Pregledni znanstveni članek (1.02) BV 71 (2011) 2, 211—220 UDK: 364.662 Besedilo prejeto: 10/2011; sprejeto: 2/2011 Jo%ef Mlynski Gesellschaftliche Deprivation und Sozialarbeit Komplementarität der Phänomene oder bedeutender Unterschied? Zusammenfassung: Das Phänomen der Deprivation gehört zu den wichtigen Aspekten menschlicher Existenz, deshalb wird das Problem immer häufiger zum Gegenstand interdisziplinärer Forschung. Die Armut trifft sowohl einzelne Individuen als auch ganze Familien. In den hochentwickelten Gesellschaften gibt es immer mehr Leute, die das soziale Existenzminimum nicht erreichen und an der Armutsgrenze leben. In solchen Situationen geben soziale Institutionen die Unterstützung. Sie leisten professionelle soziale Hilfe, ihre Tätigkeit lässt gesellschaftliche Dysfunktionen vermeiden, auch in Bezug auf Deprivation, die auf verschiedene Art und Weise zum Vorschein kommt. In diesem Zusammenhang wird die im Artikel gestellte Hypothese bestätigt, dass die gesellschaftliche Deprivation mit der Sozialarbeit stark verbunden ist und dass ihr Tätigkeitsbereich von persönlicher und fachlicher Kompetenz des Sozialarbeiters abhängt. Schlüsselwörter: Sozialarbeit, Deprivation, Armut Povzetek: Družbena prikrajšanost in socialno delo. Komplementarnost pojavov ali pomembna različnost? Pojav prikrajšanosti spada k pomembnim vidikom človeškega bivanja, zato je vedno pogosteje predmet interdisciplinarnih raziskav. Revščina prizadene tako posameznike kot cele družine. V visoko razvitih družbah je vedno več ljudi, ki ne dosežejo družbenega eksistenčnega minimuma in živijo na meji revščine. V takih situacijah so v podporo socialne institucije. Dajejo profesionalno socialno pomoč, zaradi njihove dejavnosti se izognemo družbeni disfunkcionalnosti, tudi glede prikrajšanosti, ki pride do izraza na najrazličnejše načine. V tej zvezi se potrjuje podmena, postavljena v članku, da je družbena prikrajšanost tesno povezana s socialnim delom, katerega področje dejavnosti je odvisno od osebne in strokovne kompetence socialnega delavca. Ključne besede: socialno delo, prikrajšanost, revščina Abstract: Social Deprivation and Social Work. Complementarity of Phenomena or Significant Difference? The phenomenon of deprivation is among important issues of human existence. For this reason, the problem is, with increasing frequency, an object of interdisciplinary research and analyses. Poverty affects individuals as well as families. In developed societies the number of people struggling to meet the basic existential needs is growing. In such situations help comes from various social support institutions. They give professional social aid, their action helps to prevent social dysfunctionality, also with regard to deprivation which takes on various forms in the whole universe of social reality. In this context, the hypothesis put forward in the article is verified, namely that social deprivation and social work are closely connected and that the working area of the latter depends and the personal and professional competence of the social worker. Key words: social work, deprivation, poverty Die Beobachtung der gegenwärtigen Welt weckt ein Gefühl der Ungerechtigkeit, sobald man versucht, die Aufteilung der gesamten Gesellschaften bzw. der Menschheit zu analysieren. Die Frage der gesellschaftlichen Ungleichheiten gehört zu den wichtigen Fragen rationalen und objektiven Denkens und Fühlens jedes Menschen. Das ist so, weil man bei der Untersuchung der Schichtung der Gesellschaft in Betracht ziehen muss, was mit Individuen vor sich geht, die sich in einer bestimmten Gesellschaft befinden. Gleichzeitig wird die Aufteilung der Menschen in einer Gesellschaft oft mit Blick auf ihren ökonomischen Status vorgenommen. Am häufigsten erfolgt sie nach Reichen und Armen. Auch über viele Dutzende von Jahren hinweg ist eben diese Aufteilung stets aktuell geblieben. Auf dieses Problem hat sich schon vor über hundert Jahren Papst Leon XIII in der Enzyklika Rerum novarum von 1891 bezogen. Es ist also nicht verwunderlich, dass schon seit vielen Jahren eine aufgeregte Diskussion rund um sich vertiefende Formen der Armut in den gesellschaftlichen Schichten andauert. Das Phänomen der gesellschaftlichen Ungleichheit ist, ebenfalls vor über hundert Jahren, Marx aufgefallen, der auf die drei wichtigsten Varianten dichotomer Ungleichheit hinweist (Sztompka 2003, 345). In diesem Fall muss man die Arbeiterklasse nennen, die sich im Rahmen seines Verständnisses auf diejenigen bezieht, die mit dem Ziel des Überlebens ihre Fähigkeit zur Ausführung der Arbeit verkaufen müssen (Marshall 2005, 144; Weber 1994, 41-42; Birdzell 1994). Allerdings impliziert oben genanntes Verständnis nicht die Entstehung der Armut, dafür bestimmt es diejenige Klasse, die tatsächlich die unterste dieser Zeit war, nämlich die Arbeiterklasse. Es steht außer Zweifel, dass das Problem der Armut ein gesellschaftliches Phänomen ist, dass schwierig zu verifizieren und zu kodifizieren ist. Deshalb lohnt es sich, ihm einige Aufmerksamkeit zu schenken, umso mehr, als dass wir die Armen ganz in unserer Nähe haben, denn das Fehlen des Daches über dem Kopf, die Unfähigkeit der Arbeitsaufnahme, Behinderung, Gewalt in der Familie, der Werteverlust in der Welt, das sind nur einige Phänomene, die man mit dem Begriff »gesellschaftliche Deprivation« beschreiben kann, oft auch mit der Bezeichnung »gesellschaftliche Armut«. Was ist also gesellschaftliche Deprivation für die Sozialarbeit? Ist es etwas, das sie unterscheidet, oder etwas, das sie verbindet? Handelt es sich daher um Komplementarität oder um einen bedeutenden Unterschied? Der untenstehende Artikel ist der Versuch einer Antwort auf obige These. 1. Um den Begriff der »Armut« Das Phänomen der Armut ist eine der wichtigsten gesellschaftlichen Fragen, insofern Probleme wie Unfähigkeit zur Arbeitsaufnahme, Vereinsamung und Werteverlust in der Welt betroffen sind. Zudem ist die Armut in den unterschiedlichen existentiellen Abhängigkeiten des Individuums impliziert. Daher besteht ihre ontologische Bedeutung auch im Fehlen von Mitteln zum Leben, die den betroffenen Menschen in mehrfacher Hinsicht fehlen, um den Status quo aufrecht zu erhalten in einer sich verändernden Gesellschaft. Auf der einen Seite deprimiert dieses Phänomen den Menschen deprimiert und auf der anderen Seite baut es eine Erwartungshaltung auf für diejenigen, denen das Fehlen von Wohlhaben Angst vor der Zukunft schafft. In den gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen das Individuum lebt, ist Armut ein schwierig zu definierendes Phänomen. Und obwohl wir über die Armen sehr viel wissen - wir sehen sie in den täglichen Umständen ihres Lebens- und Verhaltensethos - so vergisst die von Materialismus und konsumierendem Lebensstil faszinierte Gesellschaft dennoch diese zu allen Zeiten bedeutende gesellschaftliche Gruppe. Das ist nicht verwunderlich, wenn der heutige Mensch eine individuelle, subjektive Lebensform annimmt statt eines altruistischen Bezugs. Und obwohl der Mensch aus dem Naturrecht gesehen ausgerichtet ist auf das Gute des Nächsten, so tötet die Selbstliebe in ihm sogar diese kostbarsten und sensibelsten Schichten seines Lebens. Wenn wir an die obige Analyse der gesellschaftlichen Bedingungen der Armut denken, müssen wir sagen, dass das Problem der Operationalisierung dieses Begriffes von verschiedenen Faktoren abhängt. Der erste betrifft die theoretische Analyse der Wissenschaftler, der zweite hingegen existentielle Faktoren. Obwohl es bis jetzt noch keine allgemeine, eindeutige Definition gibt, scheint es dennoch so, als müsste man in der Begrifflichkeit der Armut doch zumindest teilweise einen gesellschaftlich-kulturellen und historischen Kontext aufzeigen können. Ohne seine Ansiedlung in einer konkreten Zeit und Ort wäre eine Bestimmung des Phänomens der Armut nämlich schwierig. Die Definition muss daher sowohl Wert auf den politischen Kontext im strengen Sinne legen, als auch sich auf die heutige Wissenschaft berufen. Im gesellschaftlichen Bewusstsein stellt man sich Armut und Not häufig als Fehlen von materiellen Mitteln zum Leben, als Armut, materieller Mangel, vor. Armut ist eine Lebenssituation mit einer wechselhaften Einkommensgrenze oder eine Grenze bei der Realisierung von Bedürfnissen in Bezug auf das Individuum, die Familie oder eine gesellschaftliche Gruppe (Toczynski 1999, 12). Nach der Definition von Townsend ist es eine Unfähigkeit der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, Unfähigkeit zur gesellschaftlichen Partizipation, die sich aus einem Mangel an Ressourcen ergibt (Lister 2007, 26). Die vorstehende Definition beachtet eher die Dimension der Armut aus der ökonomischen Sicht, schließt dabei gleichzeitig aus der Definition alle Formen aus, die nichtmaterielle Aspekte der Armut betreffen. Hier kommt die breite Definition der UNO zur Hilfe, die auf Elemente der Armut hinweist in Bezug auf: fehlende Teilnahme an Entscheidungsfindung, Machtlosigkeit, Anfälligkeit für Gewalt oder sogar ein Anschlag auf die Menschenwürde. Die nächste Definition führt S. Ringen an, der unter diesem Begriff einen niedrigen Lebensstandard versteht, eine bedeutende Deprivation verbunden mit einer Lebensart, welche die Vermeidung von Armut aufgrund nicht ausreichender Ressourcen nicht erlaubt (Ringen 1987, 146). Diese Frage ist implizit in der Vermessung der Armut anhand der Frage enthalten, ob ein bestimmtes Einkommensniveau erreicht werden kann. Bei der Definition des Begriffs sollte man seine Aufmerksamkeit auch auf die Dichotomie lenken, die aus der Beziehung zwischen dem Einkommen und den Möglichkeiten, es zu verdienen, stammt. Darauf weist A. Sen hin, dessen Untersuchung einen alternativen Blick auf die Rolle des niedrigen Einkommens bei der Definition von Armut aufzeigt. »Möglichkeiten« bedeuten das, was eine gegebene Person tun kann, oder das, was sie sein kann, das heißt der Wahlbereich, der der Person zugänglich ist. Ein entscheidender Faktor ist hier die Freiheit der Lebensführung, wie sie von den Menschen gewünscht wird (Sen 2002, 98). Sen kommt jedoch auch zu dem Schluss, dass man die obigen Begrifflichkeiten als miteinander verwandt behandeln und im Kontext analysieren muss: die Armut in Abhängigkeit von den Möglichkeiten und die Armut in Abhängigkeit vom Einkommen. Es scheint, als ob der hauptsächliche Gegenstand des Streits auf dem Weg zur Formulierung einer Definition von Armut fehlende Befriedigung der grundlegenden Bedürfnisse des Menschen ist, die aus seiner existentiellen Natur stammen. Ein weiterer wichtiger Faktor ist auch das Problem der Verletzung grundlegender Regeln der gesellschaftlichen Gerechtigkeit, welche die Gleichbehandlung der Individuen verlangt wie auch eine nicht zu große Trennlinie der ökonomischen Güter zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen. Diese Distanz legt den Umgang mit der analysierten Frage auf objektive und subjektive Art und Weise nahe. Die erste betrifft die Durchführung einer Vermessung von Armut und den Vergleich des durchschnittlichen Existenzniveaus, die Erlangung der Einkommen und des Konsums der Individuen bzw. Gruppen. Die zweite ist enthalten im Problem der Deprivation, insofern eine konkrete Person betroffen ist. Die Analyse bzgl. des Begriffs der Armut zusammenfassend müssen wir feststellen, wie schwierig es ist, eine strenge Definition zu geben und man muss sich mit ihrem allgemeinen Verständnis begnügen, was uns im Kern der Sache zu einem rationalen Blick auf die Frage der gesellschaftlichen Deprivation führt. 2. Gesellschaftliche Deprivation und andere Bezeichnungen Um zu einem Verständnis der gesellschaftlichen Deprivation zu gelangen, müssen wir zunächst die Definition der »gesellschaftlichen Hilfe« klären, die eine Folge der behandelten Frage ist. Gesellschaftliche Hilfe ist jedoch nichts anderes als die institutionalisierte gesellschaftliche Reaktion auf die Erscheinungen der gesellschaftlichen Deprivation in Bezug auf die Gesellschaft, die Gemeinschaft und verschiedenster Gruppen. Die Definition der gesellschaftlichen Deprivation ist je- doch mit einem vielschichtigen Phänomen verbunden, dem soziokulturellen Kontext. Natürlich könnte man Leute als arm definieren, wenn sie bestimmte, weiter oben schon analysierte Kriterien erfüllen, aber von einem ontologischen Standpunkt aus gesehen kann man Armut nicht nur auf die Einkommenssituation beschränken. Aus eben diesem Grund berufen wir uns beim Versuch, eine Definition der gesellschaftlichen Deprivation zu bestimmen, auf die Theorie der Bedürfnisse. Der etymologische Terminus »Bedürfnis« bezieht sich auf die Persönlichkeit des Menschen. Darüber schreibt A. Maslow, der die Fähigkeit des Menschen zur Bewusstmachung seiner eigenen Bedürfnisse und das bewusste Streben zu ihrer Befriedigung unterstreicht, wobei eben diese Bedürfnisse einem Prozess der Hier-archisierung unterliegen (Krzysztecko 1995, 179). Unter einem Bedürfnis versteht man auch einen bestimmten Zustand des Mangels. In dieser Bedeutung muss man annehmen, dass das, was ein Mensch benötigt, ein Mangel von etwas ist. Schließlich kann man Bedürfnisse auch verstehen im Bezug auf die Abhängigkeit zwischen dem Menschen und seiner Umgebung (Kocowski 1982, 68). Traditionell bezieht sich die gesellschaftliche Deprivation also auf die menschlichen Bedürfnisse durch Verbindung ihrer existentiellen Formen. Jedes der Ziele nämlich, die sich das Individuum gesetzt hat, ist nicht etwas autonomes, sondern die Ziele schaffen ein gemeinschaftliches System, das auf gegenseitigen Wechselbeziehungen fußt. Die Realisierung jedes der Ziele jedoch ist abhängig von der Befriedigung spezifischer menschlicher Bedürfnisse. Daher wird die Deprivation auch als fehlende Befriedigung von Bedürfnissen insbesondere auf ökonomischer bezeichnet, als ein bestimmter Zustand der Lebenssituation korreliert mit niedrigem Einkommen. Wenn wir obige Analyse beachten, gelangen wir zu der Feststellung, dass gesellschaftliche Deprivation im Fehlen oder Mangel an solchen Ressourcen besteht, die die Möglichkeit des Überlebens, der Entwicklung, des Erreichens von gesellschaftlichen Positionen, der Zufriedenheit mit dem Leben durch das Individuum in Abhängigkeit von erhaltenem Einkommen impliziert. 3. Arten der Deprivation Entsprechend der Definition ist die Deprivation nicht ein bestimmter einzelner Teil der Gesellschaft. Man spricht eher von einer Deprivation im individuellen Sinne, wenn ausschließlich bestimmte Individuen betroffen sind, aber auch von einer Deprivation im kollektiven Sinne, d. h. die Gesellschaft betreffend. Daher kann man die Frage auch hinsichtlich dieses doppelten Verständnisses analysieren. Traditionell unterscheidet man nämlich absolute und relative Armut und bezeichnet diese Unterscheidung mit den Namen Deprivationsmodel (Kazimierczak und Luszczynska 1998, 21). Sowohl die erste als auch die zweite Art von Armut verlangt die Festlegung von Grenzen oder Linien, die ihre Reichweite bestimmen. Es geht um die minimale Anzahl von Ressourcen, die implizit gebraucht wird, damit der Mensch für seinen Lebensunterhalt sorgen kann. Diese Ressourcen müssen auf irgendeine Art und Weise seine Existenz hervorbringen. Absolute Deprivation bezieht sich auf die Möglichkeit, dass das Individuum diejenigen Ressourcen erlangen kann, die notwendig zur Befriedigung seiner Existenz sind, aber nur das Minimum der Mittel zum Überleben sind. Armut in diesem Sinne betrifft nur diejenigen, die unterhalb jenes Minimums bleiben. Diese Bestimmung bezieht sich lediglich auf das Überleben des Individuums in einer gegebenen Gesellschaft. Relative Deprivation betrifft hingegen diejenigen Individuen, die sich in einer Situation befinden, in der sie zwar überleben können, deren Einkommen aber deutlich niedriger sind als die Einkommen der anderen Individuen, die in der gleichen Gesellschaft leben. Ihr Lebensstandard ist zwar unter dem allgemeinen Lebensstandard, übersteigt aber das Minimaleinkommen. Die obigen Modelle machen uns den gesellschaftlichen Charakter der Deprivation bewusst. Daher unterscheidet Holmann (1978) auch vier grundlegende Eigenschaften der relativen Armut, als die er angibt: • Das Modell der relativen Armut wird verglichen mit der Distanz, die zwischen Gruppen und Individuen auftritt; • Arme im relativen Sinne besitzen die gleiche Bezugssphäre im gesellschaftlich-kulturellen Umfeld; • Das Modell der relativen Armut ist eng verbunden mit dem Phänomen der gesellschaftlichen Ungleichheit; • Das Modell der relativen Armut ist ein Element von Bewertungen und wertender Urteile (Holman 1981, 8). Schwierig erscheint eine eindeutige Erklärung des Umfangs der Armut, insbesondere der Massenarmut. Ungleich einfacher ist es, einige individuelle Beispiele dieses Phänomens aufzuzeigen. Unter den Problemen, die Einfluss auf die Entstehung der Armut haben, zeigen sich jedoch des Öfteren eine schlechte Regierungsarbeit, Korruption und andere wirtschaftliche Phänomene. Oft werden auch kulturelle Faktoren genannt, zu denen wir zählen; Eigenschaften der Persönlichkeiten der Individuen oder auch allzu großer Geburtenüberschuss. Es existieren auch klimatische und historische Faktoren, die in der weiteren Analyse aber keine wichtige Bedeutung haben werden. Im derzeitigen Zustand der polnischen Gesellschaft können wir eindeutig annehmen, dass sich zusammen mit dem Erscheinen des Kapitalismus auch das Phänomen der Deprivation vermindert hat. Dieses Paradigma führt zu einer größeren Entwicklung der polnischen Gesellschaft und zur Möglichkeit, größere Ressourcen in Anspruch zu nehmen, als im Rahmen eines angemessenen Lebensstils notwendig wäre. 4. Gesellschaftliche Deprivation und Sozialarbeit -Komplementarität der Phänomene Das Phänomen der gesellschaftlichen Armut, ein immer drängenderes Problem in den heutigen modernen Gesellschaften, ist untrennbar verbunden mit Sozialarbeit. Von der Komplementarität dieser Begriffe zeugt die Analyse von H. Radlinska, der Sozialarbeit mit gesellschaftlicher Hilfe verbindet (Szatr-Jaworska 1995, 107). Er schreibt nämlich, dass Sozialarbeit aus dem Hervorbringen und Vergrößern menschlicher Kräfte besteht, aus ihrer Verbesserung und der Organisation gemeinsamen Handelns für das Wohl der Menschen (Radlinska 1961, 354356). Es handelt sich also um eine spezifische berufliche Tätigkeit, die die bessere Anpassung der Personen, der Familien, Gruppen an das gesellschaftliche Umfeld, in dem wir leben, zum Ziel hat, wobei sich die Individuen entfalten, indem sie am Prozess des Ethos der eigenen Existenz teilnehmen (Lepalczyk 1981, 233). Die obigen Definitionen umfassen tatsächlich das ganze Umfeld der Dinge, die mit der Existenz des Menschen in der Gesellschaft auf seiner individuellen Ebene oder auch auf der Ebene einer Gruppe verbunden ist. Die Reichweite der Definitionen geht aber noch weiter, sie umfassen auch Fragen der gesellschaftlichen Armut, die ganz allgemein das Handeln zugunsten des guten Funktionierens des Individuums in der Gesellschaft betreffen. Besonders mit Blick auf die Geschichte der sozialen Einzelfallhilfe (case work) bemerken wir, wie reich die Vergangenheit ist an Beispielen zu Versuchen der Eingruppierung von Menschen nach bestimmten Kriterien zur Erleichterung ihrer Klassifikation. Einige restriktive Bestimmungen unrühmlicher englischer Armengesetze gingen teilweise hervor aus naiven und unbegründeten Grundsätzen, z. B. dass alle Bedürftigen aus Gründen der Ignoranz, des Unwillens zur Arbeit, der Unbeholfenheit oder Deprivation arm sind, dass es ihnen erschwert werden muss, an Hilfe zu gelangen und dass diese Hilfe in kleinen Portionen geleistet werden muss, nur in außergewöhnlichen Situationen und für eine kurze Zeit. Nur auf diese Weise könne man die Armen zur Arbeit zwingen, in ihnen ein Gefühl der Verantwortung entwickeln und sie von den negativen Seiten der Abhängigkeit von Hilfe befreien (Skidmore und Thackeray 1998, 62). Der Verband für die Verbesserung der Bedingungen Mittelloser, der 1843 in Amerika gegründet wurde, näherte sich dem Problem der Armut auf individuellere Art und Weise, als es bis zu diesem Zeitpunkt praktiziert worden war. Das Ziel des Verbandes war »die Armen in ihren Häusern zu besuchen, sie mit Rat zu unterstützen, ihnen - sofern erforderlich - bei der Erfüllung der Arbeit zu helfen, ihre Selbstständigkeit und ihren Selbstwert anzuregen, ihnen Sparsamkeit, Unternehmensgeist und Mäßigung als Gewohnheiten beizubringen und im Fall der absoluten Notwendigkeit unentbehrliches Hilfsmaterial zur Verfügung zu stellen« (63). Die Gesellschaft der Karikativen Organisationen (COS) entstand 1877 in den Vereinigten Staaten und gab einen zusätzlichen Impuls zum individuellen Handeln und der Individualfürsorge. Die Hauptthesen der COS setzen die Untersuchung der Kandidaten hinsichtlich ihrer Bedürfnisse voraus, eine zentrale Registrierung, materielle Unterstützung und von Freiwilligen durchgeführte Hausbesuche. Sicherlich gerade wegen den Familienbesuchern entstand ein karikativ-wissenschaft-licher Begriff, und das Samenkorn der sozialen Einzelfallhilfe wurde gesät. In allen Gesellschaften wird nach wie vor versucht, eine sogenannte »Armutsgrenze« zu bestimmen, d. h. das Mindesteinkommen, das die grundlegenden und notwendigen Bedürfnisse des Menschen abdeckt, die aus der Natur seiner Existenz entstehen. Man sucht einen wissenschaftlichen Maßstab minimaler Einkommen, die unerlässlicher zum Leben des Individuums sind. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass einige Individuen in der Gesellschaft geradezu determiniert sind zum Verbleib in einer Situation nicht befriedigender Bedürfnisse, und ihr Status beinhaltet das Merkmal der Deprivation. Daher gibt es für die aufgezeigte Aufteilung der Deprivation noch eine weitere Dimension - eine empirische, die auf statistischen Untersuchungen fußt, deren Ziel die konkrete Verifizierung einer konkreten Wirklichkeit in der Dimension des Einkommensniveaus und administrative Einflussnahme auf politische Entscheidungen ist, die sehr häufig ein Kompromiss mit gesellschaftlichen Forderungen sind (Zwolinski 2003, 220). Besonders in dieser zweiten Bedeutung besitzt Sozialarbeit im ganzen Umfeld der Armutsfrage eine charakteristische Bedeutung, denn sie kann Einfluss auf die gesellschaftlichen Entscheidungsträger nehmen, und so auf administrative Art und Weise Einfluss nehmen auf die Verbesserung der Lebenssituation des Menschen. Es existiert nämlich eine Verantwortung der Regierung für das Fehlen von Ressourcen zur Befriedigung der grundlegenden existentiellen Bedürfnisse der Menschen. Deshalb sollten auch die Vertreter der Sozialarbeit auf verschiedene Art und Weise des Handelns und ihrer Formen Einfluss nehmen auf die Vertreter der Regierung. Das öffentliche Wohl sollte das Zentrum des Interesses der öffentlichen Verwaltung sein. Da Sozialarbeiter große Erfahrung in der Arbeit mit Familien und Individuen haben, wissen sie überdies, dass einige Probleme sich nicht vollständig lösen lassen; sie wissen auch, dass Geld notwendig ist, aber auch Verständnis und Mitgefühl, und diese kann man nicht kaufen. Es reicht auch nicht die alleinige Absicht zu helfen. Die Lösung vieler menschlicher Probleme erfordert die breite Anerkennung des Werts des Individuums, und diesen Wert kann man weder beschließen noch kaufen. Bei der Anerkennung dieses Werts kann die Sozialarbeit helfen. Deshalb handeln Sozialarbeiter auch stets in zwei Richtungen: sowohl zugunsten der gesellschaftlichen Politik als auch zugunsten des Individuums und gesellschaftlicher Gruppen. Sozialarbeiter besitzen auch eine tiefe Kenntnis der Ressourcen der Gesellschaft und können sie entsprechend nutzen für die Befriedigung der Bedürfnisse ihrer Klienten. Eine ihrer wichtigsten Dienste ist, die Leute zu den Institutionen zu führen, die in einer konkreten Situation effektive Hilfe gewähren. Deshalb arbeiten Sozialarbeiter für das Wohl der ganzen Gesellschaft. Einerseits unterstützen sie Regierungsinstitutionen, damit ihr Wirken nützlich ist, andererseits helfen sie dem Individuum, den Status quo in schwierigen Situationen zu erhalten, in denen es an Ressourcen zur Erhaltung eines angemessenen Lebensniveaus mangelt. 5. Schlusswort Analysiert man die gesellschaftliche Wirklichkeit auf der Basis verschiedener Kriterien, welche die Vielzahl und die Komplexität der Formen berücksichti- gen, gelangt man oft zu einer doppelten Auffassung: im mikrostrukturellen und im makrostrukturellen Sinn. Es wird allgemein angenommen, dass als Resultat dieser Aufteilung eine Wechselwirkung zwischen Makro- und Mikrostrukturen auftritt. Die Intensität dieser Wechselwirkung ist zwar in der Gesellschaft unterschiedlich stark, es lassen sich aber in jedem Fall eindeutige Konsequenzen ausmachen. Sowohl Mikro- als auch Makrostrukturen betreffen das Problem Armut - Deprivation und deshalb besteht nach Meinung von Wissenschaftlern die Notwendigkeit der Analyse dieses Phänomens. Obwohl es bis heute keine eindeutigen und komplexen Ausarbeitungen gibt, werden dennoch laufend neue Analysen unternommen, die versuchen, das Niveau von Ressourcenmangel widerzuspiegeln und seine Intensität zu vermessen - wenn schon nicht auf globale Art und Weise, so doch zumindest in irgendeinem vorgegebenen Ausschnitt der Wirklichkeit. Es ist jedoch schwierig, Grenzen oder strenge Kriterien zu der behandelten Fragestellung zu bestimmen. Es steht außer Zweifel, dass die Wirklichkeit der modernen Welt außergewöhnlich komplex ist. Sowohl das politische Schicksal von Gesellschaften als auch ihre wirtschaftliche und kulturelle Entfaltung hängen von vielerlei Faktoren ab. Es ist daher nicht verwunderlich, dass in ganz unterschiedlichen Gesellschaften Gemeinschaften zum Vorschein kommen, die vom Problem der Deprivation betroffen sind. Dieses Phänomen hat sich von Anfang an auf der gesamten bevölkerten Welt ausgebildet, seitdem es überhaupt Gesellschaften gibt. Sein ganzes Ausmaß hängt aber in hohem Maße von verschiedenen gesellschaftlichen Faktoren ab, die einem gut organisierten administrativen System und gesellschaftlicher Organisation erlauben, das Wohl des Individuums und das Wohl von Gemeinschaften zu erhalten. Man muss auch daran erinnere, dass in entwickelten Gesellschaften weder die bedingte noch die relative Deprivation vermeidbar sind. Die dynamische Entwicklung der Technik und neuer Technologien wird heute zwar als zivilisatorischer Fortschritt wahrgenommen, reicht aber weder in Polen noch sonst auf der Welt dazu aus, um Armutsgebiete von der Landkarte zu tilgen. Daher muss man alles tut, um zumindest die Reichweite der Armut zu verringern und gleichzeitig die natürliche Lebensqualität jedes Menschen zu verbessern. Bei der Verringerung des Phänomens der Armut ist der sich schnell entfaltende eigene Wissenschaftszweig eine Hilfe, der den Titel Sozialarbeit und gesellschaftliche Hilfe trägt. Gut vorbereitete und ausgebildete Sozialarbeiter werden besonders gut mit Bedürftigen arbeiten können, insbesondere in den Bereichen und Sektoren des menschlichen Lebens, in denen ihre Dysfunktionalität zutage tritt. Mit Sicherheit wird der Beruf des Sozialarbeiters sich weiter entwickeln, seine Notwendigkeit wird immer größer werden. Immer mehr und immer öfter spricht man nämlich von der gesellschaftlichen Dysfunktion des Individuums, von Gruppen und Gemeinschaften. In der Tat geht es nicht nur um die Wiederherstellung von Hoffnung und einer besseren Zukunft, sondern vor allem um das Aufzeigen von Auswegen aus konkreten Situationen. Die eigentliche Quintessenz der Sozialarbeit ist, dass dank ihr auf professionelle Art und Weise gesellschaftlicher Dysfunktion vorgebeugt werden kann, auch in Bezug auf Deprivation, die die unterschiedlichsten Formen in der Vielfalt der gesellschaftlichen Wirklichkeiten an- nimmt. In diesem Kontext erweist sich die ursprüngliche These als wahr, dass die gesellschaftliche Deprivation untrennbar verbunden ist mit der Sozialarbeit und ihre Reichweite genauso weit ist wie die Kompetenzen des Sozialarbeiters. Referenzen Holmann, Roman. 1978. Poverty. Explanations of Deprivation. London: Martin Robertson. Kazimierczak, Tomasz, und Marta Luszczynska. 1998. Wprowadzenie do pomocy spolecznej. 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