhin lief unser Pfad durch nicht minder rauhe Engpässe, wie »der tlciue Paß", Thnie e' sscrhira, wu die Felsen in der auffallendsten Weise wie die Wellen des Meeres gekräuselt waren, und ferner durch den sandigen „großen Paß", Thnie el tebira, jenseits dessen wir endlich nach verschiedenen schwierigen Passagen über Sandhügel am 3. Juli den Brunnen Meschcru erreichten. Seit dem Anfbruch voll El Ahmar am 28. Juni hatten wir gegen 30 deutsche Meilen zurückgelegt. Der Brunnen von Mcscheru ist berüchtigt wegen der zahlreichen Gebeine unglücklicher Sklaven, von denen er nmgeben ist; auch uns war es ans unserem flnchtähnlichen Marsche nur gestattet, die Wasser-schläuche zu fülleu, und wir hatteu ebeu nur Zeit, noch eins unserer Kameele zn schlachten, das vollkommen unfähig war, weiter zn kommen. Dann wanderten kür noch etwa nenn Stunden fürbaß und erreichten am folgenden Tag nach einem Marsch von ungefähr fünf Meilen den ersten vereinzelten Palmenhain in Fesan. Hier trafen wir eine kleine Tebu-Karawane, welche mir die willkommene Nachricht brachte, daß Herr Frederic Warrmgton, der mir vor länger als fünf Jahren l) Die niedrigste Temperatur, welche ich im Monat Juni (1855) beobachtete, betrug gegen 5i Uhr Nachmittags 104° F. (40° C. oder 32° N.); bei Sonnen« aufgang variirte der Therm ometcrstand in diesen Tagen zwischen l»8° nnd «6" F. s20°-.M' E. oder 16"—24" N,). In der zweiten Halste des April, des letzten Monats, welchen ich in ,k>ikana verlebte, hatten wir um dieselbe Tageszeit mehrmals 113° F. (45° C. oder 36° R.) und kein einziges Mal nnter 103° F. (39,4°