uDE: 821.1(e3.6.09:94(497.'4;) Gerhard Giesemann Pohlheim DER SLOVENISCHE STAATSGEDANKE Prispevek pregledno predstavlja, kako se je skozi stoletja, od Trubarja so slovenske države, izražala in oblikovala slovenska državotvorna zavest in samozavedanje oz. identiteta. The article surveys the ways and means in which Slovene state-building awareness and national self-awareness and/or identity were expressed and formed through the centuries, from Trubar to the Slovene state. Ključne besede: slovenska državotvorna misel, politično stanje, kulturno-politični vidik, biblično-mitološka zasnova slovenskih poti, identitetna predstava, lastnodržavnost Key words: Slovene though on state-building, political situation, cultural-political aspect, Biblical-mythological conception of Slovene eschatology, concept of identity, independent statehood 1 Begriffsvielfalt Nicht zu erwarten ist eine Unterrichtung über staatsrechtliche Fragestellungen; eine Beschränkung auf den juristisch geprägten Begriff würde eine Berücksichtigung historischer, kultureller, sozialer und politischer Sachverhalte in den Hintergrund rücken. Auch so ist es schon schwierig genug, sich als Philologe Gedanken über den slovenischen Staatsgedanken zu machen. Es ist zugleich ein historisches Problem, eine Frage der Tradition, eine Berücksichtigung von Begriffsanalogien, ein in die Zukunft gerichteter wie auch auf die Vergangenheit zielender Idealismus, verbunden mit einem ständigen Zielsetzungswechsel. Eine nicht erschöpfende, nicht einmal annähernde, jedoch die Problematik aufrührende Antwort kann nur über kulturhistorische Betrachtungen geleistet werden, die nun in Angriff genommen werden sollen - nicht zum slovenischen Staatsgedanken, sondern zu den slovenischen Staatsgedanken. Staat ist natürlich für die Slovenen im Laufe ihrer Geschichte etwas Fremdes, nur für andere Gültiges, deren Herrschaftsinteresse nur zu einem geringen Prozentsatz mit dem Wohlergehen des eigenen Volkes konform geht. Habsburg ist für die Slovenen der jahrhunderte währende Staatsbegriff, d.h. abseits oder im Widerspruch zu den eigenen ethnischen, patriotischen, nationalen und schließlich staatlichen Interessen. Diese Relativierung von Staat ist deutlich formuliert bei dem Aufklärer Thomas Abbt in seinem 1761 erschienenen Werk Vom Tod für das Vaterland: »Wenn mich die Geburt oder meine freie Entschließung mit einem Staate vereinigen, dessen heilsamen Gesetzen ich mich unterwerfe, Gesetzen, die mir nicht mehr von meiner Freiheit entziehen, als zum Besten des ganzen Staates nötig ist, alsdann nenne ich diesen Staat mein Vaterland.«1 Von einer solchen Bestimmung können Slovenen unter der ihnen zugeteilten fremdsprachigen Obrigkeit nur träumen. Es bietet sich unter den Konnotationen zum 1 Zitiert nach Winkler, Heinrich August: Der lange Weg nach Westen. Deutsche Geschichte. Bd. 2. München 2000, S.432. Begriffsfeld Staat, die uns dem Staatsgedanken annähern, der Begriff Heimat an, der sich allerdings vom vernunftbezogenen Ordnungsprinzip in eine subjektiv-emotionale Einzelentscheidung verliert. Vielleicht ist er gerade deswegen der in der slovenischen schriftlichen Kultur am häufigsten konnotierte Begriff, der den erstrebten Staat, das vermisste Vaterland, das idealisierte Volk zu gleichen Teilen ersetzt. Nationalismus als »soziale Bewegung mit kommunikativen und ideologischen Bezügen oder auch mit ökonomisch relevanten Gemeinsamkeiten, welche sich auf die Herstellung, Festigung oder Verteidigung einer eigenen Nation«2 bezieht, spricht ein historisch und kulturgeschichtlich immer wieder (vor allem im 19. Jahrhundert) belegbares ideales Streben nach Eigenständigkeit an. Voraussetzung für den Staatsgedanken ist die Identitätsvorstellung, notfalls aus dem Mythos des idealen Ursprungs genährt; für die Slovenen ist diese Vorstellung auf Grund ihrer besonderen historischen Situation mit Komplikationen reichlich befrachtet. Das bezieht sich nicht nur auf die räumliche Zerrissenheit; Schwierigkeiten der Iden-titätsfindung bereiten die wechselnden Herrschaftsverhältnisse mit unterschiedlichen geographischen Großraumzuordnungen in einem nie gleich bleibenden europäischen Raum: Bis zum 12. Jahrhundert ist der slovenische Raum Bayern bzw. dem Fränkischen Reich zugeordnet; bis zum 19. Jahrhundert Österreich, teilweise Ungarn, Venezien; bis 1918 Österreich-Ungarn, d.h. zu Mitteleuropa gehörig, 1918-1941 zu Jugoslawien, d.h. zu Südosteuropa, während der italienischen bzw. deutschen Besetzung zu Mittel- und Südeuropa, nach 1991 zu Mitteleuropa, jedenfalls nach dem Verständnis der Bevölkerung.3 Allerdings haben die Slovenen in der beispiellosen Vielfalt der Völker und Kulturen Südosteuropas mit jeweils nationalen Minderheiten, Volkstumsinseln, ethnischen Splitterelementen das Glück, innerhalb ihrer Grenzziehung das ethnische Autonomieprinzip verwirklicht zu wissen. Anton Slodnjak hat seine Geschichte der slovenischen Literatur4 mit dem Abschnitt Heimat der Slovenen eingeleitet und von der prägenden landschaftlichen Mannigfaltigkeit, dem Zusammenhang und dem Übergangscharakter des Landes und schließlich dem zerrissenen und »windigen« Raum gesprochen. »Trotzdem müssen [...] auch irgendwelche zentripetalen [!] Kräfte gewirkt haben, sonst wäre es undenkbar, wie sich die Slowenen eine im Grunde einheitliche Sprache, ein überterritoriales Bewußtsein [...] und mehr oder weniger gleiche Charakterzüge hätten erwerben können.«5 Hier deutet sich ein Zwiespalt an, zunächst auf die geographische Lage bezogen. Diese Voraussetzungen scheinen einem slovenischen Staatsgedanken keine guten Prognosen stellen zu können; um so erstaunlicher ist der die Historie durchwandernde Wille und die stete Beschwörung zur Identitätsfindung, meist den politischen Verhältnissen bescheiden angepasst: 1848 strebte der Verein Slovenija in Graz ein Zedinjena Slovenija für die auf verschiedene österreichische 2 St. Troebst, Aufgaben und Ziele vergleichender historischer Forschung zur ethnischen Struktur und zu den Nationalismen Osteuropas. In: Südosteuropamitteilungen (SOM) 1993, Nr. 2, S. 146-156, hier S.147. 3 Vgl. dazu K. Ruppert, Der Mitteleuropa-Begriff - raumstrukturelle Annäherung. In: SOM 1995, 1, S. 18-29, hier S. 20f. 4 Pregled slovenskega slovstva, Ljubljana 1934. 5 A. Slodnjak: Geschichte der slowenischen Literatur, Berlin 1958, S. 7f. (= Grundriss der slavischen Philologie und Kulturgeschichte). Provinzen verteilten slovenischen Länder an. Slovenische Sprache an Schulen, in Ämtern und an Universitäten sollten Identität stiften. Wie kühn für die damalige Zeit (100 Jahre später wird um die gleichen Probleme gestritten), aber gleichzeitig maßvoll die Forderungen waren, zeigt ein Programmausschnitt: »Hebung unserer slovenischen Nationalität und ihrer harmonischen Unterordnung unter die Idee des österreichischen Kaiserstaates, und nicht minder die Erhebung unserer slovenischen Sprache auf den ihr gebührenden Standpunct.«6 Das Träumen von Gleichberechtigung war ein vorsichtiges Streben nach Souveränität, um im eigenen Land nicht mehr als Bürger zweiter Klasse behandelt zu werden, wie es in der ersten und zunehmend auch in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts empfunden wurde. Diese maßvolle Identitätssuche verleitete möglicherweise Peter Handke zur Beschwichtigung und der Verleugnung eines slove-nischen Staatsgedankens, der für ihn einfach nicht in Übereinstimmung zu bringen war mit der Vorstellung einer hinterwäldlerischen Verträumtheit: »Denn nichts, gar nichts, drängte bis dahin in der Geschichte des slovenischen Lands zu einem Staat-Werden. Nie, niemals hatte das slovenische Volk so etwas wie einen Staatstraum.«7 Janez Janša hat im Aufsatz »Verschiebungen, Entstehung und Verteidigung des slovenischen Staates« aus der Kenntnis der Geschichte seines Volkes und dessen gegenwärtiger Befindlichkeit diese Anmaßung voller Sarkasmus zurückgewiesen: »Sogar die sonst so herzhaften Slowenen sind Menschen aus Fleisch und Blut, sie treiben Handel, politisieren und befassen sich gar mit so törichten Dingen wie einem Staat.«8 2 Slovenische Widersprüchlichkeit Einerseits - andererseits scheinen die Bedingungen für die Erinnerung, die Vergangenheitsprojektion, die Zukunftsvorstellungen zu sein. Es ist eine spezifische slovenische Kultur der Widersprüche, die gesehen, verdrängt, betont, verkehrt oder geleugnet werden. Das Koordinatensystem von Wunsch und Wirklichkeit macht ein Dilemma deutlich, das zur Mythenbildung beiträgt, vor allem aber in nuce die Bitterkeit mancher Auseinandersetzung trägt. Einerseits wird der Aufbruch aus der Isolation gefordert, andererseits vor einer Beschädigung national-kultureller Identität gewarnt; dies bestimmt im 19. Jahrhundert den innerslovenischen Streit, nicht mehr die Auseinandersetzung mit der deutschen Kulturhoheit. Selbstbestätigung und Selbstfindung wird in der Reduzierung gesucht: Martin Kuralt machte den Trennungsvorschlag, das Slovenische für volksbelehrende Literatur zu verwenden, die literarischen Bedürfnisse der Intelligenz aber mit Hilfe deutscher und ausländischer Lektüre zu befriedigen, ein Gedanke, den auch Janez Bleiweis Jahrzehnte später wieder reflektierte. Der Austroslavist Kopitar trat für eine organische Entwicklung ein, worunter er eine schrittweise Hebung der slovenischen Literatur in Anpassung an Zivilisationsfortschritte und wachsende geistige 6 Besondere Beilage II. zur »Laibacher Zeitung« Nr. 52 vom 29. 4. 1848, unpaginiert. Zitiert nach M. Miladinovic Zalaznik, O tu felix Slovenia!. Slowenische Identität - slowenische Kultur zehn Jahre nach der Souveränitätserklärung. In: SOM 2002, 3, S.17-26, hier S. 23. 7 P. Handke, Abschied des Träumers vom Neunten Land. Eine Wirklichkeit, die vergangen ist. Erinnerungen an Slowenien. Frankfurt/M. 1991, S. 39ff. Wiedergegeben nach Miladinovic Zalaznik, a.a.O., S. 21. 8 A.a.O., S. 23. Empfänglichkeit verstand. Die politische Integration in die österreichische Monarchie zusammen mit einer Bewahrung kultureller und ethnischer Identität haben Zeitgenossen polemisch als Gängelungsversuch benannt - hier die entwickelte Sprache und Kultur der Herrschaft, dort die unterbelichtete Kultur und Sprache der Knechte. Die Belastungen der nationalen Wiedergeburt sind auch Beschwernisse der nunmehr errungenen Staatlichkeit im 20. Jahrhundert: Das eigene Selbstverständnis muss in der Herausforderung durch das Fremde kritisch reflektiert werden. Dichotomie ist die Grundbefindlichkeit der Slovenen, gipfelnd in der Polarisierung von Eigen- und Fremdbild, von Ethnozen-trik und Weltoffenheit. Drago Jančar hat diese Problematik auf den Punkt gebracht »Niemand wird sich darauf ausreden können, daß [...] ein anderer Schuld ist, [...] daß sich der Organismus nicht voll entfalten könne, weil dies irgendein anderer hemmt, einmal Wien, ein andermal Rom, dann Belgrad und dann wieder Moskau.9 Es ist der jahrhundertlange Kampf, das Eigenbild aus dem Fremdbild zu lösen, der Kampf gegen Selbstüberschätzung und Selbsterniedrigung, der Unsicherheit und Sündenbocksuche auslöst. Daran sind alle Bereiche einer ethnischen Einheit beteiligt, auch und gerade, wie Jakopin behauptete, »bei uns Slovenen die Sprach- und Literaturwissenschaft«, die »bei der Konstituierung der nationalen Identität und Individualität [...] eine besonders wichtige Rolle gespielt hat.«10 Die Einstellung der Slovenen gegenüber der historischen Entwicklung ihres Theaters zeigt auf dem Präsentierteller das Dilemma, das sich einmal aus der Theatersubstanz ergab und im Widerspruch dazu die das Bewusstsein manipulierende Erkenntnis, dass funktionierendes Theater Ausdruck nationaler Selbstfindung sei. Das verführt zum Visionären. Der Anfang ist hoffnungsvoll, Linhart scheint der Sprung in die Gleichzeitigkeit des europäischen (Wiener) Repertoires gelungen zu sein und zudem die Schaffung eines slovenischen Eigengewichtes: Die Gleichrangigkeit seiner slovenischen Sprache (zur deutschen), die milieubezogene Eigenständigkeit werden in den Rezensionen betont. Aber Linhart fand keine Nachahmer, die slovenische Dramatik fiel in die untere Mittelmäßigkeit zurück. Nun war wieder Fremdverschulden die Begründung dafür in verschiedensten Fazetten und gleichzeitig das Aufbäumen dagegen durch Betonung patriotischer Haltungen im Übersetzungsrepertoire, durch penetrante Hinweise auf alles Slovenische. In dieser theaterfremden Zweckbindung wird das Heil der Gleichrangigkeit gesucht, auf die Euphonie und Rhythmisierungsfähigkeit der slovenischen Sprache hingewiesen, oder, wie es Žiga Zois in einer Aufführungsrezension ausdrückt: »unsere Theaterfreunde [haben] abermals die Schaubühne betreten und uns zugleich den überzeugendsten Beweis geliefert, daß auch die krainische Sprache Biegsamkeit, Geschmeidigkeit, Nachdruck und Melodie genug besitze und sich gleich der russischen, böhmischen und polnischen Sprache in Thaliens Munde gar gut hören lasse.«11 Nicht nur Theater ist ganz untheatralisch genutzt; auch der Seismograph für soziale, politische, sprachliche, ästhetische Spannungen reagiert im Bereich von Erinnerung und 9 D. Jančar, Erinnerungen an Jugoslawien. Essays, Klagenfurt/Celovec 1991, S. 15. 10 F.Jakopin, Zum aktuellen Stand der Slovenistik. In: Sprachen und Literaturen Jugoslaviens: Beiträge vom ersten Deutsch-jugoslavischen Seminar in Göttingen, Hrsg. R. Lauer, Wiesbaden 1985, S. 71. 11 Laibacher Zeitung v. 29. Dezember 1789. Vergessen, Überinterpretation oder Unterbewertung synchron und diachron wie ein Lämmerschwanz. Die Anhänger der organischen Völkerentwicklungstheorie hatten schon in den dreißiger Jahren für Slovenien eine ganz euphemistische Zukunftsprognose parat, in der von den Zweifeln unserer Zeit kaum etwas zu spüren ist. Slovenien sei im Aufbruch, sei zur Ablösung der anderen europäischen Kulturen bestimmt auf Grund seiner jugendlichen Vitalität. Die noch nicht erreichte Eigenständigkeit wird gedeutet als Stadium der Unverbrauchtheit, der Erwartung großer Entwicklungen, verbunden mit einem deutlichen Sendungsbewusstsein. Die Zukunftshoffnung des slovenischen Volkes gründet sich auf Ablösung der bisherigen Kulturnationen Deutschland und Frankreich. Ziemlich bissig ist die Bemerkung in einem entsprechenden Artikel in Dom in Svet, dass sich das französische Kulturvolk schon im Herbst seiner historischen Kraftlinien befinde, das deutsche sich nunmehr dem Herbst zuneige gegenüber dem Frühlingserwachen des slovenischen Volkes.12 In den 30er Jahren, der Zeit der Teilselbstständigkeit im Königreich Jugoslawien und dem Vorabend ihres Verlustes, wird die Frage nach der nationalen Darstellung allenthalben in den slovenischen Zeitschriften diskutiert als Gegenstand ganz unterschiedlicher Disziplinen der Philosophie, der Erziehungs-, der Kulturwissenschaft, der Kunstgeschichte usw., immer gerichtet auf eine Zielvorstellung der slovenischen Staatsidee. Die Diskussionen prallen heftig aufeinander und geben im Grunde am Vorabend der Katastrophe ein Spiegelbild der Zwiespältigkeit der gesamten slovenischen Entwicklung. Die Suche nach Ansätzen und der Formierung eines slovenischen Staatsdenkens muss sich daran orientieren und bedeutet einen Einstieg in die Tiefen der Slovenistik, um in einem Parforce-Ritt dieser Vorstellung in ihren verschiedensten Verkleidungen nachzugehen von der Reformationszeit als erstem Aufblitzen solcher Ideen bis zum 20. Jahrhundert. Epochen werden Revue passieren, unterschiedliche Denkansätze bis hin zu Zerwürfnissen und zur Zerrissenheit in der Richtungsgebung müssen reflektiert werden. Ein roter Faden zieht sich durch alle Auseinandersetzungen: Kultur ist die Voraussetzung und das einzige Mittel zu Befreiung und Selbstständigkeit, denn je mehr die kulturellen, künstlerischen sozialen, ethischen und religiösen Werte wachsen, desto besser wird das slovenische Volk überzeugen können.13 Schule, kirchliche Organisationen, politische Einrichtungen, Literaturbewusstsein sind die Mittel, nationale Würde und nationalen Stolz im Widerstand zu entwickeln.14 12 »Nič torej moremo za to, če je naš narod še v pomladi, poln gonskega vitalizma, če pa je morda francoski že v jeseni ali se nemški nagiblje na jesen. Gre marveč le zato, da spoznamo svoje posebno poslanstvo na podlagi posebnega stališča našega naroda in da ga, kolikor ga je določenega vsaki generaciji, v polni meri izvršimo.« (E. Bojc, Narodnost izhodišče vsega kulturnega ustvarjanja. In: Dom in svet 1932, S. 1-6, hier S. 6). 13 St. Gogala, Naši narodno vzgojni problemi. In: Dom in svet 1936, S. 474-483, hier S. 483; Die Stelle lautet im Zusammenhang: »Za vse to težko vzgojno delo pa poznam samo eno sredstvo - večjo kulturnost. Čim več kulturnih vrednost, umetnostnih, socialnih, etičnih in religioznih bomo zares doživeli, tem bolj fini in široki bomo postali.« 14 Vgl. a.a.O., S. 479: »Vse naše vzgojne ustanove, šola, mladinske, cerkvene organizacije, celo politične in gospodarske ustanove so dolžne, da postopoma in sistematično povečujejo naš narodnostni ponos in čast ter našo narodnostno samozavest in odpor.« 3 Die Anfänge In seiner Rezension von Slodnjaks Literaturgeschichte bestreitet Janez Logar entschieden den Gedanken, der slovenische Protestantismus sei ein erster Hinweis des Wiedergeburtsprozesses. Sie seien Kämpfer für neue Glaubensideen gewesen, ohne bewussten Widerstand gegen die Vorherrschaft der Deutschen, da sie noch nicht in nationalen Kategorien dachten.15 Das trifft so nicht das Problem. Trubar bringt in seiner Tätigkeit immer wieder zum Ausdruck, dass es ihm um eine kirchlich-kulturelle Sammlung der Slovenen geht, die auf mehrere österreichische Erbländer verteilt und unterschiedlichen Bistümern angehören. In seinen Anreden sprach Trubar alle Stände unterschiedslos an; ihm ging es um Landsleute, um die ethnische Einheit. Seine Postillen, Artikel, Katechismen, Vorreden wenden sich an die Glaubensgemeinschaft, aber auch die soziale Einheit der lubi bratje inu Slovene. Seine vielfältigen Aktivitäten sind ausgerichtet auf Belehrung, Festigung, Erziehung. Trubar benutzt den Einheit stiftenden Begriff Slovenen / Slovenien ganz bewusst, spricht sogar in einem Brief an den Landeshauptmann von Krain, Jakob Lamberg, vom Vaterland. Die ljubi Slovenci waren die, die den einen Dialekt verstanden, der als slovenisch bezeichnet wird. So heißt es im Vorwort zum Katechismus von 1555: Vsem vernim kreščenikom tiga krajnskega inu slovenskiga jezika. Nicht nur die sozialen Nöte in Abhängigkeit von der deutschen Herrschaft, auch die Volksaufklärung lagen ihm am Herzen vom ersten Buch an, dem Abecedarium und Katechismus in der Windischen Sprache: Ane Bukice, iz tih se ti mladi in preprosti Slovenci mogo lahko vkratkim času brati navučiti. Zwar war Trubars Versuch einer zumindest kirchlichen Vereinheitlichung der zerrissenen innerösterreichischen Länder ein Angriff auf das katholische Wien und damit Habsburg, nicht aber auf die deutsche Landesherrschaft. Seine Zielsetzung blieb jedoch nicht in der Theologie verhaftet: Zur Mündigkeit seiner Landsleute gehörte, das erkannte Trubar, die Einführung einer Gesetzesordnung, die neben den kirchlichen auch weltliche Dinge, die eigentlich der landesherrlichen Zuständigkeit unterlagen, ordnete. Die Slovenska cerkovna ordninga von 1564 ist eine Zusammenhalt bietende kirchliche und soziale Grundlage, die vor allem auch Bestimmungen über die Kirchenverwaltung, die Armenversorgung, das Schulwesen, das Eherecht etc. enthielt. Der Abschnitt Od šul, šularjev, šulmojstrov weist nicht nur Kompetenzüberschreitungen auf, sondern lässt Vorstellungen von staatlicher Gemeinschaft in erstaunlicher Modernität aufleuchten: »Obena dežela ne mejstu ne gmajna ne mogo prez šul, prez šularjev inu prez vučenih ludi biti, ne deželskih ne duhovskih riči prov rovnati ne obdržati.«16 4 Slovenische Gegensätzlichkeit in der Literatur Trubars Anregungen werden in der Romanliteratur aufgenommen. Ivan Pregeljs Plebanus Joannes (1920) stellt ein Denkmal des slovenischen Priestertums dar, als dem 15 J. Logar, Nova zgodovina slovenskega slovstva. In: Dom in svet 1935, S. 276-281, 342-349, 430-443, hier S. 343 16 Slovenska cerkovna ordninga 1564, Abschnitt 63, Od šul, šularjev, šulmojstrov. Zitiert nach M. Rupel, Slovenski protestantski pisci, 2. ergänzte Aufl., Ljubljana 1966, S. 173. Erzieher und der Stütze der nationalen Existenz des slovenischen Volkes auch in der Gegenreformation. Noch deutlicher führt Ivan Tavčar in seinem Zeugnis slovenisch-deutscher Konfrontation die Vermischung von Religion und gesellschaftlichem Widerstand in Visoška kronika vor Augen. Zwar werden die Typen slovenisch-katholisch und deutsch-lutherisch gegenübergestellt, wichtig jedoch ist, dass die von Trubar vertretene Einbettung der Glaubensüberzeugung in die nationale und soziale Problematik hier deutlich als bewusste Erkenntnis widergespiegelt wird. Das folgende Zitat gibt eine zentrale Episode des stellvertretenden Kräftemessens wieder: Bil je baron Mändl, tedanji grajski glavar, in lahko zapišem, da se ga je bala vsa Loka. baron Mändl ali, kakor so ga tudi imenovali, baron Flekte, je bil še sitnejši. V svoji oholosti je zahteval, da so ga morali grajski podložniki pozdravljati tako, da so se s kolenom pripognili pred njim in obenem položili roko na prsi ter mu torej dajali čast, ki se daje samo Bogu v cerkvi. Komaj sta ga ugledala [nemška in luteranska] Wulffingova fanta, sta bila že s koleni pri tleh in z rokami na prsih. Obrnil se je k meni: ,Ti nisi Nemec?' Odločno in brez strahu sem odgovoril: ,Nisem!' Odgovor ga je razkačil in hripavo je vpil: ,Flecte!' Ali če bi mi bili glavo odrezali, v tistem hipu bi ne bil pokleknil, tako zelo se je v meni uprla poljanska kri! In če bi bil morda sam škof stal pred mano, bi ne bil hotel poklekniti, nikar pa pred njegovim oskrbnikom, ki je živel od desetine in davščin. Tavčar schrieb diese »Erinnerung« 1919, am Beginn einer neuen staatlichen Zeitrechnung für die Slovenen und wohl in der Hoffnung auf eine Belohnung der Jahrhunderte währenden Bewahrung von Stolz und Würde. Eine Sonderstellung in der beginnenden zermürbenden Auseinandersetzung um den slovenischen Weg, die nationale Zukunft nimmt am Ende des 18. Jahrhunderts der Aufklärungsoptimismus Valentin Vodniks ein. Er wählt die naive und unpolitischste Variante für Formen der Identifikation, indem er sich mit der Darstellung seiner vollkommenen Heimat begnügt: Slovenc, tvoja zemlja je zdrava Za uk si prebrisane glave In pridnim nje lega najprava: pa čedne in trdne postave; Polje, vinograd, išče te sreča, gora, morje, um ti je dan, ruda, kupčija našel jo boš, ak tebe rede nisi zaspan. Glej, stvarnica vse ti ponudi, iz rok ji prejemat ne mudi! Lenega čaka Strgan rokav, Palca beraška, Prazen bokal.17 Die Landschaft, Handel und Wandel fügen sich ein, das Glück lässt sich finden; nur der Untätige hat das Nachsehen. Niemand wird zu nahe getreten, keine gesellschaftlichen Widersprüche stören den subjektiven Gefühlsrausch. Vodniks optimistischer Weckruf 17 »Dramilo«, zitiert nach Slovenska književnost. Izbrana dela in odlomki. Bd. 1, Ljubljana 1966, S. 23. (Dramilo) erfährt allerdings schon wenige Jahrzehnte später bei Prešeren skeptische Nachfragen, etwa in »Elegija svojim rojakam« (1832). Ähnliche Anrufe und Vokabeln »Zemlja kranjska, draga mati« - »Glej, kak' ljubi sreča tebe« lassen an die Harmonie anklingen, führen aber in die Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit. Prešerens Elegie an seine Landsleute ist im Sinne unseres Themas politisch geworden, stellt den Slovenen in die vergessene Tradition, fordert kulturelles und damit nationales Selbstbewusstsein: Kar ni tuje, zaničuješ, starih šeg se zgublja sled, pevcov svojih ne spoštuješ.18 Das Gewinnstreben auf Kosten von slovenischem Gemeinsinn wird bedauert.19 Prešeren hatte bereits durch seine Mitarbeit am Lyrik-Almanach Kranjska Čbelica (1830) dem Versuch widersprochen, die slovenische Kultur an didaktischen Konzepten festzumachen und begründete damit eine autonome literarische Kunst, was der slove-nische Literaturwissenschaftler B. Paternu zu Recht als Evolutionssprung bezeichnete. Der Richtungskampf war zwar nicht entschieden; immer noch galt auch Fran Levstiks programmatische Auffassung einer von deutschem Einfluss befreiten Volksliteratur: »Seveda bi se moralo pisati v domači besedi, v domačih mislih, na podlagi domačega življenja, da bi Slovenec videl Slovenca v knjigi, kakor vidi svoj obraz v ogledalu.«20; dennoch hatte Prešeren über das Mittel Literatur den Blick geöffnet. Die Idee des Slovenentums hatte das Ziel der Gleichrangigkeit und nicht der provinziellen Vorbildlichkeit aufgenommen. Es ist ein durch Vernunft begründeter Schritt, letztlich von Gefühlsbestimmtheit distanziert, wie Prešeren in seiner so bezeichneten nationalen Heldendichtung Krst pri Savici deutlich macht. Krst pri Savici ist das Dokument eines Niedergangs; der Held Črtomir (F. Bernik bezeichnet ihn als nationalen Mythos21), kämpft um die Identität seines Volkes, das jedoch dem übermächtigen Gegner Christentum erliegt; der Held erreicht nur durch Kapitulation und Anpassung an die historische und ethische Notwendigkeit dieses Identitätsziel. Prešeren spricht das slovenische Dilemma an: einerseits radikaler Widerstand, der notwendig ist zur Identitätsverteidigung in bedrohlichen historischen Situationen, zum anderen von der Vernunft diktierte Anpassung als kreative Eingliederung in den Zivilisationsprozess. Prešerens Allegorie hat damit politische und gesellschaftliche Konnotationen, die die slovenische Kultur in ihrer Identitätsfindung ständig begleiten: Es ist die Auseinandersetzung mit fremder Herrschaft, geistiger Überfremdung und eigensinniger Isolation. Krst pri Savici zeigt diese Dichotomie der slovenischen Geschichte an ihrer Umbruchsituation vom Heidentum zum Christentum, die geprägt ist von der Tradition und damit dem Widerstand gegen überfremdend Neues und zugleich von der Einsicht in die Überlebensstrategie der Anpassung. Črtomir selbst ist in seinem 18 F. Prešeren, Poezije in pisma, Hrsg. A. Slodnjak, Ljubljana 1968, S. 164f. 19 Vgl. zu dieser Entwicklung auch B. Paternu, France Prešeren. Ein slowenischer Dichter 1800-1849, München 1993, S. 157. 20 Popotovanje od Litije do Čateža. In: F. Levstik, Zbrano delo, Bd. 4, Ljubljana 1954, S. 9-35, hier S. 24. 21 Vgl. den Aufsatz von F. Bernik, Črtomir kot nacionalni mit. In: Sodobnost 35, 1987, Nr. 11, S. 1037-1942. Aufruf zum letzten Kampf von dieser Überlegung noch entfernt. Für ihn ist Anpassung ein unannehmbarer Kompromiss: Ak' pa naklonijo nam smrt bogovi, manj strašna noč je v črne zemlje krili, ko so pod svetlim soncem sužni dnovi! (Uvod)22 Paternu hat darauf hingewiesen, dass in den Brennpunkten slovenischer Geschichte (Okkupation, Partisanenkampf) diese Ausschließlichkeit als Losung galt. 5 Biblisch-mythische Verankerung des slovenischen Weges Die prägende Doppelgesichtigkeit, die aus der Erinnerung an Heldentum und/oder Unterwerfung einerseits und kämpferischem Aufbegehren aus der Traditionsvergewisse-rung bzw. des Widerstandes andererseits erwächst, ist in der Lyrik des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts Konzeption. Der aus Görtz stammende Modernist Alojz Gradnik, von früh auf in die slovenisch-italienische Auseinandersetzung hineingezogen, idealisiert in Slovenska zemlja die slovenische Identität als fruchtbaren Samen, der zu seiner Zeit keimen und wachsen wird: O bridka zemlja - ni bil templjev zid Kras tvojih živo zelenečih grudi Samo sledovi biča in kopit So v tvojih krovih Če pa pustošil te je srd biričev, Ostala vendar plodna si Kali že v tebi žetve blagoslov.23 Die vaterländischen Identitätsspiele als Vorstufe einer noch nicht angedachten Staatlichkeit, werden in den verschiedensten Varianten produziert; sie sind Pose und Betroffenheit zugleich. Josip Stritar beklagt in den Dunajski soneti, dass Slovenien nur ein Klecks für Europa sei. Das Thema Fremdherrschaft als politisches Konnotat des vaterländischen Motivs ist durchgehend bei ihm vorhanden.24 Aktiv zeigt er sich als Kämpfer für ein slavisches Zusammengehörigkeitsgefühl in Sonetten an Jan Kol-lar, an Anton Janežič, dem Slawisten und slovenischen Sprachpfleger. Die Hoffnung auf Wiedergeburt prägt Levstiks Gedicht Černogorcem; es ist die politisch-nationale Sehnsucht nach Wiederherstellung ehemaliger Größe in panslavistischen Vorstellungen: Russland und Montenegro haben sich die Freiheit von Fremdherrschaft bewahrt. Untergegangen seien Polen, Tschechen, Serben - alles Herrschaftsteile Österreichs. Die Aufwertung Sloveniens wird deutlich in der biblischen Verbindung zum auserwählten Volk bei Stritar: 22 F. Prešeren, Poezije in pisma, a.a.O., S.124. 23 A.Gradnik, Zbrano delo, Bd.2, Ljubljana 1984. 24 Vgl. G.Giesemann, Motiv Heimat im slovenischen Sonett. In: H.Rothe u.a. (Hrsg.), Beiträge zum XII. Internationalen Slavistenkongreß Krakau 1998, München 1998, S.9-29; ders., Die Funktion biblischer Motive im slovenischen Sonett. Beispiel, Gleichnis, Pathos, Konzentrat. In: E. Bogdanova (Hrsg.), Florilegium Slavicum. Liber ad honorandum Herbert Jelitte. Frankfurt a.M. (etc.) 1998, S. 123-139. Oj ljudstvo ti slovensko, zlata vredno, pošteno, umno, kakrnih je male 25 Es erinnert in Stil, Lexik und Rhythmus an die Weissagung »Und du Bethlehem im jüdischen Lande bist mitnichten die kleinste unter den Fürsten Judas« (Mt. 2, 6). Die Gegenüberstellung von Freiheit mit Risiko versus Knechtschaft in Sicherheit ist das grundlegende antagonistische Desaster Sloveniens. In der Endzeit der österreichischen Monarchie, aber auch nach dem 1. Weltkrieg wird das heilsgeschichtliche Geschehen als Vergleichsansatz für das politische Schicksal Sloveniens immer häufiger eingebracht. Fran Eller spielt im Koroški psalm 137 auf die babylonische Gefangenschaft an oder ruft im Koroški pot (eine Anspielung auf den Leidensweg Christi) den Knechtsstatus der Slovenen im Ausgeliefertsein an die Übermacht in Erinnerung.26 Die Aufarbeitung staatlichen Defizits im slovenischen Roman durch Erinnerungskonzepte kann hier nur in Stichworten vermerkt werden: In seinem Roman »Moja hoja na Triglav«, der den übermächtigen Druck des Deutschtums thematisiert, resigniert Janez Mencinger vor der Wirklichkeit. Das Nichterreichen des Triglav ist Parabel für die Unerreichbarkeit der Ideale. Gegenüber diesem Wunschdenken der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts stellt Miran Jarc in »Novo mesto« das Erwachen nationalen Selbstbewusstseins in der provinziellen Enge einer slovenischen Kleinstadt als positive Folge der Kriegsereignisse dar. Hier scheint das Ziel erreicht zu sein. Oton Župančič schließlich symbolisiert die Genesis der slovenischen Seele in »Veronika Deseniška«, eine Art Inkarnation des mythisch überhöhten slovenischen Volkes. Bewahrung und Gewichtung der Tradition in zahlreichen historischen Romanen funktioniert als eine Art Minderheitenschutz; die Vergangenheitsverklärung verwischt Grenzen zur kontrastiven und unbefriedigenden Gegenwart und dient letztlich als Impulsgeber für die Nationenwerdung. 6 Kulmination der Widersprüchlichkeit zum Staatsgedanken Im 20. Jahrhundert treffen alle historisch rekapitulierten Hoffnungen, Ideale, Resignationen, Klagen, Vorwürfe geballt aufeinander. Die chaotische Situation entspricht der frustrierenden Gegenwart. Der Kreis schließt sich; die Slovenen werfen sich gegenseitig mangelnden Staatswillen vor. Das fehlende Zutrauen eines kleinmütigen Volkes zu sich selbst und nicht etwa die vorgeschobene Abhängigkeit von Deutschland werden als nationales slovenisches Erziehungsproblem markiert;27 Ivan Cankar griff dies schon früher auf, was in dem Vorwurf gipfelte, die Slovenen seien Sklaven und Diener. Allerdings befürwortet er in seiner Stellungnahme zum Jugoslawismus28 eine umgekehrte Reihung: Es ist für ihn ein ausschließlich politisches Problem; ein Staat in 25 Stritar, Dunajski soneti. In: Ders., Zbrano delo, Bd. 1, Ljubljana 1953, S. 146. 26 Vgl,. Giesemann, Motiv Heimat im slovenischen Sonett, a.a.O., S. 23ff. 27 Vgl. etwa den Aufsatz Naši narodno vzgojni problemi. In: Dom in svet 1936, S. 474-483. »V osnovi vidim naš narodno vzgojni problem v tem, da smo Slovenci nenavadno majhni in malenkostni ter da nimamo zaupanja sami vase. Ne gre za to, da smo prevzeli od Nemcev in od njihovega načina dela, Gre za tisto malenkosti ali majhnost, ki izraža nekaj negativnega, ker se ustavlja samo ob malih stvareh in preko njih ne vidi in ne more videti velikih in glavnih.« (A.a.O., S.476). 28 Vgl. den Vortrag von I. Cankar am 12. April 1913 über das Thema »Slovenci in Jugoslovani«. Übereinkunft der Südslaven ist denkbar. Cankars Absicht ist, damit der Nivellierung nationaler kultureller Werte begegnen zu können: Po krivi smo si bratje, po jeziku vsaj bratranci - po kulturi, ki je sad večstoletne separatne vzgoje, pa smo si med seboj veliko bolj tuji [^]29 Das würde, politisch umgesetzt, einen zentralen Staat mit kultureller Autonomie der Teilrepubliken bedeuten. Ein Großteil der slovenischen Jugoslawien-Konzepte dieser Zeit war an einen österreichischen Rahmen geknüpft, andere machten sich für eine Nationalautonomie stark, in der slovenischen Intelligenz wurde aber auch im Hinblick auf die nationale Bedrohung »die teilweise oder vollständige, sofortige oder zukünftige Auflassung der slovenischen Schriftsprache und ihre Verschmelzung mit dem Serbokroatischen«30 diskutiert. Wiederum war die Gefährdung Auslöser für Widerstand. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges wurde der Kampf um das Slovenische in Schule und Universität sowie um Lehrbücher in der Muttersprache positiv entschieden.31 Bis zum Ende des Jahrhunderts wurde die Lösung in Eigenstaatlichkeit vorsichtig angepasst betrieben, auch mit dem Willen, als zu Mitteleuropa gehöriger Staat anerkannt zu werden. Der Eindruck, die Slovenen seien vor ihrer eigenen Courage erschreckt, weil sie plötzlich den Schutz der terra incognita, versteckt im Serbokroatischen oder Jugoslawischen, verloren hatten, blieb eine vorübergehende Erscheinung. 1990 hat der jugoslawische Außenminister Budimir Lončar vor der Südosteuropagesellschaft einen Vortrag gehalten und mit den Worten geschlossen: »Wir haben von Europa nicht erwartet, daß es [...] als erstes an der jugoslawischen Tür anklopfen wird. [...] Uns war nicht klar, daß zuerst das eigene Haus geordnet werden müßte.«32 Die Slovenen hatten das im Gegensatz dazu schon erwartet oder ersehnt als Ziel ihres Staatsdenkens und sie hatten ihr Haus schon lange vorbereitend geordnet und umgestaltet und neu ausgerüstet, weil sie beides, Widerstand und Anpassung im Laufe ihrer tausendjährigen Geschichte gelernt hatten. Povzetek (Slovenska državotvorna misel) Slovenska državotvorna zavest se je oblikovala skozi stoletja, od Trubarja do slovenske države, in se odražala v političnem stanju, v različnih kulturno-političnih vidikih in v obliki narodne zavesti, samozavedanja oz. identitete. Prispevek komentira in predstavlja, kako se je razvijalo in oblikovalo slovensko narodno samozavedanje od Trubarja prek Bleiweisa, Kopitarja, Vodnika, Prešerna, Cankarja; ob omembah naštetih piscev in njihovih misli oz. stališč so dodani še aktulnopolitični prispevki drugih razumnikov iz različnih obdobij, ki so v svoje spise in razprave vključevali slovensko državotvorno misel, kulturno-politična stanja in tudi različna protislovja v slovenski identitetni predstavi na poti v lastno državnost. 29 Slovenci in Jugoslovani, zitiert nach V. Melik, Problemi slovenske družbe 1897-1914. In: Obdobje simbolizma v slovenskem jeziku, književnosti in kulturi (= Obdobja 4.2), Ljubljana 1983, S. 359-368, hier S. 365. 30 V. Melik, Problemih, a.a.O., S. 368. 31 Vgl. dazu M. Glavan, Boj za slovenščino v šoli in učbenike za materinščino (1919-1945). In: Socialni realizem v slovenskem jeziku, književnosti in kulturi (= Obdobja 7), Ljubljana 1987, S. 449-465. 32 B. Lončar, Jugoslawien und die europäische Politik. In: SOM 1991, 1, S. 1-6, hier: S. 6.